Romana Exklusiv Band 257

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LIEBESZAUBER DER SÜDSEE von DONALD, ROBYN
Ist es Liebe auf den ersten Blick - oder bloß Mitleid mit einer gestrandeten Urlauberin? Fleur hat keinen Schimmer, warum der Millionär Luke Chapman sie bei sich aufnimmt und so rührend umsorgt. Bis sie erfährt, wie er sich ihre Dankbarkeit tatsächlich vorstellt …

SÜßE VERFÜHRUNG AUF MADEIRA von WENTWORTH, SALLY
Francesca ist die schönste Blume Madeiras. Allerdings gibt sich Sam Gallagher nur eine einzige Nacht lang der Illusion hin, dass er das Herz der reichen Winzertochter für immer gewinnen könnte. Schließlich hat sie einem waschechten Prinzen das Jawort gegeben …

WARTET IN IRLAND DIE LIEBE? von MCALLISTER, ANNE
In Irland hofft Sara, dass sich ihr Traum vom großen Glück mit Flynn Murray erfüllt. Als heutiger Earl will der Vater ihres Sohnes sie auf sein Schloss holen. Dort aber muss sie feststellen, dass schon eine andere Frau darauf wartet, Herrin auf Dunmorey Castle zu werden …


  • Erscheinungstag 08.05.2015
  • Bandnummer 0257
  • ISBN / Artikelnummer 9783733740191
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Donald, Sally Wentworth, Anne McAllister

ROMANA EXKLUSIV BAND 257

ROBYN DONALD

Liebeszauber der Südsee

Aufgewühlt lässt Luke den Blick über die Urlauberin gleiten, die nach einem Hitzekollaps in seine Villa gebracht wurde. Ihre sinnlichen Lippen, ihr durchdringender Blick – Fleur wäre die perfekte Scheingeliebte, um sich eine lästige Verehrerin – die Enkelin eines wichtigen Geschäftspartners! – vom Leib zu halten. Nur wie überzeugt er Fleur davon, zu bleiben?

SALLY WENTWORTH

Süße Verführung auf Madeira

Heute im schillernden New York, morgen im malerischen Madeira – Francesca genießt ihr Leben als jüngste Tochter der Winzerdynastie Brodey. Doch bei allem Glamour sehnt sie sich nach wahrer Liebe. Als sie dem bodenständigen Sam Gallagher begegnet, glaubt sie sich am Ziel ihrer Träume. Allerdings will der attraktive Amerikaner zurück in seine Heimat …

ANNE MCALLISTER

Wartet in Irland die Liebe?

Wieder und wieder liest Flynn den Brief, der ihn nach fünf Jahren endlich erreicht. Es ist unfassbar: Er hat tatsächlich in der unvergesslichen Nacht mit Sara ein Kind gezeugt! Sofort steigt er ins nächste Flugzeug – fest entschlossen, sie und seinen Sohn auf sein Schloss nach Irland zu bringen. Allerdings hat er nicht mit Saras Widerspruch gerechnet …

1. KAPITEL

Kaum merklich nickte Luke Chapman dem Mann zu, der gerade an der Tür seines Elternhauses aufgetaucht war. Die Gäste der Cocktailparty bemerkten nichts von dem stummen Dialog zwischen Luke und seinem Sicherheitschef.

„Ein bezauberndes Fleckchen Erde haben Sie hier“, sagte der texanische Ölmagnat gerade. „Die Berge von Fala’isi sind atemberaubend … und erst die Strände. Ihr Plantagenhaus gefällt mir übrigens auch ausnehmend gut.“

Amüsiert lauschte Luke den Lobeshymnen des Mannes, bevor er das Thema geschickt auf die Probleme lenkte, die der Zusammenbruch einer weltweit tätigen Firma mit sich bringen würde.

Zehn Minuten später entschuldigte er sich, nachdem er dem Texaner einen anderen Gesprächspartner vorgestellt hatte. Immer wieder blieb er auf dem Weg zur Tür stehen, um mit den Gästen zu plaudern.

Eigentlich war er kein begeisterter Anhänger von Cocktailparties, doch von einem Mann seiner Position im Kleinstaat Fala’isi – einer Inselgruppe im Pazifik – erwartete die Öffentlichkeit solche Veranstaltungen nun einmal.

Schließlich hatte er die Tür erreicht und fragte seinen Sicherheitschef: „Was ist los?“

„Mrs van Helgen ist hier“, erzählte Valo. „Sie ist direkt vor meinem Auto zusammengebrochen. Ich habe sie zu Ihrem Haus gebracht.“

Nicht ein Muskel bewegte sich im markant männlichen Gesicht seines Chefs. „Wie geht es ihr?“

„Schlecht. Als sie nicht wieder zu sich gekommen ist, habe ich die Ärztin gerufen und bin gleich hergekommen, um Sie zu informieren.“

„Gut gemacht.“ Luke sah auf seine Armbanduhr. „Ich bin in einer Stunde hier fertig, dann mache ich mich sofort auf den Weg.“

„Hier hast du dich also versteckt, Luke“, rief eine helle Frauenstimme.

Valo sah zu, wie sein junger Boss sich umwandte und der Blondine zulächelte – mit dem üblichen Effekt.

Alle weiblichen Wesen lagen dem hochgewachsenen, aristokratisch wirkenden Mann zu Füßen. Selbst Valos dreijährige Nichte hatte neulich ihren Wutanfall vergessen, als Luke ihr zulächelte, so beeindruckt war sie von ihm.

Aber auch in der Geschäftswelt genoss der Sohn des legendären Industriemagnaten Grant Chapman Bewunderung und Respekt. Man schätzte seine Intelligenz und Durchsetzungskraft.

Jetzt ließ er sich von der Blondine auf die Wange küssen und begleitete das Mädchen anschließend zurück zu den anderen Gästen.

Sie hörte leise Stimmen. Öfter war sie für einen kurzen Moment aufgewacht, jedoch gleich wieder eingeschlafen.

Dieses Mal hielt sie sich wach. Unerträgliche Kopfschmerzen und fürchterlicher Durst plagten sie. Angestrengt versuchte sie, dem leise geführten Gespräch zwischen einer Frau mit untrüglichem australischen Akzent und einem Mann mit dem singenden Tonfall der Bewohner von Fala’isi zu folgen.

„… dehydriert, und sie scheint auch nicht genug gegessen zu haben. Der Tropf wird helfen. Aber die nächsten Tage muss sie unter ärztlicher Aufsicht bleiben.“

Das war die Frauenstimme. Fleur versuchte, die Augen zu öffnen, doch ihre Lider wogen schwer wie Blei.

Die Frau hatte die Veränderung jedoch bemerkt. „Sie kommt zu sich.“

Jemand schob einen Arm unter sie, um sie zu stützen und schob ihr einen Strohhalm zwischen die Lippen. „Trinken Sie das Wasser, Janna. In ganz kleinen Schlucken.“

Wer war Janna? Egal. Das kalte Wasser rann ihren ausgetrockneten Hals hinab und weckte ihre Lebensgeister.

Als jemand den Strohhalm wieder wegnahm, protestierte sie heiser.

„Das ist genug für den Anfang. Wir haben Ihnen einen Tropf gelegt. Sie werden sich bald besser fühlen.“

Noch jemand schien hereinzukommen. Die Frauenstimme sagte: „Da sind Sie ja, Luke. Wie immer genau im richtigen Moment. Sie ist gerade aufgewacht.“

Mit großer Anstrengung gelang es Fleur, die schweren Lider zu heben. Sie begegnete einem durchdringenden Blick aus stahlgrauen Augen. Das schöne Männergesicht kam ihr irgendwie bekannt vor.

Nachdem Luke sie kurz und eindringlich gemustert hatte, wandte er sich an die anderen. „Das ist nicht Janna.“

Was für eine wohlklingende Stimme – tief und gebildet und unendlich sexy. Aber auch Autorität schwang in dem Tonfall mit.

„Ich heiße Fleur“, wisperte sie heiser. Als niemand reagierte, schloss sie die Augen und fügte noch hinzu: „Fleur Lyttelton.“

Das Wasser hatte sie so weit belebt, dass sie wieder denken konnte. Offensichtlich handelte es sich um eine Verwechslung. Merkwürdig. Sie erinnerte sich nur noch daran, auf dem Rückweg zum Strand die Straße entlanggegangen zu sein. Dabei hatte sie sich sehr elend und schwach gefühlt. Dann hatte ein Auto neben ihr angehalten …

Die Stille im Raum wurde ihr unheimlich. Besorgt machte sie erneut die Augen auf und blickte in die verschlossene Miene des Mannes. Jetzt betrachtete er sie, als handelte es sich bei ihr um eine seltene Pflanze. Der kühle analysierende Blick ging ihr durch und durch.

„Und ich bin Luke Chapman“, sagte er schließlich ruhig.

„Sehr erfreut“, antwortete sie leise. Dann fielen ihr die Augen wieder zu.

Aufgewühlt ließ Luke den Blick noch einmal über sie gleiten. Bei genauerem Hinsehen bestand überhaupt keine Ähnlichkeit mit Janna, abgesehen von dem rotgoldenen Haar, das ihr bleiches Gesicht umrahmte und schlecht geschnitten war. Im Gegensatz zu Fleur Lyttelton färbte Janna ihr Haar allerdings.

Sein männliches Interesse war geweckt, als er ihren Mund betrachtete. Die vollen sinnlichen Lippen luden förmlich zum Küssen ein.

In diesem Moment öffnete Fleur erneut die Augen und sah ihn mit ihren seegrünen Augen durchdringend an. Eine kleine Linie bildete sich zwischen ihren dunklen Brauen. Dann überraschte sie ihn mit einem hoheitsvollen Nicken, das einer Königin zur Ehre gereicht hätte. „Danke“, sagte sie deutlich und schlief wieder ein.

„Ich lasse einen Krankenwagen kommen“, erklärte die Ärztin. „Allerdings habe ich keine Ahnung, wo wir die Patientin unterbringen sollen. Das Krankenhaus ist schon völlig überfüllt. Die Grippeepidemie hat viele Inselbewohner erwischt. Ach, übrigens geht es dem Baby der Sulus wieder besser.“

„Dem Himmel sei Dank“, sagte Luke und lächelte erleichtert.

„Ich könnte Ms Lyttelton …“, fuhr die Ärztin fort.

„Sie kann hierbleiben, vorausgesetzt aus medizinischer Sicht spricht nichts dagegen.“ Luke hatte eine seiner schnellen Entscheidungen getroffen.

