Prickelnde Küsse, verbotenes Verlangen

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Als Elena auf einer fremden Jacht die Augen aufschlägt, durchfährt sie wie ein Blitz die Erinnerung an den furchtlosen Mann, der sie auf ihrer Privatinsel vor Einbrechern gerettet hat: Gabriele Mantegna, Playboy, Milliardär und … Erzfeind ihrer Familie! Und der Albtraum ist noch nicht zu Ende. Denn um sich an ihrem Vater zu rächen, will der unverschämte Tycoon sie jetzt zu einer Heirat zwingen. Für die stolze Elena absurd! Doch dann raubt Gabriele ihr nur einen Kuss und aus ihrem Hass wird plötzlich lodernde Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 24.10.2017
  • Bandnummer 2306
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708702
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Schrei zerriss die Stille in der Kapelle von Nutmeg Island. Gabriele Mantegna erstarrte auf den Kellerstufen, die er gerade hinaufgekommen war.

Wo, zur Hölle, kam das her? Er löschte seine Fackel, sodass die Kapelle in tiefe Dunkelheit getaucht war, und lauschte angestrengt.

War das der Schrei einer Frau? Sicher nicht. Heute Nacht befand sich niemand außer dem bewaffneten privaten Sicherheitsdienst auf der Insel.

Vorsichtig schloss er die Kellertür und ging zu dem einzigen kleinen Fenster der Kapelle, das nicht aus Buntglas bestand. Die Nacht war zu dunkel, als dass man etwas hätte erkennen können, doch ein schwaches Licht tauchte in der Ferne auf. Es kam aus dem Haus der Riccis, wo sich in diesem Moment eine bewaffnete Bande an all den unbezahlbaren Kunstwerken und Antiquitäten bediente.

Doch davon bemerkten die Sicherheitsleute der Insel nichts. Ihre Überwachungsmonitore waren so programmiert worden, dass sie falsche Bilder zeigten.

Gabriele blickte auf seine Armbanduhr und verzog das Gesicht. Er hatte schon zehn Minuten länger auf der Insel verbracht als geplant. Jede zusätzliche Minute erhöhte die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Um zu dem Strand auf der Südseite der Insel zu kommen, von wo aus er sich in Sicherheit bringen konnte, brauchte er noch einmal zehn Minuten.

Doch er hatte nicht mit dem Schrei gerechnet. Er konnte nicht mit gutem Gewissen fliehen, ohne der Sache nachzugehen.

Er fluchte durch zusammengebissene Zähne, stieß die schwere Kapellentür auf und trat hinaus in die warme karibische Nachtluft. Das Gebäude, das eigentlich für friedliche Einkehr und Gottesdienste gebaut worden war, hatte Ignazio durch seinen wahren Zweck entweiht.

Es lag alles hier, direkt unter dem Altar. Der Keller war vollgestopft mit jahrzehntealten Dokumenten. Eine geheime Spur von Blutgeld, die Schattenseite des Ricci-Imperiums, versteckt vor der Außenwelt. In der kurzen Zeit im Keller hatte Gabriele genug belastendes Material über Ignazios illegale Machenschaften gefunden, um diesen für den Rest seines Lebens ins Gefängnis zu bringen.

Das Beweismaterial würde er, Gabriele Mantegna, persönlich dem FBI übergeben. Er würde zu jedem Prozesstag erscheinen und sich so setzen, dass Ignazio, der Mörder seines Vaters, ihn nicht übersehen konnte. Wenn der Richter sein Urteil sprach, würde Ignazio wissen, dass Gabriele für seinen Untergang verantwortlich war.

Aber noch war es nicht so weit. Die wichtigsten Beweise waren nicht aufgetaucht: die Dokumente, die Gabrieles guten Ruf wiederherstellen und ein für alle Mal die Unschuld seines Vaters beweisen würden. Doch diese Beweise existierten. Er würde sie finden, selbst wenn er den Rest seines Lebens dazu bräuchte.

