Romana Exklusiv Band 279

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KOMM IN MEIN PARADIES von HOWARD, STEPHANIE
Die kleine Karibikinsel St. Silva wäre perfekt für Cassandras Hotelprojekt. Leider kann ihr die Genehmigung dafür nur der Mann geben, der sie vor Jahren zutiefst enttäuschte. Als Damon darauf besteht, dass sie ein paar Tage auf seiner Insel bleibt, ahnt Cassandra, was er vorhat …

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HEIRATSANTRAG IN PARIS von HANNAY, BARBARA
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  • Erscheinungstag 13.01.2017
  • Bandnummer 0279
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743581
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stephanie Howard, Susan Stephens, Barbara Hannay

ROMANA EXKLUSIV BAND 279

PROLOG

Liebes Tagebuch,

Dass es ausgerechnet er sein muss! Ich kann es nicht glauben. Er ist die letzte Person, die ich wiedersehen möchte. Und sein Auftauchen bedeutet Ärger. Es fällt mir sogar schwer, seinen Namen niederzuschreiben. Damon Grey. Schmerzliche Erinnerungen werden in mir wach, die ich beinah schon völlig vergessen hatte. Die Beziehung zu ihm hat mich an den Rand des Abgrunds geführt. Alles fällt mir wieder ein. Es war wie ein Schock, als ich das Fax mit seinem Namen darauf erhielt.

Aber ich denke, dass ich für eine Gegenüberstellung bestens gewappnet bin. Dieser Damon Grey bedeutet mir schon lange nichts mehr!

Ich sollte also eine Auseinandersetzung nicht hinauszögern, sondern ihn mutig gleich morgen früh treffen. Vor Jahren hat er meine Gefühle verletzt, jetzt bereitet er mir geschäftliche Probleme. Aber da lasse ich nicht mit mir spielen. Er wird eine böse Überraschung erleben.

Damon Grey, Du kannst dich auf etwas gefasst machen!

1. KAPITEL

Einige Dinge im Leben passieren nur, um uns auf die Probe zu stellen. Und Damon Grey war der Mann, der für den größten Aufruhr in ihrem bisherigen Leben verantwortlich gewesen war.

Es galt einiges zu tun, ihn wieder loszuwerden und aus ihrer Umgebung zu entfernen. Sollte er doch anderen Frauen auf die Nerven gehen!

Cassandra „Cassie“ Redland, die kühle und gutaussehende Erbin der international agierenden Hotelgruppe Redland, die ihren Hauptsitz in London hatte, saß gerade in Damon Greys Vorzimmer. Sie saß sehr aufrecht auf dem stilvollen Chromlederstuhl, gekleidet in einen schicken anthrazitfarbenen Anzug, der ihre Schlankheit betonte. Das aschblonde Haar hatte sie zu einer perfekten Frisur mit eleganter Stirnrolle gestylt. Ihr ganzes Äußeres strahlte Selbstbewusstsein und Cleverness aus. Nur das leichte nervöse Klopfen mit den Fingernägeln auf der Armlehne verriet ihre Ungeduld.

Die Tür zu Damon Greys Büro öffnete sich, und die Sekretärin kam wieder heraus.

„Mr. Grey lässt bitten …“

Cassandra hatte sich bereits erhoben und stählte sich innerlich für die ihr jetzt bevorstehende Herausforderung. Ihre braunen Augen, die einen wunderbaren Kontrast zu ihrem blonden Haar bildeten, blitzten vor Energie.

„Vielen Dank!“, wandte sie sich mit ironischer Stimme an die Sekretärin. „Wie gütig von ihm, jetzt doch noch Zeit für mich zu finden!“ Und schon stolzierte sie durch die Bürotür.

Cassandra hielt kurz inne, als sie den Raum begutachtete. Er war riesig, doch der Schreibtisch an der gegenüberliegenden Wand war leer. Wo zum Teufel war Damon Grey?

Doch dann entdeckte sie ihn draußen auf der Veranda. Der Mann saß an einem gedeckten Tisch und sprach etwas in ein Mobiltelefon. Das Gesicht hatte er von ihr abgewandt. Er sah noch immer blendend aus, das schwarze Haar passte gut zu seiner Sonnenbräune, und zu einem weißen Hemd trug er eine dunkle Hose. Ihre Gegenwart dagegen ignorierte er völlig.

Nun, sie würde sich durch solche Spielchen nicht in die Enge treiben lassen. Sie betrat mit offensichtlicher Gelassenheit die riesige Dachterrasse, die einen spektakulären Ausblick auf den Trafalgar Square mit der Nelsonsäule bot.

„Deine Sekretärin hat mich hereingebeten. Ich dachte, du wärst endlich soweit, mit mir zu sprechen.“

Der kühle Tonfall ihrer Stimme verriet, dass sie nicht bereit war, hier herumzustehen, bis Monsieur sich endlich bequemen würde, sich ihr zu widmen.

Damon drehte sich langsam zu ihr um, um sie in Augenschein zu nehmen. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, und die Luft schien auf einmal wie elektrisch geladen.

Er beendete sein Telefongespräch. „Okay, ich rufe Sie morgen wieder an.“ Er drückte den Ausknopf und legte den Apparat auf dem Tisch ab, während er sie immer noch genau beobachtete. „Hallo, Cassandra“, begrüßte er sie und lächelte sie grimmig an.

Einen Augenblick lang fühlte sich Cassandra verunsichert. Zwiespältige Gefühle bewegten sie – Schmerz und auch eine gewisse Sehnsucht. Es war, als sei sie um sechs Jahre zurückversetzt worden, als sie gerade zwanzig Jahre alt war und sehr verletzlich. Und sehr verliebt in diesen Mann.

Sein schmales Gesicht hatte sich in den letzten Jahren kaum verändert. Es war vielleicht etwas kantiger geworden, die Wangenknochen traten stärker hervor, das Kinn war fest wie immer und deutete auf Entschlossenheit hin. Und seine dunkelblauen Augen, deren Farbe dem Blau eines tiefen Sees im hohen Norden glich, verrieten Intelligenz, Kampfgeist, Ehrgeiz und eine gefährliche Leidenschaftlichkeit.

Cassandra wich seinem Blick nicht aus, sondern erwiderte ihn so unbeteiligt wie möglich. Sie war sechs Jahre älter geworden und würde sich von seiner Gegenwart nicht mehr überwältigen lassen, wie es damals meist passiert war. Aber ihr Verstand und sein Verrat hatten sie davor bewahrt, sich ihm ganz auszuliefern. Sie war dankbar, dass ihr eine Katastrophe erspart geblieben war.

Sie stählte sich innerlich. „Hallo, wie nett, dass du Zeit für mich finden konntest!“

„Wie könnte ich mir das Vergnügen deiner Gegenwart entgehen lassen?“ Er musterte sie von oben bis unten, sein Ton war ebenfalls mehr als ironisch. „Ein Treffen mit dir ist wie ein Sonnenstrahl an einem kalten Tag.“

Dass er genau das Gegenteil meinte, war Cassandra sehr wohl bewusst. Er hatte sie einmal einen kalten Fisch genannt, und so schien er sie immer noch einzuschätzen. Und mit dieser Ansicht stand er nicht allein da. Vielen Menschen gelang es nicht, hinter ihre Maske zu sehen, sondern nahmen sie einfach ohne großes Nachdenken als kühle Karrierefrau wahr, die über Leichen gehen würde, bevorzugt männliche, um ihre Pläne durchzusetzen. Sie hatte in den vergangenen Jahren gelernt, mit diesem Urteil zu leben. Es verletzte sie nicht, wie das vielleicht früher der Fall gewesen wäre, sondern sie hatte sich damit arrangiert, nutzte dieses Image geschäftlich zu ihren Gunsten. So ließ man sie weitgehend in Ruhe ihr Leben nach ihrer Fasson leben.

Sie war immun gegen die Art von verbalen Boshaftigkeiten, wie Damon sie jetzt äußerte. „Nun, ich glaube, deswegen bin ich nicht hergekommen, um deinen Tag mit Wärme zu erfüllen.“ Damon würde es ja sicher nicht schwerfallen, irgendwelche Frauen zu finden, die sich liebevoll um ihn kümmerten. „Ich möchte mich voll aufs Geschäft konzentrieren.“

„Keine Angst, ich habe nichts anderes erwartet.“ Er lachte kurz und bitter auf. „Das ist das einzige, meine liebe Cassandra, in dem du wirklich gut bist.“

„Vielen Dank! Und du hast recht, in Geschäftsdingen bin ich tatsächlich kaum zu schlagen.“

Sie hatte seine Worte, die er mehr als Beleidigung gedacht hatte, in ein Kompliment für sich umgedeutet. Was er auch immer zu sagen hatte, sie würde ihm nicht das Vergnügen gönnen, sich seine angriffslustigen Worte gegen ihre Persönlichkeit zu Herzen zu nehmen. Diese Macht über ihre Gefühle hatte er nicht mehr.

„So, dann können wir ja gleich zur Sache kommen.“ Sie griff nach ihrer schwarzen Aktenmappe und zog ein Dokument heraus. „Ich möchte, dass du mir das hier erklärst.“

„Ich denke, ich möchte zuerst zu Mittag essen.“

Damon ignorierte das Schriftstück und hob den Silberdeckel von einem Teller, auf dem geräucherter Lachs mit Fenchelsalat angerichtet war.

„Soll ich etwa hier herumstehen und warten, bis du fertig bist?“ Cassandra war mehr als irritiert. „Ich habe wirklich etwas Besseres zu tun.“

„Ich hindere dich nicht daran. Tu, was du nicht lassen kannst!“ Er warf ihr einen kurzen, stechenden Blick zu. „Mir ist das völlig gleichgültig.“

Natürlich. Das Treffen war ja auch auf ihre Initiative hin zustande gekommen. Als er nach dem Weinkühler griff und sich ein Glas Chablis einschenkte, starrte Cassandra ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Sie hatte keine andere Wahl, als mit ihm zu sprechen. Und ihre Sekretärin hatte fünfmal anrufen müssen, bevor überhaupt ein Termin festgelegt werden konnte. Und er hatte ihr über ihre Sekretärin mitteilen lassen, dass er höchstens eine halbe Stunde Zeit für sie habe. Damon Grey war inzwischen ein Geschäftsmann mit einem übervollen Terminkalender. Er war ein Mann, der es beruflich geschafft hatte.

