Liebestraum in Paris

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"Chérie …" Luc Valentins Stimme mit dem samtenen französischen Akzent geht Shari sofort unter die Haut. Als der sexy Charmeur sie in seine Arme zieht, breitet sich wildes Verlangen in ihr aus. Zum ersten Mal gibt sie sich ganz dem Rausch der Leidenschaft hin. Glücklich wie nie, glaubt Shari endlich den Mann fürs Leben gefunden zu haben und genießt die erotischen Stunden mit ihm in der Stadt der Liebe. Bis sie Luc etwas gestehen muss. Etwas, das sie jäh aus ihrem sinnlichen Liebestraum erweckt - und die Hoffnung auf ein Happy End für immer zerstört …


  • Erscheinungstag 03.09.2013
  • Bandnummer 0018
  • ISBN / Artikelnummer 9783954466207
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Seit der Trennung von seiner langjährigen Freundin Manon war Luc Valentin immun gegen weibliche Verführungskünste. Denn für gewöhnlich endeten diese beim Sex, und Sex schürte nur noch mehr Begehren, und dieses Begehren trat dann eine Lawine von Gefühlen los. Ehe ein Mann es sich versah, wurde er von einer Frau emotional komplett vereinnahmt.

Deshalb war das Lächeln, das die hübsche Empfangsdame ihm schenkte, als er das australische Büro seines Unternehmens D’Avion in Sydney betrat, die reinste Verschwendung.

„Luc Valentin“, stellte er sich vor. „Ich möchte Rémy Chénier sprechen.“

Das verführerische Lächeln auf den Lippen der Empfangsdame erstarb. „Sind Sie etwa der Luc Valentin?“

„Genau. Vom Hauptsitz der Firma in Paris.“ Luc lächelte. Noch nie hatte sein Erscheinen in einem seiner Büros eine solche Reaktion ausgelöst. „Melden Sie mich jetzt Rémy, Mademoiselle?“

Die Augen der Frau wandten sich hilfesuchend an ihre Kollegin. „Ähm … Mr Chénier ist nicht im Büro. Es tut mir leid, Mr Valentin, aber wir haben ihn seit Tagen nicht gesehen. Seine Mailbox hört er offenbar nicht ab. Niemand weiß, wo er sich aufhält.“ Sie zuckte verlegen die Schultern. Dann schaute sie in ihren Computer und schrieb eine Adresse auf einen Zettel. „Versuchen Sie es am besten in seiner Wohnung. Falls er sich dort aufhält, wird Mr Chénier Sie bestimmt begeistert empfangen.“

Luc bezweifelte das. Da er beabsichtigte, seinen Cousin erst einmal mit den Fehlbeträgen in den Geschäftsbüchern zu konfrontieren und ihm dann den gewissenlosen Hals umzudrehen, vermutete er, dass sich Rémys Begeisterung eher in Grenzen halten würde.

Wahrscheinlich ist eine Frau im Spiel, dachte Luc, während er unter einem strahlend blauen Himmel über die berühmte Harbour Bridge fuhr. Bei Rémy war immer eine Frau im Spiel, auch wenn der sechsunddreißigjährige Luc seinen Cousin niemals zweimal in derselben Begleitung gesehen hatte.

Hinter der Adresse, die ihm die Empfangsdame gegeben hatte, verbarg sich ein schicker Apartmentkomplex am nördlichen Ufer von Sydney. Luc musste mehrmals klingeln, bevor die Gegensprechanlage ansprang. Für ein paar Sekunden war nur Rauschen zu hören.

Eine Ader begann wütend an seinem Hals zu pochen.

Und dann, endlich eine Stimme. Sie klang gedämpft. Gerade so, als wäre die Besitzerin erkältet. Oder hätte geweint.

„Wer ist da?“

Luc beugte den Kopf, da die Gegensprechanlage nicht für große Männer wie ihn gemacht war. „Luc Valentin. Ich würde gern mit Rémy Chénier sprechen.“

„Ach, so.“ Die Stimme klang erleichtert. „Sind Sie von seiner Firma?“

„Ja, so kann man es wohl ausdrücken.“

„Nun, er ist nicht hier. Gott sei Dank!“ Das letzte Wort wurde im Flüsterton vorgebracht.