Gabriele verdrängte die Gedanken und lief auf die Baumgruppe vor dem Haus zu. Geduckt näherte er sich der riesigen dreistöckigen Villa. Aus einem Fenster im Erdgeschoss drang Licht nach draußen. Offenbar hatten die Diebe jede Vorsicht aufgegeben. Etwas musste schiefgelaufen sein.

Angeführt wurden die Männer im Haus von einem berüchtigten Meisterverbrecher namens Carter. Carters Spezialität war der Auftragsdiebstahl von Luxusgütern: Vasen aus der Ming-Dynastie, Picassos, Caravaggios, blaue Diamanten … Auf der ganzen Welt existierte kein Sicherheitssystem, so die Legende, das Carter nicht überlisten konnte. Außerdem hatte er ein Gespür dafür, wo die fragwürdigen Mitglieder der High Society ihre noch fragwürdigeren Wertsachen aufbewahrten. Die Art von Wertsachen, die sie sicher nicht den Behörden melden würden. Diese Objekte behielt Carter für sich selbst.

Die Eingangstür der Villa stand offen. Als Gabriele darauf zuging, hörte er Stimmen. Gedämpft, aber unverkennbar wütend.

Im vollen Bewusstsein des hohen Risikos, aber unfähig, den Schrei zu vergessen, drückte er sich an die Hauswand. Er holte tief Luft und spähte ins Innere.

Die Halle war verlassen. Vorsichtig schob er die Tür einige Zentimeter weiter auf. Die gedämpfte Diskussion im Hintergrund lief weiter. Er trat über die Türschwelle. Als sein Neoprenschuh auf den lackierten Holzboden traf, quietschte es. Gabriele unterdrückte einen Fluch und versuchte einen weiteren Schritt. Diesmal setzte er den Fuß flach auf, und das Quietschen blieb aus.

Er schaute sich um. Rechts von ihm führte eine ausladende Treppe ins Obergeschoss, und die Tür an der gegenüberliegenden Wand stand weit offen. Leise durchquerte er die Halle und verbarg sich hinter der Tür. Er drehte den Kopf nach links, um zu verstehen, worüber die Männer diskutierten. Wenn es sich einfach um einen fehlgeschlagenen Diebstahl handelte, würde er seinen ursprünglichen Plan verfolgen und schleunigst die Insel verlassen.

Aber dieser Schrei … Es hatte eindeutig wie eine Frau geklungen. Die Stimmen in dem Zimmer waren alle männlich, doch er konnte immer noch keine Worte ausmachen. Irgendwie musste er näher herankommen.

Bevor er noch einen Schritt machen konnte, hörte er schwere Fußtritte die Treppe herunterkommen. Durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen sah er eine riesige Gestalt ganz in Schwarz. Der Mann ging direkt an Gabriele vorbei durch die Tür zu den anderen. Plötzlich wurden die Stimmen lauter.

„Das kleine Luder hat mich gebissen.“ Die Stimme mit dem englischen Akzent klang fassungslos.

„Du hast ihr nicht wehgetan, oder?“, fragte ein anderer Mann, offenbar Amerikaner.

„Nicht so sehr, wie ich es tun werde, wenn wir sie hier wegschaffen.“

„Sie geht nirgendwo mehr hin.“ Die Stimme des Amerikaners klang scharf. „Sie hat mein Gesicht gesehen.“

„Trotzdem sollten wir sie mitnehmen. Wer auch immer sie ist – irgendetwas muss sie wert sein.“

Daraufhin redeten alle Männer durcheinander, und Gabriele verstand kein Wort mehr. Aber die Situation war klar: Im Obergeschoss befand sich eine Frau, wahrscheinlich gefesselt, und diese Männer diskutierten darüber, was sie mit ihr machen sollten.

In diesem Moment stürmte der Mann in Schwarz aus dem Zimmer und brüllte über die Schulter: „Diskutiert so viel, wie ihr wollt. Das Luder gehört mir, und sie kommt mit!“ Er lief an Gabriele vorbei die Treppe hoch.

Das war seine Chance. Ohne eine Sekunde zu verlieren, lief Gabriele zur Treppe und nahm drei Treppenstufen mit jedem Sprung. Oben stand eine Tür zu seiner Rechten weit offen. Geräuschlos ging er darauf zu und spähte in den Raum.

