Sinnliche Sehnsucht in Sevilla

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Dieser arrogante Spanier! Glaubt er, nur weil er reich, mächtig und viel zu gutaussehend ist, kann er sie behandeln, wie er will? Die schöne Schauspielerin Lexie Anderson ist empört. Die Dreharbeiten im Castello des Milliardärs Cesar Da Silva werden allmählich zu einer echten Herausforderung. Wann immer sie sich über den Weg laufen, spürt Lexie kalte Ablehnung - und gleichzeitig sein Interesse an ihr. Kaum auszuhalten! Doch als sie Cesar in seinem Büro zur Rede stellt, kommt er langsam auf sie zu. Und küsst sie so heiß, dass sie sich plötzlich ganz schwach fühlt …


  • Erscheinungstag 03.03.2015
  • Bandnummer 2168
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701475
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Aus einiger Entfernung beobachte Cesar Da Silva die Menschen, die sich um das schlichte Grab versammelt hatten, und sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Nur widerwillig gestand er sich ein, dass ihn die Zeremonie berührte. Und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wieso er überhaupt hergekommen war. In der Jackentasche schlossen sich seine Finger um das kleine Etui.

Ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. Wer hätte gedacht, dass er, der Herr der Logik, mit siebenunddreißig sich derart gefühlsduselig verhalten würde?

Langsam löste sich die kleine Gesellschaft auf, die Trauergäste gingen ihrer Wege über den Friedhof mit den aufwändigen Grabsteinen und dem grünen Gras, offensichtlich regelmäßig gewässert in der Athener Hitze. Schließlich standen nur noch zwei Männer an dem offenen Grab, beide groß, beide mit dunklem Haar, beide breit gebaut. Genau wie Cesar.

Es war nicht verwunderlich, dass sie sich ähnelten. Er war ihr Halbbruder. Von dessen Existenz sie nichts wussten. Einer der Männer legte dem anderen die Hand auf die Schulter. Das da vorn waren Rafaele Falcone und Alexio Christakos. Sie hatten alle drei dieselbe Mutter, aber verschiedene Väter.

Bei dem Gedanken an die Familie, die ihm verweigert worden war, erwartete Cesar gleißende Rage zu verspüren, stattdessen fühlte er nur dumpfen Schmerz.

Die Männer kamen in seine Richtung, er konnte ein paar Worte aufschnappen, die der Wind ihm zutrug. Es klang wie: „Nicht einmal für die Beerdigung konntest du dich rasieren?“ Falcone erwiderte etwas mit einem doppeldeutigen Lächeln, und Christakos sagte grinsend etwas zu ihm.

Die Leere in Cesar füllte sich prompt mit Ärger. Was unsinnig war. Ja, die Männer frotzelten gutmütig miteinander, nur wenige Meter vom Grab der Mutter entfernt. Aber seit wann empfand er einen Beschützerinstinkt für die Frau, die ihm im Alter von drei beigebracht hatte, dass man sich auf niemanden verlassen konnte?

Langsam ging Cesar auf die beiden zu. Falcone sah auf, die Worte erstarben ihm auf den Lippen, das Lächeln schwand. Erst sah er Cesar mit forschendem Blick an, dann, als Cesar schweigend zurückstarrte, wurde Falcones Blick kalt. Cesar registrierte, dass beide Männer die schönen und ach so verräterischen Augen der Mutter geerbt hatten, wenn auch in unterschiedlichen Grüntönen.

„Können wir Ihnen helfen?“, fragte Falcone kühl.

Mit einem schnellen Blick zu dem Jüngeren an Falcones Seite ließ Cesar den Blick zu dem Grab weiter hinten wandern. Abfällig verzog er die Lippen. „Gibt es noch mehr von uns?“

Falcone sah zu Christakos, der die Stirn runzelte. „Von uns? Wovon reden Sie?“

Cesar hielt die düstere Leere in sich eisern in Schach. „Du erinnerst dich nicht, oder?“, wandte er sich an Falcone.

Doch an den Augen des Halbbruders konnte er sehen, dass eine vage Erinnerung auflebte. „Sie ist mit dir zu uns gekommen“, sagte er. „Du musst ungefähr drei gewesen sein. Ich war damals fast sieben. Sie wollte mich mitnehmen, aber ich wollte nicht. Nicht, nachdem sie mich allein gelassen hatte.“

„Wer sind Sie?“, fragte Falcone heiser.

