Tausend mal berührt, heut' Nacht verführt?

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"Du musst mir helfen!" Verzweifelt bestürmt Lucy den attraktiven Anwalt Gabriel Blake. Seit Jahren ist er wie ein großer Bruder für sie und kennt sie in- und auswendig. Da weiß er doch bestimmt auch, wie sie sich verhalten muss, damit sie endlich einen Heiratsantrag von ihrem Freund bekommt! Aber kaum hat Lucy sich mit Gabriels Hilfe in eine verführerische Femme fatale verwandelt, geschieht etwas gänzlich Unerwartetes. Plötzlich knistert es so heiß zwischen Gabriel und ihr, dass sie sich fragen muss, ob sie nicht die ganze Zeit von dem falschen Mann geträumt hat …


  • Erscheinungstag 28.04.2015
  • Bandnummer 0009
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701611
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Willst du …?“

Lucy Telford klopfte das Herz bis zum Hals. Erwartungsvoll beugte sie sich vor. Ihr Mund war leicht geöffnet, ihre grünen Augen leuchteten. Sie war sich so absolut sicher, wie der Satz enden würde, dass sie einen Moment glaubte, die Worte „mich heiraten“ tatsächlich gehört zu haben.

Doch als ihr Gehirn wieder funktionierte und sie es schaffte, ihre Gedanken einigermaßen zu ordnen, musste sie feststellen, dass Ed bereits zur Beschreibung der zum Verkauf stehenden Cottages am Rande von Bath übergegangen war. Und dass er ihr keinen Antrag machen, sondern sie um Geld bitten wollte.

Sie unterdrückte ein Stöhnen. Es war schon wieder passiert.

Früh am nächsten Morgen lenkte Lucy ihren Wagen durch die ruhigen Straßen der Stadt. Ihre Laune war angesichts der Geschehnisse des vergangenen Abends alles andere als gut. Männer! Einmal mehr hatte sich gezeigt, dass sie einfach nicht fähig waren, einen offensichtlichen Wink mit dem Zaunpfahl zu erkennen.

In Gedanken ging sie die ganze Liste noch einmal durch: Valentinstag. Korrekt! Verabredung mit dem Partner, seit zwei Jahren fest zusammen. Korrekt! Reservierung im Lieblingsrestaurant, Lieblingsblumen für sie zur Begrüßung, plus der Hinweis, er wolle sie etwas Besonderes fragen.

Sie seufzte. Welche Frau hätte in dieser Situation keinen Antrag erwartet? Hinzu kamen noch die verschiedenen Andeutungen, die sie ihm gegenüber im Laufe der letzten sechs Monate hatte fallen lassen. Himmel, irgendwann musste er es doch endlich kapieren!

Lucy umfasste das Lenkrad fester. Das Gesicht, das ihr aus dem Rückspiegel entgegenblickte, wirkte entschlossen, wobei die dunklen Locken, die es umrahmten, noch widerspenstiger wirkten als sonst. Und genauso fühlte sie sich auch.

Widerspenstig.

Der Rest des vergangenen Abends verschwamm in ihrer Erinnerung. Besser war es auf jeden Fall nicht geworden. Auch später nicht, als sie ruhelos in ihrem Bett lag und sich hin und her wälzte. Ihre Gedanken hatten sich wild im Kreis gedreht, bis ihr etwa um zwei Uhr morgens endlich eingefallen war, wie sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen konnte.

Sie lenkte ihren Wagen in eine Parklücke in einer der reizenden kleinen Seitenstraßen von Bath. Die hellgelben Fassaden der Reihenhäuser schimmerten in der Wintersonne. Es war ein perfekter Februarmorgen, eisig kalt, aber sonnig. Seit sie ihre Bäckerei betrieb, war sie an frühes Aufstehen gewöhnt, und sie liebte den Anblick der noch halb schlafenden Stadt. Heute Morgen jedoch besaß sie dafür keinen Blick.