Mitten in dem hellblau dekorierten Schlafzimmer stand der schwarz gekleidete Mann vor einem Bett, er drehte Gabriele den Rücken zu. Auf dem Bett saß eine Frau. Ihre gefesselten Hände waren am Kopfteil festgebunden, und ein Tuch war als Knebel über ihren Mund gebunden. In ihren Augen lag nackte Angst.

Ohne dem Mann Zeit für eine Reaktion zu geben, trat Gabriele hinter ihn und schlug mit der flachen Hand in seinen Nacken. Dabei zielte er auf einen bestimmten Punkt, an dem ein Schlag zu einer sofortigen Ohnmacht führte. Offenbar hatte er getroffen, der Mann brach sofort zusammen. Gabriele fing den reglosen Körper auf, damit er nicht mit einem dumpfen Knall auf den Boden fiel und die Männer im Erdgeschoss alarmierte.

Langsam ließ er den Mann zu Boden gleiten und fühlte dessen Puls. Zufrieden, dass er ihn nicht getötet hatte, öffnete Gabriele seine kleine wasserdichte Tasche und zog ein Taschenmesser heraus.

Die Augen der Frau wurden noch größer, und sie zog die Knie so eng an die Brust wie möglich. Ein Wimmern drang durch ihren Knebel.

Er stellte sich neben sie. „Ich werde dir nicht wehtun“, versicherte er leise auf Englisch. „Verstehst du mich?“

Sie wimmerte noch ein bisschen mehr, brachte aber ein Nicken zustande.

Irgendetwas an ihr kam ihm bekannt vor … „Vertrau mir. Ich gehöre nicht zu diesen Männern. Wenn sie dich schreien hören, kommen sie hoch und bringen uns beide um. Ich löse jetzt deine Fesseln und den Knebel, und dann fliehen wir. Aber ich brauche dein Wort, dass du nicht schreien wirst. Versprochen?“

Noch ein Nicken. Die Angst in ihren leuchtend grünen Augen schien ein wenig kleiner zu werden. Ihr Blick suchte seinen. Offensichtlich spürte auch sie das Vertraute zwischen ihnen.

Er beugte sich über sie und löste den Knebel. Sobald er das Tuch entfernt hatte, legte er einen Finger auf ihre Lippen. „Wir haben nicht viel Zeit“, warnte er. „Am besten klettern wir durch eines der Fenster. Oder kennst du einen anderen Weg aus dem Haus, der nicht durch die große Halle führt?“

Sie deutete mit dem Kopf zu einer Zimmertür hinter dem Bett. „Das Ankleidezimmer liegt direkt über dem Vordach.“ Ihre Stimme klang rau. „Wir können dort durch das Fenster direkt auf das Dach steigen.“ Er bewunderte, dass sie trotz ihrer Angst die Geistesgegenwart besessen hatte, einen Fluchtplan zu entwerfen.

„Gib mir eine Sekunde“, sagte er und zog ein Telefon aus seiner Tasche. Er drückte den Notfallknopf, der ihn zu dem Kapitän seiner Jacht durchstellte. Sicher hielt der inzwischen schon Ausschau nach ihm. „Paul, ich brauche den Jetski am nördlichen Hafen.“

Das war einer der vielen Ausweichpläne, die sie zwei Tage lang durchgesprochen hatten. Aber dass Gabriele eine Frau an seiner Seite haben würde, war in keinem Plan vorgesehen.

Sobald er aufgelegt hatte, zerschnitt Gabriele mit dem Taschenmesser ihre Fesseln. Dort, wo die Seile in ihr zartes Fleisch geschnitten hatten, liefen dunkelrote Striemen um ihre Handgelenke.

Vom Fußboden kam ein Stöhnen. Gabriele ignorierte den Drang, sich auf den Mann zu stürzen. Den Verbrecher für seine Grausamkeit zu bestrafen hätte ihm eine flüchtige Genugtuung verschafft, aber sie konnten sich keinen Moment Verzögerung leisten.