Als sie ihn vor sechs Jahren kennengelernt hatte, war er bereits auf dem Weg nach oben gewesen. Er war damals dreißig Jahre alt und voller Ambitionen. „Ich werde meinen Weg gehen“, hatte er zu jenem Zeitpunkt gesagt. Und er gehörte inzwischen zu den zehn wichtigsten Unternehmerpersönlichkeiten in Großbritannien. Welchen Industriebereich man auch nannte, er hatte immer irgendwie seine Hand im Spiel, und auch in der Finanzwelt mischte er ganz oben mit. Von diesem riesigen Büro im Zentrum von London aus kontrollierte er ein kleines Imperium. Und hatte buchstäblich die Welt zu seinen Füßen.

„Darf ich dir ein Glas Wein anbieten?“ Er sah sie fragend an.

„Nein danke, während der Arbeit trinke ich keinen Alkohol, ich behalte lieber einen klaren Kopf.“

„Ganz wie du willst. Leider kann ich dir nichts zu essen anbieten, es reicht nämlich nur für eine Person. Aber nimm doch bitte Platz, du machst mich noch ganz nervös.“

Natürlich war kein Wort daran wahr. Damon Grey hatte Nerven wie Drahtseile. Dennoch, es war vielleicht sinnvoll, sich zu setzen. Ganz geschäftsmäßig legte sie Mappe und Schreiben auf dem Tisch ab.

„Das ist ein Fax, das ich gestern erhalten habe. Da du anscheinend nur wenig Zeit hast, sollte ich es dir vielleicht jetzt während des Essens vorlesen, und wir können anschließend darüber diskutieren.“

„Warum ziehst du nicht die Jacke aus?“

„Nein, danke!“ Cassandra sah gar nicht ein, warum sie das tun sollte.

„Nun, es ist ziemlich warm.“

Damit hatte er allerdings recht. Obwohl es schon Mitte Oktober war, brannte die Sonne ziemlich heiß auf die Terrasse herab, der Himmel war strahlend blau. Das war kein Wetter, das man eigentlich mit London assoziierte.

„Ich fühle mich bestens, danke“, versicherte sie ihm kurz angebunden. „Und jetzt darf ich vielleicht auf dieses Fax zurückkommen …“

Damon hatte sie die ganze Zeit über genauestens beobachtet. „Weißt du, dass du immer mehr wie Celia aussiehst? Die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend.“ Er nippte an seinem Weinglas.

Cassandra spürte, wie sie sich unwillkürlich verkrampfte. An solche Bemerkungen war sie eigentlich gewöhnt. Sie hatte dieselbe Haarfarbe wie ihre Mutter und die gleichen klassischen Gesichtszüge. Wenn man ein Bild von Celia in ihrem Alter betrachtete, könnte man sie für Zwillingsschwestern halten. Diese Ähnlichkeit hatte sie in ihrem Leben wie ein Fluch verfolgt.

Mit frostiger Miene schaute sie Damon an. „Das Fax …“

„Wie geht es deiner Mutter inzwischen? Lebt sie immer noch im sonnigen Kalifornien?“

„Ich nehme an.“

„Hast du denn keinen Kontakt zu ihr?“

„Nein. Aber kommen wir zur Sache …“

„Der Tod deines Vater tut mir wirklich leid. Er war ein guter Geschäftsmann. Ich habe ihn immer sehr geschätzt.“

Für einen Augenblick bewirkte die Erinnerung, dass Cassandras Gesicht sich ein wenig aufhellte. Es stimmte. Ihr Vater war ein sehr gütiger Vater gewesen, der sie sehr geliebt hatte. Und selbst als Chef der Redland Hotels Group, deren Gründer er war, hatte er stets ein offenes Ohr für seine Angestellten gehabt und sie mit Hochachtung behandelt. Er war ein Mann gewesen, wie es nicht viele gab. Und sie war noch immer nicht wirklich über seinen Verlust hinweggekommen. Es war ja auch erst zwei Monate her, dass er gestorben war.

Aber mit Damons Lob für ihren Vater und seinem Mitgefühl konnte sie nichts anfangen. Sie reckte energisch das Kinn hoch.

„Sehr interessant, dass du auf meinen Vater zu sprechen kommst. Seinetwegen bin ich hier.“

Jetzt hörte er ihr wenigstens zu!

„Wegen deines Vaters?“, erkundigte er sich und schob den leeren Teller beiseite. „Nun, dann schieß mal los!“

„Es geht um dieses Fax. Soll ich es vorlesen?“ Nervös klopfte sie mit den Fingernägeln auf den Tisch.

„Ist es in Englisch?“

„Ja.“

„Nun, ich glaube, dann kann ich es selbst lesen.“ Mit einem verächtlichen Lächeln streckte er ihr die Hand entgegen. „Ich kann lesen, seit ich vier Jahre alt bin.“

Sie beobachtete ihn genau, während er den Text überflog. Er hatte einen großen, sinnlichen Mund und für einen Mann ungewöhnlich lange Wimpern. Und die verführerischsten Augen der Welt. In den vergangenen Jahren hatte er mehrere Affären gehabt. Er war sogar verheiratet gewesen, hatte ein Kind, war aber inzwischen wieder geschieden.

Er schaute urplötzlich zu ihr hinüber. Cassandra spürte, wie ihr Herz zu flattern anfing. Es stimmte, seine Augen übten auch heute noch einen magischen Einfluss auf sie aus.

Cassandra ließ sich dennoch nichts anmerken. Sie verbarg ihre Gefühle meist hinter einer Maske, die kaum ein Mensch durchdringen konnte. Außerdem war sie aus geschäftlichen Gründen hier.

„Nun, eigentlich ist alles ganz klar formuliert.“ Damon schob ihr das Blatt Papier über den Tisch zu. „Wie dein Firmenrechtsanwalt schreibt, gehört mir die Insel St. Silva, und ich habe es zur Voraussetzung für alle Gebäude auf der Insel gemacht, dass sie nur unter strenger Kontrolle von mir errichtet werden dürfen. Und das gilt auch für das neue Hotel, das Redland dort bauen möchte.“

„Aber das ist doch lächerlich. Außerdem glaube ich nicht, dass mein Vater je so eine Verpflichtung unterschrieben hätte.“

Allerdings hatte sie sich bis zum Tode ihres Vaters nie um das Prestigeobjekt der Firma in der Karibik gekümmert. Für die Bereiche Amerika und die Karibik war stets ihr Vater verantwortlich gewesen, und die Hotelpläne für St. Silva waren so etwas wie sein ganz spezielles Steckenpferd gewesen.

Damon wischte ihre Argumente einfach vom Tisch. „Du täuscht dich eben.“

„Dann hast du ihn mit irgendwelchen Tricks herumbekommen.“ Sie war in Rage geraten. „Ich will wissen, wie du das geschafft hast.“

Denn es musste bestimmte Gründe geben, die ihren Vater zu dieser Unterschrift veranlasst hatten. Es war seit langem Firmenpolitik der Redland Hotels Group, nur dann Häuser zu bauen, wenn sich der Grund und Boden im Besitz der Firma befand. Und in St. Silva sah es nach dem bisherigen Stand der Dinge so aus, dass sie für den Baubeginn die Zustimmung des Inselbesitzers, und der war ausgerechnet Damon Grey, zu den Bauplänen benötigten.

„Der Rechtsanwalt hat mir erklärt, das Land sei vorläufig nur geleast und wir könnten nur nach Vollendung des Hotels in deinem Sinne das Grundstück erwerben.“

„Ja, sonst muss es wieder abgerissen werden.“ Damon lächelte sie verschmitzt an. „Ich bin sehr eigen, was die Bauten angeht, die man auf meiner Insel errichtet.“

„Und die Redland Hotels Group ebenfalls. Wovor hast du Angst? Dass wir irgendeinen Klotz aus Glas und Beton hinstellen?“

„Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.“

„Aber das ist gar nicht unser Stil. Du brauchst dir nur ein paar unserer Hotels in Amerika oder in der Karibik anzusehen, und du wirst sehen, dass wir sehr umweltbewußt bauen und stets auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen.“

„Dann hast du ja nichts zu befürchten.“ Damon nahm sich aus der Obstschale einen glänzenden grünen Apfel. „Wenn ihr so baut, sollte euch meine Aufsicht nichts ausmachen.“ Er biss kräftig in den Apfel.

Cassandra lächelte kühl. „Ich kann dir versichern, dass deine Vorsichtsmaßnahmen völlig überflüssig sind. Du bist doch ein viel zu beschäftigter Geschäftsmann, um deine Zeit mit solchen Sachen zu verschwenden.“ Sie versuchte, charmant zu klingen. „Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst, wenn du uns mit dem Bauen beginnen lässt. Wir brauchen keine Beaufsichtigung.“

Damon hatte sorgfältig ihren Worten gelauscht. „Natürlich weiß ich, dass Redland bekannt ist für seine intelligente Architektur, die auf die Landschaft Rücksicht nimmt. Eine der besten Hotelgruppen überhaupt.“ Er trank das Weinglas leer. „Sonst hätte ich dem Projekt sowieso nicht zugestimmt.“

„Dann weißt du ja selbst, dass eine Überwachung überflüssig ist.“ Hoffnung keimte in Cassandra auf.

„Das lass nur mich selbst entscheiden!“

„Dann ist ja alles geregelt.“ Cassandra nahm das Fax wieder an sich und legte es in ihre Mappe. Sie wollte sich schon erheben, um zu gehen, als Damon sich zu Wort meldete.

„Es ist dir also wirklich ernst damit, die Position deines Vaters einzunehmen. Das ist ein ganz schön harter Job.“

„Damit werde ich schon fertig.“

Cassandra schaute ihm direkt ins Gesicht. Sie hatte zwar hin und hin und wieder Zweifel, aber das war nur zu natürlich bei der Größe des Unternehmens. Aber sie hatte das Hotelgewerbe bei ihrem Vater von der Pike auf erlernt. Und obwohl sie nicht erwartet hatte, so bald zur Chefin befördert zu werden, hatte sie ihre Arbeit stets als eine Herausforderung betrachtet. Wie ihr Vater besaß sie eine natürliche Veranlagung für Geschäfte.

Damon nickte. „Nun, du hast die Arbeit immer als höchste Priorität gesehen, Redland über alles gesetzt. Es würde mich auch wundern, wenn du damit nicht zurechtkämest. Redland ist ja praktisch dein Leben.“

Er wurde schon wieder persönlich. Er erinnerte sie auf subtile Weise daran, dass sie ihre Beziehung mit der Begründung beendet hatte, sich ganz ihrer Karriere widmen zu wollen.

Und das ließ alte Erinnerungen in ihr aufbrechen und Sehnsüchte wach werden.

„War es die Sache wert?“

Er beobachtete sie ganz genau. Es würde ihm gefallen, wenn sie die Entwicklung, die ihr Leben genommen hatte, bedauerte.

Aber da würde sie ihn enttäuschen. „Natürlich. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.“ Trotz dieses Anflugs von Nostalgie traf das auch weitgehend zu.

