Romana Gold Band 30

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EROBERUNG IN DER KARIBIK von DARCY, EMMA
Sie ist hinreißend! In einem Luxushotel in der Karibik fällt dem Unternehmer Adam Cazell die bildschöne Rosalie zum ersten Mal auf. Die Spannung zwischen ihnen ist spürbar. Dennoch zeigt ihm das Topmodel die kalte Schulter. Warum? Hat sie etwas vor ihm zu verbergen?

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GLÜCK UND LIEBE - DAS BIST DU von DONALD, ROBYN
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  • Erscheinungstag 11.12.2015
  • Bandnummer 0030
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743642
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Darcy, Anne McAllister, Robyn Donald

ROMANA GOLD BAND 30

1. KAPITEL

Die große Schar einheimischer Kinder, die ins Hotelfoyer strömte, fiel Adam Cazell zuallererst auf – ein ungewohntes Bild, erst recht zur Cocktailstunde. Schließlich galt das „Raffles Hotel Le Royal“ als Mekka der reichen Touristen in Phnom Penh. Adam hielt auf dem Weg zur berühmten „Elephant Bar“ inne, wo er mit dem Rest seiner Gruppe verabredet war, und beobachtete amüsiert die fröhlich schwatzenden Kinder in ihren schwarzen Hosen und weißen Jacken.

Dann bemerkte er die Frau, die die Kleinen vor sich her scheuchte. Adam blieb wie angewurzelt stehen. Ihre Schönheit raubte ihm schier den Atem, beschleunigte seinen Puls und löschte jeden anderen Gedanken aus.

Heller, makelloser Teint, schimmernd wie Perlmutt.

Glattes, seidig glänzendes schwarzes Haar, das ihr bis über die Taille fiel.

Exotische samtschwarze Augen, mandelförmig und von langen, dichten Wimpern umrahmt.

Fein geschwungene Brauen, die das herzförmige Gesicht betonten.

Eine gerade, schmale Nase über dem sinnlichsten Mund, den Adam je gesehen hatte, volle, rosige Lippen, die keinerlei kosmetischer Hilfsmittel bedurften. So weit er es erkennen konnte, trug sie kein Make-up.

Ein wahres Kunstwerk der Natur.

Im Gegensatz zu den Kindern kam sie eindeutig nicht aus Kambodscha.

Sie war groß, schlank und besaß eine angeborene Anmut. Adam hatte nicht die leiseste Ahnung, aus welchem Land sie stammte und welche Gene in ihr vereint waren. Er wusste nur, dass er noch nie jemandem wie ihr begegnet war. Unter all den hinreißenden Frauen, die seine Bekanntschaft suchten, konnte sich keine mit ihr messen, und da er einer der wenigen Multimillionäre im besten Alter war, hatte er ganze Heerscharen von Schönheiten getroffen.

Er konzentrierte sich darauf, sie mit purer Willenskraft dazu zu bringen, in seine Richtung zu schauen.

Vergeblich.

Sie sprach mit den Kindern, die ihr so andächtig lauschten, als wäre sie eine Göttin, der es zu huldigen galt.

„Gütiger Himmel!“ Der erstaunte Ausruf kam von seiner derzeitigen Begleiterin Tahlia Leaman. Sie hakte sich bei ihm unter. „Das ist ja Rosalie James!“

Als er Tahlia vor zehn Minuten verlassen hatte, war sie damit beschäftigt gewesen, sich im Bad das lange blonde Haar zu föhnen – eine langwierige Angelegenheit, die seine Geduld stets aufs Äußerste strapazierte.

Sie hob den freien Arm und winkte. „Hallo, Rosalie!“

Der Gruß bewirkte ein leichtes Stirnrunzeln, einen kurzen Blick – die dunklen Augen sahen an Adam vorbei –, ein flüchtiges Nicken in Tahlias Richtung, und das war’s. Nicht mehr als eine lästige Unterbrechung ihrer Unterhaltung mit den Kindern.

„Ist wohl wegen ihrer Kinderstiftung hier“, meinte Tahlia. „Komm, Liebling, die anderen warten wahrscheinlich schon an der Bar auf uns.“

Es irritierte ihn sehr, dass die Frau von ihm nicht einmal Notiz genommen hatte. Dabei hob er sich allein durch seine Größe von knapp eins neunzig von der Masse ab, ganz zu schweigen von seiner breitschultrigen, athletischen Gestalt und dem markanten Gesicht, das die meisten Frauen attraktiv fanden. Für seine achtunddreißig Jahre hatte er sich gut gehalten. Sein dunkelbraunes, an den Schläfen leicht angegrautes Haar verlieh ihm etwas Respektables. Nein, er war es nicht gewöhnt, von irgendjemandem ignoriert zu werden!

„Wer ist Rosalie James?“, erkundigte er sich.

Sie zog ungläubig die Brauen hoch. „Das weißt du nicht?“

„Wenn ich es wüsste, würde ich wohl kaum fragen.“ Er wollte Informationen und kein Geschwätz.

Tahlia seufzte. „Nur die Königin des Laufstegs für alle wichtigen Designer in Europa und Amerika, das perfekte Model, um das sich alle reißen. Der Rest von uns steht nicht einmal zur Diskussion, wenn Rosalie James verfügbar ist.“

„Schwingt da so etwas wie Neid mit?“

„Es ist die schlichte Wahrheit. Man kann einfach nicht neidisch auf sie sein, obwohl ihr die Spitzenjobs hinterhergetragen werden. Wenn sie nicht posiert, rackert sie sich für Waisenkinder ab. Ich wette, dass sie einen Großteil ihrer Gagen in die Stiftung steckt. Sie zeigt sich kaum in der Gesellschaft und verabscheut Partys.“ Tahlia warf ihm einen koketten Seitenblick zu. „Sie ist nicht dein Typ, Adam.“

„Nein.“

Gemeinsam gingen sie in die Bar.

Die Erinnerung an Rosalie James ließ sich jedoch nicht verdrängen, ihr Bild hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt – eine Seltenheit, die ihn sowohl ärgerte als auch neugierig machte. Warum sollte eine schöne Frau ihre gesamte Freizeit nur der Wohltätigkeit widmen und zudem ihren Verdienst dafür opfern? Was trieb sie dazu?

Adam war ein Macher. Es beflügelte ihn, erfolgreiche Unternehmen aufzubauen, aber sobald sie Gewinn erwirtschafteten, begannen sie, ihn zu langweilen. Seine jüngste Herausforderung war die Gründung einer neuen Fluglinie, und da er mit der Idee spielte, Billigflüge nach Südostasien zu organisieren, hatte er die Recherchen vor Ort mit dieser Vergnügungsreise verbunden.

Seiner Meinung nach hatte Kambodscha Touristen eine Menge zu bieten. Hier in Phnom Penh boten beispielsweise der Königspalast und die Silberpagode mit ihren berühmten Buddhas – einer war mit über neuntausend Diamanten verziert, ein anderer aus Kristall – so viele unglaubliche Kostbarkeiten, dass einem der Kopf schwirrte. Und ein Abstecher nach Angkor Wat, jenem berühmten Tempelkomplex aus dem zwölften Jahrhundert, lohnte sich in jedem Fall.

Adam hatte ein paar seiner Führungskräfte und deren Ehefrauen mitgebracht, und als er mit Tahlia die „Elephant Bar“ betrat, war seine Begleitung dort bereits versammelt und schwärmte von den Sehenswürdigkeiten von Angkor Wat. Er schickte Tahlia zu ihnen und ging an die Bar, um Drinks zu bestellen.

„Eine Gruppe von Kindern ist gerade ins Hotel gekommen“, sagte er zum Barmann. „Wissen Sie, warum?“

„Sie singen für eine Reisegruppe, die heute Abend am Swimmingpool das Dinner einnimmt. Es findet dort eine Tombola statt, der Erlös geht an ihr Waisenhaus. Miss James hat das kleine Konzert als Dankeschön organisiert.“

„Kennen Sie diese Miss James?“

Der Mann nickte lächelnd. „Die Kinder nennen sie den Engel. Sie singt auch wie einer. Sie tut hier viel Gutes für die Waisen.“

Adam stutzte. Der Engel. Sie war ihm nicht gerade wie ein überirdisches Wesen erschienen. Sein Eindruck von ihr war äußerst real gewesen. Körperlich. Sinnlich. Sexuell. Daher war es noch frustrierender, dass sie seine Anwesenheit nicht registriert hatte. Keinerlei Anzeichen, dass sie ihn erkannt hätte. Selbst bei der Erwiderung von Tahlias Gruß hatte sie offenbar keinen Gedanken an den Begleiter ihrer Kollegin verschwendet.

Welche Frau nahm von solchen Dingen keine Notiz?

Die meisten Frauen seines Bekanntenkreises waren wie Schmetterlinge, die instinktiv den süßen Nektar des Geldes suchten. Wie Tahlia, zum Beispiel. Das gefragte Model genoss die Reise und seine Gesellschaft – solange sie eben dauerte. Adam betrachtete seinen Reichtum nicht als Lockmittel, sondern als Selbstverständlichkeit. Er schätzte es, die schönsten Frauen der Welt um sich zu haben, genauso wie sie sich an dem Luxusleben erfreuten, das er ihnen bieten konnte.

Für ihn war dieses Arrangement so natürlich, dass es eigentlich auf eine Frau mehr oder weniger nicht hätte ankommen sollen. Außer … Ignoriert zu werden hatte ihn in seinem Stolz getroffen, insbesondere da ihn jemand ignoriert hatte, den er genauso tief hatte beeindrucken wollen, wie er von ihr beeindruckt war. Ein vorübergehendes Ärgernis, redete er sich ein. Rosalie James lebte auf einem anderen Planeten als er. Ihr nachzustellen wäre absurd. Unproduktiv. In ihrer Welt zählten gute Taten eindeutig mehr als … sündhafte Vergnügungen.

Er versuchte, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, und plauderte mit seinen Managern über die Chancen, eine Flugroute von „Saturn Airline“ nach Kambodscha einzurichten. Als sie sich jedoch von der Bar in den Speisesaal begaben, hörte er sie singen. Ihre Stimme – es konnte nur ihre sein – trug glockenhell und rein den Text eines melodischen Liedes vor. Einfach engelsgleich.

Keiner der Künstler, die er in den letzten Jahren für „Saturn Records“ verpflichtet hatte, konnte sich auch nur annähernd mit dieser Stimme messen. Ein Schauer durchrann ihn. Rosalie James besaß das Zeug, zu einem Star in der Musikwelt aufzusteigen. Mit ihrem Aussehen, ihrem Talent …

Dann fielen die Kinder in den Chor ein. Sie sangen allerdings mehr mit Begeisterung als mit Musikalität und übertönten mit ihren sich fast überschlagenden Stimmen Rosalies Sopran.

