Verführt von einem Prinzen

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Solch eine Anziehungskraft hat Phoebe noch nie gespürt! Der faszinierende Prinz Leo muss sie bloß ansehen, und ihr Herz schlägt höher. Doch Vorsicht: Versucht er sie etwa nur zu verführen, weil ihr kleiner Sohn der rechtmäßige Thronfolger seines hoch im Norden gelegenen Fürstentums ist?


  • Erscheinungstag 22.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738846
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wie viel?“

Gebannt sah Phoebe Wells den Mann an, der ihr gegenüber lässig auf einem Stuhl saß. Lächelnd erwiderte er ihren Blick aus halb geschlossenen Lidern. Sein schwarzes Haar war leicht zerzaust, die obersten Hemdknöpfe standen offen und zeigten seine sonnengebräunte Haut.

„Wie viel wovon?“ Unwillkürlich verstärkte Phoebe den Griff um den Trageriemen ihrer Handtasche. Dabei musste sie sich zusammennehmen, um nicht zu schreien. Gegen ihren Willen war sie von zwei Regierungsbeamten in den Palast gebracht worden. Am liebsten hätte sie die Männer gefragt, ob sie nun verhaftet würde.

Doch die beiden schoben sie einfach in einen Empfangsraum, in dem sie dann zwanzig Minuten allein warten musste. Kurz bevor dieser Mann – Anders’ Cousin Leo Christensen – hereinkam, wäre sie beinah in Panik verfallen. Als er ihr jetzt diese Frage stellte, wusste Phoebe überhaupt nicht, worum es ging.

Sie wünschte, Anders wäre da. Sie wünschte, er hätte sie nicht dem Spott seines Cousins überlassen. Mit einem neuerlichen Anflug von Panik wurde ihr bewusst, dass sie sich trotz allem wünschte, den Mann näher kennenzulernen.

„Wie viel Geld, Sie kleine Abzockerin! Wie viel Geld muss ich in die Hand nehmen, damit Sie meinen Cousin in Ruhe lassen?“

Natürlich, darauf hätte sie gefasst sein müssen. Zwar kannte sie die Christensens nicht, wusste aber, dass die Mitglieder der Fürstenfamilie von Amarnes sich strikt dagegen verwehrten, dass irgendeine Unbekannte den Thronfolger heiratete. Sie hatte Anders in einer Bar in Oslo kennengelernt und nichts über seine Herkunft gewusst. Er fiel ihr nur gleich auf, mit seinem blonden Haar und der charmanten Art. Dabei besaß er eine lässige Eleganz und Selbstsicherheit, die sie wie magisch anzog. Selbst jetzt, unter dem forschenden Blick seines Cousins, erinnerte sie sich noch gern an diesen Moment und an ihre Liebe. Doch, wo war Anders überhaupt? Wusste er, dass sein Cousin versuchte, sie zu bestechen?

Phoebe drückte die Schultern durch und zwang sich, Leos höhnischen Blick offen zu erwidern. „Ich fürchte, so viel Geld haben Sie nicht.“

„Lassen wir es darauf ankommen“, erwiderte er mit einem kalten Lächeln.

Der Kerl machte sie wütend, so wütend, dass sie ihre Angst vergaß. „Sie haben nicht genug, weil man mich nicht kaufen kann, Mr. Christensen!“, schnaubte sie.

„Euer Gnaden. Mein offizieller Titel lautet ‚Prinz von Larsvik‘.“

Das erinnerte Phoebe wieder daran, mit welchen Leuten sie es hier zu tun hatte. Mit einer Königsfamilie, die sie nicht wollte … mit Ausnahme von Anders. Aber das reichte ihr. Mehr als genug.

Als er sie seiner Familie vorstellen wollte, wusste Phoebe nicht, dass sie den Fürsten und die Fürstin von Amarnes kennenlernen würde. Und Leo, einen Mann, den sie schon aus der Klatschpresse kannte. Dort tauchte er ständig auf, meistens als Hauptfigur in einem schmutzigen Drama um Frauen, Autos und Spielschulden. Anders hatte ihr von Leo erzählt und sie vorgewarnt. Und jetzt, wo sie vor ihm stand, glaubte sie Anders jedes Wort.

