In den Händen des griechischen Tycoons

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Nikos Demakis ist ein arroganter Schuft! Doch die junge Lexi ist ihm wehrlos ausgeliefert, denn der Millionär hat etwas gegen sie in der Hand, mit dem er sie erpresst. Skrupellos verlangt er von ihr, dass sie ihn auf seine griechische Insel begleitet, um ihn dort bei einem infamen Plan zu unterstützen. Ihr hilfloses Nein ignoriert er einfach! Lexi bleibt nichts anderes übrig, als seinen Forderungen nachzugeben. Doch schon bald wird ihr klar, dass viel mehr auf dem Spiel steht als ihr Stolz und ihre Unabhängigkeit: der Verlust ihres Herzens.


  • Erscheinungstag 23.06.2015
  • Bandnummer 2184
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701772
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nikos, Miss Nelson ist da.“

Nikos Demakis warf einen Blick auf seine Rolex und lächelte. Es hatte also geklappt mit seiner kleinen Lüge. Allerdings hatte er auch nicht daran gezweifelt. Noch nicht einmal eine Stunde war vergangen, seit seine Sekretärin in seinem Auftrag angerufen hatte.

„Die Security soll sie heraufbringen“, erklärte er, ehe er sich wieder seinen Gästen zuwandte.

Ein anderer Mann hätte vielleicht ein schlechtes Gewissen gehabt, dass er die Situation derart für seine Zwecke ausnutzte. Nicht so Nikos.

Christos, es wurde immer unerträglicher für ihn mitzuerleben, wie seine Schwester ihrem Freund hinterherlief, um ihn daran zu erinnern, dass sie eine Beziehung hatten. Die Rolle der tragisch Liebenden beherrschte sie perfekt. Doch statt der üblichen Unbeständigkeit entdeckte Nikos allmählich auch etwas anderes in Venetias Blick. Offenbar hatte er unterschätzt, wie viel Macht Tyler über sie gewonnen hatte. Selbst sein Großvater war hellhörig geworden, als sie ihre Verlobung verkündeten.

Wie von Nikos erwartet, hatte Savas ein Ultimatum gestellt, um wieder einen Grund zu haben, ihn nicht als den neuen Firmenchef von Demakis International zu nominieren.

„Bring die Sache mit Venetia in Ordnung, und das Unternehmen gehört dir, Nikos. Sperre ihr Bankkonto, nimm ihr den teuren Wagen und die Kleider. Wenn sie erst einmal wieder merkt, was es heißt, Hunger zu leiden, wird sie den Kerl bald vergessen haben.“

Bei der Erinnerung an Savas’ Worte drehte sich Nikos der Magen um. Es war wirklich höchste Zeit, den charmanten, manipulativen Tyler aus Venetias Leben zu verbannen. Allerdings hatte er nicht die Absicht, seine Schwester hungern zu lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Er würde Venetia niemals in irgendeiner Weise schaden. Das hatte er nie getan und würde es auch in Zukunft nicht tun. Dass Savas diese Möglichkeit jedoch in Erwägung zog, beunruhigte Nikos und zwang ihn zu handeln.

Seine Miene musste verraten haben, wie entsetzlich er diese Vorstellung fand, denn Nina, die langbeinige Brünette, mit der er sich für gewöhnlich traf, wenn er in New York war, zog sich in die andere Ecke der Lounge zurück.

„Miss Nelson würde sich gerne mit Ihnen in dem Café auf der anderen Straßenseite treffen“, flüsterte seine Assistentin ihm ins Ohr.

Verärgert runzelte Nikos die Stirn. „Nein.“

Es war schon schlimm genug, dass er es in den kommenden Tagen nicht nur mit einer emotional instabilen Frau zu tun haben würde, sondern gleich mit zweien. Deshalb wollte er dieses Treffen so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann nach Athen zurückkehren. Er konnte es gar nicht erwarten, Savas’ Gesicht zu sehen, wenn er ihm von seinem Triumph erzählte.

Er schnappte sich einen Drink vom Tablett eines Obers, der gerade vorbeiging, und nippte an dem Champagner. Er rann wie flüssiges Gold über seine Zunge und schmeckte umso besser, wenn Nikos an seinen Sieg dachte. Obwohl Savas ihm vorhergesagt hatte, dass er keinen Investor finden würde, hatte er gerade einen Milliardenvertrag mit Nathan Ramirez abgeschlossen, einem aufstrebenden Unternehmer, dem er die Exklusivrechte an einer der beiden Inseln übertragen hatte, die seit fast drei Jahrhunderten der Familie Demakis gehörten.

