(K)ein Mann zum Heiraten?

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Es war die wildeste Nacht ihres Lebens! Gina hat die aufregenden Stunden mit dem sexy Geschäftsmann Carter Price nie vergessen. Als sie ihn jetzt Jahre später überraschend wiedertrifft, knistert es erneut heiß. Und obwohl Gina sonst vorsichtig ist, nimmt sie spontan die Einladung in Carters Hotelsuite an. Denn was kann besser dieses sinnliche Feuer löschen, das noch immer in ihr brennt, als Sex? Schließlich weiß sie diesmal, auf wen sie sich einlässt! Hauptsache, sie verwechselt Leidenschaft kein zweites Mal mit Liebe. Denn dafür ist Carter nicht der Richtige, oder?


  • Erscheinungstag 01.04.2014
  • Bandnummer 072014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700508
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Zehn Jahre zuvor, Campus der Hillbrook Universität,

Upstate New York …

„Das hört sich wirklich toll an, Marnie, aber Carter und Missy sollten sich von all den Grandiositäten der Hochzeit nicht vom Wesentlichen ablenken lassen – nämlich dass sie sich lieben.“

Durch den betäubenden Duft der Hyazinthen, der um die Terrasse wehte, und den Nebel, der sich nach einem Glas Champagner zu viel um ihren Kopf gelegt hatte, drangen Reeses warnende Worte in Gina Carringtons Gedanken – was ihrer trüben Stimmung nicht unbedingt half.

Könnten wir bitte endlich das Thema wechseln?

Seit Tagen schon fühlte sie diese Leere in der Brust. Seit sie den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte, und das wollte etwas heißen bei einem Leben voller Fehler.

„Das ist bestimmt kein Problem. Die beiden sind so tief miteinander verbunden, und das seit Jahren. Als Carter ihr den Antrag gemacht hat, sind Missy und ich die ganze Nacht aufgeblieben und haben darüber geredet, wie wunderbar es wird, wenn wir praktisch für immer Schwestern werden.“ Marnie lachte leise, und der melodische Laut schnitt durch Ginas Kopf wie ein rostiges Messer.

Schon komisch – früher hatte Marnies Lachen ihr gefallen. Anfangs, als Marnie an die Hillbrook gekommen war, war sie unsicher und viel zu ernst gewesen. Es hatte eine Weile gedauert, bevor ihnen allen klar geworden war, dass Marnies perfektes Südstaatengehabe nur ein Mittel war, um ihre Angst zu verschleiern. Und als Marnie mit der Zeit immer selbstbewusster geworden war, hatte ihr rauchiges Lachen für Gina die Emanzipation von der Familie symbolisiert, die Marnie selbst als „die Familie, die vom Feminismus übersehen wurde“ bezeichnete.

„Und wie sieht Missys Kleid aus?“, fragte Reese.

„Ein Traum“, schnurrte Marnie, der Südstaatenakzent zäher als Sirup. „Elfenbeinfarbene Seide, ganz traditionell.“ Sie lächelte Gina an. „Ich weiß, nicht alle hier sind der gleichen Meinung, aber Missy und Carter haben beschlossen, bis nach der Hochzeit zu warten.“

Wie schön!

Gina saß der Magen im Hals, als sie sich vorlehnte und ihr leeres Glas heftiger als nötig auf den Tisch stellte. „Wer holt die nächste Flasche? Ich glaube nicht, dass ich mir ohne alkoholische Stärkung noch mehr über die junge Liebe anhören kann.“

Cassie sprang vom Geländer. „Ich bin wohl an der Reihe“, sagte sie mit ihrem breiten australischen Akzent und warf Gina einen völlig neutralen Blick zu, bei dem Gina sich nur noch miserabler fühlte.

Nur Cassie wusste, was vor einer Woche passiert war, als Marnies großer Bruder Carter Price zu Besuch gekommen war. Und in ihrer typischen nüchternen Art hatte sie das Ganze sehr pragmatisch gesehen: Ich verstehe nicht, warum du dich schuldig fühlen solltest. Er ist doch derjenige, der verlobt ist und demnächst heiraten wird.

Zwar würde Cassie sie nie verurteilen, aber das war nur ein schwacher Trost, da schon einiges falsch laufen musste, bevor das Superhirn Cassie etwas merkte. Solange es nicht um Gammastrahlen oder astronomische Konstellationen ging, schaltete sie bei Small Talk immer ab.

