Meine widerspenstige Prinzessin

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Liebe? Nein. Mit kühler Vernunft sucht der erfolgreiche Geschäftsmann Luc seine Braut aus: Prinzessin Gabrielle. Aber die hübsche Fürstentochter ist widerspenstig: Sie flieht in der Hochzeitsnacht. Luc rast vor Wut. Denn er bekommt immer, was er will - und er will Gabrielle …


  • Erscheinungstag 25.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738297
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Luc Garnier glaubte nicht an die Liebe.

Von der Liebe blieb doch nie etwas anderes übrig als schreckliche Schmerzen, Verzweiflung und zerschlagenes Geschirr. Für Luc zählten nur Fakten, wasserdichte Verträge und das Gesetz des Geldes. Sein Leben lang hatte er zielstrebig und konzentriert gearbeitet, und mittlerweile war er einer der erfolgreichsten Männer des Landes. Mit Glück hatte das nichts zu tun.

Auch bei der Wahl seiner zukünftigen Braut verließ er sich nicht auf Gefühle, sondern nur auf seinen Verstand.

Die Côte d’Azur zeigte sich in der warmen Nachmittagssonne von ihrer schönsten Seite, und Luc genoss es, durch die kleinen Seitenstraßen Nizzas zu schlendern, ehe er in die Promenade des Anglais einbog. Hier lag das berühmte Luxushotel „Negresco“ mit seiner imposanten Fassade im viktorianischen Stil und den breiten Bogenfenstern, von denen aus man freien Blick auf den weiten Strand und das glitzernde Mittelmeer hatte. Das Negresco war seit Langem eines von Lucs Lieblingshotels in Frankreich, doch heute hatte er einen besonderen Grund, es aufzusuchen.

Am frühen Morgen war er von Paris aus nach Nizza geflogen, um eine schöne junge Frau in Augenschein zu nehmen. Auf Fotos sah sie unglaublich attraktiv aus, und nun wollte er feststellen, ob sie auch in der Wirklichkeit hielt, was die Bilder versprachen.

Wenn ja, würde er sie heiraten.

Doch er machte sich keine zu großen Hoffnungen. Auf Fotos hatten bisher alle Frauen ausgesprochen gut ausgesehen, die in seine engere Wahl kamen. Zudem stammte jede von ihnen aus hochherrschaftlichen Familien, so wie Lady Emma, seine letzte Favoritin. Nachdem er sie ein paar Tage lang in London von Party zu Party begleitet hatte, war ihm aufgefallen, dass sie eine heimliche Vorliebe für recht ungehobelt wirkende Herren hegte.

Natürlich hatte heutzutage jede Frau auch eine Vorgeschichte. Allerdings war es Luc wichtig, dass die Vergangenheit keinen Stoff für Schlagzeilen bot wie „Lady Emma zieht ihrem Luc wilde Typen vor“. Er sah die großen Lettern auf den Titelseiten förmlich vor sich.

„So sind die Frauen heute eben“, hatte Alessandro versucht, ihn zu beschwichtigen, nachdem Luc seinem besten Freund erzählt hatte, dass Lady Emma sich nachts gern ausgiebig in Bars herumzutreiben pflege.

„Meinetwegen können sich alle Damen dieser Welt amüsieren, wie sie wollen. Aber nicht meine zukünftige Frau. Ist das zu viel verlangt?“

„Nein. Aber das ist ja längst nicht alles, was du von deiner Braut erwartest“, hatte Alessandro trocken bemerkt und an den Fingern abgezählt, welche Bedingungen Luc an seine Traumfrau stellte. „Ihre Familie muss vermögend sein, nach Möglichkeit sogar blaublütig. Die Frau sollte ehrlich und ohne dunkle Geheimnisse sein. Am besten war sie niemals jung und naiv, damit keine Peinlichkeiten aus ihrer Vergangenheit ans Tageslicht kommen können.“ Seufzend schüttelte er den Kopf. „Diese Frau, Luc, gibt es nicht.“

„Vielleicht hast du recht“, gab Luc zu. „Meine Mutter war das beste Beispiel dafür, dass sich hinter einer schönen Fassade oft nur Verrat und Unehrenhaftigkeit verbergen. Doch wenn es eine Frau gibt, die meinen Vorstellungen entspricht, dann werde ich sie finden.“