Cesar lächelte schmal, seine Augen erreichte das Lächeln jedoch nicht. „Ich bin dein älterer Bruder – Halbbruder. Ich heiße Cesar Da Silva. Ich kam her, um der Frau, die mich geboren hat, die letzte Ehre zu erweisen. Auch wenn sie es nicht wirklich verdient hat. Aber ich war neugierig, wer noch aus der Versenkung auftauchen würde. So wie es aussieht, sind es nur wir drei.“

Christakos explodierte. „Was, zum Teufel …?“

Cesar sah ihn nur kalt an. Irgendwo tief in ihm meldeten sich Gewissensbisse, darüber, dass er eine solche Neuigkeit ausgerechnet an einem Tag wie diesem eröffnete. Aber dann dachte er an die vielen düsteren Jahre, die diese beiden Männer nicht hatten durchmachen müssen, und unterdrückte alle Skrupel.

Falcone sah noch immer benommen aus. Er zeigte auf seinen Halbbruder. „Das ist Alexio Christakos … unser jüngerer Bruder.“

Cesar wusste genau, wer der andere war … die anderen beiden. Seine Großeltern hatten sichergestellt, dass er alles über sie erfuhr. „Drei Brüder von drei Vätern … doch euch hat sie nicht aufgegeben und den Wölfen überlassen.“

Er machte einen Schritt vor, genau wie Alexio. Die beiden Männer standen sich fast Nase an Nase gegenüber, Cesar nur ein Stückchen größer.

„Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir anzulegen, Bruder“, stieß Cesar aus. „Mit euch habe ich kein Problem. Mit keinem von euch beiden.“ Lügner, meldete sich eine Stimme in seinem Hinterkopf.

Alexios Lippen wurden schmal. „Nur mit unserer verstorbenen Mutter … falls es stimmt, was Sie behaupten.“

Cesar lächelte bitter. „Oh, es ist die reine Wahrheit – und daher umso bedauerlicher.“

Er ging an den beiden vorbei zu dem offenen Grab, bevor ihn Emotionen überwältigten, die er nicht beim Namen kennen konnte. Am Grab zog er das Etui aus seiner Jackentasche und warf es in das gähnende Loch, es landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Sargdeckel. In der Schatulle war ein altes silbernes Medaillon mit der Abbildung des Heiligen Pedro Regalado, dem Schutzpatron der Stierkämpfer.

Noch heute war die Erinnerung so lebendig wie eh und je. Seine Mutter in dem schwarzen Kostüm, das Haar streng zurückgekämmt. Trotz der rot geweinten Augen war sie unvorstellbar schön gewesen. Sie hatte sich das Medaillon vom Hals genommen und es ihm umgehängt.

„Es wird dich beschützen, Cesar. Ich kann es im Moment nicht. Trage es immer, hörst du? Ich komme bald zurück und hole dich.“

Sie war nicht zurückgekommen. Und als sie dann kam, war es zu spät. Etwas in seinem Innern war gestorben – die Hoffnung.

In jener Nacht hatte Cesar das Medaillon abgenommen. Sechs Jahre war er damals alt gewesen, und das Wissen hatte sich in ihm gefestigt, dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte, auf niemanden sonst. Das Medaillon hatte er schon lange nicht mehr nötig, seine Mutter sollte es zurückbekommen.

Irgendwann wandte er sich vom Grab ab. Seine Halbbrüder standen noch immer an derselben Stelle, steif und mit undurchdringlichen Mienen. Fast hätte er gelächelt, er kannte diese Mienen so gut wie seine eigene. Druck lag auf seiner Brust, dort, wo sein Herz sitzen müsste. Aber unzählige Frauen hatten ihm immer wieder bestätigt, dass er kein Herz besaß.

Nein, er hatte diesen Männern nichts zu sagen. Diesen Fremden. Nicht einmal Neid verspürte er noch, nur dumpfe Leere.

Er ging zu seinem Wagen zurück und instruierte seinen Chauffeur, loszufahren. Es war vollbracht. Er hatte sich von seiner Mutter verabschiedet. Das war mehr, als ihr von ihm zustand. Sollte ein winziger Rest seiner Seele noch nicht komplett verdörrt sein, bestand nun vielleicht die Hoffnung, dass sie noch gerettet werden konnte.

