Zurück im Palast der Liebe

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Prinz Alexander Drakos! Mit Entsetzen erkennt Layna, wer der elegante Fremde ist, der plötzlich im Kloster auftaucht und nach ihr sucht. Doch ehe sie fliehen kann, hat er sie entdeckt und verlangt, dass sie ihre Zeit als Novizin beendet und an seiner Seite in den Palast von Kyonos zurückkehrt. Layna bleibt keine Wahl: Auch wenn Alexander schon einmal ihre Liebe verriet, wird sie ihm gehorchen. Aber diesmal muss sie seinen Flirtversuchen um jeden Preis widerstehen! Schließlich ahnt sie, dass er ihr verletztes Herz nur aus purer Berechnung zurückerobern will …


  • Erscheinungstag 28.04.2015
  • Bandnummer 2177
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701604
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Entweder sterben oder abdanken. Mir ist egal, welche Richtung du einschlägst, aber du solltest dich entscheiden. Und zwar schnell.“

Alexander Drakos, Thronerbe von Kyonos und bekannt als zügelloser Lebemann und häufiger Gast in Spielcasinos, zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, ehe er sie gemächlich im Aschenbecher ausdrückte und seine Karten auf den samtbezogenen Tisch warf.

„Ich bin im Moment ein bisschen beschäftigt, Stavros“, raunte er in sein Handy.

„Mit was denn? Dein Vermögen zu verschleudern und dich um den Verstand zu trinken?“

„So ein Unsinn. Ich trinke nicht, wenn ich spiele. Und ich verliere auch nicht.“ Sein Blick ging zu den Männern, die mit ihm um den Tisch herum saßen, dann schob er einen Stapel Jetons in die Mitte.

„Zu schade. Denn würdest du verlieren, wärst du vielleicht schon vor langer Zeit wieder nach Hause zurückgekommen.“

„Anscheinend hast du mich aber nicht gebraucht.“

Es war Zeit, seine Karten offenzulegen. Xander lachte, präsentierte den anderen Männern seinen Royal Flush, schob die Jetons zusammen und ließ sie in einem Samtbeutel verschwinden, bevor er aufstand. „Viel Spaß noch heute Abend.“ Damit nahm er sein schwarzes Jackett vom Stuhl und hängte es sich über die Schulter.

Als er an einem Casinoangestellten vorbeikam, steckte er ihm den Samtbeutel in die Hand. „Ich weiß, wie viel drin ist. Zahlen Sie mich aus. Fünf Prozent für Sie, nicht mehr.“

An der Bar blieb er stehen. „Scotch. Pur.“

„Ich dachte, du trinkst nicht, wenn du spielst“, hörte er seinen Bruder durchs Handy sagen.

„Ich spiele ja nicht mehr.“ Der Barmann schob ihm das Glas über den Tresen zu, und Xander kippte den Inhalt in einem Schluck hinunter. Dann verließ er das Casino.

Seltsam. Der Alkohol tat kaum noch seine Wirkung und verhalf ihm auch nicht mehr dazu, sich besser zu fühlen. Dämlicher Alkohol.

„Wo steckst du eigentlich?“

„In Monaco. Gestern war ich in Frankreich. Jedenfalls glaube ich, dass es gestern war. Es verschwimmt alles irgendwie, verstehst du?“

„Wenn ich dich so höre, Xander, fühle ich mich viel älter. Dabei bin ich dein jüngerer Bruder.“

„Du klingst alt, Stavros.“

„Ich kann mir auch nicht den Luxus leisten, vor meiner Verantwortung davonzulaufen. Dafür warst du immer zuständig. Was im Klartext heißt, dass einer zurückstecken und sich wie ein Erwachsener verhalten muss.“

Xander konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als er sich diesen Luxus einfach zugestanden hatte. Als er vor der Verantwortung davongelaufen war, wie Stavros es ausdrückte.

Du hast sie getötet. Es ist deine Schuld. Du hast diesem Land etwas gestohlen. Du hast mir etwas gestohlen. Das kannst du nie wieder gutmachen. Ich werde dir nie verzeihen.