„Und wenn sie dich nicht heiraten will?“

Doch Luc lachte nur. „Ich bitte dich!“ Lässig lehnte er sich zurück und sah seinen Freund amüsiert an. „Warum sollte sie mich nicht heiraten wollen? Ich kann einer Frau alles bieten. Sie muss nur meine Erwartungen erfüllen.“

Gequält stöhnte Alessandro auf, als hätten die Worte seine romantische italienische Seele tief verletzt. „Frauen mögen es, verwöhnt zu werden. Sie möchten charmante Worte hören, du musst ihnen die Welt zu Füßen legen. Sie wollen nicht geheiratet werden, nur weil sie deine Erwartungen erfüllen.“

„Nun, aber genauso ist es“, beharrte Luc achselzuckend. „Die Frau, die ich heirate, wird sich damit abfinden müssen.“

„Dann stelle dich darauf ein, dass du noch lange suchen wirst, mein Freund.“

Diese Aussicht konnte Luc nicht erschüttern. Und als er nun vor dem Hotel Negresco mit seiner prachtvollen Fassade stand, fühlte er sich seinem Ziel ein Stück näher. Am Beispiel seiner Eltern hatte er erlebt, wohin Liebe führen konnte. Die kurzen Zeiten überschwänglichen Glücks waren überschattet worden von hässlichen Szenen der Eifersucht und würdelosen Streitereien. Deshalb waren romantische Gefühle ihm niemals erstrebenswert erschienen. Stattdessen hatte er sich mit Feuereifer ins Berufsleben gestürzt, ohne unnütze Zeit mit kraftraubenden Liebesgeschichten zu vergeuden. Und der Erfolg gab ihm recht. Seine Konkurrenten hatte er längst abgehängt.

Doch mittlerweile ging er auf die vierzig zu und wollte eine Familie gründen. Und dafür brauchte er eine Frau, die aus einem ebenso guten Hause kam wie er, um die edle Linie seiner Ahnen weiterführen zu können. Dazu fühlte er sich verpflichtet.

Zielstrebig trat er auf den weitläufigen Eingangsbereich des Hotels zu, ließ sich von dem Portier in goldbetresster Uniform die Tür öffnen und durchschritt das Foyer mit seinen glänzenden Marmorböden, unzähligen schimmernden Kronleuchtern und riesigen Gemälden. Doch Luc hatte keinen Blick für den Luxus, der ihn umgab. Entschlossen stieß er die Flügeltür zum Salon Royal auf und sah sich suchend um. Dann entdeckte er sie – Prinzessin Gabrielle von Mazzanera.

Mit ihrer kühlen Eleganz hob sie sich von der Masse der anderen Gäste ab, die an der Bar und an den polierten Ebenholztischen leise plauderten. Sie würde diese Woche in Nizza bei mehreren Wohltätigkeitsveranstaltungen Gastgeberin sein, wusste Luc, und er wollte sie bei dieser Gelegenheit erst einmal unerkannt in Augenschein nehmen.

Sie war tatsächlich eine Schönheit, stellte Luc zufrieden fest, doch sie schien sich dessen nicht bewusst zu sein. Ihre Natürlichkeit war bezaubernd.

In ihrem gerade geschnittenen Cocktailkleid kam ihre zartgliedrige Figur hervorragend zur Geltung. Das lange Haar war zu einem lockeren Knoten gesteckt. Kleine unaufdringliche Diamantohrringe und eine schmale Perlenkette waren ihr einziger Schmuck. Sie wirkte sehr anmutig und durch und durch wahrhaft fürstlich.

Was er sah, gefiel Luc ausgesprochen gut.

Vielleicht hatte er seine Braut tatsächlich endlich gefunden.

1. KAPITEL

„Du wirst deine Pflicht tun“, erklärte ihr Vater mit donnernder Stimme. „Ich möchte stolz auf dich sein können.“

Für ihn war damit alles gesagt.

Noch immer hallten die Worte in Prinzessin Gabrielles Kopf nach. Die nahezu drei Meter lange Schleppe ihres seidenen Hochzeitskleids zwang sie dazu, langsam zu gehen. Genau so muss eine fürstliche Braut aussehen, dachte sie seufzend. Entschlossen richtete sie sich auf und hob den Kopf. Haltung bewahren, was auch geschieht, sprach sie sich Mut zu.

Doch so schwer war es ihr bisher noch nie gefallen, ihre Gefühle zu verbergen. Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen, und sie war froh, dass der Schleier schützend vor ihrem Gesicht lag.