1. KAPITEL

Castillo Da Silva, nahe Salamanca …

Cesar war verschwitzt und alles andere als guter Laune. Er brauchte eine Dusche und einen anständigen Drink. Auch der Ritt auf seinem Lieblingshengst über das riesige Anwesen hatte es nicht geschafft, die düstere Wolke, die seit seiner Rückkehr von Alexios Hochzeit in Paris über ihm hing, zu vertreiben. Die Bilder des unbeschwerten Glücks nagten noch immer an seiner Seele.

Und noch immer konnte er nicht verstehen, wieso er dem Impuls nachgegeben hatte, überhaupt hinzufliegen.

Als er sich den Ställen näherte, wurde seine Stimmung noch finsterer. Für vier Wochen würde sein Anwesen als Filmkulisse herhalten – eine erhebliche Einschränkung seiner Privatsphäre. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hatten die Stars, der Regisseur und die Produzenten alle Unterkunft im Castillo bezogen.

Cesars Beziehung zu diesem Ort war kompliziert. Es war ihm sowohl Zuflucht als auch Gefängnis. Eines jedoch war sicher: Er hasste es, seine Ruhe derart gestört zu sehen.

Auf der Auffahrt parkten Transporter mit technischer Ausrüstung, überall liefen Leute herum mit Clipboards und Funkgeräten in Händen, unter einem riesigen Pavillon saßen die Dorfbewohner und wurden zu Statisten hergerichtet, damit sie als Figuren des neunzehnten Jahrhunderts durchgingen. Im größten der Ställe war eine Art Aufenthaltsraum/Kantine eingerichtet worden.

Fehlte nur noch das Zirkuszelt mit flatternden Wimpeln und der Zirkusdirektor mit der Peitsche davor, der rief: „Hereinspaziert, Herrschaften, hereinspaziert!“

Nur weil er und Juan Cortez, der Bürgermeister von Villaporto, Freunde waren, hatte er es überhaupt in Betracht gezogen, seine Erlaubnis zu diesem Trubel zu erteilen. Aus der Jungenprügelei zwischen Juan und ihm war eine enge Freundschaft erwachsen, als sie beide hatten zugeben müssen, dass sie entweder den ganzen Nachmittag weitermachen oder aber sich auf ein Patt einigen müssten, wenn sie nicht alle Zähne verlieren wollten.

„Fast jeder im Dorf wird irgendwo eingesetzt“, hatte der Freund als Argument ins Feld geführt. „Ob für Unterkunft und Lieferservice oder als Statist. Sogar meine Mutter – sie näht und ändert Kostüme und beherbergt ein paar Leute von der Filmcrew. So lebendig habe ich sie seit Jahren nicht mehr erlebt.“

Schon jetzt waren die positiven Auswirkungen des Filmprojekts auf die Gegend zu bemerken – moralisch und ökonomisch. Die Presse hatte dafür gesorgt, dass Cesar als skrupelloser Geschäftsmann galt – ein Reporter hatte ihn als „Hai mit dem starren Blick vor dem Angriff“ bezeichnet –, aber Cesar war nicht komplett herzlos. Schließlich ging es hier um seine Gemeinde.

Jeder jedoch, der im Moment einen Blick auf seine düstere Miene erhaschte, wandte die Augen hastig wieder ab. Cesar bemerkte es nicht einmal. Er überlegte, wie er seinen Terminkalender umorganisieren könnte, um die nächsten vier Wochen so wenig Zeit wie möglich hier verbringen zu müssen.

Zu seiner Erleichterung war der private Stall, den er zur Tabuzone erklärt hatte, tatsächlich leer. Er hatte keine Lust, sich mit irgendjemandem auseinandersetzen zu müssen, nicht einmal mit einem der Stallknechte. Er nahm seinem Hengst den Sattel ab, striegelte und versorgte das Tier, führte es dann in die Box und strich ihm über die noch immer von der Anstrengung zitternden Flanken.

Erst als er die Box verließ, nahm er die Bewegung in seinem Augenwinkel wahr. Er drehte den Kopf …

… und stellte das Atmen ein.

