Sinnliches Feuer, kalter Verrat

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Raoul hat alles, was ein Mann sich wünschen kann: Reichtum, Sex-Appeal und Sirena Abbott, die sein Leben perfekt managt - und sein Blut zum Sieden bringt. Nach einem heißen Intermezzo mit ihr will er insgeheim viel mehr, doch dann muss er entdecken, dass sie ihn schamlos betrogen hat. Erst vor Gericht sieht er seine ehemalige Assistentin wieder und ist hin- und hergerissen zwischen Wut und einem unmöglichen Verlangen. Er ahnt nicht, dass das Urteil über das Glück dreier Menschen entscheiden wird: Sirenas, seines - und das ihres ungeborenen Kindes …


  • Erscheinungstag 14.04.2015
  • Bandnummer 2175
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701574
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sieh mich an, flehte Raoul Zesiger stumm.

Er musste sich zurücklehnen, um Sirena Abbott überhaupt hinter den drei Männern sehen zu können, die zwischen ihnen standen.

Sie saß sehr still da, das ernste Gesicht nach vorne gewandt. Während sein Anwalt sprach, hatte sie die unglaublich langen Wimpern gesenkt gehalten und ihn auch keines Blickes gewürdigt, als ihr eigener Rechtsvertreter verkündete, eine Gefängnisstrafe sei Unsinn. Sirena müsse doch arbeiten können, um das gestohlene Geld zurückzuzahlen.

Raouls Anwalt hatte ihm gegenüber angedeutet, dass der Prozess wahrscheinlich zu keiner Haftstrafe führen würde. Aber Raoul wollte diese Frau mit den vollen Lippen und den üppigen Locken hinter Gittern sehen.

Sein Stiefvater war ein Dieb gewesen. Raoul hätte nicht geglaubt, irgendwann noch einmal daran erinnert zu werden. Und schon gar nicht von seiner mehr als zuverlässigen Assistentin. Doch sie hatte sich tatsächlich seines persönlichen Kontos bedient.

Und dann auch noch versucht, ihn mit ihrem harmlosen Getue einzulullen!

Er wollte sich das alles nicht ins Gedächtnis rufen. Seine Ohren warteten zwar darauf, dass der Richter das Urteil sprach, aber sein ganzer Körper prickelte vor Hitze, wenn er daran dachte, wie Sirenas volle Lippen sich auf seinen angefühlt hatten. Ihre kleinen Brüste dufteten nach Sommer, ihre Brustwarzen waren wie süße, sonnenwarme Beeren an seiner Zunge. Ihr hübscher Po, den er viel zu oft betrachtet hatte, wenn sie sein Büro verließ, erwies sich als fest und weich gleichzeitig, als er ihren Rock hoch und den Spitzenslip herunter schob. Ihre samtweichen Schenkel, ihr zarter Duft. Irgendwie unschuldig. Und dabei war sie so heiß und einladend.

Eine Mischung aus Wut und überwältigender Begierde überkam ihn. Zwei Jahre lang hatte er sein Verlangen unterdrücken können. Aber jetzt, nachdem er sie besessen hatte, konnte er an nichts anderes mehr denken, als sie wieder zu besitzen. Er hasste sie, weil sie so viel Macht über ihn hatte. Am liebsten hätte er Sirena Abbott vernichtet. Der Klang eines Hammers riss ihn aus seinen Gedanken zurück in den Gerichtssaal. Sein Anwalt machte eine resignierte Kopfbewegung, und Raoul erkannte empört, dass die Entscheidung zu Sirenas Gunsten gefallen war.

Sirena lehnte sich erleichtert zurück. Ihr Rechtsvertreter dankte dem Richter und beugte sich dann zu ihr hinunter, um ihr etwas zuzuflüstern.