Verdammt.

Jetzt, da diese Erinnerung wieder an die Oberfläche gedrungen war, brauchte er dringend noch einen Schluck oder auch zwei.

„Die Menschen werden dir zu Ehren bestimmt eines Tages ein Denkmal errichten“, gab Xander zurück. „Und du hast es sicher auch verdient.“

„Ich habe nicht angerufen, um mit dir Small-Talk zu machen. Eher würde ich mich mit meiner eigenen Krawatte erwürgen.“

Xander blieb so abrupt stehen, dass eine Frau in ihn hineinlief, doch er achtete nicht auf sie. „Weshalb hast du dann angerufen?“

„Dad hatte einen Schlaganfall. Wahrscheinlich stirbt er, und du bist der Nächste in der Thronfolge. Außer, du verzichtest. Und diesmal wirklich und endgültig. Andernfalls solltest du dir einen Betonklotz um den Hals hängen und dich ins Meer stürzen. Allerdings werde ich dir keine Träne nachweinen.“

„Und ich dachte, du bist froh, wenn ich verzichte“, entgegnete Xander und ignorierte das Gefühl der Enge in seiner Brust. Er hasste den Tod. Dieses Ende, das so plötzlich kommen konnte. Und das vor niemandem haltmachte.

Hätte der Tod auch nur einen Funken Anstand, wäre er schon vor langer Zeit zu ihm gekommen. Verdammt, er tat doch seit Jahren alles, um ihn anzulocken.

Stattdessen nahm er sich die Menschen, die freundlich waren und gebraucht wurden. Diejenigen, die wirklich eine Lücke hinterließen und nicht nur Schall und Rauch.

„Ich reiße mich nicht darum, König zu werden, aber wenn es sein muss, werde ich es machen. Das Problem sind allerdings die Erben. Auch wenn Jessica und ich sehr glücklich mit unseren Kindern sind, haben sie kein Recht auf den Thron. Wir hatten kein Problem damit, die Kinder zu adoptieren, aber die Gesetzgebung von Kyonos spricht gegen deren Anrecht auf den Thron.“

„Dann bleibt noch … Eva.“

„Ja“, bestätigte Stavros. „So ist es. Und falls du es noch nicht gehört hast, sie ist schwanger.“

„Und wie fühlt sie sich? Ich meine damit, dass ihr Kind der Erbe sein wird?“

„Sie hasst den Gedanken. Sie und Mak wohnen nicht einmal auf Kyonos und müssten ihr Leben völlig umkrempeln, damit ihre Kinder im Palast aufwachsen und dort ihre Pflichten als zukünftige Herrscher lernen können. Ihr Leben würde sich von Grund auf ändern, und du weißt, dass es so nie vorgesehen war für sie.“

Xander schloss die Augen und sah seine lebhafte, dunkelhaarige Schwester vor sich. Ja, sie würde dieses Leben hassen. Schon immer hatte sie das königliche Protokoll verabscheut. So wie er auch.

Er hatte ihr die Mutter genommen. Könnte er sie jetzt auch noch ihrer Träume berauben?

„Du solltest dich schnell entscheiden, Xander, wie auch immer“, fuhr Stavros fort. „Aber wenn du meine Meinung hören willst …“

„Will ich nicht.“ Damit beendete er das Gespräch und schob sein Handy zurück in die Jacketttasche.

Danach ging er zum Dock und überlegte, wo genau er einen Betonklotz finden könnte.

Layna Xenakos glitt aus dem Sattel und tätschelte lächelnd den Hals der braunen Stute. Es machte sie glücklich, wenn sie ausreiten konnte. Und der Blick auf das Meer war einzigartig, die salzige Luft vermischt mit der frischen Bergluft berauschend.

Einer von vielen Gründen, warum sie das abgeschiedene Leben im Kloster mochte. Zumindest hier war fehlende Eitelkeit eine Tugend. Eine Tugend, um die Layna nicht kämpfen musste, denn Eitelkeit wäre in ihrem Fall lächerlich.