Eine dringend notwendige Finanzspritze für Demakis International – und sie verloren nicht einmal etwas dabei. Nikos kämpfte schon seit Langem um diese Chance. Und den Sieg konnte Savas nicht mehr übersehen. Nikos war seinem Ziel so nahe, dass sein Körper vor Energie vibrierte.

Er hatte einen Monat intensiver Verhandlungen hinter sich, und sein Körper hungerte nach Sex. Hastig schluckte er den Rest Champagner hinunter und nickte der braunhaarigen Nina zu. Miss Nelson konnte warten.

Gerade als sie die Tür zu seiner Privatsuite erreichten, ließ ihn ein Geräusch im Flur innehalten.

Er wies Nina an, in die Lounge zurückzukehren, ehe er weiter den Korridor hinunterschritt. Gerade wollte er sein Wachpersonal befragen, doch die Worte erstarben auf seinen Lippen, als er die Szene vor sich sah.

Eine Frau kniete vorgebeugt am Boden auf dem dicken Teppich, hielt sich den Bauch und atmete hektisch. Sein riesiger Wachmann Kane stand über sie gebeugt, sein wettergegerbtes Gesicht zu einer Miene der Besorgnis verzogen.

Nikos trat näher. „Kane?“

„Sorry, Mr Demakis“, erwiderte Kane und tätschelte den schlanken Rücken der Frau mit seiner Pranke. „Lexi hat sich geweigert, den Aufzug zu nehmen.“

Lexi Nelson.

Nikos starrte auf den Hinterkopf der Frau. Sie hockte immer noch vorgebeugt da, und ihre schlanken Schultern hoben und senkten sich. „Sie hat was getan?“

Kane sah nicht zu ihm hoch. „Sie hat gesagt, dass niemand sie zwingen kann, in den Aufzug zu steigen. Deshalb sollte ich Sie fragen, ob Sie sie im Café treffen könnten.“

Mit schräg gelegtem Kopf betrachtete Nikos den modernen Lift. Ein Satz aus ihrer Akte, die er über sie angelegt hatte, schoss ihm in den Kopf.

Sie saß einmal siebzehn Stunden in einem Aufzug fest.

Natürlich hätte sie einfach gehen können. Womit seinem Vorhaben allerdings überhaupt nicht gedient gewesen wäre. „Sie ist die neunzehn Stockwerke hochgestiegen?“, fragte er ungläubig.

Als Kane nickte, merkte Nikos, dass auch er ein bisschen schwerer atmete.

„Und Sie haben sie begleitet?“

„So ist es. Dabei habe ich sie noch gewarnt, dass sie bestimmt zusammenbrechen wird. Ich meine, sehen Sie sich die zarte Person doch an.“ In seinem Blick, mit dem er die Frau bedachte, lag Neugier und Wärme. Und auch mehr als nur eine Spur Anerkennung. „Aber sie hat mich herausgefordert.“ Spielerisch stupste er sie mit der Schulter an, während Nikos den beiden seltsam fasziniert zusah. Die Frau richtete sich ein Stück auf und stieß Kane ebenfalls an, wobei sie für eine so kleine Frau eine überraschende Kraft zeigte.

„Und ich hätte Sie fast geschlagen, stimmt’s?“ Sie klang immer noch atemlos.

Kane lachte und half ihr auf die Füße. Irgendwie wirkten die beiden fast ein wenig vertraut miteinander, und das, obwohl er die Frau erst vor kaum zwanzig Minuten kennengelernt hatte. Als sie ihre Kleider richtete, verstand Nikos, warum Kane so überrascht gewesen war, von ihr herausgefordert zu werden.

Lexi Nelson war klein, sie reichte ihm kaum bis zur Schulter. Zwischen ihrem kurzen Faltenrock und den kniehohen Lederstiefeln blitzte ein winziges Stück Haut hervor – und der Anblick ließ seinen Mund trocken werden.

