Was verschweigst du mir, Darling?

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"Ich will dich. Jetzt." Bei Dimitris unverschämt direkten Worten fühlt Natalie sich plötzlich schwach. Zugegeben, heimlich hat sie davon geträumt, während ihrer Geschäftsreise nach Paris mal wieder zu flirten. Aber doch nicht davon, mit ihrem Boss, dem attraktiven Milliardär Dimitri Makricosta, im Bett zu landen! Doch Dimitris unmoralisches Angebot geht noch weiter: Als seine Geliebte soll Natalie mit ihm durch seine Glamour-Welt jetten. Spätestens jetzt müsste Natalie ihm sagen, warum das unmöglich ist - und wer zu Hause sehnlich auf sie wartet! Aber sie schweigt …


  • Erscheinungstag 29.03.2016
  • Bandnummer 2224
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706623
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Was für ein sympathisches Lachen! Es lenkte Dimitri Makricosta von der italienischen Schönheit ab, die gerade heftig mit ihm flirtete. Unwillkürlich sah er sich nach der Frau um, der dieses zauberhafte Lachen gehörte.

Er erhaschte nur einen kurzen Blick auf sie. Das kinnlange blonde Haar fiel schwungvoll nach hinten, als sie den Kopf zurückwarf. Ihre Haut war hell und fühlte sich bestimmt kühl und weich an, wenn man sie mit den Lippen berührte. Wie sie wohl duftete? Vielleicht nach einer Sommerfrucht. Sie hatte eine entzückende Stupsnase – und was sie sonst noch so hatte, konnte einen Mann schon um den Verstand bringen.

Aber sie trug eine Uniform von Makricosta.

Verdammt, verdammt, verdammt!

Er betrachtete die Frau genauer.

Wenn ihn nicht alles täuschte, gehörten die langen Hosen und der Blazer zur Ausstattung der Makricosta Crew von Montreal. Und er täuschte sich sicher nicht, denn auch er arbeitete für die familieneigene Hotelkette.

Das Problem war nur: Es ärgerte ihn, dass ausgerechnet diese Frau eine Makricosta-Uniform trug.

Eine Hand legte sich auf seinen Arm, und eine Stimme flüsterte: „Was ist, carissimo?“

„Ich dachte, ich hätte einen Bekannten gesehen“, redete er sich heraus und lächelte seiner Begleiterin zu. Dann schaute er wieder zu der lachenden Frau.

Sie nickte irgendjemandem zu und strich sich kokett das Haar hinters Ohr. Dann sagte sie etwas.

Dimitri wollte wissen, wer ein solches Strahlen auf ihr Gesicht zauberte, und lehnte sich etwas zurück, um besser sehen zu können.

Es war sein Schwager Gideon!

Er sprang empört auf. Seine Schwester hatte wirklich schon genug durchgemacht. Besonders schlimm war es gewesen, als Gideons Assistentin behauptet hatte, sie und Gideon hätten eine Affäre.

„Und ich kenne ihn auch!“, stellte er wütend fest. „Entschuldige mich bitte.“

Während er noch die Hotelhalle durchquerte, trennten sich Gideon und die Blondine schon wieder. Die Frau ging zum Empfang, während Gideon gerade rechtzeitig aufsah, um Dimitri zu entdecken. Mit kühler Miene blickte er ihm entgegen.

„Gut, dass du kommst“, meinte er, als Dimitri vor ihm stand. „Ich wollte dich sowieso noch sprechen, bevor ich gehe. Es geht um Adaras Geburtstag. Können wir damit rechnen, dass du kommst?“

Gideon Auge in Auge gegenüberzustehen war Dimitri unangenehm. Normalerweise ging er seinem Schwager aus dem Weg. Aber er rechnete es ihm hoch an, dass er seine Frau glücklich sehen wollte. Was diese alte Geschichte betraf, so hatte Gideon der Assistentin gekündigt, bevor sie noch mehr falsche Behauptungen in die Welt setzen konnte.

„Ich werde es versuchen.“

Gideon verschränkte die Arme. „Gibt es irgendeinen Grund, warum ihr Geburtstag keine Priorität für dich hat?“

Gideon gehört seit Jahren zur Familie. Da muss ich ihm doch nicht erklären, warum die von Adara organisierten Familientreffen für mich so verlockend sind wie eine Wurzelbehandlung, dachte Dimitri.

