Sinnlicher Pakt mit dem Tycoon

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"Ich will nur einen Kuss! Haben Sie Angst, ich könnte beißen?" It-Girl Steffi Leigh ist empört! Wie kommt dieser erfolgsverwöhnte Casanova Jack Wolfe nur darauf, dass sie leicht zu haben ist? Schließlich steht nicht sie zum Verkauf, sondern ihr Internetforum, in dem sie stylische Modetipps gibt! Andererseits darf sie den wichtigsten Deal ihres Lebens nicht gefährden. Doch als der attraktive Unternehmer sie auf einen Luxustrip entführt, entfachen seine Küsse etwas in ihr, das süchtig macht … dabei weiß sie, bei einem Deal mit dem Teufel verbrennt man sich immer die Finger …


  • Erscheinungstag 02.08.2016
  • Bandnummer 0016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706913
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dass du mich mit diesem Typen ja nicht allein lässt, verstanden?“ Stephanie Johnson, alias Steffi Leigh für die Abermillionen Fans ihres Internet-Blogs, warf die Tür auf der Beifahrerseite hinter sich zu und funkelte ihre beste Freundin warnend an.

„Bleib cool. Der Mann ist doch nicht gefährlich.“ Tara ging ums Auto herum, stellte sich neben Stephanie auf den Bürgersteig und kramte in ihrer riesigen Umhängetasche.

„Er ist mehr als gefährlich. Er ist eine Art Gott“, erwiderte Stephanie. Jack Wolfe konnte nämlich über ihr Schicksal entscheiden. „Und du weißt, allzu lange halte ich die Rolle nicht durch.“

Vielleicht hielt sie die Rolle neunzig Sekunden lang durch – so lange, wie sie brauchte, um ein Video für ihren Blog in einer Ecke ihres Schlafzimmers aufzuzeichnen. Aber wie sollte sie während eines mehrstündigen Meetings in der realen Welt „Steffi Leigh“ spielen? Ohne die Unterstützung ihrer Freundin wäre das niemals zu schaffen.

Geistesabwesend wollte sie an ihren Fingernägeln kauen … und biss in ein Stück Stoff. Igitt! Sie hatte ganz vergessen, dass sie Handschuhe trug. Damit versteckte sie ihre hässlichen, bis aufs Fleisch abgekauten Nägel. Ihre ganze Verkleidung diente eigentlich nur dazu, ihr ziemlich verkorkstes Ich zu verstecken.

„Das wird schon, wenn du nur endlich aufhören würdest, dir im Gesicht rumzuwischen.“ Tara zog den Rougepinsel aus der Tasche und trat einen Schritt näher. „Schön stillhalten …“

Als ob das möglich wäre. Die engen Pumps drückten wie verrückt, ihr Magen flatterte, und ihr war eiskalt, obwohl die Wetter-App auf ihrem Smartphone bereits 30 Grad anzeigte. Stephanie stieß Taras Hand weg und sah auf ihrem Handy noch einmal nach der Uhrzeit.

„Gehen wir rein. Wir dürfen nicht zu spät kommen.“ Sie brauchte kein Rouge – wahrscheinlich würde sie bei der ersten Frage, die Jack Wolfe ihr stellte, puterrot werden.

Als sie zum Hotel blickte, verstärkte sich ihre Panik noch. Sie würde sich bestimmt gleich nach fünf Minuten verraten. Denn Steffi Leigh war nur eine Kunstfigur – und Stephanie Johnson nur eine Mogelpackung.

„Natürlich darfst du zu spät kommen“, wies Tara sie zurecht. „Du bist Steffi Leigh. Da musst du einen großen Auftritt hinlegen.“

Stephanie zuckte zusammen. Der große Auftritt ließ sich kaum vermeiden. Schließlich sah sie aus, als wäre sie einer Modezeitung aus den 1950er-Jahren entstiegen: Sie trug ein stark tailliertes Kleid mit voluminösem Rock, weiße Glacéhandschuhe, Pumps mit Pfennigabsätzen und hatte die Haare kunstvoll hochgesteckt. Sie war sich durchaus bewusst, dass die vorbeifahrenden Leute den Kopf nach ihr umdrehten. Vermutlich dachten sie, hier würde ein Fotoshooting stattfinden, und hielten Tara für die Stylistin.