Sie stellte den Motor ab, stieg aus und betrat das dreistöckige Gebäude, in dem der einzige Mensch wohnte, dem sie rückhaltlos vertrauen konnte. Der Mensch, der immer ein offenes Ohr für sie hatte, bei dem sie ihrem Ärger Luft machen durfte und der mit seiner ehrlichen Meinung nie hinter dem Berg hielt. Ihr bester Freund seit Kindertagen. Ihr Vertrauter. Eine Art großer Bruder, der sie beschützte.

Und der sich gleich von dem Gedanken verabschieden durfte, einen gemütlichen Sonntagvormittag im Bett zu verbringen.

Gabriel versuchte, sich ein Kissen aufs Gesicht zu drücken und sich gleichzeitig die Ohren zuzuhalten, doch das Geklingel erreichte ein noch nervtötenderes Level. Er öffnete ein Auge und linste nach der Uhr auf dem Nachtisch. Sieben Uhr dreißig. Er kannte nur eine Person, die an einem Sonntag so früh aufstand.

Das Klingeln ging unverdrossen weiter, während er aus dem Bett kroch und schlaftrunken die Treppe hinunterwankte. Dunkles Haar stand in allen Himmelsrichtungen von seinem Kopf ab, ein sexy Bartschatten umgab sein markantes Kinn. Er rieb sich die schmerzenden Augen.

Mittlerweile hatte der Störenfried es aufgegeben, immer wieder auf den Klingelknopf zu drücken, stattdessen ließ er ihn gar nicht mehr los. Das Ergebnis war ein konstantes Schrillen, das Gabriels drohendem Kater überhaupt nicht guttat.

Er öffnete die Tür einen Spalt und kniff rasch die Augen vor der gleißenden Morgensonne zusammen. „Lucy, es ist halb acht an einem Sonntag“, knurrte er. „Was, zur Hölle, tust du hier?“

„Deine Augen sind zu. Woher wusstest du, dass ich es bin?“

„Niemand sonst würde es wagen, mich um diese Zeit zu stören.“ Er hob vorsichtig die Lider. „Vor allem nicht an einem Sonntag.“

Lucy beugte sich vor und spähte an ihm vorbei ins Innere des Hauses. „Ist jemand bei dir?“, fragte sie direkt. „Wenn ja, wirf sie raus. Das hier ist ein Notfall.“

Gabriel fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, verstrubbelte es dabei noch mehr und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich bin allein. Was meinst du mit Notfall? Geht es dir gut?“

„Ich kann darüber nicht zwischen Tür und Angel reden. Lass mich rein.“

Müde wich er zur Seite, woraufhin sie unverzüglich an ihm vorbei in Richtung Küche stürmte. Sehnsüchtig warf er einen Blick zu der geschwungenen Treppe, die in sein Schafzimmer hinaufführte, und hisste innerlich die weiße Fahne. Er machte sich nichts vor: Jetzt, da er Lucy ins Haus gelassen hatte, war an Schlaf nicht mehr zu denken. Resigniert schloss er die Tür und ging ebenfalls in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.

Als er den Raum betrat, drehte Lucy sich zu ihm um. Erst jetzt erkannte er mit wachsender Verzweiflung, dass sie Jogging-Klamotten trug. Dreiviertellange Leggins umschmeichelten ihre langen Beine und ließen erkennen, wie fit und durchtrainiert sie war. Ihre Figur schien so zart, dass sie in weiten Kleidern fast zerbrechlich wirkte. Ironie des Schicksals, dachte er manchmal, dass jemand, dessen Lebensinhalt die Herstellung von Torten war, so schlank sein konnte. Die Haare hatte sie zu einem schlichten Pferdeschwanz zusammengefasst, doch wie immer waren einige Strähnen dem Band entkommen. Dieser Look konnte nur eines bedeuten: Sie wollte ihn zum Joggen überreden – dabei fehlten ihm noch mindestens drei Stunden Schlaf. Vorsichtig geschätzt.