Er stand immer schon unter einem schlechten Einfluss. Meine Familie hat versucht, ihn auf den rechten Weg zu bringen und gedacht, ich könnte dabei behilflich sein. Aber Leo kann niemand helfen …

Und wer half ihr? Anders hatte seinen Eltern am Abend zuvor von ihr erzählt. Offenbar war das Gespräch nicht besonders gut verlaufen. Darum hatten sie Leo geschickt, damit er das Problem aus der Welt schaffte. Phoebe schluckte, um nicht hysterisch aufzulachen.

Dann schüttelte sie den Kopf, um ihm zu bedeuten, dass sie ihn nicht mit seinem Titel ansprechen würde. Außerdem durfte er nicht erfahren, wie aufgewühlt sie war. Doch sein höhnisches Lächeln bewies, dass er es längst wusste.

Dann hatte sie ja nichts zu verlieren. Sie hob das Kinn. „Na schön, Euer Gnaden, kein Geld der Welt kann mich dazu bringen, Anders zu verlassen.“ Hehre Worte! Aber wo war Anders eigentlich?

Einen Augenblick sah Leo sie böse an, bevor er verächtlich die Mundwinkel herunterzog und sich abwandte. „Wie ungewöhnlich, wie bewundernswert! Dann ist es also wahre Liebe?“

Aus seinem Mund klang das, was sie mit Anders verband, so banal und billig. Phoebe fühlte sich gedemütigt und war verärgert zugleich. „Ja, das ist es.“

Leo schob die Hände in die Taschen und schlenderte zum Fenster, das einen herrlichen Blick auf den Vorplatz des fürstlichen Palastes bot. Es war ein herrlicher Sommermorgen, nur hier und da bedeckte eine Schäfchenwolke den ansonsten strahlend blauen Himmel.

„Wie lange kennen Sie meinen Cousin doch gleich?“, fragte er schließlich.

Nervös hängte Phoebe ihre Handtasche über die andere Schulter. „Zehn Tage.“

Er drehte sich um, und sein Blick sagte alles. Obwohl Phoebe spürte, wie sie errötete, wusste sie, dass Anders’ Gefühle für sie echt waren. Sie richtete sich auf. Es konnte ihr doch egal sein, was der Playboy-Prinz von ihr dachte. Doch wie sie ihm jetzt so gegenüberstand, spürte sie, dass noch etwas anderes von ihm ausging, etwas viel Erschreckenderes und Gefährlicheres als sein Playboy-Gehabe vermuten ließ.

„Und Sie glauben, dass zehn Tage ausreichen, um jemanden gut genug zu kennen?“, fragte er jetzt mit dieser aufgesetzt freundlichen Stimme. „Um jemanden lieben zu lernen?“

Entschlossen, standhaft zu bleiben, zuckte sie mit den Schultern. Sie hatte nicht vor, ihre Gefühle für Anders zu rechtfertigen. Es würde nur gezwungen und dümmlich klingen, und genau das wollte Leo erreichen.

„Ist Ihnen klar“, fuhr er nun in dem gleichen sanften Tonfall fort, „dass Sie Fürstin werden, falls er Sie heiratet? Was wir natürlich auf keinen Fall zulassen werden.“

„Das müssen Sie auch nicht. Anders hat mir gesagt, dass er auf den Thron verzichten wird.“

Leo erstarrte und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Er will abdanken? Hat er das gesagt?“

„Ja“, nickte Phoebe und hob das Kinn.

Problemlos hielt Leos Blick ihrem stand. „Dann wird er niemals Fürst werden.“

„Das will er sowieso nicht!“

„Etwas anderes hat er doch gar nicht gelernt!“, spottete Leo.

„Mir hat er gesagt …“

„Anders weiß eigentlich nie, was er will.“

„Jetzt schon: Er will mich!“

Nachdenklich sah Leo sie an. „Und Sie, wollen Sie ihn?“

„Natürlich.“ Wieder wurde Phoebe nervös. Der Empfangsraum mit seinen schweren Vorhängen und Möbeln wirkte erdrückend, wie ein goldener Käfig. Ob man sie wohl gehen lassen würde? Ihr war klar, dass sie in diesem kleinen, auf seine Unabhängigkeit pochenden Land nicht mit der üblichen Rechtssicherheit rechnen konnte. Und Leo schreckte bestimmt nicht davor zurück, seinen Einfluss geltend zu machen, um seine Ziele zu erreichen.