Wenn sie doch nur ein Fotomodell wäre. Aber leider musste sie gleich den Mund aufmachen und ihren Blog als lohnenswerte Investition anpreisen.

„Stephanie.“ Tara sah sie aufmunternd an. „Du schaffst das schon. Das musst du einfach.“ Sie lächelte. „Damit du deinem Leben eine neue Richtung geben kannst.“

Stephanie atmete tief ein. Ja, sie würde es schaffen. Das musste sie – nicht für sich selbst, sondern für ihren Bruder.

Sie stopfte das Smartphone in die Handtasche, drückte die Schultern durch und hob das Kinn. Sie war Steffi Leigh, und heute würde sie die Rolle perfekt spielen.

Stephanie und Tara gingen die paar Meter bis zum säulengeschmückten Eingang des Hotels Raeburn, dem ältesten und glamourösesten aller Fünf-Sterne-Hotels in Melbourne. Hier sollte das Meeting mit Jack Wolfe stattfinden, dem Firmenboss des amerikanischen Medienunternehmens, das seit Jahren die weltweit erfolgreichste Reihe von Reiseführern herausgab. Seine Firma hatte den Sprung ins Online-Zeitalter mit Bravour gemeistert, und jetzt war Jack Wolfe auf ihren Blog aufmerksam geworden und wollte mit ihr über einen möglichen Kauf reden.

Monetarisierung – so hieß das Schlagwort, das in Bloggerkreisen kursierte. Jeder konnte eine Internetseite einrichten und sich dort über Gott und die Welt auslassen – aber wie brachte man ein großes Unternehmen dazu, Geld in die Seite zu investieren, damit sich der Aufwand auch lohnte?

Stephanie stand ganz kurz davor, das ganz große Los zu ziehen. Denn Jack Wolfe hatte Interesse an ihrem Blog bekundet und wollte eventuell eine schöne Stange Geld dafür hinblättern. Und für eine ansehnliche Entschädigung war Stephanie zu fast allem bereit. Es war ihre letzte Hoffnung, ihren Bruder aus der Abwärtsspirale zu ziehen, in der er sich seit einiger Zeit befand. Nur so würde sie ihn dazu bringen, ein Studium zu beginnen und sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Aus diesem Grund würde Jack Wolfe niemals erfahren, was für eine Mogelpackung sie in Wahrheit war. Ihr Blog war nur eine Fassade, die sie aus einer kleinen Ecke in ihrem Schlafzimmer in die Welt projizierte. Wenn nur einer ihrer Follower jemals den Rest des Zimmers gesehen hätte …

Der Boss von Wolfe Enterprises würde ihr Zimmer ganz bestimmt niemals zu Gesicht bekommen. Sie würde Jack Wolfe für ein paar Stunden die Fassade sehen lassen. Und sie musste dafür sorgen, dass er sie ihr abkaufte. Buchstäblich.

Sie lächelte den livrierten Portier an, der ihnen die Tür aufhielt, und blieb einen kurzen Moment ehrfürchtig stehen, als sie die mit Marmorsäulen geschmückte Lobby des Hotels betraten. Es war schon eine Weile her, dass sie das letzte Mal unter Menschen gewesen war. Aber ein Luxushotel wie das Raeburn hatte sie noch nie von innen gesehen.

„Ich muss mal für kleine Mädchen“, murmelte Tara.

Jetzt?

„Dein Bruder hatte sich im Badezimmer verbarrikadiert, deshalb hatte ich vorhin keine Gelegenheit mehr.“ Tara zuckte die Schultern.

Stephanie starrte die Freundin ängstlich an. „Warum hast du nichts gesagt? War er okay?“ Sie hatte geglaubt, Dan würde schlafen. Obwohl seit seiner Operation schon Monate vergangen waren, musste er sich immer noch ausruhen.