Sie nahm ihren weißen Schleier aus dem Rucksack, drehte die Haare zusammen und bedeckte ihren Kopf wieder. Die langen Haare waren das Einzige, worauf sie vielleicht noch stolz sein konnte.

„Na komm, Phineas“, sagte sie zu dem Pferd und führte es zu den Stallungen. Nachdem sie Sattel und Zaumzeug weggeräumt und die Hufe gesäubert hatte, brachte sie das Tier in seine Box, ehe sie wieder hinaus in die Sonne trat.

Obwohl die Zeit eigentlich der inneren Einkehr im Kloster dienen sollte, fühlte sie sich Gott oder der Natur am meisten verbunden, wenn sie ausritt. Und das muss doch auch zählen, dachte sie.

Langsam schlug sie den Weg zum Hauptgebäude des Klosters ein. Bald würde das Abendessen serviert. Und sie war hungrig, zumal sie die nachmittägliche Kontemplation auf dem Pferderücken absolviert hatte.

An der Gartenmauer blieb sie kurz stehen und strich sich ihr schlichtes Gewand glatt. Dabei fiel ihr Blick über die steinerne Mauer. Als sie bemerkte, dass die Tomaten schon reif waren, trat sie durch die kleine Pforte in den Garten und summte leise vor sich hin.

„Entschuldigung.“

Layna erstarrte. Eine dunkle Stimme durchbrach die Stille. Im Ort hatten sie oft mit Männern zu tun, aber es war unüblich, dass ein Mann zum Kloster kam.

Einen kurzen Moment fühlte sie Panik in sich aufsteigen. Würde er sie ansehen, als sei sie ein Monster? Würde sich Entsetzen auf seinem Gesicht zeigen? Doch ehe sie sich ganz umdrehte, verflog ihre Angst. Gott kümmerte sich nicht um äußere Schönheit, genauso wenig wie sie selbst.

Und ein Augenblick wie dieser sollte sie nur daran erinnern, sich nicht dem Gefühl der Eitelkeit hinzugeben. Ein Gefühl, mit dem sie trotz allen guten Willens immer wieder einen Kampf ausfocht. Genau deshalb war sie, selbst nach zehn Jahren im Kloster, noch Novizin und nicht schon Schwester.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Sie wusste, dass er ihr Gesicht nun ganz sehen konnte, mit all den Narben. Die raue, zerstörte Haut, die ihr die Schönheit gestohlen hatte. Eine Schönheit, die früher ihr Markenzeichen gewesen war.

Da ihr die Sonne ins Gesicht schien, konnte sie die Miene des Fremden nicht richtig ausmachen und deshalb auch nicht sehen, wie er auf ihre Narben reagierte. Er war groß und trug einen Anzug. Einen sehr teuren Anzug, wie sie vermutete. Er war nicht aus dem Ort, sondern sah aus, als gehörte er zu der Welt, in der sie früher gelebt hatte.

Er erinnerte sie an glitzernde Ballsäle, Streichquartette und an den Prinzen, der ihr Ehemann hätte werden sollen. Wenn das Leben anders verlaufen wäre.

„Möglich, Schwester. Obwohl ich glaube, dass ich beim falschen Kloster bin.“

„Wohl kaum. Es gibt nämlich nur dieses eine auf Kyonos.“

„Seltsam, dass ich überhaupt hier bin.“ Er sah hoch, und die Sonne hinter ihm verlieh seinem Gesicht einen seltsam entrückten Zug. „Zumindest finde ich es seltsam, dass ich nicht von einem Blitz getroffen wurde.“

„Das ist nicht unbedingt Gottes Art, so vorzugehen.“

Er zuckte die Schultern. „Das muss ich Ihnen wohl glauben. Gott und ich haben seit Jahren nicht mehr miteinander geredet.“

„Es ist nie zu spät“, erklärte sie, weil es ihr das Richtige schien. Die Äbtissin hätte das Gleiche gesagt.