Luc schaute nachdenklich. „Aber das hier ist doch seine Wohnung?“ Das Haus entsprach genau Rémys Geschmack. Modern, chromglänzend, schnörkellos.

„Zumindest war sie das. Obwohl er selbst das manchmal zu vergessen haben schien“, fügte sie leicht sarkastisch hinzu. „Jetzt ist er auf jeden Fall fort. Ich weiß nicht, wo er steckt, und es interessiert mich auch nicht mehr.“

Lucs Blick fiel auf ein paar Besitztümer, die jemand hinter der gläsernen Eingangstür gestapelt hatte: Kochtöpfe und ein mit Blumen verzierter Regenschirm.

„Mademoiselle, verraten Sie mir, wann Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben?“

„Gestern.“

„Gestern? Also ist er noch in Sydney?“

„Ich hoffe nicht. Vielleicht. Keine Ahnung. Hören Sie bitte, Monsieur …“, Luc meinte eine spöttische Betonung auf dem letzten Wort herauszuhören, „… ich bin sehr beschäftigt und habe keine Zeit.“

„Nur noch eine Frage: Hat er seine Sachen mitgenommen?“

„Mmm …“ Eine bedeutungsschwangere Pause entstand. „Sagen wir mal so: Seine Sachen sind ihm wie von selbst gefolgt.“

Luc stellte sich die Szene bildhaft vor: Rémy verließ das Haus und seine Sachen flogen ihm im hohen Bogen hinterher. Plötzlich war er neugierig, was für ein Gesicht sich hinter der sexy Stimme verbarg. „Sind Sie Rémys Freundin? Oder seine Putzfrau?“

Wieder schwieg sie längere Zeit. Dann sagte sie knapp: „Die Putzfrau.“

„Dürfte ich vielleicht hochkommen und kurz mit Ihnen reden, Mademoiselle? Ich habe ein paar Frag…“

Die Gegensprechanlage erstarb. Luc erwartete, dass sich die Tür öffnen würde. Doch nichts passierte, und so klingelte er noch einmal. Mehrere Sekunden vergingen, bis die Stimme sich wieder meldete. „Verschwinden Sie bitte, ja? Sie können nicht heraufkommen.“

„Aber ich will doch nur …“

„Nein.“ Die Frau klang schrill. „Verschwinden Sie, oder ich rufe die Polizei.“

Stirnrunzelnd richtete Luc sich auf. Was hatte er erwartet? Rémy ging mit Frauen nie zimperlich um und ließ auf seinem Weg viele gebrochene Herzen zurück. Aber warum weinte die Putzfrau ihm hinterher?

Bestimmt war sie nur erkältet.

Luc setzte sich hinter das Steuer seines Mietwagens und fragte sich, was aus seinen Überredungskünsten geworden war. Früher hätte ihm jede Frau nach wenigen Sekunden die Tür geöffnet und ihm aus der Hand gefressen. Aber natürlich hatte er in der Vergangenheit das wahre Wesen der Frauen auch noch nicht durchschaut.

Hinter der Gardine eines Fensters im oberen Stock beobachtete Shari Lacey, wie das Auto wegfuhr. Wer auch immer der Mann gewesen war, er hatte eine schöne Stimme gehabt. Tief, ernst und ruhig. Beinahe charmant, wäre da nicht dieser französische Akzent gewesen. Davon hatte sie nun wirklich genug.

Sie zitterte.

In den darauffolgenden zwei Tagen durchkämmte Luc jeden Winkel im Büro von D’Avion. Immer wieder nahm er Rémys Team ins Kreuzverhör, bis die Assistentin in Tränen ausbrach und die leitenden Angestellten erbleichten. Den Buchhalter setzte er sofort vor die Tür. Der Mann hätte wirklich früher Alarm schlagen müssen.

Beträchtliche Summen waren von den Firmenkonten verschwunden. Und von Rémy fehlte weiterhin jede Spur. Da die Vorstandssitzung in Paris bevorstand, lief Luc allmählich die Zeit davon. Wenn er die Sache nicht bald mit Rémy klären konnte, würde er seinen Cousin vor Gericht bringen müssen.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Ein weiterer Skandal stand zu befürchten. Die Presse würde sich auf Luc stürzen und ihn in aller Öffentlichkeit demütigen. Wieder sah er die schlimmen Schlagzeilen von damals vor Augen. „Der Millionär, seine Geliebte und ihr Liebhaber – war ein Hund an allem schuld?“

Grimmig starrte er aus dem Bürofenster auf den Hafen von Sydney, der in der Mittagssonne schimmernd blau leuchtete. Er musste seinen Cousin unbedingt finden und ihn zur Rechenschaft ziehen.