Warum sah sie nicht zu ihm her? Das war doch noch das Wenigste, was sie tun konnte: ihm in die Augen sehen und zugeben, was sie beide sowieso wussten. Dass sie vor Gericht mit einem Verbrechen durchkam. Sie sagte allerdings nur leise etwas zu ihrem Anwalt und ging dann, während der Mann seine Aktenmappe packte. Der locker sitzende Blazer und der Bleistiftrock kaschierten zwar ihre aufregende Figur, aber trotzdem war sie immer noch verführerisch wie die Sünde. Nahe der Tür ging sie plötzlich langsamer.

Sieh mich an, befahl er wieder stumm und hielt die Luft an, als sie tatsächlich zögerte.

Mit zitternder Hand tastete sie nach der Tür, blickte starr geradeaus, blinzelte.

„Sie wird ohnmächtig!“ Hastig drängte er sich an seinem Rechtsvertreter vorbei, riss Stühle um und war bei ihr, als endlich auch ihr eigener Anwalt reagierte. Gemeinsam fingen sie sie auf. Gemeinsam legten sie sie auf den Boden.

Raoul rief nach einem Sanitäter.

Gott sei Dank kam sofort jemand. Er ließ es zu, dass man ihn beiseite stieß, aber er konnte den Blick nicht von Sirena wenden. Sie war ganz blass, die Wangen hohl. In einer Art Schockstarre wartete er darauf, dass der Sanitäter etwas sagte, darauf, dass sie wieder zu sich kam.

Alles war wieder wie damals bei seinem Vater. Keine Reaktion, die Panik, die in ihm aufstieg, während er gegen die Hilflosigkeit und die brutale Realität ankämpfte. Atmete sie? Öffne die Augen, Sirena!

Wie von Weitem hörte er den Sanitäter nach irgendwelchen Vorerkrankungen fragen. Raoul zerbrach sich den Kopf. Er hatte nie bemerkt, dass sie Medikamente nahm. Da hörte er die Antwort ihres Anwalts.

„Sie ist schwanger.“

Der Satz drang wie das Geräusch von berstendem Glas an seine Ohren.

Kalter Schweiß bedeckte ihr Gesicht und die Übelkeit, unter der sie fortwährend litt, drehte ihr den Magen um.

Eine Stimme sagte: „Sie sind ohnmächtig geworden, Sirena. Ruhen Sie sich noch etwas aus.“

Sie öffnete die Augen und sah John, den renommierten Anwalt. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie sich fast in seinen Papierkorb übergeben hätte, hatte er kein großes Interesse an ihr gezeigt. Der Vater des Kindes sei unwichtig, hatte sie ihm erklärt, aber über Johns Schulter hatte sie Raoul erspäht, der sie erbarmungslos anstarrte.

Sie hatte sich alle Mühe gegeben, ihn während des Prozesses nicht anzusehen, ihren früheren Chef, Kurzzeitlover und nichts von seinem Glück ahnenden Vater. Er war groß, dunkelhaarig und elegant. Streng und voreingenommen. Er war … einfach zu viel von allem.

Aber sie konnte nichts dagegen tun, dass sie ihn jetzt mit den Augen förmlich verschlang. Sirena registrierte alles an dem erfolgreichen Geschäftsmann: den gut sitzenden dunklen Anzug, das frisch rasierte Kinn, den kurzen Haarschnitt.

Und dann waren da noch seine Augen, die sie unerbittlich musterten. In den grauen Tiefen konnte sie seine Verachtung lesen.

„Geht es Ihnen besser?“, fragte John. „Wir haben einen Krankenwagen gerufen.“

Sirena warf Raoul einen entsetzten Blick zu. Und erkannte im selben Moment, dass er diesen Blick richtig verstand: als ein Schuldeingeständnis.

Sie schloss rasch die Augen. Aber er war der intelligenteste Mensch, der ihr je begegnet war. Ihm entging nichts.

Wenn er herausfand, dass sie von ihm schwanger war, würde es noch einen Kampf geben. Und wenn man bedachte, wie viel Kraft der aktuelle sie kostete, konnte sie sich einen zweiten nicht leisten. Er sollte nicht glauben, er hätte irgendetwas bei ihrem Kind mitzureden. Das konnte und wollte sie ihm nicht zugestehen.