Kurz bevor er endgültig wütend wurde, bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren grünen Augen und die Traurigkeit, die sich in ihnen spiegelte. Seit sie einander zum ersten Mal begegnet waren – sie war damals sechs, er acht Jahre alt gewesen –, fühlte er sich verpflichtet, sie zu beschützen. Deshalb verwarf er nun sein Vorhaben, Kaffee zu kochen, und schloss sie stattdessen fest in die Arme. Ihre Schultermuskeln waren völlig verkrampft, ihre Hände auf seinem nackten Rücken eiskalt. Die Spannung, unter der sie stehen musste, war enorm.

„Was ist los?“, flüsterte er. Ihr Kopf passte genau unter sein Kinn, ihre Haare kitzelten seine Wangen. Er atmete den leichten Zitronenduft ihres Shampoos ein, wobei ihm einfiel, dass auch er eine Dusche gebrauchen könnte. Lucy hingegen schien es nicht zu bemerken. Und normalerweise war sie die Erste, die ihn darauf hinwies, wenn sie das Essen vom vergangenen Abend an ihm riechen konnte. „Sag mir, dass es etwas Ernstes ist“, fügte er, nun etwas lauter, hinzu. „Etwas, das rechtfertigt, dass du mich vor elf an einem Sonntag aus dem Bett klingelst.“

Unglücklich schaute sie ihn an.

„Oh Gott, nicht deine Eltern, oder?“, stieß er erschrocken hervor. „Ist einer von ihnen krank?“

Sie zog sich auf Armeslänge von ihm zurück und musterte ihn ungläubig. „Meine grauenhaften Eltern besitzen in meinem Leben nicht gerade Priorität, das müsstest du doch wissen.“

„Okay“, gab er nach. „Offensichtlich hat es nichts mit deinen wundervollen Eltern zu tun.“ Dass Lucy das Gesicht verzog, ignorierte er geflissentlich. „Aber auf Ratespielchen habe ich jetzt wirklich keine Lust. Also setz dich hin und erzähl mir, was passiert ist.“

Er führte sie ins Wohnzimmer, räumte einen Stapel Zeitungen beiseite und zog Lucy neben sich auf das weiche weiße Sofa. Sie blickte auf ihre zarten Hände, auf die kurzen Nägel, die nie lackiert waren, weil sich das mit dem Backen nicht vertrug.

„Es geht um Ed“, sagte sie knapp. Abwesend hob sie eine Hand und begann, an einem Nagel zu knibbeln.

„Ich wusste es!“, entfuhr es ihm. „Sag schon: Was hat der Idiot jetzt wieder angestellt?“

Gabriel schüttelte den Kopf. Er hatte keine wirkliche Meinung zu Ed. An dem Mann gab es nichts, was starke Gefühle auslöste – weder in die eine noch in die andere Richtung. Er schien Lucy gut zu behandeln und mischte sich nicht in ihre Freundschaft ein. Mehr interessierte Gabriel nicht.

„Es geht nicht darum, was er getan hat“, erklärte sie, wobei sich Traurigkeit in ihrem Blick spiegelte. „Sondern darum, was er nicht getan hat.“

„Ich kann dir nicht ganz folgen.“

Sie seufzte. „Ed und ich sind jetzt seit zwei Jahren zusammen, und eigentlich läuft alles gut. An Weihnachten dachte ich, das wäre es jetzt …“

„Was wäre was?“ Die Kopfschmerzen wurden stärker. Er wünschte, Lucy würde endlich auf den Punkt kommen.

„Als er mir die Kette geschenkt hat. Die mit dem Mondanhänger, erinnerst du dich?“

Gabriel hatte keine Ahnung, was sie meinte, nickte aber trotzdem.