Einen letzten Zufluchtsort gab es allerdings noch für Rémy. Luc seufzte, denn bislang war er vor diesem Schritt zurückgeschreckt.

Die Familie.

Rémys Zwillingsschwester Emilie war mit einem Australier verheiratet, und die Geschwister hatten sich immer sehr nahegestanden. Obwohl Luc Emi seit mehreren Jahren nicht gesehen hatte, dachte er voller Zuneigung an sie. Die Schwester hatte zwar die gleichen fuchsroten Locken und blauen Augen wie ihr Bruder, doch ansonsten waren sie so grundverschieden wie ein Rotkehlchen und ein Geier.

Das Problem war nur, dass sie wie alle Frauen in seiner Familie zu viel wissen wollte.

Shari hielt den Eyeliner in der Hand und beugte sich zum Spiegel vor. Einen dunkelblauen Lidstrich auf dem rechten Unterlid, dann zum linken Auge gewechselt und die gleiche Prozedur.

Sie zuckte zusammen. Vorsicht! Die Schwellung war zwar schon zurückgegangen, aber der Bluterguss noch immer zu sehen. Ihr Schandmal. Das passende Abschiedsgeschenk. Es verlieh ihrem Gesicht die besondere Note. Vorher hatte sie ja nie mit den aufregenden Frauen, die Rémy aus Frankreich kannte, mithalten können. Außerdem hatte sie immer zu viel von ihm verlangt. War zu misstrauisch. Zu schwierig. Zu rechthaberisch. Zu emotional – nun, damit hatte er tatsächlich recht. Zu vorlaut. Zu eifersüchtig. Zu nachtragend. Frigide. Eine wahre Vogelscheuche …

Im Lauf der Zeit hatte er sich immer häufiger über sie beklagt. Kein Wunder, dass der arme Junge gezwungen gewesen war, bei anderen Frauen Trost zu suchen.

Im Geiste machte sie sich lustig über alles, was er zu ihr gesagt hatte, dabei saß der Schmerz noch immer tief in ihrem Herzen.

Schon seit geraumer Zeit war er nicht mehr so nett gewesen wie zu Beginn, aber das letzte Zusammentreffen war wirklich ein … Schock gewesen. Mit einer solchen Reaktion hätte sie nie im Leben gerechnet.

Schamesröte stieg ihr in die Wangen. Dass sie so etwas hatte erleben müssen! Dabei hatten alle ihre Freundinnen sie um den sexy Franzosen beneidet. Zumindest am Anfang. Bevor sie seinen offenen Blick bemerkt hatten. Auch wenn sie Shari gegenüber so taten, als wüssten sie nicht Bescheid, dass Rémy wieder auf der Jagd war.

Was würden ihre Freundinnen nur von ihr denken, wenn sie erfuhren, was für ein böses Ende es mit ihnen genommen hatte? Würden sie glauben, dass er von Anfang an gewalttätig gewesen war und Shari sich damit abgefunden hatte?

Immerzu musste Shari an die misshandelten Frauen denken, die sie aus den Talkshows im Fernsehen kannte. Alle diese traurigen Frauen, die sich nicht mehr verteidigen konnten, sondern überzeugt waren, dass sie die Strafe verdient hätten. Sie nahmen ihre Peiniger sogar noch in Schutz, weil sie Angst hatten, ein falsches Wort würde alles noch viel schlimmer machen.

Wieder ging Sharis Atem schneller, Tränen traten ihr in die Augen. Sie musste sich beruhigen. Schließlich war sie nicht wie die Frauen aus dem Fernsehen, sondern hatte die Beziehung rechtzeitig beendet. Nein, Shari Lacey war keine Frau, die sich unterdrücken ließ.

Jetzt würde alles gut werden. Nun war sie zurück in ihrem heißgeliebten Paddington, in dem richtigen Umfeld, das eine Kinderbuchautorin brauchte, um sich inspirieren zu lassen.