Vergiss sie, ermahnte Adam sich.

Er hatte die Plattenfirma verkauft, um die Fluggesellschaft zu finanzieren.

Es versprach absolut keinen Profit, die Bekanntschaft mit Rosalie James zu erzwingen – weder auf persönlicher noch auf geschäftlicher Ebene.

Sechs Monate später sah Adam Cazell sie wieder.

Und war wieder einmal bezaubert von ihrer Schönheit.

Er war in der New Yorker Met. Es war der Premierenabend von Puccinis „Turandot“. Adam war kein großer Opernfan, aber seine derzeitige Gespielin hatte ihm die Teilnahme an diesem gesellschaftlichen Ereignis abgeschmeichelt. Sacha Rivken liebte Events, bei denen die Prominenz zusammenströmte, um zu sehen und gesehen zu werden. Und da ihre Affäre noch jung war, hatte er ihr gern diesen Wunsch erfüllt.

Zusammen mit einer Gruppe von Freunden saßen sie in einer Loge der berühmten Metropolitan Opera und genossen die knisternde Atmosphäre. Sacha hatte für sich und Adam Plätze in der ersten Reihe gesichert, damit sie einen ungehinderten Blick auf die Besucher der beiden Hauptlogen hatte, die der Bühne gegenüberlagen.

Die weiter entfernte Loge füllte sich zuallererst. Sacha spekulierte gerade darüber, wer das angrenzende Abteil gemietet haben mochte, als die Gäste erschienen. Adam zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen.

Rosalie James … Sie führte ihren Begleiter in die vorderste Reihe.

Das glänzende schwarze Haar war zu einer eleganten Hochfrisur aufgesteckt und entblößte einen hellen Schwanenhals, den ein atemberaubendes Collier aus Rubinen und Diamanten schmückte. An diesem Abend trug sie keine geschlechtslose weiße Jacke und schwarze Hose, sondern eine Kreation aus dunkelrotem Samt, die jede ihrer weiblichen Kurven liebevoll betonte. Der herzförmige Ausschnitt gab den verführerischen Ansatz ihrer Brüste frei. Ihre Haltung war hoheitsvoll. Sie wirkte hoheitsvoll. Hätte sie eine Tiara getragen, hätten sich die Leute gefragt, welcher königlichen Familie sie entstammen mochte.

Als sie ihren Platz am Ende der Reihe einnahm, blickte sie lächelnd zu dem Mann auf, der im Begriff war, sich neben sie zu setzen – ein großer Mann, dessen Statur Adams in nichts nachstand, ungefähr Ende dreißig, mit silbernen Strähnen im kastanienbraunen Haar. Er erwiderte das Lächeln, als würden sie eine besonders herzliche, intime Erinnerung teilen.

Adam hatte noch nie Eifersucht empfunden, doch in diesem Moment durchzuckte ihn der Zorn wie eine schwarze Woge. Wenn er Rosalies Begleiter durch pure Willenskraft in Stücke hätte zerreißen können, wäre der Mann binnen Sekunden zerfetzt worden. Sie hatte für ihn Platz in ihrem Leben – für einen Mann, der Adam äußerlich so ähnlich war. Adam fühlte sich betrogen und benachteiligt, jeder Muskel in seinem Körper verkrampfte sich vor Wut über die Grausamkeit des Schicksals.

„Da ist Rosalie James“, flüsterte Sacha entzückt. „Sie hat das Prunkstück der diesjährigen Ballavanti-Kollektion an. Ich wette, man hat es ihr für die Premiere zur Verfügung gestellt, damit der Designer noch mehr Publicity bekommt. Schau dir nur dieses Collier an! Garantiert eine Leihgabe von Bergoff. Muss ein Vermögen wert sein!“

Sie gibt also wirklich kein Geld für sich selbst aus, überlegte Adam. Es handelte sich auch um keine Geschenke eines Liebhabers, was ihn ein wenig besänftigte. „Wer ist der Mann neben ihr?“, fragte er, in der Hoffnung, einen Namen zu erfahren, der ihm mehr über ihren Geschmack verriet.

„Keine Ahnung. Ein ziemlicher Hüne. Sehr beeindruckend.“

Adam presste die Lippen zusammen.

„James … Ist sie mit dem Tenor verwandt, der heute sein Debüt gibt?“, erkundigte sich einer der Opernkenner in ihrer Gruppe.

Adam schlug das Programmheft auf, das er zuvor gekauft hatte. Der betreffende Sänger hieß Zuang Chi James. „Sie ist keine Chinesin“, meinte er ironisch.

„Du hast seine Biografie nicht gelesen, Adam“, konterte sein Freund. „Zuang Chi wurde zwar in China geboren, wurde dann aber von seiner Familie nach Australien geschmuggelt, weil er eine Chance bekommen sollte, seine Stimme zu schulen. Er wurde offiziell vom früheren australischen Botschafter in China und dessen Frau – Edward und Hilary James – adoptiert. Sie schickten ihn aufs Musikkonservatorium von Sydney, wo er ein Stipendium gewann und …“

„Hey! Rosalie James ist ebenfalls Australierin“, warf Sacha ein. „So abwegig ist die Verbindung gar nicht.“

Australierin? War das ihre Nationalität? Adam betrachtete sie eindringlich. Er konnte sich keine englischeren Namen vorstellen als Edward und Hilary, aber Rosalie wirkte weder englisch noch australisch. Und der Bursche mit dem rötlichen Haar direkt neben ihr glich viel eher einem riesenhaften, streitlustigen Schotten. Ihre schmale, zarte Hand verschwand in seiner, als die Lichter erloschen.

Adam durchlitt den ersten Akt der Oper, die ihm herzlich gleichgültig war. Er konnte Rosalie James und ihren Begleiter nicht aus seinen Gedanken verbannen, beide schienen vom Geschehen auf der Bühne wie gebannt. Sie blickte nicht einmal in die Richtung von Adams Loge. Wann immer Zuang Chi James sang, beugte sie sich vor und konzentrierte sich ganz auf den Tenor, als hätte sie ein persönliches Interesse an seiner Darbietung. War er ihr Adoptivbruder? Zumindest erntete er unter allen Künstlern den meisten Applaus von ihr.

Andererseits war es sein Debüt in der Met, ein Meilenstein in der Karriere jedes Opernsängers, und sogar Adam musste einräumen, dass er eine wundervolle Stimme hatte. Diese Tatsachen allein könnten ihren Enthusiasmus erklären. Schließlich sang sie selbst wie ein Engel, wenn auch nicht mit dem vollen Timbre einer ausgebildeten Sopranistin. Am Ende fiel Adam ein, dass die Einnahmen der Premiere einer wohltätigen Einrichtung zugutekommen sollten.

Deshalb war Rosalie James also hier.

Aus karitativen Gründen.

Wahrscheinlich waren die meisten Besucher ihrer Loge in der einen oder anderen Weise sozial engagiert, entweder als Leiter diverser Organisationen oder als großzügige Sponsoren. Allerdings war sie mit dem großen Mann neben ihr viel zu vertraut, als dass Adam ihn zu diesem Kreis gezählt hätte. Das allzu offensichtlich enge Verhältnis zwischen ihnen war ihm ein Dorn im Auge und Anlass wachsender Gereiztheit.

Er war froh, als der letzte Vorhang fiel.

Das Supper im „Four Seasons“ war dagegen mehr nach seinem Geschmack.

Drei Monate später kreuzten sich ihre Pfade erneut.

Unbeabsichtigt.

Unerwartet.

Mit der gleichen erstaunlichen Wirkung wie zuvor, aber mit einem großen Unterschied. Dieses Mal wurde Adam nicht von einer Frau begleitet. Und Rosalie James war allein.

Es war in England, an einem Sonntag im Hochsommer. Adam verließ sein Londoner Haus und freute sich darauf, mit seinem Aston Martin aufs Land zu fahren, um seine Tochter von Davenport Hall abzuholen, wo sie die erste Woche der Schulferien mit ihrer besten Freundin verbracht hatte, die zufälligerweise die Nichte des Earl of Stanthorpe war.

Adams Exfrau war entzückt über die Verbindung zur britischen Oberklasse. Ihre Tochter nach Roedean zu schicken war purer Snobismus von Sarah gewesen – Adam fand es lächerlich, aber nicht wichtig genug, um darüber zu streiten. Außerdem schien Cate dort glücklich zu sein und hatte sich bislang noch nie beklagt.

Sein einziges Kind aus seiner einzigen Ehe war gerade dreizehn geworden und überaus temperamentvoll. Er war stolz auf sie und genoss jede Minute, wenn sie bei ihm war. Sie hatten viel Spaß miteinander und amüsierten sich mit Beschäftigungen, die ihrer Mutter zuwider waren, wie zum Beispiel abenteuerlichen Spritztouren oder dem Sammeln neuer Erfahrungen.

Für Sarah gab es nichts anderes als England, woanders war sie einfach nicht glücklich, das hatte sie ihm bei der Scheidung drei Jahre nach der Hochzeit unmissverständlich klargemacht. Sie wollte nicht ihr Leben lang mit ihm um die Welt vagabundieren. Inzwischen war sie mit einem Parlamentsmitglied verheiratet, die perfekte Politikergattin, und im Vorstand etlicher Wohltätigkeitseinrichtungen.

Adam wünschte ihr alles Gute. Es herrschte keine Verbitterung zwischen ihnen. Er hatte sie mehr als großzügig bei der Scheidung abgefunden und zahlte noch immer alles, was Sarah für Cate verlangte. Mit Geld erkaufte man sich Harmonie, das hatte er festgestellt. So konnte er seine Tochter bei sich haben, wenn er wollte. Nachdem er wegen Cates Sommerferien sämtliche Geschäftstermine verschoben hatte, kränkte es ihn allerdings ein wenig, dass sie es vorgezogen hatte, die erste Woche mit ihrer besten Freundin zu verleben. Hatte sie in der Schule nicht schon genug Gesellschaft von Celeste? Oder war Davenport Hall eine so große Attraktion?

Da man ihn zum Lunch eingeladen hatte, damit er Celestes Familie kennenlernte, bevor er mit Cate aufbrach, begutachtete Adam das Anwesen bei seiner Ankunft besonders gründlich. Er passierte das Tor und fuhr eine lange Allee entlang, deren hohe Bäume mit ihren Ästen einen sonnengesprenkelten Tunnel bildeten. Irgendwie hatte er das sonderbare Gefühl, in eine Zeitschleife geraten zu sein.