Gina spürte Marnies Blick. Vermutlich fragte die Freundin sich, warum Gina ein solcher Miesmacher war, wo es doch um die Hochzeit des Jahrhunderts ging. Die Heirat von ihrem großen Bruder Carter und ihrer besten Freundin Missy war seit Monaten Marnies Lieblingsthema. Und auch wenn Gina Marnie die ganze Zeit über damit geneckt hatte, war das bisher immer sehr liebevoll geschehen.

Bis letzten Samstag. Da war Gina ausgezogen, um den Heiligen Carter zu bezirzen, bis er vor Lust fast zerlaufen war. Nur um herauszufinden, dass Marnies großer Bruder keineswegs der rechthaberische, konservative Langweiler war, sondern ein unglaublich süßer, ernsthafter und extrem sexy Südstaatengentleman, der die gleichen Schwierigkeiten wie seine Schwester mit seinem Platz in der Welt hatte.

Eigentlich hatte es als Scherz auf Carters Kosten angefangen, doch der Schuss war nach hinten losgegangen. Wie hätte Gina auch wissen sollen, dass es bei Sex nicht immer nur um körperliche Befriedigung ging, sondern manchmal tatsächlich auch Gefühle ins Spiel kamen? Und wie hätte sie wissen können, dass sie sich, als Carter sie am nächsten Morgen angeekelt von dem, was sie getan hatten, angesehen hatte, zum ersten Mal in ihrem Leben schuldig fühlen würde, weil sie sich genommen hatte, was sie wollte?

Sie war gezwungen gewesen zu erkennen, dass Vertrauen, Ehre und Pflicht nicht ausschließlich Werte für Langweiler waren. Es waren harte Lektionen gewesen, die sie in der letzten Woche hatte lernen müssen, nachdem Carter wieder abgereist war.

„Gina, gib’s zu, selbst du hältst es für romantisch, dass Carter und Missy die Ersten füreinander sind“, sagte Marnie jetzt mit einem Hauch Rot auf den Wangen.

Harte Lektionen, die sie nach zwei Gläsern Champagner Mühe nur schwer akzeptieren konnte, vor allem mit dem Wissen, dass ihre Periode bereits seit vier Tagen überfällig war. „Das ist nicht romantisch, sondern unverantwortlich. Wenn sie nun erst als verheiratete Frau herausfindet, dass er lausig im Bett ist?“

„Sex ist schon wichtig, wenn die Beziehung länger dauern soll“, kam Reese ihr unerwartet zu Hilfe. Schon den ganzen Abend stand dieses rätselhafte Leuchten in ihren Augen.

Marnie lachte leise, das Rot auf ihrer Haut wurde dunkler. „Ihr denkt zu viel an Sex. Sowohl Missy als auch ich sind überzeugt, dass es nicht das Wichtigste ist.“

„Und woher wollt ihr beiden Jungfrauen das wissen, wenn ihr noch nie Sex gehabt habt?“ Gina merkte, wie das Temperament mit ihr durchging. Panik und Wut taten sich zusammen und stemmten sich gegen das Gefühl von Unzulänglichkeit und Zurückweisung.

„Man muss keinen Sex haben, um zu wissen, dass der andere einen liebt. Missy macht sich keine Sorgen darum, dass Carter …“ Marnie stockte. Offensichtlich fand sie es schwierig, über ihren Bruder im Zusammenhang mit Sex zu sprechen. „… seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommt. Die beiden haben darüber geredet.“

Eheliche Pflichten!

Gina schäumte. Von dem Wenigen, das Carter gesagt hatte – und der Unmenge, die er verschwiegen hatte –, wusste sie, dass Marnies beste Freundin Missy Wainwright eine rechthaberische, zimperliche Zicke war, die lieber ins Kloster gegangen wäre, als Carter auch nur das Wort „Sex“ aussprechen zu hören, geschweige denn, sich von ihm anfassen zu lassen.

Der Mann war regelrecht am Verhungern gewesen und hatte sich so verzweifelt danach gesehnt, berührt zu werden, dass er sich tatsächlich bei Gina bedankte, als sie ihn küsste und die Hand in seinen Reißverschluss schob. Sie hatte nicht geahnt, dass er noch Jungfrau war, und hinterher, als sie atemlos dagelegen und er es verlegen zugegeben hatte, hatte sich ihr Herz zusammengezogen.