Und doch war es erschreckend, dass sie nur ein einziges Mal die Faust eines Mannes in ihrem Gesicht hatte spüren müssen, um so ängstlich zu werden wie ein kleines Kätzchen. Zum Glück hatte sie ihren Umzug nach Paddington schon vor jenem schrecklichen Tag organisiert. Sonst hätte sie nicht die Kraft aufgebracht, sich um alles zu kümmern.

Jetzt war sie in Sicherheit. Und sie würde darüber hinwegkommen. Am wichtigsten war es, gegen die Angst anzukämpfen. Und sich nicht so weit einschüchtern zu lassen, dass sie allein beim Klang einer männlichen Stimme zusammenzuckte. Bestimmt würde sie eines Tages sogar wieder flirten können.

Ganz bestimmt.

Rémy war kein typischer Vertreter seines Geschlechts. Ihr Verstand wusste das, obwohl ihr Herz Zweifel hegte.

Glücklicherweise hatte Neil darauf bestanden, dass sie auf seine Geburtstagsparty kam. Dort würde sie jede Menge Männer treffen, die sich so zivilisiert benahmen wie ihr liebenswürdiger Bruder. Das könnte ihre Feuerprobe werden. Von jetzt an würde sie die Sache mit den Männern gelassener angehen.

Als sich das Zittern ihrer Hand gelegt hatte, trug sie auf beiden Lidern dunklen Lidschatten auf und zog unterhalb ihrer Unterlider einen violetten Strich. Dann trug sie mit einem Pinsel noch kräftiges Türkis von den Augenwinkeln bis zu den Brauen auf.

Als sie einen Schritt zurücktrat, um ihr Werk zu begutachten, fühlte sie sich erleichtert. Der Bluterguss war nicht mehr zu erkennen, dafür verlieh ihr der farbige Streifen über den Augen einen sehr dramatischen Look. Ein wenig übertrieben zwar, aber dennoch stand es Shari gut zu Gesicht. Ihre Augen leuchteten in einem aufregenden Meeresgrün.

Wenn ihr nicht klar gewesen wäre, dass sie sich nur selbst belog, hätte der Gedanke sie vermutlich amüsiert, wie erstaunt Neil und Emilie reagieren würden, wenn sie wie ein Paradiesvogel geschminkt auf die Feier kam.

Aber natürlich war Emilie nicht dumm. Schließlich war sie mit Rémy zusammen aufgewachsen.

Shari kam erneut ins Grübeln. Was sollte sie zu Neils vierzigstem Geburtstag anziehen? Wenn eine Frau schon mit einem überschminkten blauen Auge auf eine Party gehen musste, dann sollte sie wenigstens fantastisch aussehen. Also: auf zum Shoppen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Die Tarnfarbe saß, die Vogelscheuche konnte aus dem Haus gehen.

Sie hatte einem Mann, der keine Liebe empfinden konnte, so lange nachgeweint, bis ihre Tränen versiegt waren.

Zeit, dass sie sich aufrappelte und wieder in den Ring stieg.

2. KAPITEL

Luc wurde im schönen Haus von Emilie und Neil überschwänglich begrüßt. Mindestens Hunderte weiterer Freunde waren anwesend, das Haus platzte aus allen Nähten, aber die Atmosphäre war warm und herzlich.

Zu herzlich. Sie erinnerte ihn an alles, was er verloren hatte.

Und: Überraschung! Emilie war wieder schwanger.

Luc hatte den Eindruck, dass momentan alle Frauen schwanger waren. Von Paris bis Sydney: Überall, wo Luc hinsah, erblickte er dickbäuchige Frauen, deren Männer mit stolzgeschwellter Brust umherliefen. Offenbar war die Epidemie über den Äquator geschwappt.

Wahrscheinlich wäre es ihm gar nicht weiter aufgefallen, hätte er zu Hause in der Rue Montorgueil nicht den Bäcker aus der Boulangerie gesehen, der den Arm besitzergreifend um seine schwangere Frau gelegt hatte. Der Mann schien so verliebt in seine Frau und das Leben zu sein, dass Luc dieses Bild immer noch vor seinem geistigen Auge sah.