„Nein, das ist in Ordnung, solange sich eine Krankenschwester um den Tropf kümmert und ihr Blut abnimmt. Wir müssen auf ihren Wasserhaushalt achten. In den nächsten Tagen wird sie noch sehr schwach sein.“

Luke nickte und betrachtete das bleiche Gesicht. Irgendetwas darin verriet ihm, dass die Fremde in ihrem jungen Leben schon einiges an Leid und Kummer erlebt hatte. Darüber täuschten auch der sinnliche Mund und die rotgoldene Haarpracht nicht hinweg.

Er wandte sich an Valo, der sie gerettet und hergebracht hatte. „Sie hatte doch bestimmt eine Tasche bei sich, oder?“

Wortlos zeigte sein Sicherheitschef auf eine abgenutzte schwarze Handtasche, die auf einer Truhe neben dem Bett lag.

„Bitte sehen Sie nach, ob sie einen Pass dabei hat, und finden Sie heraus, woher sie kommt.“ Dann wandte er sich an die Ärztin. „Können Sie für mich eine Krankenschwester besorgen? Eine, die schweigen kann?“

„Selbstverständlich.“ Da sie die Chapmans inzwischen seit Jahren kannte und wusste, dass sich die Presse auf jede Neuigkeit aus ihrem Leben stürzte, überraschte Lukes Bitte sie überhaupt nicht. „Eine meiner Krankenschwestern macht gerade Urlaub, würde sich aber bestimmt gern etwas hinzuverdienen. Ich schicke sie Ihnen noch heute vorbei.“

„Danke.“ Er ging hinaus, gefolgt von Valo, den er draußen leise instruierte: „Finden Sie alles über Fleur Lyttelton heraus, was in Erfahrung zu bringen ist!“

Als Fleur wieder aufwachte, wusste sie instinktiv, dass ein neuer Tag angebrochen war. Draußen gurrte eine Taube, Palmenwedel raschelten sanft im Wind. Es roch nach Vanille und einem anderen exotischen Duft, den sie nicht zuordnen konnte. Doch er versetzte sie zurück in die gemütliche Geborgenheit ausstrahlende Küche ihrer Mutter.

Doch dieser Duft hier war eher verführerisch, fast opulent.

Auch ohne die Augen zu öffnen, wusste sie, dass sie in Fala’isi war. Allerdings nicht auf dem harten Boden, auf dem sie drei Nächte lang geschlafen hatte, sondern in einem bequemen Bett. Jetzt hob sie die schweren Lider ein wenig.

Wie ein Krankenhauszimmer sah es hier nicht aus. Von denen hatte sie bis an ihr Lebensende genug gesehen. Nein, vielmehr handelte es sich um ein modern eingerichtetes, riesiges Schlafzimmer, vor dessen Fenstern sich dünne Vorhänge bauschten.

Bekleidet war sie nur mit Slip und T-Shirt. Wem mochte das Zimmer gehören?

Fleurs Blick wanderte durch das geräumige Zimmer. Auf einem schwarzen Frisiertisch entdeckte sie einen Topf mit scharlach- und purpurroten Orchideen, die einen starken Kontrast zu den hell gestrichenen Wänden bildeten. Dann fiel ihr Blick auf einen Wandbehang aus Baststoff, Tapa genannt, mit stilisierenden Mustern in Braun- und Bronzetönen, die an die pazifischen Inseln erinnerten.

Als sie die Augen wieder schloss, sah sie den aufregenden, aristokratisch auftretenden Mann vor sich, der sie mit seinem stahlgrauen Blick gemustert hatte. Sie erinnerte sich an seine tiefe sexy Stimme. Ob ihm dieses Haus gehörte?

Trotz der wärmenden Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, fröstelte Fleur plötzlich. Sein perfekt geschwungener Mund hatte sie ebenfalls beeindruckt. Wie hieß dieser imposante Mann noch? Ach ja, Chapman. Luke Chapman.

Der Name war in der gesamten Pazifikregion bekannt. Die Familie herrschte seit Generationen über Fala’isi. Da ihr derzeitiges Oberhaupt Grant Chapman eine Neuseeländerin geheiratet hatte, stapelten sich in den Klatschspalten Geschichten über die Familie. Besonderes Augenmerk richtete die Presse auf den einzigen Sohn, der das Imperium einmal erben sollte.

Fleur wandte abrupt den Kopf zur Tür, als sie aus der Richtung ein Geräusch hörte. Bei der heftigen Bewegung wurde ihr sofort schwindlig. Erschöpft sank sie wieder zurück in die Kissen.

Eine Krankenschwester eilte an ihr Bett. „Endlich sind Sie aufgewacht. Wie geht es Ihnen heute Morgen?“

„Danke, schon viel besser“, antwortete Fleur leicht heiser. Dann bin ich also doch im Krankenhaus, dachte sie.

„Hier, trinken Sie das!“ Die Schwester stützte sie und schob ihr einen Strohhalm zwischen die Lippen. „Wir haben Ihnen eine Infusion gelegt, um Ihnen Flüssigkeit zuzuführen“, erklärte sie. „Sie sehen schon wesentlich besser aus als gestern Abend.“

Fleur hörte gerade auf zu trinken, als die Tür erneut geöffnet wurde.

Dieses Mal betrat Luke das Zimmer, das durch seine Anwesenheit plötzlich viel kleiner wirkte.

Seine magische Anziehungskraft verstörte sie zutiefst. Das ist also Luke Chapman, dachte Fleur. Die Fotos in den Zeitschriften wurden diesem arroganten, blendend aussehenden Traumprinzen nicht gerecht.

Lächelnd trat er an ihr Bett. Fasziniert und verwirrt zugleich sah sie ihn an. In seinem Lächeln spiegelten sich Humor, Anteilnahme und unterschwelliges sexuelles Interesse. Es war ein sehr gefährliches Lächeln.

Das Lächeln eines Mannes, der ihr gefährlich werden konnte.

„Sie sehen schon viel besser aus“, sagte er mit seiner tiefen, aufregenden Stimme. „Das Frühstück wird gleich serviert. Haben Sie sich so weit erholt, dass Sie mir einige Fragen beantworten können?“

„Ja, natürlich“, antwortete sie leise. „Danke. Ich weiß nicht mehr, was passiert ist, aber …“

Er sagte etwas auf Polynesisch, woraufhin die Krankenschwester das Zimmer verließ.

Fleur und er blickten einander an.

Sein charismatisches Lächeln raubte ihr fast den Atem.

„Sie sind auf der Straße zusammengeklappt“, erklärte er. „Mein Fahrer hat Sie gefunden und hergebracht.“

„Warum ausgerechnet hierher?“

Luke widerstand der Versuchung, der Frage einfach auszuweichen. Natürlich wollte er sie nicht belügen. Andererseits drängte es ihn auch nicht danach, ihr zu erzählen, dass man sie mit einer Frau verwechselt hatte, mit der ihn vor zwei Jahren eine kurze Affäre verbunden hatte.

Auf Fleurs Wangen lag wieder Farbe, und in den großen grünen, von dichten schwarzen Wimpern umrahmten Augen konnte man förmlich versinken …

Er riss sich zusammen. „Weil mein Haus näherlag als das Krankenhaus. Außerdem ist das Krankenhaus momentan überfüllt. In Fala’isi grassiert eine Grippewelle. Sie jedoch leiden an Dehydrierung und Erschöpfung und werden sich hier besser erholen.“

Ihrem nachdenklichen Blick war anzusehen, dass sie ihm das nicht abnahm.

„Vielen Dank“, sagte sie höflich. „Aber ich muss gehen.“

„Warum? Damit Sie wieder am Strand schlafen können? Das ist hier verboten. Wie ist es Ihnen überhaupt gelungen, ohne Zimmernachweis einzureisen?“, fragte er betont unnachgiebig. Ihre Wangen wirkten eingefallen. Offensichtlich hatte sie nicht nur im Freien übernachtet, sondern auch nichts gegessen. Aus irgendeinem ihm unbekannten Grund machte ihn das wütend.

Fleur sah ihn offen an. „Ich hatte ein Ferienhaus gebucht, aber als ich hier eintraf, war es belegt. Offenbar hat jemand im Reisebüro das Datum verwechselt.“

„Warum haben Sie sich keine andere Unterkunft gesucht?“

Es ging ihr auf die Nerven, ständig zu erröten. Die Leute dachten dann immer, sie wäre schüchtern und leicht zu beeinflussen. Auf gar keinen Fall wollte sie Luke erzählen, dass ihre Mutter den Urlaub kurz vor ihrem Tod gebucht hatte. Das tat alles noch zu weh.

„Ich habe nicht genug Geld“, erklärte sie und begegnete unerschrocken seinem Blick.

Er hob eine schwarze Augenbraue. „Sie hätten sich an das neuseeländische Konsulat wenden können“, gab er zu bedenken.

Sie schüttelte den Kopf und zuckte vor Schmerz zusammen. Natürlich hätte sie den Konsul um Hilfe bitten können. Doch wozu? In diesem herrlich milden Klima konnte man doch auch draußen übernachten. Alles ging gut, bis …

„In Ihrer Handtasche war kein Geld. Und wo ist eigentlich Ihre Kleidung?“, fragte er unnachgiebig weiter.

„Man hat mir meinen Rucksack gestohlen, als ich auf dem Markt etwas zu essen kaufen wollte. Ich hatte ihn nur kurz abgestellt, um mein Geld herauszusuchen, als jemand mir einen Blütenkranz um den Hals legte, während der Händler das Obst abwog.“

„Sie haben also den hübschen Blütenkranz gekauft, und als Sie sich umdrehten, war der Rucksack weg?“

Aufgebracht funkelte sie ihn an. „Ich habe ihn nicht gekauft, aber der Rest stimmt.“ Als sie seinen ungläubigen Blick bemerkte, fügte sie hinzu: „Ich habe mein Gepäck wirklich nur eine Sekunde aus den Augen gelassen.“

„Die hat offenbar ausgereicht. Wie lange ist das her?“

Fleur überlegte. „Ich glaube, es war vor drei Tagen.“

„Sind Sie zur Polizei gegangen?“

„Ja. Die Polizisten waren sehr freundlich und haben auch versucht, den Dieb ausfindig zu machen. Doch niemand hat etwas beobachtet. Nur meinen Rucksack haben sie hinter einem der Marktstände gefunden. Bis auf Pass und Flugticket war er leer.“

„Haben Sie Ihre Kreditkarte sperren lassen?“

„Ich besitze keine Kreditkarte.“

Das Verhör ging weiter.

„Wo wohnen Sie in Neuseeland, Ms Lyttelton?“

„In Waiora, einem Dorf an der Westküste, nördlich von Auckland“, antwortete sie kühl. „Wieso fragen Sie?“

„Ich überprüfe lediglich, ob Ihre Geschichte den Tatsachen entspricht.“

Wütend presste sie die Lippen zusammen. „Ich sage die Wahrheit“, erklärte sie mit mühsam aufrechterhaltener Selbstbeherrschung.