„Ich werde mein Bestes tun“, log er.

„Wirst du?“, erwiderte Gideon trocken.

Er schenkte seinem Schwager ein kurzes Lächeln und ging.

Genügt es nicht, dass ich zur Stelle war, als Adara schwanger geworden ist? Verdammt noch mal, der einzige Grund, warum er überhaupt im Familienunternehmen mitmachte, waren sie und Theo. Sollten sie doch mit ihren Babys heile Welt spielen! Er hatte kein Interesse daran, ein Familienmensch zu werden.

Mürrisch sah er zu dem italienischen Starlet hinüber, das ihn erwartungsvoll anschaute wie ein Hund, der die Autoschlüssel klirren hört. Seltsamerweise hatte er keine Lust, sie mit in seine Suite zu nehmen. Die unbekannte Blondine beschäftigte ihn viel mehr.

Vielleicht hatte sie den kurzen Streit zwischen ihm und Gideon gar nicht provozieren wollen. Wenn er ehrlich war, musste Dimitri sich eingestehen, dass er gern die Schuld auf andere abwälzte. Jedes Mal, wenn familiäre Verpflichtungen ihm auf die Nerven gingen, stieg eine Welle aus Wut und Rebellion in ihm auf, und die daraus entstehenden finsteren Gedanken hatten etwas stark Selbstzerstörerisches.

Normalerweise sah er sich als einen Liebenden und nicht als einen Kämpfer. Aber bei dem Gedanken, dass sein Bruder und seine Schwester ihm die Existenz seines ältesten Bruders verschwiegen hatten, erwachte ein ungeheurer Zorn in ihm.

Der Verrat hatte ihre Beziehung zerstört. Seitdem lauerte tief in seinem Herzen ein dunkles, kaltes Gefühl, das er lieber nicht näher untersuchen wollte.

Unter den neugierigen Blicken des Empfangspersonals eilte er ins Büro. Dort fand er die blonde Unbekannte im Gespräch mit dem Hotelmanager.

„Ich muss Sie sprechen“, sagte Dimitri.

Natalie sah auf und war sofort gefangen von Dimitri Makricostas Ausstrahlung. Er war der jüngste Bruder der Makricosta-Familie, bei der sie angestellt war. Der Mann mit dem skandalösen Ruf. Bisher hatte sie ihn nur von Weitem gesehen.

Sein gutes Aussehen war geradezu legendär. Und jetzt, da er so dicht vor ihr stand, nicht zu übersehen.

Sie verglich ihn mit seinem älteren Bruder Theo. Eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden, aber Theo wirkte kultivierter und zurückhaltender.

Dimitri war bekannt für seinen schlechten Charakter und dafür, dass er mühelos Frauen verführte. Gar nicht zu reden von seiner ausgeprägten Abneigung gegenüber Kleinigkeiten wie Büroarbeit und Ähnlichem. In Griechenland geboren, war er in Amerika aufgewachsen. Seine Haut unter dem Dreitagebart hatte diese warme, mediterrane Tönung. Er trug maßgeschneiderte Hosen und Westen, die seine breiten Schultern und die schmale Taille betonten. Der Mann sah aus wie der heißeste Gangster aus den Zwanzigerjahren.

Lasterhaft. Er sieht richtig lasterhaft aus.

Sie hörte auf, ihn zu betrachten, und ihre Blicke trafen sich. Dimitri kommentierte ihre Musterung mit spöttisch hochgezogener Braue. Er war wirklich völlig anders als alle Männer, die sie bis jetzt kennengelernt hatte. Schlau und viel zu wissend. Sie fand es beschämend, so durchschaubar zu sein.

Reiß dich zusammen, Natalie. Du bist Mutter.

Sie schluckte ihr Unbehagen hinunter und stand auf. „Ich bin in meinem Büro, Monsieur Renault. Nett, Sie getroffen zu haben, Mr Makricosta“, sagte sie und ging zur Tür.

„Ich wollte Sie sprechen, Miss …“ Er streckte die Hand aus.

Vor Schreck zögerte Natalie, ihm die Hand zu geben. „Adams“, brachte sie dann mühsam hervor.

„Lassen Sie uns in Ihr Büro gehen.“ Er deutete mit einer Handbewegung zum Gang.