„Dann bist du glücklich zu nennen.“

„Ja, ich weiß.“

Er lächelte. „Du bist wie ein Adler, sitzt einsam auf deiner Bergspitze. Wunderschön, unberührbar und mächtig.“

Sah er sie wirklich so? „Du hast selbst etwas von einem Adler an dir. Du hast dir in den letzten Jahren selbst ein Imperium aufgebaut.“

„Ja, aber ich bin trotzdem kein Mensch, der sich von allem zurückzieht. Ich mische mich gern unters Volk.“

Diese indirekte Kritik an ihr machte Cassandra nichts aus, sie lächelte ihn freundlich an. „Da du ja so mit deinem Gesellschaftsleben beschäftigt scheinst, freut es dich sicherlich, wenn du dich nicht mehr um unser St. Silva-Projekt kümmern musst.“

„Wer sagt, dass ich auf mein Widerspruchsrecht verzichte?“

Cassandra blieb wie angewurzelt stehen. „Ich dachte, das hätten wir gerade vereinbart.“

„So? Glaubst du?“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Da täuscht du dich.“

„Aber du sagtest doch, dass du unsere Bauten kennst. Dass du Vertrauen hast. Und dass du keine Zeit verschwenden willst.“

„Ja, aber die Zeit, die ich damit zubringe, mir eure Pläne anzusehen, betrachte ich nicht als Verschwendung.“

Als sie ihn fassungslos anstarrte, machte er eine bedeutungsvolle Pause. „Ich weiß zwar nicht, wann du vorhattest, nach St. Silva zu fahren, aber ich werde die kommende Woche dort verbringen. Wenn du also das Projekt angehen willst, könntest du ja ebenfalls hinreisen. Dann würden wir alles vor Ort besprechen, und ich werde dir zeigen, worauf ich Wert lege.“

Das würde ihr nicht im Traum einfallen. „Es tut mir leid, aber diese Art von Einmischung kann ich nicht tolerieren.“

„Ich denke, du hast keine große Wahl. Das sind die Bedingungen, die dein Vater unterschrieben hat.“

„Das glaube ich nicht.“

„Du hast es schwarz auf weiß. Du wirst die Tatsachen akzeptieren müssen.“

„Das werden wir noch sehen.“

„Was willst du damit andeuten?“

„Ich bezweifle die Gültigkeit dieser Vereinbarung. Ich werde dafür sorgen, dass sie angefochten wird. Du wirst mir bei meinem Hotelprojekt auf St. Silva nicht hineinreden.“

Cassandra hatte sich richtig in Wut geredet. Steif fügte sie hinzu: „Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt. Morgen wirst du von unserem Hausjuristen hören. Ich lasse dich nicht damit davonkommen. Das kann ich dir garantieren.“

Sie erhob sich elegant von ihrem Platz und hing sich ihre schwarze Handtasche um. Als sie an der Tür angelangt war, hielt Damon sie ein letztes Mal zurück.

„Wir sehen uns in St. Silva.“

2. KAPITEL

„Sheila, sei ein Engel und mach mir eine starke Tasse Kaffee!“

Zurück in ihrem Büro in Marylebone, ein paar Meilen nördlich der Innenstadt Londons, ließ Cassandra erschöpft ihre Aktentasche auf den Schreibtisch fallen und sank mit einem Seufzer auf ihren Ledersessel. Hier musste sie niemandem etwas vorspielen. „Ich habe gerade eine harte Auseinandersetzung mit Damon Grey gehabt.“

„Ach du meine Güte!“ Sheila runzelte die Stirn, während sie Cassandra eine Tasse dampfenden Kaffees brachte. „Und was hat er gesagt?“

„Es sieht so aus, als würde er uns Probleme bereiten. Er möchte bei allem ein Wort mitreden, was auf St. Silva passiert. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht dulden werde.“

„Er besteht also auf dieser Vereinbarung? Das ist keine gute Nachricht.“ Sheila schüttelte den Kopf.

„Nein, wirklich nicht.“

Cassandra hob die Tasse an ihre Lippen und lächelte ihre besorgte Sekretärin an. Sheila kannte die Firma beinah so gut wie sie. Es gab nichts, was Cassandra ihr nicht anvertrauen würde. Allerdings wusste sie nichts von ihrer früheren Verbindung zu Damon Grey.

Die Beziehung war längst beendet gewesen, als Sheila vor fünf Jahren in die Firma eingetreten war. Und obwohl sie beide nicht nur zusammenarbeiteten, sondern auch enge Freundinnen geworden waren, die auch einen großen Teil ihrer Freizeit miteinander verbrachten, hatte sie ihr nie diese Episode aus ihrem Leben verraten. Sie hatte durch Damon Grey eine wichtige Lektion gelernt, aber er selbst spielte in ihrem Leben keine Rolle mehr.

Cassandra lehnte sich in ihrem Sessel zurück. „Ich weiß zwar noch nicht, wie ich es schaffen werde, aber es wird mir gelingen, diese Vertragsklausel zu umgehen.“ Sie schaute Sheila auffordernd an. „Ruf Simpson an!“ Gerald Simpson war der Firmenanwalt. „Er soll sich vorrangig um diese Angelegenheit kümmern. Es muss irgendeinen Ausweg geben.“

Cassandra runzelte die Stirn. „Wir müssten irgendwie beweisen, dass Grey nur durch Tricks meinen Vater zu dieser Unterschrift gebracht hat. Das ist meine ganz persönliche Meinung.“ Sie wandte sich hilfesuchend an Sheila. „Du kanntest meinen Vater doch auch gut. Er hätte freiwillig nie so einen Vertrag unterschrieben, oder?“

„Ein bisschen merkwürdig ist es schon.“ Sheila stimmte ihr da zu und schaute dann auf die Uhr. „Ich werde gleich mal Simpson anrufen. Er hatte einen Termin in der Stadt, aber er sollte inzwischen wieder zurück sein.“ Sie erhob sich. „Noch irgendetwas, Cassandra?“

„Nein, das St. Silva-Projekt hat jetzt höchste Priorität. Ich möchte stets auf dem Laufenden sein.“

Nachdem Sheila gegangen war, dachte sie darüber nach, wie sie Damon Greys Ambitionen etwas behindern könnte.

Cassandra hatte immer gewusst, dass Damon Grey ehrgeizig war. Sehr ehrgeizig.

„Ich werde die Welt erobern“, hatte er ihr vor Jahren erklärt und mit dem für ihn typischen unwiderstehlichen Lächeln sich selbst ein wenig auf die Schippe genommen. Cassandra hatte dennoch gespürt, dass es ihm ernst damit war. Und dass er eines Tages ein Mann sein würde, mit dem man zu rechnen hätte.

Er war bereits auf dem Weg nach oben gewesen, als sie ihn kennenlernte. Eigentlich per Zufall auf der Verlobungsparty einer Freundin. Mit neunundzwanzig war er bereits Inhaber von drei mittelständischen Firmen in England und gerade dabei, seine Geschäfte nach Übersee zu expandieren.

Ihr hatte sein Streben, es zu etwas zu bringen, sehr gefallen. Sie war selbst ehrgeizig und hatte sich stets zu fähigen und erfolgsorientierten Männern hingezogen gefühlt.

„Nicht die ganze Welt“, hatte sie ihn bei jenem Gespräch gewarnt. „Etwas von dem Kuchen werde ich mir selbst einverleiben.“

Auch ihm gefiel es, dass sie ihn nicht anhimmelte wie viele andere Frauen. Was eigentlich keine Überraschung war, denn abgesehen von seinem beruflichen Erfolg war Damon auch als Mann nicht zu verachten.

Sein Aussehen ließ kaum eine Frau unberührt. Er war groß und muskulös von Statur, hatte tiefschwarzes Haar, das er damals noch etwas länger trug, und so unglaublich tiefblaue Augen, die einem bis auf den Grund der Seele zu blicken schienen.

Aber seine Attraktivität bestand aus mehr als nur einer hübschen Fassade. Er sah dynamisch aus, sein Gesicht strahlte scharfsinnige Intelligenz aus; außerdem besaß er so etwas wie Sex-Appeal. Das Leben mit ihm versprach aufregend zu sein. Mit diesem Mann an ihrer Seite würde eine Frau Orte und Plätze kennenlernen, von der sie nicht einmal geträumt hatte, dass sie existierten.

Und die Realität löste all diese Versprechen ein, erkannte Cassandra bald, nachdem sie regelmäßig miteinander ausgingen. Ein magischer Zauber umgab Damon Grey.

Und dieser magische Zauber brachte Cassandra dazu, dass sie innerhalb von nur wenigen Monaten zwei Schwüre brach, die sie für sich bindend angesehen hatte. Dass sie sich niemals verlieben würde und dass sie niemals mit einem Mann ins Bett gehen würde.

Diese Versprechen hatte sie sich im Alter von vierzehn Jahren gegeben, als sie oben in ihrem Zimmer in ihrem Elternhaus saß und sich in den Schlaf weinte, während ihre Eltern sich unten erbittert stritten. Der dritte Schwur war, dass sie niemals heiraten würde. Sie wollte nicht den gleichen Fehler wie ihr Vater und ihre Mutter begehen.

Cassandra war in einer Welt aufgewachsen, die bestimmt war von ewigen Kämpfen zwischen ihren Eltern. Wenn das ein Familienleben sein sollte, dann konnte sie gern darauf verzichten.

Als sie größer wurde, hatte sie natürlich eine Vielzahl an Freunden und Verehrern gehabt, aber sie hatte sie stets emotional auf Distanz gehalten. Sie hatte sich nie ernsthaft in einen Mann verliebt.

Aber dann kam Damon daher und warf ihre ganzen Vorsätze über den Haufen. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt und landete schon bald in seinem Bett. Mit einem Blick aus diesen wunderschönen blauen Augen hatte er sie alle Vorbehalte vergessen lassen.

„Glücklich?“, fragte er sie immer, wenn sie zusammen im Bett lagen, entweder in seiner Wohnung in Kensington oder in ihrer eigenen in Highgate, denn Cassandra war so früh wie möglich aus dem Elternhaus ausgezogen.

„Mehr als das“, antwortete sie meist, küsste ihn auf die Nasenspitze und zog ihn fest an sich heran. Sie war noch nie in ihrem Leben so rundherum zufrieden gewesen, so überglücklich.

„Heißt das, du liebst mich?“ Er küsste sie und streichelte ihre empfindsamsten Stellen, bis ihre Haut unter seiner Berührung zu glühen begann.

