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"Ihr Scotch, Sir. Möchten Sie noch etwas?" Hätte Darcy bloß den Mund gehalten! Denn der Blick des Traummannes an der Bar verrät ihr genau, was er noch will - sie! Eigentlich ist ein One-Night-Stand nicht Darcys Stil. Aber schließlich ist es ihr allerletzter Abend als Kellnerin in Las Vegas, da darf man schon mal abenteuerlustig sein. Und so serviert sie Jeff nicht nur einen Scotch, sondern schenkt ihm auch diese eine Nacht. Danach schleicht Darcy sich aus seinem Zimmer. Zum Glück kennt sie wenigstens seinen Namen! Denn drei Monate später muss sie ihm dringend etwas gestehen …


  • Erscheinungstag 21.07.2015
  • Bandnummer 0015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701888
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jeff Norton stand in seinem gläsernen Vorstandsbüro in Downtown Los Angeles und sah, wie sich seine glänzende Zukunft in Luft auflöste, als die Frau eine Hand vor den Mund presste, an ihm vorbeischoss und zum Papierkorb hechtete. Während sie vor dem Eimer auf die Knie fiel, hob sie die andere Hand, als wollte sie ihm bedeuten, dass sie in wenigen Sekunden wieder bei ihm sein würde.

„Kein Problem, Darcy“, sagte er mit einer Stimme, die er selbst kaum wiedererkannte. „Lass dir ruhig Zeit.“

Das würgende Geräusch, das aus dem Papierkorb drang, erstarb allmählich. Die Kellnerin aus Las Vegas, die er vor drei Monaten unwiderstehlich gefunden hatte, hob den Kopf und rollte mit den Augen, als wollte sie ihm sagen, dass er für ihren Zustand verantwortlich war.

Ihr Blick amüsierte ihn. Gleichzeitig ging er ihm durch Mark und Bein. Die Party war definitiv vorbei.

Warum diese Frau ihn drei Monate nach jener heißen Nacht, an deren Ende Jeff entsetzt auf ein verhängnisvolles Loch im Gummi gestarrt hatte, nun aufsuchte, war offensichtlich. Allerdings blieb noch abzuwarten, ob er das Wunder, das hinter diesem unerwarteten Wiedersehen stand, tatsächlich selbst verursacht hatte oder ob ihn sein Privatvermögen zu einer Patentlösung für ein Problem machte, das auch einem halben Dutzend anderer Kandidaten angelastet werden konnte.

Im selben Moment, als ihm dieser Gedanke kam, sträubte sich etwas in ihm dagegen.

Drei Monate.

Wenn sie nach einem gekommen wäre … Verdammt, wenn sie in jener Nacht noch da gewesen wäre, als er aus dem Badezimmer zurückgekommen war …

Er atmete tief durch. Schon im nächsten Moment wurde ihm klar, dass das ein Fehler gewesen war, denn der Geruch, der sich in seinem Büro ausbreitete, sorgte dafür, dass sich sein Magen zusammenzog.

Darcy schaute ihn über den Papierkorb hinweg an und schien die Reaktion seines Körpers zu erraten, denn sie umklammerte den Eimer noch fester, als wollte sie sagen: Besorg dir deinen eigenen.

Na, wunderbar.

Er knirschte mit den Zähnen. Das also war die Mutter seines Kindes.

Vielleicht.

Er griff zum Telefon und wählte die Nummer seiner Assistentin. „Claire, ich brauche eine Flasche Mundwasser, eine Zahnbürste, Zahnpasta und ein Dutzend Müllbeutel. Wenn Sie mir alles innerhalb der nächsten fünf Minuten bringen, stelle ich Ihnen einen Scheck über tausend Dollar aus.“

Darcy kniff die Augen zusammen. Als sie sie wieder öffnete, lag verhaltene Dankbarkeit in ihnen. „Vielen Dank.“

„Das ist ja wohl das Mindeste, was ich tun kann …“ Wenn er daran dachte, was er – vielleicht – bereits getan hatte.

Er beobachtete, wie sich ihre Schultern hoben und senkten, während sie um Fassung rang.

„Es tut mir leid, dass …“

Er winkte ab, doch sie sah ihn so durchdringend an, dass er sie ausreden ließ.