Ihre Schultern waren sehr schmal, und ihre kleinen Brüste konnte er nur ausmachen, weil sie so angestrengt atmete. Die weit auseinanderstehenden Augen in dem ovalen Gesicht leuchteten in einem verwirrenden Hellblau und waren das Einzige, was einen zweiten Blick lohnenswert zu machen schien. Ihr Mund, zu einem Lächeln verzogen, mit dem sie Kane immer noch bedachte, war eine Spur zu breit.

Mit dem kurzen honigfarbenen Haar und der schlanken Figur sah sie eher aus wie ein halbwüchsiger Junge als wie eine erwachsene Frau. Nur ihr zartes Gesicht wirkte weiblich.

Auf ihrem zerknitterten T-Shirt war eine langbeinige, vollbusige Frau in Leder abgebildet, die ein Gewehr in der Hand hielt. Was für ein Gegensatz zu dem kleinen Mäuschen, das dieses Kleidungsstück am Leib trug.

„Bringen Sie Miss Nelson bitte in meine Räume, Kane“, sagte Nikos und bemerkte, wie sie ihn aus großen Augen ansah. „Sie verursachen zu viel Aufregung hier.“ Ihr Lächeln verschwand, stattdessen runzelte sie nun die Stirn. „Warten Sie in meinem Büro. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.“

Er drehte sich nicht um, als er sie vernehmlich nach Luft schnappen hörte.

Lexi Nelson klappte ihren Mund wieder zu, als Nikos Demakis sich einfach abwandte und ging. Er war unhöflich, kurz angebunden, aber – Himmel! – er hatte wirklich einen tollen Hintern. Schnell schob sie den unpassenden Gedanken beiseite.

Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, ihn verärgert zu haben. Sie ignorierte Kane, der nach ihr rief, und nahm denselben Weg wie sein unhöflicher Boss eben. Währenddessen überlegte sie, womit sie ihn gegen sich aufgebracht haben könnte.

Sie war neunzehn Stockwerke hochgestiegen und hätte beinahe einen Herzanfall bekommen. Sie würde jetzt ganz sicher nicht gehen, ohne erfahren zu haben, wie es um Tyler stand.

Abrupt blieb sie stehen, als sie eine spärlich beleuchtete Lounge von zurückhaltender Eleganz erreichte. Hohe Wände, schneeweiße Teppiche und Panoramafenster, die einen fantastischen Ausblick auf die abendliche Skyline von Manhattan boten. An einer Wand stand eine glänzend polierte Bar.

Lexi glaubte, in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Schlagartig war es gespenstig still geworden. Die etwa zehn anwesenden Männer und Frauen starrten sie mehr oder weniger schockiert an. Sie fühlte sich wie ein Außerirdischer auf dem Seziertisch.

Als Nikos merkte, dass sie ihm gefolgt war, löste er sich von der Brünetten an seiner Seite.

„Ich hatte Sie gebeten, in meinem Büro zu warten, Miss Nelson.“

Sie war noch viel zu durcheinander, um wirklich zu realisieren, was dieser zweifellos attraktive Mann gesagt hatte. Sein Blick aus diesen unglaublichen dunkelbraunen Augen, umrahmt von dichten Wimpern, hielt ihren fest. Der italienische Anzug, sicher maßgeschneidert, schmiegte sich an seine breiten Schultern und die schmale Taille. Ein seltsames Flattern stieg in ihrem Bauch auf, als sie wieder in sein Gesicht schaute.

Ohne Übertreibung konnte sie Nikos Demakis als den schönsten Mann bezeichnen, den sie je gesehen hatte. Mit seiner schlanken, aber muskulösen Gestalt sah er genauso aus wie ihr Weltraumpirat, der ihre Heldin Miss Havisham gekidnappt hatte – zwei Gestalten, die sie sich ausgedacht hatte und immer wieder zeichnete.

Ihr Herz raste, und es juckte sie in den Fingern, den Kohlestift aus ihrer Handtasche zu nehmen, den sie stets dabeihatte. „Er sieht aus wie Spike, mein plündernder Weltraumpirat …“

„Entschuldigung, sind Sie betrunken, Miss Nelson?“

Lexi wurde rot, als sie merkte, dass sie laut gesprochen hatte. Sein Blick wirkte verschlagen und jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Als könnte er durch sie hindurchsehen! Sie schluckte. „Natürlich nicht. Ich habe nur …“

„Was denn?“

Sie setzte ein Lächeln auf. „Sie erinnern mich an jemanden.“

„Wenn Sie mit Ihren Tagträumen fertig sind, können wir reden.“ Er deutete auf eine Tür hinter sich.