Tapfer schritt sie am Arm ihres Vaters zu den feierlichen Klängen der Orgel zum Altar. Nur Ehrengäste hatten heute Zugang zu der Kathedrale, doch der weite Platz vor der Kirche war gesäumt von gerührten und jubelnden Untertanen. Ihr Leben lang hatte Gabrielle sich bemüht, den Ansprüchen ihres Vaters, Fürst Guiseppe von Mazzanera, zu genügen und hatte doch immer wieder das Gefühl gehabt, dabei zu scheitern.

An der Universität hatte sie Tag und Nacht fleißig dafür gearbeitet, um die Beste ihres Jahrgangs zu werden, während ihre Kommilitonen gefeiert und die Zeit in London genossen hatten. Jetzt besaß sie einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften, doch was hatte er ihr genützt? Ihr Vater wäre entsetzt gewesen, wenn sie ernsthaft hätte arbeiten wollen. Also hatte sie sich gefügt und sich der Arbeit in Wohltätigkeitsorganisationen gewidmet, wie es von einer Thronfolgerin erwartet wurde.

Heute heiratete sie nun sogar einen Fremden, den der Fürst für seine Tochter ausgewählt hatte.

Warum lasse ich das zu? fragte sie sich. Schließlich leben wir nicht mehr im Mittelalter. Ich hätte einfach Nein sagen können. Oder vielleicht doch nicht? Versuche ich tatsächlich so verzweifelt, meinem Vater zu gefallen?

„Endlich wird es in unserer Familie wieder eine Hochzeit geben“, hatte er ihr eines Morgens vor drei Monaten erzählt und dabei nicht einmal von seiner morgendlichen Lektüre aufgesehen.

„Tatsächlich?“ Gabrielle war erfreut gewesen. Obwohl ihre Mutter schon seit vielen Jahren nicht mehr lebte, hatte ihr Vater niemals erwähnt, dass er wieder heiraten wolle.

„Es scheint mir die perfekte Verbindung zu sein. Aus hochherrschaftlichem Hause, gleichzeitig sehr vermögend und attraktiv“, fuhr der Fürst fort. „Die Zukunft unseres Landes ist gesichert.“

Der Gedanke an eine Stiefmutter traf Gabrielle überraschend. Doch sie stellte es sich nett vor, nicht mehr mit ihrem Vater allein in dem riesigen Palast wohnen zu müssen. Sie liebte ihn sehr, doch er war kein unkomplizierter Mann.

„Es wird keine lange Verlobungszeit geben.“ Zum ersten Mal während des Gesprächs sah er auf. „Dafür habe ich keine Geduld.“

„Nein, gewiss nicht“, bestätigte Gabrielle lächelnd. „Wer ist denn eigentlich die Glückliche?“

Irritiert schaute er sie an. „Du hast mir offenbar nicht zugehört“, stellte er stirnrunzelnd fest. „Du bist die Braut.“ Damit legte er seine Zeitung zur Seite, stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Wenn Gabrielle jetzt daran dachte, ergriff sie noch immer Panik. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, die Schleppe ihres Kleides schien zentnerschwer und sie befürchtete, jeden Moment ohnmächtig zu werden.

Ihr Vater würde es ihr niemals verzeihen, wenn sie ihm hier, vor allen Leuten in der Kirche, eine Szene machte. Sie musste das Spiel mit Würde mitspielen.

Ihre Hochzeit.

Ihre Zukunft.

Mit jedem seiner gleichmäßigen Schritte führte er sie weiter auf ein Schicksal zu, auf das sie keinen Einfluss hatte.

Am Altar wartete ihr Bräutigam. Ein Fremder, dem sie nie zuvor begegnet war. Sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken, doch zum Glück ging es in den letzten Orgelklängen unter.

Es gab keinen Weg zurück. Dafür war es zu spät.

Ihr Leben lang hatte sie getan, was ihr Vater von ihr verlangte. Niemals hatte sie sich aufgelehnt, rebelliert, ihre eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Immer war sie seinen Anweisungen gefolgt, in der Hoffnung, er werde sie endlich ernst nehmen. Nein, mehr noch, gestand sie sich ein. Sie hatte gehofft, sie könne so seine Liebe gewinnen.

Stattdessen hatte er sie an den meistbietenden Geschäftsfreund verschachert.

Siegesbewusst und triumphierend verfolgte Luc, wie Fürst Guiseppe mit seiner eleganten Tochter durch den Mittelgang der Kathedrale schritt.

Endlich!