„Nun ja, zufälligerweise bin ich nicht auf der Suche nach Gott, sondern nach einer Frau.“

„Ich fürchte, hier gibt es nur Schwestern.“

„Nun, ich vermute, dass sie auch eine ist. Ich bin auf der Suche nach Layna Xenakos.“

Ihr Herz schlug schneller. „Sie trägt diesen Namen nicht mehr.“ Was der Wahrheit entsprach, denn die Schwestern nannten sie Magdalena. Eine Erinnerung daran, was sich in ihrem Leben verändert hatte und dass sie nun für andere lebte, nicht für sich selbst.

Dann kam er auf sie zu. Die Vision eines Traums, oder eines Albtraums. Er verkörperte all das, wovor sie in den letzten fünfzehn Jahren davongelaufen war.

Xander Drakos. Erbe des Throns von Kyonos. Legendärer Playboy. Und der Mann, den sie versprochen hatte zu heiraten.

Vor allem aber war er der letzte Mann auf Erden, den sie sehen wollte.

„Warum nicht?“, wollte er wissen.

Er hatte sie nicht erkannt. Wie sollte er auch? Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war sie noch ein junges Mädchen von achtzehn Jahren gewesen. Und wunderschön.

„Vielleicht will sie nicht, dass jemand sie findet.“ Sie beugte sich hinunter, pflückte Tomaten von einem Strauch und versuchte, Xander zu ignorieren und zu vergessen, wie schnell ihr Herz schlug.

„Es war nicht schwer herauszufinden, dass sie sich hier aufhält.“

„Was wollen Sie?“, fragte sie. „Was wollen Sie von ihr?“

Xander musterte die zierliche Frau, die vor ihm im Beet stand. Ihr langes, schlichtes Kleid war unten am Saum und an den Ärmeln verschmutzt. Ihre Haare steckten unter einem Schleier, sodass man ihre Haarfarbe nur an den feingeschwungenen, dunklen Augenbrauen erraten konnte.

Eine Gesichtshälfte zeigte zarte, leicht gebräunte Haut, mit hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Aber das war nur eine Hälfte, mit der ihre Schönheit endete. Über die andere Gesichtshälfte zogen sich Narben vom Hals über die Wange bis zur Nase hinauf. Ihr Lächeln, würde sie eines zeigen, würde auf dieser Seite sicher wie eine Grimasse wirken.

Er hatte damit gerechnet, dass die Frauen hier im Kloster so waren wie sie, und keine ausgelassen Partygirls wie Layna eines gewesen war. Mit ihren achtzehn Jahren war sie damals noch ein junges Mädchen, als sie sich verlobten. Eine wahre Schönheit, auf dem Weg zur Frau. Alles an ihr schimmerte golden, die Augen, die Haut und auch die Haare, obwohl er nicht sicher war, ob sie dabei nachgeholfen hatte. Aber es war ihm egal. Denn ihr Haar, von einem tiefen Schokobraun, durchsetzt mit Goldsträhnen, war einzigartig schön.

Schon damals wusste er, dass sie die perfekte Königin sein würde. Noch wichtiger jedoch war, dass die Menschen sie liebten. Außerdem hatte sie durch ihren Vater beste Verbindungen. Er war einer der reichsten Regierungsmitglieder von Kyonos gewesen, der seinen geschäftlichen Erfolg vor allem seinen Produktionsstätten außerhalb des Landes verdankte.

Soweit Xander wusste, lebte die Familie Xenakos nicht mehr auf der Insel. Außer Layna. Und er musste sie finden.

Er brauchte sie. Layna war sein Halt aus der Vergangenheit, seine sicherste Verbündete in Bezug auf das Volk, die Presse. Damals wurde sie geliebt, und das würde heute nicht anders sein.

Ihm jedoch würden sie nicht die gleichen Gefühle entgegenbringen, befürchtete er.