Ein schwerer Fehler.

Wenn sich ein Paar nichts mehr zu sagen hatte, hieß die Lösung doch: eine Familie gründen. Als er Manon jedoch vorgeschlagen hatte, ein Kind zu bekommen, war ihre Reaktion heftig gewesen.

„Was ist nur in dich gefahren? Willst du mir plötzlich Fesseln anlegen? Ich bin doch keine Zuchtstute. Wenn es das ist, was du willst, musst du dir eine andere suchen.“ Obwohl sie spöttisch gelächelt hatte, stand die Wut in ihren schönen Augen geschrieben.

Nachdem er sich von dem ersten Schock über die unerwartete Reaktion erholt hatte, war Luc aufgegangen, was er da eigentlich von ihr verlangt hatte. Eigentlich grenzte es beinahe an ein Wunder, dass sich einige Frauen dazu bereit erklärten, ihre Freiheit und Unabhängigkeit in Teilen aufzugeben, um Kinder in die Welt zu setzen.

Luc senkte den Kopf, nahm noch ein Kanapee und fragte sich, wie lange er wohl in diesem Gewächshaus der Fruchtbarkeit warten musste, bis Rémy es mit seiner Anwesenheit beehrte. Langsam kamen ihm Zweifel, dass sein Cousin überhaupt erscheinen würde. Hatte er vielleicht Wind von seiner Ankunft bekommen? Luc selbst hatte erst wenige Stunden vor seiner Abreise erfahren, dass er nach Australien fliegen musste. Und schon jetzt dachte er an seine schöne Wohnung in Paris zurück.

Diese trostlose Wüste, die ihn doch nur an Manon erinnerte.

Er hatte den langen Flug auch deshalb auf sich genommen, um der Wohnung zu entfliehen. Er wollte Rémy zur Rede stellen und ein paar Tage Sonnenschein genießen. Sprach denn irgendetwas dagegen, dass er sich auch einmal amüsieren wollte?

An eines hatte er allerdings nicht gedacht: Ganz gleich, wohin er auch reiste, er hatte sich immer selbst im Gepäck dabei.

Zumindest Emi hatte sich überhaupt nicht verändert. Wann immer sie Zeit fand, erkundigte sie sich bei Luc nach seinem Wohlbefinden.

Lächelnd reichte sie ihm nun ein Glas Wein. Ihre blauen Augen erinnerten Luc an ihren Zwillingsbruder. Allerdings hatte Luc in denen von Rémy noch nie so etwas wie Seele oder auch nur Freundlichkeit erkennen können.

„Also, Luc, ist es wahr, dass Manon schwanger ist?“

Luc spürte einen vertrauten Stich in den Eingeweiden, verzog aber keine Miene. „Woher soll ich das wissen? Wir haben keinen Kontakt mehr.“

Emilie errötete. „Pardon. Ich wollte nicht indiskret sein. Es hat mich nur überrascht, als ich die Nachricht von Tante Marise hörte. Damit hätte ich nie gerechnet … Manon schien mir nie der Typ Frau zu sein, der sich Kinder wünscht.“

Nein, pflichtete Luc ihr insgeheim bei. Als Manon mit ihm zusammen gewesen war, war sie definitiv nicht der Typ Frau gewesen.

Aber er wollte nicht länger an sein glückloses Privatleben denken und wechselte zu dem Thema, das ihm unter den Nägeln brannte – das Schicksal seiner Firma.

„Siehst du Rémy oft?“

Emilie schüttelte den Kopf. „Mais non. Seit seiner Verlobung nicht mehr so häufig.“ Sie lächelte zärtlich. „Er hat sich endlich verliebt. Da braucht er seine Schwester nicht mehr.“

Emis offensichtliche Begeisterung ließ Luc nun doch noch für ihren Bruder hoffen. Allerdings war es unvorstellbar, dass Rémy in jemand anderes als sich selbst verliebt sein könnte.

„Vielleicht ist er auf Geschäftsreisen“, sagte Emi zuversichtlich.

Luc runzelte die Stirn. „Ohne seine Mitarbeiter zu informieren?“

Emilie errötete und blickte zu ihrem Mann, der sich zu ihnen gesellt hatte. „R…Rémy ist schon immer recht … verschwiegen gewesen“, stammelte sie.