„Kannst du laufen?“ Er legte einen Arm um ihre Taille und half ihr, sich aufzusetzen. Sie war winzig. Mit ihrem weißblonden Haar, das zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden war, und den großen grünen Augen erinnerte sie ihn an eine Porzellanpuppe.

So zerbrechlich!

Sie nickte, aber erlaubte ihm dennoch, ihr auf die Füße zu helfen.

Er atmete tief ein. Sie roch wie ein … Lagerfeuer? Er musterte sie genauer.

Plötzlich begriff er, weshalb sie ihm so bekannt vorkam. In seiner Erinnerung erschien ein kleines puppenhaft aussehendes Mädchen aus seiner Jugendzeit, das sich wie ein Junge kleidete und schneller als jeder andere einen Baum hinaufklettern konnte.

Das hier war Ignazios einzige Tochter, Elena.

Setzte er etwa gerade sein Leben für die Tochter seines Feindes aufs Spiel? Diese Frau war genauso Gabrieles Feind wie ihr Vater. Wenn er Ignazio zu Fall brachte, würde er auf jeden Fall dessen Familie mit in den Untergang stürzen.

Das Stöhnen vom Boden wurde langsam lauter. Elena betrachtete den Mann mit einem Blick, als wollte sie ihn in die Rippen boxen.

„Wir müssen hier weg.“ Gabriele griff ihre Hand und zog sie mit sich in das Ankleidezimmer und zum Fenster. Egal, wie seine persönlichen Gefühle für sie und ihre Familie aussahen, eine wehrlose Frau der Gnade von vier bewaffneten Männern zu überlassen, von denen mindestens einer vorhatte, ihr wehzutun, kam nicht in Frage.

Er öffnete das Schiebefenster und schaute nach draußen. Genau wie sie gesagt hatte, lag ein schräg abfallendes Dach unter dem Fenster. Er schob sich durch die Öffnung und ließ sich auf die Ziegel fallen.

„Komm“, sagte er, doch Elena war schon dabei, sich hinunterzulassen. Er legte ihr die Hände um die schmale Taille und hielt sie fest, bis sie sicher neben ihm stand. Abgesehen davon, dass ihre Füße nackt waren, trug sie mit ihren schwarzen Shorts und dem weiten kakifarbenen T-Shirt die perfekte Kleidung für eine Flucht.

Ohne ein Wort zu sagen, bewegten sie sich beide zur Dachkante.

„Am nördlichen Hafen wartet Rettung.“ Er schaute sich orientierungssuchend um. „Das heißt, wir laufen nach rechts.“

Sie nickte grimmig entschlossen und schwang sich gekonnt über die Kante, sodass sie sich nur noch mit den Fingern hielt.

Da er viel größer war, brauchte Gabriele etwas länger, um nach unten zu kommen. Bevor er die Dachkante losließ, hatte sich Elena bereits auf die Veranda fallen lassen. Sofort stand sie wieder auf den Füßen, sprang über das Holzgeländer und rannte in Richtung Freiheit … aber sie rannte nach links – nicht, wie abgemacht, nach rechts!

Er ließ sich fallen und nahm die Verfolgung auf. „Das ist die falsche Richtung!“, rief er so laut, wie er es gerade noch wagte.

Das Band, das ihr Haar zusammenhielt, löste sich, und ihre seidige weißblonde Mähne wehte im Wind. Sie schaute nicht zurück.

Lauf, Elena, lauf.

Vor ihrem inneren Auge sah sie das Baumhaus, das die Angestellten ihres Vaters damals für sie und ihre Brüder gebaut hatten. Wenn sie es nur erreichen könnte, dann wäre sie in Sicherheit.

Aber auch wenn sie noch so schnell über den Strand rannte, hörte sie dennoch, wie er immer näher an sie herankam. Gabriele Mantegna. Ein Mann, mit dem sie vage Kindheitserinnerungen verband. Ein Mann, der ihr genauso viel Angst einjagte wie die bewaffneten Diebe in der Ferienvilla ihrer Familie.