Am anderen Ende des Stalls stand eine Frau. Cesar schwindelte, er fragte sich, ob er halluzinierte.

Sie trug ein weißes Mieder, das ihre Taille schmal zusammenschnürte und die vollen Brüste provozierend betonte. Langes blondes Haar, kunstvoll aus dem Gesicht zurückgesteckt, floss ihr in Wellen über den Rücken. Wunderbar runde, feminine Hüften wölbten sich unter der Korsage, Hüften, über die ein weiter Rock fiel, der fast bis zum Boden reichte.

Sie bot ein überwältigendes Bild … Die auf die Erde niedergestiegene Venus. Sie konnte nicht real sein. Es existierte keine Frau, die so perfekt war.

Ohne dass es ihm bewusst war, ging er auf sie zu. Dass sie sich nicht rührte, sondern ihm nur aus riesengroßen blauen Augen wie hypnotisiert entgegenstarrte, ließ den Moment noch unwirklicher und überirdischer erscheinen.

Innere Stärke spiegelte sich in ihrem herzförmigen Gesicht, was bloße Schönheit zum Ätherischen erhob. Hohe Wangenknochen. Elegant gerade Nase. Volle Lippen, geschaffen für die Sünde. Haut wie Alabaster. Oberhalb ihres Mundwinkels saß ein kleiner Schönheitsfleck.

Sie war zierlich, was einen unbekannten Beschützerinstinkt in Cesar ansprach, und strahlte pure weibliche Sinnlichkeit aus. Nein, sie konnte nicht real sein. Und doch reagierte er mit jeder Zelle auf ihren Anblick.

Wie um zu prüfen, dass er nicht den Verstand verloren hatte, streckte Cesar die Hand aus. Befürchtete, die Erscheinung würde sich in Luft auflösen, sobald er danach griff …

Dann berührte er sie. Sie verschwand nicht, sondern war tatsächlich real. Warm. Samtweich. Eine Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit, und er senkte den Blick. Ihr Busen hob und senkte sich mit jedem heftigen Atemzug.

„Dios“, entfuhr es ihm matt. „Sie sind echt.“

Ihre Lippen öffneten sich, eine kleine rosa Zungenspitze schoss hervor. „Ich …“, hob sie an und brach ab.

Ein einziges Wort nur, hervorgestoßen mit heiserer Stimme, und in Cesar erwachte ein gekanntes Verlangen.

Er fasste ihr Kinn, ließ seine Hand zu ihrem Nacken gleiten, spürte seidiges Haar über seinen Handrücken streichen. Nur leicht zog Cesar sie zu sich heran, und nach einem Moment des Zögerns ließ sie es zu, stolperte gegen ihn. Sobald ihr Körper seinen berührte, hätten keine zehn Pferde ihn mehr aufhalten können.

Er senkte den Kopf. Ein Stromschlag durchfuhr ihn, als sein Mund ihre sündhaft vollen Lippen berührte, entfachte ein Feuer der Lust, in der alles, was er je zu wissen geglaubt hatte, verglühte.

Er fühlte, wie sie die Finger in sein Hemd krallte. Hatte es noch anfänglichen Widerstand gegeben, so schmolz dieser dahin, als ihre Lippen sich unter seinen teilten. Er schlang die Arme um sie und erkundete gierig die warme Höhle ihres Mundes.

Süß war die erste Kostprobe ihres Geschmacks gewesen … jetzt wandelte es sich in pure Sünde. Reich und dekadent. Ihre flinke Zunge neckte, lockte, fachte seine Erregung noch an, schickte sein Blut heiß rauschend in seinen Schritt, wo sein Schaft schmerzhaft zu pochen begann.

Er schob eine Hand zwischen ihre Körper, umfasste die volle Rundung ihrer Brust, fühlte die seidige Haut an seinen Fingerspitzen. Fast hätte er laut gestöhnt. Sein Körper pulsierte mit einem Verlangen so heiß, dass es ihn schockierte. Er löste den Mund von ihrem, lehnte seine Stirn an ihre, überwältigt von der Intensität.