„Wir müssen einige Dinge von früher besprechen.“

„Die Frauen, die hier leben, wollen nicht über Vergangenes reden“, entgegnete Layna mit zitternder Stimme. „Sie kommen hierher, um neu anzufangen. Die … Vergangenheit ist hier nicht erwünscht.“ Damit wandte sie sich von ihm ab.

Er würde nicht zulassen, dass sie ging. Niemand ließ ihn einfach stehen.

Schnell lief er ihr hinterher und versperrte ihr den Weg. Als sie ihn nun zum ersten Mal richtig ansah, setzte sein Herz einen Schlag aus.

Er hatte es nicht gemerkt. Natürlich nicht. Doch als er jetzt in ihre ungewöhnlichen Augen sah, umrahmt von dunklen Wimpern, wusste er genau, wer sie war.

Layna Xenakos, ihrer Schönheit beraubt. In ihren Augen stand kein Lachen mehr. Auch das Grübchen in ihrer rechten Wange fehlte, stattdessen sah er dort nur Narben.

Es gab nicht mehr viel, was ihn schockieren konnte, denn er hatte zu viel gesehen und erlebt. Die dunkle Seite des Lebens war ihm nur allzu vertraut. Er wusste zwar, dass das Leben immer wieder kleine Überraschungen bereithielt, die einen in die Knie zwangen. Aber mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet.

Nachdem er Kyonos verlassen hatte, hatte er bewusst keine Nachrichten über seine Heimat mehr an sich herangelassen. Nur hin und wieder hatte er Artikel über Kyonos oder die königliche Familie gelesen, so wie damals, als seine Schwester ihren Bodyguard heiratete oder Stavros seine Heiratsvermittlerin.

Mehr hätte er nicht ertragen können. Denn jedes Mal, wenn er das Fenster in seine Vergangenheit öffnete, schienen die alten Wunden wieder aufzubrechen.

Und es war jedes Mal schwer, Geist und Seele wieder davon zu befreien. Was ihm nur mit viel Alkohol und vielen Frauen gelang. Dann fühlte er sich wieder als der Mensch, der er einst glaubte zu sein. Und er war glücklich – bis heftige Kopfschmerzen ihn daran erinnerten, wie vergänglich gerade dieses Glück war.

Doch was aus der Frau geworden war, die er verlassen hatte, darum hatte er sich nie gekümmert. Jetzt musste er erkennen, dass offenbar einiges geschehen war.

„Layna“, sagte er.

„Niemand nennt mich so.“ Sie klang hart, ihre Miene war ausdruckslos.

„Ich habe dich so genannt.“

„Aber jetzt hast du nicht mehr das Recht dazu, Eure Hoheit. Steht dir der Titel überhaupt zu?“

Mit ihrer Frage hatte sie ihn getroffen. Tiefer, als er sich hätte vorstellen können. Weil sie damit an einen Schmerz rührte, den er fast vergessen geglaubt hatte.

„Ich werde dich weiterhin so nennen“, brummte er. Sein Entschluss war gefasst, ganz egal, ob es für ihn oder einen anderen Sinn machte. Er war zurückgekommen, und er würde bleiben. Auch wenn bis jetzt noch niemand davon wusste.

Es hatte ihn gedrängt zurückzukehren, weil er sich selbst ein Bild machen wollte. Und weil er Layna finden wollte. Denn eines war ihm klar: Er würde einen lausigen König abgeben. Layna hingegen wäre die perfekte Königin.

Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie immer noch unverheiratet war, und noch viel weniger, sie in einem Kloster zu finden. Wobei er sich vorher auch nicht hätte vorstellen können, womit er die letzten fünfzehn Jahre verbracht hatte.

Dass die gefeierte Schönheit Layna Xenakos nun in einem schlichten, langweiligen Nonnentracht steckte und in einem Kloster lebte, hätte er nie für möglich gehalten. Mit Narben, die sie beinahe unkenntlich machten.

„Ich möchte, dass du jetzt gehst“, sagte sie und trat bewusst auf ihn zu.