„Tut mir leid, dass ich Sie so hart angehe.“ Auch er wirkte nicht sonderlich entspannt.

„Schon gut.“

Sein plötzliches schuldbewusstes Lächeln verschlug ihr den Atem.

„Sie sind also Fleur Lyttelton aus Neuseeland, dreiundzwanzig Jahre alt und im Sternzeichen Löwe geboren, wie ihr Geburtsdatum verrät.“

Das Lächeln war schon umwerfend genug, und dann noch diese atemberaubende Stimme. Fleur schluckte und hoffte, dass er nichts von dem Gefühlschaos in ihrem Inneren bemerkte. Kurz angebunden sagte sie: „Ich wusste gar nicht, dass Männer sich für Sternzeichen interessieren.“

„Ich habe zwei Schwestern“, erklärte er lächelnd. „Übrigens habe ich Ihren Pass und die Flugtickets in meinen Safe gelegt. Dort sind sie sicher.“

Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Es tut mir ausgesprochen leid, was Ihnen passiert ist. Eigentlich ist Fala’isi eine sehr sichere Inselgruppe. Aber selbst hier gibt es Menschen, denen man nicht trauen kann. Die Polizei ist der Überzeugung, dass ein Tourist Ihren Rucksack gestohlen hat. Offenbar ist ihm das Geld ausgegangen. – Können Sie sich ohne Hilfe aufrichten?“

All diese Informationen musste sie erst einmal verarbeiten. Warum sollte sie sich aufrichten? Verständnislos sah sie ihn an. „Wie bitte?“

„Sie haben ganz eindeutig Durst.“ Im nächsten Moment hatte er ihr einen Arm um die Schultern gelegt und stützte Fleur.

Vor ihr drehte sich wieder alles. Aus der Nähe überwältigte Luke sie noch mehr, und seine Berührung weckte die merkwürdigsten Gefühle in ihr. Jetzt stopfte er ihr noch ein Kissen in den Rücken.

„Ganz ruhig“, sagte er. „Blinzeln Sie einige Male, und machen Sie dann die Augen langsam wieder auf.“

Sein gelassener Tonfall gab ihr neues Selbstvertrauen. Allerdings ahnte sie leider nur zu gut, was den erneuten Schwindelanfall ausgelöst hatte. Besser gesagt, wer.

Er reichte ihr ein Glas. „Trinken Sie langsam. Das Frühstück müsste jeden Moment serviert werden. Danach hilft Ihnen die Schwester beim Duschen.“

„Nein, warten Sie!“ Unter seinem stahlgrauen Blick schwand ihr Selbstvertrauen wieder. „Ich kann nicht hierbleiben“, erklärte sie.

Das brachte ihr einen ungehaltenen Blick ein. „Sie haben keine Wahl. Mit Dehydrierung ist nicht zu spaßen. Davon müssen Sie sich erst vollständig wieder erholen. Vorher gibt Ihnen die Ärztin kein grünes Licht. Solange bleiben Sie hier.“

Unnachgiebig sah er sie an, bis sie schweigend den Blick senkte. Dann verließ Luke das Zimmer und ließ Fleur zurück: mit einem Kopf, in dem die unterschiedlichsten Gefühle herumschwirrten.

2. KAPITEL

Erleichtert sah sie auf, als die Schwester ihr wenig später Müsli und tropische Früchte servierte.

„Das müssen Sie alles aufessen. Anweisung von Frau Dr. King“, sagte sie fröhlich, als sie das Tablett auf Fleurs Knien abstellte. „Warum haben Sie nicht um Lebensmittel gebeten, nachdem man Sie bestohlen hat? Niemand auf der Insel hätte es zugelassen, dass Sie Hunger leiden. Es gibt hier genug Essen für alle.“

Die Anteilnahme der Schwester war sicher gut gemeint, doch Fleur hatte schon wieder das Gefühl, ausgefragt zu werden. Daher antwortete sie nur kurz angebunden: „Ich habe auch so genug zu essen gefunden.“

„Das sieht man Ihnen aber gar nicht an. Und wie haben Sie es geschafft, unbeobachtet am Strand zu übernachten? Das interessiert mich wirklich. Denn wir Inselbewohner sind sehr wachsam. Uns entgeht so leicht nichts.“

Fleur senkte verlegen den Blick. „Ich habe eine winzige Bucht mit nur zwei Häusern gefunden. Sie sind offensichtlich unbewohnt.“

„Ungefähr einen Kilometer von hier in Richtung Stadt?“

„Genau.“

„Sie gehören einer Familie, die zu einer Hochzeit nach Australien geflogen ist und in zwei Tagen zurückerwartet wird. Spätestens dann hätte man Sie entdeckt.“

„Ich habe unter einem großen Baum geschlafen. Vom Strand aus hätte mich niemand sehen können. – Das Frühstück sieht köstlich aus. Vielen Dank.“

„Möchten Sie Kaffee oder Tee?“

Bei dem Gedanken an Kaffee drehte sich Fleur der Magen um. „Tee, bitte.“ Dann fragte sie impulsiv: „Wo bin ich hier eigentlich?“ Als sie den erstaunten Blick der Schwester auffing, setzte sie erklärend hinzu: „Ich habe Fotos vom Herrenhaus der Chapmans gesehen. Ein wunderschönes altes Anwesen. Hier erscheint mir aber alles ganz modern.“

„Sie meinen Lukes Elternhaus. Dieses Gebäude hat er vor zwei Jahren bauen lassen, als er aus dem Ausland zurückgekehrt ist. Er wollte endlich ein eigenes Dach über dem Kopf. Wir hatten gehofft, er würde vielleicht heiraten, aber momentan sieht es nicht danach aus. So, nun essen Sie schön. Anschließend können Sie duschen. Ich habe Ihnen einen Morgenmantel und ein Nachthemd mitgebracht. Sie können ja nicht die ganze Zeit in Lukes T-Shirt im Bett liegen.“

Bei der Vorstellung, ein Kleidungsstück ihres Gastgebers zu tragen, wurde Fleur ganz heiß.

„Woher kommen die Sachen?“, fragte sie.

„Lukes Haushälterin hat mir Geld gegeben, und ich habe die Sachen besorgt. Das Geld kommt vermutlich von Luke.“

Fleur nahm sich vor, ihm alles auf Heller und Pfennig zu erstatten, gleichgültig, wie lange sie dafür arbeiten müsste.

Mit jedem Tag erholte sie sich mehr von ihrem Zusammenbruch. Dr. King erlaubte ihr täglich, etwas länger aufzubleiben. Die Schwester kümmerte sich weiterhin um ihr Wohlbefinden.

Luke besuchte sie zweimal am Tag. Sowie er ins Zimmer kam, fühlte Fleur sich hellwach und quicklebendig und so voller Energie wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

Seine Besuche waren die Höhepunkte des Tages, den sie ansonsten mit Lesen, Schlafen, Essen und Trinken verbrachte.

Das Haus hatte sie bisher noch nicht verlassen. Dazu fehlte es ihr noch an Kraft. Wehmütig blickte sie auf den wunderschönen Garten hinaus. Dabei kreisten ihre Gedanken wieder um Luke, so wie meistens.

Es ängstigte sie etwas, wie sehnsüchtig sie ihn jeden Tag erwartete.

Die Schwester hatte ihr einige Pareos mitgebracht, als die Ärztin Fleur erlaubte aufzustehen.

„Auf Fidschi heißen sie Lavalavas. Meine Tochter hat sie für Sie ausgesucht.“

„Sie sind wunderschön. Aber ich kann doch nicht die Kleidung Ihrer Tochter tragen.“

„Doch, das können Sie. Sie hat einige Dutzend Tücher. Passen Sie auf, ich zeige Ihnen, wie man sie bindet. Strecken Sie die Arme aus. So, jetzt wird der Stoff einfach um den Körper gewickelt und befestigt.“

Geduldig ließ Fleur sich in einen Pareo wickeln. „Hält das auch?“, fragte sie besorgt.

Die Schwester lachte. „Klar, solange man nicht zieht und zerrt. Die Mädchen hier tragen am liebsten Pareos. Sie gehen damit sogar schwimmen. Übrigens hat Luke mich gebeten, Ihnen Wäsche zu besorgen. Ich habe auch gleich welche mitgebracht.“

„Danke.“ Fleur senkte verlegen den Blick. Sie stand immer tiefer in Lukes Schuld.

„So, nun aber ab unter die Dusche.“ Die Schwester wurde energisch.

Fleur gehorchte und kehrte in einen Pareo gewickelt zurück.

„Steht Ihnen gut. Schauen Sie doch mal in den Spiegel. Ich hole Ihnen rasch eine Tasse Tee.“ Und schon war sie verschwunden.

Der Pareo war angenehm kühl, bedeckte züchtig das Dekolleté und reichte bis zu den Knien.

Ob sie Luke darin gefiel? Wahrscheinlich würde es ihm gar nicht auffallen, dass sie etwas anderes trug. Und ganz sicher würde ihm entgehen, dass sie ohne BH auskam.

Am nächsten Abend sagte Dr. King zu ihr: „Sie kommen jetzt auch ohne mich klar. Die Dehydrierung haben Sie gut überstanden. Aber Ihr allgemeiner Erschöpfungszustand macht mir noch Sorgen.“ Sie musterte Fleur fragend.

Mit traurigem Gesicht klärte diese die Ärztin auf: „Meine Mutter ist vor Kurzem gestorben. Ich habe sie bis zu ihrem Tod gepflegt. Aber mir geht es jetzt wieder gut. Wirklich. Vielen Dank für alles, was Sie für mich getan haben.“

„Gern geschehen. Das ist schließlich mein Beruf. Wie lange war Ihre Mutter krank?“

„Fünf Jahre.“

Dr. King nickte verständnisvoll. „Das erklärt einiges. Konsultieren Sie Ihren Hausarzt, wenn Sie wieder in Neuseeland sind. Vielleicht kann er Ihnen helfen.“

„Danke, es geht schon“, sagte Fleur automatisch. Was konnte man schon gegen Trauer verschreiben?

„Das Geschenk Ihrer Mutter, also die Reise hierher, war eine gute Idee. Offensichtlich war sie sich bewusst, wie erschöpft Sie sind, und hat Ihnen einen Klimawechsel verordnet. Es ist ausgesprochen kraftraubend, einen Menschen zu pflegen, den man liebt. Bei Ihnen kamen nun noch erschwerend die Dehydrierung und der Kreislaufkollaps hinzu. Sie sollten erst nach Hause fliegen, wenn Sie völlig wiederhergestellt sind.“

„Wie lange wird das dauern?“

Dr. King lächelte. „Mindestens eine Woche.“

„Höchstens zwei Tage!“ Fleur widersprach energisch. Als die Ärztin sie verständnislos ansah, erklärte sie: „Ich habe ein Flugticket für den Tag, das verfällt, wenn ich es nicht nutze.“

„Ach so.“ Dr. King runzelte die Stirn. „Solange Sie hier sind, halten Sie sich bitte nur im Schatten auf und benutzen Sie ausreichend Sonnencreme und Feuchtigkeitslotion. Die Tropensonne kennt kein Pardon. Und vergessen Sie nicht, spätestens alle halbe Stunde etwas zu trinken.“

Fleur versprach, an alles zu denken, und die Ärztin verabschiedete sich.