Sie schob sich an Dimitri vorbei und ging vor ihm in ihr Büro, das sie noch mit anderen Mitarbeitern teilte. Doch jetzt war es leer. Deshalb hatte sie wie jeden Tag zur Lunchzeit via Webcam mit ihrer Tochter plaudern können. Zoey gefiel es bei ihrer Großmutter. Sie vermisste Natalie kein bisschen. Für ihre Mutter war das eine Erleichterung, und gleichzeitig brach es ihr das Herz. Denn sie vermisste ihr kleines Mädchen entsetzlich.

Als Dimitri die Tür hinter ihnen schloss, hatte Natalie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Was kann ich …“

„Lassen Sie die Finger von meinem Schwager“, sagte er nur.

„Wie bitte?“ Sie starrte ihn fassungslos an. „Gideon? Ich meine, Mr Vozaras?“

„Gideon“, bestätigte er. Er klang, als hielte er es für nicht angemessen, dass sie seinen Schwager beim Vornamen nannte.

„Warum glauben Sie, zwischen uns wäre etwas?“

„Das glaube ich gar nicht. Aber ich kenne ihn, und ich kenne meine Schwester. Und ich habe gesehen, wie Sie mit ihm geflirtet und ihn nach seiner E-Mail-Adresse gefragt haben. Lassen Sie das, oder Sie werden gefeuert.“

„Das war rein geschäftlich.“ Die Beleidigung ließ sie vor Zorn erröten. „Ich bin nicht hinter verheirateten Männern her! Schon gar nicht, wenn ihre Frauen so nett zu mir sind. Ihre Schwester hat mir diesen Job verschafft. Jetzt ließ sie mir durch ihn ausrichten, dass ich einen Bericht für sie schreiben soll. Und ich habe nur gefragt, ob ihr Sohn seine Erkältung gut überstanden habe. Da zeigte er mir ein Foto des Jungen.“

Dass Demitri verächtlich das Gesicht verzog, machte Natalie noch wütender.

„Wer, zum Teufel, gibt Ihnen das Recht, ein Urteil zu fällen? Bei allem, was ich über Ihre moralischen Qualitäten gehört habe, wundert es mich, dass Sie meine infrage stellen.“

Das saß. Sein zorniger Blick ließ sie einen Moment stocken. Aber sie war viel zu wütend, um den Mund zu halten.

Sie reckte das Kinn vor, verschränkte die Arme vor der Brust und zischte durch zusammengebissene Zähne: „Und? Werden Sie mich jetzt feuern?“

„Weswegen?“

„Eben“, schoss sie zurück. Sie brauchte ihren Job. Wenn sie ihn gut machte, verbesserte das ihre Position. Mehr Gehalt bedeutete mehr Sicherheit für Zoey.

„Wie ist Ihr Vorname?“, fragte Dimitri.

„Natalie. Warum?“ Halb erwartete sie, dass er nach dem Telefon griff und die Personalabteilung anrief.

„Was machen Sie hier in Paris, Natalie? Was will Adara von Ihnen?“

„Meine Aufgabe ist ein Upgrade der Software. Das habe ich auch schon in Toulouse gemacht. Jetzt bin ich eine Woche in Paris, danach fahre ich nach Lyon.“

„Sie sind ein IT Nerd?“

„Ich hätte in Ihnen auch kein Marketinggenie vermutet“, konterte sie.

„Und ein äußerst kreatives noch dazu“, stimmte er ihr aalglatt bei. „Sie arbeiten in allen europäischen Hotels?“

„Nein, nur in den englischen und französischen. Und ich kann auch nie länger als drei Wochen von Montreal weg sein.“

Sie und Zoey würden nicht verhungern, sollte er sie wirklich feuern. Dieses Wissen beruhigte Natalie. Sie würden noch nicht einmal ihr Haus verlieren. Außerdem plante sie immer noch, mit ihrer Exschwiegermutter zusammenzuziehen. Zoey würde das gefallen, denn sie liebte die Farm. Sie war ganz außer sich gewesen vor Freude bei der Aussicht, drei Wochen bei ihrer Grandma zu wohnen.

„Dann sind Sie also zum Arbeiten hier. Nicht, um eine Affäre zu haben. Ist es das, was Sie mir sagen wollen?“

„Ja.“ Irgendetwas tief in ihrem Unterbewusstsein ließ sie schon wieder erröten. Vielleicht hatte sie sich von der Reise insgeheim doch eine kleine Affäre erhofft. Aber das fiel eher ins Reich der Träume. Sie hatte nicht vor, sich wirklich darum zu bemühen.