Dass ein viriler, attraktiver, sexuell interessierter Mann sich ein elementares menschliches Bedürfnis versagte, nur weil die Frau, die angeblich seine Seelenverwandte war, es so wünschte … Wie konnte eine Frau so wenig Verständnis für den Mann haben, den sie heiraten wollte? Und wie kalt und gefühllos musste sie sein, wenn sie selbst es nicht wollte?

Das harte Lachen, das Gina ausstieß, klang nicht nach ihr, sondern nach der bösen Königin aus dem Märchen – geschickt, um das junge Paar auseinanderzubringen. „Um genau zu sein, Missy und Carter haben nicht über die ehelichen Pflichten gesprochen. Aber du kannst ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen muss.“ Der Zweihundert-Dollar-Champagner rauschte durch ihre Adern. „Carter ist nicht nur von Mutter Natur mehr als großzügig ausgestattet worden, er ist auch geschmeidig, äußerst geschickt und extrem zielorientiert. Ich spreche aus Erfahrung, ich habe die Probefahrt mit ihm gemacht.“

„Was?“ Marnies entsetzter Ausruf wurde von Reeses ersticktem Lachen begleitet.

„Gina, ärgere Marnie nicht so. Das ist nicht witzig.“

„Wenn das ein Scherz sein soll, dann ist er wirklich geschmacklos.“ Marnie klang wie ein Kind mit einem Wutausbruch – naiv und beleidigt und unglaublich jung. So jung, wie Gina es nie gewesen war. „Missy würde das Herz brechen, wenn Carter sein Versprechen nicht gehalten hätte.“

Den unausgesprochenen letzten Teil des Satzes hörte Gina deutlich in ihrem Kopf nachhallen: Vor allem mit einem Flittchen wie dir.

Plötzlich war sie stocknüchtern. Carter war mit dem festen Entschluss gegangen, sich der Gnade der jungfräulichen Königin auszuliefern. Gina hatte sein Geheimnis nicht gewahrt, und sie schämte sich nicht für das, was sie getan hatten. Die Bindung zwischen ihnen war echt und kostbar gewesen, selbst wenn es nur für eine Nacht gewesen war. Sie weigerte sich, das zu bereuen.

„Lass dich von Gina nicht ärgern, Marnie.“ Bei Reese kam der Hang zum Glucken zum Vorschein. „Das ist nur ihr britischer Humor.“ Mit vorwurfsvollem und zugleich verwirrtem Blick sah sie Gina an. „Sei nicht immer so zynisch, Gina. Ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist.“

Dafür wusste Gina umso besser, was in die Park-Avenue-Prinzessin Reese gefahren war. Es stand ihr ins Gesicht geschrieben, seit sie für den letzten gemeinsamen Abend aus New York zurückgekommen war. Reese hatte sich Hals über Kopf in diesen Marine-Soldaten verliebt, den sie in irgendeinem Diner getroffen hatte. Gerade erst hatte sie laut verkündet, dass Mason „der Eine“ war.

Verbitterung und etwas, das gefährlich an Eifersucht erinnerte, weckte in ihr den Wunsch, auch Reese zu verletzen. Reese, die hoffnungslose Romantikerin, die an die Liebe auf den ersten Blick glaubte. Gina dankte dem Himmel, dass sie nicht so beschränkt war, daran zu glauben. Genauso wenig wie an Marnies Vorstellung vom „korrekten Verhalten in einer ernsthaften Beziehung“.

„Das Einzige, was in mich gefahren ist, ist Carters wirklich beeindruckender …“

„Hör auf damit!“ Marnie hielt sich die Ohren zu wie ein Kind, das die Wahrheit nicht hören wollte. „Das ist nicht wahr. Das glaube ich nicht!“ Nur besagten die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, das Gegenteil. „Carter würde so etwas nie tun. Er ist integer, und er liebt Missy.“

„Vielleicht liebt er Missy, aber mit mir hat er geschlafen.“

„Gina, wie konntest du nur?“, flüsterte Reese entsetzt. Tröstend legte sie die Arme um Marnie. „Du weißt doch, dass Carter verlobt ist.“

Wie ich konnte? Weil ich geredet habe, und er zugehört hat. Dann hat er geredet, und ich habe zugehört. Und wir haben uns geküsst und an den Händen gehalten, und es hat etwas bedeutet. Weil er intelligent ist und lustig und zärtlich, und wenn er mich angesehen hat, dann habe ich mich sexy und wie etwas Besonderes gefühlt, statt sexy und oberflächlich.