Cate hatte ihm erzählt, dass das Herrenhaus über vierhundert Jahre alte sei, und die mächtigen Baumstämme deuteten auf ein ähnliches Alter hin, obwohl das frische grüne Laub von der Beständigkeit des Lebens zeugte. Die Straße mündete in einer kreisrunden Auffahrt, in deren Mitte ein massiger Steinbrunnen plätscherte. Dahinter erhob sich ein imposantes, dreistöckiges Gebäude, dessen Fassade mit Efeu überwuchert war.

Der Eindruck von Solidität und Dauerhaftigkeit war überwältigend. Dies war also seit fast einem halben Jahrtausend das Heim der Earls von Stanthorpe. Adam besaß keine so tiefen Wurzeln, aber er spürte die Faszination und die Geborgenheit, die sich aus dem Wissen ergab, dass sich nichts jemals ändern würde. Strahlte dieser Ort einen besonderen Zauber aus, der Cate so fesselte? Oder war sie bereits zu stark von Sarahs Wertvorstellungen geprägt?

An der Vordertür wurde er von einem alten Butler begrüßt, der der Familie vermutlich seit Jahrzehnten diente. Nachdem er seinen Namen genannt hatte, wurde Adam in eine geräumige Halle gebeten. Ein breiter roter Läufer teilte den schwarz-weiß gefliesten Boden. Von den Wänden blickten die Porträts zahlreicher früherer Earls mit strengen Mienen auf den Besucher herab. Plötzlich durchzuckte Adam der Gedanke, dass er die Last eines solch gewaltigen Erbes nicht gern tragen und ein Leben lang an einen Platz gefesselt sein würde.

Als er jedoch in einen elegant möblierten Salon von imposanten Ausmaßen geleitet wurde, bekam er einen Eindruck von der verführerischen Macht alten Besitzes. Es gab drei Sitzgruppen, bestehend aus Sofas, Sesseln und Tischen, eine davon direkt vor einem massiven Marmorkamin, in dem allerdings kein Feuer brannte. Strahlender Sonnenschein fiel durch eine Reihe von sechs Fenstern am Ende des Zimmers, wo ein Mann und eine Frau sich lächelnd von einer anderen Polstergruppe erhoben.

„Mr Adam Cazell, Mylord“, verkündete der Butler.

Der Earl of Stanthorpe war groß und schlank, aber ohne das blutarme Flair, das Adam stets mit Aristokraten verband. Er hatte intelligente dunkle Augen und einen kräftigen Händedruck. „Hugh Davenport“, stellte er sich zwanglos vor. „Es ist mir ein Vergnügen, Cates Vater kennenzulernen. Dies ist meine Frau Rebel.“

Ein sonderbarer Name für eine Dame des Establishments, und sie war zweifellos eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit – lockiges schwarzes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel, leuchtende braune Augen, ein markantes Kinn und ein warmherziges, gewinnendes Lächeln.

Adam erwiderte das Lächeln freundlich und begrüßte die Gastgeberin.

„Sie hatten hoffentlich eine angenehme Reise von London, Mr Cazell?“

„Adam.“

„Danke.“ Ihr Lächeln bekam eine verschmitzte Note. „Ich habe gelernt, dass man hier in England vorsichtig ist, was den spontanen Gebrauch von Vornamen betrifft. Da ich aus Australien stamme, kann ich alte Gewohnheiten nur schwer ablegen.“

Ein waschechter englischer Earl, der mit einer Australierin verheiratet war? War er am Ende auch ein Rebell?

„Bitte setzen Sie sich.“ Sie deutete auf einen Sessel. „Die Kinder sind mit den Hunden draußen und müssten gleich zurückkommen.“

Sie hatte kaum ausgesprochen, als Cate in den Raum stürmte. „Hallo, Dad! Ich habe deinen Wagen in der Auffahrt gesehen.“

Celeste folgte Cate auf den Fersen, zusammen mit zwei Yorkshireterriern. „Wir haben uns beeilt, aber Sie waren schneller, Mr Cazell. Fluffy und Buffy, seid still!“

Der Befehl beeindruckte die Hunde nicht im Mindesten. Sie betrachteten Adam als Eindringling in ihrem Revier und kläfften ihn an.

Zwei kleine Jungen rannten an den Mädchen und den Hunden vorbei und blieben abrupt stehen, als sie Cates Vater bemerkten. Sie beäugten ihn von Kopf bis Fuß, bevor der ältere – Adam schätzte ihn auf ungefähr fünf – fast ehrfürchtig meinte: „Er ist so groß wie Onkel Zachary, Mum.“

Rebel lachte.

Dann kam Rosalie James herein.

Sie sah ihn direkt an.

Und Adam hatte das dunkle Gefühl, dass die Zeitschleife aus dem Blättertunnel ihn eingeholt hatte.

2. KAPITEL

Dies war also Adam Cazell … Cates Vater …

Wie ihr Neffe soeben gesagt hatte, so groß wie Zachary Lee, aber wie war es um sein Herz bestellt? Aus Gesprächen mit seiner Tochter hatte Rosalie den Eindruck gewonnen, dass Adam Cazell Cate davon nicht genug schenkte, deren Unzufriedenheit mit ihrem häuslichen Leben allzu offensichtlich war. Celeste hielt den Vater ihrer besten Freundin für „hinreißend“, doch das hing mehr mit ihrem Bild von ihm als kühnen, millionenschweren Geschäftsmann zusammen, der über eine enorme Kaufkraft verfügte.

Ein facettenreicher Mann, dachte Rosalie, wenn man seine erstaunlichen Erfolge betrachtete, aber aus der Nähe …

Plötzlich trafen sich ihre Blicke. In den Augen des großen Mannes lag so viel Machtbewusstsein, dass ihr der Atem stockte und ein sonderbarer Schauer über den Rücken rann. Silbergraue Augen – wie Stahl – durchdrangen die Abwehrmauern, die sie vor langer, langer Zeit um sich errichtet hatte. Tapfer erwiderte sie seinen Blick, außerstande zu irgendeiner anderen Reaktion. Sie spürte, wie ihre Knie zu zittern begannen.

Hugh rettete sie, indem er die Jungen zu sich heranzog. „Dies sind meine Söhne Geoffrey und Malcolm.“

Während Adam Cazell nun gezwungen war, die beiden anzuschauen und etwas Passendes zu äußern, hatte Rosalie Gelegenheit, sich wieder zu fangen, bevor sie vorgestellt wurde.

„Und das ist Rebels Schwester, Rosalie James.“

Die Höflichkeit verlangte, dass sie seine Hand berührte. Er umfasste die ihre, schloss seine starken Finger, als wollte er ihr seinen Stempel aufdrücken und Besitzansprüche anmelden. Als wollte er nicht nur ihre Hand, sondern ihren ganzen Körper nehmen.

Widerwillen regte sich in ihr.

Niemand nahm sie. Niemand!

„Ihre Schwester?“ Erstaunt über den Verwandtschaftsgrad, sah er stirnrunzelnd zwischen Rebel und Rosalie hin und her.

„Keine Ähnlichkeit“, sagte sie trocken.

„In Rebels Familie wurden alle adoptiert, Mr Cazell“, warf Celeste ein. „Kinder aus der ganzen Welt. Rebel ist Australierin.“

„Und Sie?“, fragte er Rosalie.

Der Instinkt riet ihr, ihm private Informationen zu verweigern. Sie ahnte allerdings, dass er gnadenlos nachhaken würde. „Mein Leben geht nur mich etwas an, Mr Cazell“, entgegnete sie ruhig.

„Adam“, korrigierte er sie.

Sie wünschte keine Vertraulichkeit mit ihm. Wenn man diesem Mann den kleinen Finger reichte, würde er den ganzen Arm nehmen, und Rosalie hatte nicht vor, sich seinem Willen zu beugen. Sie wandte sich von ihm ab und bedachte ihre schwatzhafte Nichte mit einem vorwurfsvollen Blick. „Wir sollten Cate zuerst eine Chance geben, mit ihrem Vater zu reden, Celeste. Sie hat ihn nicht mehr gesehen, seit … Wie lange ist es her, Cate?“

Dieser Seitenhieb zielte auf sein väterliches Gewissen. Leider ruinierte seine Tochter die Wirkung. „Dad wird schon zu mir kommen, wenn er Lust dazu hat“, meinte sie lässig.

Überraschenderweise lachte Adam Cazell, ließ Rosalies Hand los und drehte sich zu seiner Tochter um. „Wie wär’s mit einer Umarmung, Catie?“ Er breitete die Arme aus.

Strahlend vor Freude über die liebevolle Einladung, schmiegte sie sich an ihn und ließ sich von ihm durch die Luft wirbeln. „Ich bin kein kleines Kind mehr, Dad“, erinnerte sie ihn würdevoll, ohne allerdings ihr Vergnügen vollends verbergen zu können.

Mit geheuchelter Zerknirschung setzte er sie ab. „Diese Teenager“, stöhnte er. „Du bist gerade erst einer geworden. Muss sich denn alles ändern?“

„Finde dich damit ab, dass ich erwachsen werde“, verkündete sie stolz.

„Du kannst mir während der Ferien Nachhilfeunterricht geben“, schlug er großzügig vor.

„Gewiss.“ Sie verzog die Lippen. „Ein paar Wochen, um alles Wichtige nachzuholen.“

Die Ironie dieser Bemerkung blieb ihm verborgen. Oder er ignorierte sie einfach und lächelte, um seine Tochter zu besänftigen. „Was habt ihr beide in der letzten Woche denn so angestellt?“ Er zwinkerte Celeste zu. „Wollen wir uns nicht setzen, und ihr klärt mich über Teenagerangelegenheiten auf?“

Ein echter Charmeur, dachte Rosalie, als Celeste begeistert auf die Einladung reagierte. Sie begaben sich alle zu der Sitzgruppe vor den Fenstern. Mit dem Selbstvertrauen eines Königs plauderte Adam Cazell mit seiner Tochter und der Familie, deren Gast sie bis nach dem Lunch noch war.

Rosalie hatte sich für einen Sessel entschieden, der ein wenig abseits stand. Sie wollte die Unterhaltung lieber beobachten als sich daran beteiligen. Natürlich würde Adam Cazell ihre Gleichgültigkeit auffallen, und er würde früher oder später versuchen, ihre Aufmerksamkeit zu erringen, aber im Moment fühlte sie sich sicher genug, um ihn eine Weile zu betrachten. Und er bot ein wahrhaft sehenswertes Bild.

Hinter seinem Charme steckte ein angeborener Ehrgeiz, aus dem er offenbar seine Energie für alle seine Unternehmungen zog und der seinen Erfolg in der Geschäftswelt erklärte. Außerdem war er attraktiv, ohne ein Beau zu sein. Seine Züge waren zu ausgeprägt, um im klassischen Sinn als schön zu gelten. Die markanten Linien übten jedoch einen sehr männlichen Reiz aus, und Rosalie nahm an, dass er bei Männern und Frauen gleichermaßen gut ankam. Sein widerspenstiges dunkles Haar milderte den strengen Eindruck ein wenig, steigerte seine Anziehungskraft und ließ ihn umgänglicher erscheinen.