Es war nicht leicht, diesem Blick zu begegnen und dabei so zu tun, als käme eine Affäre nicht infrage. Besonders nicht, da ein spöttisches, wissendes Glitzern in seinen Augen funkelte.

„Und selbst wenn ich auf ein Abenteuer aus wäre“, platzte Natalie heraus, „würde ich mir dafür kaum den Firmenchef aussuchen, oder?“

„Ich weiß nicht. Lassen Sie uns heute Abend essen gehen. Dann können wir darüber reden.“

Ihr blieb das Herz stehen.

Mit ihm ausgehen? Unmöglich. Irgendwie gelang es ihr, Haltung zu bewahren. „Soll das ein Test sein? Ich weiß, dass Theo – oh ja, wenn keiner von Ihnen es hört, nennen wir die Mitglieder Ihrer Familie beim Vornamen. Also Theo mag ja ein ehemaliges Zimmermädchen geheiratet haben, aber wir alle wissen, dass das eine Ausnahme war. Sie sind absolut sicher vor mir und alle anderen Männer Ihrer Familie auch.“

So! Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Dimitri nahm ihre Haltung ein, was die breiten Schultern betonte. „Sie sind lustig“, meinte er.

„Ich bin absolut ernst!“

„Das ist ja gerade das Lustige. Zu behaupten, irgendeiner von uns strebe danach zu heiraten, ist saukomisch.“ Doch er lachte nicht, sondern verzog den Mund nur zu einem ironischen Lächeln. Das lenkte Natalies Aufmerksamkeit auf seine Lippen. Die untere war voller als die obere, aber die obere hatte eine kleine Mulde zwischen den beiden Bögen. Wie geschaffen für eine Fingerspitze. Die Mundwinkel gingen in kurze, tiefe Falten über, die ihm den Anschein gaben, als würde er sich fortwährend über das Leben der armen Sterblichen um ihn herum amüsieren.

Sein Lächeln wurde breiter. „Gehen Sie mit mir essen, Natalie“, schnurrte er ihr leise und vertraulich ins Ohr.

Er hat meine geheime Sehnsucht erkannt. Natürlich hat er das! Er ist der geborene Aufreißer. Wo waren die Naturkatastrophen, wenn man sie brauchte? Es war wirklich an der Zeit, dass sich die Erde auftat und sie verschluckte.

„Verabredungen mit Arbeitskollegen werden nicht gern gesehen.“ Gott sei Dank hatte sie eine Ausrede gefunden. „Es tut mir leid, dass Sie dachten, ich wäre hinter Ihrem Schwager her. Aber ich bin mir der Firmenregeln bewusst und habe nicht die Absicht, gegen sie zu verstoßen. Wenn das alles ist, würde ich jetzt gern wieder an meine Arbeit gehen.“

„Jetzt kommen Sie schon! Das Essen soll meine Entschuldigung sein. So etwas nennt man Networking“, drängte er.

„So? Nennt man das so?“ Gegen ihren Willen musste Natalie lachen. Für sie war er nur ein Playboy. Aber er präsentierte sein Angebot so, als würde er ihr bei ihrer Karriere helfen.

Als sie lachte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck ein wenig, und er wirkte weniger arrogant. In seinem Blick lag männliches Interesse und noch etwas Eindringlicheres. Als würde er sie abschätzen. Und das brachte Natalie auf den Gedanken, dass sie gute Chancen haben könnte, sich in einem geistigen Wettstreit mit ihm zu behaupten.

„Ich bin wirklich geschmeichelt.“ Hoffentlich merkt er nicht, wie sehr! „Aber ich habe die Frauen gesehen, mit denen Sie sich verabreden. Ich spiele nicht in deren Liga. Darum danke ich Ihnen für dieses außerordentlich interessante Gespräch, aber ich muss jetzt zurück zu meiner Arbeit. Ich möchte nicht gefeuert werden“, fügte sie spitz hinzu.

„Nicht in deren Liga?“, wiederholte er stirnrunzelnd. Wieder musterte er Natalie sorgfältig von oben bis unten. Die Art, wie er es tat, ließ ihre Haut prickeln.

Er sah sie an, und sie las in seinen Augen unverhülltes Begehren.

Ein erregender Schauer überlief sie. Erschrocken stellte sie fest, dass sie zu allem bereit war.

