Im Palast des Wüstenprinzen

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Unter seinen Küssen und zärtlichen Liebkosungen erschauert Morgan lustvoll. Insgeheim jedoch ist sie wütend auf Tajik, der sie in seinen prächtigen Wüstenpalast entführt und in einer glanzvollen Zeremonie zu seiner Frau gemacht hat - ohne sie zu fragen! Obwohl Morgan sich zu dem attraktiven Scheich hingezogen fühlt, beschließt sie zu fliehen, denn sie weiß nicht, was er wirklich für sie empfindet. Von Liebe hat er nie gesprochen. Aber ihre Flucht steht unter einem schlechten Stern. Ein Sandsturm bedroht ihr Leben - jetzt kann nur noch Tajik sie retten …


  • Erscheinungstag 26.10.2008
  • Bandnummer 1763
  • ISBN / Artikelnummer 9783863493554
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Wer ist die Frau?“, unterbrach Scheich Tajik al Zayed bin Aman den Redefluss seines engsten Mitarbeiters und stellte sich an das Fenster. Er hatte einen langen Flug und anstrengende Tage in Paris hinter sich, wo er an dem Gipfeltreffen der Öl exportierenden Länder teilgenommen hatte. Die fremde Frau, die am Swimmingpool saß, interessierte ihn im Moment weitaus mehr als die Ölpreise. „Was macht sie hier?“

Kamil verstummte und ließ den Blick über den gepflegten, mit Palmen gesäumten Rasen bis zu dem Swimmingpool gleiten. „Sie ist die neue Gesellschafterin Ihrer Mutter. Sie vertritt Fatima, die für einige Wochen ausfällt. Ich hatte Ihnen eine entsprechende Nachricht nach Paris gesandt.“ Vielleicht war es ein Fehler, eine Einheimische als Gesellschafterin für Nobilah während ihres Aufenthalts an der Gold Coast einzustellen, überlegte er.

„Ah ja.“ Tajik erinnerte sich daran, dass Fatima wegen einer akuten Blinddarmentzündung operiert worden war. „Es überrascht mich, dass die Frau so jung ist.“ Und so attraktiv, fügte er insgeheim hinzu, denn sogar aus der Entfernung konnte er ihre feinen Gesichtszüge erkennen. Die hochgeschlossene Bluse und die weit geschnittene Leinenhose ließen ihre gute Figur nur ahnen. „Warum sitzt sie da herum, statt sich um meine Mutter zu kümmern?“

Wie aufs Stichwort erschien Nobilah mit beschwingten Schritten in der dunklen Abaya, dem lose fallenden, weit schwingenden Mantel, den sie seit dem Tod ihres Mannes am liebsten trug. Sie machte es sich im Liegestuhl bequem. Sogleich stand die junge Frau auf und verstellte den Sonnenschirm, sodass er seiner Mutter Schatten spendete und sie vor der heißen Sonne schützte. Dann ließ sich die Gesellschafterin auf den anderen Liegestuhl sinken und nahm die Zeitung von dem schmiedeeisernen Tisch zwischen ihnen in die Hand. Da sie die Lippen bewegte, vermutete er, dass sie seiner Mutter etwas vorlas.

Als er seine Mutter lachen sah, wurden die Erinnerungen an das schwierige Jahr geweckt, das hinter ihnen lag. Ihr perlendes Lachen hatte er sehr vermisst, er freute sich darauf, es endlich wieder zu hören. Das hatte er nach den zeitweise ausgesprochen hitzigen und anstrengenden Debatten der vergangenen Woche wirklich verdient. Er war fest entschlossen, die restlichen Urlaubswochen hier im schönen Queensland an der Südostküste Australiens zu genießen.

„Gibt es sonst noch etwas Wichtiges, was ich wissen muss, ehe ich meine Mutter begrüße?“, fragte er mit einem Blick über die Schulter.