„Es ging ihm gut. Er hat nur geschmollt.“ Tara wühlte schon wieder in ihrer Tasche, als hätte sie die Kronjuwelen der Königin darin versteckt. „Verdammt, der Junge weiß wirklich, wie er dich nach seiner Pfeife tanzen lässt.“ Sie blickte hoch und sah Stephanie warnend an. „Steck das Handy sofort wieder ein. Zwei Minuten vor dem großen Treffen muss er dich nicht auch noch emotional manipulieren.“

„Aber er manipuliert mich doch gar nicht.“ Stephanie hielt tatsächlich das Handy in der Hand und schämte sich jetzt, weil Tara erraten hatte, dass sie ihn anrufen wollte.

Tara machte sich kopfschüttelnd auf den Weg zur Damentoilette.

„Das tut er nicht“, flüsterte Stephanie. Da sie das Handy schon einmal in der Hand hielt, überprüfte sie kurz, ob Dan ihr vielleicht eine SMS geschickt hatte.

Fehlanzeige.

Sie wusste nicht, ob sie sich jetzt noch mehr Sorgen machen musste.

Aber Tara hatte recht – jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Dan würde eben ein paar Stunden warten müssen. Schließlich war sie nur seinetwegen hier. Sie würde zur Rezeption gehen und Jack Wolfe ausrichten lassen, dass sie angekommen war. Hoffentlich wäre Tara zurück, bevor er in der Lobby eintraf.

Während sie auf die Empfangsdame zusteuerte, bemerkte sie einen Mann, der mit dem Rücken zu ihr im Loungebereich des Hotels stand. Er hielt eine lederne Aktentasche in der einen Hand und sprach in sein Handy. Seine Körperhaltung strahlte Stärke und Macht aus.

Und seine laute Stimme hatte einen eindeutig amerikanischen Akzent.

„Es ist mir völlig egal, ob er gerade in einem Meeting ist. Ich habe lange genug gewartet“, blaffte er ins Telefon. „Sie werden umgehend ein Treffen mit ihm arrangieren.“

Im nächsten Moment wischte er mit dem Finger über das Display und steckte das Handy in die Jackentasche.

Stephanie zog die Augenbrauen hoch. Sein schneidender Tonfall hatte nur so vor Arroganz gestrotzt. Offensichtlich war er es gewohnt, Befehle zu geben. Neugierig auf sein Gesicht, schaute sie gebannt hin, als er sich langsam zu ihr umdrehte. Dunkelhaarig, braungebrannt, Augen so blau wie das Meer. Man hätte ihn attraktiv nennen können, wenn seine Körperhaltung nicht diese Wut ausgestrahlt hätte.

Er schaute nicht zu ihr, aber auch so nahm sie deutlich wahr, dass etwas in seinen Augen vorging. Ihre Schritte wurden langsamer, als sie bemerkte, dass er nicht nur wütend war. Vielmehr sah er verletzt aus. Einen Moment lang konnte man ihm seine Gefühle deutlich ansehen, und die tiefe Traurigkeit in seinen Augen nahm ihr fast den Atem. Mitleid stieg in ihr auf, und ihr Herz verkrampfte sich. Wenn ein Mann wie er so besiegt aussah, dann musste etwas wirklich Schlimmes vorgefallen sein. Und mit Schicksalsschlägen kannte sie sich bestens aus.

Plötzlich drückte er die Schultern durch und blickte hoch, genau in ihre Richtung. Und er bemerkte, dass sie ihn anstarrte.

Sofort wurde seine Miene wieder hart.

Er zog die blauen Augen zusammen und fing zu Stephanies Überraschung an, sie völlig unverhohlen von Kopf bis Fuß zu mustern.

Fassungslos blieb Stephanie stehen und blinzelte ihn an. Er kniff die Lippen zusammen, und sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er den mentalen Daumen nach unten senkte. Er hätte nicht weniger beeindruckt wirken können – oder feindseliger.

Okay, vielleicht war sie kein Topmodel, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Und nachdem Tara tief in ihre Trickkiste gegriffen hatte, sah sie mehr als passabel aus. Und selbst wenn nicht, war sein abschätziger Blick einfach nur unverschämt.