„Er hat mir die Schachtel mit dieser großen Geste überreicht, und da dachte ich halt, jetzt kommt’s! Ich würde sie öffnen, und darin läge der Ring.“ Sie hielt eine Hand vor sich ausgestreckt, als würde sich darauf gleich ein Ring materialisieren.

Endlich verstand Gabriel. Darum ging es also! „Du hast auf einen Antrag gehofft und stattdessen eine Kette bekommen?“ Er lachte und verspürte einen Anflug von Mitgefühl für Ed. Frauen! Manchmal konnte man es ihnen einfach nicht recht machen. „Hey, zumindest hat er dir ein hübsches Schmuckstück geschenkt!“

„Du übersiehst das Wesentliche!“ Verärgert hob sie die Hände. „Welcher Tag war gestern?“

Gabriel kratzte sich am Kopf. „Jetzt hast du mich erwischt … Samstag?“

Sie versetzte ihm einen Schubs. „Nein, du Idiot! Es war Valentinstag. Das musst du doch wissen. Der Postbote hat sich wahrscheinlich einen Hexenschuss eingefangen bei der Menge an Karten, die er zu deinem Briefkasten geschleppt hat.“ Sie wandte sich ab und murmelte angewidert: „Ich kann nicht fassen, dass du es vergessen hast.“

„Na klar, Valentinstag. Ein paar Karten habe ich tatsächlich bekommen.“ Er warf einen Blick auf den Papierkorb neben der Couch, in den er alle Karten geworfen hatte.

„Deine Karten sind mir völlig egal!“, stellte sie klar. „Es war Valentinstag, und Ed hat einen Tisch bei unserem Lieblingsitaliener reserviert. Und er hat mir gesagt, er wolle etwas Wichtiges mit mir besprechen. Und da dachte ich halt …“

Gabriel verdrehte die Augen. Er ahnte, wohin die Geschichte führte. „Du dachtest, er würde dir einen Antrag machen“, schlussfolgerte er.

„Ja.“

„Und? Hat er?“

„Nein! Er hat mir von dieser Investmentchance erzählt und mich gefragt, ob ich Geld investieren will. Die Bäckerei läuft ja ziemlich gut, und …“ Sie stockte.

Gabriel biss sich auf die Unterlippe. Hin und hergerissen zwischen dem Drang, laut aufzulachen und dem Wunsch, sie tröstend in die Arme zu ziehen, musterte er Lucy aufmerksam. Natürlich wusste er, dass sie insgeheim von einer glücklichen Zukunft träumte. Ehe, zwei Komma vier Kinder und ein Hund. Wie sollte es nach ihrer schwierigen Kindheit auch anders sein? Selbstverständlich wollte sie ihre eigene Familie gründen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass es so bald akut wurde. Und Ed hätte er niemals für einen …

Ja, für was eigentlich? Für einen Konkurrenten gehalten? Ganz unerwartet zog sich sein Magen zusammen. Wo, um alles in der Welt, war denn dieser Gedanke hergekommen? Er brauchte wirklich Schlaf, er konnte ja nicht mehr klar denken. Aufstöhnend hob er die Hände und massierte langsam seine Schläfen. „Lu, er hat es doch nicht getan, um dich zu ärgern … Vielleicht hat er gar keine Ahnung, wie du empfindest. Hast du es ihm denn gesagt?

Sie schüttelte den Kopf.

„Du weißt doch, wie Ed ist. Wahrscheinlich ist ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass du gerne einen Antrag von ihm bekommen würdest.“ In der Tat hielt er Ed nicht gerade für den Allerhellsten. Doch selbst wenn er ein Genie gewesen wäre – Gedankenlesen überstieg auf jeden Fall seine Fähigkeiten. „Aber das bedeutet doch nicht, dass er in eurer Beziehung unglücklich ist.“

Sie hob die Schultern.