Sein Mitarbeiter räusperte sich. „Ja, Exzellenz, da ist noch etwas, was ich Ihnen mitteilen muss.“

„Hat es nicht Zeit bis später?“

„Ich bin sicher, Sie möchten es lieber gleich erfahren.“

Überrascht drehte Tajik sich um. Kamil kannte ihn viel zu gut, er würde ihn niemals wegen irgendeiner Kleinigkeit aufhalten. Er trat vom Fenster zurück und sah seinen Mitarbeiter aufmerksam an, während er jeden Gedanken an die fremde Frau verdrängte. „Okay, ich höre.“

„Es wird gemunkelt, Qasim hätte im Staatsrat das Thema einer eventuellen Nachfolge angeschnitten. Bis jetzt ist es allerdings nur ein Gerücht.“

Tajik gefror das Blut in den Adern. „Und Sie haben es für wichtiger gehalten, mich als Erstes über die Wechselkurse in Jamalbad statt über die Intrigen meines Cousins zu unterrichten?“, ließ er seinen Zorn an Kamil aus.

Der wiederum war klug genug, eine zerknirschte Miene aufzusetzen, während er eine respektvolle Verbeugung andeutete. „Die Nachricht ist erst vor wenigen Minuten hereingekommen, sie ist noch nicht bestätigt worden.“

„Dann lassen Sie sie bestätigen“, fuhr Tajik ihn an und lief ärgerlich im Raum hin und her. „Welchen Grund sollte mein Cousin haben, dieses Thema zur Sprache zu bringen? Wenn mir etwas zustößt, ist er automatisch mein Nachfolger.“

„Angeblich hat er gegenüber den Ratsmitgliedern seine Besorgnis geäußert, dass Jamalbad einer ungewissen Zukunft entgegengehen würde, wenn Sie in absehbarer Zeit nicht heiraten und einen Erben präsentieren.“

Unvermittelt blieb Tajik stehen. „Mein Vater und Joharah sind erst seit einem Jahr tot! Erwartet Qasim etwa, dass ich mit der erstbesten Frau, die meinen Weg kreuzt, einen Sohn zeuge? Außerdem ist es kein Geheimnis, dass mein Cousin eher ein Garant für Instabilität als für Frieden ist. Warum würde er sonst Unruhe stiften, sobald ich mich im Ausland aufhalte?“

„Er verbirgt seine Ambitionen auf die Machtübernahme geschickt hinter der angeblichen Sorge um das Land. Einige Ratsmitglieder sind bestimmt darauf hereingefallen.“

Tajik schlug so fest mit der Faust auf den Tisch, dass Kamil zusammenzuckte. „Man muss ihm den Mund stopfen! Wenn die Nachricht sich als richtig erweist, müssen wir umgehend nach Jamalbad zurückkehren. Veranlassen Sie bitte alles Nötige.“

Zögernd entgegnete Kamil: „Da ist noch etwas. Er hat offenbar durchblicken lassen, er hätte die perfekte Frau für Sie gefunden.“

„Wie bitte? Mit welchem entzückenden weiblichen Wesen würde mich mein intriganter Cousin denn gern verheiraten?“

„Mit seiner Tochter Abir.“

Tajik lachte schallend. „Meine Güte, Abir ist doch noch ein Kind, gerade einmal zehn Jahre alt. Wünscht er sich so verzweifelt, mitregieren zu können, dass er sein eigenes Kind opfern würde, um sein Ziel zu erreichen?“

„Abir wird vierzehn und ist somit in zwei Jahren alt genug, um mit Ihnen verheiratet zu werden, wenn der Staatsrat damit einverstanden ist.“

„Nein, sie ist definitiv zu jung. Ich lasse mich von diesem Wahnsinnigen nicht dazu verleiten, ein halbes Kind oder einen Teenager zu heiraten.“

„Exzellenz, angeblich würden einige Ratsmitglieder diese Lösung begrüßen“, gab sein Mitarbeiter mit leichtem Stirnrunzeln zu bedenken. „Diese Leute sind der Meinung, Sie hätten lange genug getrauert und es sei an der Zeit, das Leben als Playboy aufzugeben und eine Familie zu gründen. Qasim spielt den Besorgten und tut so, als läge ihm nur Ihr Wohl und das des Landes am Herzen.“

„Nur weil ich Junggeselle bin, soll ich ein Playboy sein? Was für eine Unterstellung!“ Tajik seufzte. Natürlich hatte er wechselnde Bekanntschaften gehabt, aber seit Joharahs Tod interessierte er sich kaum noch für Frauen, sodass der Vorwurf völlig ungerechtfertigt war.