„… dass ich dich so überfalle. Du bist bestimmt schockiert.“

„Lass uns darüber reden, nachdem du dich ein wenig frisch gemacht hast. Hinter der Tür da ist ein Badezimmer. Claire ist wahnsinnig flink …“

Wie zum Beweis klopfte es in diesem Moment an der Tür und seine so schnelle wie unscheinbare Assistentin kam herein. Irgendwie hatte sie es geschafft, die gewünschten Utensilien in wenigen Sekunden zu beschaffen. Wenn man bedachte, dass Claire sieben Sprachen beherrschte, einen Abschluss in Wirtschaftsmanagement in der Tasche hatte und normalerweise internationale Konferenzen organisierte, hatte Jeff vermutlich ihre Arbeitszeit verschwendet. Andererseits handelte es sich hier um einen echten Notfall.

„Claire Litsky, das ist Darcy …“ In diesem Moment fiel ihm ein, dass er nicht einmal ihren Nachnamen kannte. „Darcy, das ist Claire“, fuhr er fort, in der Hoffnung, dass niemand seine Verwirrung bemerkte. Er führte die beiden zum Badezimmer, das sich hinter einer Tür in seinem Büro befand.

„Den kannst du mir geben“, sagte er und nahm Darcy den Papierkorb ab. „Lass dir unbedingt Claires Kontaktdaten geben. Wenn du irgendetwas von mir brauchst, kann sie dir jederzeit weiterhelfen.“

Im selben Moment zog Claire auch schon ihre Visitenkarte hervor. Diese Frau war tatsächlich Gold wert. Sobald Darcy im Badezimmer verschwunden war, warf Claire einen Blick auf den Papierkorb, den Jeff mit ausgestreckten Armen von sich weg hielt.

„Darf ich Ihnen den abnehmen?“

Jeff lachte trocken. Am liebsten hätte er bei dem Angebot Ja gesagt. Aber dann hatte er doch Skrupel.

Also schüttelte er den Kopf und streckte die Hand nach den Müllbeuteln aus.

„Ich habe den Schlamassel verursacht und werde ihn auch ausbaden.“

Darcy Penn starrte ihr Spiegelbild an und putzte sich wutentbrannt den schlechten Geschmack von den Zähnen.

Jeff hatte sie als „Schlamassel“ bezeichnet. Und er hatte ihr die Nummer seiner Assistentin angeboten, für den Fall, dass Darcy ihn erreichen wollte.

So ein Mistkerl.

Wenn sie nur daran dachte, wie groß ihre Angst vor dem Wiedersehen gewesen war. Sie hatte geglaubt, dass sie sich wie in jener Nacht in Las Vegas sofort wieder von ihm verzaubern lassen würde. Damals hatte sie diesen Mann so ungeheuer attraktiv gefunden, dass sie, nur um ein paar Stunden mit ihm zu verbringen, jede Vorsichtsmaßnahme, die normalerweise für den Umgang mit Männern galten, einfach beiseitegeschoben hatte. Vor ihrem heutigen Besuch hatte sie befürchtet, dass der Mann, dessen Charme, Humor und fordernde Küsse sie in ihren Träumen regelmäßig heimsuchten, so unwiderstehlich sein würde, wie sie ihn in Erinnerung hatte.

Aber nein: Welcher fremdartige Zauber damals in Las Vegas auch gewirkt hatte, heute war von alldem nichts zu spüren.

Nun ja, fast nichts.

Als Jeff die Tür zu seinem Büro geöffnet hatte, da hatte Darcy für einen kurzen Moment das Feuer in seinen Augen aufblitzen sehen. Dann war sie an ihm vorbeigestürmt und hatte nach dem Papierkorb gegriffen.

Sofort hatte Entsetzen das Feuer in seinen Augen abgelöst.

Ihr war das mehr als recht. Schließlich hatte sie bereits genug an ihrem Schicksal zu tragen, ohne sich mit der Frage herumzuquälen, ob zwischen ihnen beiden nun eine besondere Chemie herrschte. Das hätte sie zwar für einen kurzen Augenblick abgelenkt, aber sie war zu sehr Realistin, um sich der Illusion hinzugeben, dass die gegenseitige Anziehung ewig halten würde. Nein, sie musste sich zusammenreißen und Entscheidungen treffen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihres Kindes beeinflussen würden.