„Ich liebe dich zum Verrücktwerden. Du auch?“

„Ich glaube schon.“

„Was heißt das?“ Sie hatte gelacht und ihn gestupst. „Das reicht nicht. Wie sehr liebst du mich?“

„Ich weiß nicht. So viel vielleicht.“ Scherzhaft deutete er mit den Fingern an, was er damit meinte. Als sie ihn dann spielerisch ausschimpfte, ließ er sich in die Kissen zurückfallen und lachte schallend. „Ich glaube, ich habe gelogen. Ich liebe dich so viel.“ Er öffnete die Arme, soweit es ging. „So, und jetzt zeig du es mir!“

Cassandra hatte das Gesicht wieder zu einer Grimasse verzogen, musste allerdings ein Kichern unterdrücken. Sie spürte, er würde sie in seine Arme ziehen und so lange erregen, bis die Lust sie alles um sie herum vergessen ließe. Mit Damon war alles so leicht und unkompliziert. Das Leben mit ihm machte so viel Spaß, dass es für sie unvorstellbar schien, er könne sie eines Tages verletzen.

Sie waren etwa neun Monate zusammen, als Damon sie eines Tages fragte: „Was ist, wenn ich mehr reisen muss? Wir würden uns dann ja kaum noch sehen, es sei denn, du würdest mich begleiten.“

„Wie soll ich das denn tun? Ich kann doch nicht einfach meinen Job aufgeben.“

Sie waren in seiner Wohnung und saßen eng umschlungen auf dem braun-weiß gestreiften Sofa, nachdem sie sich zuvor einen Videofilm angeschaut hatten. Sie hatten es sich danach bei einer heißen Schokolade gemütlich gemacht.

„Ich weiß, dass du das nicht kannst. Das würde ich auch nie verlangen. Aber vielleicht könntest du mich hin und wieder doch auf einer Geschäftsreise begleiten. Was meinst du?“

„Ich glaube nicht.“

Sie fühlte eine unbestimmte Angst in sich aufsteigen. Er wollte zu viel Nähe. Er versuchte, ihr Leben zu beeinflussen und zu steuern.

Ich gehöre dir nicht! Diese Worte kamen ihr unwillkürlich in den Sinn. Nur mit größter Mühe unterdrückte sie diesen Gedanken. Das waren genau die Worte ihrer Mutter, die sie all die Jahre immer wieder ihrem Vater gegenüber verwendet hatte. Und nun hatte sie selbst so gedacht.

In diesem Augenblick traf sie die Entscheidung. An jenem Abend auf dem braun-weiß gestreiften Sofa. Es war Zeit, dass sie diese Beziehung beendete.

Im Verlauf der Jahre hatte Cassandra den Kontakt zu mehreren Männern abgebrochen. Sie hatte immer versucht, fair zu sein und niemanden dabei zu verletzen. Und sie war schließlich ganz gut darin, solch unangenehme Situationen zu meistern.

Aber bei Damon war es anders. Zum ersten Mal fiel es ihr schwer, die Trennung zu vollziehen. Allein der Gedanke, ihn zu verlieren, brach ihr beinah das Herz.

Aber schließlich war es Damon selbst, mit etwas Unterstützung von ihrer Mutter, der Cassandra durch sein Verhalten die nötige Kraft finden ließ, um den Schlussstrich unter ihre Beziehung zu setzen.

Obwohl sie bereits aus ihrem Elternhaus in St. John’s Wood ausgezogen war, besuchte sie ihre Eltern regelmäßig. Vor allem ihrem Vater zuliebe. Zwar arbeitete sie im Unternehmen ihres Vaters, sah sie ihn jedoch nur selten im Büro. Deshalb fuhr sie mindestens einmal pro Woche hinaus aufs Land. Damon begleitete sie häufig.

Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter waren von ihm begeistert, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen.

„Er tut dir gut, das merkt man, wenn man euch zusammen erlebt. Zusammen werdet ihr es weit bringen.“

Was natürlich stimmte. Cassandra spürte selbst, wie das Zusammensein mit Damon sie zu Höchstleistungen antrieb. Und auch er schien durch sie angespornt, noch intensiver seine Projekte durchzuziehen.

Es kam ihr allerdings auch so vor, als übe Damon eine stimulierende Wirkung auf ihre Mutter ein. Irgendetwas an deren Verhalten ihrem Freund gegenüber kam Cassandra nicht ganz geheuer vor.

Ihre Mutter hatte sowieso schon immer ihre bisherigen Freunde umgarnt, ganz offen mit ihnen geflirtet. Meist fing es damit an, dass sie den jungen Männern anbot, sie doch beim Vornamen zu nennen. Dazu lächelte sie dann meist verführerisch. Celia Redland war eine auffallende Schönheit, das musste man zugeben, und sehr charmant. In ihrer Jugend hatte sie eine Phase kurzen Ruhms als Schauspielerin für Film und Fernsehen erlebt, und auch später genoss sie es noch immer, wenn sie im Mittelpunkt des Interesses stand.

Und so versuchte sie, Damon für sich einzunehmen, verhielt sich ihm gegenüber immer vertrauter, berührte ihn, wenn dies gar nicht nötig war, küsste ihn bei jeder Gelegenheit mit fast ein wenig zu viel Gefühl auf die Wange. Was es eigentlich noch erträglich machte, waren Damons Scherze darüber.

„Ich dachte, sie isst mich gleich auf“, bemerkte er eines Abends mit verschmitzten Lächeln.

„Und hätte es dir gefallen?“, brachte Cassandra nur mit angespanntem Tonfall heraus.

„Sei doch nicht verrückt! Ich mag deine Mutter nicht einmal besonders. Außerdem bin ich in dich verliebt. Es ist nicht mein Fehler, wenn Celia nicht weiß, wie man sich richtig benimmt. Aber um Himmels willen …“ Er hatte sie in seine Arme gezogen und leidenschaftlich geküsst. „Du solltest dir darüber keine grauen Haare wachsen lassen.“

Cassandra hatte sich bemüht, das zu beherzigen. Sie hatte keinerlei Grund, Damon zu misstrauen. Ihrer Mutter dagegen war ein ganz anderer Fall.

Sie wusste, dass ihre Mutter ihren Vater hin und wieder betrog. Das war in ihrer Jugend häufig ein Streitthema gewesen. „Ich gehöre dir nicht!“, hatte sie ihren Vater immer angeschrien. Ihre Mutter dachte, dass sie einfach machen konnte, was sie wollte. Und wenn sie sich immer wieder jüngere Verehrer suchte, sei das ganz allein ihre Sache und ihr Mann habe sich gefälligst damit abzufinden.

Und so ignorierte sie Celias Annäherungsversuche Damon gegenüber einfach, wie dieser ihr das geraten hatte.

Aber es war nur ein Trick gewesen, um sie zu täuschen. Es war nur ein paar Wochen später, nachdem Cassandra angefangen hatte, über die Fortführung ihrer Beziehung zu Damon nachzudenken, als sie die beiden in flagranti erwischte.

Es war an einem Sonntag, und sie hatten beschlossen, am Nachmittag zu ihren Eltern rauszufahren. Da die Sonne schien, freuten sich die beiden auf ein paar Stunden der Entspannung im Garten.

Ihre Mutter war an diesem Tag in Bestform, sie lachte und trällerte vor sich hin. Das war ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie sich zuvor mit ihrem Mann gestritten hatte. Daher ließ Cassandra sie mit Damon allein, um im Garten mit ihrem Vater, der gerade die Rosen goss, ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln. Nachdem sie ihn ein wenig aufgeheitert hatte mit amüsanten Geschichten, bot sie an, Tee für sie alle zu kochen.

„Ja, das ist eine gute Idee“, stimmte er zu.

Und so ging sie nach drinnen und setzte den Wasserkessel auf. Sie durchstreifte die Räume auf der Suche nach Damon und ihrer Mutter, um zu fragen, ob sie ihnen nicht auf der Terrasse Gesellschaft leisten wollten.

Im Flur blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen, als sie Zeuge einer Szene im Arbeitszimmer ihrer Mutter wurde. Sie sah die beiden eng umschlungen neben dem Schreibtisch stehen, Celia hatte Damon die Hände um den Hals gelegt, während er ihre Taille umfasste. Ein unglaublicher Schmerz durchzuckte Cassandra, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Mit letzter Kraft floh sie zurück in die Küche. Später, als ihre Mutter und Damon sich wieder zu ihnen gesellt hatten, hatte sie ihre Fassung bereits wiedergewonnen. Das jahrelange Training machte sich bezahlt.

„Ach, da seid ihr ja endlich!“, sagte sie mit betont freudiger Stimme. „Leistet uns doch Gesellschaft! Es gibt genug Tee für alle.“

Sie erwähnte mit keinem Wort, was sie gesehen hatte. Oder dass irgendetwas nicht stimmte. Was für eine gute Schauspielerin sie doch war! Nun, sie war ja schließlich die Tochter ihrer Mutter!

Celia machte es sich in einem Gartensessel gemütlich. „Ich habe Damon gerade einige Drucke gezeigt, die ich neulich bei Philips erstanden habe. Du weißt schon, in dem Auktionshaus“, führte sie ihre Erzählung weiter aus.

Cassandra wandte sich an Damon. „Haben sie dir gefallen?“ Doch Hass stieg in ihr auf, Hass auf Damon, dass er sie so hintergehen konnte.

„Sie waren ganz nett“, antwortete Damon etwas abwesend.

Er wird für seinen Fehltritt bezahlen, schwor sich Cassandra. Es kostete sie alle Kraft, den Nachmittag einigermaßen gesittet zu überstehen. Und sie schaffte es, noch eine weitere Woche abzuwarten, bevor sie die Konsequenzen zog. Er brauchte nicht zu wissen, dass sie ihn mit ihrer Mutter gesehen hatte, denn das war nur der letzte Auslöser gewesen. Schon lange zuvor war ihr klargeworden, dass eine Trennung von Damon unvermeidlich war.

Sie hatten gerade in seiner Wohnung zu Abend gegessen, als sie die Bombe platzen ließ. „Ich muss mit dir reden.“

Er legte gerade eine Schallplatte auf. „Oh, worüber?“, wollte er wissen.

Cassandra hatte das Gefühl, ihr eigenes Ich verloren zu haben. Das machte es einfacher, ihm fast gleichmütig ihre Entscheidung zu verkünden.