Wo war nur Anders? Wusste er, dass sie hier war? Warum suchte er nicht nach ihr? Seitdem er seiner Familie ihre Beziehung bekannt gegeben hatte, war er verschwunden.

„Sie kennen ihn also? Gut genug, um ein Leben lang mit ihm ins Exil zu gehen?“

„Ja, weit weg von einer Familie, die ihn weder akzeptiert noch liebt. Anders hat das alles hier nie gewollt, Mr. … Euer Gnaden.“

„Ach, tatsächlich?“ Leos Lachen klang sehr unangenehm. Er kehrte zum Fenster zurück. Während Phoebe wartete, begannen Ungeduld und Angst ihre Hoffnung und Zuversicht zu erschüttern.

„Wären zwanzigtausend amerikanische Dollar ausreichend? Oder müssten es eher fünfzigtausend sein?“

Mit einem Mal war Phoebes Angst wie weggeblasen. Wütend drückte sie die Schultern durch. „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie nicht genug …“

Leo drehte sich um. „Phoebe, Phoebe, Phoebe“, sagte er beinah zärtlich, „glauben Sie wirklich, dass ein Mann wie Anders Sie glücklich machen kann?“

„Woher will jemand wie Sie das denn beurteilen?“

„Jemand wie ich? Was soll das heißen?“

„Anders hat mir von Ihnen erzählt.“ Außerdem hatte sie gelesen, dass Leo auf nichts und niemanden Rücksicht nahm und sich nicht um Werte scherte. So wie er sich ihr gegenüber bisher verhalten hatte, traf das hundertprozentig zu. „Von Liebe und Treue haben Sie keine Ahnung. Das Einzige, was Sie interessiert, ist Ihr Vergnügen – und ich schätze mal, dabei stehe ich Ihnen gerade im Weg.“

„Das kann man so sagen.“

Einen Moment überlegte Phoebe, ob sie ihn verletzt hatte. Aber nein, das war unmöglich. Er lächelte schon wieder, und zwar höchst unangenehm. „Sie wissen ja gar nicht, Miss Wells, wie sehr.“ Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck, sein Blick wurde nachdenklich, sein Lächeln verführerisch. Völlig überraschend machte er einen Schritt auf sie zu. „Was glauben Sie, wäre passiert, wenn Sie mich zuerst kennengelernt hätten?“

„Nichts“, stieß Phoebe hervor. Trotzdem beschleunigte sich ihr Pulsschlag, während Leo mit diesem wissenden Lächeln immer näher kam. Er blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie seine Körperwärme spürte und sein Aftershave roch. Doch sie wollte sich nicht einschüchtern lassen und hielt den Kopf gesenkt, damit Leo nicht sah, wie elektrisiert sie tatsächlich war. Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick an seiner Knopfleiste hinauf, bis dahin, wo das Hemd offen stand und den Blick auf seine Brust freigab. Bei diesem Anblick zog etwas in ihrem Bauch, das nur eine Ursache haben konnte: Sehnsucht und Verlangen.

Phoebe errötete, und Leo lachte leise. Mit einer Hand strich er ihr eine vorwitzige Locke aus der Stirn, und sie schreckte zurück.

„Sind Sie sich da so sicher?“

„Ja …“, antwortete sie, obwohl es nicht stimmte. Sie wusste es, und er wusste es auch. Sie durfte ihn nicht so nah an sich heranlassen, nicht, wenn sie Anders liebte.

„Sind Sie sich da so sicher?“, wiederholte Leo flüsternd, während seine Hand von ihrer Stirn an ihre Kehle sank, wo ihr Puls so heftig schlug wie die Flügel eines aufgeschreckten Vogels. Mit einem Finger berührte er die empfindsame Vertiefung an ihrem Hals, wobei Phoebe laut aufseufzte. Vor Schreck? Vor Wut?

Aus Lust?

Immer noch brannte die Stelle, wo er sie berührt hatte, und sie spürte, wie seine Verführungskünste ihren Widerstand schwächten. Ihre Knie wurden weich.

„Phoebe!“

Wieder seufzte sie auf, diesmal vor Erleichterung. Dann wich sie unsicheren Schritts von Leo zurück, von seinem wissenden Lächeln und den kundigen Händen. Anders kam ihr lächelnd entgegen und vertrieb all ihre Ängste.