„Geheimnistuerisch“, verbesserte Neil.

„Neil, sag so etwas nicht“, erwiderte Emilie und knuffte ihren Mann liebevoll. „Ich bin mir sicher, er hat nichts Unrechtes getan. Wahrscheinlich hat er nur vergessen, Bescheid zu geben.“

Als Luc die ausdruckslose Miene von Neil sah, beschlich ihn der Verdacht, dass dieser das Vertrauen seiner Frau in den charmanten Schwager nicht teilte.

Shari atmete tief durch, bevor sie den Mut fand, an der Haustür von Neil und Emilie zu klingeln. Schon vor ein paar Wochen hatte sie den Verlobungsring abgelegt, wusste allerdings nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie jemand darauf ansprach oder auch nur Rémys Namen erwähnte. Hoffentlich brach sie nicht in Tränen aus.

Sie reagierte eben immer zu emotional. Viel zu emotional.

Emilie öffnete die Tür.

„Shari, endlich …“ Sie stockte und musterte die Schwägerin überrascht. „Meine Güte. Bist du das wirklich? Du siehst … incroyable aus.“ Emi küsste sie auf beide Wangen und zog sie ins Haus. „So sexy und geheimnisvoll. Ich bin beeindruckt.“

Bewundernd nahm Emi die Verwandlung ihrer Schwägerin in sich auf. Der Balken über den Augen sah faszinierend aus, das wusste Shari. Doch noch betörender waren das kurze Chiffonkleid und die zwölf Zentimeter hohen High Heels.

„Oh là là“, rief Emi aus. „Ich bin grün vor Neid. Wie kannst du nur darauf laufen? Aber was ist mit deinen Augen passiert?“ Sharis Herz setzte für einen Schlag aus, doch Emilie fuhr fort: „Du wirkst so geheimnisvoll.“

Shari trat einen Schritt aus dem hellen Licht. „Ach, ich tue doch nur so.“

Emilie kicherte. „Wo ist Rémy?“

Shari umklammerte ihre Handtasche. „Rémy kommt nicht.“

„Nein?“ Emilie schaute verblüfft. „Du musst ihn sofort anrufen. Sag ihm, dass er unbedingt kommen muss. Unser Cousin ist hier, um ihn zu treffen, und er schaut so finster drein, dass die anderen Gäste schon Angst bekommen.“

Shari blickte ihr entschlossen ins Gesicht. „Nein, Emi. Ich kann nicht.“

Irritiert blinzelte Emilie sie an, doch in dem Moment, als Shari die Bombe platzen lassen wollte, trafen neue Gäste ein und umarmten die Gastgeberin.

Shari nutzte die Gelegenheit zur Flucht. „Wir sehen uns später.“ Sie lächelte kurz, dann wandte sie sich ab und mischte sich unter die Gäste.

Seit ihrem letzten Besuch war schon eine Weile vergangen. Nachdem ihre Verlobung geplatzt war, hatte sie es nicht mehr übers Herz gebracht, sich dem prüfenden Blick ihres Bruders und seiner Frau auszusetzen. Doch seit sie zum letzten Mal auf ihre beiden Nichten aufgepasst hatte, hatte sich in dem Haus nicht viel verändert.

Allerdings waren an diesem Abend alle Zimmer voller Menschen, und die Leute strömten vom Wohnzimmer auf die Terrasse und wieder zurück. Eine kleine Armee von Servicekräften eilte umher und reichte Hors d’œuvres auf silbernen Tabletts.

Während Shari sich nach einer ruhigen Ecke umsah, bemerkte sie, dass ihr die Blicke der anderen Gäste folgten. Eine ängstliche Sekunde lang befürchtete sie, ihr Make-up würde sie verraten, doch dann raunte ihr ein attraktiver junger Mann zu, sie würde scharf aussehen.

Scharf? Ach, dieses herrliche Wort. Stolz sickerte in das ausgetrocknete Bett, wo ihr Selbstbewusstsein früher wie ein ruhiger Fluss vor sich hingeplätschert war. Sie hätte den jungen Mann knutschen mögen.

Stattdessen warf sie ihm eine Kusshand zu. „Zu scharf für dich“, warf sie ihm über die Schulter zu und ging weiter.