Er drehte sich zum Fenster um und starrte mit leerem Blick hinaus. Ihm kochte das Blut in den Adern. Qasim wollte vollendete Tatsachen schaffen. Kein Wunder, dass dieser hinterhältige Mensch ihn in seinem Vorhaben bestärkt hatte, seiner Mutter in den Sommermonaten die mörderische Hitze Jamalbads zu ersparen und mit ihr einige Wochen an der Gold Coast Urlaub zu machen.

Wenn mein Cousin glaubt, er könne mich manipulieren und mich mit einem Teenager verheiraten, hat er sich gewaltig geirrt, dachte Tajik.

Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und nahm seine Wanderung durch den Raum wieder auf. Er musste sich etwas einfallen lassen, um seinem Cousin den Wind aus den Segeln zu nehmen und seine Pläne zu durchkreuzen. Andererseits konnte er sich natürlich einfach weigern, Abir zu heiraten. Das Recht stand ihm als Herrscher des Landes zu. Zwar war der Staatsrat eine mächtige und einflussreiche Institution, aber er konnte keine Beschlüsse fassen, sondern nur Vorschläge unterbreiten. Nichts und niemand kann mich zwingen, Abir zu heiraten.

Plötzlich hatte er eine Idee, wie sich das Problem elegant und zur Zufriedenheit des Staatsrats aus der Welt schaffen ließ.

„Nein, Kamil“, bekräftigte er und fuhr herum. „Ich werde weder Abir noch eine andere Frau heiraten, die mein Cousin vorschlägt.“

„Gut, Exzellenz. Sobald ich die Bestätigung erhalten habe, dass es kein Gerücht ist, werde ich ein Kommuniqué herausgeben.“

„Das ist nicht nötig. Wenn man von mir erwartet zu heiraten, werde ich es tun.“

„Wen denn, wenn nicht Abir?“

„Ganz einfach, Kamil, ich werde mir eine Frau suchen, die mir gefällt und zu mir passt.“

„Meinen Sie das ernst?“

Tajik warf ihm einen missbilligenden Blick zu, und Kamil stammelte hastig eine Entschuldigung.

„Natürlich meine ich es ernst, ich tanze meinem Cousin bestimmt nicht nach der Pfeife“, erklärte Tajik. „Seinen Plan, mich mit seiner Tochter zu verheiraten, werde ich auf jeden Fall vereiteln, koste es, was es wolle.“

„Aber Ihre zukünftige Frau muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, sie muss so etwas wie … ein unbeschriebenes Blatt sein“, wandte Kamil ein und hob resigniert die Hände. „Wie wollen Sie so rasch ein solches Juwel finden?“ Als sein Arbeitgeber fragend eine Augenbraue hochzog, fügte er, wie um sich zu verteidigen, hinzu: „Ich bezweifle, dass der Staatsrat begeistert wäre, wenn Sie eine der Frauen heirateten, die sich am Strand auf der Suche nach Männerbekanntschaften tummeln.“

„Nein, am Strand werde ich bestimmt nicht auf Brautschau gehen“, versicherte Tajik ihm belustigt. Dann blickte er wieder zum Fenster hinaus. In Jamalbad war man sehr traditionsbewusst, und der Staatsrat erwartete, dass seine zukünftige Frau noch unberührt war, was er selbst nicht so eng sah. Da er im westlichen Ausland zur Schule gegangen war und studiert hatte, hatte er sich eine eigene Meinung gebildet. Man verlangte von den Frauen, bis zur Ehe enthaltsam zu leben, während die jungen Männer sich nach Herzenslust austoben konnten, was er für scheinheilig und für eine Art Doppelmoral hielt. Irgendwo werde ich schon eine junge Frau finden, die man akzeptiert und der man abnimmt, noch Jungfrau zu sein, sagte er sich. Solange er mit seiner Wahl glücklich war, würde es ihm leichtfallen, den Staatsrat von ihren Tugenden zu überzeugen.