Dieser Mann hatte zwei Jahre in einem amerikanischen Gefängnis verbracht und ihren Vater beschuldigt, in seine kriminellen Machenschaften verstrickt zu sein.

In der Ferne sah sie bereits den Pfad, der in den Wald und zur Sicherheit des Baumhauses führte. Sie lief noch schneller, aber er kam immer näher. Hinter sich hörte sie seinen schnellen Atem.

Ich schaffe es nicht. Heiße Wut schoss durch ihren Körper und verdrängte die Angst. Sie würde sich von diesem Mann nicht fangen lassen.

Elena grub die Fersen in den Sand und blieb abrupt stehen. Fast gleichzeitig wirbelte sie herum und warf sich mit aller Kraft gegen ihn. Sie hatte das Gefühl, in eine Steinmauer zu laufen. Doch ihr Trick funktionierte, überrumpelt stolperte Gabriele rückwärts.

Leider war er nicht zu überrascht, um blitzschnell seinen Fuß um ihren Knöchel zu legen und sie mit sich auf den Sand zu ziehen. In wenigen Sekunden hatte er sie überwältigt und kniete über ihr.

„Versuchst du, in deinen eigenen Tod zu rennen?“ Sein Atem blies heiß in ihr Gesicht. Sie wand sich unter ihm, doch er war zu stark.

Gabriele fluchte und sprang geschmeidig wie ein Panther auf die Füße. Ohne ein Wort packte er sie um die Taille und warf sie über seine Schulter.

In dem Moment, als er losrannte, ertönten Rufe aus dem Haus.

Eine nie gekannte Angst erfasste sie. Auch wenn sie sich in einer würdelosen Position befand, dankte Elena Gott für Gabrieles Kraft.

Hinterher hätte sie nicht sagen können, wie lange er mit ihr über seiner Schulter gelaufen war. Es hätte eine Minute sein können oder eine Stunde. Sie wusste nur, dass die Diebe ihnen hinterherliefen und auf sie schossen.

Dann rannte er nicht länger mit ihr über den Sand, sondern durch Wasser. Sie hatte kaum Zeit zu begreifen, dass vor ihnen ein Jetski auftauchte, als Gabriele auch schon mit ihr hochgeklettert war.

„Los!“, rief er.

Wer auch immer der Fahrer war, er brauchte keine zweite Aufforderung. Der Jetski schoss über das glatte Wasser, und Gabrieles starke Hände setzten sie sicher auf seinen Schoß. Innerhalb von wenigen Minuten erreichten sie eine gigantische Jacht. Zu Elenas Verblüffung steuerten sie direkt in eine offene Luke in der Seitenwand zu und parkten genauso darin, als würden sie ein Auto in einer Garage abstellen. Gabriele und der andere Mann halfen ihr auf festen Boden.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Gabriele und schaute sie fragend an.

Sie öffnete den Mund, um zu erwidern, dass es ihr selbstverständlich gut ging, als sie plötzlich die tiefe Erschöpfung überfiel, die sie überhaupt erst auf die Insel gebracht hatte.

Ihr war, als legte sich ein heißer Nebel über ihren Kopf. Ihre Hände wurden feucht, und sie spürte kalten Schweiß auf ihrer Haut. Dann wurde alles schwarz.

2. KAPITEL

Elena erwachte unter einer Daunendecke in einem unendlich gemütlichen Bett. Für einen Moment war es ihr ganz egal, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie sich befand. Sie streckte sich genüsslich. Dann strömten die Erinnerungen auf sie ein, und sie setzte sich kerzengerade auf.

Sie hatte das Bewusstsein verloren. Beim Erwachen hatte sie starke Arme gespürt, die sie trotz ihrer massiven Proteste gestützt hatten. Gabriele Mantegna. Er hatte sie verfolgt, über seine Schulter geworfen und mit einem Jetski auf seine Jacht entführt.