Kurz dachte Luc an seine Mutter, die mit ihren Launen und Affären das Leben seines Vaters zerstört hatte. Das konnte ihm nicht passieren. Er hatte eine Frau ausgewählt, die nicht mit Skandalen von sich reden machen würde.

Jahrelang war er auf der Suche gewesen nach einer passenden Braut. Das Warten hatte sich gelohnt. Luc war ein Mann, der keine Kompromisse einging. Nur deshalb hatte er schließlich die perfekte Partnerin gefunden.

Prinzessin Gabrielle wusste, was sie ihrem Land schuldig war. Ein Leben lang war sie von ihrem Vater dazu erzogen worden, eigene Belange zurückzustellen. Sie war fügsam, nachgiebig, freundlich.

Mit tiefer Zufriedenheit betrachtete er, wie sie gemessenen Schrittes näher kam, um in eine Hochzeit einzuwilligen, die ihr Vater für sie arrangiert hatte.

Prinzessin Gabrielle war niemals in den Klatschspalten der Zeitschriften aufgetaucht. Wenn ein Magazin über sie berichtete, dann wegen einer ihrer vielen Wohltätigkeitsveranstaltungen. Fast schien es, als sei sie eine Heilige. Für Luc war sie eine hervorragende Wahl. Denn alles, womit er sich umgab, musste perfekt sein. Seine Frau durfte da keine Ausnahme sein.

Wochenlang hatte er Nachforschungen angestellt, ob es tatsächlich keinen Makel im Leben seiner Auserwählten gab. Dabei verließ er sich nur auf sich selbst, denn andere Menschen machten zu viele Fehler. Erst als er ganz sicher war, dass Gabrielle genau seinen Ansprüchen entsprach, hatte er sich an ihren Vater gewandt.

In Paris, in der Fürstensuite des Hotels „Le Bristol“ mit einem zauberhaften Blick auf Sacre-Coeur, hatten sie den Vertrag besiegelt.

„Möchten Sie meine Tochter nicht zuvor kennenlernen?“, hatte der Fürst erstaunt gefragt.

„Das ist nicht nötig“, erwiderte Luc. „Außer natürlich, es ist Ihr ausdrücklicher Wunsch.“

„Für mich spielt es keine Rolle“, erklärte Fürst Guiseppe achselzuckend. „Die Hochzeit ist besiegelt.“

„Sind Sie sicher, dass Ihre Tochter einwilligen wird? Immerhin ist es in der heutigen Zeit etwas … ungewöhnlich, eine Heirat als Geschäft unter Männern zu arrangieren.“

„Gabrielle weiß, was sie ihrem Land schuldig ist. Ich habe sie zu Gehorsam und Pflichterfüllung erzogen.“

„Und das ganz offensichtlich mit Erfolg“, ergänzte Luc. „Überall spricht man mit großer Achtung von ihr.“

„Selbstverständlich.“ Für den Fürsten schien dies nicht der Rede wert. „Sie wird eines Tages eine gute Fürstin sein. Aber sie braucht eine führende Hand, dann werden Sie keine Probleme mit ihr haben.“

Und genau das war es, was Luc sich von dieser Heirat versprach.

„Auf die Zukunft von Mazzanera.“ Der Regent hob sein Glas und betrachtete den perlenden Champagner.

„Auf die Zukunft Ihres Landes.“ Doch Luc hatte an etwas ganz anderes gedacht. Mit dieser Frau an seiner Seite konnte er endlich beweisen, dass er anders war als seine Eltern. Die Schande seiner Familie würde nicht länger auf ihm lasten.

„Und auf Frauen, die wissen, wo ihr Platz ist“, hatte der Fürst schmunzelnd hinzugefügt.

Nun also war es so weit. In diesem Moment trat sie auf ihn zu – Prinzessin Gabrielle, seine Braut.

Sie war perfekt. Wenige Minuten noch, dann war sie seine Frau.

Heute sah sie ihn zum ersten Mal – Luc Garnier, ihren Bräutigam. Groß und aufrecht stand er vor dem Altar und wartete auf sie.

Nachdem sie erfahren hatte, dass sie diesen Mann heiraten sollte, hatte sie natürlich Erkundigungen über ihn eingezogen. Die Familie seiner Mutter entstammte einem uralten italienischen Adelsgeschlecht. Sie hatte den Sohn eines französischen Millionärs geheiratet, doch ihre Eltern hielten diese Ehe nicht für standesgemäß. Und tatsächlich war ihr Zusammenleben geprägt von Streitigkeiten, Affären, Skandalen und Drogen gewesen. Als sie bei einem Segelunfall ums Leben kamen, hatte Luc gerade sein Studium beendet. Jeder, der ihn kannte, beschrieb ihn als äußerst schwierigen Einzelgänger und unnachgiebigen Geschäftsmann. Nun bildete sie sich ein, seine Rücksichtslosigkeit sogar auf diese Entfernung in seinen dunklen Augen erkennen zu können.