Doch Gina sagte nichts davon, weil es nicht wirklich stimmte. Es war nur eine Illusion gewesen, heraufbeschworen von einer lauen Sommernacht und berauschenden Pheromonen. Am nächsten Morgen war alles vorbei gewesen. Also fasste sie nur die Realität zusammen – wie sie es schon hätte tun sollen, bevor sie sich in den Stricken eines nicht existenten Gefühls verfangen hatte.

„Ich konnte, weil er ein heißer Typ ist und darum gebettelt hat.“

Reese fluchte leise, Marnie sprang auf.

„Aber er ist verlobt! Kennst du weder Ehrgefühl noch Moral? Wie konntest du dich nur … wie ein solches Flittchen benehmen?“

Gina zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Es war nicht das erste Mal, dass jemand sie so nannte. Vom eigenen Vater hatte sie Schlimmeres gehört. Doch es war das erste Mal, dass ein Mensch, der ihr etwas bedeutete, ihr das sagte.

„Sie ist kein Flittchen.“ Cassie war zurück und ließ den Korken der zweiten Flasche knallen. „Sie ist schließlich nicht verlobt, sondern er. Ihr die Schuld dafür zu geben, ist ein eklatantes Beispiel für die doppelbödige Moral, wie sie …“

„Du wusstest es?“, fiel Marnie ihr ins Wort.

„Ja. Gina hat es mir am Morgen danach erzählt.“

„Warum hast du mir nichts davon gesagt?“ Marnies Ausbruch stand in krassem Gegensatz zu Cassies völliger Ruhe.

„Warum sollte ich? Das geht nur Gina und Carter etwas an.“

„Vielleicht weil Carter mein Bruder ist und Missy meine beste Freundin? Weil ich Missys Brautjungfer bin?“ Marnie sank erschöpft wieder auf ihren Stuhl. „Ich kann es ihr nicht sagen. Sie wird am Boden zerstört sein. Die Hochzeit ist in einer Woche, und Missy hat ein ganzes Jahr auf die Planung verwandt.“

„Keine Angst, er sagt nichts ab“, warf Gina ein. „Er ist doch wieder zu ihr zurückgegangen, oder?“ Angelegentlich betrachtete sie ihre Fingernägel, ignorierte das Reißen in ihrer Brust und gab vor, dass es unwichtig war, dass es ihr nichts ausmachte. „Es war nett, aber ich will ihn ja auch gar nicht behalten.“

„Ich kann nicht fassen, dass ich dich einmal respektiert und gemocht habe. In Wahrheit bist du nichts als ein verlogenes, herzloses, skrupelloses Flittchen.“

„Du hast mich erkannt, Scarlett.“ Gina stand auf und nahm Cassie die Flasche ab. „Ich bin die herzlose Schlampe.“ Wie oft hatte sie das von ihrem Vater gehört. Und bis vor einer Woche hatte sie es selbst geglaubt, bis ihr Herz sich plötzlich überraschend gemeldet hatte. Sie sah zu dem inzwischen leeren Sportplatz, auf dem sie die Leichtathletikmannschaft beim Training bewundert hatten. „Für heute Abend ist die Show wohl vorbei.“ Damit goss Gina sich einen letzten Schluck von Reeses teurem Champagner in ihr Glas und hob es zum Toast. „Es war wirklich nett, aber ich verabschiede mich jetzt. Mein Flieger nach London geht morgen früh.“

„Moment … was wird aus unserem Ausflug?“ Cassies Augen waren jetzt genauso rund vor Sorge wie Reeses. „Wir wollten ihn doch morgen buchen.“

„Ich passe.“ Gina nickte zu Marnie, die sie anstarrte, als würden Schlangen aus ihrem Haupt züngeln. „Ich ziehe es vor, keine drei Wochen in einem Wagen mit unserer Scarlett hier zu verbringen und mich von ihren Blicken erdolchen zu lassen.“

Mit stocksteifem Rücken ging sie ins Haus, bei der Treppe hatte Cassie sie eingeholt.