Ihres gemeinsamen Kindes.

Himmel, was Jeff wohl vorschlagen würde? Sein Spruch mit dem Schlamassel, den er ausbaden musste, deutete nicht darauf hin, dass er sich freudig in die Vaterrolle stürzen würde. Und sie selbst war sich nicht so sicher, ob sie ihn als Vater ihres Kindes wollte.

Einerseits würde es ihrem Kind guttun, wenn es von beiden Elternteilen geliebt würde. Andererseits wusste sie nicht, ob sie sich oder ihr Baby an einen Mann binden wollte, der allem Anschein nach selbst noch ein großes Kind war. Darcy hatte gesehen, dass die Schreibtischplatte in seinem Büro aus einer umfunktionierten Flugzeugtragfläche bestand. Er hatte seinen Arbeitsplatz mit dem Spielzeug eines kleinen Jungen eingerichtet.

Obwohl sie zugeben musste, dass es bei ihrer Begegnung in Las Vegas genau diese verspielte Jungenhaftigkeit, gepaart mit dem überaus männlichen Körper, gewesen war, die sie so anziehend gefunden hatte. Jeff wusste, wie man lachte und andere zum Lachen brachte, wie man das Leben mit beiden Händen packte und den Moment genoss, ohne sich allzu viele schwere Gedanken zu machen. Und für ein paar unfassbar schöne Stunden hatte er ihr gezeigt, wie das funktionierte.

Doch wenn sie sich diese Jungenhaftigkeit beim Vater ihres Kindes vorstellte und ihr eigener Körper dazu noch bewies, wohin diese Sorglosigkeit führen konnte, dann bezweifelte sie, dass das positive Eigenschaften waren.

Darcy seufzte. Dann griff sie zum Mundwasser und gurgelte.

Sie legte eine Hand auf ihren noch flachen Bauch. Innerlich war sie hin und hergerissen: Einerseits liebte sie das neue Leben, das in ihr heranwuchs, andererseits war sie enttäuscht von sich selbst, weil sie sich für einen Moment nicht unter Kontrolle gehabt hatte.

In den letzten Jahren hatte sie zu jeder Versuchung Nein gesagt. Auf gar keinen Fall wollte sie nämlich so enden wie ihre Mutter.

Ihr Leben lang war Darcy bei Männern übervorsichtig gewesen.

Warum hatte sie also in jener Nacht zu diesem Mann Ja gesagt?

Drei Monate zuvor …

Und er hatte wahrhaftig geglaubt, dass er sich in Las Vegas langweilen würde.

Jeff Norton saß in der protzigen Hotellounge und beugte sich vor, um das Schauspiel besser betrachten zu können. Am Tisch vor ihm saß eine Horde Jungs und versuchte vergeblich, bei der langbeinigen Blondine, die ihm soeben den Scotch serviert hatte, einen Treffer zu landen.

Kaum zu glauben, aber einer der Jungs rief der Frau einen Anmachspruch hinterher, obwohl sie seinem Kumpel gerade erst eine Abfuhr erteilt hatte, die sich gewaschen hatte. Und seine Freunde stachelten ihn sogar noch an. Erkannten sie denn nicht, dass diese Frau in einer ganz anderen Liga spielte? Hatten sie ihren Blick etwa nicht bemerkt? Ebenso gut hätte auf ihrer Stirn stehen können: Nein danke, ich bin NICHT interessiert.

Vermutlich waren die Jungs gerade einmal so alt, dass sie nicht mehr unter das Jugendschutzgesetz fielen. Wenn Jeff sich die leeren Gläser anschaute, die sie wie Trophäen auf den Tisch gestellt hatten, tippte er darauf, dass bei demjenigen, dem es tatsächlich gelingen würde, diese umwerfende Frau abzuschleppen, sofort die Lichter ausgehen würden.

Diese Jungs hatten noch viel zu lernen.

Jeff verlor das Interesse, lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte sich im Saal um. Er wartete auf seinen besten Freund Connor, der gerade von seiner Verlobten verlassen worden war und sich mit ihm in der Stadt der Sünde zu einem waschechten Männerwochenende verabredet hatte.

Wo zum Teufel steckte er bloß?