Gabriel hatte keine Ahnung, wieso – aber auf einmal verspürte er den Drang, ihr diese komischen Heiratspläne auszureden. Das hatte nichts damit zu tun, dass er Ed nicht mochte, nein. Im Grunde war der Typ ihm völlig egal. Lucy hingegen … Himmel, sie war noch nicht einmal dreißig und viel zu ehrgeizig, um sich mit einem Leben in häuslicher Spießigkeit zufriedenzugeben. Außerdem war der Wunsch, so bald wie möglich vor den Altar zu treten, bestimmt nur wieder eine ihrer vorübergehenden Launen. Er kannte sie. Manchmal setzte sich eine verrückte Idee in ihrem Kopf fest, der sie sich dann mit Herz und Seele hingab … nur um sich keine zehn Minuten später wieder anderen Dingen zuzuwenden. Der einzigen Sache, die sie sich bislang mit absoluter Ausdauer gewidmet hatte, war kreatives Backen.

Er nickte, wie um sich selbst zuzustimmen. Jetzt waren klare Worte angezeigt. „Ich denke, du solltest dich von dieser fixen Idee verabschieden, demnächst Hochzeit zu feiern. Schau, heutzutage ist eine Ehe doch längst nicht mehr das eine erstrebenswerte Ziel im Leben. Viele Menschen führen eine langjährige Beziehung ohne Trauschein und sind sehr glücklich. Und vergiss nicht, deine Bäckerei floriert. Ed glaubt vielleicht, es besteht kein Grund zur Eile. Und damit liegt er ganz richtig.“

Vehement schüttelte Lucy den Kopf. „Du verstehst mich nicht. Ja, ich kenne auch viele Leute, die nicht heiraten, und das kann auch jeder halten, wie er will. Aber hier geht es um mich. Und mir reicht ein einfaches Zusammenleben eben nicht.“ Mit funkelnden Augen schaute sie ihn an. „Meine Eltern haben auch auf eine Hochzeit verzichtet, und einer von beiden wollte immer gerade ausziehen, war dabei auszuziehen oder hat es schon getan. Wären sie verheiratet gewesen, hätten sie alles vielleicht ein bisschen ernster genommen.“ Sie ballte eine Hand zur Faust und presste sie gegen ihren flachen Bauch. „Für Ed gibt es keine Entschuldigung. Wenn wir übers Heiraten im Allgemeinen reden, ist er immer Feuer und Flamme. Und wir haben oft darüber gesprochen.“

Gabriel stand auf und machte sich auf den Weg zurück zur Küche. Er brauchte Kaffee und Schmerztabletten, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

„Immer sagt er, er möchte eines Tages heiraten“, rief sie ihm nach. „Aber wenn es darum geht, es tatsächlich zu tun, kneift er.“ Sie stieß ein lautes Seufzen aus. „Offensichtlich fühle ich mich von Männern mit Bindungsangst angezogen. Und genau deshalb sollst du mir helfen.“

Auf der Türschwelle blieb er stehen, drehte sich um und musterte sie misstrauisch. „Was meinst du damit? Wie soll ich dir denn dabei helfen?“

„Na, du hattest doch schon so viele Freundinnen, oder etwa nicht? Und du bist der bindungsscheuste Mensch, den ich kenne.“

„Nun, ja … ich meine, nein!“ Er versuchte zu ergründen, ob ihre Worte ein Kompliment darstellten oder eine Beleidigung. Vermutlich beides, dachte er schließlich. „Inwiefern ist das von Bedeutung?“

„Also, ich habe mich entschieden, die Sache selbst in die Hand zu nehmen“, erklärte sie. „Es macht keinen Sinn zu warten, bis Ed die Kurve kriegt. Bevor das passiert, bin ich neunzig. Und meine innere Uhr tickt.“

„Okay, können wir diese Sache mit der Uhr auslassen? Männer wollen nichts von biologischen Zeitbomben hören. Falls du das Ed gegenüber mal erwähnt hast, könnte das der Grund sein, weshalb du jetzt hier sitzt.“

Rasch hob sie eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Genau das meine ich. In diesen Dingen bist du der Experte.“

Fragend zog er eine Braue hoch.