„Es ist nicht nötig, dass Sie Ihre … Party verlassen“, entgegnete sie und wandte den Blick von ihm ab. Was hatte sie bloß falsch gemacht? „Ich will nur wissen, wie es Tyler geht.“

Mit einem knappen Nicken bedeutete er seinen Gästen, sich in die Eingangshalle seiner Suite zu begeben. Sein unmissverständlicher Befehl wurde sofort befolgt; die Leute nahmen ihre Gespräche wieder auf und vergaßen ihre offensichtliche Neugier. Lexi verspannte sich, als sie merkte, wie lässig Nikos Macht ausübte.

„Nicht hier“, sagte er und flüsterte der Brünetten etwas ins Ohr, ohne Lexi dabei aus den Augen zu lassen. „Gehen wir in mein Büro.“

Lexi fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und trat einen Schritt zur Seite, als er an ihr vorbeiging. „Es gibt nichts zu reden, Mr Demakis. Ich möchte nur wissen, wo Tyler ist.“

Er blieb nicht stehen, als er über seine Schulter sagte: „Das war keine Bitte.“

Sie merkte, dass sie wieder auf seinen Hintern starrte, als sie ihm folgte. Wenige Minuten später waren sie in seinem hochmodernen Büro, das eine noch bessere Aussicht auf Manhattan bot. Ob sie das winzige Apartment, das sie sich mit ihrer Freundin in Brooklyn teilte, von hier aus wohl sehen konnte?

Ein massiver Mahagonitisch in der Mitte dominierte den Raum. Auf der einen Seite standen Sofas mit Blick auf die riesigen Fenster, auf der anderen Seite ein Computer, ein Aktenvernichter und ein Drucker.

Nikos zog seine Jacke aus und warf sie achtlos auf einen der Ledersessel. Sein schneeweißes Hemd ließ ihn noch größer, seine Schultern noch breiter erscheinen.

Schließlich lehnte er sich an den Tisch und streckte die langen muskulösen Beine vor ihr aus. „Ich hatte Sie gebeten zu warten.“

Mit geröteten Wangen sah sie zu ihm hoch. Was dachte sie sich nur dabei, die Schenkel dieses Mannes so offen anzustarren? „Ich bin neunzehn Stockwerke hochgestiegen, nur um ein paar Minuten mit Ihnen reden zu können“, sagte sie und merkte, dass sein forschender Blick sie verlegen machte. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, größer und eleganter zu sein. „Sagen Sie mir einfach, wie es Tyler geht, dann bin ich schon wieder verschwunden.“

Als er sich vom Tisch abstieß, zwang sie sich, nicht wie ein aufgeschreckter Vogel zur Seite zu hüpfen. Er ragte über ihr auf, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Als sie seinen forschenden und gleichzeitig verächtlichen Blick bemerkte, wollte sie sich am liebsten durch die Haare fahren und ihr T-Shirt glatt streichen.

„Sind Sie gerade erst aus dem Bett gekrochen, Miss Nelson?“

Mit offenem Mund starrte sie ihn an. Wie unverschämt! „Ja, so ist es. Ich habe die ganze Nacht durchgemacht und noch geschlafen, als der Anruf kam. Deshalb entschuldigen Sie bitte, wenn mein Aufzug nicht zu Ihrem millionenschweren Dekor passt.“ Aus irgendeinem Grund mochte er sie ganz offensichtlich nicht. Und das machte sie ungewohnt angriffslustig. „Sie mögen vielleicht nichts Besseres zu tun haben, als sich mit Ihrer Freundin zu vergnügen, aber ich habe einen Job. Manche von uns müssen für ihren Lebensunterhalt nämlich arbeiten.“

Sein Blick wirkte amüsiert. „Und Sie glauben, dass ich nicht arbeite?“

„Zumindest benehmen Sie sich, als sei Ihre Zeit kostbarer als meine. Offensichtlich machen Sie in einer Minute mehr Geld als ich in einem ganzen Monat, aber ich kann zumindest mein Essen selbst bezahlen.“ Es schockierte sie, wie wütend sie jetzt war. So kannte sie sich gar nicht. „Also, je eher Sie meine Frage beantworten, desto schneller sind Sie mich wieder los.“

Er trat näher, und Lexis Herz schlug schneller. Ein Hauch von Aftershave, das leicht nach Kiefernharz roch, kitzelte sie in der Nase. Entschlossen blieb sie stehen, obwohl seine Nähe sie ziemlich nervös machte.