Wo soll ich denn die nächsten beiden Tage bleiben, überlegte Fleur, als sie wieder allein war. Diese Frage beschäftigte sie noch, als Luke sie später besuchte und sie ihm erzählte, was Dr. King ihr geraten hatte.

„Das bereitet Ihnen jetzt also Kopfzerbrechen“, sagte er und lächelte so sexy, dass augenblicklich unzählige Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern begannen und ihre Brustspitzen sich erwartungsvoll gegen den dünnen Pareo drängten.

Hoffentlich merkt er nichts, dachte sie verzweifelt. „Vielen herzlichen Dank, dass Sie mich so freundlich aufgenommen haben. Könnte mich jetzt bitte jemand in die Stadt bringen?“

„Das kommt gar nicht infrage. Es wird sowieso gleich dunkel.“ Er stand auf und musterte sie kühl. „Schlafen Sie gut. Morgen dürfen Sie an die frische Luft.“

„Darauf freue ich mich schon sehr.“ Damit war die Frage, wie es mit ihr weitergehen sollte, erst einmal vertagt. Vielleicht war das gar nicht schlecht. Denn eigentlich fühlte sie sich noch zu schwach, um schon wieder selbst für sich zu sorgen. Es tat gut, die Verantwortung vorübergehend abtreten zu können.

Am nächsten Morgen ließ Luke sich nicht blicken. Dieser Umstand schmerzte Fleur mehr als sie wahrhaben wollte. Nach dem Frühstück schlüpfte sie in eine weiße Hose und eine weiße Baumwollbluse, cremte sich sorgfältig mit Sonnenlotion ein und setzte einen breitkrempigen Hut auf. Auch diese Sachen hatte Luke für sie besorgen lassen, wie sie von der Krankenschwester erfuhr.

Immer mehr bedrückte sie das Gefühl, auf die Großzügigkeit anderer Leute angewiesen zu sein. Erneut nahm sie sich vor, ihrem Gastgeber die Ausgaben zu erstatten. Da sie diesbezüglich momentan jedoch sowieso nichts unternehmen konnte, beschloss sie, den schönen Tag im Garten zu genießen.

Draußen bewunderte sie die vielen verschiedenen Grüntöne der glänzenden Blätter, die wunderschönen Blüten und den gepflegten Rasen. Man erkannte sofort die energische Hand, die in dieser Gartenanlage nichts dem Zufall überließ. Alles wirkte geordnet und diszipliniert.

Auch der Besitzer des Anwesens war diszipliniert. Ob ihn wohl jemals etwas aus der Ruhe brachte?

Vielleicht verlor er seine kühle Distanz beim Liebesspiel. Ohne jede Vorwarnung durchflutete heißes Verlangen ihren Schoß.

Peinlich berührt verscheuchte Fleur diese Gedanken, streckte sich vor ihrem Zimmer auf einem Liegestuhl aus und las die Tageszeitung.

Offensichtlich führte Luke den Vorsitz über eine Konferenz gegen die Überfischung im pazifischen Raum. Zu dem entsprechenden Artikel gehörte auch ein Foto.

Er wirkt sehr energisch und durchsetzungsfähig, dachte sie. Und sieht dabei auch noch fantastisch aus.

Die Klatschspalte mit der Überschrift MODEL VERLÄSST EHEMANN NACH SECHS MONATEN überging sie. Stattdessen informierte sie sich über den Aufruhr in der Europäischen Union.

Doch das Lesen strengte Fleur noch ziemlich an. Erschöpft legte sie die Lektüre aus der Hand, lehnte sich im Liegestuhl zurück und schloss die Augen.

In dieser Haltung überlegte sie, was sie bis zu ihrer Abreise tun sollte. Sie besaß kein Geld, keine Kleidung und keine Unterkunft. Und hier konnte sie jedenfalls nicht länger bleiben. Luke war sicher froh, sie endlich loszuwerden.

Sie machte die Augen wieder auf und ließ den Blick über den wunderschönen Garten streifen. Unter dem Sonnenschutz hoher Farngewächse leuchteten weiße Lilien. Ihre Blüten wirkten wie Tauben, die sich auf den glänzenden Blättern niedergelassen hatten. Am Ende des Beets entdeckte sie einen purpurroten Farbklecks.

„Das wird wohl Hibiskus sein“, überlegte sie laut.

Um sich zu vergewissern, stand sie auf und begab sich auf Entdeckungstour. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Auf halber Strecke hörte Fleur plötzlich Stimmen und drehte sich um.

Zwei Männer gingen die Terrasse entlang, die um das ganze Haus herumführte. Einer davon war Luke. Fleur bekam sofort Herzklopfen, als sie ihn erblickte. Jetzt hatte er sie auch entdeckt. Als ihre Blicke sich trafen, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie besser auf ihrer kleinen geschützten Terrasse geblieben wäre.

Zögernd blieb sie stehen. Es sah bestimmt verdächtig aus, wenn sie plötzlich zurückkehrte. Entschlossen ging sie weiter, um die leuchtend roten Blüten näher zu betrachten.

Trotz der bezaubernden Schönheit hatte Fleur die Freude an ihrer Pracht verloren und kehrte schnell wieder zu ihrem Liegestuhl zurück.

Die Hast war ein Fehler. Vor ihren Augen drehte sich mit einem Mal alles, als sie sich setzte. Ihre Beine wogen bleischwer, und nur mit letzter Kraft konnte sie nach dem Wasserglas greifen, das sie vorhin auf den Tisch gestellt hatte, und es langsam austrinken.

„Alles in Ordnung?“, fragte Luke plötzlich hinter ihr.

Sie erschrak. „Mir geht’s prima“, behauptete sie mit versagender Stimme.

„Sie sind aber kreidebleich. Hat Frau Dr. King Ihnen nicht geraten, es langsam anzugehen?“

Ärgerlich winkte sie ab. „Hören Sie denn nie auf, Fragen zu stellen?“

„Doch, aber erst, wenn ich eine Antwort bekommen habe.“ Er ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder und betrachtete sie eingehend. „Ich habe gesehen, wie Sie den Rasen überquert haben. War der Weg zu anstrengend?“

Fleur biss sich auf die Lippe. „Wahrscheinlich bin ich zu schnell gegangen.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich fühle mich wie ein Schwächling.“

„Sie müssen sich eben noch schonen. Denken Sie daran, ausreichend zu trinken? Das ist hier in den Tropen besonders wichtig.“

„Ja, alle halbe Stunde ein Glas.“

„Bitte halten Sie sich daran.“

„Jawohl, mein Herr!“

Diese kecke Antwort brachte ihr ein Lächeln ein, das ihr fast den Boden unter den Füßen wegriss. Es kostete sie einige Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Schließlich hatte sie sich so weit wieder in der Gewalt, dass sie kühl und unpersönlich sagen konnte: „Vielen Dank für Ihre großzügige Hilfsbereitschaft. Ich werde mich jetzt um eine andere Unterkunft bemühen.“

„Machen Sie sich nicht lächerlich, Fleur. Ihr Ferienhaus ist noch für einen weiteren Monat ausgebucht. Sie haben kein Geld, und da Dr. King darauf besteht, dass man sich weiter um Sie kümmert, habe ich ihr versprochen, dass Sie bis zu Ihrer Rückkehr nach Neuseeland mein Gast sind.“

„Nein!“

„Sie brauchen mich gar nicht so entsetzt anzusehen, als hätte ich Ihnen einen unsittlichen Antrag gemacht.“ Das amüsierte Glitzern in seinen Augen lähmte sie fast. „Das ist die beste Lösung.“

„Ich möchte Ihnen aber nicht weiter zur Last fallen.“

„Jedenfalls werden Sie nicht wieder am Strand schlafen. Auf Anraten der Ärztin habe ich Ihren Rückflug storniert. Sie müssen also noch eine Weile hierbleiben.“

Fleur funkelte ihn wütend an. „Wie kommen Sie dazu? Das ist eine Unverfrorenheit.“

„Dr. King meint, Sie seien nur knapp an einem Burn-out-Syndrom vorbeigeschrammt. Mit so etwas ist nun wirklich nicht zu spaßen. Sie hält es für sinnvoll, dass Sie sich noch zwei Wochen hier erholen.“

„Zwei Wochen?“ Sie konnte ihn nur sprachlos ansehen.

„Haben Sie eine Bleibe in Neuseeland?“

„Ein Zimmer in einer Pension.“ Herausfordernd begegnete sie seinem Blick.

Luke hob erstaunt eine Augenbraue. „Und was hatten Sie nach Ihrer Rückkehr nach Neuseeland ursprünglich geplant?“

Als Fleur stumm blieb, setzte er hinzu: „Dr. King lässt Sie nur reisen, wenn es jemanden gibt, der sich zu Hause um Sie kümmert. Gibt es so jemanden?“

Da sie ihm keine Lügen auftischen wollte, schwieg sie lieber weiter beharrlich.

„Keine Freunde, die für Sie da sind?“

Nein, aber das ging ihn nichts an.

Sein Lächeln wurde zynisch. „Ich kann Sie natürlich nicht gegen Ihren Willen bei mir festhalten. Daher werde ich veranlassen, dass Ihnen im Krankenhaus ein Privatzimmer zur Verfügung gestellt wird, bis Dr. King Sie für reisefähig hält. Dann können Sie in meinem Privatjet ausfliegen.“

„Nein, jetzt machen Sie sich lächerlich. Das Krankenhaus platzt aus den Nähten vor Grippepatienten. Und ich wusste überhaupt nicht, dass Sie einen Privatjet besitzen.“ Voller Verzweiflung sah sie ihn an. „Kann ich nicht woanders unterkommen?“

„Nicht solange Sie noch so erschöpft sind. Ich bitte Sie, Fleur, bleiben Sie hier. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass ich Hausangestellte beschäftige. Sie fallen mir also überhaupt nicht zur Last. Außerdem können Dr. King und ich uns so am besten davon überzeugen, dass Sie auch genug essen und trinken.“

Ich bin doch kein Kleinkind, dachte sie verärgert. Aber natürlich hatte seine Argumentation Hand und Fuß. „Ich weiß nicht“, sagte sie schließlich unsicher.