„Sirena“, sagte Raoul mit seiner dunklen, samtigen Stimme.

Ein lustvoller Schauer überlief sie. Wie vertraut ihr diese Stimme war! In den zwei Jahren, die sie mit ihm zusammengearbeitet hatte, hatte sie jeden Tonfall kennengelernt. Deshalb wusste sie, dass ihr Name auf seinen Lippen jetzt eine knallharte Warnung war.

„Sieh mich an!“, befahl er.

Sirena griff blind nach Johns Hand und umklammerte sie mit eiskalten Fingern. Ihre Stimme klang hohl und schwach unter der Sauerstoffmaske.

„Sagen Sie ihm, er soll mich in Ruhe lassen. Oder ich beantrage ein Kontaktverbot.“

2. KAPITEL

Zu Hause angekommen, erwartete sie auch schon die erste Attacke. Raoul kannte wirklich keine Hemmungen, wenn es um Einschüchterungstaktiken ging. Sie las die E-Mail, die John an sie weitergeleitet hatte:

Mein Klient hat guten Grund zur Annahme, dass Ihre Klientin von ihm schwanger ist. Er besteht darauf, über alles, was die Schwangerschaft betrifft, informiert zu werden, und wird nach der Geburt das alleinige Sorgerecht beantragen.

Besitzergreifend wie Raoul war, hatte sie so etwas erwarten müssen. Doch dass irgendjemand versuchen könnte, ihr dieses Baby wegzunehmen, war undenkbar.

Wütend blinzelte sie die aufsteigenden Tränen fort. Es ist nicht von ihm, tippte sie ein und sagte dabei laut: „Und sagen Sie ihm, er soll zur Hölle fahren.“

Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass Raoul Kontakt zu seinem Kind haben wollte. Dann würde sie schwach werden. Sie musste sich weiter einreden, dass er ein Mistkerl war – auch wenn sie sich in diesen zwei Jahren nicht nur in einen dynamischen Tycoon verliebt hatte, sondern auch in einen Mann, der ein liebevoller Sohn und ein fürsorglicher älterer Stiefbruder war. Auf gewisse Art ist er mein Spiegelbild, dachte sie oft. Beide hatten sie die Eltern verloren, und beide wollten sie das Beste für ihre jüngeren Geschwister. Am Ende war sie so weit, dass sie ihn für einen bewunderungswürdigen Menschen hielt, mit trockenem Humor und Ambitionen, vor denen ihr eigener Perfektionismus verblasste.

Nein, sagte sie sich, während sie sich einen Tee machte, er ist ein grausamer, unbeherrschter, engstirniger Bastard ohne einen Funken Gefühl. Zumindest was sie betraf. Schließlich hatte er sie an dem einen Tag leidenschaftlich geliebt und am anderen verhaften lassen.

Aber jetzt war sie in Sicherheit. Der Richter hatte ihr abgenommen, den Diebstahl zu bereuen, auch wenn Raoul es nicht getan hatte. Sie wusste zwar noch nicht, wie sie jeden Monat 600 £ Rückzahlung aufbringen sollte, doch verglichen mit der Tatsache, Raoul davon überzeugen zu müssen, dass es nicht sein Baby war, erwies sich das als das kleinere Problem.

Die Angst, ihr Baby könnte wie sie ohne Mutter aufwachsen, hatte ihr die Kraft gegeben, mit allen Mitteln gegen Raoul anzukämpfen. Er war entschlossen gewesen, sie ins Gefängnis zu bringen. Jetzt würde sie irgendwie die Energie aufbringen, ihn für immer aus ihrem Leben zu verbannen.

Dass sie dabei das Gefühl hatte, etwas unglaublich Wertvolles zu verlieren, verdrängte sie lieber.