„Ich habe dich gesucht. Niemand wollte mir sagen, wo du bist.“

„Ich bin hier gewesen“, rief sie und eilte mit Tränen der Erleichterung auf ihn zu. „Bei deinem Cousin.“

Darauf warf Anders Leo einen Blick zu, in dem so etwas wie Missmut, Angst oder sogar Eifersucht mitschwangen. Als Phoebe zu Leo sah, stellte sie entsetzt fest, wie unbewegt er den Blick seines Cousins erwiderte.

„Was willst du von Phoebe?“, fragte Anders schlecht gelaunt.

„Nichts, offensichtlich liebt sie dich“, antwortete Leo mit aufgesetztem Lächeln.

„Allerdings.“ Anders legte einen Arm um Phoebe. Dankbar schmiegte sie sich an ihn. Trotzdem war sie sich nach wie vor Leos unbeirrtem Blick bewusst. „Ich weiß nicht, warum du mit ihr gesprochen hast, aber wir sind entschlossen, zusammenzubleiben und …“

„Und diese Entschlossenheit ist wirklich bewundernswert. Ich werde dem Fürst davon Mitteilung machen.“

Anders’ Gesichtsausdruck wurde unnachgiebiger. Er schob die Unterlippe vor und wirkte mit einem Mal wie ein schmollender Sechsjähriger. „Wie du willst. Falls er von dir verlangt haben sollte, mich umzustimmen …“

Bei Leos Lächeln überlief Phoebe eine Gänsehaut. Darin lag keinerlei Freundlichkeit oder Zuneigung.

„Offensichtlich wird mir das nicht gelingen. Was gibt’s da also noch zu sagen?“

„Nichts.“ Anders wandte sich an Phoebe. „Es wird Zeit. Hier haben wir nichts mehr verloren. Wenn wir die nächste Fähre nach Oslo nehmen, erreichen wir vielleicht noch den Nachmittagszug nach Paris.“

Phoebe nickte erleichtert, hätte aber mehr Begeisterung verspüren sollen. Als sie das Zimmer verließ, war sie sich Leos unnachgiebigem Blick bewusst und dem Gefühl, das von ihm ausging und sich eigenartigerweise wie Bedauern anfühlte.

2. KAPITEL

Sechs Jahre später

Es war ein grauer Novembertag in Paris. Der Sprühregen legte sich wie eine Decke auf die adligen Trauergäste, sodass sie bei Phoebe zu Hause am Bildschirm verschwommen wirkten und kaum zu erkennen waren.

Nicht, dass sie jemanden hätte wiedererkennen können, dachte sie, während sie überlegte, welche Nudeln sie heute Abend kochen sollte. Von Anders’ Familie hatte sie nur seinen Cousin Leo kennengelernt und danach nie wieder einen Fuß in sein Heimatland gesetzt.

Das war jetzt sechs Jahre her … eine Ewigkeit, wenn man bedachte, wie sehr sich ihr Leben seitdem verändert hatte. Mit Anders war sie genau einen Monat verheiratet gewesen. Nun war er tot, bei einem Autounfall unter Alkoholeinfluss ums Leben gekommen. Sie schüttelte den Kopf, unfähig, mehr als nur ein wenig Bedauern für den Mann zu empfinden, der genauso schnell wieder aus ihrem Leben verschwunden war, wie er darin aufgetaucht war. Zumindest verdankte sie diesem verrückten Lebensabschnitt ein wundervolles Geschenk: Christian.

„Ich mag am liebsten grüne Nudeln!“ Der Junge zog an ihrem Ärmel. „Mom, hörst du mir überhaupt zu?“

„Entschuldige, Schatz.“ Lächelnd sah Phoebe zu ihm hinunter. Dabei fiel ihr auf, dass das Wasser für die Nudeln längst kochte. Sie musste sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren. Schließlich hatte sie seit Jahren nicht mehr an Anders gedacht. Manchmal hätte man meinen können, dass die kurze, bedauernswerte Romanze mit ihm gar nicht stattgefunden hatte. Trotzdem spülte sein Tod einige Erinnerungen in ihr hoch, besonders dieses schreckliche Verhör im Palast. Nach wie vor erinnerte sich Phoebe an den Blick von Leo Christensen, als er sie berührt hatte … und an ihre Reaktion darauf.