„Sowie Sie sich besser fühlen, leihe ich Ihnen Geld, damit Sie den Rest Ihres Urlaubs genießen können.“

„Nein, das kann ich nicht annehmen“, wehrte sie stolz ab. „Ich könnte Ihnen das Geld nicht zurückzahlen.“

Forschend sah er sie an. „Möchten Sie mir das erklären?“

„Nein.“ Verzweifelt überlegte sie hin und her. „Okay, ich gebe mich geschlagen. Da Sie meinen Flug storniert haben, muss ich Ihr großzügiges Angebot wohl annehmen. Ich werde versuchen, Ihnen nicht im Weg zu sein, und wenn ich mich irgendwie bei Ihnen revanchieren kann, werde ich das selbstverständlich tun.“

Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie sie das ohne Geld anstellen sollte. Doch ihr Stolz verlangte, dass sie es ihrem Gastgeber wenigstens anbot.

Als er nicht antwortete, sah sie auf und begegnete seinem eindringlichen Blick. Seine Augen leuchteten nun in der Farbe von Edelstahl.

Plötzlich fühlte sie sich richtig verwegen. Tief in ihr wütete ein Feuer, das alle Barrieren niederbrannte, die sie aufgebaut hatte, um sich vor ihm zu schützen. Und dann begriff sie, wie er ihr Angebot aufgefasst haben musste. Die Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. „Ich … ich … so habe ich das nicht gemeint. Ich wollte mich nicht …“

„… selbst anbieten?“, half er freundlich aus.

„Ja … ich meine, nein. Ich werde nicht …“

Plötzlich brach er in herzliches Gelächter aus. „Entschuldigung. Ich habe Sie doch nur aufgezogen. Gut, dass Sie keine Brüder haben, da hätten Sie ganz schön etwas auszustehen.“

„Damit wäre ich schon klargekommen“, behauptete sie schroff und kam sich schrecklich dumm vor.

„Ja, wahrscheinlich.“ Er wandte den Blick ab. „Ach, da kommt Susi mit dem Mittagessen. Ich schlage vor, wir lassen es uns schmecken. Und dann legen Sie sich in Ihrem Zimmer hin. Zu viel Sonne tut Ihnen nicht gut.“

Die vollschlanke, sehr mütterlich wirkende Haushälterin musterte sie so eingehend, dass Fleur nervös wurde. Doch dann lächelte Susi strahlend und schüttelte ihr herzlich die Hand.

„Auf Fala’isi geht es sehr familiär zu“, erklärte Luke. „Irgendwie sind wir tatsächlich alle miteinander verwandt.“

„Das hört sich wundervoll an“, sagte Fleur leise.

„Sie haben demnach wohl keine Angehörigen mehr.“

„Mein Vater lebt in Australien. Offenbar hat er ein Kind mit seiner zweiten Frau. Weitere Verwandte habe ich nicht.“

Luke lächelte schief. „Mit den Verwandten ist das so eine Sache. Sie mischen sich ständig in dein Leben ein und haben zu allem, was du tust, eine Meinung.“

Fleur erinnerte sich an die Worte der Krankenschwester. Hatte sie nicht gesagt, dass alle erwartet hätten, dass Luke bald heiratete, als er sein eigenes Haus baute? „Sicher hat alles Vor- und Nachteile. Aber wieso sind hier denn alle Inselbewohner miteinander verwandt?“, fragte sie dann interessiert.

Er erzählte ihr von seinem Urahn, der vor Jahrhunderten auf der Insel gelandet war. Die Bevölkerung war damals durch von Europäern eingeschleppte Infektionskrankheiten fast ausgerottet gewesen. Sein Vorfahr hatte die einzig überlebende Tochter des Inselhäuptlings geheiratet und so den Grundstein für die heutige Chapman-Dynastie gelegt.

Fasziniert lauschte sie seiner lebendigen Erzählung, bis er schließlich auf die Uhr sah und sagte: „Leider muss ich jetzt los. Aber wir treffen uns vor dem Abendessen zu einem Aperitif.“

Als er aufstand, stellte Fleur ein weiteres Mal fest, wie groß und Respekt einflößend er war. Dabei bewegte er sich mit der Eleganz eines Panthers.

Auch sie erhob sich, um in ihr Zimmer zurückzukehren. Doch schon beim ersten Schritt taumelte sie und stieß gegen das Stuhlbein.

Luke war sofort an ihrer Seite und hielt sie fest. Seine Nähe berauschte sie. Heißes Verlangen erwachte in ihr. Am liebsten hätte sie sich an seine breite Brust geschmiegt. Wie sicher und geborgen sie sich bei ihm fühlte! Doch schon im nächsten Moment schrillten sämtliche Alarmglocken in ihrem Kopf.

Hastig riss sie sich zusammen und versuchte, sich von Luke zu lösen, doch die Beine gaben einfach unter ihr nach.

Er konnte sie gerade noch auffangen, hob sie hoch und trug sie in ihr Zimmer. Ihren schwachen Protest überhörte er geflissentlich.

Seit der Trennung von ihren Eltern und dem Weggang ihres Vaters hatte sie sich nicht mehr so sicher und geborgen gefühlt.

Behutsam setzte Luke sie auf dem Bett ab. „So, nun ruhen Sie sich aus. Wir sehen uns heute Abend.“

Gern hätte sie noch etwas vor sich hingeträumt und an das Gefühl gedacht, in seinen Armen zu liegen. Es war so wunderbar gewesen. So, als gehörte sie dahin. Doch binnen weniger Minuten übermannte sie die Müdigkeit, und Fleur schlief ein.

3. KAPITEL

Einige Stunden später erwachte sie vom Klang lockend gurrender Tauben. Ein betörend süßer tropischer Duft nach Vanille und Blüten lag in der Luft. Aus der Ferne hörte man die Brandung der Wellen am Riff.

Fleur streckte sich wohlig. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Und seit ihrer Kindheit hatte sie sich nicht mehr so geborgen gefühlt.

Wenn dies am Zauber des Pazifiks lag, dann war sie ihm erlegen.

Gähnend stand sie auf, ging ins Badezimmer und duschte. Gleichzeitig überlegte sie, was sie in den kommenden vierzehn Tagen nur anziehen sollte. Noch immer in Gedanken versunken, kehrte sie schließlich ins Schlafzimmer zurück.

Erschrocken fuhr sie herum, als es leise klopfte.

Natürlich war es nicht Luke, sondern Susi. „Luke lässt ausrichten, dass er Sie in einer halben Stunde auf der Terrasse erwartet, Miss. Ich hole Sie ab.“

Das klang wie ein Befehl. Warum pochte ihr Herz dann so aufgeregt? Und wieso spürte sie ein sinnliches Ziehen im Schoß?

Da sie keine eigene Garderobe mehr besaß, schlüpfte Fleur in die Bluse und die weiße Hose, schob eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und war gerade fertig, als die Haushälterin an die Tür klopfte.

Allerdings holte nicht Susi, sondern Luke sie ab. „Meinen Sie, Sie schaffen es bis zur nächsten Terrasse, wenn Sie sich bei mir einhaken?“, fragte er besorgt.

Fleur ließ sich nicht anmerken, wie aufgeregt sie war. „Selbstverständlich“, antwortete sie munter und konzentrierte sich auf ein Gemälde am Ende des Korridors. Eine elegante Dame im Stil der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts blickte auf sie herab.

„Das ist meine Urgroßmutter“, erklärte Luke. „Sie war Französin.“

Das erklärte diese mühelos erscheinende Eleganz. „Sie sieht faszinierend aus“, meinte Fleur.

„Ja, sie war eine beeindruckende Frau“, bestätigte er.

Zwischen Luke und der Frau bestand eine gewisse Ähnlichkeit: das dunkle Haar, und genau wie diese beeindruckende Persönlichkeit kleidete auch Luke sich sehr geschmackvoll. An diesem Abend trug er ein Hemd, das die stahlgraue Farbe seiner Augen widerspiegelte, und seine Hose war so geschnitten, dass sie seine langen muskulösen Beine betonte. Das wie gemeißelt wirkende Gesicht stammte allerdings nicht von der Französin.

Luke war in vielerlei Hinsicht ein Mann, von dem jede Frau nur träumen konnte. Wunderte es da, dass auch sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Tiefe Sehnsucht überfiel Fleur, als er ihr am Tisch den Stuhl zurechtrückte und dabei lächelte.

Diese Terrasse bot einen wunderschönen Blick auf den Sonnenuntergang über der Lagune.

„Heute Abend sehen Sie schon viel, viel besser aus“, sagte er ernst.

„Ich muss ja wirklich ein schreckliches Bild geboten haben.“ Herausfordernd sah sie ihn mit ihren seegrün schimmernden Augen an.

„Sie waren einfach sehr erschöpft. Übrigens hat Dr. King Alkohol in Maßen erlaubt. Ich kann Ihnen einen stark verdünnten Gin Tonic anbieten.“

„Danke, aber ich hätte lieber ein Glas Fruchtsaft.“

„Der geht uns hier nie aus.“ Luke schenkte ihr ein Glas ein.

Dankbar nippte sie daran. „Köstlich“, sagte sie lächelnd. „Perfekt.“

„Freut mich, dass er Ihnen schmeckt. Susi bereitet ihn nach ihrem Geheimrezept zu. Er enthält Ananas, Papaya, Mango und Gewürze. Aber welche?“

„Vanille, glaube ich. Das ganze Haus duftet danach.“

„Sogar die ganze Insel. Wir exportieren Vanille, die aus den Samenkapseln eines Orchideengewächses gewonnen wird. Unser kleines Inselreich bietet glücklicherweise ideale Bedingungen für den Anbau dieser Orchidee.“

Eine weiße Taube landete ganz in ihrer Nähe auf dem Rasen und begann zu picken. Das weiße Gefieder leuchtete im Kontrast zu dem saftigen Grün des Rasens erstaunlich hell.

Fleur seufzte vor Entzücken. „Es ist wunderschön hier“, sagte sie leise und beobachtete, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand.

Luke erzählte ihr von dem sagenumwobenen grünen Leuchten in den Tropen.

„Und man sieht es nur beim Sonnenuntergang?“, fragte sie hingerissen.

„Ja, aber auch dann nur, wenn perfekte Bedingungen herrschen. Offenbar kann niemand erklären, wie es zu diesem Phänomen kommt.“

„Das klingt unglaublich. Haben Sie es schon beobachtet?“

„Ja, aber erst zweimal.“

In den Tropen gab es keine lange Dämmerung, und die Nacht brach sehr schnell herein. Luke zündete alle Kerzen auf dem Tisch an. Ihr sanftes romantisches Licht flackerte leicht in der Brise und tauchte sein markantes Gesicht in einen warmen Goldton.

Das Verlangen nach diesem überirdisch attraktiven Mann raubte Fleur fast den Atem.

Glücklicherweise schien er davon nichts zu bemerken. Beim Aperitif unterhielten sie sich in entspannter Atmosphäre über Belangloses.