Schließlich richtete er den Blick wieder auf die junge Frau am Swimmingpool. Sie war wirklich sehr attraktiv, auch wenn sie ihre offenbar gute Figur unter einem eher konservativen Outfit verbarg und das goldblonde Haar für seinen Geschmack zu streng im Nacken zusammengebunden hatte. Noch viel besser würde sie in etwas weiblicherer Kleidung aussehen, die ihre Rundungen betonte. Aber angesichts von Kamils Bedenken war ihre konservative Aufmachung momentan eher ein Plus.

Er rieb sich das Kinn, während er über die Möglichkeiten nachdachte. Mit der feinen hellen Haut, dem goldblonden Haar und den vollen Lippen hatte sie nicht die geringste Ähnlichkeit mit Joharah, die er sehr geliebt hatte. Und das war ein weiteres Plus.

Plötzlich bekam er Schuldgefühle, so als dürfte er gar nicht daran denken, eine andere Frau zu heiraten. Die Gesellschafterin meiner Mutter würde ich aus Vernunftgründen statt aus Liebe heiraten, rechtfertigte er sich sogleich. Es ging ihm vor allem darum, Qasim einen Strich durch die Rechnung zu machen und die Stabilität im Land nicht zu gefährden.

Schon jetzt freute er sich auf die überraschten Mienen, wenn er diese Frau als seine Braut vorstellte. Ihr attraktives Äußeres war zweifellos ein Gewinn, und mit ihr zu schlafen wäre sicher ein Vergnügen. Immerhin war er auch nur ein Mann, und wenn er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden konnte, um seinem Cousin die Pläne zu durchkreuzen, wäre das eine gute Lösung.

„Kamil, vielleicht ist die Suche ja schon beendet, ehe sie richtig angefangen hat“, meinte er und wies auf die junge Frau, die gerade die Zeitung weglegte und anfing, seiner Mutter die Fingernägel zu lackieren. „Haben Sie sich über ihren Hintergrund genauestens informiert?“

Eigentlich hätte er sich die Frage sparen können. Sein Mitarbeiter hätte die Frau niemals eingestellt, wenn er sie vorher nicht kritisch überprüft hätte.

„Natürlich“, erwiderte Kamil leicht irritiert über den Themenwechsel. „Sie hat einen einwandfreien Leumund, die allerbesten Referenzen und eine tadellose Vergangenheit.“

„Und wie sieht es mit ihrem Privatleben aus?“

„Sie ist ungebunden und hat offenbar außer ihrer Zwillingsschwester, die vor Kurzem geheiratet und ihr erstes Kind bekommen hat, keine Verwandten.“

„Gut, dann gibt es keine Probleme“, stellte Tajik kühl fest.

„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte Kamil. Er ahnte Schlimmes.

Tajik legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ganz einfach, mein Lieber. Indem Sie die perfekte Gesellschafterin für meine Mutter gefunden haben, haben Sie Ihrem Land einen großen Gefallen getan: Sie haben wahrscheinlich die perfekte Frau für mich gefunden.“

2. KAPITEL

„Entschuldigung, Exzellenz, aber das halte ich für eine absurde Idee. Die richtige Frau zu finden sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen“, wandte Kamil ein.

„Da haben Sie recht“, stimmte Tajik ihm freundlich zu. „Die Sache ist viel zu ernst, um von meinem Cousin und seinesgleichen entschieden zu werden.“

„Es genügt doch, dass Sie den Vorschlag, Abir zu heiraten, entschieden zurückweisen“, schlug sein Mitarbeiter vor.