„Sie sind Mitglied einer ganz besonderen Liga.“

„ Mr Makricosta …“

„Dimitri“, korrigierte er sie.

„Ich lege nicht annähernd Ihr Tempo vor, Dimitri.“ Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme reserviert und leicht amüsiert klingen zu lassen. Aber Dimitri war ein erstaunlich sinnlicher Name für einen Mann mit amerikanischem Akzent. „Würde es sich wirklich nur um eine Einladung zum Essen handeln, hätte ich schon Lust, sie anzunehmen. Aber ich habe den Verdacht, dass Sie sich nur über mich lustig machen.“

Ihre Antwort überraschte ihn. „Warum sollte ich nicht mit Ihnen ausgehen wollen? Sie sind schön, amüsant, und Sie haben ein hübsches Lachen.“

Die Aufrichtigkeit, mit der er es sagte, ließ ihr Herz höher schlagen. „Und dieses Lachen möchten Sie in Ihrem Bett hören?“, gab sie schlagfertig zurück.

Er schenkte ihr ein anerkennendes Grinsen. Dann wurde sein Blick heiß und hungrig und ließ sie nicht mehr los.

„Ich lasse den Wagen um sieben vorfahren.“

2. KAPITEL

Geben Sie sich keine Mühe. Mehr hätte Natalie nicht sagen müssen. Eine E-Mail wäre das Einfachste gewesen. Und darin der schlichte Satz: Ich kann leider nicht.

Sie hatte es nicht getan.

Warum nicht?

Sie war einsam und hatte Heimweh. Geschäftsreisen waren nicht annähernd so aufregend, wie sie es sich vorgestellt hatte. Zoey zwei Mal am Tag anzurufen reichte bei Weitem nicht. Natalie war daran gewöhnt, dass Zoey übers Wochenende mit ihrem Vater auf der Farm verschwand. Aber zehn Tage, in denen sie ihre Kleine nicht in den Arm nehmen konnte, waren die reinste Folter.

Und darum hatte sie das Recht, auch einmal auf Kosten der Firma auszugehen. Auf jeden Fall war diese Einladung für sie kein Date. Und ganz bestimmt keines, bei dem sie in Dimitris Bett landen würde.

Trotzdem rasierte sie sich die Beine und zog die schwarze Reizwäsche an, die sie in Paris gekauft hatte. Und ein Kleid aus schwarzer Spitze. Dann schlüpfte sie in die Pumps, die sie gar nicht hatte mitnehmen wollen, weil die Absätze viel zu hoch waren. Mit den falschen Diamantohrringen, die unter den frisch gewaschenen Locken hervorblitzten, und dem Make-up, das etwas dramatischer ausgefallen war als sonst, war sie dieser Verabredung absolut würdig.

Und jetzt stand sie wie bestellt und nicht abgeholt seit zehn Minuten an der Bordsteinkante!

Gerade wollte sie wieder die Drehtür betreten, als Dimitri, aus dem Hotel kommend, das Gleiche tat. Ohne ihn zu beachten, ging sie in die Lobby.

„Hey! Natalie. Warten Sie!“, rief er, bewegte sich mit der Tür erneut im Kreis und folgte ihr ins Hotel.

„Sie haben mich versetzt“, warf sie ihm über die Schulter zu, drehte sich dann um und funkelte ihn wütend an. „Lektion gelernt, falls das Ihre Absicht war. Gute Nacht!“ Damit marschierte sie Richtung Aufzug.

„Ich stand vor Ihrer Zimmertür und dachte das Gleiche.“

Sie wandte sich um und sah ihn prüfend an.

„Sie sagten, Sie würden mich draußen auf der Straße treffen.“ Sie war sich mehr als bewusst, dass alle Angestellten sie sehen, wenn nicht sogar hören konnten.

„Nein, ich sagte, der Wagen würde dort sein. Mit was für Männern verabreden Sie sich eigentlich, wenn die Sie auf dem Trottoir abholen?“

Vielleicht hatte sie Dimitri unrecht getan. Bei Männern rechnete sie nun einmal immer mit dem Schlimmsten.

Leicht verärgert reichte er ihr den Arm, und nach kurzem Zögern hakte Natalie sich bei ihm ein.