Erst beim Abendessen fragte Luke sie nach ihrer Familie aus. Doch heute machte es ihr nicht das Geringste aus. Bereitwillig gab sie Auskunft.

Als sie allerdings von ihrer Mutter sprach, schimmerten Tränen in Fleurs Augen, und ihre Stimme versagte. Dankbar griff sie nach dem Glas Wasser, das Luke ihr eingeschenkt hatte.

„Es tut mir leid“, sagte er leise.

„Schon gut.“ Sie stellte das Glas zurück und bemühte sich um Selbstbeherrschung. Luke ließ ihr alle Zeit der Welt.

Schließlich sagte sie mit brüchiger Stimme: „Sie ist erst vor sechs Wochen gestorben, nachdem sie fünf Jahre gegen die Krankheit angekämpft hat. Die Reise nach Fala’isi hat sie kurz vor ihrem Tod für mich gebucht. Ich sollte mich hier erholen. Sie wäre entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass das Reisebüro die Termine verwechselt hat.“

„Noch entsetzter wäre sie allerdings gewesen, wenn sie geahnt hätte, dass Sie am Strand übernachten“, sagte er schroff.

„Ja, wahrscheinlich.“ Nachdenklich sah sie vor sich hin. Dann blickte sie plötzlich auf. „Wer ist eigentlich Janna?“

Er zog kurz die Brauen zusammen, bevor er freundlich antwortete: „Sie ist eine Freundin. Warum fragen Sie?“

„Als ich zum ersten Mal aufwachte, hat jemand ihren Namen erwähnt.“ Fleur überlegte, was genau sie gehört hatte. „Sie sagten: ‚Das ist nicht Janna.‘ Aber Ihr Mitarbeiter hielt mich offenbar für sie. Deshalb hat er mich hergebracht. Es ist mir gerade wieder eingefallen.“

„Er hat Sie hergebracht, weil mein Haus näherlag als das Krankenhaus und er sich Sorgen um Sie gemacht hat. Da ich nicht zu Hause war, hat das Personal die Ärztin gerufen. Als ich eintraf, waren Sie schon gründlich untersucht worden und hingen am Tropf. Sie haben noch einmal Glück gehabt. Wenn niemandem Ihr Zusammenbruch aufgefallen wäre, hätte das schlimm ausgehen können. Viele Menschen wissen nicht, wie viel Wasser man in den Tropen trinken muss.“

„Ich weiß es jetzt jedenfalls. So etwas passiert mir so schnell nicht wieder. Ich kann Ihnen gar nicht genug für alles danken.“

„Nicht der Rede wert“, wehrte er ab und stand auf. „Sie wirken erschöpft. Es wird Zeit, ins Bett zu gehen.“

Erst im Bett fiel ihr auf, dass er ihr nichts über die mysteriöse Janna erzählt hatte. Ob sie seine Geliebte war?

Wahrscheinlich. Bestimmt war er ein fantastischer Liebhaber …

Luke legte den Hörer auf und fluchte wütend in einer Mischung aus Polynesisch und Englisch. Dann ging er zum Fenster und schaute nachdenklich in die dunkle Nacht hinaus.

Fünf Minuten später rief er seinen Sicherheitschef auf dem Handy an. Partylärm ertönte aus dem Hintergrund.

„Entschuldigen Sie die Störung“, sagte Luke kurz angebunden. „Ich habe gerade aus Deutschland erfahren, dass Eric van Helgen verschwunden ist. Und gestern Morgen brachte ich gerade einen Journalisten aus Europa zum Tor, als Ms Lyttelton den Rasen überquerte. Ihr rotes Haar ist ja nicht zu übersehen.“

Valo wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. „Dann ist Mrs van Helgen in Gefahr.“

„Möglicherweise. Obwohl ich annehme, dass van Helgen untergetaucht ist, um Ruhe vor den Paparazzi zu haben. Die Trennung von Janna hat ja schon genug Aufsehen erregt.“

„Was sollen wir also tun?“

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Luke. Janna war sehr verwöhnt und hatte ihm mehrfach erzählt, dass ihr Mann sie geschlagen hatte. Wie Luke vermutete, tat sie das aber nur, um sein Mitleid zu erregen. Wegen ihrer Neigung zu Übertreibungen wusste er nicht, ob er ihr glauben sollte. „Ihre Nachforschungen haben keinen Hinweis darauf ergeben, dass Jannas Geschichte stimmt, oder?“, fragte er Valo.

„Nein, nicht den geringsten.“

„Trotzdem sollten wir Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Sagen Sie am Flughafen Bescheid, dass man Sie sofort informiert, falls van Helgen einen Flug hierher bucht. Sie haben doch Fotos von ihm?“

„Ja. Ich verständige sofort die Einwanderungsbehörde. Was wollen Sie tun, wenn er tatsächlich auftaucht?“

„Das besprechen wir, wenn es so weit ist. Auf alle Fälle muss er auf Schritt und Tritt überwacht werden. Stellen Sie dafür Ihren besten Mann ab. Ich will wissen, was er vorhat.“

„Und wenn er mit falschen Papieren einreist?“

„Die Leute am Flughafen werden ihn anhand der Fotos schon erkennen. Lassen Sie ihn unauffällig beschatten, damit er sich in Sicherheit wähnt.“

„Zum Glück haben wir ja den perfekten Lockvogel hier.“

Luke dachte an Fleur. „Nein, Valo, Ms Lyttelton halten wir völlig aus der Sache heraus. Überprüfen Sie van Helgens Leben noch intensiver. Vielleicht findet sich doch etwas, was Jannas Behauptungen bestätigt. Sollte er tatsächlich herkommen, müssen wir Janna und Ms Lyttelton umgehend und unbemerkt ausfliegen. Wenn es stimmt, was seine Frau sagt, dann ist er ein sehr gefährlicher Mann.“

„Okay, Boss, ich werde alles in die Wege leiten.“

„Danke, Valo. Ach ja, noch etwas: Richten Sie doch bitte Ihrer Frau aus, sie möchte morgen eine komplette Kollektion für Ms Lyttelton herbringen.“ Er gab die Größe durch und wünschte dann eine gute Nacht.

Kritisch betrachtete Fleur ihr Spiegelbild. Susi hatte ihr ausgerichtet, dass Luke gern mit ihr auf der Terrasse zu Mittag essen würde, und sie hatte nichts anzuziehen. Bluse und Hose hatte die Haushälterin zum Waschen mitgenommen. Also sah sie sich gezwungen, einen Pareo um ihren Körper zu wickeln.

Zu viel Haut, dachte sie, aber es gab keine Alternative. Wenigstens standen ihr die bunten Farben: Orange, Blau und ein knalliges Lila. Sie belebten ihren Teint.

Als Luke sie begrüßte, bemerkte sie, wie sein Blick unauffällig über ihre Brüste glitt. Offensichtlich gefiel ihm die Kleiderwahl. Ein heißes Ziehen im Schoß und ihre Brustspitzen, die sich prompt aufrichteten, ließen keinen Zweifel daran, wie sehr sein interessierter Blick sie erregte.

Nur mit äußerster Selbstbeherrschung gelang es ihr, sich nichts anmerken zu lassen.

Sie fühlte sich lebendiger denn je.

„Kaffee?“, fragte er. Als sie nickte, bat er: „Könnten Sie bitte einschenken? Für mich schwarz, ohne Zucker.“

„Gern. Sie müssen Skorpion sein. Menschen, die unter diesem Sternzeichen geboren sind, trinken ihren Kaffee immer schwarz.“

Luke sah zu, wie sie mit den schlanken eleganten Händen das heiße Getränk einschenkte. Er stellte sich vor, wie diese schönen Hände seinen Körper erforschten.

Er war es gewohnt, dass Frauen ihn begehrten. Nicht nur wegen seines Geldes und der Machtposition, die er bekleidete, sondern auch wegen seiner äußeren Erscheinung. Dessen war er sich durchaus bewusst.

Natürlich blieb ihm auch nicht verborgen, dass Fleur ihn attraktiv fand. Obwohl sie sich nichts anmerken ließ. Doch die Körpersprache war nun einmal sehr verräterisch.

Aber auch sein Interesse war geweckt, und er wollte gern mehr über sie erfahren. „Ich muss mich entschuldigen, weil ich Sie in den vergangenen Tagen arg vernachlässigt habe. Doch nachdem die Konferenz nun vorbei ist, geht alles wieder seinen normalen Gang.“

Dann bemerkte er ganz beiläufig: „Übrigens kommt heute Nachmittag eine Modedesignerin mit ihrer aktuellen Kollektion vorbei. Suchen Sie sich aus, was Ihnen gefällt. Es geht ja nicht, dass sie weiterhin in geborgten Pareos herumlaufen.“

Im ersten Moment glaubte Fleur, sich verhört zu haben. Wut und Freude stritten in ihr miteinander. Schließlich sah sie auf und begegnete Lukes undurchdringlichem Blick. „Das wäre nicht nötig gewesen“, sagte sie abweisend. „Ich kann mich selbst um meine Kleidung kümmern.“

„Kein Grund zur Panik. Und daran habe ich nie gezweifelt. Allerdings frage ich mich, wie Sie das ohne Geld bewerkstelligen wollen.“

Hinter seinem amüsierten Lächeln verbarg sich ein eiserner Wille, das spürte Fleur deutlicher als je zuvor.

Ich kann aber auch stur sein, dachte sie entschlossen. „Wenn Sie mir etwas Geld leihen, kann ich mir auf dem Markt Sarongs kaufen. Sie sind preiswert und zweckmäßig in diesem Klima. Dann kann ich die geliehenen Pareos zurückgeben.“

„Um das Geld müssen Sie sich wirklich keine Sorgen machen. Davon habe ich mehr, als ich je ausgeben könnte. Aber wenn Sie partout keine Geschenke annehmen wollen, können wir ja eine Gegenleistung vereinbaren.“

Misstrauisch sah sie hoch. „Und woran haben Sie dabei gedacht?“, fragte sie scharf.