War er vielleicht wütend, weil er sich dafür schämte, dass sie sein Gespräch mit angehört hatte? Oder weil sie den traurigen Ausdruck in seinen Augen gesehen hatte? Sie hatte ihn nicht belauschen wollen – er war derjenige gewesen, der so laut geredet hatte, dass alle Welt sein Telefonat hören musste.

Jetzt war sie sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich diese Verlorenheit in seinem Blick gesehen hatte. Und hatte sie tatsächlich auch nur eine Sekunde lang Mitleid mit diesem Mann gehabt?

Auf keinen Fall würde sie sich anmerken lassen, dass er ihren Stolz verletzt hatte. Sie sammelte alles zusammen, was sie an Steffi Leigh zu bieten hatte, und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Ohne seine Reaktion abzuwarten, drehte sie sich um und ging zur Rezeption.

„Würden Sie Jack Wolfe bitte ausrichten, Steffi Leigh ist hier und …?“

„Ich bin Jack Wolfe“, unterbrach sie eine tiefe Stimme in ihrem Rücken.

Stephanies Mut sank. Dabei hatte sie innerlich doch schon gewusst, dass er es war. Sein Akzent hatte ihn verraten.

Sie wollte sich mit einem Lächeln bei der Empfangsdame bedanken, aber die Frau war zu sehr damit beschäftigt, den Besitzer der tiefen Stimme anzustrahlen.

Natürlich. Er war ein Mann, der die Aufmerksamkeit aller Frauen auf sich zog.

Stephanie bezwang das nervöse Flackern in ihrem Magen und drehte sich langsam um.

Die Firma Wolf Enterprises gab Reiseführer für Globetrotter heraus. Also für die coolen Typen, die nur mit einem winzigen Rucksack in neun Monaten durch fünfzehn verschiedene Länder reisten und dabei immer absolut lässig aussahen. Jack Wolfe trug kein Funktionsshirt, sondern einen teuren, wie angegossen sitzenden Maßanzug. Und das Hemd hatte er definitiv ausgesucht, weil es seine umwerfenden blauen Augen noch atemberaubender leuchten ließ.

„Sie sehen genauso aus wie in Ihrem Blog, Ms. Leigh.“ So, wie er das sagte, klang es nicht so, als würde das etwas Gutes bedeuten.

Er hatte sie also erkannt und trotzdem so abschätzig gemustert? Wie charmant.

„Nennen Sie mich bitte Steffi“, sagte sie unterkühlt und streckte ihm die Hand entgegen. Sie würde einfach so tun, als ob der kurze Moment von vorhin gar nicht stattgefunden hätte.

„Nicht Steffi Leigh?“ Sein Händedruck war fest.

„Einfach nur Steffi.“

Hitze strömte durch ihre Finger und wanderte ihren Arm hoch. Mit einem Mal war sie froh, Handschuhe zu tragen. Selbst durch den Stoff spürte sie die Kraft, die von ihm ausging, und sie schaffte es nicht, den Blick von ihm zu lösen. Es war schon zu lange her, dass sie einem so attraktiven Mann in die Augen geschaut hatte. Okay, in Wahrheit war sie in ihrem Leben kein einziges Mal einem so attraktiven Mann begegnet.

Und ihre Knie waren auch noch nie so weich geworden.

Tara hatte sich geirrt. Dieser Mann war gefährlich.

„Ist Steffi eine Abkürzung für Stephanie?“, fragte er.

Sie nickte und zog die Hand schnell wieder weg. Bis auf ihren Bruder nannte sie niemand Stephanie. Und er tat es auch nur, wenn er sauer auf sie war – was leider ziemlich häufig der Fall war.

„Stephanie ist ein bezaubernder Name“, sagte er. Aber durch die Kälte in seiner Stimme klang es nicht wie ein Kompliment.

Wollte er ihr damit zu verstehen geben, dass ihm ihr Blogger-Name nicht gefiel? Stephanie biss die Zähne zusammen, ohne dass ihr dabei das Lächeln entglitt. Sie musste ihre Rolle nur ein paar Stunden lang spielen.