„Über uns.“

„Nun, das kann ja nicht so schlimm sein.“

„Doch.“ Damons forschender Blick machte es ihr dann doch schwer, es auszusprechen, aber sie schaffte es. „Ich möchte unsere Beziehung beenden. Ich finde, wir sollten uns trennen.“

Mit gerunzelter Stirn schaute er sie an. „Das meinst du doch nicht ernst, Cassandra. Was soll das bedeuten?“

„Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt.“ Sie starrte ihn an, nahm ihn aber eigentlich nicht wirklich wahr. Der schmerzliche Ausdruck in seinen Augen war kaum zu ertragen. Und sie spürte, wie sich ihr Körper verkrampfte. „Ich möchte mich völlig meiner Karriere widmen. Unsere Beziehung gerät ständig in Konflikt damit.“

„Ich glaube das einfach nicht. Willst du damit sagen, du liebst mich nicht?“

Cassandra hatte sich gut auf diese Auseinandersetzung vorbereitet. „Nun, anscheinend nicht genug. Meine Karriere ist mir wichtiger, das musst du akzeptieren.“

Aber das tat er natürlich nicht. Sie diskutierten bis spät in die Nacht, aber Cassandra ließ sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen. Als sie schließlich seine Wohnung verließ, bat sie ihn, sie von nun an in Ruhe zu lassen.

Aber auch das akzeptierte er nicht. In den folgenden Wochen rief er sie ständig an. Tauchte einfach in ihrer Wohnung auf. Schrieb ihr Briefe, schickte ihr Blumen. Cassandra blieb hart, es gab keinen Weg zurück.

Dann eines Tages hörten die Anrufe auf, und auch die Briefe und Blumen. Die Schlacht war geschlagen, und sie hatte den Sieg davongetragen. Erst jetzt brach sie zusammen und weinte sich nachts in den Schlaf.

Es dauerte lange, bis Cassandra über Damon hinwegkam, aber sie hatte eine wichtige Lektion gelernt. Sie würde nie mehr eine so enge Bindung zu einem Mann eingehen. Sie würde nicht noch einmal so viele Stunden des Leids durchleben.

Als sie schließlich ihren Schmerz überwunden hatte, hielt sie sich strikt an die von ihr aufgestellte Lebensphilosophie. Und so war es ihr in all den Jahren nicht schwergefallen, den Männern zu widerstehen, die ihr über den Weg gelaufen waren.

Damon hingegen war nicht lange allein geblieben, wie sie aus den Zeitungen erfahren hatte. Innerhalb eines Jahres hatte er seine Sekretärin geheiratet, und bereits fünf Monate später war er Vater einer Tochter geworden. Nun, es schien ihm leichtgefallen zu sein, sie zu vergessen. Sie hatte ganz bestimmt richtig gehandelt, als sie ihn verließ.

Nicht, dass seine Ehe lange gehalten hätte. Zwei Jahre später war er bereits wieder geschieden. Wie man in den Klatschspalten lesen konnte, war seine Frau mit einem anderen Mann durchgebrannt. Er hatte sie sicherlich vernachlässigt und sich egoistisch nur um den Aufbau seines Firmenimperiums gekümmert. Und sie hatte das nicht länger mitgemacht. Männer wie er eigneten sich einfach nicht für eine Ehe.

In den Tagen nach dem erneuten Treffen mit Damon dachte Cassandra immer wieder an die Zeit vor sechs Jahren zurück. Aber sie versuchte, allzu positive Erinnerungen zu verdrängen. Wichtiger war vielmehr, herauszufinden, wie er ihren Vater zu diesem Vertragsabschluss herumgekriegt hatte.

Aber das war gar nicht so einfach zu beweisen. Gegen Wochenende rief Gerald Simpson sie an. „Es tut mir leid, Miss Redland. Der Vertrag ist wasserdicht. Diese Bestimmung ist leider nicht zu umgehen.“

Er machte eine kurze bedeutungsvolle Pause. „Aber ich habe etwas herausgefunden, was vielleicht Mr. Greys plötzliches Interesse an den Redland Hotels erklärt.“

Cassandra hörte sich aufmerksam an, was der Anwalt herausgefunden hatte. „Da könnten Sie recht haben“, stimmte sie ihm schließlich zu. Sie war mehr als wütend. Jetzt wusste sie, worauf Damon aus war. „Sehen Sie zu, ob Sie noch mehr in Erfahrung bringen können“, beendete sie schließlich das Gespräch.

Sie legte den Hörer auf und atmete tief durch. Was sollte sie als nächstes tun? Sie musste schnell handeln.

Da klingelte das Telefon erneut. Cassandra hob ab und hörte der etwas aufgeregten Sheila zu. „Damon Grey hat gerade angerufen … er ist auf dem Weg hierher. Er will die St. Silva-Pläne sehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich den Termin erst mit dir absprechen müsste, aber er hängte einfach ein.“

Das sah genau nach Damon aus!

„Ist schon in Ordnung, Sheila“, beruhigte Cassandra sie. „Bereite bitte den kleinen Konferenzraum vor! Ich werde ihn dort empfangen.“

Nun, wenn man vom Teufel sprach! Zweifellos wollte er sie mit seinen Blitzaktionen in die Ecke treiben. Es war schon eine pure Unverschämtheit, einfach ohne Terminabsprache bei ihr aufzutauchen. Nun, heute sollte es ihr recht sein. Sie würde es ihm schon heimzahlen!

Cassandra lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und rückte den Kragen ihres tadellos sitzenden dunkelblauen Jacketts zurecht. Nun, wenn er einen Kampf wollte, konnte er ihn haben.

3. KAPITEL

„Gut. Ich sehe, du bist inzwischen zur Kooperation bereit.“

Damon betrat mit geschmeidigen Schritten das Konferenzzimmer, ganz Herr der Situation. Man könnte fast denken, der Laden gehört ihm, dachte Cassandra irritiert. Aber das würde nie passieren, sie würde das zu verhindern wissen!

Er trug einen dunkelblauen Anzug, von Savile Row, und ein hellblaues Hemd, dazu noch eine burgunderfarbene Krawatte. Der dunkle Anzug betonte seine lange, athletische Gestalt. Aber sein allgemeines Auftreten verriet mehr darüber, was für ein Typ Mann er war, als der beste Anzug das hätte tun können. Er bewegte sich selbstbewusst und zeigte eine natürliche Autorität.

Im Verlauf einer jeden Woche kamen mehr als genug Männer in die Büros der Redland Hotels Group, darunter viele wichtige, einflussreiche Geschäftsleute. Aber keiner, den sie bisher kennengelernt hatte, konnte, was kraftvolle Ausstrahlung anbetraf, Damon die Hand reichen.

„Nimm doch bitte Platz, während ich den Videofilm einlege.“

Auch Cassandra sah blendend aus und stand ihm im Auftreten um nichts nach. Ihr langes blondes Haar trug sie wie immer perfekt geföhnt mit einer Stirnrolle, das schlichte und doch schicke Kostüm mit kurzem Rock und langer taillierter Jacke betonte ihre Figur. Ihr Make-up war tadellos, und die wenigen Schmuckstücke, die sie trug, verrieten, dass sie einen guten Geschmack besaß und viel Wert auf Unterstatement legte. Alles an ihr war ein Beweis für ihre Herkunft aus einem vornehmen Elternhaus.

„Ich sagte, es ist schön, dass du zur Zusammenarbeit bereit bist.“ Damon nahm in einem Stuhl genau gegenüber vom Fernsehapparat Platz. Er überkreuzte lässig die Beine und schaute sie an. „Na, heute mal keine Drohungen parat?“

Cassandra lächelte mit ausdruckslosem Gesicht. „Du bist genau zur richtigen Zeit gekommen. Ich wollte dich schon anrufen. Das ist ja wie Telepathie.“

„Vielleicht.“ Damon lächelte und hob fragend die Augenbrauen. „Also was wolltest du von mir?“ Er schaute sie neugierig an.

„Wir wollen uns jetzt erst einmal um dein Anliegen kümmern.“

Cassandra täuschte Entgegenkommen vor. Wenn er die Pläne sehen wollte, bitte, das konnte er ruhig. Ihr Vater hatte das Projekt auf St. Silva selbst betreut, und was er für gut befunden hatte, würde auch immer ihren Beifall finden. In all den Jahren seiner Arbeit als Konzernchef von Redland hatte er stets die beste Lösung für einen Hotelbau gefunden.

„Ich hätte ja gern den Architekten zu diesem Termin dazu gebeten, aber leider ist er in Urlaub.“

Diese Bemerkung war nur für den Fall gedacht, dass er Detailinformationen haben wollte. Aber das würde sicher nicht nötig sein.

„Ich nehme an, dein charmantes Entgegenkommen ist darauf zurückzuführen, dass dein Anwalt dir klargemacht hat, dass du den Vertrag in der vorliegenden Form nicht anfechten kannst, oder?“

„Bisher hat er noch keinen Ausweg gefunden.“ Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. „Aber keine Angst, uns wird schon noch etwas einfallen.“

„Er verschwendet seine Zeit.“

„Dass du so denkst, habe ich nicht anders erwartet.“ Cassandra griff nach der Fernbedienung und nahm dann auf einem Stuhl neben Damon Platz. „Die Pläne sind ja nicht geheim, du kannst dir also gern den von uns erstellten Film ansehen und dich selbst davon überzeugen, dass du in Bezug auf die Pläne und die Bauausführung nichts zu befürchten hast.“

„Nun, wenn dem wirklich so ist, umso besser. Ansonsten wirst du leider etwas ändern müssen.“

Der Film war als Werbefilm für die Hotelkette konzipiert worden. Er präsentierte die Pläne für den neuen Hotelkomplex und zeigte ein paar beeindruckende dreidimensionale Aufnahmen. Man hatte das Gefühl, der Kamera durch das Haus zu folgen. Der Streifen bedurfte eigentlich keiner Erklärung, nur an manchen Sequenzen fügte Cassandra ein paar Extrainformationen ein.

„Dieser ganze Bereich hier“, führte sie aus und deutete auf eine Stelle außerhalb des Hotelbaus, „ist für Gärten vorgesehen. Wir werden hier kleine Oasen der Ruhe schaffen mit vielen Bäumen, vor allem Palmen, daneben ein paar Tennisplätze bauen und vielleicht einen Minigolfplatz anlegen. Ein Kinderspielplatz ist auch vorgesehen. Wir versuchen außerdem, eine eher informelle Atmosphäre zu schaffen, in der unsere Gäste sich fast wie zu Hause fühlen und nicht wie in einem Hotel.“

Damon nickte und schaute weiter kritisch auf den Bildschirm, ohne allerdings einen Kommentar abzugeben.

„Und hier …“, jetzt führte der Film durch das Haus und zeigte verschiedene Grundrisse von Zimmern, „… kannst du erkennen, dass jedes Zimmer eine eigene kleine Terrasse haben wird, auf die sich der Gast zurückziehen kann. Die Terrassen sind groß genug, um dort an einem Tisch das Frühstück oder Abendessen einzunehmen. Und alle Zimmer verfügen über einen direkten Blick aufs Meer. Darauf haben wir bei der Planausarbeitung besonderen Wert gelegt.“

Wieder nickte Damon, blieb aber stumm.