„Glauben Sie denn, Qasim würde sich dadurch von seinen Machtgelüsten abbringen lassen? Er würde weiterhin gegen mich Stimmung machen und den Einfluss, den er vielleicht auf den Staatsrat hat, für seine Zwecke nutzen.“ Tajik zuckte mit den Schultern, ehe er fortfuhr: „In gewisser Weise hat er sogar recht, Jamalbad braucht stabile Verhältnisse und einen Herrscher, der Söhne hat, um ihn zu beerben. Aber ohne eine Frau an meiner Seite kann ich keinen Nachfolger präsentieren. Ehrlich gesagt, ich habe auch gar keine Lust, lange zu suchen.“ Er machte eine Handbewegung in Richtung Fenster. „Erst recht nicht, wenn die passende Frau gar nicht so weit weg ist. Sie lässt sich mit den Frauen am Strand nicht vergleichen, und ich bin sicher, ich kann den Staatsrat überzeugen, dass sie alle Bedingungen und Erwartungen, die an meine zukünftige Gemahlin gestellt werden, erfüllt. Wie heißt sie eigentlich?“

Kamil schüttelte leicht verzweifelt den Kopf, seinem Arbeitgeber gegenüber war er machtlos. „Morgan Fielding, Exzellenz. Vielleicht will sie Sie ja gar nicht heiraten, selbst wenn sie die richtige Frau für Sie wäre.“

Das war ein so abwegiger Gedanke, dass Tajik schallend lachte. „Kamil – ich, der Herrscher eines Landes! Welche Frau könnte mir da schon widerstehen?“

Das Wetter an der Gold Coast zeigte sich an diesem Tag von seiner besten Seite. Der wolkenlose blaue Himmel wurde nur gelegentlich von den Kondensstreifen eines Düsenflugzeugs durchzogen, während die leichte Brise, die vom Meer her wehte, die Hitze erträglicher machte und die Palmen, die den Swimmingpool säumten, sanft hin und her wiegte. Das glasklare Wasser funkelte und glitzerte in der Sonne wie von Tausenden winziger Diamanten übersät.

Es ist ein perfekter Tag, wenn es so etwas überhaupt gibt, dachte Morgan. In entspannter Atmosphäre und einer Umgebung, wie sie schöner nicht sein konnte, saß sie hier neben einer faszinierenden Frau aus einem fernen Land, nur um ihr Gesellschaft zu leisten. Morgan liebte die Geschichten, die Nobilah ihr über das märchenhafte Land Jamalbad erzählte. Sie konnte sich die spektakulären Sonnenuntergänge in der Wüste, die leuchtenden Farben, die exotischen Düfte und das bunte Treiben in den Suks, wie man die einheimischen Märkte nannte, lebhaft vorstellen.

Ja, es war ein Traumjob. Schade nur, dass die Zeit viel zu schnell verging. In zwei Wochen würde Nobilah, diese überaus liebenswerte und sanftmütige Frau, nach Jamalbad zurückkehren. Dann werde ich von der Zeitarbeitsagentur bei einem anderen Kunden eingesetzt, dachte sie und seufzte. So viel Glück wie hier würde sie nicht noch einmal haben. Wahrscheinlich musste sie demnächst wieder zehn Stunden am Tag in einem Büro sitzen und für einen Workaholic arbeiten, der einen enormen Verschleiß an Mitarbeiterinnen hatte.

Die mir verbleibenden zwei Wochen werde ich jedenfalls genießen, nahm sie sich vor.

Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Der schwere, süßliche Duft, den die Frangipani verbreiteten, erfüllte die Luft. Sie ließ der Fantasie freien Lauf und stellte sich vor, in Nobilahs Heimat Jamalbad die heiße Wüstenluft auf ihrer Haut zu spüren und sich die Sinne von dem verführerischen Duft der Orangenblüten in den traumhaft schönen Palastgärten mit der üppigen Vegetation betören zu lassen.

Plötzlich legte sich ein Schatten über ihre Augen, so als wäre die Sonne hinter einer Wolke verschwunden. Doch sie wusste genau, dass am Himmel keine einzige Wolke zu sehen gewesen war, und riss die Augen auf.