„Du kannst doch trotzdem mitkommen. Marnie wird sich schon wieder beruhigen. Und was ihr Bruder tut, sollte sie nicht interessieren.“

Liebevoll legte Gina der Freundin eine Hand an die Wange. Es war immer wieder erstaunlich, wie jemand so erschreckend clever sein konnte und die einfachste Dynamik zwischen Menschen nicht verstand. „Wir werden morgen sehen, wie Marnie und ich uns fühlen.“

Aber sie wusste schon jetzt, dass Marnie nichts vergessen würde. Dafür hatte Gina gesorgt. Wieder einmal hatte sie alle Brücken hinter sich abgebrochen und die Menschen, die ihr etwas bedeuteten, von sich gestoßen, bevor sie ihr zu viel bedeuten konnten. Sie bereute ihr loses Mundwerk schon jetzt. Nur war es zu spät, um die Worte zurückzunehmen. Und vermutlich war es besser so.

Was Freundschaften betraf, war sie nicht besonders gut.

Cassie schluckte. „Na schön. Ich werde dich vermissen.“

Ich dich auch. Genau wie Reese und sogar Marnie.

Doch statt es auszusprechen, nickte Gina nur knapp und ging nach oben.

Das Taxi kam, bevor die anderen wach waren. Gina war stolz auf ihre lässige kurze Abschiedsnotiz. Es hatte sie Stunden gekostet, um sie richtig zu formulieren.

Sorry, dass ich den letzten Abend der Fantastischen Vier versaut habe. Aber ich denke, uns allen war klar, dass ich mit meiner Vorliebe für schnuckelige Jungs früher oder später Bockmist bauen würde. Hoffentlich schafft ihr es irgendwann, darüber hinwegzusehen.

G x

1. KAPITEL

New York City

Habe noch was zu erledigen. Du & M müsst ohne mich das Restaurant für Cassie aussuchen. Wir sehen uns morgen in Ambers Brautladen. 11 Uhr. Seid pünktlich. R xxx

„Reese Michaels, ich bringe dich um.“ Grimmig starrte Gina Carrington die SMS auf ihrem Smartphone an.

Das war hinterhältig kalkuliert.

Reese ließ sie nur mit Marnie allein, damit sie sich versöhnen konnten – nach jenem Abend vor zehn Jahren, an dem sie sich Worte wie „Flittchen“ und „verklemmte Jungfrau“ entgegengeschleudert hatten und das Kleeblatt sich getrennt hatte.

Gina verfluchte sich für ihre Dummheit. Sie hätte es wissen müssen, sobald Reese den Vorschlag gemacht hatte, eine Überraschungsparty für Cassie und Tuck, die demnächst standesamtlich in Manhattan heirateten, zu organisieren.

Es war typisch Cassie, dass sie Tucks Heiratsantrag angenommen und ihm dann die Arrangements überlassen hatte. Reese hatte die Sache in die Hand genommen, nachdem sie mit ihrem Cousin gesprochen und entschieden hatte, dass sie drei sich darum kümmern würden, ohne Cassie etwas davon zu sagen. Und da Cassie ins Koma fallen würde, wenn sie zu viel Aufwand betrieben, hatten sie sich geeinigt, nur eine kleine Feier auszurichten. Einige wenige geladene Gäste und nach der Trauung ein gutes Essen in einem guten Restaurant.

Doch wie Reese nun mal war, nahm die Angelegenheit die Ausmaße einer UNO-Mission an. Daher auch das Treffen zu dieser unchristlichen Zeit in Ginas Lieblingsdiner, um mögliche Restaurants zu besprechen, bevor sie eines für die Feier reservierten.

Gina und Marnie hatten sich schon vor einem Monat bei Reeses Party für die Hochzeit mit Dylan Brookes – Mr Bilderbuch-Perfect –, die dann nicht stattgefunden hatte, wiedergesehen. Sie waren höflich miteinander umgegangen und hatten sogar zusammen gelacht, wenn auch ein wenig gezwungen. Aber Gina hatte gehofft, dass es damit erledigt wäre. Nur war das Reese nicht genug, die mit ihrem wiedergefundenen Liebesglück jetzt alles durch die rosarote Brille sah. Reese wünschte sich die große Versöhnung, damit die vier Freundinnen wieder genauso dicke miteinander sein konnten wie am Hillbrook College.