Sie nahm den Tee, eine Scheibe Toast und eine Tablette gegen die Übelkeit mit zum Sofa und sah auf ihrem PC nach, ob Jobangebote hereingekommen waren. Die Prozesskosten waren entsetzlich hoch, und die Kündigung hatte ihre mehr als bescheidenen Ersparnisse schrumpfen lassen.

Wenn sie nur diesen schrecklichen Augenblick ungeschehen machen könnte, in dem sie geglaubt hatte, Raoul würde sie verstehen. Als ihre Halbschwester in Tränen aufgelöst sagte, dass sie vermutlich doch nicht Lehrerin werden könnte, schien es das Einfachste zu sein, sich etwas Geld von ihm zu borgen. Ihr Vater erwartete damals einen größeren Betrag von einem wichtigen Kunden. Ali hatte so schwer gearbeitet, um zu diesem speziellen Studiengang zugelassen zu werden. Die Studiengebühr war fällig, aber das Geld dafür war nicht da.

Ich kann es aufbringen, hatte Sirena ihr versichert und war überzeugt gewesen, Raouls Konto rechtzeitig wieder ausgleichen zu können. Vielleicht würde er es noch nicht einmal merken.

Doch dann war der Kunde ihres Vaters in die Insolvenz geraten. Natürlich nicht über Nacht. Zuerst war er ein paar Tage in Verzug, dann eine Woche. Sirena hatte angefangen, sich selbst um das Geld zu kümmern. Bevor sie nicht die Mittel hatte, alles zurückzubezahlen, wollte sie ihr eigenmächtiges Handeln ihrem Chef gegenüber nicht erwähnen.

Das Geld war nicht eingegangen, und die Gelegenheit für eine Erklärung hatte sich nicht ergeben.

Und weil sie ihren Vater nicht belasten wollte, hatte sie die Konsequenzen allein getragen. Ihre Motive hatte sie Raoul verschwiegen. Und auch ihrer Familie hatte sie nichts davon gesagt, was sie getan hatte und dass sie dafür ins Gefängnis kommen konnte.

Es war die einsamste und furchtbarste Zeit ihres Lebens.

Ein Klingelton kündigte eine E-Mail an. Sie war von Raoul. Völlig unangebracht machte ihr Herz einen Freudensprung. Es war nur ein Wort. Lügnerin.

Er kaufte ihr nicht ab, dass es nicht sein Kind war.

Sirena biss die Zähne zusammen. Sie unterdrückte den Schmerz, der ihr in der Seele brannte, und sperrte Raouls Zugang zu ihrem Handy. Dann schickte sie John eine Nachricht.

Teilen Sie ihm mit, dass ein direkter Kontakt mit mir nicht infrage kommt. Wenn es sein Kind wäre, würde ich auf Unterhalt klagen. Er soll mich in Ruhe lassen!

Sie holte tief Luft und kämpfte gegen das Gefühl an, etwas Wertvolles für immer verloren zu haben. Aber das Leben konfrontierte einen nun mal mit Veränderungen, und man musste sich ihnen anpassen. Das wusste sie, seit ihre Mutter gestorben war. Und seit ihre Stiefmutter ihren Vater und ihre Halbschwester mit nach Australien genommen hatte, kaum dass Sirena ihren Schulabschluss gemacht und sich für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben hatte.

Menschen gehen fort, das war es, was sie gelernt hatte. Sie verschwinden aus deinem Leben, ob du es willst oder nicht.

Sirena seufzte verzweifelt auf. Sie war dabei, sich von ihren Gefühlen übermannen zu lassen! Lieber sollte sie an das kleine Wesen in ihr denken. Es würde sie nicht verlassen. Sie legte beschützend die Hand auf ihren Bauch. Sie wollte alles tun, damit es nie mehr aus ihrem Leben verschwand. Sie hatte nicht vor, das unschuldige Kind mit ihrer Liebe zu erdrücken. Sie wollte nur seine oder ihre Mutter sein. Sie konnte es nicht zulassen, dass ein anderer diese Rolle übernahm. Aber genau das würde Raoul versuchen. Dazu war er wütend und rücksichtslos genug.