„Bitte …“

Ihre Stimme klang heiser … fast verzweifelt. So verzweifelt, wie er sich fühlte. Er brauchte diese Frau. Jetzt, sofort. Er wollte sich von allen Barrieren befreien und sich in ihrer Hitze verlieren, wollte ihre Arme und Beine um sich geschlungen spüren … Vage wurde ihm bewusst, dass er auf ein animalisches Level reduziert worden war. Was ihn aber nicht aufhielt. Dieses gewisperte „Bitte“ hatte alle Grenzen gesprengt.

Er presste seinen Mund wieder auf ihre Lippen, vertiefte den Kuss, zerrte den langen Rock an ihren Beinen nach oben … und zuckte zusammen, als gleißendes Licht für einen Sekundenbruchteil den Stall erhellte. Wie eine Peitsche zerschlug es die Hitze des Moments. Er hob den Kopf, doch er sah nur diese blauen Augen mit den langen dunklen Wimpern vor sich und den vom Küssen geschwollenen Mund.

Ein weiterer Blitz erhellte die Umgebung, ein wiederholtes schnelles Klicken drang an Cesars Ohren und riss ihn in die Realität zurück. Abrupt drehte er den Kopf und sah eine Gestalt im Stalltor stehen. Ein Mann mit einer aufnahmebereiten Kamera.

Es war, als hätte man ihn mit einem Eimer kalten Wassers übergossen. Cesar richtete sich auf, instinktiv schob er die Frau schützend hinter seinen Rücken. Der Mann mit der Kamera betätigte unablässig den Auslöser. „Raus hier!“, donnerte Cesar. Er sah einen der Stallknechte auf dem Hof. „Alarmieren Sie den Sicherheitsdienst … und nehmen Sie dem Kerl die Kamera ab“, rief er ihm zu.

Doch der Fotograf hatte bereits die Flucht ergriffen. Zwar setzte der Stallbursche dem Mann nach, doch Cesar ahnte, dass es zu spät war. Er selbst hatte viel zu spät reagiert.

Hinter sich vernahm er scharfe Atemzüge und drehte sich um, und als er in weit aufgerissene blaue Augen sah, hätte er die betörende Blondine fast wieder in seine Arme gerissen.

Fast. Denn die Realität hatte ihn eingeholt. Diese Frau war keine Erscheinung, sie war aus Fleisch und Blut, und er … er hatte gerade auf wirklich spektakuläre Weise seine berüchtigte Selbstbeherrschung fahren lassen. Dios, war er verrückt geworden?

„Wer, zum Teufel, sind Sie?“, fragte er anschuldigend.

Den Vorwurf in der tiefen Stimme hörte Lexie Anderson kaum. Sie hatte Schwierigkeiten damit, genügend Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen, geschweige denn, auch noch ein Wort hervorzubringen. Nur ein Gedanke blitzte durch ihren Kopf: Was, um alles in der Welt, war hier soeben passiert?

Sie wusste noch, dass sie die Pause nach dem ersten Kameratest für eine ruhige Minute hatte nutzen wollen. Sie hatte sich etwas vom Set entfernt und dann zufällig diesen Stall entdeckt. Sie liebte Pferde, deshalb war sie hineingegangen, um sich umsehen. Dann war die Stille von dem Getrappel von Pferdehufen zerrissen worden, als dieser Mann auf einem riesigen schwarzen Hengst in den Hof geritten kam. Er hatte sich aus dem Sattel geschwungen, und von dem Moment an verschwamm alles in ihrer Erinnerung.

Sie war benommen gewesen von dem Spiel seiner Muskeln unter dem Poloshirt und den engen Reithosen, während er sein Pferd versorgt hatte. Und das, noch bevor sie einen Blick auf sein Gesicht hatte werfen können. Bevor er sie bemerkt und sich zu ihr umgedreht hatte.

Er war faszinierend. Schön. Maskulin … was die Beschreibung „schön“ irgendwie unpassend machte. Markante Züge. Hart. Wirres dunkelblondes Haar. Ein sinnlich geschwungener Mund, Bartstoppeln auf Wangen und einem markanten Kinn. Doch was ihr endgültig den Verstand geraubt hatte, waren seine Augen, die aus dem gebräunten Gesicht hervorstachen. Nicht gold, nicht grau, nicht hellgrün, sondern eine Mischung aus allem. Aufreibend, durchdringend, hypnotisierend

Und sein Duft … er roch nach Mann. Nach Hitze und Schweiß und frischer Luft. Würzig, erotisierend.