Als er merkte, dass sie an ihm vorbeigehen wollte, versperrte er ihr wieder den Weg. Sie erstarrte und sah ihn an, mit diesen Augen, die er so gut kannte.

„Lass mich in Ruhe. Verschwinde.“

„So ungastlich, Schwester, und das gegenüber deinem zukünftigen König.“

„Gastfreundschaft ist eine Sache. Aber es ist etwas ganz anderes, einem Mann zu erlauben, mich zu bedrängen, als ob ich ihm gehören würde.“ Mit hoch erhobenem Haupt trat sie zurück. „Du magst vielleicht über dieses Land herrschen und es besitzen, aber ich bin nicht dein Eigentum.“

„Weil du jetzt Gott gehörst?“

„Was sehr viel beruhigender ist, als dir zu gehören.“

„Früher war es so.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe dir nie gehört.“

„Du hast meinen Ring getragen.“

„Aber wir hatten noch nicht das Ehegelübde abgelegt. Und du bist gegangen.“

„Den Ring habe ich dir gelassen.“ Er sah auf ihre Hände und merkte, dass kein Ring daran steckte.

„Was soll man mit einem Verlobungsring, wenn es keinen Verlobten mehr dazu gibt. Außerdem habe ich mich verändert. Mein ganzes Leben hat sich verändert. Und du bist wahrscheinlich hergekommen, um wieder da anzufangen, wo wir aufgehört haben.“

Das stimmte. Und warum auch nicht? Es wäre der Aufmacher für die Presse. Die Rückkehr des Thronfolgers und seine Wiedervereinigung mit der Frau, die das Volk so sehr geliebt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte er angenommen, dass sie immer noch auf Kyonos war und auf ihn wartete. Und dass sie sich nicht im Geringsten verändert hatte.

Tatsächlich hatte er geglaubt, dass sich auch auf Kyonos nichts verändert hatte. Aber er hatte sich geirrt.

Jetzt gab es hier Casinos und am Strand eine Einkaufsstraße. Das Werk seines Bruders Stavros. Die Altstadt war modernisiert worden. Wo früher alte Männer beim Schachspiel draußen auf der Straße saßen, tummelten sich jetzt Künstler und Hipster, um sich von der Architektur und dem Strand „inspirieren“ zu lassen.

Auch seine Schwester war nicht mehr wie früher, ein dunkelhaariges Mädchen, das immer zu Streichen aufgelegt war. Sie war jetzt eine verheiratete Frau und erwartete ein Kind. Sein Bruder war zu einem Mann herangewachsen und hatte nichts mehr von dem spindeldünnen Teenager.

Sein Vater war alt. Und er lag im Sterben. Sein Vater …

Und Layna Xenakos war ins Kloster gegangen.

„Um ehrlich zu sein, ich bin nicht der Lieblingssohn der Familie Drakos“, räumte er ein.

Sie nickte, sagte aber nichts, deshalb fuhr er fort.

„Aber ich habe mich entschlossen zu regieren. Vor allem der nächsten Generation zuliebe.“

„Was soll das heißen?“, fragte sie.

„Stavros’ Kinder können den Thron nicht erben. Also bleibt nur das Kind meiner Schwester. Die Veränderungen, die das mit sich bringen würde … sie war nie dafür vorgesehen, dieses Kreuz zu tragen. Ich habe in meinem Leben oft selbstsüchtig gehandelt, Layna, und werde das auch weiterhin tun. Aber eines will ich ganz sicher nicht: meinen Bruder zu einem Leben verdammen, das er nie wollte. Oder dem Kind meiner Schwester eine Verantwortung übertragen, für die es nicht vorgesehen ist.“ Er hatte seinen Geschwistern bereits genug Leid zugefügt. War gegangen, als sie noch Kinder waren und ohne Mutter aufwachsen mussten.

Besonders Eva. Sie war damals noch so klein. Es war unfair gewesen. Er konnte und wollte ihnen nicht noch mehr wehtun.

„Du tust so, als sei die Krone ein Becher mit Gift“, sagte sie leise.