„Sie sind also wegen Ihres lieben Tyler hier“, sagte er. „Nun, niemand zwingt Sie dazu. Sie könnten einfach gehen und den gleichen Weg nehmen, den Sie gekommen sind.“

Genau das hätte Lexi am liebsten getan, aber sie konnte es eben nicht. Dieser Mann hatte ja keine Ahnung, wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, zu ihm zu kommen. Sie atmete tief durch. „Ein Anrufer, der seinen Namen nicht nennen wollte, hat mir erklärt, dass Tyler einen Autounfall hatte, zusammen mit Ihrer Schwester.“ Vielleicht vermochte sie Nikos Demakis damit endlich zu erweichen. „Wie geht es ihm? Ist Ihre Schwester auch verletzt worden? Sind die beiden okay?“

Tiefe Furchen zeigten sich auf seiner Stirn, während er sie anstarrte. „Sie erkundigen sich nach der Frau, die Ihnen den Freund ausgespannt hat, mit dem sie …“ Er nahm eine Akte vom Tisch und blätterte sie durch. „Mit dem Sie seit elf Jahren befreundet sind?“

Dieser Mann brachte sie zur Weißglut. „Ich dachte, es gibt vielleicht einen Grund dafür, dass Sie so ein mürrischer, arroganter Erbsenzähler sind – weil Sie sich zum Beispiel Sorgen um Ihre Schwester machen. Aber offensichtlich sind Sie von Natur aus ein A…“ Abrupt stockte sie, als ihr Blick auf die Akte fiel, auf der in großen Buchstaben der Name NELSON stand.

Hastig riss sie ihm die Akte aus der Hand. Kalte Angst kroch in ihr hoch, als sie die Seiten durchblätterte. Sie fand seitenweise Informationen über sich selbst und Tyler, ihrer beider Leben in kalten, nackten Fakten ausgebreitet, zusammen mit Fahndungsfotos von ihnen.

Hat mit sechzehn wegen Raub ein Jahr in einer Jugendstrafanstalt gesessen.

Die Worte unter ihrem Foto schienen sie förmlich anspringen zu wollen. Schweiß perlte zwischen ihren Schulterblättern, obwohl es im Büro recht kühl war.

Sie ließ die Akte fallen. „Eigentlich sind diese Berichte streng geheim und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich“, sagte sie und fühlte sich zutiefst beschämt. Sie trat zu ihm und stieß ihn an. „Was soll das? Warum sammeln Sie Informationen über mich?“

„Beruhigen Sie sich, Miss Nelson.“ Seine Stimme klang gefährlich weich, während er ihre Handgelenke fest umklammerte.

Lexi riss sich los. Wie konnte er es wagen, sie anzufassen?

„Ich verliere meinen Job, wenn diese Information nach außen dringt!“ Voller Angst presste sie die Hand auf den Bauch. „Wissen Sie überhaupt, wie es ist, wenn man kaum etwas zu essen hat und glaubt, verhungern zu müssen? Auf der Straße zu leben, ohne Garantie, einen sicheren Platz zum Schlafen zu finden?“ Ihr Blick schweifte von dem dicken cremefarbenen Teppich zu der atemberaubenden Aussicht und blieb schließlich an seinem italienischen Anzug hängen. Bitter lachte sie auf. „Natürlich wissen Sie das nicht. Ich wette, Sie können sich nicht einmal vorstellen, wie sich Hunger anfühlt.“

Sein Mund wurde schmal und hob die harten Linien in seinem Gesicht noch mehr hervor. „Seien Sie sich da nicht so sicher, Miss Nelson. Sie wären überrascht, wie gut ich all das verstehen kann.“ Er beugte sich hinunter und hob die Akte auf. „Mir ist es egal, ob Sie nur ein Haus oder die ganze Straße ausgeraubt haben, um sich Essen zu kaufen. Nichts, was in dieser Akte steht, ist für mich von Bedeutung, außer Ihrer Beziehung zu Tyler.“ Sein Gesicht war wieder zu einer aalglatten Maske geworden, als er ihr die Akte zurückgab. „Machen Sie damit, was Sie wollen.“

Nikos lächelte, als die zierliche Frau die Akte an sich riss. Sie presste sie gegen ihre Brust, ging zum Papierwolf hinüber, riss mit kaum verhohlener Heftigkeit eine Seite nach der anderen heraus und steckte sie in den Schlitz.