Er griff zu seinem Handy und sah, dass Connor ihm eine SMS geschickt hatte. Während er sie las, fluchte er innerlich. Er würde mindestens noch eine weitere Stunde warten müssen.

Verdammt! Er hatte wahrlich genug davon, Männern in allen Altersklassen dabei zuzusehen, wie sie sich öffentlich blamierten, während Connor am Telefon den Deal mit Hongkong in trockene Tücher brachte. Eine andere Kellnerin kam vorbei, und er drückte ihr das halb leere Whiskeyglas in die Hand. Dann sprang er auf und warf ein paar Geldscheine auf den Tisch.

Er war schon auf halbem Weg zur Tür, als er das warme Lachen einer Frau hörte, das von der Bar an sein Ohr drang. Der volle Klang nahm seine Sinne gefangen, und er verrenkte unwillkürlich den Hals, um in Erfahrung zu bringen, von welchem herrlichen Wesen dieses Geräusch stammte.

Als er das zum Pferdeschwanz gebundene blonde Haar sah, das der Frau über eine Schulter fiel, blieb er mitten im Gang stehen. Diese Beine. Die Wespentaille. Und als krönender Abschluss die sanftesten grauen Augen, die er je gesehen hatte. Es war seine Cocktailkellnerin, die über etwas lachte, das die rothaarige Kollegin neben ihr gesagt haben musste.

Die Profikellnerin mit dem abweisenden, unnahbaren Gesichtsausdruck war verschwunden. Stattdessen stand dort diese wunderschöne Frau.

Kein Wunder, dass sie dieses Lachen unter Verschluss hielt. Sie konnte ja so schon kaum einen Schritt durch die Lounge machen, ohne dass irgendein Kerl sie anmachte. Nicht auszumalen, was passieren würde, wenn jemand dieses Lachen sah …

Vermutlich würden alle dasselbe denken wie Jeff.

Wie bringe ich sie dazu, einmal so für mich zu lachen?

Man würde sie nie wieder in Frieden lassen.

Die Rothaarige nahm ein Tablett und setzte sich in Bewegung. Die langbeinige Blondine mit dem bezaubernden Lachen rückte ihre Schürze zurecht und drehte sich um – und zuckte unmerklich zusammen, als sie Jeff entdeckte.

Das Feuer in ihren Augen flackerte ein letztes Mal auf, bevor sie wieder die unnahbare Maske aufsetzte. Diese Maske, die nicht nur Geringschätzung ausdrückte, sondern absolute Nichtbeachtung. Gerade so, als wäre man für die Frau nur Luft. Verdammt, sie war wirklich gut.

Nein, so schnell würde Jeff nicht aufgeben.

„Ich hätte gern noch einen Scotch, wenn Sie eine Sekunde Zeit haben“, sagte er und grinste sie an, bevor er zu seinem Tisch zurückkehrte.

Er war ohne jeden Hintergedanken nach Las Vegas gekommen. Doch nun hatte ihn der Ehrgeiz gepackt, das zu bekommen, was sonst niemand haben konnte. Dieser Herausforderung konnte er sich nicht entziehen. Er wollte den Preis gewinnen, der so gut versteckt gewesen war, dass er ihm fast entgangen wäre. Zum Glück hatte er den verführerischen Klang ihres Lachens gerade noch rechtzeitig gehört.

Und wie es der Zufall wollte, musste er eine Stunde Zeit totschlagen.

Was auch immer der Kerl an Tisch zwölf von ihr wollte, Darcy hatte keine Zeit für Spielchen.

Wie hatte sie ihn bloß als harmlos einstufen können?

Er war alles andere als das. Seine markanten Gesichtszüge besaßen eine fast magnetische Anziehungskraft. Dazu wirkte er in seinem Designeranzug ausgesprochen lässig. Als er vorhin die Bar betreten hatte, hatte er die interessierten Blicke der Frauen und die neidischen Blicke der Männer auf sich gezogen – Darcy war das nicht entgangen, schließlich hatte sie in den letzten zwei Jahren viele Stunden hier gearbeitet. Aber sie hatte ihn nicht weiter beachtet, bis sie sich umgedreht und ihn vor sich gesehen hatte. Er hatte sie amüsiert angegrinst, als hätte er sie mit der Hand im Marmeladenglas ertappt.