„Du sollst mich beraten“, erklärte sie. „Mir sagen, was ich falsch einschätze. Warum brennt er denn nicht darauf, mir einen Ring an den Finger zu stecken?“ Allmählich kam sie richtig in Fahrt „Du verfügst über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, den ich nur anzuzapfen brauche, und könntest mir zeigen, was ich tun muss, um unwiderstehlich auf ihn zu wirken. Und dann …“ Sie schlenderte an ihm vorbei in die Küche. Er hörte, wie sie anfing, den Wasserkocher zu befüllen. „Und dann werde ich ihm einen Antrag machen. Am neunundzwanzigsten Februar.“

Fassungslos starrte er sie an. Hatte sie jetzt komplett den Verstand verloren?

„Wir haben ein Schaltjahr“, erläuterte sie. „An diesem Tag haben Frauen die Chance, ihren Männern einen Antrag zu machen. Nein, nicht die Chance, sondern das Recht. Und du wirst mir helfen, es so zu tun, dass er gar nicht anders kann, als Ja zu sagen.“

Inzwischen war sein Kater vollends vergessen, und er stürmte hinter ihr in die Küche. Er wusste ja, dass sie ab und an die verrücktesten Ideen überkamen, aber diese hier …„Nein!“, stellte er klar. „Auf gar keinen Fall.“

„Warum nicht?“ Stirnrunzelnd wandte sie sich zu ihm um. „Ich dachte, wir sind Freunde.“

„Sind wir auch. Aber ich habe ganz einfach keine Zeit, dich mit der männlichen Gedankenwelt vertraut zu machen. Und selbst wenn ich sie hätte …“

„Ja?“

„Das bringt doch alles nichts, Lucy. Du musst Ed gegenüber das Problem direkt ansprechen und ihm sagen, wie unglücklich du bist.“

„Glaubst du denn, das hätte ich nicht schon versucht?“ Ein wütender Unterton schlich sich in ihre Stimme. „Genau das habe ich doch an Weihnachten getan. Er war sich über meine Gefühle absolut im Klaren und hat mich trotzdem vertröstet.“ Sie setzte zwei Tassen so hart auf der Arbeitsplatte ab, dass Gabriel erschrocken zusammenzuckte. „An meinem Geburtstag hat er mir Parfüm geschenkt. Noch eine verpasste Gelegenheit! Und jetzt Valentinstag, der romantischste Tag des Jahres. Und wir verbringen ihn damit, Investmentchancen zu diskutieren.“

Gabriel schüttelte eine ordentliche Portion Instantkaffee in seine Tasse. Wenn er dieses Gespräch überleben wollte, brauchte er so viel Koffein wie möglich. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass er vielleicht nicht der Richtige ist?“

Die Wut wich aus ihrem Gesicht und machte Verzweiflung Platz. „Er ist der Richtige, Gabe. Wir kommen hervorragend miteinander aus. Er unterstützt mich, bringt mich zum Lachen, und ich liebe ihn. Er ist auch selbstständig, also versteht er, dass ich abends und am Wochenende nicht immer Zeit habe.“

Nichts davon klang in Gabriels Ohren wie untrügliche Zeichen wahrer Liebe, sondern vielmehr nach unverhoffter Freizeit, die Ed mit seinen Kumpels verbringen konnte, um Fußballspiele zu schauen.

„Bitte, Gabriel, eines Tages werde ich dasselbe für dich tun.“

„Ich brauche absolut keine Nachhilfe darin, Frauen einen Antrag zu machen.“

„Das wollte ich auch nicht vorschlagen. Ich meinte nur, dass ich dir einen Gefallen schulde. Ich weiß, dass du seit Alisons Tod keine feste Beziehung mehr willst.“ Unsicher sah sie ihn an. Ihr war klar, dass ihre Worte einen wunden Punkt trafen.