Die Jungen hatten jedenfalls keine Angst vor ihm.

Sie wirkten eher fasziniert.

Wie von Zachary Lee.

Der Vergleich nagte an Rosalies Gerechtigkeitssinn. Adam Cazell mochte zwar die gleiche beeindruckende Statur wie ihr großer Bruder haben und durch seine breiten Schultern unterschwellig das Gefühl von Geborgenheit vermitteln, aber sie war überzeugt, dass er lieber nahm als gab.

Sie rieb sich die Hand, die er gedrückt hatte, um die Erinnerung an seine überwältigende Stärke zu vertreiben. Er bemerkte ihre Geste, und sie hielt sofort inne. Adam Cazell sollte sich nicht einbilden, dass es ihm gelungen sei, sie durch eine simple Berührung zu verunsichern. Diese Genugtuung wollte sie ihm nicht verschaffen.

Rosalie war sich nicht sicher, ob ihn Sex oder sein Ego dazu trieb, sich für sie zu interessieren – vielleicht beides. Es hatten ihr schon zu viele wohlhabende und einflussreiche Männer nachgestellt, als dass sie seine Motive nicht durchschaut hätte. Ihm ging es dabei um Publicity und Sex nach Belieben, bis der Reiz des Neuen verflogen war und die Leidenschaft erlahmte.

Normalerweise perlten derartige Avancen an ihr ab, aber an Adam Cazell war etwas Tieferes, Persönlicheres, Bedrohenderes. So gern sie die Gedanken an ihn auch verdrängt hätte, es schien, als hätte er sich in ihr Unterbewusstsein geschlichen, aus dem sie ihn nicht mehr vertreiben konnte. Wenn sie ihn lange genug beobachtete, würde die beunruhigende Wirkung dieses Mannes vielleicht nachlassen.

Sonderbarerweise hatte seine Tochter sie ebenfalls stark beeindruckt. Cate war äußerst intelligent und besaß eine für ihr Alter erstaunliche Menschenkenntnis. Das gelegentliche Aufflackern von Zynismus in einigen ihrer Bemerkungen hatte Rosalie erschreckt, denn es verriet Erfahrung mit Enttäuschungen und zerstörten Illusionen. Cate hatte einen Schutzwall um sich errichtet, für den sie mit dreizehn noch viel zu jung war.

Eine privilegierte Erziehung garantierte keineswegs eine glückliche Jugend. Celeste, die mit ihrem blonden Haar und den großen blauen Augen wie ein Engel wirkte, war von Hugh als „Satansbraten“ bezeichnet worden, ein aufsässiges Kind, das wegen seines schlechten Benehmens von etlichen Schulen geflogen war – bis Rebel aufgetaucht war und sich alles zum Guten gewendet hatte. Rebel hatte in Hughs verwaister Nichte ein einsames Mädchen gesehen, das dringend der Rettung bedurfte. Nach kurzer Zeit hatte Hugh erkennen müssen, wie falsch er die Situation beurteilt hatte.

Rosalie fand nicht, dass Cate Cazell der Rettung bedurfte. Cate war eine Kämpfernatur und vermutlich genauso willensstark wie ihr Vater. Sie hatte sein dunkles, welliges Haar und die Gesichtsform geerbt. Ihr Mund war jedoch weicher, und ihre Augen strahlten in einem wärmeren Grau. Sie war groß, wenngleich wesentlich schlanker als ihr Vater. Als Erwachsene würde sie wahrscheinlich atemberaubend aussehen.

Aber im Moment sehnte sich das Mädchen nach mehr Zeit und Zuwendung seitens seines Vaters. Und die soll Cate auch bekommen, dachte Rosalie und erinnerte sich daran, wie viel Zachary Lee ihr bedeutet hatte. Er hatte sich um ihre Wünsche und Bedürfnisse gekümmert, sie geliebt, beschützt und ihr das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Durch ihn war sie nicht allein gewesen.

Ja … Und darunter litt Cate … Sie war zu viel allein. Ihre Familie bestand aus einer gesellschaftlich engagierten Mutter, die viel zu sehr damit beschäftigt war, die politische Karriere ihres Mannes zu fördern, um ihrer Tochter zuzuhören, einem Stiefvater, der nie für sie da war, und einem Vater, der gelegentlich in ihr Leben platzte, Unmengen Eiscreme verteilte, aber nicht lange genug blieb, um zu erkennen, dass Süßigkeiten nicht genügten. Kein Wunder, dass Cate gern bei Celestes Familie war!

„Rosalie …“

Seine Stimme riss sie aus ihren Grübeleien und ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Ich habe gerade daran gedacht, wo ich Sie das letzte Mal gesehen habe“, meinte er lächelnd.

Als Model stand sie immer in der Öffentlichkeit. Dass Adam Cazell sie irgendwo gesehen hatte, war nicht verwunderlich – vermutlich hatte er eine seiner Freundinnen zu einer Modenschau begleitet. War dies ein weiterer Versuch, in ihr Leben einzudringen?

„Es war die Premiere von ‚Turandot‘ in der New Yorker Met“, fuhr er zu ihrer Überraschung fort.

„Sie waren dort?“, warf Rebel erfreut ein. „Sie haben Zuang Chi singen gehört?“

Er nickte. „Eine herrliche Stimme.“

„Er ist unser Bruder“, erklärte Rebel stolz. „Wir waren alle bei der Premiere. Die ganze Familie. Es war ein wunderbarer Abend, oder, Rosalie?“

„Ja.“

Sie hatte Adam Cazell nicht in der Oper gesehen, und es behagte ihr gar nicht, dass er sie ohne ihr Wissen beobachtet hatte – obwohl sie an diesem Abend mehr oder weniger im Dienst gewesen war, weil man sie dafür bezahlt hatte, das Kleid und den Schmuck zu tragen.

Er beugte sich auf dem Sofa vor wie eine Raubkatze, die zum Sprung ansetzte. „Wie groß ist Ihre Familie, Rebel?“

Sie lachte. „Wir sind vierzehn. Plus Ehemänner und Frauen sowie unsere prachtvollen Eltern. Wir haben allein eine Loge in der Met gefüllt, nicht wahr, Liebling?“ Sie lächelte Hugh verträumt an.

„Oh ja. Ein wunderbarer Abend“, wiederholte er.

Adam nickte zustimmend. „Schade, dass ich nicht schon damals Ihre Bekanntschaft gemacht habe. Ich muss gestehen, dass ich nur Augen für Rosalie hatte.“ Er blickte zu ihr hinüber. „Sie waren bezaubernd.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich habe repräsentiert.“

„Und der rothaarige Mann neben Ihnen?“

„Zachary Lee“, verkündete Rebel fröhlich. „Unser großer Bruder.“

In seinen Augen blitzte es zufrieden auf.

Ein potenzieller Rivale ausgeschaltet, folgerte Rosalie. Er hatte garantiert ihren Begleiter wahrgenommen, ihn eingeschätzt und überlegt, welches Verhältnis sie zu ihm haben mochte.

„Wir sind allesamt nicht blutsverwandt“, erklärte sie, um ihm die Freude zu verderben. „Deshalb sehen wir uns auch nicht ähnlich.“

„Onkel Zachary ist der Amerikaner in der Familie“, teilte Celeste ihm mit.

„Zu dem wir alle aufblicken“, ergänzte Rosalie rasch, um Celeste daran zu hindern, die einzelnen Nationalitäten aufzuzählen. Am klügsten war es wohl, das Thema zu wechseln. „Gehen Sie oft in die Oper, Adam?“

„Nein.“

„Es war eine Premiere“, kommentierte seine Tochter, bevor er weitersprechen konnte. „Daddys Freundinnen lieben Premieren.“

„Catie, du übertreibst“, schalt er sie gutmütig. „Ich habe dich auch schon zu einigen mitgenommen. Zum Harry-Potter-Film, zum …“

„Okay, okay“, abwehrend hob sie die Hände. „Er kennt sich in der Popmusik besser aus, Rosalie. Sie wissen ja … ‚Saturn Records‘, bevor er die Firma verkauft hat. Er hat keine Klassik produziert.“

„Was nicht bedeutet, dass ich sie nicht schätze.“ Die Antwort klang ein wenig gereizt.

„Ich habe nie gehört, dass du ein Konzert gespielt hättest.“

„Du bist eben nicht immer bei mir.“

Schwerer Schnitzer!

Cate presste die Lippen zusammen. „Du hast recht, Dad. Wie viel Zeit steht mir zu? Fünfzehn Prozent, wenn ich Glück habe? Immerhin könntest du ständig Opernarien hören, wenn ich nicht bei dir bin.“ Sie lächelte Rosalie entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich hätte mich nicht einmischen dürfen, denn ich kann nicht beschwören, dass mein Vater keine klassische Musik mag.“

„Es ist selten eine gute Idee, für andere zu sprechen“, meinte Rosalie mitfühlend.

Cates eher schnippische Entschuldigung hatte Adam ein Stirnrunzeln entlockt. Nun richtete er seinen durchdringenden Blick erneut auf Rosalie. „Eine wirklich gute Stimme weckt immer mein Interesse, gleichgültig, was gesungen wird.“

„Dann müssen Sie es genossen haben, Zuang Chi zuzuhören.“ Insgeheim fragte sie sich, ob und wie er auf den stummen Hilfeschrei seiner Tochter nach mehr Aufmerksamkeit reagieren würde.

„Und Ihnen auch.“

„Mir?“ Was meinte er damit? Hatte sie den Faden verloren, während sie über Cate nachgedacht hatte?

„Ich habe Sie im ‚Raffles Hotel Le Royal‘ in Phnom Penh singen gehört. Sie haben dort einen Chor von Waisenkindern geleitet.“

Der Schock verschlug ihr sekundenlang die Sprache. „Das war vor neun Monaten.“

„Ja. Sie haben eine schöne Singstimme. Sehr rein.“ Er lächelte. „Wenn ich ‚Saturn Records‘ noch immer leiten würde, hätte ich vielleicht versucht, Sie unter Vertrag zu nehmen.“

„Rosalies leibliche Mutter war professionelle Sängerin“, sagte Rebel.