Ein Schauder überlief sie, als sie sich erinnerte, wie sie ihn zum ersten Mal auf diese Weise kennengelernt hatte. Das Einzige, das sie während der demütigenden Verhaftung aufrecht gehalten hatte, war die Überzeugung, dass Raoul von alledem nichts wusste. Sicher war irgendein Buchhalter, einer der Bankangestellten dafür verantwortlich. Schließlich war sie Raouls beste Mitarbeiterin. Seine rechte Hand. Es würde ihn fuchsteufelswild machen, dass man sie so behandelte.

Von ganzem Herzen hatte sie geglaubt, er würde alles in Ordnung bringen, wenn sie ihm erzählte, was passiert war.

Stattdessen hatte er sie vor seinem Londoner Haus im Regen warten lassen. Und als er doch herausgekommen war, hatte er sie voller Abscheu angeblickt.

„Ich habe versucht, dich zu erreichen“, hatte Sirena ihm durch die Gitter des Sicherheitstors zugerufen. „Ich wurde heute verhaftet.“

„Ich weiß“, war Raouls kalte Antwort gewesen. „Ich habe dich angezeigt.“

In dieser Sekunde hatte Sirena erkannt, dass Raoul sie hasste, und das schmerzte mehr als alles andere.

Vor Schuldgefühlen und Reue wäre sie am liebsten gestorben. Sie konnte und wollte nicht glauben, dass ein winziger Fehltritt ihre Karriere und ihre beginnende Beziehung zu dem Mann ihrer Träume ruinieren sollte.

„Aber …“ Die Worte waren ihr in der Kehle stecken geblieben. Ihre Freundschaft, der gegenseitige Respekt und das Vertrauen waren während der zwei Jahre ihrer Zusammenarbeit gewachsen. Und erst am Tag zuvor hatte diese Beziehung eine neue Entwicklung genommen. Er war zärtlich gewesen, bezaubernd und …

Gott, sie hatte geglaubt, er würde sie lieben.

„Aber was?“, hatte er gehöhnt. „Hast du geglaubt, weil du mit mir geschlafen hast, würde ich auf deinen Diebstahl anders reagieren? Mir war langweilig und du warst da. Mehr war gestern nicht. Besorg dir einen Anwalt. Du wirst ihn brauchen.“

Sirena biss in ihren Toast und verdrängte entschlossen die Erinnerungen. Raoul war Vergangenheit. Irgendwie musste sie eine Zukunft für sich und das Baby aufbauen. Sie musste jetzt ihre ganze Energie für die Suche nach einer neuen Arbeit aufwenden.

Doch Raouls Attacken hielten während der nächsten Wochen an. Zahlungsangebote, die immer höher wurden, Forderungen nach einem Vaterschaftstest.

Nervös ging Sirena in Johns Büro auf und ab. Es fiel ihr schwer, John keine Vorwürfe zu machen, weil er im Gerichtssaal ihre Schwangerschaft herausposaunt hatte. Zum Glück hatte sie niemandem gegenüber zugegeben, dass Raoul der Vater war. Und sie war entschlossen, es auch nicht zu tun.

„Er hat sich klar ausgedrückt. Entweder Sie akzeptieren seinen Vorschlag bis Montag oder Sie gehen für immer leer aus.“

Sie hatte das Gefühl, dabei zuzuschauen, wie die letzten Körnchen durch eine Sanduhr liefen. Wieso eigentlich? Genau das wollte sie doch: Raoul würde endlich für immer aus ihrem Leben verschwinden.

„Schauen Sie, Sirena, ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass das hier nicht mein Spezialgebiet ist. Bisher spielte das keine Rolle, weil Sie sowieso nicht zugeben wollen, dass es sein Kind ist …“

„Ist es auch nicht“, warf sie ein und wandte ihm abrupt den Rücken zu. Sie war keine gute Lügnerin. Aber sie hatte das Recht zu lügen. Es war ihr Kind. Punkt. Aus.