Gina hielt das für unmöglich. Man konnte die Zeit nicht zurückdrehen und Fehler ungeschehen machen, sondern musste lernen, mit ihnen zu leben. Außerdem bezweifelte sie, dass Marnie ihr je vergeben würde. Sie hatte sich ja selbst nicht vergeben.

Noch dazu würde eine Versöhnung mit Marnie es notwendig machen, über einen Mann zu reden, von dem Gina sich geschworen hatte, dass sie nicht mehr an ihn denken würde. In den letzten zehn Jahren hatte sie viel zu oft an ihn gedacht – an Marnies großen Bruder Carter Price. Den Mann, mit dem sie eine wilde Nacht verbracht hatte – eine Woche vor seiner Hochzeit. Eine Nacht, die nicht nur ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte, sondern, wie sie von Reese wusste, auch für ihn folgenschwer gewesen war.

Gina sah zur Uhr an der Wand. Sie war zehn Minuten zu früh. Es musste das erste Mal in ihrem Leben sein, dass sie zu früh kam. Sie überlegte, ob sie Marnie einfach eine SMS schicken und sich absetzen sollte. Vor zehn Jahren hätte sie das noch getan. Das war damals nämlich ihre Spezialität gewesen – sich nehmen, was sie wollte, und dann rennen, bevor das Desaster zuschlug.

Mit vor Nervosität feuchten Handflächen strich sie sich über das Vintage-Kleid, das sie letzte Woche in Brooklyn gefunden hatte. Wie anstrengend, dass sie nicht mehr das tollkühne, verantwortungslose Flittchen von damals war.

Sie bestellte sich einen Kaffee und nippte gerade an der dünnen Brühe, als Marnie zur Tür hereinkam. Und wie immer sah Marnie Price perfekt aus in ihrem teuren Kostüm und den niedlichen Ballerinas. Gina winkte und konnte mitverfolgen, wie Marnies Miene von erwartungsvoll zu argwöhnisch wechselte, als sie Gina allein am Tisch sitzen sah.

Bedauern machte sich in Gina breit. Sie und die Südstaatenschönheit hätten nicht unterschiedlicher sein können, als sie damals in Reeses Haus auf dem Campus zusammengewohnt hatten. Gina hatte Marnie wegen ihrer Ansichten über Liebe und Ehe erbarmungslos geneckt. Und doch hatte sich ihre Freundschaft mit der Zeit zu etwas Echtem und Tiefem entwickelt.

Gina hatte sich Marnie gegenüber immer überlegen gefühlt, hatte sich eingebildet, eine weltgewandte und erfahrene Frau zu sein, die alles über Männer, Sex und Beziehungen wusste, was es zu wissen gab – im Gegensatz zu der wohlbehüteten Südstaatenjungfrau. Doch Marnie war Gina ans Herz gewachsen, denn unter den perfekten Manieren verbarg sich die brennende Hingabe, das Richtige zu tun, zu seinen Taten zu stehen und immer an das Gute im Menschen zu glauben. Nur hatte Gina dann alles zerstört, indem sie mit dem Bruder, den Marnie immer als Helden verehrt hatte, ins Bett gehüpft war.

Nicht nur tat es ihr leid, dass sie der Versuchung in jener Nacht nachgegeben hatte, viel schlimmer war es zu ertragen, dass sie das Vertrauen in Marnies Augen auf immer gelöscht hatte.

„Hi, Gina.“ Mit einem höflichen Lächeln schob Marnie sich in die Bank. „Sind wir zu früh?“ Reese kam doch nie zu spät.

„Reese hat scheinbar noch etwas zu erledigen.“ Gina nahm einen weiteren Schluck Kaffee.

„Ich kann mir auch denken, was. Man sollte meinen, Mason hat den Sex erfunden, so wie Reese von dem Mann schwärmt.“

Fast hätte Gina sich an ihrem Kaffee verschluckt.

„Ich hoffe nur, dieses Mal ist es mehr als Sex, denn ich werde auf keinen Fall noch einmal eine Million Trüffel umpacken“, fuhr Marnie fort.