„Ich bin nicht interessiert.“ Kopfschüttelnd schaute sie ihre Schwester an. „Das weißt du.“

Rebel seufzte. „Ich persönlich halte es für Verschwendung. Sogar Zuang Chi findet …“

„Nein! Ich habe in dieser Welt nichts zu suchen!“ Die energische Zurechtweisung brachte ihre Schwester endlich zum Schweigen. Rosalie wandte sich erneut Adam Cazell zu, der für ihren Geschmack bereits zu viel über ihr Leben erfahren hatte. „Was haben Sie in Phnom Penh gemacht, Adam?“

„Ich habe für meine Fluglinie recherchiert.“ Er schien sich königlich über ihre Ausweichmanöver zu amüsieren.

Sie spürte, dass er sie in die Enge treiben wollte. Jäger … Krieger … in ihrer Fantasie verkörperte er beides, und zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte Rosalie sich einem Mann gegenüber verwundbar.

Hughs alter Butler rettete die Situation. „Der Lunch kann gleich im Esszimmer serviert werden, Mylord.“

„Danke, Brooks.“ Hugh erhob sich. „Mädchen, Jungen, Adam …“

Er geleitete sie hinaus und überließ es den beiden Schwestern, ihnen zu folgen – eine Entscheidung, zu der ihn zweifellos ein bedeutsamer Blick seiner Frau bewogen hatte. Rosalie fragte sich mitunter, ob die Harmonie des Paares auf Gedankenübertragung beruhte. Wenigstens war sie für einen Moment von Adam Cazells Anwesenheit befreit, aber Rebel hatte natürlich noch etwas zu diesem Thema zu sagen.

„Er ist von dir fasziniert, Rosalie. Völlig bezaubert, würde ich meinen.“

„Rebel, mir liegt nichts daran, den Arm irgendeines Mannes zu schmücken.“

„Das schlage ich dir ja auch gar nicht vor. Ich glaube lediglich, dass mehr dahintersteckt. Er ist aufrichtig interessiert.“

„Er ist ein Playboy. Du hast gehört, was Cate über all seine Freundinnen erzählt hat.“

„Vielleicht solltest du dir auch einmal etwas Abwechslung gönnen.“

„Warum willst du mich mit ihm verkuppeln?“, erkundigte Rosalie sich stirnrunzelnd. Vor der Hochzeit war Rebel ein Verkaufsgenie gewesen.

„Ich mache mir Sorgen um Cate“, räumte sie seufzend ein. „Du hast sicher den bitteren Unterton bemerkt, wenn sie mit ihrem Vater redet. Möglicherweise könntest du etwas Gutes bewirken.“

„Cate Cazell ist kein verirrtes Kind, Rebel. Sie ist stark genug, um ihren eigenen Kampf mit ihrem Vater auszufechten. Ich finde, sie hat heute ein paar recht gute Seitenhiebe bei ihm gelandet.“

„Eltern neigen dazu, solche Äußerungen zu ignorieren und sich einzureden, das Kind sei launisch oder schwierig. Niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will. Du könntest ihn jedoch dazu bewegen, sie mit deinen Augen zu betrachten. Auf dich würde er hören. Es ist nicht gut, dass Cate sich verlassen fühlt.“

„Ich will keine Beziehung mit ihm.“

„Es muss ja keine ernste Beziehung sein.“

„Er wird mich überrumpeln, sobald sich eine Chance bietet.“

„Du hast viel Übung darin, dir Männer vom Leib zu halten.“

„Er ist anders.“

„So?“ Rebel schaute sie neugierig an.

„Sieh mich nicht so an. Ich weiß, wenn etwas nicht sicher ist.“

„Ich dachte, du würdest mit jeder Situation fertig. Entschuldige, dass ich dich bedrängt habe. Ich bin eben besorgt um Cate. Sie ist ein Teenager. Wenn sie nicht bekommt, was sie von ihrem Vater braucht …“

„Sie hat eine Mutter.“

„Die ist mit sich selbst beschäftigt. Adam ist derjenige, zu dem Cate aufblickt. Wenn er nicht für sie da ist …“

„Cate schafft es allein.“

„Nein. Sie schwebt in Gefahr. Wenn sie sich abgeschoben und einsam fühlt, ist es nur ein kleiner Schritt zum ersten Experiment mit Drogen.“

„Warum sprichst du nicht selbst mit Adam darüber?“

„Mich will er nicht erobern.“

Damit endete die private Unterhaltung. Sie hatten das Esszimmer erreicht, wo die anderen bereits auf sie warteten.

Unter Adams prüfendem Blick wurde Rosalie sich des schmalen Streifens nackter Haut zwischen ihren Jeans und dem blau-weiß gestreiften Top überdeutlich bewusst. Am liebsten hätte sie geschrien: „Nein! Sehen Sie woanders hin, Adam Cazell!“

Aber er würde sich davon nicht beirren lassen.

Dass Cate neben ihm stand, belastete sein Gewissen nicht im Mindesten. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass es wichtiger war, seine Tochter zu gewinnen als eine andere Frau.

Rebel hatte recht.

Rosalie hatte die Macht, ihn zu bewegen, ihr zuzuhören. Vielleicht konnte sie es riskieren – Cate zuliebe.

3. KAPITEL

Sonntags wurde der Lunch auf Davenport Hall stets in dem behaglichen Esszimmer serviert und war eine Familienmahlzeit. Ungeachtet etwaiger Gäste und trotz ihres kindlichen Alters saßen die Jungen mit ihren Eltern am Tisch – Geoffrey mit einem Kissen auf dem Stuhl und Malcolm in einem Kindersitz. Sie waren zwar erst fünf und drei, aber wohlerzogen, und Celeste mit ihren dreizehn Jahren benahm sich ganz wie eine junge Dame.

Es war ein hübscher, einladender Raum. Die Möbel waren weiß, die Accessoires gelb, und durch die hohen Fenster hatte man einen herrlichen Blick auf den Rosengarten. Auf der schneeweißen Tischdecke prangte eine Schale mit gelben Rosenknospen, gelbe Leinenservietten in silbernen Ringen gaben weitere Farbakzente. Rosalie saß zwischen den Jungen, gegenüber von Adam Cazell, der von den Mädchen flankiert wurde. Rebel und Hugh nahmen die Kopfenden der Tafel ein.

Fasziniert beobachtete Adam, wie die Jungen ihre Servietten aus den Haltern zogen und auf dem Schoß ausbreiteten. In den Kreisen, in denen er sonst verkehrte, wurden kleine Kinder von den Erwachsenen getrennt. Willkommen in einer echten Familie, dachte Rosalie und hoffte, dass er aus diesem Erlebnis etwas lernen möge.

Die Mädchen bestimmten nun die Konversation und berichteten Adam von der Schule – von den Lehrern, die sie mochten oder verabscheuten, von Hockeyturnieren und dem Klatsch über andere Schülerinnen in ihrer Klasse. Geduldig lauschte er ihren Schilderungen, lächelte an den richtigen Stellen oder runzelte die Stirn. Er wirkte völlig entspannt und nicht im Mindesten herablassend.

Er war charmant.

Und sehr, sehr attraktiv.

Möglicherweise präsentierte er sich von seiner besten Seite, weil sie ihn beobachtete.

Gelegentlich warf er ihr einen amüsierten Blick zu, machte jedoch keinerlei Anstalten, sie in ein persönliches Gespräch zu verwickeln. Er wartet auf den richtigen Moment, dachte sie. Vermutlich hoffte er, sie würde in der heiteren Atmosphäre ihre Wachsamkeit außer Acht lassen, sodass er weitere Informationen über sie sammeln konnte. Da sie jedoch seit ihrem achtzehnten Lebensjahr – also seit nunmehr elf Jahren – im internationalen Modegeschäft tätig war, hatte Rosalie zu viele Erfahrungen mit Männern seines Schlages, um nicht zu wissen, welche Taktiken sie bevorzugten.

Wenn der erste Schritt nicht die erwünschte Wirkung erzielte, musste man günstigere Umstände schaffen und einen raffinierteren Annäherungsversuch starten. Die Wenigsten gaben beim ersten Rückschlag auf. Meist glaubten sie es einfach nicht. Warum sollte eine Frau jemanden wie sie zurückweisen? Doch nur, um begehrenswerter zu erscheinen und sie zu hartnäckigeren Avancen zu motivieren. Aber die Jagd dauerte nie lange. Falls das erhoffte Ergebnis sich nicht bald abzeichnete, gab es für solche Männer immer eine andere Schönheit. Für das Ego war es ohnehin besser, wenn man bewundert und nicht verschmäht wurde.

Adam Cazells nächster Zug erfolgte nach dem Lunch. Den Kaffee hatten sie im Salon genommen. Die Mädchen waren nach oben gegangen, um Cates Koffer fertig zu packen. Rebel hatte Malcolm ins Kinderzimmer gebracht, damit er seinen Mittagsschlaf hielt, und Geoffrey beanspruchte Hughs Aufmerksamkeit.

Adam erhob sich aus seinem Sessel. „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen kleinen Spaziergang machen würde, Hugh? Ich möchte mir vor der Rückfahrt nach London noch ein wenig die Beine vertreten.“

„Keineswegs.“ Als fürsorglicher Gastgeber wandte er sich an Rosalie. „Würdest du Adam herumführen? Ich fürchte, Geoffrey ist zu müde für einen längeren Marsch“, fügte er bedauernd hinzu.

Sie saß in der Falle.

Ein cleveres Manöver von Adam Cazell.

Auf dem Gelände von Davenport Hall war sie jedoch sicher. Rosalie stand auf, um den Gast ihres Schwagers zu begleiten. Sogleich trat ein triumphierendes Funkeln in seine Augen. Es untergrub ihr Selbstvertrauen und beschleunigte ihren Puls.

„Gibt es einen Irrgarten, in dem wir uns verlaufen könnten?“, fragte er.

„Nein, aber einen See, in dem Sie ertrinken könnten“, konterte sie.

Er lachte. Seine Züge wurden weicher und steigerten seine Attraktivität. Rosalie ballte unwillkürlich die Fäuste und versuchte, sich seiner schier übermächtigen Ausstrahlung zu erwehren. Sie musste sich zwingen, sich wieder zu entspannen und so zu tun, als wäre sie unbeeindruckt.

„Wir nehmen die hintere Tür“, erklärte sie und ging voraus in die Halle.

Mit wenigen Schritten hatte er sie eingeholt. „Gibt es am See Boote?“

„Wollten Sie sich nicht die Beine vertreten?“

Adam schmunzelte. „Rudern ist auch eine körperliche Betätigung. Sie könnten sich ausruhen, während ich die Arbeit übernehme.“

„Die Boote sind allesamt Einsitzer.“

„Sie haben soeben meinen romantischen Traum zerstört. Da bin ich nun in historischer Umgebung und in Gesellschaft einer schönen Frau …“

„Und Sie haben eine Tochter, die nicht möchte, dass Sie von ihr abgelenkt werden“, erinnerte Rosalie ihn.