Ein hochgewachsener schlanker Mann hatte sich mit dem Rücken zur Sonne vor ihr aufgebaut. Sie konnte sein Gesicht nicht deutlich erkennen, spürte jedoch seinen durchdringenden Blick. Der Mann schien sie ungeniert zu mustern und wirkte seltsam bedrohlich.

Alarmiert stand sie auf, damit sie sich ihm gegenüber nicht mehr ganz so klein und unbedeutend fühlte. Doch immer noch überragte er sie um Haupteslänge. Sie sah ihm in die goldbraunen Augen, die einen verblüffenden Kontrast zu den beinah schwarzen Wimpern und den dichten und genauso dunklen Augenbrauen bildeten.

Noch nie zuvor war sie einem Mann begegnet, der so unglaublich männlich wirkte. Und noch nie zuvor hatte sie sich wie ein Insekt unter dem Mikroskop gefühlt. Es störte sie ungemein, dass er sie so unverhohlen musterte, sie konnte sich jedoch seiner faszinierenden Ausstrahlung nicht entziehen. Mit einer Mischung aus Neugier, freudiger Erwartung und Furcht hielt sie seinem Blick stand.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte sie schließlich, als sie das sich endlos hinziehende Schweigen nicht mehr ertragen konnte.

Es zuckte um seine Mundwinkel, und ihr fielen seine verführerischen Lippen auf.

„Das hoffe ich sehr“, erwiderte er rätselhaft.

In dem Moment drehte sich Nobilah zu ihm um. „Tajik, du bist schon zurück!“, rief sie aus. „Warum hast du nicht vorher angerufen?“

Abrupt wandte er sich von Morgan ab. „Ich wollte dich überraschen. Wir waren früher fertig als geplant“, erklärte er und ging auf seine Mutter zu. Liebevoll schloss er sie in die Arme, hob sie hoch und schwang sie in ihrem langen dunklen Gewand im Kreis herum.

„Die Überraschung ist dir gelungen.“ Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Ich bin ja so froh.“

Morgan beobachtete die kleine Szene und wartete auf den richtigen Moment, um sich zurückzuziehen. Das war also Nobilahs Sohn. Sie hatte ihn sich älter vorgestellt, denn Nobilah war ungefähr Mitte sechzig. Dieser Mann konnte jedoch höchstens Anfang oder Mitte dreißig sein. In ihren Erzählungen hatte Nobilah ihn oft als einen dunkelhaarigen Jungen beschrieben, der wild und ungezähmt in der Wüste von Jamalbad aufgewachsen und erst in die Hauptstadt gekommen war, als ihr Mann überraschend zum Herrscher des Landes ernannt wurde. Der Junge war aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen worden und hatte sich an ein Leben voller strenger Regeln und an die hohen Anforderungen, die man auf einmal an ihn stellte, erst gewöhnen müssen.

Jetzt verriet an ihm nichts mehr jenen frei und ungezwungen aufgewachsenen Jungen. Mit der stolzen Haltung, der Aura von Macht und Stärke, die ihn umgab, und dem Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, war er der geborene Herrscher.

So als spürte er ihre Gedanken, drehte er sich zu Morgan um und sah ihr in die Augen. „Das ist also deine neue Gesellschafterin“, wandte er sich dann wieder an seine Mutter. „Bist du mit ihr zufrieden?“

„Natürlich bin ich mit Morgan zufrieden, sehr sogar.“ Nobilah warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Lass mich dir Miss Fielding vorstellen.“

Dass er über sie sprach, als wäre sie gar nicht da, irritierte und ärgerte Morgan, was er wahrscheinlich auch beabsichtigt hatte. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war entsprechend kühl und abweisend.

Wenn es ihm überhaupt aufgefallen war, ließ er es sich nicht anmerken. „Morgan Fielding“, wiederholte er so langsam, dass der Klang ihres eigenen Namens ihr seltsam fremd und unvertraut vorkam.