Steffi Leigh führte sich immer so auf, als könnte sie jeden um den kleinen Finger wickeln. Und selbst, wenn dieser Mann aussah, als wäre er aus dem härtesten Stahl geschmiedet, musste sie es wenigstens versuchen.

„Sollen wir ein Selfie schießen, um den Moment festzuhalten?“ Sie zwang sich zu einem Lachen.

„Nein.“

Kalt. Unnachgiebig. Unbeeindruckt.

Toller Start, Steffi. Sie kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. Aber war sie nicht hier, weil er die „Steffi Leigh“ wollte, die man aus ihrem Blog kannte: frech, modern, am Puls der Zeit?

Nein? Dann mache ich eben nur eins von mir.“ Sie hielt das Handy hoch und knipste ein Foto. Zwar würde sie es nie verwenden, aber das musste er ja nicht wissen.

„Machen Sie viele davon?“, fragte er leise.

„Ich mache alles, was meinen Fans gefällt.“ Sie lächelte ihn an. „Meine vielen Follower mögen meine Selfies nämlich.“

„Wollen Sie die nächsten Stunden damit zubringen, das Bild zu bearbeiten?“

„Ich bearbeite meine Bilder fast nie.“

Er musterte sie noch einmal von Kopf bis Fuß. „Ja, das kann ich mir vorstellen. Sie haben offenbar schon vorher zwei Stunden investiert, um an Ihrem Bild zu arbeiten.“

Damit lag er gar nicht mal so falsch. Tara hatte fast zwei Stunden gebraucht, um ihr die perfekte Make-up-Maske aufzutragen.

Aber warum machte er nur die ganze Zeit solche spitzen Bemerkungen? Immerhin hatte er sie um das Treffen gebeten. Doch sie war auf sein Geld angewiesen und musste freundlich bleiben.

„Treffer.“ Entschlossen lächelte sie ihn unter dick getuschten, schwarzen Wimpern an.

„Und wie sehen Sie ohne aus?“

„Noch aufregender“, konterte sie.

„Das würde ich gerne mal sehen.“

Niemals.

Ihre Blicke trafen sich. Und obwohl sie es nicht laut ausgesprochen hatte, war sie sich sicher, dass er ihren Gedanken erraten hatte. Offenbar hielt er sie für ein übertrieben geschminktes Dummerchen, mit dem man machen konnte, was man wollte.

Überheblicher Kerl.

Doch dann lächelte er plötzlich.

Stephanie hätte es beinahe den Atem verschlagen. Wenn sie ihn eben noch für unverschämt attraktiv gehalten hatte, dann sah er jetzt zum Dahinschmelzen sexy aus. Er wirkte viel jünger, witziger, irgendwie verschmitzt. Als hätte er seine Persönlichkeit gewechselt.

Wäre er eiskalt und unbeeindruckt geblieben, hätte ihr das eher weitergeholfen.

„Tut mir leid, dass ich so schroff war“, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln. „Als Sie angekommen sind, war ich abgelenkt.“

Ja, und sie musste sich jetzt von ihm ablenken.

Ihr fiel der Plan wieder ein, den sie mit Tara geschmiedet hatte. Sie hatte vorher gewusst, dass sie nicht die Nerven haben würde, ihm stundenlang an einem Tisch gegenüberzusitzen. Steffi Leigh nahm sich in ihren Video-Blogs genau zwanzig Sekunden Zeit für die Einleitung, danach knöpfte sie sich neue Produkte oder irgendetwas anderes vor, das auf einer ihrer Listen stand. Für Jack Wolfe hatte sie sich etwas ganz Besonderes ausgedacht.

„Schon gut – niemand ist perfekt“, sagte sie freundlich, obwohl sie sich insgeheim noch über seine Entschuldigung wunderte. „Ah, da ist ja auch Tara.“ Sie zeigte auf ihre Freundin, die soeben aus der Damentoilette zurückkam. „Meine Assistentin.“

Aber Jack beachtete Tara nicht weiter, sondern ließ Stephanie nicht aus den viel zu blauen Augen.

„Wir entführen Sie“, sagte sie betont lässig.