Geschafft! Das war doch gar nicht so schwer gewesen, oder?

Sie nickte ein paar Bekannten zu, winkte hier, lächelte dort, als wäre ihre kleine Welt in bester Ordnung. Inständig hoffte sie, dass sie niemand nach ihrem „Verlobten“ fragen würde. Niemals hätte sie Rémy gestatten sollen, Emi die Neuigkeit auf seine Art beizubringen. Sie hätte wissen müssen, dass er nie den Mut dazu aufbringen würde.

Schon vor Wochen war ihr klar gewesen, dass sie Emi und Neil selbst informieren musste. Stattdessen war sie den beiden aus dem Weg gegangen. Heute Abend durfte sie Emi gegenüber unter gar keinen Umständen etwas verlauten lassen, schließlich stand ihre Schwägerin als Gastgeberin unter enormen Druck.

Außerdem musste sie aufpassen, wie viel sie Neil gegenüber verriet. Ihr Bruder hatte Rémy noch nie leiden können. Nicht auszudenken, wozu er in der Lage wäre, wenn er von der neuesten Entwicklung erführe.

In diesem Moment entdeckte sie Neil. Er stand neben einem großen dunkelhaarigen Mann, der sich mit finsterem Blick in der Menge umsah.

Luc bemerkte, dass der Gastgeber jemandem zuwinkte, und unterdrückte ein Gähnen. Diese Australier waren so munter. So kontaktfreudig. So schonungslos freundlich. Für einen Franzosen mit Jetlag war ein Haus voller Australier einfach zu viel.

In seiner jetzigen Verfassung erschien ihm ein Augenblick in einem Raum voller Paare wie eine Ewigkeit.

Als er sah, wie eines der Pärchen sich im Gespräch unbewusst berührte, schnitt die vertraute Sehnsucht durch sein Herz. Wenn er sich doch endlich an die Einsamkeit gewöhnen könnte. An das Gefühl, nachts aufzuwachen und keine warme weiche Frau neben sich zu spüren. Was er brauchte …

Plötzlich wurde sein Blick von einem bunten Farbfleck angezogen. Er schaute hin. Dann noch einmal. Er erhaschte einen kurzen Blick auf ein Gesicht. Und für einen Moment hatte er das Gefühl, die Luft bliebe ihm weg.

Die Menschenmenge bewegte sich, und jetzt sah er nur noch das blonde Haar der Frau. Atemlos wartete er auf den nächsten Moment, in dem sie wieder zu sehen sein würde. Ah! Fasziniert betrachtete er sie noch einmal. Es waren ihre Augen. Sie waren betörend. Tief und geheimnisvoll. Augen, die einen Mann im Traum verfolgten.

Sein Puls begann zu rasen.

Die Menge glitt auseinander, und er konnte jetzt die ganze Frau sehen. Ihre Aufmachung hätte in jeden Club gepasst, doch auf dieser Party wirkte sie zu dramatisch. Zerbrechlich, mit den langen Beinen in den High Heels, dem zarten Chiffonkleid, das ihr von der Schulter gerutscht war, und der kleinen Tasche, die an ihrer Seite baumelte.

Luc konnte den Blick nicht von ihr wenden.

Shari lächelte dem Kellner zu, der ihr ein Tablett hinhielt. Sie nahm sich ein Gläschen Wodka, kippte es in einem Zug hinunter und tauschte das leere Glas gegen ein volles. Als sie sich nach einem vertrauten Gesicht umsah, bemerkte sie, dass der Fremde sie unverwandt anstarrte.

Nahm er ihr den Wodka etwa übel?

Seine dunklen Augen hypnotisierten sie. Langsam fragte Shari sich, ob es wirklich der Wodka war, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Als sie seiner Dreistigkeit mit einem hochmütigen Blick Einhalt gebieten wollte, verzog er nicht einmal eine Augenbraue. Für einen Moment spürte sie Unsicherheit, doch dann machte sie sich mit einem weiteren Schluck Mut. Allmählich wurde sie betrunken. In High Heels war das nicht die beste Idee.

Luc hatte die anderen Frauen durchaus wahrgenommen. Hübsche Frauen mit vollen Brüsten und weichem Haar. Frauen mit schönen langen Beinen, die die Blicke auf sich zogen.