Dabei hatte er lediglich mitbekommen, dass sie gelacht hatte.

Normalerweise verkniff sie sich bei der Arbeit auch nur den Anflug eines Lachens, damit die männlichen Gäste nicht auf die Idee kamen, sie könne auf Spaß aus sein.

Aber kam es darauf heute Abend wirklich noch an?

Darcy legte kurz die Hände auf die Theke und wartete auf den Scotch, den Mr Nicht-so-harmlos-wie-es-den-Anschein-Macht von Tisch zwölf bestellt hatte.

Dies war ihre letzte Schicht. Sie blickte kurz auf ihre Armbanduhr und spürte Vorfreude – nur noch zwei Stunden. Danach war sie frei. Als sie das Tablett vom Barmann entgegennahm und sich wieder an die Arbeit machte, wäre sie am liebsten über den Gang getänzelt. Nur noch zwei Stunden lang Tische bedienen, Drinks servieren, Trinkgelder einkassieren. Danach würde sie sich in neue Abenteuer stürzen.

Allerdings traf das Wort Abenteuer nicht ganz den Nagel auf den Kopf.

Bei Abenteuer schwang Risiko und Ungewissheit mit. Herausforderung. Aufregung. Das war nicht gerade das Leben, das sie führte. Sie durfte es nicht riskieren. Nicht nachdem sie einen so hohen Preis für ihre Unabhängigkeit bezahlt hatte. Sie hatte erlebt, wie erdrückend es sein konnte, wenn man der Gnade des falschen Mannes ausgeliefert war. Um dem zu entgehen, hatte sie sogar auf eine richtige Ausbildung verzichtet. Sie war ohne Abschluss von der Schule abgegangen und hatte sich einen Job gesucht, der ihr finanzielle Freiheit brachte.

Damals hatte sie sich geschworen, nie wieder von irgendjemanden abhängig zu sein. Das hieß, dass sie gut auf sich aufpassen und immer auf Nummer sicher gehen musste. Und wenn der Preis für ein selbstbestimmtes Leben war, dass sie keine Abenteuer erlebte, dann zahlte sie ihn gern.

Als sie Tisch zwölf erreichte, bedachte sie den Mann mit einem ausdruckslosen Lächeln. „Ihr Scotch, Sir. Darf ich Ihnen sonst noch etwas bringen?“

Der Mann schaute sie nachdenklich an. Was wollte er von ihr?

Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen, und Darcy spürte ein seltsames Kribbeln im Bauch. Sie runzelte die Stirn. Oh, nein, sie würde sich ganz bestimmt nicht von diesem Mann in Versuchung führen lassen.

„Keine Angst …“ Er blickte zu dem Namensschild, das am Kragen ihrer Bluse steckte. „… Darcy. Sie sind nicht interessiert, schon verstanden. Aber ich will Sie gar nicht anbaggern“, versicherte er ihr. „Ich warte auf einen Freund, der sich leider verspätet. Und ich fülle meine Zeit gerne mit etwas Sinnvollem. Betrachten Sie sich einfach als vorübergehendes Hobby von mir.“

Eine ihrer Augenbrauen hob sich einen Millimeter. „Ach, ja?“

„Mir hat das Lächeln gefallen, bei dem ich sie vorhin ertappt habe. Und ich möchte, dass Sie mir eins davon schenken.“

„Sie wollen ein Lächeln? Das lässt sich einrichten.“ Sie setzte ein falsches Grinsen auf.

Jeff schüttelte den Kopf.

„Netter Versuch, aber Sie werden mich nicht mit einer billigen Imitation abspeisen. Ich habe Ihr echtes Lächeln gesehen, und jetzt möchte ich auch eins bekommen. Ein wohl verdientes Lächeln, das von Herzen kommt. Und kein mitleidiges Grinsen.“

„Und Sie würden für ein Lächeln sogar etwas tun?“, ging sie auf das Spiel ein.

„Ja, denn leicht zu haben, interessiert mich nicht“, sagte Jeff lächelnd.

Nun schaute sie ihm in die Augen, und ihr Blick war fast so erregend wie das Gefühl, sie bei einem ihrer seltenen Lächeln ertappt zu haben.