„Sie entführen mich.“ Er schaute noch einmal auf ihr Kleid, bevor er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. „Haben Sie Chloroform dabei?“

Gut, der Größenunterschied war natürlich erheblich. Aber nur, weil sie klein war, hieß das noch lange nicht, dass sie keine anderen Stärken besaß.

„Charme ist wirkungsvoller.“ Sie lächelte.

Charme?“ Es funkelte in seinen Augen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das, was Sie haben, als Charme bezeichnen würde.“

Stephanies Blut begann zu kochen, aber sie würde sich durch diese Frechheit nicht aus der Reserve locken lassen. Genauso wenig, wie sie auf das sexy Lachen reagieren würde, das er jetzt ausstieß.

„Tara ist heute Nachmittag unsere Chauffeurin“, erklärte sie.

„Sorry, dass ich so lange gebraucht habe“, sagte Tara und rieb sich die Hände. „Da gab es diese Handcreme, die ich einfach ausprobieren musste und …“

„Tara“, unterbrach Stephanie sie. „Das ist Jack Wolfe.“ Er brauchte nicht zu wissen, dass Tara verrückt nach Kosmetikprodukten war.

Sie sind Jack Wolfe?“ Tara hörte auf, ihre Hände zu bewundern, und starrte ihn an. Der schwärmerische Ausdruck auf ihrem Gesicht wäre komisch gewesen, wenn nicht jede Frau ihn so angesehen hätte.

„Ich fürchte, ja“, sagte er, überraschend freundlich. „Hatten Sie jemand anderes erwartet?“

„Nein. Sie sind … perfekt“, stammelte Tara.

„Vielen Dank.“ Er warf Stephanie einen Seitenblick zu, bevor er wiederholte: „Perfekt. Haben Sie gehört?“

Stephanie ignorierte die Bemerkung und blickte zu Tara.

Aber Tara schaute mit großen Augen von Jack zu Stephanie. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann lächelte sie.

„Ich gehe den Wagen holen“, zwitscherte sie. „Und fahre ihn vor den Haupteingang.“

Entsetzt schaute Stephanie ihrer Freundin hinterher, die sie schon zum zweiten Mal mit diesem Mann allein ließ.

„Wofür brauchen wir einen Wagen?“, fragte Jack.

„Wie gesagt, wir entführen Sie und machen mit Ihnen die Steffi-Leigh-Tour durch Melbourne.“ Sie setzte wieder ihr schönstes Lächeln auf. „Sie sind doch erst heute Morgen in Australien angekommen, nicht wahr?“

Er runzelte die Stirn.

„Oder wollen Sie lieber im Hotel bleiben und hier eine Kleinigkeit essen?“ Stephanies Mut sank. „Wir können den Papierkram durchgehen, den ich mitgebracht habe …“

„Ich habe keinen Hunger.“

Tatsächlich? Er sah nämlich aus, als würde er ständig Hunger haben. Er war etwa eins fünfundachtzig groß und durchtrainiert, ohne dabei massig zu wirken – fast wie ein Leopard, der auf der Jagd nach seiner Beute Geschwindigkeitsrekorde brechen konnte.

„Ganz sicher?“, hakte sie nach.

Er nickte.

„Na, schön.“ Sie lächelte verkrampft. „Trotzdem werden wir Sie entführen.“

Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging zur Eingangstür. Sie musste sich jetzt wirklich konzentrieren, damit sie ihre Rolle lange genug spielen konnte, bis der Deal in trockenen Tüchern war. Auf gar keinen Fall durfte sie zulassen, dass dieser Mann sie aus der Fassung brachte.

„Warum fahren Sie nicht selbst?“, fragte er, als er zu ihr aufschloss.

„Weil ich mit Ihnen reden will.“

„Ich dachte, Frauen hätten ein Talent dafür, verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun.“

„Ich konzentriere mich aber lieber auf eine Sache.“

„Dann fahre ich.“

Als ob Tara es zulassen würde, dass er sich ans Steuer ihres geliebten Autos setzte.

„Können Sie denn gleichzeitig fahren und zuhören?“, fragte sie.