Ich kann das nicht –

Aber sie war schon mittendrin.

Sie hatte keine Wahl mehr.

Sekundenlang schloss sie die Augen, um die Tränen zurückzudrängen, und spürte nur, dass ihr Vater sich zurückzog und ihre Hand in Lucs legte. Mit seiner großen, warmen Hand umschloss er ihre zitternden Finger.

Sie wollte diesen Mann nicht ansehen, diesen Fremden, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen musste. Ohne den Blick zu heben, schritt sie an seinem Arm die letzten Meter auf den Bischof zu.

Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und ihr Herz pochte wild. Unbeherrschbare Angst und ein anderes Gefühl, das sie nicht kannte, ließen das Blut schneller durch ihre Adern rauschen.

Er war so männlich, schien so unbeugsam. Neben ihm wirkte sie klein und zerbrechlich. Sein ganzer Körper strahlte eine unbändige Kraft aus und ließ sie erzittern.

Mit äußerster Willensanstrengung zwang sich Gabrielle, tief durchzuatmen.

Dies also war der Mann, an den ihr Vater sie verkauft hatte.

Wieder schloss Gabrielle die Augen und dachte an das Meer, das glitzernd in der Sonne lag, und an ihr wunderschönes, kleines Land, das sich in einem weiten, fruchtbaren Bogen oberhalb der Adria erstreckte.

Für dieses Fürstentum und für ihren Vater würde sie alles tun.

Selbst dies.

Doch sie hielt die Augen geschlossen und wünschte sich weit weit fort.

„Sieh mich an“, forderte Luc leise, aber bestimmt, als der Geistliche mit der Trauzeremonie begann.

Er spürte, wie sie zusammenzuckte und ihre Hände erneut zitterten. Ihr Gesicht war hinter dem Schleier verborgen, dennoch konnte er die Verzweiflung in ihrer Miene erahnen.

„Ich kann nicht“, flüsterte sie und ihr Flüstern rührte ihn an. Er ließ den Blick über ihren zarten feingliedrigen Körper gleiten und dachte daran, wie er bald jeden Zentimeter davon zärtlich begrüßen würde.

Die Heftigkeit des Verlangens, das ihn bei dieser Vorstellung durchströmte, überraschte ihn. Natürlich war sie wunderschön, und er hatte sich darauf gefreut, die Hochzeitsnacht mit ihr zu verbringen. Doch niemals hätte er sich träumen lassen, dass sie eine solch starke Wirkung auf ihn haben würde.

Der Bischof stand direkt vor ihm, dennoch waren seine Gedanken keineswegs frommer Natur. Selbst die zaghafte Berührung ihrer schmalen Hand ließ seine Lust erwachen.

Plötzlich hatte er Mitleid mit seiner sanften, ängstlich zu ihm aufschauenden Braut. Anscheinend hatte sie der Hochzeit längst nicht so problemlos zugestimmt, wie ihr Vater erwartet hatte.

„Es wird dir gut gehen bei mir“, versprach er leise und hielt ihre Hand ein wenig fester. In ihm wuchs der Wunsch, sie zu beschützen. Und dieses Gefühl war vollkommen neu für Luc Garnier.

Mit aller Macht zwang Gabrielle sich, den Fremden anzusehen. Ihren Bräutigam. Sie spürte seine Nähe, seine kräftige Hand, die ihre hielt, und konnte es kaum ertragen.

Wie gut, dass der Schleier mein Gesicht verbirgt, dachte sie zum wiederholten Mal.

Der Bischof sprach die althergebrachten Worte der Eheschließung, und Gabrielle spürte Panik aufsteigen. Das ging alles viel zu schnell.

„Ja, ich will“, sagte Luc in diesem Moment. Zum ersten Mal hörte sie die laute wohltönende Stimme ihres Mannes. Und der Klang berührte etwas tief in ihr.