„Also, Mr …“

„Jeff“, stellte er sich vor, ohne ihr jedoch die Hand hinzustrecken. Hätte er sie berührt, wäre ihre undurchdringliche Maske schneller zurück gewesen, als er hätte blinzeln können.

„Also, Jeff, Sie sind bestimmt ein interessanter Mensch. Und das nenne ich hier eine erfreuliche Ausnahme von der Regel. Aber ich muss jetzt weiterarbeiten und kann nicht länger bei Ihnen bleiben, damit Sie ein vorübergehendes Hobby haben.“

„Kein Problem. Ich sehe ja, dass Sie beschäftigt sind. Darf ich Ihnen nur noch eine Frage stellen: Was denken Sie, wie viel Zeit gestehen Sie jedem Gast für die Höflichkeitsfloskeln zu, die nicht direkt mit der Bestellung zu tun haben? Ich meine, für Sätze wie: Hallo, wie geht es Ihnen? Amüsieren Sie sich in Las Vegas? Und so weiter …“

„Fünfzehn Sekunden.“

„Und bei den Gesprächigen?“

„Fünfundvierzig.“

„Und für die Bestellung bekommen Sie dann noch extra Zeit?“

„Ja“, sagte sie zögernd.

„Schön. Ich würde für die drei Brautjungfern an dem Tisch dort drüben gern drei Drinks bestellen. Damit hätte ich dann noch einmal zwei Minuten und fünfzehn Sekunden extra. Aber sagen Sie ihnen bitte, der Manager oder sonst jemand hätte sie spendiert, und erwähnen Sie mich auf gar keinen Fall.“

Sie starrte ihn verwirrt an, erwiderte aber nichts.

Jeff hielt ihrem Blick stand. „Ich glaube, unsere Zeit ist trotz allem um. Es sei denn, Sie wollen sich zu mir setzen und mit mir einen Cocktail trinken.“

„Weil Sie sich langweilen?“, sagte sie und schaute ihn aus grauen Augen misstrauisch an.

Jeff zuckte die Schultern, hob das Glas und trank einen Schluck. „Ich brauche nun mal immer eine Beschäftigung.“

2. KAPITEL

„Sie würden der Menschheit einen großen Dienst erweisen.“

Darcy stellte das neue Whiskeyglas auf eine Serviette und bemühte sich, den Mann nicht anzulächeln, der ihren letzten Abend in Las Vegas zu einem besonderen Erlebnis machen wollte. „Ich erweise der Menschheit einen Dienst, wenn ich mit Ihnen ausgehe? Das müssen Sie mir erklären.“

„Muss ich das wirklich?“, fragte er, aber sein Blick verriet, dass er genau das liebend gern wollte.

Sie hätte weggehen sollen. Noch nie hatte sie mit einem Gast geflirtet, geschweige denn, sich mit ihm nach der Schicht verabredet. Doch dieser Mann hatte etwas an sich, das sie interessierte. Ihn konnte sie nicht einfach in seine Schranken verweisen, wie sie es mit jedem anderen getan hätte.

Sie spürte, dass einer ihrer Mundwinkel beinahe nach oben gewandert wäre und sie verraten hätte. Auch Jeff entging es nicht. Er beobachtete sie genau. „Fast hätte ich Sie gehabt“, sagte er schmunzelnd.

„Okay, Sie haben gewonnen. Warum würde ich der Menschheit also einen Dienst erweisen, wenn ich mit Ihnen ausginge?“

Er lächelte zufrieden.

„Wegen meinem Ego.“

Als sie die Arme vor der Brust verschränkte, fuhr er fort: „Sie haben ja mit eigenen Augen gesehen, wie groß es ist. So groß, dass ich darunter fast zusammenbreche.“

Der Mann hatte wirklich Humor. Darcy hätte sich gern weiter von ihm unterhalten lassen, aber sie hatte Angst, dass sie dann tatsächlich laut lachen müsste.

„Wenn Sie dieses Ungeheuer besiegen, Darcy … Dann werde ich es alleine niemals aus der Bar schleifen können.“

„So groß?“

„Das fragen Sie noch?“

Vorsicht! Dieser Mann verhieß nichts als Ärger. Und genau die Sorte Spaß, die sie sich an ihrem letzten Abend in Las Vegas verdient hatte. Solange es bei einem kleinen Flirt blieb, ging es in Ordnung.