„Nicht, was Sie gleich wieder denken. Ich habe noch nie für Sex bezahlt, und ich gedenke auch nicht, jetzt damit anzufangen.“

Fleur wäre am liebsten im Erdboden versunken. Verlegen und wütend zugleich sagte sie schließlich: „Wie können Sie mir nur so etwas unterstellen! Das ist eine Unverschämtheit.“ Sie atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. „Okay, nachdem das klargestellt ist, weiß ich aber immer noch nicht, wie ich für Unterkunft und Verpflegung bezahlen soll.“

„Ich erwarte überhaupt keine Bezahlung, Fleur. Mit meinem so sorglos dahergesagten Vorschlag wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich in einer gewissen Klemme stecke. Mit Ihrer Hilfe könnte ich mich eventuell daraus befreien.“

„Ich würde Ihnen gern helfen. Sie waren sehr freundlich zu mir, und ich möchte nicht undankbar sein.“

„Dankbarkeit erwarte ich gar nicht. Am besten schildere ich Ihnen kurz die Situation. Sie ist etwas ungewöhnlich. Ein alter Freund meines Vaters kommt demnächst zu Besuch, in Begleitung seiner Enkelin. Wir nehmen alle an einer Wohltätigkeitsveranstaltung teil. Gabrielle ist jung, sehr hübsch, und ich mag sie. Aber sie hat sich unsterblich in mich verliebt, und langsam wird es peinlich.“

„So etwas ist immer peinlich.“ Allerdings fragte sie sich, wieso er die Situation ungewöhnlich fand. So einem Mann mussten die Frauen doch in Scharen nachlaufen!

„Schon, aber was Gabrielle treibt, grenzt an Stalking. Ich habe gerade ein Interview gelesen, das sie einer Modezeitschrift gegeben hat. Darin deutet sie an, dass wir verlobt sind und heiraten werden, sobald sie etwas älter ist.“

„Wie alt ist sie denn?“

„Neunzehn. Sie arbeitet als Model.“

„Es erstaunt mich, dass Sie die Situation nicht in den Griff bekommen.“

„Normalerweise wäre das auch kein Problem. Aber ihr Großvater ist alt, und es würde ihn verletzen, wenn meine Anwälte ihr eine Unterlassungsklage zustellen. Ich kann auch schlecht mit einer Gegendarstellung an die Öffentlichkeit gehen. Das würde Gabrielle erniedrigen, und wie gesagt, ich mag sie und möchte ihr nicht unnötig wehtun.“

„Jemand muss ihr vermittelt haben, dass Sie verliebt in sie sind.“

„Ich ganz bestimmt nicht.“

Fleur glaubte ihm, zumal sie sich nicht vorstellen konnte, dass er sich in ein so junges Mädchen verlieben würde. „Und wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie interessiert.

Er blinzelte ihr zweideutig zu. „Wir beide wohnen seit einigen Tagen unter einem Dach. Vielleicht glaubt sie mir endlich, dass ich nicht an ihr interessiert bin, wenn wir ihr ein Liebespaar vorspielen.“

„Ein Liebespaar?“, wiederholte sie schockiert.

Luke nahm ihre Hand, stand auf und zog Fleur hoch. „Ein Liebespaar“, wiederholte er leise und lächelte. „… das Tisch und Bett teilt.“

„Ich soll Ihre Mätresse spielen?“ Ihr Herz klopfte so laut, dass es ihr in den Ohren dröhnte. Und Luke sah ihr so tief in die Augen, dass ihr schwindlig wurde.

„Das ist aber eine sehr altmodische Bezeichnung“, erwiderte er rau und zog behutsam die Konturen ihrer sinnlichen Lippen nach.

Seine Berührung jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Nein“, sagte er dann mit tiefer Stimme. „Du hast zwar einen unglaublich sinnlichen Mund, aber davon abgesehen würde dir niemand die Mätresse abnehmen. Gabrielle ist viel raffinierter als du. Sie würde mir eine Mätresse zugestehen und mich trotzdem heiraten wollen. Nein, sie muss glauben, dass wir unsterblich ineinander verliebt sind, dass es uns ernst ist.“

Wie sollte sie einen klaren Gedanken fassen, wenn Luke sie so anschaute? Wenn er zärtlich ihr Gesicht streichelte?

„Wenn sie so raffiniert und weltgewandt ist, dann wird sie merken …“, murmelte sie.

„Was merkt sie dann?“, fragte er amüsiert.

Als Fleur aufsah, realisierte sie, wie interessiert und verträumt er ihren Mund betrachtete. Sie war wie elektrisiert. Ein süßes Prickeln erfasste ihren ganzen Körper. Mit bebender Stimme antwortete sie: „Dass ich die falsche Frau für dich bin.“

Es fiel ihr schwer, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Lukes dunkle Stimme war so faszinierend, sein Blick so magisch und seine sinnlichen Berührungen so erregend, dass sie in Flammen stand.

Mit geradezu unmenschlicher Anstrengung riss sie sich zusammen. „Ich bin doch gar nicht dein Typ. Ich erröte ständig, und das könnte man als Unsicherheit missdeuten. Es liegt an meiner Haut, und ich …“

Sie biss sich auf die Lippe. Es war wohl nicht nötig, sich noch mehr zu blamieren. Ihr Verstand befahl ihr, sich von Luke zu lösen. Schließlich hielt er sie nur an einer Hand fest und würde sie sofort freigeben, wenn Fleur das wollte.

Seine Augen wurden ganz dunkel. „Du irrst dich, Fleur. Ich finde dich sogar sehr anziehend. Das musst du doch bemerkt haben. Deine Haut ist so seidig, und ich liebe es, wenn du errötest.“

Dann ließ er ihre Hand los, doch bevor Fleur zurückweichen konnte, umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen und lächelte.

Sie spürte, dass er sie mit seinem Charme einwickeln wollte. Eigentlich sollte sie sich darüber ärgern, doch stattdessen ging ihr dieses verführerische Lächeln durch und durch.

Aber auf einmal löste Luke sich von ihr und wich einen Schritt zurück. Auch seine Wangen glühten verräterisch rosig. Offensichtlich hatte ihn das Zwischenspiel ebenfalls erregt.

„Vertrau mir, Fleur. Wenn du mitmachst, wird alle Welt glauben, dass wir wahnsinnig verliebt sind. In meiner Familie heiraten wir aus Liebe. Gabrielles Großvater weiß das. Und Gabrielle wird ihre Hoffnungen und Träume, mich zu ehelichen, begraben müssen. Ich halte das für die einfachste Lösung meines kleinen Problems.“

„Wird sie nicht furchtbar verletzt sein?“

„Ja, wahrscheinlich. Aber das geht vorüber. Und es wäre viel schlimmer, wenn sie sich weiterhin einbildete, mich zu lieben. Oder stell dir vor, ich würde tatsächlich meine Anwälte anweisen, ihr eine Unterlassungsklage zuzustellen, damit sie endlich aufhört, mich zu verfolgen. Oder öffentlich erklären, dass ich nichts von ihr will. Die Schmach würde sie noch viel tiefer verletzen.“

„Wahrscheinlich hast du recht.“ Obwohl ihr Verstand vehement protestierte, sagte Fleur: „Also gut. Ich bin dabei.“

Wenigstens konnte sie sich so für seine Gastfreundschaft revanchieren. Was schadete es, einige Zeit in einer Traumwelt zu leben und dann wieder in das alte Leben zurückzukehren?

Luke dachte gar nicht daran, sie mit Dank zu überschütten. Er lächelte lediglich leicht ironisch. „Danke. Die Garderobe gehört natürlich zu deiner Rolle. Heute Abend kannst du allen zeigen, was du drauf hast. Wir geben eine Dinnerparty für zwanzig Personen. Nun sieh mich nicht so entsetzt an. Ich verlange ja gar nicht, dass du die Rolle der Gastgeberin übernimmst.“

„Das will ich auch hoffen. Ich habe noch nie eine Dinnerparty gegeben.“ Ihr wurde ganz schwindlig, wenn sie daran dachte, dass sie schon heute Abend Lukes Geliebte spielen sollte. „Muss ich wirklich dabei sein? Ich kann doch auch in meinem Zimmer zu Abend essen.“

„Wie eine viktorianische Gouvernante? Deine Anwesenheit hier ist nicht unbemerkt geblieben, Fleur. Wenn jemand nach dir fragt, kann ich natürlich auch deine traurige Geschichte erzählen.“

Das verschlug ihr für einen Moment die Sprache. „Du kämpfst wirklich mit allen Mitteln“, sagte sie dann mit bebender Stimme. „Eine Dinnerparty überfordert mich völlig, und das weißt du ganz genau.“

Luke lachte. „Ich weiß gar nichts. Wenn du nicht möchtest, brauchst du natürlich nicht zu kommen. Aber glaube mir, es wird dir Spaß machen. Und der Ausflug zur Lagune morgen wird dir auch gefallen. Betrachte die Dinnerparty einfach als Generalprobe für die Vorstellung, die wir Gabrielle und ihrem Großvater liefern werden.“

„Hältst du mich jetzt für undankbar?“, fragte Fleur mit roten Wangen.

Und einmal mehr reizte Luke – dessen bisherige Freundinnen selbstsicher und weltgewandt gewesen waren – dieses stolze Mädchen, das vor Verlegenheit ständig errötete. Sie war erfrischend, charmant, und ihr sinnlicher Mund versprach erotische Freuden. Was für eine Kombination!

4. KAPITEL

Fleur betrachtete Lukes ausdrucksstarkes Gesicht und unterdrückte einen Anflug von Panik. „Also schön“, sagte sie schließlich. „Hoffentlich geht das gut.“

„Natürlich geht alles gut“, erwiderte er selbstbewusst und sah auf seine Armbanduhr. „Passt es dir in einer halben Stunde, die Kollektion anzusehen?“

„Ja, natürlich.“ Obwohl ihr die Vorstellung noch immer nicht behagte. Aber es gehörte nun einmal zu der Vereinbarung, die sie gerade mit Luke getroffen hatte. Er hatte sich rührend um sie gekümmert, als es ihr schlecht ging, jetzt war es an ihr, sich dafür zu revanchieren. So einfach war das!

Pünktlich auf die Minute holte Susi sie ab und führte sie in eines der anderen Schlafzimmer, wo die Kleidungsstücke bereits zur Anprobe hingen. Eine mit einem eleganten Pareo bekleidete Frau und Luke erwarteten sie.

Erwartete er etwa, dass sie ihm wie ein Model die Kleider vorführte? Sie wollte ihn das gerade pikiert fragen, als er sie mit einem warnenden Blick stoppte.

„Danke, Susi“, sagte er freundlich und wartete, bis die Haushälterin wieder verschwunden war, bevor er Fleur vorstellte. „Mich müsst ihr jetzt leider entschuldigen.“

Fleur nickte erleichtert.

Die Modedesignerin musterte sie mit professionellem Blick. „Er hat die richtige Größe angegeben. Und die Farbauswahl stimmt auch. Klare warme Farben, um Ihren erstaunlichen Teint und die Haarfarbe zu betonen. Der Junge hat wirklich einen Blick für so was.“

„Der Junge?“

Die ältere Frau lächelte. „Ich kenne ihn, seit er mit den anderen Kindern in verschossenen Lavalavas die Gegend unsicher gemacht hat. Gut, inzwischen ist er neunundzwanzig, aber für mich wird er immer der Wildfang von damals bleiben. So, und nun zeigen Sie mir mal, was Ihnen aus der Kollektion am besten gefällt.“

Nach kurzer Zeit hatte Fleur sich einige Stücke herausgesucht, deren Farben ihre Augen zum Leuchten brachten. Besonders ein peridotgrünes Kleid ließ sie wie Juwelen funkeln.