„Das hier zeigt den Eingangsbereich des Hotels, die Fassade von außen. Wie du siehst, haben wir kein Ungetüm aus Beton und Glas entworfen. Meiner Meinung nach fügt sich das Gebäude ideal in der Landschaft ein.“

Ob Damon ihr da zustimmte oder nicht, war nicht klar, denn er äußerte sich auch diesmal mit keinem einzigen Wort, sondern schaute sich ruhig den Film zu Ende an.

Der Streifen dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Als er fertig war, schaltete Cassandra den Videorecorder wieder aus. „Du konntest dich also selbst davon überzeugen, dass unsere Pläne eigentlich perfekt sind.“

„Einige Details sind sehr beeindruckend, und im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass etwas neunzig Prozent des Konzepts in Ordnung sind. Aber die restlichen zehn Prozent beunruhigen mich ein wenig. Es tut mir aufrichtig leid.“

„Die restlichen zehn Prozent? Ich weiß nicht, was du damit meinst.“

Er machte sicherlich nur einen Scherz. Cassandra sah ihn forschend an, aber es schien ihm wirklich ernst zu sein.

„Das Grundkonzept gefällt mir, aber ein Teil der Ausführung ist meiner Meinung nach fehlerhaft.“ Er blickte sie aus seinen dunklen Augen intensiv an. „Nehmen wir als Beispiel den östlichen Flügel. Er müsste ein wenig nach hinten versetzt werden. So wie er jetzt ist, wirkt er viel zu dominant. Er passt sich überhaupt nicht der Umgebung an.“

„Das ist doch Unfug! Du hast dir das einfach ausgedacht, um mich zu ärgern. Mein Vater würde niemals so schlimme Fehler gemacht haben.“

Vor allem nicht in diesem Projekt, das er gehätschelt hatte wie ein kleines Kind. Das Hotel sollte einmal das Prunkstück der Redland Hotels Group werden!

„Das hätte ich eigentlich auch gedacht.“ Ein Ton des Bedauerns schwang in Damons Stimme mit. „Dein Vater war ein Profi durch und durch. Ich habe ihn stets als klugen Kopf geschätzt. Aber ich kann leider diesen groben Schnitzer nicht durchgehen lassen. Der Bau würde, so wie er ist, die Landschaft verschandeln.“

Cassandra fühlte Zorn in sich aufsteigen. All dieses Gerede um angeblich fehlerhafte Hotelpläne war nur Hirngespinst und Teil seines heimtückischen Planes, um sie auszubooten.

„Es ist wirklich nett, dass du eine so hohe Meinung von meinem Vater zu haben scheinst. Aber ich nehme dir das nicht ab“, fauchte sie ihn an. „Wie kannst du das nur behaupten, wenn du ihn mit faulen Tricks dazu bekommen hast, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen.“

„Wer sagt, ich hätte mit Tricks gearbeitet?“

„Wir wissen das beide. Wie ich bereits vorher gesagt habe, hätte er einen solchen Vertrag sonst niemals unterzeichnet. Wie konntest du nur so etwas tun? Mein Vater mochte dich wirklich. Besitzt du überhaupt keinen Funken Anstand?“

Kaum dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, wünschte Cassandra, sie hätte sich besser unter Kontrolle gehalten. Es war eine zu persönliche Bemerkung gewesen. Sie war damit auf gefährliches Terrain vorgeprescht, denn schließlich wollte sie die Erinnerungen an ihre Zeit mit Damon nicht in diesem Zusammenhang thematisieren.

Er sah sie durchdringend an. „Ich erinnere mich noch gut an bessere Zeiten.“ Einen Augenblick lang nahm sein Gesicht einen schmerzlichen Ausdruck an, und ihr Herz begann, heftig zu klopfen. Sie hatte den Eindruck, als versuche er, einen intensiven Augenkontakt zu ihr herzustellen. Doch schon war es wieder vorbei.

„Freundschaft ist Freundschaft, und Geschäft ist Geschäft“, verkündete er mit beherrschter Stimme. „Und wie bei dir steht auch bei mir das Geschäft an erster Stelle.“

Als sie nicht antwortete, sondern ihn einfach nur weiter anschaute, fügte er beinah wild hinzu: „Das ist doch das Credo für dein Leben, nicht wahr? Die Karriere geht dir über alles. Daher solltest du doch bereit sein, zu akzeptieren, wenn andere genauso denken und handeln. Es wäre doch wirklich lächerlich, wenn ausgerechnet du hier Kritik äußern würdest.“

Cassandra schaute ihm direkt ins Gesicht. Offensichtlich hatte er ihr nie vergeben, wie sie ihn vor all diesen Jahren vor die Tür gesetzt hatte. Aber es würde ihm nicht gelingen, ihr deswegen Schuldgefühle einzuflößen. Er war nicht der betrogene Unschuldsengel, für den er sich ausgab. Hatte er vielleicht die Details vergessen? Dass er mit ihrer Mutter herumgeturtelt hatte?

Nun, Cassandra würde ihm jedenfalls nie verraten, was sie mit eigenen Augen gesehen hatte. Wenn sie ihm das sagte, würde er wahrscheinlich erraten, warum sie ihn verlassen hatte. Nämlich, weil sie ihn liebte und seinen Betrug nicht ertragen konnte. Mochte er doch weiterhin glauben, dass sie ihn aus ihrem Leben vertrieben hatte, weil sie ihn nicht genug liebte und die Karriere ihr wichtiger war als er. Das war definitiv die Sicht, die sie selbst bevorzugte.

Nun, die Trennung hatte er ja rasch verwunden. Innerhalb eines Jahres hatte er sich neu verliebt und jemand anderen geheiratet. Sein Ego war verletzt worden, seine Gefühle für sie schien er schnell ad acta gelegt zu haben.

Aber jetzt war es Zeit, das Gespräch auf das Thema zu lenken, das ihr noch am Herzen lag.

Beinah beiläufig erkundigte sie sich nach seinen aktuellen Geschäftsbereichen, seiner Beteiligung an einem Fernsehsender. Und dann fragte sie weiter: „Ich habe gehört, du hast Interesse an der Übernahme von Key Club gezeigt. Darf ich fragen, warum?“

Key Club war ein Unternehmen, das sich auf Freizeitaktivitäten konzentrierte. Zu dem Konzern gehörte etwa ein Dutzend Hotels in ganz Europa. Und diese Information über Damons Übernahmepläne hatte ihr Simpson, der Firmenanwalt, zugespielt.

Sie lächelte und legte den Kopf etwas zurück. „Das wäre doch ein Vorpreschen auf ein ganz neues Gebiet, nicht wahr?“ Bisher hatte Damon noch nicht in den Hotelbereich investiert.

Damon lächelte ganz unschuldig zurück. „Es ist immer gut, seine Geschäftssphäre auszuweiten. Und Key Club ist eine Firma mit einem großen Potential.“ Er kniff die Augen zusammen, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. „Aber du hast sicher auch gehört, dass meine Übernahmepläne vorläufig zurückgestellt sind, wenn man es so sagen kann.“

Das hatte ihr Simpson auch verraten. Damon schien ein Angebot gemacht zu haben, mit dem die Gegenseite nicht zufrieden war. Aber Damon sei anscheinend nicht bereit gewesen, ein höheres Gebot abzugeben.

„Du hast diese Idee also aufgegeben?“

„Nun, sagen wir mal, ich habe sie auf Eis gelegt. Der Zeitpunkt stimmte einfach nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht kann ich den Handel ja irgendwann in der Zukunft abschließen, wer weiß.“

Er lächelte erneut. „Man wartet und beobachtet genau, was passiert. Man umkreist sozusagen das Opfer und hat auf alles ein Auge. Und dann, wenn alle Voraussetzungen stimmen, schlägt man zu.“

Wie ein Adler, der von hoch oben auf dem Berg auf seine Beute lauert und dann angreift. Diese Analogie trifft auf Damon zu, dachte Cassandra. Er ist unverfroren und ohne Gewissensbisse.

Sie lehnte sich etwas vor in ihrem Sitz und sprach ihn betont unbefangen an: „Und in der Zwischenzeit kümmerst du dich um andere Dinge?“

„Welche zum Beispiel?“

„Ach komm schon! Ich denke, du weißt, was ich damit meine.“ Cassandra ließ sich nicht durch sein vorgetäuschtes Nichtwissen aus der Ruhe bringen.

Aber er beharrte darauf, sie nicht verstanden zu haben. „Es tut mir leid, ich kann dir da nicht folgen. Ich glaube, du musst mir schon frei heraus sagen, was du damit sagen willst.“

Cassandra rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her. „Das weißt du ganz genau.“ Sie fauchte ihn an. „Dieses plötzliche Interesse am Hotelgewerbe … Du brauchst nicht zu denken, dass ich dumm bin. Erst der Key Club und jetzt uns. Dein erster Versuch misslang, also hast du beschlossen, erst einmal die Situation bei der Redland Hotels Group auszuloten. Und es war sehr leicht für dich, einen Fuß in die Tür zu bekommen, da du uns diese Vorbedingung für das St. Silva-Projekt untergejubelt hast. Außerdem kanntest du meinen Vater gut. Und das ist es doch, was du versuchst, nicht wahr? Du versuchst, uns auszukaufen?“

„Auszukaufen?“

„Leugne es bloß nicht ab! Vielleicht denkst du ja, dass die Firma nach dem Tod meines Vaters geschwächt ist. Und eine leichte Beute für dich darstellt. Aber da täuscht du dich. Die Finanzen sind bestens, und das zeigt, die Firma ist stark wie immer. Und ich persönlich werde dafür sorgen, dass du niemals Hand an Redland-Besitz legst.“

Cassandra war ein wenig außer Atem, als sie ihre kleine Rede beendet hatte. Sie hatte allerdings mehr preisgegeben, als sie eigentlich wollte und mit etwas zu viel Gefühl ihren Angriff auf Damon vorgetragen. Aber alles, was sie erwähnt hatte, kam aus tiefstem Herzen. Und für den Fall, dass er ihre Worte noch immer nicht ernst genommen hatte, setzte sie noch eines drauf: „Ich gebe dir mein Wort drauf … Du wirst Redland niemals besitzen!“

„Lehnst du dich da nicht ein wenig zu sehr aus dem Fenster? Ich hab nicht einmal gesagt, dass ich überhaupt interessiert bin.“

„Aber du bist interessiert, stimmt’s? Deswegen inszenierst du das ja auch alles. Hast meinen Vater dazu gebracht, diesen albernen Vertrag zu unterschreiben. Zeigst plötzlich Interesse am Hotelgewerbe, willst alles darüber erfahren.“ Sie warf verärgert den Kopf in den Nacken. „Als nächstes willst du noch unsere Bilanzen sehen!“

„Und würdest du sie mir zeigen?“

„Ganz sicher nicht!“

Damon lächelte. „In diesem Fall muss ich sie mir eben auf andere Art und Weise besorgen.“

Er hatte das zwar eher scherzend vorgebracht, aber Cassandra wusste, dass er es ernst meinte.