„Er hält es offensichtlich für möglich. Zwischen Ihnen beiden muss etwas gewesen sein.“

„Und wenn schon, da gibt es ja wohl feine Unterschiede, oder?“, fauchte sie. Aus Angst, zu viel zu sagen, hielt sie dann aber lieber den Mund.

„Also bestrafen Sie ihn dafür, dass ihm Ihre Beziehung weniger bedeutete als Ihnen?“

„Seine Freundinnen haben für ein einziges Kleid mehr Geld ausgegeben, als ich genommen habe! Und er versucht, mich deswegen ins Gefängnis zu bringen!“ Sie fuhr herum. „Was für eine Beziehung ist das?“

„Also bestrafen Sie ihn dafür, dass er versucht hat, Sie ins Gefängnis zu bringen? Oder weil er Ihnen kein Kleid gekauft hat?“

„Ich bestrafe ihn nicht“, murmelte Sirena und drehte sich wieder zum Fenster, durch das man auf den regennassen Hyde Park hinausblickte.

„Nein, Sie bestrafen Ihr Kind, indem Sie ihm den Vater vorenthalten – ob es jetzt Raoul Zesiger ist oder irgendein anderer. Ich bin Vater. Und ich weiß, man tut einem Kind nichts Gutes, wenn man ihm einen Elternteil vorenthält. Haben Sie Grund zu glauben, er würde dem Baby kein guter Vater sein?“

Ganz im Gegenteil, dachte sie, und die Sehnsucht ließ ihr Herz schwer werden. Sie hatte gesehen, wie Raouls Stiefschwester ihn anbetete und dass er die junge Frau mit seiner Zuneigung verwöhnte. Raoul wäre ein wunderbarer Vater.

Es schnürte ihr den Hals zu. Ja, sie war wütend auf ihn. Und außerdem hatte sie Angst, ihr Kind könnte den Vater der Mutter vorziehen. Aber das war noch lange kein Grund, dem Baby nicht beide Elternteile zu geben.

„Haben Sie an die Zukunft Ihres Kindes gedacht?“, hakte John nach. „Es gibt da so gewisse Dinge wie Ansprüche auf eine gute Ausbildung, Erbschaften …“ Sie musste das Kind doch erst einmal auf die Welt bringen! Nur darauf hatte sie sich während der letzten Wochen konzentriert.

Sirena schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihre Mutter war im Kindbett gestorben, auch ihr kleiner Bruder hatte die Geburt nicht überlebt. Sie selbst stand unter ständiger ärztlicher Beobachtung. Sie arbeitete so gut wie gar nicht mehr und konnte daher auch kaum noch ihre Rechnungen bezahlen. Der Stress ließ die Ergebnisse der Untersuchungen immer besorgniserregender aussehen.

Sie versuchte nicht daran zu denken, was alles schiefgehen konnte. Aber zum ersten Mal überlegte sie jetzt doch, was wäre, wenn sie sich nicht um das Kind kümmern könnte. Ihr Vater, dessen zweite Frau und ihre Halbschwester waren weit weg in Australien. Es würde Tage dauern, bis sie hier wären – falls ihre Stiefmutter es ihnen überhaupt erlauben würde. Faye rümpfte sowieso die Nase über ihre ungeplante Schwangerschaft, zumal sie noch nicht einmal verheiratet war.

„Sirena, ich versuche nicht …“

„Mir Gewissensbisse einzureden?“, warf sie ein. „Am Montag habe ich einen Termin bei einem Spezialisten. Sagen Sie ihm, dass ich mich danach mit seinem Angebot befasse. Ende nächster Woche melde ich mich.“

„Dann ist er also der Vater.“

„Das wird der Vaterschaftstest zeigen“, erwiderte Sirena und klammerte sich an diesen letzten Trumpf.