Oder hatte er sie gerettet? Ja, das auf jeden Fall. Vor der kriminellen Bande, die das Unvorstellbare getan und das Sicherheitssystem des Ricci-Anwesens überlistet hatte. Doch das hier war Gabriele Mantegna, und ihr Instinkt sagte Elena, dass sie bei ihm nicht besser aufgehoben war als bei jenen Männern. Er barg Gefahr von einer ganz anderen Sorte.

Dennoch hatte er sie durch den Kugelhagel getragen. Gott allein wusste, wie sie beide überlebt hatten. Was hatte er überhaupt auf der Insel zu suchen gehabt? Ihr schossen so viele Fragen durch den Kopf, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.

Eine weitere Erinnerung kam zurück: kräftige Arme, die sie auf das Bett legten, und Gabrieles dunkle Stimme, die leise auf Italienisch zu ihr sagte, sie solle schlafen.

Wenigstens trug sie immer noch dieselbe Kleidung wie gestern. Langsam kletterte sie aus dem Bett und hielt sich am Pfosten fest, bis sie sicher war, dass ihre Beine sie trugen. Dann ging sie zum Fenster und schob die bodenlangen Vorhänge zur Seite.

Gleißend helles Licht durchflutete die Kabine. Sie öffnete die doppelflügeligen Glastüren und trat auf den Balkon. Die riesige Jacht schoss mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit durch das ruhige karibische Meer. Falls das hier überhaupt noch die Karibik war.

Hinter ihr wurde die Tür geöffnet, und Elena drehte sich um. In der Kabinentür stand eine Frau mittleren Alters und lächelte sie zaghaft an. „Guten Morgen, Signorina Ricci.“ Die Frau sprach Italienisch, Elenas Muttersprache. „Darf ich Ihnen Frühstück bringen?“

Die Meeresluft hatte Elenas Gedanken geordnet und ihr neue Kraft verliehen. Sosehr sie sich auch nach etwas zu essen und einer heißen Dusche sehnte, sie musste zuerst mit Gabriele sprechen und herausfinden, was, zum Teufel, hier vor sich ging. „Bitte bringen Sie mich zuerst zu Signor Mantegna.“

Die Angestellte nickte, und Elena folgte ihr auf einen weiten Korridor. Eine Treppe führte in eine riesige Halle. Mitten im Raum stand ein weißer Flügel, der von weichen weißen Sofas umgeben war.

Gabriele saß auf dem dritten Deck und bediente sich aus einer Schüssel mit frischem Obst. Von seinem Tisch aus überblickte man den großen ovalen Pool. Als die beiden Frauen auf ihn zukamen, stand er auf. Seine einzige Kleidung war eine kurze Leinenhose.

„Guten Morgen, Elena. Wie geht es dir?“

„Viel besser, danke“, erwiderte sie kühl, doch bei der Erinnerung daran, wie sie ohnmächtig direkt in seine Arme gefallen war, brannten ihre Wangen, als stünden sie in Flammen. Der Anblick seiner nackten Brust direkt auf Augenhöhe verbesserte die Situation nicht. Hastig wandte sie den Blick ab.

„Du hast uns einen schönen Schrecken eingejagt. Bitte, setz dich. Kaffee? Frühstück?“

Sie wählte den Platz ihm gegenüber. „Ein Caffè Latte wäre schön.“

„Esmeralda, einen Caffè Latte und eine Platte mit Gebäck für unseren Gast, eine Kanne frischen Kaffee für mich, bitte.“

Während er mit der Angestellten sprach, nutzte Elena die Gelegenheit, um ihn näher zu betrachten. Letzte Nacht war nicht zu übersehen gewesen, dass unter seinem Neoprenanzug ein durchtrainierter Körper steckte. Dennoch hatte sie nichts auf den Anblick seines nackten Oberkörpers vorbereitet. Auf seine definierten Oberarme und die muskulöse Brust, die von seidigen schwarzen Härchen überzogen war.

Mit seiner bronzefarbenen Haut sah er aus wie ein Mann, der seine Zeit gerne im Freien verbrachte. Doch es hatte einige Jahre gegeben, in denen er nicht viel von der Sonne gesehen hatte …

„Was geht hier vor sich?“, fragte sie ohne Überleitung.