Sie öffnete den Mund, um zu protestieren. „Das traust du dich nicht …“ Doch schon verstummte sie wieder. Nein, Damon war ein Mann, der jedes Risiko einging, um das zu bekommen, was er wollte.

„Wir kommen vom Thema ab.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne und strich ihr mit der Hand eine Haarlocke, die sich während der heftigen Auseinandersetzung aus der perfekt sitzenden Frisur gelöst hatte, wieder aus dem Gesicht. Er schob sie ihr hinters Ohr. „Das dürfen wir doch nicht zulassen, dass eine so vorwitzige Locke dein Image zerstört.“ Er lächelte sie an. „Du könntest beinah menschlich wirken.“

Empört sprang Cassandra aus ihrem Sitz hoch und schrie ihn an:

„Was zum Teufel tust du da? Wie kannst du es dir erlauben, mich anzufassen? Tu das nie wieder, hörst du!“

Das war eindeutig überreagiert. Cassandra wusste das selbst. Aber sie hatte sich in diesem Augenblick einfach nicht unter Kontrolle. Bereits das Zusammensein mit ihm hatte sie genug Nerven gekostet. Und jetzt hatte seine flüchtige Berührung sie völlig durcheinandergebracht.

Damon schaute sie überrascht an. „Na, na“, meinte er nur, „das lässt ja tief schließen.“

Cassandra hätte die Sache auf sich beruhen lassen sollen. Oder einfach das Thema wechseln. Aber dann nahm das Gespräch eine unerwartete Wendung.

„Was willst du damit sagen?“

Damon schüttelte den Kopf, so als wolle er es ihr nicht verraten. Doch dann schien er sich eines Besseren zu besinnen.

„Du hast gefragt, also sollst du meine Meinung ruhig wissen. Ich habe den Eindruck, dass es ziemlich lange her ist, dass ein Mann dich berührt hat.“

„Ein Mann?“

„Ja, ein Mann. Weißt du, was für eine Spezies Mensch ich damit meine? Sie tragen Hosen, haben Bärte …“ Er erhob sich bei seinen Worten und stand plötzlich dicht vor ihr. „Menschen des sogenannten starken Geschlechts, obwohl das ‚stark‘ nicht unbedingt immer zutrifft.“

Cassandra fühlte sich gedemütigt und in Panik versetzt. Und sie war wütend. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Ihre ganze Gefühlswelt war in Aufruhr, sie spürte voller Entsetzen, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.

Aber sie nahm sich zusammen. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und ballte die Hand zur Faust.

„Den Film habe ich dir gezeigt. Ich glaube, das wäre vorläufig alles. Ich wüsste nicht, was es noch zu besprechen gäbe.“

„Stimmt das wirklich, Cassandra?“ Er ignorierte einfach den Themenwechsel. „Bist du wirklich so ein kalter Fisch geworden, wie alle meinen?“

Cassandra hatte das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen. Damon sah sie mit durchdringendem Blick an.

„So eine Verschwendung!“ Er betrachtete sie mit einem Ausdruck der Bewunderung und des Bedauerns zugleich. „Wie kann jemand so wunderschön sein und so eiskalt?“

„Nun, ich bin so, wie ich bin.“

„Früher warst du nicht so.“

„Vielleicht doch, und du hast es nur nie bemerkt. Doch es hilft alles nichts, ich bin so, wie ich bin. Das ist eben alles.“

Cassandra schaute ihm direkt in die Augen und versuchte, die verwirrenden Gefühle, die Besitz von ihr ergriffen hatten, nicht preiszugeben. Sie hoffte nur, dass er sie nicht noch einmal berühren würde, denn dann konnte alles außer Kontrolle geraten.

Aber er streckte die Hand nicht nach ihr aus, obwohl er so dicht vor ihr stand. Er runzelte nur die Stirn. „Warst du nie versucht, zu heiraten?“, wollte er wissen.

„Nein, nie. Ich bin einfach nicht für die Ehe geschaffen.“ Sie atmete ganz flach. Und auch er war nicht gerade der Typ des braven Ehemanns, das konnte man wohl sagen. Aber diese Meinung behielt sie wohlweislich für sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihn auf Ähnlichkeiten ihrer beiden Charaktere hinzuweisen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich bin mit meiner Arbeit verheiratet. Das reicht mir.“

Einen Augenblick lang herrschte tiefes Schweigen. Damon ließ seinen Blick noch immer auf ihr ruhen. Dann wandte er sich plötzlich ab.

„Dann habe ich ja vor sechs Jahren Glück gehabt, dass du mich verlassen hast. Mit einem Eisblock verheiratet zu sein wäre wohl nicht sehr amüsant geworden.“

Er ergriff seine Aktenmappe und marschierte ohne ein weiteres Wort des Abschieds zur Tür. Cassandra holte tief Luft. Sie war erleichtert, dass er endlich fort war, aber gleichzeitig fühlte sie auch ein wenig Enttäuschung. Bin ich wirklich ein Eisblock, überlegte sie.

Sie zog sich in ihr Badezimmer zurück und erfrischte ihr Gesicht mit kühlem Wasser. Mit einem Kamm brachte sie ihre Frisur wieder in Ordnung. Nachdenklich betrachtete sie sich im Spiegel. Sie sah ein wenig erhitzt aus, außerdem hatte sich diese vorwitzige Haarlocke erneut gelöst. Aber ansonsten sah sie aus wie immer.

Und sie war das genaue Abbild ihrer Mutter. Seit sie jung war, hatte das ein Problem für sie dargestellt. Und sie hatte Angst, dass sie nicht nur das tolle Aussehen, sondern auch den Charakter ihrer Mutter geerbt hatte. Denn diese war ein ganz egoistischer Mensch, der durchs Leben ging, ohne zu überlegen, wen er durch seine Handlungen verletzte.

„Ich gehöre dir nicht! Ich gehöre dir nicht!“ Das waren immer Celias Worte gewesen. Sie hatte damit jede Verantwortung für ihr Fremdgehen abgelehnt, wenn ihr Ehemann ihr Vorwürfe machte.

Sie ging einfach ihren Weg, über Leichen, wenn es sein musste. Und sie hatte sich schließlich auch nichts dabei gedacht, eines Tages mit einem Lover auf und davon zu gehen und alles Geld von den Konten ihres Mannes abzuräumen. Danach hatte sie kaum mehr etwas von sich hören lassen.

Cassandra kniff den Mund zu einem schmalen Strich zusammen. War sie auch so wie ihre Mutter? Sie hatte immer befürchtet, deren schlechte Eigenschaften geerbt zu haben, genauso wie sie deren Aussehen hatte. Und diese Angst war es, die sie eigentlich davon abhielt, tiefere Beziehungen einzugehen.

Sie seufzte auf und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Die Entscheidung, in ihrem Leben auf eine eigene Familie zu verzichten, war ihr schwer gefallen. Und entgegen Damons Meinung war sie beileibe kein Eisblock. Sie hatte die gleichen Sehnsüchte wie alle anderen auch, aber sie musste sie unter Kontrolle halten, um nicht wie ihre Mutter zu werden.

Aber vielleicht hatte sie sich durch ihren eisernen Willen, keine Gefühle mehr zuzulassen, tatsächlich in einen Eisklotz verwandelt?

Doch dann erinnerte sich Cassandra daran, was sie empfunden hatte, als Damon sie berührt hatte. Sie war wie betäubt gewesen und hätte sich ihm am liebsten an den Hals geworfen. Ein schmerzliches Verlangen nach Zärtlichkeit verspürte sie seitdem…

Aber das waren unsinnige Gedanken! Sie schob sie resolut beiseite und eilte zurück in ihr Büro.

Am folgenden Morgen erhielt Sheila einen Anruf von Damons Sekretärin, die ihr seine Pläne für seinen Aufenthalt in St. Silva mitteilte. Er würde in der folgenden Woche hinfliegen und schlug vor, dass Cassandra gemeinsam mit ihm die Insel besuchte, um vor Ort über die gewünschten Planänderungen für den Hotelbau mit ihr zu verhandeln. Er bot ihr an, in seinem Privatflugzeug am Freitag mitzukommen.

Cassandra dachte über diesen Vorschlag bis zum Mittagessen nach. Sie besprach die Angelegenheit erneut mit dem Firmenanwalt in der Hoffnung, dass er vielleicht doch noch einen Ausweg hatte ausfindig machen können.

Aber der Anwalt konnte ihr keine Entwarnung geben. Sie steckte tatsächlich in der Patsche und hatte keine andere Wahl, als sich Damons Vorschläge anzuhören. Das konnte sie dann auch vor Ort tun, das würde die Bauarbeiten beschleunigen. Weil das St. Silva-Projekt das Lieblingsprojekt ihres Vaters gewesen war, hatte sie es zur Priorität Nummer 1 erklärt. Und sie konnte es jetzt einfach nicht aufgeben, nur weil sie mit Damon Probleme hatte. Zuviel hing davon ab, dass die Arbeiten bald begannen. Sie hatte schon einiges Geld in die Promotion gesteckt.

Daher teilte sie Sheila resigniert mit, dass sie nach St. Silva fahren würde. „Lass Damon Grey ausrichten, ich komme, aber nur für zwei Tage! Ich denke, in 48 Stunden können wir alles Nötige besprechen. Aber teile ihm auch mit, dass ich meine eigenen Reisepläne habe! Ich möchte nur die Telefonnummer haben, wo ich ihn erreichen kann, wenn ich angekommen bin.“

Er musste verrückt sein, wenn er glaubte, sie würde mit ihm reisen. Acht Stunden auf engstem Raum in einem Flugzeug mit ihm zu verbringen, war mehr, als sie ertragen könnte. Es war wirklich das allerletzte auf der Welt, das ihr in den Sinn kommen würde.

Sie würde auch auf St. Silva so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Sie bat Sheila, die Eigentümer der Villa anzurufen, in der ihr Vater bei seinen Aufenthalten auf der Insel immer gewohnt hatte. Das Haus war glücklicherweise frei, sie würde sich also stets zurückziehen können. Das war eine große Erleichterung. Die Villa lag auf der etwas ruhigeren Inselseite und hatte sogar einen eigenen Strand.

Als es schließlich Samstag war – Cassandra hatte beschlossen, einen Tag nach Damon loszufahren – empfand sie sogar so etwas wie Vorfreude auf ihre Reise in die Karibik. Die Arbeit mit Damon würde natürlich an ihren Nerven zehren, aber sie würde endlich die Insel sehen, die ihr Vater so geliebt hatte. Sie packte lächelnd ihren Badeanzug ein. Ein Aufenthalt am Meer und etwas Sonne würden ihr guttun.