Er verspürte einen Stich in der Brust, dort, wo er sein Herz vermutete. Es war nicht fair, Alison zu erwähnen. Die meiste Zeit über bemühte er sich, die Erinnerungen irgendwo ganz tief in seinem Inneren wegzuschließen. Und ganz sicher hegte er nicht die Absicht, jetzt über sie zu sprechen. Er bemühte sich um eine möglichst gleichgültige Miene und wechselte rasch das Thema. „Aber wenn du mir schon einen Gefallen schuldest …“ Er wirbelte herum und griff nach einer Karte mit goldenen Verzierungen, die mit einem Magnet am Kühlschank befestigt war. „Begleitest du mich zu einer Party meiner Kanzlei?“ Er reichte ihr die Einladung, die sie aufmerksam betrachtete.

„Du willst mich als Date zu einem Arbeitsessen?“, fragte sie. „Ich dachte, die Frauen stehen bei dir Schlange. Kann das nicht diese Tabitha übernehmen? Oder Agatha? Verflixt, ich habe den Überblick verloren.“

„Mit Tabitha habe ich vor Monaten Schluss gemacht. Bestimmt meinst du Susan?“

„Wer, zur Hölle, ist Susan?“

Er winkte ab. „Spielt keine Rolle. Ich habe mich letzte Woche von ihr getrennt. Sie wurde ein bisschen zu aufdringlich.“ Da er keinen Löffel entdecken konnte, rührte er seinen Kaffee mit einer Gabel um.

„Tja, dann solltest du jemand Neues kennenlernen.“ Mit großer Geste blickte sie auf ihre Uhr. „Und zwar bald. Die Party findet in zwei Wochen statt, dann dürftet ihr am Höhepunkt eurer Beziehung angelangt sein. Problem gelöst, mich brauchst du dazu nicht.“ Sie reichte ihm die Karte und griff nach ihrer Tasse. „Außerdem reden wir hier nicht über deine Verabredungslappalien, sondern über meine Probleme.“

Gabriel schüttelte den Kopf. „Du hast mich nicht verstanden. Die Party ist wichtig, ich kann nicht irgendwen mitnehmen. All unsere Klienten werden dort sein, ebenso die Seniorpartner der Kanzlei. Ich brauche eine Begleiterin, die nicht zu auffällig ist und sich nicht ununterbrochen an mich klammert. Und genau da kommst du ins Spiel. Tabitha wird übrigens auch dort sein, da sie für uns arbeitet. Unsere Trennung verlief nicht sonderlich nett.“

Lucy kniff die Augen zusammen. „Soll das ein Witz sein?“ Sie schüttelte den Kopf. „Hast du dich eigentlich nie gefragt, ob deine Schwierigkeiten vielleicht daher rühren könnten, dass du auf den falschen Frauentyp stehst? Oder – was für eine entsetzliche Vorstellung – daher, wie du deine Partnerinnen behandelst? Ich meine, dein Interesse an ihnen erlischst doch schon nach ein paar Verabredungen.“

„Ich bin immer ehrlich und vermittle nie den Eindruck, ich sei auf eine ernsthafte Beziehung aus“, verteidigte er sich. „Aber die Sache ist die, dass ich eben auch mit ein paar Frauen aus der Kanzlei ausgegangen bin. Du bist als gute Freundin von mir bekannt. Also wird es keine Eifersüchteleien geben. Von dir wird sich niemand bedroht fühlen. Problem gelöst.“

Lucy lachte zynisch auf. „Davon bin ich nicht überzeugt. Deine Exfreundinnen sind nicht gerade meine größten Fans. Frauen misstrauen stets einem weiblichen besten Freund.“

„Nein, nein, sie haben immer gesagt, dass sie dich mögen.“

„Natürlich behaupten sie das. Sie wollen dir ja gefallen. Meine Güte, ein bisschen Einsicht in die weibliche Logik könnte dir wirklich nicht schaden.“ Sie seufzte. „Okay, schließen wir ein Abkommen. Ich gehe mit dir zu dieser Party, dafür hilfst du mir bei meinem Vorhaben. Ich brauche dringend Einsicht in die männliche Psyche.“ Erwartungsvoll schaute sie ihn an. „Also? Abgemacht? Ich glaube, wir können gleich anfangen. Lass uns am Fluss joggen gehen, dann können wir erste Details besprechen.“ Sie stand auf und vollführte ein paar einfache Dehnübungen.