Es ist ja schließlich nicht so, als hätte ich noch nie eine unbekleidete Männerbrust gesehen, rief sie sich selbst zur Ordnung. Immerhin hatte sie drei ältere Brüder, der männliche Körperbau war ihr also nicht fremd. „Ich bin dir für deine Hilfe gestern Nacht dankbar, aber weshalb warst du überhaupt auf unserer Insel? Wenn du nichts mit den Männern zu tun hattest, woher wusstest du dann, dass ich in Gefahr war?“

Jedenfalls konnte nichts Gutes dahinterstecken. Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis befand sich Gabriele auf einem einsamen Rachefeldzug gegen ihre Familie. Seitdem war das Interesse der Medien unerträglich geworden.

Der attraktive, charismatische und milliardenschwere Besitzer von Mantegna Cars war ein verurteilter Betrüger und ließ keine Gelegenheit aus, um ihren Vater in ein schlechtes Licht zu rücken. Gabriele hatte vor Gericht gestanden und die gesamte Schuld auf sich genommen, auch wenn man allgemein annahm, dass er damit nur seinen Vater hatte schützen wollen. Aber immer wieder tauchten Gerüchte auf, dass er behauptete, Ignazio Ricci wäre der wahre Schuldige.

Nachdenkliche Augen von einem so dunklen Braun, dass sie fast schwarz wirkten, fingen ihren Blick ein. Die markante Nase und seine sinnlichen Lippen verliehen Gabrieles Gesicht etwas Gefühlvolles, das ihr vollkommen unpassend für einen Mann wie ihn erschien.

„Ich habe dich schreien hören. Deshalb wusste ich, dass sich jemand in Gefahr befindet. Wir warten, bis das Frühstück serviert ist, dann können wir über den Rest sprechen.“

Er musterte sie auf eine Weise, die sie erröten ließ. Da sie heute Morgen nicht in den Spiegel geschaut hatte, konnte sie nur erahnen, wie furchtbar sie aussehen musste. Sicher war ihr Haar völlig zerzaust, und in ihrer Kleidung war sie bereits zum Angeln gegangen, hatte ein Lagerfeuer gemacht und jetzt auch noch eine Nacht darin geschlafen.

„Kannst du mir wenigstens sagen, wo wir sind?“

„Im Golf von Mexiko. Wenn alles gut läuft, sollten wir am frühen Abend in Tampa Bay ankommen.“

Nachdem er gestern Abend sichergestellt hatte, dass Elenas Bewusstlosigkeit nur durch Erschöpfung verursacht war, hatte er ein paar Nachforschungen über diese Frau angestellt. Zuletzt hatte er sie vor zwei Jahrzehnten gesehen, und später war sein Kopf so voll mit Rachegedanken an Ignazio und auch an dessen drei Söhne gewesen, dass er Elenas Existenz fast vergessen hatte.

Bisher hatte er Ignazio für einen Mann gehalten, der nicht zu wahrer Liebe fähig war. Aber jetzt wusste Gabriele, dass er in Elena die Achillessehne seines Erzfeindes gefunden hatte.

Ihre Väter waren seit Kindertagen beste Freunde gewesen. Die Freundschaft war sogar bestehen geblieben, als Gabrieles Vater Alfredo mit seiner Frau und seinem jungen Sohn von Italien in die USA ausgewandert war. Alfredo hatte vor seinen neuen amerikanischen Geschäftspartnern für Ignazio gebürgt und diesem damit ermöglicht, das eigene Imperium auszuweiten.

Die Geschäftsmodelle der beiden Männer hatten sich immer ergänzt. Viele Ricci-Produkte waren in Mantegna-Autos verbaut worden. Schließlich hatten sie auf Ignazios Vorschlag hin die Bereiche ihrer Firmen zusammengelegt, die sich überschnitten. Damals hatte Gabriele seine Vorbehalte gegen diesen Zusammenschluss für sich behalten. Immerhin hatte Ignazio praktisch zur Familie gehört.