Betroffen stellte sie fest, dass sie sich besser an Leo erinnerte als an Anders. Rasch sah sie sich in der kleinen Küche um, als fürchtete sie, Leo könnte dort irgendwo aus dem Schatten treten. Dann musste sie über ihre eigene Dummheit lachen. Der Mann war Tausende von Meilen entfernt. Sie und Anders hatten sich in aller Stille getrennt, nur kurz nachdem Leo ihr fünfzigtausend Dollar für genau diese Trennung angeboten hatte. Weder von ihm noch von Anders hatte sie seitdem wieder etwas gehört. Sie war mit Christian nach New York gezogen, hatte mit der Unterstützung ihrer Freunde und ihrer Familie ein neues Leben begonnen und den Zwischenfall in Skandinavien in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses verbannt. Doch jetzt kehrten all die unliebsamen Erinnerungen zurück.

Abrupt stellte Phoebe den Herd aus. „Wie wär’s mit Pizza, Christian?“

Der Junge war begeistert, und Phoebe holte die Jacken. „Komm, Schatz, lass uns zum Italiener um die Ecke gehen.“

Als es klopfte, waren Mutter und Sohn schon fast an der Tür und sahen einander erschrocken an. Merkwürdig, dachte Phoebe, wie sie gleich gewusst hatten, dass es jemand Fremdes war. Dreimal hatte es laut geklopft, ganz anders als ihre Nachbarin, die alte Mrs. Simpson, anklopfte, die ihr sanftes Pochen immer mit einem freundlichen Hallo begleitete.

„Wer kann das sein?“, murmelte Phoebe.

„Ich mache auf!“ Christian spurtete zur Tür.

„Nein.“ Phoebe stellte sich ihm in den Weg. „Du öffnest bitte niemals einem Fremden die Tür, Sportsfreund!“

Sie atmete tief durch und öffnete selbst. Als sie die beiden Männer im dunklen Anzug draußen stehen sah, bekam sie Angst.

„Mrs. Christensen?“

Den Namen hatte Phoebe schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört. Nach der Trennung von Anders hatte sie ihren Mädchennamen wieder angenommen. Doch in Gegenwart dieser Männer und beim Klang des nordischen Namens fühlte sie sich in der Zeit zurückversetzt, zurück nach Amarnes zum Verhör mit Leo …

„Was glauben Sie, wäre passiert, wenn Sie mich zuerst kennengelernt hätten?“, hatte er mit sanfter Verführerstimme gefragt.

„Nichts“, hatte ihre Antwort gelautet.

„Sind Sie sich da so sicher?“, hörte sie ihn jetzt wieder fragen. Gleichzeitig erinnerte sie sich, wie Leo ihre Stirn und dann ihren Hals berührt hatte … Nach all den Jahren wusste sie noch genau, wie schnell sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte.

Entschlossen hob Phoebe das Kinn und sah einem der Männer ins unbewegte Gesicht. „Mein Name ist Wells.“

Der Mann hielt ihr eine Hand hin, die Phoebe nach kurzem Zögern ergriff, aber schnell wieder losließ.

„Ich heiße Erik Jensen. Wir sind Gesandte Ihrer Majestät des Fürsten Nicholas von Amarnes. Würden Sie uns bitte begleiten?“

„Mommy …“ Christian war blass vor Schreck.

„Ich gehe nicht weg.“

Im Gesicht des Beamten zuckte es, und Phoebe dachte einen Augenblick, er hätte Mitleid mit ihr.

„Mrs. Christensen …“

„Wieso nennt dich der Mann so, Mom?“

„Es tut mir leid.“ Jensen lächelte den Jungen an. „Ms. Wells.“ Dann wandte er sich wieder an Phoebe. „Es wäre besser, wenn Sie mit uns kämen. In unserem Konsulat wartet ein Gesandter, um mit Ihnen zu reden.“

„Ich glaube nicht, dass wir etwas miteinander zu besprechen hätten. Alles, was gesagt werden musste, ist vor sechs Jahren gesagt worden.“

„Die Umstände haben sich geändert“, antwortete Jensen geduldig, aber so unbeirrbar, dass Phoebe eine Gänsehaut bekam.