Seit Wochen drehten Raouls Gedanken sich im Kreis. Wäre Sirena von ihm schwanger, hätte sie das doch sicher benutzt, damit er sie nicht ins Gefängnis brachte. Da sie es nicht gemacht hatte, war das Kind wohl nicht von ihm. Trotzdem hätte sie von ihrem Zustand Gebrauch machen können, um das Gericht milde zu stimmen. Hatte sie aber nicht. Was wiederum hieß, dass sie die Schwangerschaft vor ihm verbergen wollte. Und das ließ ihn schließlich glauben, es wäre doch sein Kind.

Aber am meisten setzte ihm die Frage zu: Wenn er es nicht war, wer war dann der Vater?

Raoul warf finstere Blicke um sich, wenn er durch seine Büros in den verschiedenen Hauptstädten ging und ihm bewusst wurde, dass es dort eine Menge Männer gab, mit denen Sirena hätte anbandeln können. Mit ihrem sexy Körper und dem warmen Lächeln!

Der Gedanke weckte einen tiefen Widerwillen in ihm. Allerdings hatte niemand je auch nur die geringste Andeutung gemacht, seine Assistentin würde häufig ihre Partner wechseln. Aber sie war auch keine Jungfrau mehr gewesen, als er mit ihr im Bett gewesen war.

Er unterdrückte ein Stöhnen und versuchte, nicht an jenen verrückten Nachmittag zu denken. Jeden Tag kämpfte er gegen die Erinnerung an ihr leidenschaftliches Zusammensein an. Und jede Nacht erwachte sie aufs Neue. Im Traum strich ihr weiches Haar über seine Haut, wurde ihr verlegenes Kichern zu einem erstaunten Luftschnappen, wenn sie ihn streichelte. Ihr hingebungsvolles Stöhnen, wenn er das Zentrum ihrer Lust fand, ließ ihn fast im Schlaf kommen.

Ein Platzregen hatte Sirena damals durch die offene Tür auf ihn zustolpern lassen, und höflich wie er war, hatte er sie aufgefangen. Ein weicher Frauenkörper hatte sich an seinen gepresst, der bereits von Hunger nach Sex erfüllt war.

Erstaunt hatte sie ihn angesehen, als sie seine Erektion fühlte. Die Lippen halb geöffnet, betrachtete sie dann seinen Mund. Es war, als hätte sie ihr halbes Leben darauf gewartet, dass er sie küsste …

Fluchend stand Raoul auf und ging in seinem Pariser Büro auf und ab. Nach dem Versuch, mit Sirena abzurechnen, war er von London hierher geflüchtet. Er erinnerte sich an einen anderen Blick. An den versteinerten Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, als der Rechtsanwalt ihre Schwangerschaft erwähnte.

Das Baby war von ihm. Sein Bauchgefühl sagte es ihm. Sie hatte ja keine Ahnung, wie weit er gehen würde, wenn es um sein Kind ging!

Aber wieso versuchte sie nicht, Unterhalt von ihm zu erpressen?

Nichts machte einen Sinn. Hätte sie doch nur ein Wort gesagt! Sie hatten sich doch so unglaublich gut verstanden. Manchmal genügte nur ein Blick …

Alles nur Lügen, ermahnte er sich. Alles nur Tricks, damit er ihr vertraute. Und das hatte ja auch geklappt. Trotz all seiner Erfahrung mit schamlosen Betrügern hatte er nicht gemerkt, dass man Sirena nicht vertrauen durfte.

Und warum, zum Teufel, benahm er sich plötzlich wie sein Vater und trieb es mit seiner Assistentin? Sein Vater hatte sich damals wegen einer Affäre am Arbeitsplatz umgebracht. Deswegen hatte er, Raoul, es sich zur eisernen Regel gemacht, gar nicht erst in so eine Situation zu kommen.

Es stimmte schon, bereits beim Einstellungsgespräch hatte Sirena ihn gereizt. Trotzdem hatte er ihr den Job gegeben. Auch weil er glaubte, einen stärkeren Charakter zu besitzen als sein Vater.