Entsetzt und fasziniert zugleich sah er ihr zu. „Du bist verrückt, wenn du ernsthaft denkst, ich würde jetzt irgendwohin laufen. Ich bin erst um drei ins Bett gekommen.“

Er stutzte. Ging es ihm wirklich nur darum? Unvermittelt verspürte er heftigen Widerwillen, ihr behilflich zu sein, den Heiratsantrag für Ed einzufädeln. Rasch schob er den Gedanken beiseite. Warum sollte es ihn kümmern, ob sie heiratete? Schließlich wollte er nichts anderes, als sie glücklich zu sehen. Außerdem standen die Chancen nicht schlecht, dass sie sich in ein paar Wochen gelangweilt von ihrer Idee abwandte – und wenn er sie auf ein paar von Eds Fehlern aufmerksam machte, konnte er diese Zeit vielleicht sogar beschleunigen. Im Augenblick schien jedenfalls das Sinnvollste zu sein, einfach mitzuspielen.

„Lass mich weiterschlafen, dann komme ich morgen Abend zu dir“, schlug er vor. „Ich bringe sogar eine Flasche Wein mit. Also, was ist? Abgemacht?“

2. KAPITEL

Nachdem Lucy gegangen war, ließ Gabriel sich dankbar wieder ins Bett fallen. Doch sosehr er sich auch bemühte, an Einschlafen war nicht mehr zu denken.

Sie will heiraten, sie will wirklich heiraten! Er kam einfach nicht darüber hinweg. Und eines stand fest: Sollte sie Ed tatsächlich einen Antrag machen, würde der ihn ohne mit der Wimper zu zucken annehmen. Das musste er einfach. Jeder Mann wäre ein kompletter Volltrottel, es nicht zu tun. Und so wie er sie kannte, würde sie alles daransetzen, noch vor Ablauf des Jahres den Bund fürs Leben zu besiegeln. Und was wird dann aus unserer Freundschaft?

Es war nicht das erste Mal, dass sie zu ihm kam, wenn sie Hilfe brauchte. Nein, so war es seit Kindertagen. Er hatte die Räumlichkeiten gefunden, in denen jetzt die Backstube und der dazugehörige Laden untergebracht waren. Er hatte Lucy überredet, nach Bath zu ziehen und das Kuchengeschäft auszubauen – bis dahin hatte sie in der kleinen Küche ihrer winzigen Wohnung gebacken und sich allein auf Mundpropaganda verlassen. Er hatte ihr sogar erlaubt, sechs Monate mietfrei bei ihm zu wohnen, bis sie den Laden ans Laufen gebracht hatte.

Und umgekehrt? Wenn ihm etwas sehr Gutes oder auch Schlechtes widerfuhr, war sie der Mensch, dem er es erzählen wollte. Die schönen Dinge, weil er wusste, dass sie sich mit ihm freute. Die schlechten, weil es ihm danach besser ging. Wie sollte er sich dabei fühlen, wenn nun jemand anders seine Rolle übernahm?

Wenn er ehrlich war, überhaupt nicht gut.

Drei Stunden später schälte Lucy Kartoffeln in der Küche ihrer kleinen Wohnung, als Ed nach Hause kam. Er gab ihr einen Schmatzer auf die Wange und spähte über ihre Schulter hinweg in die Töpfe auf dem Herd.

„Hm, das duftet ja köstlich.“

„Danke.“

Autor

Charlotte Phillips
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