Als er dann nach dem Ringtausch den Schleier zurückschlug und sie mit seinen dunkelgrauen, fast schwarzen Augen ansah, fühlte sich ihre Kehle wie zugeschnürt an. Aus lauter Furcht, dachte sie im ersten Moment. Doch dann musste sie zugeben, dass es nicht nur Angst war, die sie ergriffen hatte. Es war ein unbekanntes tiefes Verlangen. Sie wollte ihn. Obwohl er ein Fremder war.

Plötzlich schien es nur noch sie und ihn zu geben. Schutzlos und verletzlich stand sie vor ihm. Schon vorher hatte sie durch ihre Recherchen gewusst, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen. Und jetzt ahnte sie, warum das so war.

Sein dichtes dunkles Haar fiel bis auf den Kragen seines weißen Hemdes. Unter dem dunklen Anzug zeichneten sich seine breiten Schultern ab. Die Gesichtszüge erschienen ebenmäßig und perfekt wie in Stein gemeißelt. Und obwohl er ernst und unnahbar wirkte, entdeckte Gabrielle kleine Lachfältchen in seinen Augenwinkeln.

Seine Männlichkeit raubte ihr den Atem, und als er sie ansah, meinte sie, unter seinem verlangenden Blick zu verbrennen.

Mit seiner Hand berührte er sanft ihre Wange. Gabrielle war unfähig, sich zu bewegen. Ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben.

Die verlockende Wärme seiner Handfläche durchströmte ihren Körper, und ihr Atem ging flach. Als er seine Lippen sanft und dennoch bestimmt auf ihre senkte, wusste sie, dass es weit mehr war als ein Kuss.

Er nahm sie damit in Besitz.

Am liebsten hätte Gabrielle aufgeschrien. Verzweifelt erkannte sie, dass er ihr Leben ebenso in seinen eisernen Griff nehmen würde wie zuvor ihr Vater. Luc Garnier wollte eine fügsame Frau. Und er wollte Erben. Nur dafür war sie da.

Wie hatte sie dieser Hochzeit nur zustimmen können?

Sie kam sich vor wie in einem Albtraum, als sie sich von Luc aus der Kirche führen ließ. Die feierlich läutenden Glocken nahm sie gar nicht wahr.

Sie waren Mann und Frau.

Und während er stolz und kraftvoll neben ihr schritt, bäumte sich alles in ihr auf gegen diese Verbindung, die sie nicht gewollt hatte.

„Warum mache ich dir Angst?“, verlangte Luc leise zu wissen, während sie die Reihe der Gratulanten am Palast abschritten.

Gabrielle lächelte, grüßte, schüttelte Hände – sie war eine ausgezeichnete Gastgeberin. Verstohlen sah sie ihn kurz an.

„Das tust du nicht“, gab sie ebenso flüsternd zurück, während sie weiterhin verbindlich lächelte und einen entfernten Cousin begrüßte, Baron de la Vazza.

Eigentlich hatte Luc genau diese Antwort erwartet. Schließlich war sie schon als kleines Mädchen dazu erzogen worden, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.

„Meinen Glückwunsch“, wandte sich der Baron an Luc und reichte ihm seine fleischige Hand. Luc kannte den Baron von unzähligen Fotos bekannter Klatschblätter, die ihn auf ausschweifenden Partys mit viel Alkohol und jungen Mädchen zeigten.

Höflich nahm der Bräutigam die Glückwünsche entgegen, während er insgeheim Abscheu empfand. Er hatte sich geschworen, niemals dieses leere nutzlose Leben zu führen, das viele der oberen Zehntausend so sehr zu genießen schienen.

Gabrielle stand direkt neben ihm, und er spürte ihre Anspannung. Besorgt sah er sie an. Natürlich war es gut, wenn sie akzeptierte, dass er in dieser Ehe das Sagen hatte. Aber es behagte ihm nicht, dass er Furcht einflößend auf sie wirkte.

Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war er von ihrer Anmut, ihrem guten Aussehen und ihrer Zurückhaltung begeistert gewesen. Doch Gabrielle hatte weit mehr zu bieten als das, erkannte er jetzt. Die blaugrüne Farbe ihrer Augen erinnerte ihn an das glitzernde Meer, an dem das Fürstentum lag. Ihr dichtes honigblondes Haar trug sie heute kunstvoll aufgesteckt und geschmückt mit einem funkelnden Diadem. Ihr Mund, auf den sie in Sekundenschnelle ein freundliches Lächeln zaubern konnte, war voll und von einem tiefen Rot. Doch viel wichtiger als alles andere – sie war tugendhaft. Und von nun an war sie seine Frau.

Autor

Caitlin Crews
Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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