„Ah! Immer in Sorge um die kindlichen Bedürfnisse. Ich schätze, es rührt daher, dass Sie selbst eine Waise waren.“

Er war einfach zu scharfsinnig. Natürlich brauchte er einen messerscharfen Verstand, um seine jeweiligen Ziele zu erreichen, und momentan konzentrierte er sich ganz auf sie und den Wunsch, sie zu erobern. Sie musste ihn irgendwie von sich ablenken, wenn sie Cate helfen wollte.

„Kinder brauchen das Gefühl, dass jemand sie liebt und für sie da ist. Meinen Sie, Ihre Tochter empfindet das, Adam?“

„Zumindest trägt sie meinen Namen“, erwiderte er spöttisch. „Aber bedeutet das auch, dass sie mich mag? Nein. Sie benutzt ihn, weil er ihr Vorteile bietet.“

Seine nüchterne Analyse imponierte ihr. Sie sah ihn herausfordernd an. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

„Sie meine auch nicht, Rosalie James.“

Wie du mir, so ich dir.

Sie traten in die warme Nachmittagssonne hinaus und schlenderten den Pfad entlang, der zu dem idyllischen See führte. Die weiten Rasenflächen leuchteten in sattem Grün, prachtvolle Rhododendrenbüsche setzten spektakuläre Farbakzente, während Wasserlilien für eine eher exotische Note sorgten. Eine durch und durch englische Gartenlandschaft, dachte Rosalie und wusste, dass Rebel hier bei Hugh eine Heimat gefunden hatte.

Sie selbst fühlte sich völlig entwurzelt. Keine Stadt, kein Land übte einen besonderen Reiz auf sie aus. Menschen ja, aber keine Orte. Sie fragte sich, ob der ständig umherreisende Adam Cazell irgendein Anwesen als sein Heim betrachtete. Cate zufolge besaß er Häuser in London, New York, Hongkong und auf einer Karibikinsel. Letzteres vermutlich aus steuerlichen Gründen.

„Leben Sie hier bei Ihrer Schwester?“, erkundigte er sich.

„Nein. Ich bin nur zu Besuch hier.“

„Wo sind Sie zu Hause?“

Rosalie zuckte die Schultern. „Eigentlich nirgendwo. Es gibt Orte, an denen ich bleiben kann, wann immer ich möchte.“

„Sie müssen doch eine Anschrift haben, unter der Ihre Auftraggeber Sie erreichen können.“

Er versuchte, sie auszuhorchen. Wollte erfahren, wo er sie finden könnte. Rosalie hatte nicht vor, es ihm leichtzumachen, obwohl er natürlich recht hatte. Sie hatte eine Londoner Adresse, ein Apartment in Mayfair, das Joel Faber gehörte, dem Mann ihrer Schwester Tiffany. Joel hatte es allen Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt und Rosalie zur Betreuerin der Wohnung ernannt, weil er genau wusste, dass sie den Großteil ihrer Einkünfte spendete.

„Ich habe nicht viele Besitztümer“, meinte sie. „Dafür habe ich keine Verwendung.“

„Wollen Sie mir erzählen, dass Sie alles in einem Koffer aufbewahren?“

„So ungefähr. Ich fliege wahrscheinlich genauso viel um die Welt wie Sie.“

„Dann haben wir etwas gemeinsam.“

„Im Gegensatz zu Ihnen habe ich allerdings keine Tochter, die allein ist.“

„Cate ist aber nicht allein. Sie hat ihre Schule, genau wie Celeste. Ihre Mutter und ihr Stiefvater sind immer in England. Sie kann bei ihnen sein, sie anrufen …“

„Sie haben andere Prioritäten“, unterbrach Rosalie ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. „Nur weil sie hier sind, bedeutet das nicht, dass sie Zeit für sie haben. Jedenfalls nicht mehr als Sie.“

„Sie beschuldigen mich, meine Tochter zu vernachlässigen?“

„Ich sage Ihnen lediglich, wie es für Cate ist.“

„Sie kennen meine Tochter seit … einer Woche? Ein bisschen vermessen, finden Sie nicht, Rosalie?“

„Mir ist klar, dass Sie das glauben – so ist es leichter, meine Kritik zu ignorieren.“

„Hat sie Ihnen das arme reiche Mädchen vorgespielt?“ Ein gereizter Unterton schwang in seiner Stimme mit.

„Nein, dafür ist Cate zu stolz.“

„Warum greifen Sie mich dann an?“ Er sah sie eindringlich an. „Ist das Ihre beste Art der Verteidigung?“

„Verteidigung wogegen?“

Er blieb stehen. Da sie eingewilligt hatte, ihn auf diesem Spaziergang zu begleiten, musste sie warten. Es war einfach, die Ausstrahlung dieses Mannes zu ignorieren, solange man neben ihm lief, doch nun wurde sie von der von ihm ausgehenden Energie förmlich erdrückt.

„Das ist Ihrer nicht würdig, Rosalie.“

Sie traute ihren Ohren kaum. „Wie bitte?“

„Wenn Sie sich die Wahrheit auf Ihre Fahnen geschrieben haben, sollten Sie nicht lügen, was Ihre Gefühle für mich betrifft. Es ruiniert Ihre Glaubwürdigkeit.“

Er hatte ihr den Fehdehandschuh zugeworfen. Rosalie reagierte prompt. „Okay. Sie möchten, dass ich meinen Koffer eine Weile bei Ihnen unterstelle. Darauf verzichte ich.“

„Was ich will, können Sie nicht in einen Koffer packen. Mir ist es egal, ob Sie sich anziehen oder nicht.“

Spöttisch zog sie die Brauen hoch. „Kein schmückendes Beiwerk?“

„Unwichtig.“

„Nur die nackte Wahrheit.“

Seine Miene war undurchdringlich. „Das hätte ich gern, aber nicht in dem begrenzten Sinn, der Ihnen vorschwebt.“

Ein Schauer durchrann sie. Er wollte also nicht nur ihren Körper erobern! Sie stellte für ihn eine Herausforderung dar und gab ihm Rätsel auf, und deshalb hatte er sich in den Kopf gesetzt, ihre Motivation zu ergründen. Um ihren Seelenfrieden nicht zu gefährden, dachte sie lieber nicht darüber nach, was sie für ihn empfand.

„Ich habe keine Zeit für Sie, Adam.“

„Nehmen Sie sich frei.“

Das Charisma dieses Mannes zerrte an ihren Nerven. Etwas Ähnliches hatte sie noch nie erlebt. Es war, als würde er sie allein für sich beanspruchen, und ihr Selbsterhaltungstrieb kämpfte dagegen an, sich seinem Willen beugen zu müssen.

„Sie nehmen sich frei – für Ihre Tochter“, rief sie.

„Das tue ich“, erklärte er, den Blick unverwandt auf sie gerichtet. „Ich hole Cate während der Ferien zu mir. Während des Schuljahres schicke ich ihr Postkarten von allen Orten, an denen ich mich gerade aufhalte. Sie kann mich jederzeit auf meinem Handy anrufen.“

„Trotzdem hat sie die erste Woche der Sommerferien hier verbracht.“

„Nicht, weil ich keine Zeit hatte. Es war ihre eigene Entscheidung.“

„Und was verrät Ihnen diese Entscheidung, Adam? Was findet Ihre Tochter wohl bei Celestes Familie, das sie bei Ihnen nicht hat?“

„Sagen Sie es mir.“

Rosalie zögerte. Was Cate betraf, hatte er nicht so viel falsch gemacht, wie sie vermutet hatte. Sie suchte fieberhaft nach den passenden Worten, um ihm das Problem zu verdeutlichen. „Sie reibt es Ihnen doch förmlich unter die Nase, Adam.“

„Was?“

„Festen Boden unter den Füßen. Die Gewissheit, dass sich nichts ändern wird.“

Er machte eine weit ausholende Geste. „Dies ist nicht mein Leben – genauso wenig wie Ihres. Ich kann nicht ändern, wer und was ich bin.“

„Sie sehnt sich nach dem, was Celeste hat: ein Heim, wo sie willkommen ist, eine intakte Familie, in der Kinder als Segen und nicht als Last empfunden werden, die es zu ertragen gilt.“

„Ich habe Cate nie als Bürde betrachtet“, entgegnete er nachdrücklich.

„Und was ist mit Ihren Freundinnen? Cate hat eine endlose Liste aufgezählt. Wenn Ihre Tochter bei Ihnen ist, verbringen Sie dann viel Zeit mit ihr allein, oder kommt sie sich wie das fünfte Rad am Wagen vor?“

„Sie schien nie etwas dagegen zu haben, wenn ich eine Partnerin hatte.“

„Welche Wahl hat sie denn, außer sich anzupassen, wenn sie mit Ihnen zusammen sein möchte?“

„Ich fahre mit ihr, wohin sie will. Wir haben viel Spaß miteinander.“

„Sie unterhalten sie.“

„Was ist daran verkehrt?“ Es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Ärger zu verbergen.

„Es ist Augenwischerei, Adam, und lindert nicht die innere Einsamkeit. Die Furcht, nur ein flüchtiger Bestandteil Ihres Lebens zu sein, nagt an Cate. Wenn Sie sich wirklich um sie sorgen, verreisen Sie mit ihr diesmal an einen besonderen Ort – nur sie beide – und lernen Sie sie als Persönlichkeit kennen. Sie ist dreizehn. Sie braucht das Gefühl, dass jemand auch den Menschen liebt, der in ihr steckt.“

„Warum machen Sie sich so viele Gedanken?“, fragte er mürrisch.

„Wer sollte es sonst tun?“

Er schüttelte den Kopf. „Catie geht Sie nichts an.“

„Die Sorge um Kinder geht uns alle an, Adam.“

„Sie ist keine Waise.“

„Sie braucht Hilfe.“

Er runzelte zwar die Stirn, aber er widersprach nicht – was durchaus ein Fortschritt sein konnte. „Wer kennt den Menschen, der in Ihnen steckt, Rosalie?“

„Meine Familie.“

„Alle vierzehn Geschwister und das Paar, das Sie adoptiert hat?“

„Manche mehr, andere weniger. Alles in allem stehen wir uns sehr nahe.“

Sie vertrat Cates Interessen, weil Rebel sie darum gebeten hatte und sie selbst natürlich auch mit dem Mädchen fühlte. Sonderbarerweise war ihre Abneigung gegen Adam Cazell geschwunden. Er war kein schlechter Vater. In Anbetracht seiner Position und seines Lebensstils gab er sich wirklich Mühe, eine wichtige Rolle im Leben seiner Tochter zu spielen.

„Sie haben großes Glück mit Ihrer Familie“, meinte er lächelnd.