Nikos konnte es gleichgültig sein. Dank seines fotografischen Gedächtnisses benötigte er die Akte ohnehin nicht mehr. Er wusste auch so, dass Lexi dreiundzwanzig war, aufgewachsen in einer Pflegefamilie. Später hatte sie als Barkeeperin im Vibe angefangen, einem noblen Club in Manhattan. Bisher hatte sie nur einen Freund gehabt, den charmanten Tyler.

Aufgrund der persönlichen Geschichte zwischen ihr und Tyler hatte Nikos eine unterwürfige, einfache, fügsame und leicht zu lenkende Frau erwartet, ohne jeden Selbstwert.

Doch obwohl die Person, die vor dem Aktenvernichter stand, klein war und nicht unbedingt eine Schönheit, fiel sie in keine dieser Kategorien. Die schmalen Schultern, der gerade Rücken, selbst ihre Haltung, ein wenig breitbeinig und die Hände in die Hüften gestemmt, entlockten ihm ein Lächeln. Dass sie ganz anders war als erwartet und sich auch noch Sorgen um die neue Freundin ihres Liebhabers machte, veranlasste ihn dazu, seine Strategie zu ändern

Als sie sich wieder umdrehte, schimmerte tiefe Befriedigung in ihrem Blick.

Er strich mit dem Daumen über seine Wange. „Sind Sie jetzt zufrieden?“

„Nein“, antwortete sie entschieden. „Was auch immer Sie in dieser Akte gelesen haben, sollte Ihnen eigentlich klarmachen, dass ich keine Närrin bin. Dies war nur eine Kopie, die ich geschreddert habe. Sie haben immer noch das Original.“

Er hob eine Braue. „Was hatte es dann für einen Sinn, das Teil zu vernichten?“

„Ein symbolischer Akt, um Dampf abzulassen.“

Er sah sie einen Moment an. Trotz ihres knabenhaften Körpers und den nicht vorhandenen Kurven hatte sie etwas überraschend Ansprechendes.

Sein eindringlicher Blick verwirrte sie offenbar, und Röte schoss in ihre Wangen. Sie hob das Kinn und sah ihn abschätzend an. Gegen seinen Willen war er beeindruckt.

„Sie haben diese Akte nicht einmal in meinem Beisein geöffnet, um die Fakten zu überprüfen. Ich sollte nur wissen, dass Sie all diese Informationen über mich haben. Sie sammeln also die Schwachpunkte der Leute, um sie dann für Ihre eigenen Zwecke zu nutzen?“

„Ja“, erwiderte er, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Wenn es, wie in diesem Fall, um das Wohlergehen seiner Schwester ging, würde er alles tun. „Ich brauche Sie, weil Sie etwas für mich tun müssen. Und ich warne Sie: Ein Nein als Antwort werde ich nicht akzeptieren.“

2. KAPITEL

Sie starrte ihn an. Aus ihrem Blick sprach Fassungslosigkeit. „Auf die Idee, mich einfach nett zu fragen, kommen Sie wohl nicht, oder?“

Nikos schüttelte den Kopf und trat näher. „Nett? Von welchem Planeten kommen Sie eigentlich? Mit Bitte und Danke erreicht man nichts auf dieser Welt. Das müssten Sie doch inzwischen gelernt haben. Wenn man etwas will, muss man es sich mit beiden Händen nehmen, sonst bleibt man mit nichts zurück. Haben Sie nicht deshalb auch dieses Haus ausgeraubt?“

„Man sollte nicht die Sicht auf die guten Dinge verlieren, nur weil das Leben hart ist.“ Ihre Miene wirkte angespannt. „Ich habe gestohlen, weil ich sonst einen weiteren Tag hätte hungern müssen. Allerdings bin ich nicht stolz darauf und wäre froh gewesen, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Und jetzt sagen Sie mir bitte, was mit Tyler ist.“

Ihre Worte trafen Nikos, sodass er mit seiner Antwort zögerte. Diese Frau war ein wandelnder Widerspruch. „Venetia und er hatten einen Autounfall.“

Sie wurde blass und ließ sich auf die Ledercouch fallen, die hinter ihr stand.