„Vermutlich werde ich ermattet auf dem Boden liegen und nicht mehr die Kraft aufbringen, es aufzusammeln.“

„Das klingt ja fast wie ein eigenständiger Mensch.“

Er schloss wissend die Augen und nickte. „Ich nenne es Connor.“

„Ein Ego namens Connor.“

Er lachte auf, fuhr sich aber sofort mit der Hand über den Mund, als wollte er das Lachen wegwischen. „Und das ist das Problem: Dieses gewaltige Ego wird nach Ihrer Zurückweisung ein paar ausgiebige Streicheleinheiten nötig haben.“

Sie runzelte die Stirn.

„Es wird mich dazu zwingen, jede Frau, die mir über den Weg läuft, anzubaggern und meinen Charme mit voller Wucht einzusetzen …“

„Wie einen Feuerwehrschlauch?“, fügte sie hinzu, obwohl ihr bewusst war, dass sie mit diesem Wort einen Schritt zu weit gegangen war.“

Jeff schwieg einen Moment und sah sie nachdenklich an. Darcy kam es beinahe so vor, als wollte er sie gleichzeitig ermuntern und warnen.

„Wie einen Feuerwehrschlauch, genau.“

Etwas an diesem Mann wirkte so vertrauenerweckend, dass Darcy nicht aufhören konnte, obwohl eine innere Stimme sie vor diesem Spielchen warnte. „Und was passiert, nachdem Sie die Frauen so lange mit Ihrem Schlauch bespritzt haben, dass sie alle zu Boden gegangen sind?“

„So weit das Auge reicht, Verwüstungen, weinende Frauen, gebrochene Herzen. Sie werden sich alle unsterblich in mich verlieben, aber ich will mir nur einen schönen Abend machen. Nichts Ernstes. Nur ein bisschen Spaß.“

Aha, damit kam er zum Anfang des Gesprächs zurück. Plötzlich fiel es Darcy sehr schwer, ihm in die Augen zu schauen. „Und das passiert jedes Mal, wenn eine Frau Ihnen einen Korb gibt?“

Jeff zuckte die Schultern. „Woher soll ich das wissen? Das ist mir noch nie passiert. Denn, mal ganz im Ernst, welche anständige Frau möchte Schuld an einem solchen Gemetzel sein?“

Darcy musterte ihn von oben bis unten und nahm nun jedes Detail wahr. Das dichte dunkle Haar, das sich an einigen Stellen in widerspenstige Locken legte, die so gar nicht zum klassischen Schnitt seines Anzugs passen wollten.

Und dann erst sein Gesicht – das kantige Kinn mit dem auffälligen Grübchen. Die Nase, die so aussah, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen. Im Kontrast dazu die unverschämt langen Wimpern über den warmen hellbraunen Augen. Nach seinem Äußeren zu urteilen, war dies ein Mann, der nicht so schnell zu durchschauen war. Dazu kamen das ungeheure Selbstbewusstsein und der anziehende Charme. Darcy konnte sich vorstellen, dass die meisten Frauen sich gern auf ein Spielchen mit Jeff einließen.

Ja, er war wesentlich gefährlicher, als sie nach dem ersten Blick vermutet hatte.

Zeit, ein paar Dinge klarzustellen.

„Also, Jeff. Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, aber ich gehe mit Gästen nun mal nicht aus. Aus Prinzip nicht.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Und genau das gefällt mir ja so gut.“

Also doch. Mit dieser Sorte Mann kannte sie sich bestens aus. „Weil Sie das als Herausforderung nehmen?“

„Oh, ja“, sagte er und grinste sie verwegen an, als hätte sie ihm nicht gerade zu verstehen gegeben, dass sie ihn durchschaut hatte.

Okay, vielleicht kannte sie diese Sorte Mann doch nicht so genau. „Sie sind also auch noch ehrlich?“

Autor

Mira Lyn Kelly
Mira Lyn Kelly wuchs in der Nähe von Chicago auf. An der Loyola Universität studierte sie Bildende Künste. Während eines Auslandssemesters in Rom traf sie die Liebe ihres Lebens, ihren heutigen Ehemann – und fand bald heraus, dass er die letzten zwei Jahre nicht weit entfernt von ihr in Chicago...
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