„Das hängt davon ab, wie interessant das ist, was Sie zu erzählen haben.“

Er hatte ihr den Fehdehandschuh hingeworfen. Stephanie drückte die Schultern durch. Konnte er ihre Verzweiflung etwa riechen? Sie musste wirklich achtgeben, damit er nicht merkte, wie dringend sie auf sein Geld angewiesen war.

Tara kann uns fahren“, sagte sie mit Nachdruck.

„Gehört der Blog Tara oder Ihnen?“, fragte er.

„Mir.“

„Dann will ich mit Ihnen verhandeln. Und zwar nur mit Ihnen.“

Dass er mit ihr allein sprechen wollte, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie traten im selben Moment aus der Tür.

„Ganz sicher, dass Sie fahren wollen?“, fragte Stephanie und zeigte auf den Wagen, den Tara soeben vor dem Eingang parkte. Das alte Mercedes-Cabriolet in femininem Pastellgelb war bestimmt kein Auto, in dem ein Mann wie er sich gern blicken lassen würde.

„Wo wollen Sie denn überhaupt sitzen?“, fragte er.

„In der Mitte – hinten.“

„Sind Sie ein Schlangenmensch?“ Er warf einen ungläubigen Blick auf den schmalen Rücksitz.

„Die Größe täuscht“, murmelte sie und trat auf den Bürgersteig. Sie musste Tara vorwarnen, dass er ihren Plan über den Haufen werfen wollte.

Aber Jack kam ihr zuvor. „Steffi ist einverstanden, dass ich fahre“, rief er, sobald Tara den Motor abgestellt hatte.

„Ach, ja? Okay.“ Tara lächelte ihnen vom Fahrersitz zu, bevor sie den Sicherheitsgurt löste und ausstieg. „Wenn du willst, bleibe ich hier und finde alles über diese Handcreme raus. Die könntest du gut in deinem Blog besprechen, Steffi.“

Stephanie zwinkerte ihr mehrmals unauffällig zu. „Macht es dir denn nichts aus, wenn du nicht mitfährst?“, fragte sie mit eindringlichem Tonfall.

„Ganz und gar nicht.“ Ohne die Freundin anzuschauen, ließ Tara die Autoschlüssel in Jacks geöffnete Hand fallen. Sie strahlte ihn an. „Ich verlasse mich darauf, dass Sie pfleglich damit umgehen.“

Meinte sie den Wagen, oder wollte sie Jack zu verstehen geben, er solle pfleglich mit ihr umgehen?

Jack grinste. „Ich werde mir größte Mühe geben.“

Am liebsten hätte Stephanie die beiden entführt und im Ozean versenkt. Stattdessen fiel sie Tara mit einer Steffi-Leigh-Umarmung um den Hals.

„Kannst du für mich nach Dan sehen?“, flüsterte sie der Freundin ins Ohr.

Seit Monaten hatte sie ihren Bruder nicht mehr so lange allein gelassen.

„Klar.“

Als Stephanie sich aus der Umarmung löste, wirkte die Freundin eine Spur zu fröhlich.

„Das wird schon“, sagte Tara aufmunternd.

„Du kümmerst dich darum, versprochen?“

„Versprochen.“ Tara umarmte die Freundin noch einmal. „Was kann denn schon passieren?“, flüsterte sie. „Es sind doch nur ein paar Stunden. Amüsier dich.“

Glaubte Tara wirklich, sie würde sich mit einem Wolf amüsieren?

Dennoch spürte sie eine seltsame Anspannung in ihrem Körper. Gerade so, als würde sie Vorfreude empfinden.

Tatsächlich hatte sie dieses Gefühl schon seit langer Zeit nicht mehr gehabt. Wenn sie ehrlich war, freute sie sich darauf, mit diesem Mann über die Zukunft ihres Blogs zu verhandeln. Sie würde den Deal klarmachen und sich von Jack Wolfe nehmen, was sie wollte.

„Auf Wiedersehen, Jack.“ Tara winkte und lief ins Hotel zurück.

„Sie wissen schon, dass wir hier auf der linken Seite fahren, oder?“, murmelte Stephanie.