Er lächelte und zeigte dabei eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne. Er wirkte geradezu unverschämt selbstbewusst. Insgeheim verglich sie ihn mit einem Tiger, der sich seiner Beute allzu sicher war. Mit seinen goldbraunen Augen sah er sie so durchdringend an, als wollte er die intimsten Geheimnisse ihrer Seele erforschen, von deren Existenz sie selbst nichts wusste. Dieser Mann gibt sich nicht mit halben Sachen zufrieden, warnte eine kleine innere Stimme sie, und Morgan erbebte unwillkürlich.

Schließlich reichte er ihr die Hand. Sein fester Händedruck beeindruckte sie, wie sie sich eingestand.

Er hob ihre Hand langsam höher und schaute ihr dabei tief in die Augen. Sie glaubte schon, er würde ihre Finger mit den Lippen berühren, doch plötzlich hielt er inne und sagte mit einem angedeuteten Lächeln: „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“

Ihr Herz klopfte wie wild, während sie nach den passenden Worten suchte. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Scheich Tajik“, brachte sie mühsam hervor.

Sein Lächeln wurde breiter, sein Blick blieb jedoch wachsam und abschätzend. „Da haben Sie mir etwas voraus“, erwiderte er. „Ich weiß nichts von Ihnen, aber ich versichere Ihnen, das wird sich bald ändern.“

Er meinte es ernst, dessen war sie sich sicher. Sie bekam eine Gänsehaut, als er ihr Handgelenk mit dem Daumen sanft streichelte.

„Tajik, du brauchst nicht gleich mit meiner Gesellschafterin zu flirten“, unterbrach Nobilah die kleine Szene. Der leichte Tadel in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Bei einer Tasse Tee erzählst du mir erst einmal, wie es in Paris war.“

„Ich hole den Tee“, bot Morgan an, froh über die Möglichkeit, die Hand zurückziehen und flüchten zu können. Ihr prickelte die Haut, und sie hatte das Gefühl, Tajiks Blick im Rücken zu spüren, als sie davoneilte.

Glaubte Nobilah wirklich, er hätte mit ihr geflirtet? Jedenfalls hatten sich seine Worte irgendwie bedrohlich angehört, und seine Finger auf ihrer Haut waren ihr wie ein einziges Versprechen vorgekommen.

Wieder erbebte sie und hätte die beunruhigenden Gefühle am liebsten abgeschüttelt, während sie das Haus durch die breite Glastür betrat und das riesige Wohnzimmer und die geflieste Eingangshalle durchquerte. Plötzlich drangen Kamils etwas leisere und Antons erhobene Stimme aus der Küche zu ihr. Anton war Chefkoch in einem der besten Hotels in Brisbane gewesen, ehe man ihn für die Dauer von Nobilahs Aufenthalt abgeworben hatte.

„Ich habe doch einen Vertrag“, protestierte der Koch. „Sie können mir nicht fristlos kündigen!“

Sie blieb an der Tür stehen. Warum man Anton kündigen wollte, konnte sie sich nicht erklären. Er war ein perfekter Koch, und die Gerichte, die er ihnen servierte, schmeckten köstlich. Wiederholt hatte Nobilah geäußert, sie würde ihn gern überreden, mit ihnen nach Jamalbad zu kommen.

„Es ist ja auch keine fristlose Kündigung in dem Sinne“, entgegnete Kamil in einem Tonfall, der sowohl Nachsicht als auch Entschlossenheit ausdrückte. „Das Ihnen bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Zeit zustehende Gehalt wird Ihnen in einer Summe zusammen mit einer großzügigen Entschädigung für vielleicht entstehende Nachteile ausbezahlt.“

Anton murmelte irgendetwas vor sich hin, und Morgan entschloss sich, zurückzugehen und den Tee später zu holen, als Kamil hinzufügte: „Morgen früh fliegen wir nach Jamalbad zurück. Sie brauchen nur ein leichtes Frühstück vorzubereiten, dann können Sie Ihre Sachen packen. Das Haus wird nach unserer Abreise abgeschlossen.“

Also braucht man mich wohl auch nicht mehr, überlegte Morgan. Sie hörte Anton in der Küche mit dem Geschirr klappern, so als wollte er seinem Ärger über die Neuigkeit Luft machen.