Jetzt ärgerte es ihn maßlos, dass er trotz aller guten Vorsätze schwach geworden war. Aber damit wäre er noch klargekommen, wenn sie ihn nicht betrogen hätte. Plötzlich war er nicht nur wie sein Vater, sondern auch wie seine Mutter. Sie hatte sich mit Worten einlullen lassen und naiv zugesehen, wie der Vater das Konto plünderte.

Ich wollte es doch zurückzahlen.

Er versuchte, Sirenas klare Stimme aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Es war zu erwarten, dass sie so etwas behauptete. Menschen wie Sirena musste eine Lektion erteilt werden.

Er starrte auf seinen übervollen Schreibtisch und verfluchte die Zeit, die er bei Gericht verschwendet hatte statt zu arbeiten.

Wenigstens hatte er ihr keine leitende Position verschafft. Das war sein einziger Trost. Was hätte sie für einen Schaden anrichten können! Undenkbar.

Schließlich hatte er ihr ein scharf formuliertes Ultimatum gestellt. Und bekam feuchte Hände, wenn er daran dachte, dass sie auch dieses Schreiben zurückweisen könnte. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er Schluss meinte, wenn er Schluss sagte. Aber noch nie ging es für ihn um so etwas Wertvolles wie sein eigenes Fleisch und Blut. Und wenn sie wieder ablehnte …

Nein, das würde sie nicht. Sie würde erkennen, dass er seine Grenzen erreicht hatte, und Kasse machen.

Wie zum Beweis erhielt er eine E-Mail von seinem Anwalt.

Sirena Abbott habe am Montag eine Verabredung und wolle sich den Rest der Woche die Zeit nehmen, über alles nachzudenken.

Raoul kochte innerlich. Albernes Weib! Wenn er Montag sagte, meinte er auch Montag.

Als Sirena das Haus betrat, waren ihre Gedanken immer noch bei dem, was der Arzt gesagt hatte. Dass sie sich ausruhen müsse. Sie musste sich auch unbedingt über die Nebenwirkungen der Medikamente informieren, die er ihr verschrieben hatte.

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nichts von ihrer Umgebung wahrnahm, bis eine schlanke männliche Gestalt aus dem Halbdunkel auf sie zutrat. Als sie erkannte, wer vor ihr stand, begann ihr Puls zu rasen, und sie ließ den Schlüsselbund fallen.

An die Glastür gepresst, zog sie unwillkürlich den Mantelkragen enger um ihren Hals. Der vertraute Duft überwältigte sie. Das dämmrige Licht des späten Nachmittags warf düstere Schatten auf die scharfen Gesichtszüge. Wie immer wirkte er unwiderstehlich.

„Hallo, Sirena.“

Diese Stimme.

„Was machst du hier?“ Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie durfte sich doch nicht aufregen. Zum Glück hatte sie in den zwei Jahren gelernt, ihr mädchenhaftes Erröten und ihre ehrfurchtsvolle Bewunderung zu verbergen. Entschlossen hob sie das Kinn. So schnell würde sie sich nicht einschüchtern lassen.

„Du hast doch wohl nicht geglaubt, ich würde bis Freitag warten“, sagte er kalt.

„Ich habe nicht geglaubt, dass du mir vor meiner Tür auflauern würdest“, meinte sie und fügte betont höflich hinzu: „Ich sehe morgen die Unterlagen durch. Versprochen.“

Raoul schüttelte herablassend den Kopf. „Heute, Sirena.“

„Es war ein langer Tag. Mach ihn nicht noch länger.“ In ihrer Stimme schwang mehr Müdigkeit mit, als sie eigentlich zeigen wollte.

Er kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Was war das für ein Termin, den du hattest? Ein Arzttermin?“

Sie ahnte, dass es besser war, ihm nicht zu sagen, wie beunruhigend die Neuigkeiten waren. Aber die Untersuchungen hatten ihr eines klargemacht: Wenn sie geglaubt hatte, sie müsste nicht in das gemeinsame Sorgerecht einwilligen, so wusste sie jetzt, dass es keinen anderen Weg gab.

Autor

Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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