„Das stimmt auch, in vieler Hinsicht. Aber sie gehört mir. Und ich habe viel zu lange versucht, sie an andere weiterzugeben.“ Ja, die Krone gehörte ihm. Zumindest glaubten das die anderen. Sie erwarteten von ihm, dass er Verantwortung übernahm. Er war darauf sein ganzes Leben lang vorbereitet worden.

Die Wahrheit stand auf einem ganz anderen Blatt.

„Gewissensbisse, Xander?“, fragte sie. Sein Vorname aus ihrem Mund ließ ihn zusammenzucken.

„Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde. Vielleicht ist auch nur mein Ehrgefühl wiedererwacht, das man mir eingepflanzt hat. Weil doch blaues Blut in mir fließt“, fügte er sarkastisch hinzu. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie enttäuscht ich war, dass ich es nicht durch Alkohol ersetzen konnte.“

„Das war für viele eine Enttäuschung.“ Jetzt klang sie mehr nach ihrem alten Selbst. Er hatte ihr die Gelassenheit geraubt. Vielleicht würde jetzt ein Blitz auf ihn niederfahren.

„Da bin ich sicher. Aber vielleicht gibt es einen Weg, um die Wogen zu glätten.“

„Und der wäre?“

„Du“, erklärte er. „Ich werde dich brauchen, Layna.“

2. KAPITEL

Layna musste sich am Gartentor festhalten. „Wie bitte?“, fragte sie entgeistert.

„Ich brauche dich.“

„Ich weiß zwar nicht, wie du auf diese Idee kommst, aber du brauchst mich ganz sicher nicht, das kannst du mir glauben.“

„Die Menschen lieben dich. Mich allerdings nicht, Layna.“

„Sie lieben mich?“ Wut stieg in ihr hoch. Sie hatte geglaubt, dass sie den Zorn schon bewältigt hatte. Doch manchmal wurde sie daran erinnert, dass es nicht so war. Bei kleinen, unbedeutenden Anlässen, wie zum Beispiel, wenn sie sich im Spiegel sah oder sich beim Kochen den Finger verbrannte. In diesem Fall war es jedoch kein unbedeutender Anlass, sondern ein wichtiger Teil ihrer Vergangenheit, der mit Macht zurückkehrte.

Mit einigen der Einwohner von Kyonos hatte sie ihren Frieden gemacht. Schließlich hatte sie ihnen gedient, doch sie empfand ihnen gegenüber nicht mehr das Gleiche wie damals, als sie darauf vertraut hatte, dass das ganze Land sie bewundern würde.

Inzwischen wusste sie es besser.

„Ja“, sagte er ruhig, als habe er den warnenden Unterton in ihrer Stimme nicht gehört.

„Die Menschen haben sich eher wie Tiere verhalten, nachdem du gegangen bist“, erklärte sie aufgebracht. „Alles fiel auseinander, aber das weißt du vermutlich.“

„Ich habe mich nicht mehr über Kyonos informiert, seit ich gegangen bin. Außerdem verschwimmen einem die Schlagzeilen vor den Augen, wenn man betrunken ist.“

„Du hast also keine Ahnung und weißt nichts von den katastrophalen Verhältnissen damals? Die Firmen sind abgewandert, das Geld war nichts mehr wert, und die Menschen haben ihre Arbeit verloren.“

„Und all das nur, weil ich gegangen bin?“

„Einiges davon hast du doch sicher mitbekommen.“

„Einiges“, gestand er knapp. „Aber wenn man nur für ein paar Stunden am Tag nüchtern ist, geht vieles an einem vorbei.“

„Da kann ich nicht mitreden.“

„Weil du dich vermutlich nie dem Laster hingegeben hast?“

„So ist es.“

„Ich bin also schuld, dass die Wirtschaft zusammengebrochen ist? Willst du das damit sagen?“

Sie zuckte die Schultern. „Du. Der Tod der Königin. Die Depression des Königs. All das kam zusammen, und niemand traute den Herrschenden mehr über den Weg. Die Leute waren wütend.“

Sie sah ihn an und kämpfte um Gelassenheit, um Stärke. Was ihr passiert war, war kein Geheimnis. Es hatte in allen Zeitungen und im Internet gestanden. Aber es laut auszusprechen war schwer für sie.