„Darauf trinke ich.“ Gina hielt lächelnd die Kaffeetasse hoch. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie das Kleeblatt zwei geschlagene Stunden Trüffelportionen umgepackt hatte, als Reese den Empfang für die geplatzte Hochzeit mit Dylan zu einer Party für … für was wusste bis heute niemand … erklärt hatte. „Wenn ich bis zu meinen Ableben keine Trüffel mehr sehe … umso besser.“

Marnie lächelte, und nachdem sie ihre Bestellung beim Kellner aufgegeben hatte, kam sie direkt zur Sache und holte ihr Smartphone aus der Handtasche. „Also gut, ich habe hier eine engere Auswahl von Restaurants, die unseren Vorgaben entsprechen – Essen für sieben Leute, einschließlich Hochzeitstorte, schick, aber nicht einschüchternd.“ Sie rief ihre Liste auf und sah dann zu Gina. „Mein persönlicher Kandidat ist das Tribeca Terrace. Kennst du es?“

Gina nickte. „Lässiger Schick, sensationelles Essen und eine Tanzfläche. Dann können Cassie und Tuck tanzen und uns noch eine erotische Show darbieten.“

Marnies Lippen verzogen sich wieder zu einem Lächeln. „Es ist zwar nicht billig, aber das ist die Sache wert.“

„Abgemacht.“

„Abgemacht? Einfach so? Hast du denn keine Vorschläge?“

„Doch, schon, aber nichts davon ist so perfekt wie das TriBee. Du hast gleich beim ersten Versuch den Treffer gelandet. Warum also noch lange suchen?“

Der Kellner kam mit Marnies Eistee und Toast und erkundigte sich vielleicht ein wenig zu dienstbeflissen bei Gina, ob alles zu ihrer Zufriedenheit sei. Als er sich zurückzog, bemerkte Gina, wie Marnie dem Mann nachsah. Auch wenn ihr Blick dabei völlig ausdruckslos blieb und sie weiter Butter auf ihren Toast strich, konnte Gina ihre Gedanken lesen.

Ginas nächste Eroberung.

Vor zehn Jahren wäre sie zum Spaß darauf angesprungen, vermutlich hätte sie sogar die Gunst der Stunde genutzt, um herauszufinden, was der junge Mann zu bieten hatte. Heute nicht mehr.

Sie stellte die Kaffeetasse ab und wartete darauf, dass Marnie mit ihrem Toast fertig wurde. Als die hellblauen Augen dann endlich auf ihren Blick trafen, bemerkte Gina die Anspannung um Marnies Mund. Auch wenn sie Reese am liebsten noch immer an die Gurgel gehen würde – sie hatte recht. Sie mussten es offen ansprechen, wenn sie auch nur die Chance haben wollten, darüber hinwegzukommen und die Freundschaft zwischen den vier Frauen zu erneuern. Sie und Marnie würden nie mehr beste Freundinnen werden, aber ein wenig mehr Herzlichkeit und zivilisiertes Verhalten würde den Druck von den anderen beiden nehmen. Und da Reeses und Cassies Hochzeiten bevorstanden, wäre es sicher das schönste Geschenk für die beiden.

„Ich denke, wir beide wissen, weshalb Reese heute nicht gekommen ist“, setzte sie sachlich an. „Und ich glaube nicht, dass es etwas mit ihrer Unfähigkeit zu tun hat, aus dem Bett zu kommen, solange Mason noch darin liegt. Zumindest dieses Mal nicht.“

Marnie tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. „Reese war immer der Friedensstifter.“ Sie faltete die Serviette sorgfältig zusammen und legte sie bedacht ab. „Ich bin zuversichtlich, dass sie die Rolle als Mutter Teresa aufgibt, wenn sie morgen in Ambers Laden sieht, auf welches Restaurant wir uns für Cassies Feier geeinigt haben, ohne uns gegenseitig die Haare auszureißen.“

Gina lächelte leicht. „Wahrscheinlich. Trotzdem …“ Sie holte tief Luft, ermutigt durch den gemeinsamen latenten Wunsch, Reese zu erwürgen. „Ich werde noch einen draufsetzen.“

Argwöhnisch sah Marnie sie an. „Wie denn?“

Autor

Heidi Rice

Heidi Rice wurde in London geboren, wo sie auch heute lebt – mit ihren beiden Söhnen, die sich gern mal streiten, und ihrem glücklicherweise sehr geduldigen Ehemann, der sie unterstützt, wo er kann. Heidi liebt zwar England, verbringt aber auch alle zwei Jahre ein paar Wochen in den Staaten: Sie...

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