Allerdings hatte er bis zu diesem Moment nicht das Bedürfnis gehabt, eine von ihnen zu berühren.

Schuldbewusst starrte Shari auf das Wodkaglas. Warum bloß? Sie war achtundzwanzig, Single und frei. Und sie war auf einer Party. Schnell rief sie den Kellner zurück und nahm noch ein Gläschen vom Tablett. Dann drehte sie sich zu dem Fremden, prostete ihm mit beiden Gläsern zu und trank abwechselnd einen Schluck aus jedem.

Er schüttelte leicht den Kopf, und Shari spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror. Gleichzeitig lief ein nervöser Schauer über ihren Rücken. Dieser Mann wollte etwas von ihr. Fragte sich nur, was …

Unruhig suchte Shari in seiner näheren Umgebung nach einer Frau. Er musste in Begleitung hier sein. In dem schicken schwarzen Anzug würde nur eine Verrückte ihn allein auf eine Party gehen lassen.

Und doch: Außer Neil schien der Mann niemanden zu kennen.

Seine dunklen Augen musterten sie frech, wenngleich auch leicht tadelnd. Lag das am Wodka? Wenn Rémy hier gewesen wäre, hätte er ihr den Alkohol eingeflößt, um sie gefälliger zu machen.

Und der Wodka verfehlte seine Wirkung tatsächlich nicht. Eine leichte Wärme breitete sich in Shari aus. Ihr Selbstvertrauen stieg. Wenn sie jetzt an diesem Mann vorbeistrich, würde allein die Hitze ihres Körpers ihn versengen, davon war sie überzeugt.

Warum sollte sie es nicht ausprobieren?

Tatsächlich wurde es langsam Zeit, dass sie das Geburtstagskind umarmte. Sie atmete tief durch, setzte den aufreizendsten Blick auf, den sie zu bieten hatte, kurvte auf Neil zu und hinterließ einen Lippenstiftabdruck auf seiner Wange.

„Alles Gute zum Geburtstag, Bruderherz“, hauchte sie.

Der gute alte Neil warf ihr einen anerkennenden Blick zu. „Kenne ich Sie nicht aus dem Kino?“ Er drückte sie an sich, dann musterte er ihr Gesicht. Aus Angst, er könne den Grund für ihre Verkleidung entdecken, wäre Shari beinahe zurückgezuckt. Doch Neil wandte sich an den Fremden. „Was meinst du, Luc? Können die Australierinnen nicht mit den Frauen aus Paris mithalten?“

Der Fremde sog Sharis Bild begierig in sich auf. Es stimmte wohl, dass ihre Figur in diesem Kleid ausgesprochen gut zur Geltung kam, aber dieser Mann benahm sich beinahe so, als würde er zum ersten Mal in seinem Leben eine Frau sehen.

Der Träger des Oberteils glitt von ihrer Schulter, und Shari bemerkte, dass der Blick des Fremden auf ihrer nackten Haut verweilte. Sofort rann ein weiterer Schauer über ihren Rücken.

Der Mann sprach mit Neil, ohne den Blick von ihr zu wenden. „Qui est-elle?“

„Das ist meine Schwester Shari“, sagte Neil und legte den Arm um sie. „Shari, das ist Luc Valentin, der Cousin von Emi und Rémy.“

„Ach.“ Plötzlich spürte Shari einen unangenehmen Kloß im Hals. Der Mann, der vor zwei Tagen an Rémys Haustür geklingelt hatte. Dass sie verwandt waren, hatte er mit keinem Wort erwähnt.

„Sehr erfreut“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Glücklicherweise hielt sie noch die beiden Wodkagläser und entging so der Verpflichtung, dem Cousin von Rémy die Hand zu schütteln. Leider nahm ihr Neil im selben Moment die Gläser ab und trank beide leer.

Autor

Anna Cleary
Schon als kleines Mädchen liebte es Anna Cleary zu lesen. Unter der Bettdecke (und mit einer Taschenlampe bewaffnet) ließ sie sich von ihren Romanhelden Nacht für Nacht in eine Welt voller Fantasie entführen. Und sie träumte davon, irgendwann einmal ihre eigenen Geschichten zu schreiben. Doch zunächst wurde sie Lehrerin und...
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