„Körperlich ist er ohne jeden Kratzer davongekommen“, fuhr Nikos fort.

Sie wuchtete sich aus der Couch. „Die Person, die mich anrief, hat es viel schlimmer klingen lassen. Ich habe nach weiteren Einzelheiten gefragt, aber sie wollte meine Fragen nicht beantworten.“

Lexi ging an ihm vorbei und fuhr sich mit dem Finger über den Nacken. Der jungenhafte Haarschnitt lenkte auch diesmal seine Aufmerksamkeit auf ihre zarte, fast magere Gestalt.

Schließlich blieb sie vor ihm stehen. Entsetzen leuchtete in ihren Augen. „Sie waren das! Sie haben einem Ihrer Handlanger befohlen, mich anzurufen und es so schlimm klingen zu lassen. Warum?“

Er zuckte die Schultern. „Weil ich Sie brauche.“

„Also haben Sie die Wahrheit verdreht?“

Gleichmütig neigte er den Kopf zur Seite. „Ein bisschen.“

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Wenn es um das geht, was ich will, kenne ich kein Gewissen, Miss Nelson. Vor allem nicht, wenn es meine Schwester betrifft. Sollten Sie also erwarten, dass ich mich schuldig fühle, verschwenden Sie Ihre Zeit. Außer einer kleinen Gedächtnislücke geht es Ihrem Ex gut.“

„Eine Gedächtnislücke?“

„Ein kurzfristiger Erinnerungsverlust.“ Lässig lehnte er sich gegen den Tisch. „Sehr zum Leidwesen meiner Schwester erinnert er sich überhaupt nicht mehr daran, woher sie sich kennen und dass sie heiraten wollten.“

Eindringlich musterte er sie und sah, wie sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich.

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Die beiden sind verlobt?“

Er nickte.

Zitternd fuhr sie wieder mit der Hand über ihren Nacken. „Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum Sie mir das erzählen.“

„Oh, das kann ich Ihnen erklären. Der gute Tyler erinnert sich nämlich nur noch an Sie und fragt ständig nach Ihnen. Und damit macht er meine Schwester schier verrückt.“

Er war sich beinahe sicher, Triumph in ihrem Blick entdeckt zu haben. Kein Wunder, schließlich hatte Venetia ihr Tyler tatsächlich ausgespannt. Er wappnete sich gegen eine Flut von Tränen, verbunden mit der Frage, warum das gerade ihr passieren musste. Zumindest hatte Venetia so reagiert, obwohl sie bei dem Unfall ziemlich unbeschadet davongekommen war.

Doch kaum war sie von den Ärzten über den Gedächtnisverlust ihres Verlobten informiert worden, führte sie sich auf, als würde sie die Hauptrolle in einer Tragödie von Shakespeare spielen. Er hatte gehofft, dass Venetia angesichts der jüngsten Schwierigkeiten die Lust an dieser Beziehung verlor. Doch das Gegenteil war eingetreten – sie klammerte sich nur umso stärker an Tyler.

Die Zeit verrann. Lexi Nelson starrte aus dem Fenster, doch es flossen keine Tränen. Schließlich atmete sie hörbar durch, massierte mit zwei Fingern ihre Schläfen und drehte sich zu ihm um. „Und wo ist er jetzt, Mr Demakis?“

Der Anflug von Schmerz in ihrem Blick ließ ihn für einen Moment alles vergessen. Fast wäre es ihm lieber gewesen, sie würde einen Wutanfall bekommen. Damit konnte er umgehen. An ihrem stillen Schmerz aber wollte er nicht teilhaben.

Denn der erinnerte ihn an einen anderen Schmerz, und sofort spürte Nikos, wie ein Frösteln seinen Körper durchfuhr. Unwirsch schüttelte er den Kopf. Er hatte hart darum gekämpft, diese Erinnerung an seinen Vater auszulöschen. Und so sollte es auch bleiben.

„Auf unserer griechischen Insel.“

„Mein Gott, jetzt haben Sie auch noch eine Insel.“

Er lächelte zwar über ihren bissigen Kommentar, verspürte aber auch Wut.

„Sie haben mich sicher nicht nur hierher bestellt, weil es Ihnen Spaß macht, mir schlechte Nachrichten zu übermitteln. Also keine Spielchen mehr. Was wollen Sie wirklich von mir?“

Autor

Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...

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