Sie hatte sich darauf eingestellt, noch zwei Wochen lang hier zu sein, und jetzt erfuhr sie, dass ihr keine vierundzwanzig Stunden mehr blieben. Damit musste sie erst einmal zurechtkommen. Die Aussicht, schon bald wieder von morgens bis abends in einem Büro zu sitzen, gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Miss Fielding?“

Morgan blinzelte. Kamil stand mit gerunzelter Stirn an der Küchentür, und sie machte sich auf das Schlimmste gefasst. Wahrscheinlich würde er ihr jetzt auch kündigen. Doch er stand nur da und sah sie an.

„Haben Sie einen Wunsch?“, fragte er schließlich.

Sie zögerte. Immer noch rechnete sie damit, er würde jeden Moment erklären, dass sie nicht mehr gebraucht wurde. Als jedoch nichts dergleichen geschah, nickte sie und antwortete unbehaglich: „Ich wollte Tee holen für den Scheich und seine Mutter.“

Sekundenlang betrachtete er sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Mitleid. Dann rief er über die Schulter: „Anton, machen Sie bitte eine Kanne Tee.“ An Morgan gewandt, fügte er hinzu: „Wollten Sie sonst noch etwas?“

„Nein“, erwiderte sie leise.

„Dann entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch viel zu tun.“ Er nickte und wandte sich zum Gehen.

„Kamil …“, begann sie, entschlossen, sich Klarheit zu verschaffen.

Er hielt inne. „Ja?“

„Es tut mir leid, ich habe Ihr Gespräch mit Anton zufällig mitbekommen. Sie fliegen schon morgen nach Jamalbad zurück?“

„Ja, das ist richtig.“

„Alle? Auch Nobilah?“

„Ja“, bestätigte er.

„Ich verstehe“, flüsterte sie.

Er zögerte einen Augenblick, und wieder huschte ein Anflug von Mitleid über sein Gesicht, ehe er eine professionelle Miene aufsetzte. „Ist das alles?“

„Natürlich.“

Warum hat er mich so mitleidig angesehen, überlegte Morgan, als sie wenig später mit dem Tablett aus der Küche kam. Glaubte er vielleicht, sie erwarte auch eine großzügige Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Vertrags?

In dieser Hinsicht hatte er von ihr nichts zu befürchten. Anders als Anton, der bereits länger als zwei Monate hier war, hatte sie die Stelle erst vor etwas über einer Woche angetreten. Schon allein deshalb wäre sie mehr als zufrieden, wenn man ihr das Gehalt für die gesamte Laufzeit des Vertrags ausbezahlte.

Als sie die Terrasse betrat und Nobilah mit ihrem Sohn erblickte, bekam sie Herzklopfen. Die beiden gingen über die Steinfliesen um den großen Swimmingpool herum. Tajik überragte seine Mutter, eine zierliche Frau mit üppigen Rundungen, die in der bei jedem Schritt wehenden Abaya aus weicher Seide sehr elegant aussah, um mehr als einen Kopf.

Mit seiner Größe, den breiten Schultern und dem markanten Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt wirkte, war er eine außergewöhnlich beeindruckende Erscheinung. Das helle Seidenhemd ließ seine muskulöse Brust erahnen, und die perfekt geschnittene dunkle Hose betonte seine schmalen Hüften und die langen Beine.

Morgan betrachtete sein energisches Kinn und die gerade Nase. Alles an diesem Mann sprach von Macht, Kraft und Stärke.

Die vorzeitige Abreise musste mit seiner Rückkehr zusammenhängen, denn bisher war davon keine Rede gewesen. Seufzend ging sie weiter und nahm sich vor, das Tablett mit dem Tee nur auf den kleinen Tisch zu stellen und sogleich wieder zu verschwinden, während Mutter und Sohn an das andere Ende des Swimmingpools wanderten. Morgan hatte keine Lust, sich noch einmal den forschenden Blicken dieses Mannes auszusetzen. Aus irgendeinem Grund ging er ihr viel zu sehr unter die Haut.

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb.
Nach...
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