Neben den Kleidern lag auch eine Auswahl an Wäsche, Schuhen und Hüten.

Fleur suchte sich auch daraus etwas aus und war schließlich sehr zufrieden mit ihrer Wahl.

„Mit den wenigen Stücken kommen Sie aber nicht aus“, sagte die Frau. „Hier in den Tropen halten die Sachen nicht lange.“

„Das reicht“, widersprach Fleur energisch.

„Na gut, Sie müssen es ja wissen. Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen? Ihr Haar ist wunderschön, aber es könnte einen neuen Schnitt vertragen. Eine Freundin von mir ist eine wahre Meisterin mit der Schere. Wenn Sie möchten, kann sie gleich vorbeikommen.“

Fleur, die das lange Haar meistens zu einem Pferdeschwanz band und von Zeit zu Zeit selbst zur Schere griff, wusste, dass ein neuer Schnitt dringend nötig war.

„Sie würden Luke damit einen Gefallen tun“, fügte die Frau schließlich hinzu. „Er bekleidet eine hohe gesellschaftliche Position im Pazifikraum und muss auf sein Image achten. Natürlich weist er das weit von sich, aber trotzdem ist es so. Daher wäre es besser, wenn Ihr Schnitt etwas eleganter aussähe. Wissen Sie, Sie sind so ganz anders als die Freundinnen, die er vor Ihnen hatte.“

„Sie haben natürlich völlig recht“, sagte Fleur. „Heute Nachmittag hätte ich Zeit.“

Bevor die Frau antworten konnte, klopfte es. Susi richtete aus, dass Luke gern mit Fleur sprechen würde.

Luke empfing sie in seinem mit allen technischen Finessen ausgestatteten Büro. „Wir müssen reden“, sagte er ruhig.

Aufgeregt sah sie ihn an. „Gern, aber in zwei Stunden habe ich einen Termin zum Haareschneiden.“

„Gut, aber sie soll nicht zu viel abschneiden. Kannst du eigentlich reiten, Fleur?“

Diese Frage überraschte sie. „Ja, allerdings habe ich schon seit Jahren nicht mehr auf einem Pferd gesessen.“

„Das Reiten verlernt man ebenso wenig wie schwimmen. Fühlst du dich denn fit genug für einen Ausritt?“

„Oh ja.“ Sie strahlte vor Vorfreude.

Luke lächelte über ihre Begeisterung. „Schön, dann zieh dir eine lange Hose an. Ich hole dich in zehn Minuten ab. Ach, und setz einen Hut auf.“

Eine halbe Stunde später atmete Fleur tief durch und blickte um sich. Sie ritten gerade durch eine Papayaplantage. Die großen ovalen Früchte hingen in grünen Trauben von den Stämmen. Es war sehr heiß, doch die Pferde vertrugen die Hitze gut.

„Ich würde gern mehr über dich wissen“, sagte Luke. „Wo bist du aufgewachsen?“

„In Waiora, einer kleinen Hafenstadt an Northlands Westküste.“

„Aha. Und welchen Beruf übst du aus?“

„Ich habe in Auckland ein Jahr lang die Universität besucht.“

Luke trug eine alte, hautenge Reithose, die seine muskulösen Schenkel betonte und ein blaues Hemd, dessen hochgekrempelte Ärmel den Blick auf seine sonnengebräunten Arme freigaben. Fleur hatte bewundernd beobachtet, mit welcher geschmeidigen Eleganz er sich auf den schwarzen Wallach geschwungen hatte, nachdem er ihr in den Sattel geholfen hatte. Sie meinte noch immer die starken Hände um ihre Taille zu spüren.

Die Nähe zu Luke machte sie schwindlig vor Glück. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so leicht und heiter gefühlt.

„Welches Fach hast du studiert?“

„Kunstgeschichte. Eines Tages werde ich das Studium abschließen.“

„Musstest du es wegen der Erkrankung deiner Mutter abbrechen?“

„Ja, leider.“

„Konnte sich sonst niemand um sie kümmern?“

„Nein, meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich zehn war.“

„Hast du noch Kontakt zu deinem Vater?“

„Nein.“

Fleur überlegte, wie viel sie diesem aufregenden Mann, der jede Frau haben könnte, anvertrauen sollte. Was wusste sie eigentlich über ihn? Nur das, was in den Zeitschriften stand. Und dass ihm ihr Äußeres gefiel. Dabei entsprach sie kaum seinem Beuteschema. Was wollte er eigentlich mit einer dreiundzwanzig Jahre alten Jungfrau aus einer Kleinstadt?

Sie schob die Gedanken beiseite. Schließlich hatte sie sich auf diese Scharade eingelassen. Für einen Rückzieher war es zu spät.

„Mein Vater hat mich damals vor die Entscheidung gestellt: entweder er oder meine Mutter. Seit der Trennung lebt er in Australien.“

„Es gibt Männer, die es nicht verdienen, eine Familie zu haben.“

„Das stimmt wohl. Dasselbe gilt aber auch für gewisse Frauen. Erzählst du mir jetzt, was ich über dich wissen muss, Luke?“

Er ritt zu einer kleinen Anhöhe und zügelte den Wallach unter einem riesigen alten Baum mit dichtem Blattwerk. Im Hintergrund erhob sich ein baumbewachsener Gebirgszug in den Himmel. Der Blick war atemberaubend. Fleur konnte sich gar nicht sattsehen.

Zu ihren Füßen erstreckten sich die grünen Plantagen, silbergrüne Palmen wuchsen entlang der Küste und der Lagune. Am Riff brachen sich die Wellen. Weiße Schaumkronen leuchteten auf dem türkisblauen Meer. Jenseits des Riffs wandelte sich die Farbe des Pazifischen Ozeans zu einem satten Smaragdgrün.

„Ich bin hier vor neunundzwanzig Jahren geboren“, erzählte Luke. „Und hier werde ich wohl auch sterben.“

Mit einem Satz hatte er erklärt, worum es ihm ging. Er war ein Mann von Welt und doch tief verwurzelt in seiner wunderschönen Heimat, die so fruchtbar, aber auch so gefährlich war. Das Meer konnte unberechenbar sein, und auch Wirbelstürme forderten immer wieder Todesopfer in der Region.

Man sah ihm an, wie sehr er Fala’isi liebte, als er jetzt von der zwischen Gebirge und See liegenden Anhöhe den Blick über sein Reich gleiten ließ.

„Ich war ein ziemlicher Wildfang, bis meine Eltern mich in Neuseeland auf die Schule schickten. Anschließend habe ich in England und Amerika Wirtschaft studiert. Allerdings liegt mein beruflicher Schwerpunkt in den Möglichkeiten des Internets.“

„Ich weiß.“ Fleur hatte gelesen, dass der von Luke mit Anfang zwanzig gegründete Internetdienst ihm zu sagenhaftem Reichtum verholfen hatte. Im Gegensatz zu anderen Unternehmern war er aus diesem Geschäft nicht ausgestiegen und gehörte nun zu den größten im Bereich der Informationstechnologie.

„Aber meine richtige Arbeit findet hier statt – in Fala’isi. Mein Vater ist allerdings noch nicht bereit, mir das Ruder zu überlassen. Er leitet das Familienunternehmen. Eines Tages werde ich sein Nachfolger sein.“

„Freust du dich darauf?“

„Das ist so eine Sache. Ich werde gar nicht gefragt. Es geht ja nicht nur um das Unternehmen, sondern auch um die Herrschaft über die Inselgruppe. Seit Generationen bestimmt meine Familie über die Geschicke von Fala’isi. Der Titel des Häuptlings wird innerhalb der Familie vererbt. So ist es von jeher Brauch. Wenn eine meiner Schwestern an der Nachfolge interessiert wäre, könnte ich mich der Verantwortung entziehen. Doch sie kneifen.“

„Erstaunlich, dass Frauen für den Posten überhaupt berücksichtigt werden“, sagte Fleur.

„Wieso nicht? Frauen werden in Polynesien hoch geachtet. In Neuseeland wurde die – inzwischen verstorbene – Königin der Maoris von ihrem Volk gewählt.“

„Ich dachte nur, dass die Gesellschaft hier andere Maßstäbe anlegt.“

„Wir waren schon immer sehr kosmopolitisch“, erklärte Luke und machte sie auf sein Haus aufmerksam, das umgeben von einem großen Garten auf einem Hügel über der Lagune thronte.

„Fala’isi liegt am Schnittpunkt der prähistorischen Schiffsrouten von Ost nach West und Nord nach Süd. Meine Vorfahren haben hier schon vor Jahrhunderten Handel getrieben. Sie haben Kriege geführt und diese Routen erkundet. Wir sind stolz auf unsere Weltoffenheit.“

Schwang da eine versteckte Warnung mit? Fleur sah auf und blickte in kühle graue Augen. Die Wirkung blieb nicht aus. In ihrem Bauch flatterten auf einmal Schmetterlinge, und ein erregtes Prickeln hatte ihren ganzen Körper erfasst.

Luke beendete den magischen Augenblick. „Wir sollten jetzt umkehren“, sagte er kurz angebunden.

Sie nickte, trieb die Stute an und tat auf dem Rückweg nach Hause so, als bewunderte sie die schöne Landschaft. In Wirklichkeit dachte sie über die sexuelle Anziehungskraft zwischen Luke und ihr nach. So fühlte sich das also an.

Sie kannte ihn kaum, und doch vertraute sie ihm genug, um sich auf seinen Vorschlag einzulassen. Geschah das aus Mitleid mit dem Mädchen, dessen Liebe Luke nicht erwiderte? Oder klammerte sie sich an jeden Strohhalm, der es ihr ermöglichte, hier im Paradies bei dem Mann zu bleiben, den sie begehrte?

Der Gedanke nahm ihr den Atem. Unauffällig betrachtete sie ihren Gastgeber, der vor ihr herritt, als wäre er mit dem Pferd verwachsen. Er strahlte Leichtigkeit und Eleganz aus.

Was für ein Liebhaber mochte er sein? Fleur wurde heiß. Schnell riss sie sich zusammen und konzentrierte sich aufs Reiten.

Luke war stehen geblieben und wartete auf sie. „Wenn du möchtest, reiten wir am Strand zurück“, sagte er und betrachtete sie prüfend. „Vielleicht ist das aber doch keine so gute Idee. Offenbar hast du schon zu viel Sonne abbekommen. Möchtest du etwas Sonnenlotion?“

„Danke, aber ich habe mich gründlich eingecremt. Ich würde schrecklich gern am Strand entlangreiten.“

Autor

Anne McAllister
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