Lexie schüttelte den Kopf, als könne sie damit ihre Gedanken zur Ordnung rufen. Vielleicht träumte sie ja nur. So etwas war ihr noch nie passiert. Weder ließ sie sich von einem komplett fremden Mann küssen, noch glaubte sie sterben zu müssen, sollte er mit dem Küssen aufhören. Sie hatte seine großen Hände um ihre Taille gespürt, dann wie er ihr den Rock an den Schenkeln emporgeschoben hatte, und sie hatte sich nach nichts anderem gesehnt, als dass er sie dort berühren möge …

Jetzt war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um sich genauer mit dieser erschütternden Erkenntnis auseinanderzusetzen!

„Ich bin …“ Die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie versuchte es erneut. „Ich bin Lexie Anderson. Ich spiele in dem Film mit.“

„Lexie Anderson? Die Hauptdarstellerin?“ Die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt, musterte er sie verärgert. „Und wieso sind Sie hier in dem Stall?“

Sie blinzelte verständnislos. „Er war nicht verschlossen. Ich wollte mir nur die Pferde ansehen …“

„Hier ist betreten verboten. Gehen Sie … sofort.“

Ärger meldete sich in Lexie. Sie hatte sich soeben völlig untypisch verhalten, am wenigsten brauchte sie jetzt Vorhaltungen ausgerechnet von ihm. „Das war mir nicht bewusst“, erwiderte sie spröde. „Wenn Sie mir erklären könnten, wie ich zum Set zurückfinde, lasse ich Sie sofort in Ruhe.“

„Gehen Sie links herum, am Ende des Wegs biegen Sie nach rechts“, instruierte er knapp.

Lexie schäumte vor Wut. Da war sie zum ersten Mal von körperlichem Verlangen überwältigt worden, und das ausgerechnet bei irgendeinem dahergelaufenen Arbeiter, der sie weder kannte noch besonders charmant war. Mit stocksteifem Rücken drehte sie sich um und stapfte davon.

Bis sie den Fluch und den Befehl hinter sich hörte.

„Warten Sie.“

Widerwillig blieb stehen, drehte sich nur langsam um. Mit ausholenden Schritten kam er auf sie zu, und Lexie wich zurück. Wie hatte sie sich derart täuschen können? An diesem Mann war nichts Faszinierendes, er war ganz Härte und düstere Energie.

„Das war ein Paparazzo“, knurrte er. „Er hat Fotos geschossen.“

Das hatte sie völlig vergessen. Bei der Erinnerung jedoch wurde ihr heiß und kalt. Der Schock musste ihr anzusehen sein, und der Mann fürchtete wohl, sie würde in Ohnmacht fallen, denn er packte sie beim Arm, zerrte sie zur Tür und drückte sie auf einen Heuballen nieder.

Sie riss ihren Arm los und funkelte ihn böse an. Am meisten hasste sie das verräterische Flattern in ihrem Magen, nur weil er sie berührt hatte. „Es besteht kein Grund, grob zu werden.“

Wie um ihre schlimmsten Befürchtungen zu betätigen, kam der Stallknecht mit hochrotem Gesicht angerannt.

„Nun?“, donnerte der Mann.

Zu gern wäre Lexie jetzt aufgestanden und hätte ihn unmissverständlich ihre Meinung wissen lassen, doch sie hatte die ungute Ahnung, dass ihre Beine sie nicht tragen würden.

„Señor Da Silva …“

Ein Schwall in Spanisch folgte, den Lexie nicht verstand, aber sie hatte ohnehin nur Augen für den großen wütenden Mann, der grimmig etwas erwiderte, woraufhin der junge Stallbursche wieder lossprintete.

„Sie sind Cesar Da Silva …?“, brachte sie endlich hervor.

„Ja.“

Und sie hatte ihn für einen einfachen Arbeiter gehalten! Aber wie hätte sie ihn auch erkennen sollen, der Mann war berüchtigt für seine Zurückgezogenheit. Außerdem hätte sie nie vermutet, dass Cesar Da Silva so jung war und so umwerfend aussah.

Wenn sie daran dachte, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte wie ein liebesbedürftiges Kätzchen und ihn auch noch angefleht hatte – Bitte –, wäre sie am liebsten im Boden versunken.