„Was denken Sie denn?“ Er stieg ins Auto und warf die Aktentasche auf den Rücksitz.

Als Stephanie sich auf den Beifahrersitz setzte, hatte er bereits den Sicherheitsgurt angelegt und streichelte über das Lenkrad der alten Cabriolet-Schönheit.

„Und ich soll wirklich nicht fahren?“ Stephanie war sich nicht sicher, ob sie es auf so engem Raum lange mit ihm aushalten konnte. Er wirkte jetzt noch größer.

Statt einer Antwort lächelte er sie an. Aber das Lächeln war alles andere als unschuldig.

Stephanie ignorierte die verräterische Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreiten wollte. Von einem derart arroganten Mann würde sie sich niemals angezogen fühlen. „Wollen Sie sich etwa die ganze Zeit über anhören, wie ich Sie nach links und rechts scheuche?“

„Ich weiß auch so, wie ich an mein Ziel gelange.“

Welches Ziel? „Sie wissen doch gar nicht, wo ich mit Ihnen hinwill.“

„Aber ich weiß genau, wo ich hinwill.“

Sie kniff die Lippen zusammen. Natürlich war er schon in Melbourne gewesen und kannte sich in der Stadt aus.

„Sie können es nicht leiden, einmal die Kontrolle abzugeben, was? Sie müssen immer derjenige sein, der die Richtung vorgibt – deshalb veröffentlichen Sie Reiseführer, die den Leuten vorschreiben, wie sie am besten zu den schönsten Plätzen kommen.“

Am liebsten hätte sie sich nachträglich auf die Zunge gebissen – Steffi Leigh war nämlich viel zu lieb, um schnippisch zu werden.

„Sie sind doch diejenige, die den Leuten diktiert, welche Farbe sie bei einem Eis wählen müssen, damit sie ‚mühelos stylish und cool‘ aussehen“, spottete er. „Als ob es nicht auf den Geschmack ankommen würde.“

„Sie haben mich falsch verstanden. Geschmack ist alles.“

„Ach, ja?“ Er grinste. „Welchen Geschmack soll ich Ihrer Meinung nach denn kosten?“

Auf die zweideutige Frage würde sie ihm ganz bestimmt keine Antwort geben. „Und ich habe geglaubt, ein Wolfe meidet die ausgetretenen Pfade und verlässt sich ganz auf die Geheimtipps der Einheimischen …“, konterte sie mit einem Zitat aus seinen Reiseführern.

„Wollen Sie mir etwa geheime Tipps geben?“ Er lachte.

Sein Lachen klang so warm, dass sie überrascht schwieg. Er war jetzt ganz anders als der Mann, den sie in der Lobby gesehen hatte. Hatte sie sich den traurigen Ausdruck in seinen Augen vielleicht doch nur eingebildet? Genau wie die anfängliche Feindseligkeit ihr gegenüber? Denn jetzt versprühte dieser Mann nur noch Charme.

Er drehte den Schlüssel im Zündschloss um, und der Wagen sprang schnurrend an. Langsam fädelte Jack in den Verkehr ein.

„Wer ist Dan?“, fragte er völlig unvermittelt.

Was geht Sie das an? wollte sie sagen, verkniff sich die Bemerkung aber. „Mein Kater …“

„Kater?“, wiederholte er ungläubig. „So sehen Sie gar nicht aus. Eher wie ein It-Girl mit Schoßhündchen.“

„Das ist doch so was von out“, murmelte sie. „Und außerdem bin ich nur hier, um Ihre stereotypen Vorstellungen von oberflächlichen Dummerchen auf den Kopf zu stellen.“

„Dass Sie ein Dummerchen sind, habe ich nie gesagt.“

„Ihr Blick hat Bände gesprochen.“

„Welcher Blick?“

„Mit dem Sie mich bedacht haben, als ich im Hotel ankam.“

„Wie habe ich Sie denn angesehen?“

„Als ob Sie sich insgeheim dafür verfluchen würden, Ihre Zeit mit einer hirnlosen Tussi zu verschwenden.“

Autor

Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
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