Er warf einen kurzen Blick auf ihr Kleid, das unter dem offenen Regenmantel zu sehen war. „Weil Sie so hübsch aussehen, verzeihe ich Ihnen, dass Sie mich unterschätzt haben.“

Ein eher zweifelhaftes Kompliment. Trotzdem wurde ihr warm bei seinen Worten. Unwillkürlich betrachtete sie ihn genauer. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd unter einem rauchgrauen Wildlederjackett, das sich so weich anfühlte, dass sie es am liebsten fortwährend angefasst hätte. Außerdem roch er fantastisch und war frisch rasiert.

Genau so eine Verabredung hatte sie sich von dieser Reise erhofft. Und jetzt passierte es wirklich! Die vernachlässigte Frau in ihr hatte sich verzweifelt nach männlicher Aufmerksamkeit gesehnt. Und freute sich jetzt unbändig darüber, diese Aufmerksamkeit zu bekommen.

Zum Restaurant war es nicht weit. Dort angekommen, führte ihr Kellner sie an einen Tisch mit wunderbarem Blick auf Notre Dame und die Seine.

„Soll ich für Sie bestellen?“, fragte Dimitri.

„Mit was für Männern bin ich wohl ausgegangen, wenn die es gewagt haben, mich die Speisekarte lesen zu lassen?“, gab sie spöttisch zurück.

„Deswegen frage ich ja. Einige von euch Feministinnen finden das herablassend.“

„Und Sie finden es galant?“

„Ich bin altmodisch erzogen“, erwiderte er. „Außerdem möchte ich wissen, ob meine Begleiterin etwas bestellt, was ich mag. Nur für den Fall, dass sie nicht alles aufisst“, fügte er mit mokantem Lächeln hinzu.

„Da kennen Sie mich aber schlecht!“

„Ich arbeite daran“, meinte er und warf ihr einen Blick zu, der sie nicht mehr losließ.

„Haben Sie meine Personalakte gelesen?“ Natalie erschrak. Weiß er von Zoey?

„Das wäre zu einfach.“ Als Dimitri sich vorbeugte, schien er ein magnetisches Feld zu erzeugen, das sie einfing und zu ihm hinzog. „Mir ist die persönliche Annäherung lieber.“

Also wusste er nicht, dass sie eine Tochter hatte. Natalie spielte mit dem Gedanken, es ihm zu sagen. Aber sie wollte nicht, dass die prickelnde Atmosphäre sich abkühlte. Es war so aufregend, mit dem Feuer zu spielen.

„Das glaube ich Ihnen gern.“

„Wenn Sie glauben, dass ich so ein Womanizer bin, warum sind Sie dann hier?“, fragte er.

„Soll ich ehrlich sein? Ich werde nie wieder Gelegenheit bekommen, wie die oberen Zehntausend zu speisen. Außerdem haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen mit dem, was Sie über die Männer gesagt haben, mit denen ich ausgehe. Ich wollte mal sehen, wie es ist, wenn ich zur Abwechslung mal das Mädchen spiele.“

Er hob die Brauen.

„Mir von Ihnen die Tür aufhalten lasse“, erklärte sie. „Sie bezahlen lasse. Aber Sie wissen schon, dass es nur um ein Abendessen geht, nicht wahr? Schließlich arbeite ich für Sie.“

„Sie arbeiten für meinen Bruder“, stellte er fest. Ihre Offenheit brachte ihn nicht im Geringsten aus dem Konzept. „Das vorhin war nur eine leere Drohung. Ich habe gar nicht die Befugnis, Sie zu feuern. Aus dem gleichen Grund kann ich aber auch nichts für Ihre Karriere tun. Sollte aus unserem Dinner etwas mehr als nur ein gemeinsames Abendessen werden, so bringt Ihnen das keinerlei berufliche Vorteile.“

Der Dämpfer saß! Doch Natalie fühlte sich seltsam erleichtert.

„Sieh mal an, da liegt ja einiges auf dem Tisch, was wir gar nicht bestellt haben“, meinte sie freiheraus.

Zum Glück kam in diesem Moment der Kellner.

„Bestellen Sie bitte für mich“, sagte Natalie. „Ich bin gespannt.“

Dimitri nickte. Ihm schwirrte der Kopf. Er brachte es gerade mal fertig, die Vorspeisen und einen passenden Wein zu bestellen. Dann wandte er sich wieder Natalie zu und gab sich alle Mühe, ihrem Zauber nicht noch mehr zu verfallen.