Trotz der engen Beziehung ihrer Familien hatte Ignazio seine einzige Tochter immer in Italien versteckt gehalten. Gabriele bezweifelte, dass er Elena mehr als ein paar Mal persönlich gesehen hatte.

Als Augapfel ihres Vaters war sie ihr ganzes Leben lang behütet und sogar zu Hause unterrichtet worden. Mit achtzehn hatte sie dann in Ignazios Firma angefangen und einige Jahre eng mit ihm zusammengearbeitet, bevor sie die Leitung des europäischen Firmenzweigs übernommen hatte.

Anders als ihre Brüder, die ungefähr so unauffällig waren wie ein Trio von Pfauen, die Räder schlugen, war sie auch als Erwachsene im Hintergrund geblieben. Medienberichte über sie gab es selten, und wenn doch mal etwas in der Zeitung auftauchte, ging es ums Geschäft.

Als sein Vater vor vier Jahren zum ersten Mal angeklagt worden war, war Gabriele auf ein Interview mit Ignazio Ricci gestoßen. In dem Artikel hatte Ignazio seinen früheren Freund Alfredo redegewandt durch den Schmutz gezogen und erklärt, wie betrogen er sich fühlte.

Die einzigen Worte in dem Text, in denen Gabriele Ehrlichkeit gespürt hatte, handelten von Ignazios Tochter: „Elena arbeitet am härtesten von all meinen Angestellten. Meine Tochter ist das beste Kind, auf das ein Mann hoffen kann. Ich weiß, dass sie für mich sorgen wird, wenn ich einmal alt und gebrechlich bin.“

Bei seinem Besuch in der Kapelle hatte Gabriele zwar nicht die Dokumente gefunden, die seine Unschuld beweisen konnten, aber vielleicht war Elena der Schlüssel zu seinem Ziel. Mit ihr besaß er eine Waffe, die Ignazio viel stärker verletzen konnte als jede Gefängnisstrafe. Er erlaubte sich ein schmales Lächeln. Oh ja, eine bessere Waffe konnte er nicht finden.

Doch dann verschwand sein Lächeln. Es gab nichts zu feiern, bis endlich sein Ruf und der seines Vaters wiederhergestellt waren und er seiner Mutter Frieden geben konnte.

„Ich muss gestehen, dass deine Anwesenheit mich in ein kleines Dilemma stürzt“, sagte er ruhig.

Elena runzelte die Stirn und blickte ihn aus ihren smaragdgrünen Augen an. „Was für ein Dilemma?“

„Du bietest mir Möglichkeiten, die ich bisher nicht hatte.“ Als er sah, dass Esmeralda zurückkam, beließ er es dabei.

Das Dienstmädchen stellte Elenas Caffè Latte, eine Kanne frischen Kaffee und eine Platte voller Gebäck auf den Tisch.

Als Esmeralda wieder unter Deck verschwand, deutete Gabriele mit einer ausladenden Geste auf den Tisch. „Bitte, greif zu.“

„Sag mir, wieso ich dich in ein Dilemma stürze.“

„Ich würde dieses Gespräch lieber mit dir führen, wenn ich nicht fürchten muss, dass du vor Hunger ein zweites Mal bewusstlos wirst.“

„Ich bin noch nie vorher in Ohnmacht gefallen“, sagte sie sachlich. „Es lag an dem Schock und dem Adrenalin, das ist alles. Ich bin auch noch nie vorher entführt und dann gerettet, anschließend gejagt und über eine Schulter geworfen worden und schließlich auf einem Jetski vor einem Kugelhagel geflohen.“

„Warum bist du vor mir weggelaufen?“

„Weil du einen Groll auf meinen Vater und meine Familie hegst. Du bist wie ein dunkles Phantom in dem Zimmer erschienen. Ich hatte Angst.“

„Ich hege keinen Groll gegen deinen Vater“, sagte er ruhig. „Meine Abscheu gegen euch Riccis geht viel tiefer als das.“

Ihr hübsches, sanft gebräuntes Gesicht erblasste. „Warum hast du mich dann gerettet?“

„Weil ich nicht so ein Monster bin, dass ich dich in den Händen solcher Männer lassen würde.“

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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