Versonnen blickte er auf den See hinaus, und Rosalie spürte, dass er sich von ihr zurückzog. Er war so stark und selbstsicher, und dennoch fühlte er sich auf dem Gipfel seiner Macht womöglich sehr einsam. Sie fragte sich, ob seine Eltern sich genug Zeit für ihn genommen hatten, ob er Geschwister hatte, mit denen er aufgewachsen war und alles geteilt hatte. Was war mit seiner Exfrau, seinen Freundinnen … hatten sie je sein Herz berührt – oder seine Seele?

Während er seinen Gedanken nachhing, kam ihr plötzlich die Idee, dass er immer allein gewesen war und nichts anderes kannte. Ein Mann wie er hatte wenig Ebenbürtige, und diese würden stets mit ihm wetteifern. Hatten seine Partnerinnen je mehr in ihm gesehen als den reichen Gönner? Sein immenses Vermögen und der damit verbundene Einfluss hatten ihnen vermutlich genügt.

Vielleicht hatte sie sich in ihrem Urteil über ihn getäuscht. Impulsiv trat sie näher und berührte seinen Arm. „Cate und Sie könnten eine wundervolle Einheit bilden, wenn Sie sich um sie bemühen würden.“

Adam ignorierte ihre Bitte und sah sie prüfend an. „Und was ist mit uns?“ Er legte ihr die freie Hand auf die Schulter.

Eine heiße Woge durchrann sie. Schockiert über ihre heftige Reaktion, schaute sie ihn verwirrt an.

„Warum vertrauen Sie mir Cate an, wenn Sie selbst sich nicht einmal die Zeit genommen haben, die Person kennenzulernen, die in mir steckt, Rosalie?“

Seine Worte trafen sie mitten ins Herz.

Sein unverhohlenes Verlangen raubte ihr den Atem.

In ihr regte sich etwas Neues und Fremdes, ein sinnliches Erwachen, mit dem sie nicht gerechnet hatte, der Wunsch, diesen Mann in jeder Hinsicht kennenzulernen, die Sehnsucht nach jener Liebe, die zwischen ihren Schwestern und deren Männern existierte. Trotz dieser intensiven Emotionen wurde sie von Panik erfasst. Es ist nicht sicher, warnte eine innere Stimme.

„Dad!“, ertönte der empörte Ruf seiner Tochter.

Er presste die Lippen zusammen. „Glauben Sie nicht, dass ich aus Ihrem Leben verschwinde, Rosalie. Wir sehen uns wieder.“

Sie war zutiefst aufgewühlt, als er sie freigab und sich zu Cate umwandte. Seine Tochter hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte ungeduldig zu ihnen herüber. Oder war sie wütend, weil er schon wieder mit einer anderen Frau weggegangen war, statt auf sie zu warten?

Sie hatte beobachtet, wie Adam und Rosalie einander berührt hatten.

Rosalie versuchte, Adams Worte zu verdrängen und sich auf das Kind zu konzentrieren, das kein Kind mehr war. Sie lief in einigem Abstand neben Adam her, aber das Gefühl, auf unerklärliche Weise mit ihm verbunden zu sein, ließ sich nicht abschütteln.

Sie erreichten Cate.

Adam legte den Arm um die Schultern seiner Tochter, und sofort wich ihre Anspannung. Lächelnd zog er sie an sich und plauderte mit ihr, während sie sich in seiner Aufmerksamkeit sonnte.

Nachdem er sich von der Familie verabschiedet und für die Gastfreundschaft bedankt hatte, brachen Cate und er auf.

Rosalie beobachtete, wie der Wagen die Auffahrt hinunterrollte und im Schatten der Allee verschwand. Ein sonderbares Sehnen erfüllte ihr Herz. Ich sollte bei ihnen sein.

Unsinn, schalt sie sich sofort im Stillen.

„Hast du etwas ausrichten können?“ Rebel hatte sich ihr unbemerkt genähert.

„Ich habe es versucht.“

„Dann wird er es beherzigen“, erklärte ihre Schwester zuversichtlich.

Rosalie schwieg. Rebel war eine gute Menschenkennerin, und Adam Cazell gehörte zu den Männern, die einen Rat annahmen, wenn sie ihn für vernünftig hielten.

Wir sehen uns wieder.

War das gut oder schlecht?

Zu diesem Zeitpunkt konnte sie es unmöglich entscheiden.

Fest stand nur, dass Adam Cazell irgendwann in ihr Leben zurückkehren würde und sie sich dann mit ihm befassen musste.

4. KAPITEL

Auf der Rückfahrt von Davenport Hall kreisten Adams Gedanken um Rosalie James. Dass sie sich gegen ihren Willen – und dieser Wille war sehr, sehr stark – zu ihm hingezogen fühlte, schmeichelte ihm. Aber warum war sie ihm gegenüber so wachsam? Was wollte sie verbergen? Und wie sollte er ihre Geheimnisse ans Licht bringen und sich damit befassen?

Neben ihm seufzte Cate tief auf.

Prompt bekam Adam Gewissensbisse. Er sollte an sie denken und sich einen Plan überlegen, wie er die Probleme lösen konnte, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, bis Rosalie James ihn darauf hingewiesen hatte.

„Bedauerst du, dass du fortmusstest, oder freust du dich, mit mir unterwegs zu sein?“, fragte er sie lächelnd.

Sie verzog das Gesicht. „Ich kann es dir nicht verübeln“, meinte sie resigniert. „Sie ist wunderschön. Sogar ich muss sie immer ansehen, wenn sie in der Nähe ist.“

„Du redest von Rosalie James, oder?“

„Von wem sonst? Sie ist um Klassen besser als all deine Freundinnen.“

„Ja, sie ist anders“, räumte er ein und widerstand der Versuchung, seine Tochter über diese rätselhafte Frau auszuhorchen.

Sie hatten beide die letzte Woche auf Davenport Hall verbracht, in familiärer Umgebung, in der es keine Schranken gab, und Celeste hätte zweifellos Cates Neugier bezüglich der berühmten Tante befriedigt. Um sich jedoch, wie Rosalie geraten hatte, in die Gefühlswelt seiner Tochter hineinzuversetzen, zwang er sich, auf Cates Bemerkung einzugehen.

„Hast du meine Freundinnen nicht gemocht?“, erkundigte er sich.

Sie zuckte die Schultern. „Es ist doch egal, ob ich sie mag oder nicht. Ich meine … du hast mich nie gefragt. Ich musste mich einfach mit ihnen arrangieren.“

„Ist dir das schwergefallen?“

Cate überlegte.

Sie ließen die Ortschaft Milton Prior hinter sich. Der Aston Martin glitt lautlos über die Straßen. Adam hatte genug Zeit zum Nachdenken, während er fuhr und auf eine Antwort wartete.

Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, seine Tochter um Erlaubnis zu bitten, wenn er eine Frau seiner Wahl bei sich haben wollte. Ich habe auch Bedürfnisse, sagte er sich, Cate muss das akzeptieren. Er hatte jedenfalls nicht vor, den Rest seines Lebens wie ein Mönch zu verbringen. Aber vielleicht sollte er künftig mehr darauf achten, wie sie sich mit seiner Partnerin vertrug. Er hatte sich angewöhnt, stets das zu tun, was er wollte, und stillschweigend vorausgesetzt, dass Cate sich einfügte.

„Ich hätte nichts gegen Rosalie“, erklärte sie schließlich.

„Aber gegen die anderen hattest du etwas“, folgerte er.

Sie sah ihn an. „Sie waren nur hinter dir her, Dad. Du bist doch nicht dumm. Mit mir haben sie sich notgedrungen abgefunden, um dich nicht zu ärgern.“

Die Bitterkeit in ihren Worten erschütterte ihn. Cate war erst dreizehn Jahre alt, und trotzdem beurteilte sie ihre Mitmenschen mit kritischen Augen. So sollte es nicht sein. Aber wie konnte er sie davor schützen? Er war, wer er war, und das würde sich nicht ändern.

„Warum hättest du nichts gegen Rosalie James?“

Sie zögerte. „Rosalie hat etwas Merkwürdiges an sich. Man sollte glauben, sie wäre mit sich selbst beschäftigt – du weißt schon, mit ihrem Äußeren und ihrem Ruhm. Die Mädchen in der Schule würden vor Aufregung sterben, wenn sie dort auftauchen würde. Sie ist ein Star in der Modewelt und wirklich wunderschön. Es ist nicht das Make-up oder ein guter Fotograf.“

„Das habe ich gemerkt“, bestätigte er.

„Trotzdem scheint es ihr nicht so wichtig zu sein“, fuhr Cate eindringlich fort. „Sie schüttelt es ab, als wäre es nur ein Job, den sie ausübt, weil sie das Glück hatte, mit diesem Aussehen geboren zu werden. Nichts Besonderes. Wenn man sie darüber ausfragt, langweilt sie sich schnell und wechselt das Thema, und plötzlich spricht man über sich selbst.“

„Ein guter Trick, um ihre Privatsphäre zu schützen.“

„Hm …“ Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf. „Ich denke nicht, dass es ein Trick ist.“

„Warum nicht?“

„Weil sie tatsächlich zuhört. Es ist, als ob sie in einen hineinschaut und versteht. Wenn es ein Trick wäre, würde es ihr nichts bedeuten, was man ihr erzählt. Es würde einfach an ihr vorbeirauschen. Wie bei Mum.“ Ein erschreckend verächtlicher Unterton schwang in ihrer Stimme mit. „Sie tut so, als würde sie zuhören, aber ihre Gedanken sind ganz woanders.“

„Hast du ein Verständigungsproblem mit deiner Mutter?“

„Nun ja …“ Ihre Kritik schien auch ihm zu gelten.

Adam behagte das Ganze gar nicht. Er ermahnte sich insgeheim, dass man sich Respekt verdienen musste und nicht geschenkt bekam, auch nicht als Elternteil. Hatte er sich nicht als Teenager selbst von seinen Eltern zurückgezogen, nachdem er erkannt hatte, dass der Graben zwischen den Generationen unüberwindlich war? Sie hatten nie die geringste Ahnung gehabt, was ihn bewegte. Um des lieben Friedens willen hatte er sich bemüht, ihrem Bild von einem perfekten Sohn zu entsprechen, und hinter ihrem Rücken seine eigenen Ziele verfolgt.

Ein ziemlich ernüchternder Gedanke, wenn er ihn auf seine Tochter übertrug.

Cate lachte leise. „Mit Mum zu reden ist ungefähr so, als würde man sich mit dem Kakadu in der Fernsehwerbung unterhalten.“

„Welcher Fernsehwerbung?“

Sie seufzte. „Natürlich. Du hast ja keine Zeit fernzusehen.“

„Dann erzähl mir davon“, schlug er vor.