„Mommy …“, Christian zog an ihrem Hosenbein, „… wer sind diese Männer? Warum jagen sie uns Angst ein?“

„Das ist nicht ihre Absicht“, antwortete Phoebe, dabei wollte sie die beiden nicht entschuldigen. „Und ich habe keine Angst vor ihnen.“ Sie versuchte zu lächeln, obwohl sie genauso wie ihr Sohn die Bedrohung spürte.

Warum waren die beiden da? Was wollten sie?

Phoebe atmete tief durch. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Bestimmt sollte sie nur irgendein Schriftstück unterzeichnen, um auf Anders’ Geld zu verzichten. Denn sein Vater hatte zwar darauf bestanden, dass er auf den Thron verzichtete, aber auch nach dem Verzicht hatte Anders sich noch alles leisten können – vor allem Frauen und Champagner.

Es gab keinen Grund, in Panik zu verfallen. Trotzdem spürte Phoebe, wie die Furcht mehr und mehr Besitz von ihr ergriff.

„Mommy …?“

„Ich kann dir das jetzt nicht erklären“, sagte sie lächelnd. „Aber du brauchst keine Angst zu haben. Diese Männer müssen etwas mit mir klären. Du kannst bei Mrs. Simpson bleiben.“

„Nein, ich will mitkommen.“

„Na gut.“ Als sie Christians Hand nahm, protestierte er nicht. Das bewies, wie aufgeregt er war. Entschlossen wandte sie sich wieder den Regierungsbeamten zu, die wie Racheengel in der Tür standen.

„Ich packe nur einige Dinge zusammen, dann können wir los.“ Noch einmal atmete sie tief durch, um ihrer Stimme mehr Festigkeit zu verleihen. „Ich möchte diese Unterredung so schnell wie möglich hinter mich bringen und zum Abendessen wieder hier sein.“

Dazu schwiegen die beiden.

Auf dem Bordstein parkte eine Limousine mit dunkel getönten Scheiben und dem Staatswappen von Amarnes. Ein weiterer dunkel gekleideter Regierungsbeamter stieg aus und bedeutete Phoebe und Christian, auf der Rückbank Platz zu nehmen, als sie sich dem Wagen näherten.

Während sie sich setzte, hörte Phoebe, wie die Türen verriegelt wurden, und fragte sich unwillkürlich, ob sie gerade den größten Fehler ihres Lebens beging. Aber nein, sie würde etwas unterschreiben, auf alle Ansprüche verzichten und wäre im Handumdrehen wieder zu Hause. Danach würde sie diesen Tag aus ihrem Gedächtnis streichen.

Christian saß ganz dicht bei ihr. Er wirkte gefasst, aber sehr aufmerksam. Wie gut er sich unter Kontrolle hatte, rührte sie und machte sie stolz. Sie selbst hatte sich vorgenommen, sich nicht mehr einschüchtern zu lassen. Die Zeit war vorbei.

Durchs Fenster beobachtete sie, wie die malerischen Straßen von Greenwich Village in den Broadway übergingen. Irgendwann hielten sie sich rechts Richtung First Avenue und erreichten bald das UN-Hauptquartier. Der Fahrer bog in eine Seitenstraße, in der sich ein Konsulat an das andere reihte, und hielt vor einem eleganten Stadthaus mit steilem Treppenaufgang und gewundenem schmiedeeisernem Geländer.

Phoebe verließ mit Christian an der Hand den Wagen und folgte den Beamten ins Amarnesische Konsulat.

„Mrs. Christensen, Sie werden bereits erwartet“, begrüßte sie drinnen eine blonde Frau in einem dunklen Kostüm, die sich als Nora vorstellte. Dann sah die Beamtin zu Christian, der die Hand seiner Mutter noch fester drückte. „Ich kann das Kind nehmen.“

Augenblicklich erstarrte Phoebe. „Niemand nimmt meinen Sohn“, erklärte sie.

Hilfe suchend blickte die Frau zu Erik Jensen, der hinter Phoebe stand.

„Oben haben wir einen Raum mit allem Komfort“, informierte er sie ruhig. „Dort liegen auch Spielsachen. Vielleicht wäre es besser …“

Autor

Kate Hewitt

Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...

Mehr erfahren