Sie musste hier weg. Schnellstens. Sie stand auf.

„Wohin wollen Sie?“

Ärger flammte wieder in ihr auf, Ärger auf ihn und auf sich selbst. Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Hatten Sie nicht gerade gesagt, ich soll verschwinden? Das habe ich vor.“ Sie schob sich an ihm vorbei, dankbar dafür, dass ihre Beine ihr gehorchten.

„Warten Sie!“

Mit einem Seufzer drehte sie sich zu ihm um. „Was denn noch?“

Er hätte nicht grimmiger aussehen können. „Der Reporter ist mit seinem Wagen entkommen, bevor der Sicherheitsdienst eingreifen konnte. Wahrscheinlich bietet er seine Fotos bereits sämtlichen Klatschblättern der Welt an.“

Lexie wurde übel. Ihr Bild würde also schon wieder überall in den Klatschspalten zu finden sein, noch dazu mit Cesar Da Silva, dem Milliardär, der die Presse mied wie die Pest. Eine Sensation – und das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Noch mehr Medienrummel. „Das ist nicht gut.“

„Genau“, stimmte Da Silva zu. „Ich hatte nicht vor, Mittelpunkt der Regenbogenpresse zu werden.“

Eingeschnappt starrte sie ihn an, zeigte dann mit dem Finger auf ihn. „Ich auch nicht. Sie haben mit dem Küssen angefangen.“

„Aufgehalten haben Sie mich aber nicht“, konterte er. „Was hatten Sie überhaupt hier verloren?“

Nein, sie hatte sich nicht gewehrt, ganz im Gegenteil. Sie war gefangen gewesen in einem Zustand … momentaner geistiger Umnachtung. „Das habe ich Ihnen doch schon erklärt“, erwiderte sie steif. „Ich wollte mir die Pferde ansehen. Wir probieren gerade die Kameraeinstellungen mit Maske und Kostüm, und während sie die Beleuchtung ausrichten, wollte ich …“ Abrupt verspannte sie sich. „Die Probeaufnahmen! Ich muss zurück. Sie werden schon überall nach mir suchen …“

Sie wollte loseilen, wurde jedoch von einer starken Hand festgehalten. Mit zusammengepressten Lippen schwang sie wieder zu Cesar herum. Diese faszinierenden Augen funkelten wie Edelsteine in dem düsteren Gesicht. Seine Finger brannten auf ihrer Haut.

„Das hier ist noch nicht vorbei …“

In diesem Moment kam einer der Kameraassistenten atemlos in den Hof gerannt. „Lexie! Hier sind Sie. Wir sind so weit. Man wartet auf Sie.“

Lexie riss sich aus Cesars Griff los und eilte dem sehr geschäftig wirkenden Assistenten nach, der in das Funkgerät an seinem Handgelenk sprach: „Ich habe sie gefunden … wir sind auf dem Weg … dauert nur noch eine Minute …“

Lexie nahm das nur vage wahr. In ihrem Kopf drehte sich alles. In der letzten Viertelstunde war ihre Welt gründlich durcheinandergewirbelt worden.

Sie hatte sich von einem Fremden küssen lassen. Und nicht nur das, sie hatte ihn willig zurückgeküsst. Noch immer spürte sie die Welle heißen Verlangens, die sie mitgerissen hatte. Machtvoll, überwältigend, unaufhaltsam.

Verrückt, aber sie hatte sich tatsächlich beschützt gefühlt, als er sie beim Auftauchen des Reporters hinter sich geschoben hatte …

Der Reporter.

Wieder stieg die Übelkeit in ihr auf. Erinnerungen an sensationslüsterne Schlagzeilen und kompromittierende Bilder stürzten auf sie ein. Bevor diese jedoch zu scharf werden konnten, kam der Regisseur auf sie zu.

„Lexie, nimm bitte deine Position ein, wir können jetzt drehen.“

In seinem Arbeitszimmer marschierte Cesar unruhig auf und ab. Seine düstere Laune war noch schwärzer geworden, falls das überhaupt möglich war. Auf seinem Schreibtisch lag eine aufgeschlagene Aktenmappe, Papiere und Fotos waren überall verstreut.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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