„Diese Frau wird von einer Freundin angerufen, die ihr offenbar den neuesten Klatsch mitteilen will, und die Frau hat keine Lust, sich das anzutun. Also legt sie den Hörer neben den Papagei, der auf seiner Stange sitzt. Alle paar Sekunden kräht der Kakadu ‚Ich weiß, ich weiß‘ in den Hörer. Und am Schluss: ‚Ich weiß, Liebes.‘ Es ist einfach super!“

Die Imitation der Papageienstimme klang für Adams Geschmack zu sehr nach Sarah. Er nahm sich vor, mit seiner Exfrau zu sprechen und sie zu warnen, dass sie Cate durch mangelndes Interesse verlieren würde.

„Der Spot ist für eine Schokoladensorte, die die Frau derweil isst“, fügte Cate hinzu. „Ganz schön clever, oder? Süßes ist eben verlockender als irgendein Unsinn, der nichts mit dem eigenen Leben zu tun hat.“

„Sehr clever.“

Die Botschaft war angekommen. Und außerdem äußerst geschickt verpackt. Adam wusste, dass Sarah sich völlig darauf konzentrierte, die politische Karriere ihres Mannes zu fördern und durch soziales Engagement Wählerstimmen zu fangen. Cate war ein Anhängsel, keine Hauptperson. Genau wie für mich, wie er sich eingestehen musste. Allerdings war sie für ihn ein Anhängsel, um das er sich kümmerte. Und hier ging es allein um den Grad der Fürsorge.

Er fragte sich, ob Cate Rosalie James ihre Unzufriedenheit anvertraut und was Rosalie sonst noch herausgehört hatte. Sein Respekt für sie stieg um etliche Punkte. Es bedurfte zudem einigen Mutes, um ihm die Wahrheit so unverblümt vor Augen zu führen.

Cate sah ihn prüfend an. „Hast du versucht, sie zu ködern?“

„Wen?“

„Rosalie James.“

Der Zynismus in ihrer Frage ließ ihn zusammenzucken. Dabei war absolut nichts Zynisches an den Gefühlen, die diese Frau in ihm weckte, und er hatte keine Lust, Cate davon zu berichten.

„Oder wartet in London jemand auf dich?“, hakte sie nach, als er nicht sofort antwortete.

„Nein. Ich bin momentan mit niemandem zusammen.“

Mit niemandem seit Sacha, deren Anziehungskraft nach dem Opernabend sehr rasch verflogen war. Ähnlich wie bei Tahlia nach der Nacht in Phnom Penh. Nicht dass eine der Frauen irgendeine Schuld traf. In beiden Fällen war es ihm schwergefallen, Rosalie James aus seinen Gedanken zu verbannen.

„Also?“, beharrte Cate. „Du warst mit ihr im Park allein.“

So viel zu seiner Fähigkeit, alles nach seinen Wünschen zu arrangieren. Wie oft mochte Cate ihn beobachtet haben, wenn er versucht hatte, eine Frau „zu ködern“? Fühlte sie sich wie eine unbeteiligte Zuschauerin und nicht wie ein fester Bestandteil seines Lebens?

„Rosalie wollte unter vier Augen mit mir sprechen. Über dich.“ Ihm war klar, dass dies der einzige Grund für sie gewesen war, ihn zu begleiten. Ihr Widerstand gegen seine Absichten war unerschütterlich gewesen. Obwohl er möglicherweise ein paar Punkte bei ihr gesammelt hatte.

„Über mich?“ Cate staunte.

„Hm …“ Er lächelte sie an. „Sie mag dich. Sehr sogar.“

Sie errötete. Adam war nicht sicher, ob vor Freude oder vor Verlegenheit. Rasch wandte sie den Kopf ab und blickte aus dem Fenster.

„Was hat sie gesagt?“

Er wählte die Worte mit Sorgfalt, weil er die neu begründete Vertrautheit zwischen ihnen nicht gefährden wollte. „Dass du sehr klug bist und ich mehr über dich erfahren sollte, statt dich als selbstverständlich hinzunehmen.“ Er ließ ihr Zeit, diese Information zu verarbeiten. „Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee. Deshalb dachte ich, wir könnten die Ferien auf Tortola verbringen, zusammen ausspannen und tun, wozu wir Lust haben. Wie klingt das?“

Mit leuchtenden Augen sah sie ihn an. „Du meinst, nur wir beide?“

„Ja, nur wir beide.“

„Keine Freundinnen oder Manager, die dringend mit dir reden wollen?“

„Keine. Ich werde jeden Tag ein oder zwei Stunden am Computer sitzen müssen, aber ansonsten gehöre ich ganz dir, Catie. Wir können morgen in London bummeln gehen, dir neue Sachen kaufen, uns neue Spiele und Bücher besorgen und dann in die Karibik starten. Was sagst du dazu?“

„Ja!“ Sie klatschte begeistert in die Hände. „Das wird toll, Dad!“

Adam lachte. Es machte ihn glücklich, sie so glücklich zu sehen. „Wir werden eine schöne Zeit haben.“

„Oh ja.“

„Trotzdem brauchen wir unbedingt neue Spiele. Du schlägst mich immer beim Scrabble.“

„Aber nur, weil du nicht lange genug überlegst, mit welchem Wort du am meisten Punkte bekommen kannst.“

„Dann sei gewarnt. In Zukunft werde ich nachdenken.“

Cate lachte und schmiedete eifrig Pläne.

Rosalie James war vergessen.

Allerdings nicht von Adam.

Es würde keine andere Frau in seinem Leben geben.

Bis sie diesen Platz einnahm.

5. KAPITEL

Rosalie packte gerade ihre Sachen für die nächste Reise, als das Telefon klingelte. „Rosalie James“, meldete sie sich.

„Adam Cazell.“

Das tiefe Timbre seiner Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. Rosalie war wie gelähmt. Es war fast einen Monat her, dass sie ihn auf Davenport Hall getroffen hatte. Sie war inzwischen in Thailand gewesen und hatte es meist geschafft, ihn und seine Tochter aus ihren Gedanken zu verdrängen.

Der Schock, den sie jetzt empfand, rührte jedoch weniger vom Klang seiner Stimme her, als vielmehr von seiner Präsenz am anderen Ende der Leitung, die ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte und alles andere auslöschte. Das Gefühl, belagert zu werden, war überwältigend.

„Ich möchte mich für den guten Rat bedanken, den Sie mir bei unserer letzten Begegnung gegeben haben“, erklärte er herzlich.

Ein wohliger Schauer durchrann sie – und versetzte sie zugleich in Panik. Sie atmete tief durch. „Woher haben Sie diese Nummer, Adam?“

„Von Ihrer Schwester.“

„Rebel hat sie Ihnen gegeben?“

„Ja, warum auch nicht?“

Celeste und Cate … beste Freundinnen … die persönliche Verbindung. Rebel hatte offenbar gedacht, die Regel der Privatsphäre würde in diesem Fall nicht gelten.

„Ich habe ihr erzählt, wie sehr ich Ihre Hilfe bei Cate schätze“, fuhr er fort. „Und das ist absolut ehrlich gemeint, Rosalie.“

„Sie haben ein engeres Verhältnis zu ihr aufgebaut?“, erkundigte sie sich interessiert.

„Es waren überaus lohnende Wochen.“

„Das freut mich.“

„Ich dachte, Sie würden gern herkommen und sich selbst davon überzeugen.“

Noch ein Treffen. Natürlich war das der Grund für den Anruf. Cate war völlig nebensächlich. Er war raffiniert und versuchte, sie durch seine Tochter wieder in sein Leben zu locken. Aber trotz dieser Erkenntnis – oder vielleicht gerade deshalb – war das Verlangen groß, die beiden wiederzusehen.

Nur würde es dabei nicht bleiben.

Adam Cazell würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, sie an sich zu binden, und sie könnte sich durchaus an diesen Mann verlieren. Und dann? Sie wollte niemandem gehören. Die Kontrolle über ihr eigenes Leben war ihr wichtig. Die Freiheit, zu tun, was sie wollte, war für sie unverzichtbar.

„Cate und ich sind auf Tortola, Rosalie. Es ist eine der britischen Jungferninseln in der Karibik. Ich habe hier eine Villa.“

Weit weg, dachte sie erleichtert. Er würde also nicht an der Tür klopfen und eine Entscheidung verlangen, die sie in einen Gewissenskonflikt stürzen würde.

„Cate und ich haben die letzten Wochen einfach gefaulenzt und viel miteinander geredet. Wir möchten beide, dass Sie uns besuchen. Bleiben Sie eine Woche. Spannen Sie aus, und genießen Sie die Zeit.“

Eine überaus verlockende Einladung … eine Woche auf einer Karibikinsel. Sie hatte noch nie von Tortola gehört. Es konnte keines der großen Touristenzentren sein. Ein privates Refugium. Keine Paparazzi, die fotografierten und auf Sensationen lauerten. Sie sollte gar nicht erst davon träumen. Es war ohnehin nicht möglich.

„Danke, aber ich habe eine berufliche Verpflichtung, Adam. Ich fliege morgen früh zu einem Fototermin nach New York.“

„Wie lange wird es dauern?“

„Ein paar Tage“, erwiderte sie ausweichend.

„Von New York nach Tortola ist es nicht weit. Ich könnte Ihnen mein Privatflugzeug zur Verfügung stellen. Sie brauchen nur das New Yorker Büro der Saturn Company anzurufen und Ihren Namen zu nennen, und es wird alles arrangiert, um Sie herzubringen, sobald Ihr Job erledigt ist.“

Rosalie war hin und her gerissen. Der Wunsch, einzuwilligen und sich bei Adam Cazell fernab der Öffentlichkeit innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens zu erholen, kämpfte mit der Furcht, in eine Situation zu geraten, der nur schwer zu entrinnen war.

„Ich verspreche Ihnen, dass Ihr Aufenthalt hier Sie zu nichts verpflichtet, Rosalie“, drängte er sanft. „Cate kann als Anstandsdame fungieren. Wäre das sicher genug für Sie?“

Bei ihm war gar nichts sicher. „Ich kenne Sie kaum, Adam“, entgegnete sie zögernd.

„Aber Sie kennen Cate. Sie kannten sie sogar besser als ich“, erinnerte er sie. „Und ich werde nichts tun, was das Vertrauensverhältnis gefährden könnte, das zwischen mir und meiner Tochter besteht.“

„Sie will Sie sicher für sich selbst haben.“

„Kommen Sie her, und finden Sie es heraus.“

Schon wieder diese Sehnsucht.

„Sie mag Sie.“ Zielstrebig untergrub er ihren Entschluss, sich von ihm fernzuhalten. „Ich möchte Sie kennenlernen, Rosalie. Und ich glaube, Sie möchten auch mehr über mich erfahren.“

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich.

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