Du wirst ihm nicht zeigen, dass es dir etwas ausmacht. Du wirst dich nicht schwach geben. Es spielt keine Rolle. Weil es nichts als Eitelkeit wäre.

„Es gab Unruhen. Die Leute gingen auf die Straße, besetzten die Häuser der Regierungsmitglieder, die für die Wirtschaftskrise verantwortlich waren. Es gab einige Übergriffe, sogar Säureanschläge. Wir haben unser Haus verlassen, nachdem ein Mann versucht hatte, sich Zutritt zu verschaffen und meinen Vater mit Säure überschütten wollte. Mein Vater ist gestolpert, und nur deshalb hat der Angreifer ihn verfehlt. Stattdessen wurde ich getroffen, und ich muss dir wohl nicht sagen, wo.“ Sie versuchte zu lächeln, was schwierig war, wenn eine Hälfte ihres Mundes ihr nicht gehorchen wollte.

Forschend sah sie ihn an. Offenbar war es ihr gelungen, ihn zu schockieren, was sie nicht für möglich gehalten hätte.

„Also ist es wohl nur verständlich, dass die Menschen mich nicht mehr so sehr lieben, wie du glaubst. Als Tochter eines der wichtigsten Regierungsbeamten haben sie mich automatisch mitverantwortlich gemacht für ihr Elend.“ Sie ging an ihm vorbei, um das Gespräch zu beenden.

Doch er hielt sie am Arm fest, und Hitze durchflutete sie. Scharf atmete sie ein, und sein Duft traf sie wie ein Schlag gegen die Brust.

In ihrem Kopf wirbelten Erinnerungen auf, an glänzende Ballsäle und Seidenkleider. An Tänze in den Armen eines Mannes, eine kurze Flucht in den Garten, wo sein Mund beinahe ihren berührt hatte. Ihre vollen, wunderschönen Lippen, die noch nicht entstellt waren. Es wäre ihr erster Kuss gewesen. Am liebsten hätte sie in diesem Moment geweint, weil es nicht soweit gekommen war. Denn jetzt würde sie niemand mehr küssen.

Außerdem hatte sie diesem Vergnügen abgeschworen. Lieber wollte sie anderen Menschen dienen und ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen. Bedürfnisse, die ohnehin keine Rolle mehr spielen sollten. Denn kein Mann würde sie überhaupt noch küssen wollen.

Und Xander … es war zu viel für sie. Nun, da sie ihn nicht mehr wollte, war er gekommen, und nicht vor fünfzehn Jahren, als sie ihn brauchte.

Jetzt wollte sie nur noch Abstand. Xander stand für ein Leben, das sie nicht mehr haben konnte und nicht wollte.

Deshalb sollte er gehen. Damit sie wieder vergessen konnte.

„Ich denke, du solltest jetzt gehen“, meinte sie. „Jetzt weiß du ja, wie es um mich steht. Und solltest du Erlösung suchen, Xander, bist du bei mir an der falschen Adresse.“

„Daran bin ich nicht interessiert. Ich will nur das Richtige tun. Etwas ganz Neues bei mir, oder?“

„Nun, ich kann dir nicht helfen. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn du wieder dahin zurückkehrst, wo du hergekommen bist.“

„Ich bleibe heute Nacht hier.“

„Wie bitte?“ Sie war schockiert.

„Ich habe mit der Äbtissin gesprochen und ihr die Situation erklärt. Ich will nicht, dass die Öffentlichkeit jetzt schon erfährt, dass ich hier bin. Weil ich noch nicht bereit dafür bin. Und ich habe vor, dich mitzunehmen.“

„Ach ja? Und was ich zu sagen habe, spielt wohl keine Rolle?“

Autor

Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

Von da an konnte nichts und niemand...
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