Wann hat sie mich am Haken gehabt? War es dieses erste Lachen? Der Blick aus den unschuldigen Rehaugen, als ich sie um das Gespräch gebeten habe? Auf jeden Fall war er neugierig geworden, als sie ihm scharf die Meinung gesagt hatte. Denn jede liebte ihn. Selbst Frauen, die er innerhalb von Stunden geliebt und verlassen hatte, klebten wie Honig an ihm, wenn er ihnen später noch einmal über den Weg lief.

Aber nicht Natalie. Sie spielte ihm bestimmt nichts vor. Seine Anschuldigung hatte sie wütend gemacht und sie beleidigt. Und seiner Einladung gegenüber war sie misstrauisch gewesen. Als er vor ihrer Zimmertür gestanden hatte, hatte er sich gewundert, dass sie ihm nicht geantwortet hatte. Denn ihn hatte bisher noch nie jemand abgewiesen.

Als er sie endlich vor dem Hotel fand, entsetzte es ihn fast, wie erleichtert er sich fühlte. Und dann war sie entschlossen gewesen, ihn wegen seiner Gedankenlosigkeit einfach stehen zu lassen.

Ich sollte die Warnzeichen sehen, sagte er sich. Frauen mit Prinzipien geht man besser aus dem Weg.

Ihre Ehrlichkeit und ihr Witz waren jedoch unglaublich erfrischend. Und sie war schön, mit ihrer Haut wie Sahne und Honig und den blitzenden Augen.

„Erzählen Sie mir etwas über sich, Natalie“, forderte er sie auf.

Sie schien kurz zu zögern, dann sah sie ihn an. Sie wirkte reserviert, so als hätte sie beschlossen, alle persönlichen Dinge beiseitezulassen und nur das Allernötigste über sich preiszugeben.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich wuchs zusammen mit meinem Bruder bei meiner Mutter auf. Kaum hatte ich geheiratet, war ich auch schon wieder geschieden. Ich arbeitete zwei Jahre lang bei Makricosta, bevor man mich in der kanadischen Niederlassung fest anstellte. Manchmal arbeite ich auswärts, aber meistens von zu Hause aus.“

Er vermutete, dass da noch mehr war, aber bevor er nachfragen konnte, drehte sie den Spieß um. „Und Sie?“

„Warum sagen Sie mir nicht, was Sie bereits wissen?“, fragte er gedehnt. Ihm gefiel die Art, wie sie schuldbewusst die vollen Lippen zusammenpresste. Natürlich redeten die Angestellten über ihn. Er bemühte sich genauso wenig darum, diskret zu sein, wie er sich um gutes Benehmen bemühte. Ihm ging es allein darum zu provozieren.

Im Grunde benahm er sich ziemlich unreif. Das wurde ihm jetzt unter Natalies Blick klar. Aber er hatte seine Gründe, warum er die Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Ich weiß eigentlich nicht viel“, sagte sie. „Ihre Familie hält sich sehr bedeckt. Dass Ihr Bruder plötzlich mit einem Kind von einem Zimmermädchen auftauchte, war eine Weile ein heißes Thema. Aber ich arbeite nicht direkt in den Hotels und bin mit niemandem dort befreundet. Wenn ich ein Problem beheben kann, bin ich sehr beliebt. Doch meistens betrachtet man mich als notwendiges Übel. Gut, dass ich eine ziemlich dicke Haut habe. Aber jetzt rede ich schon wieder über mich.“

„Ich bin ganz Ohr“, sagte er und wunderte sich darüber, dass das wirklich stimmte. „Wie alt waren Sie bei Ihrer Hochzeit?“

„Neunzehn. Waren Sie je verheiratet?“

„Um Gottes willen, nein!“

„Ich wünschte, ich hätte auch so viel Verstand besessen.“ Der bittere Zug um ihren Mund verriet, dass sie es ehrlich meinte.

Eine Frau nach meinem Geschmack, dachte Dimitri ironisch.

„Warum ist Ihre Ehe gescheitert? Untreue?“

Natalie reagierte nicht sofort. Sie starrte aus dem Fenster. „Kurz gesagt, er kam nicht zur Beerdigung meiner Mutter“, antwortete sie schließlich.

Als sie ihn wieder ansah, hatte Dimitri den Eindruck, dass es ihr sehr schwergefallen war, das zu sagen, ohne Gefühle zu zeigen.

Ein seltsamer Schmerz regte sich in seiner Brust.

Autor

Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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