Cassandra schlief fast während des ganzen Fluges und erwachte gerade rechtzeitig, um die spektakuläre Aussicht auf die Inselwelt der Karibik zu erleben. Das Panorama war atemberaubend, als sie schließlich zum Landeanflug auf St. Silva ansetzten.

Wie konnte das Meer nur so blau sein? Es war wie ein Wunder. Und die Insel selbst glich einem grünen Edelstein, gefasst von einem Band silbrigen Sandes.

Plötzlich fühlte sie, wie sie auflebte. Sie war doch froh, dass sie hierhergekommen war.

Ein Wagen mit Chauffeur erwartete sie am Flughafen und würde sie zur Villa bringen.

„Ich bin Clarence“, stellte sich der Fahrer vor, während er ihre Koffer im riesigen Kofferraum des Buicks verstaute. „Ich stehe Ihnen für die gesamte Zeit Ihres Aufenthalts auf der Insel zur Verfügung.“

Dieser Clarence schien ganz nett zu sein. Cassandra warf ihm ein freundliches Lächeln zu und kletterte auf den Rücksitz. „Wie lange dauert die Fahrt zur Villa?“, erkundigte sie sich neugierig.

„Ungefähr vierzig Minuten. Es ist nicht weit“, informierte er sie. „Lottie, die Köchin, hat das Abendessen für neun Uhr vorgesehen. Sie haben noch genügend Zeit, sich frisch zu machen.“ Vergnügt schaltete er den Radio ein.

Cassandra lehnte sich zufrieden in dem Sitz zurück und lauschte den fröhlichen Reggaerhythmen. Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr und überlegte, wie sie die Zeit bis zum Dinner verbringen konnte.

Es war jetzt kurz nach sieben. Bis sie an der Villa ankamen, würde es circa acht Uhr sein. Sie wollte die Gelegenheit ausnutzen, um vor dem Essen im Meer schwimmen zu gehen. Danach würde sie sich gleich auf ihr Zimmer zurückziehen, um richtig auszuschlafen. Erst am nächsten Morgen würde sie sich bei Damon melden.

Die Villa war wunderschön und viel größer, als sie erwartet hatte. Sie lag direkt am Meer, umgeben von einem farbenprächtigen Blumenteppich und hohen Palmen. Cassandra stieg mit einem glücklichen Lächeln aus dem Auto. Es war einfach herrlich hier. Vielleicht würde sie doch ihren Aufenthalt um ein paar Tage verlängern!

Aber als sie die Stufen zur Haustür hochging, erstarb ihr das Lächeln auf den Lippen. Sie blieb wie angewurzelt stehen. „Was machst du denn hier?“

„Ich bin dein Mitbewohner.“ Damon lachte sie freundlich an, während er ihr entgegenkam. „Freust du dich nicht? Wir werden gemeinsam in diesem Haus wohnen.“

4. KAPITEL

Cassandra bewegte sich nicht vom Fleck. Sie hatte das Gefühl, zu einer Salzsäule zu erstarren.

„Soll das ein Witz sein?“, fragte sie mit stahlharter Stimme. „Hier wohne ich“, korrigierte sie Damon, der sie von der obersten Treppenstufe spöttisch musterte und äußerst selbstzufrieden wirkte. Es schien ihm sichtlich Freude zu machen, ihr einen Schrecken einzujagen. „Du wohnst ganz sicher nicht hier.“

„Du täuscht dich, Cassandra. Ich bin Gast in diesem Haus.“

Er war ganz leger gekleidet, trug eine cremefarbene Hose und eine verblichene pinkfarbene Weste, die seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust betonte. Er war bereits ziemlich braungebrannt, obwohl die Bräune auch von einem vorhergehenden Urlaub stammen konnte. Er sah total entspannt aus, so als gehöre er einfach hierher. Ganz anders als Cassandra, die in ihrem schicken Rock und passender Seidenbluse eher etwas fehl am Platz wirkte. Ihre blasse Haut, an die seit Monaten keine Sonne mehr gekommen war, ließ sie noch kühler aussehen.

Damon dagegen hatte schon immer die Fähigkeit besessen, sich jeder Umgebung anzupassen. So fühlte er sich genauso zu Hause in den Konferenzräumen der Hochfinanz wie in einem Pub auf dem Land, wo er begeistert mit den Einheimischen über Kricket plauderte. Gleichgültig, wo er war, kam er mit seinen Mitmenschen blendend zurecht.

Obwohl er nie aufhörte, Damon zu sein. Seine ungeheure Ausstrahlung, seine natürliche Autorität ließen ihn immer aus der Masse der anderen Menschen hervortreten. Das war eine Eigenschaft, die Cassandra früher an ihm bewundert hatte und auch mit ein Grund dafür war, dass sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte.

Aber jetzt in diesem Augenblick empfand sie weder Bewunderung noch Zuneigung.

Sie fixierte ihn mit wachen Augen. „Dann werde ich eben wieder gehen“, informierte sie ihn. Und drehte sich augenblicklich auf dem Absatz um, um Clarence zu bitten, ihre Koffer wieder zurück zum Auto zu tragen. Sie würde sich dann ein Hotelzimmer nehmen. Hier jedenfalls würde sie keine Minute länger bleiben.

Doch bevor sie noch den Mund aufmachen konnte, hatte Damon bereits seine Anweisungen gegeben. „Vielen Dank, Clarence, Sie können jetzt gehen. Kommen Sie einfach morgen nach dem Frühstück und holen Sie uns mit dem Wagen ab, wie wir das zuvor besprochen haben! Heute Abend haben Sie frei.“

„Vielen Dank, Mr. Grey!“

„Hallo, warten Sie bitte!“

Aber Cassandras Protest kam zu spät. Clarence hatte bereits ihre Koffer abgestellt und verschwand auf dem Weg in Richtung Auto.

Cassandra zögerte einen Augenblick lang. Sollte sie ihm nachlaufen? Sie wollte allerdings keine öffentliche Szene machen, das wäre ja zu lächerlich. Also ließ sie Clarence gehen und wandte sich wütend an Damon.

„Ich weiß zwar nicht, was du bezwecken willst, indem du hier eingezogen bist, aber eines lass dir gesagt sein, ich bleibe nicht hier!“ Sie runzelte die Stirn und schaute sich ungeduldig um. „Zeig mir bitte, wo ich hier ein Telefon finde, damit ich mir ein Taxi rufen kann!“

„Nicht nötig. Ich werde dich auf dein Zimmer führen. Das Haus ist groß genug für uns beide.“ Er kam auf sie zu und nahm ihre Koffer in die Hand. Ohne ein weiteres Wort ging er nach drinnen und begann, die Treppe hochzusteigen.

„Ich glaube, du hast mich wohl nicht verstanden. Ich sagte, ich bleibe nicht hier.“ Sie blickte ihn warnend an. „Also, bitte, wo ist ein Telefon?“

Er drehte sich zu ihr um und kam die Treppe wieder herunter. „Ich habe dich sehr wohl verstanden, aber ich verstehe die ganze Aufregung nicht ganz.“ Er stellte sich drohend vor ihr. Cassandra roch sein After Shave und spürte die Wärme seines Körpers. Sie musste versuchen, einen klaren Kopf zu bewahren, obwohl das in seiner Nähe sehr schwierig war. Er sah auch einfach zu gut aus…

Sie nahm sich zusammen und fauchte ihn an. „Was soll das überhaupt? Warum willst du unbedingt in einem Haus mit mir wohnen?“

„Das ist deine persönliche Schlussfolgerung. Aber es gibt auch noch eine andere. Ich verstehe gar nicht, warum du so aufgebracht bist.“

Cassandra trat unwillkürlich ein paar Schritte zurück. „Nun, ich mache einen einfachen Vorschlag. Ich möchte meine Ruhe und werde daher in ein Hotel ziehen. Dann hast du ja auch die Villa ganz für dich allein.“ Sie bemühte sich, ihn gelassen anzusehen. „Ich mache gar kein Theater, höchstens du.“

Damon hielt ihrem Blick stand. „Warum willst du nicht hierbleiben?“ Er machte mit der Hand eine weitausholende Geste. „Wie du siehst, gibt es hier genügend Platz für zwei. Man kann sich sogar aus dem Weg gehen, wenn man will.“ Er wies auf die vielen Zimmertüren im Obergeschoß. „Keiner hat gesagt, dass du die Nacht mit mir in meinem Bett verbringen sollst. Vielleicht war es ja das, worüber du dir Sorgen gemacht hast.“ Er lächelte sie spöttisch an.

Cassandra lachte trocken auf. „Ich glaube, das wäre ein Arrangement, das keinem von uns beiden gefallen würde.“ Obwohl diese Worte sie an die vielen gemeinsam verbrachten Nächte erinnerten. Früher hatte es nichts Schöneres für sie gegeben, als mit Damon in einem Bett einzuschlafen. Ein heftiges Verlangen nach Liebe durchströmte sie, das sie aber sofort wieder unterdrückte.

„Nun, ich betone noch einmal, ich wollte ein paar Tage ganz allein verbringen. Deswegen habe ich die Villa gemietet. Ich möchte sie mit niemandem teilen, schon gar nicht mit dir.“ Da fiel ihr plötzlich etwas ein. „Wenn dir doch die ganze Insel gehört, warum hast du dann kein eigenes Haus? Welche Geschichte hast du dir ausgedacht, um dich hier in der Villa einzuquartieren? Irgendetwas ist doch an der ganzen Sache faul.“ Ihre Neugierde war geweckt.

„Du bist ganz schön paranoid, meine Liebe!“ Damon lächelte über ihre Unterstellung. „Glaubst du wirklich, ich würde mir so viel Mühe geben, nur um dich in Rage zu versetzen?“

„Nun, mich würde es nicht überraschen. Also, was ist?“

„Es gibt einen ganz einfachen Grund, warum ich diese Woche hier im Hause wohne.“

Damon sah sie amüsiert an, die Hände locker in den Hosentaschen vergraben. Cassandra konnte nicht anders, als seinen muskulösen Körper heimlich zu bewundern…

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten.
Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen.
Doch erst als...
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Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

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Stephanie Howard
Stephanie Howard studierte Sozialwissenschaft an der Harding University im Bundesstaat Arkansas. Außerdem ist sie ein Tausendsassa: Sie ist nicht nur Autorin, sondern auch Fitnesstrainerin, Raumausstatterin und viel beschäftigte Mutter von zwei Kindern. Engagiert setzt sie sich für Frauen ein.
Stephanie Howard schreibt in ihren Romanen gern über emanzipierte Frauen, die Familie,...
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