Tiffany Exklusiv Band 46

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ICH KANN ES KAUM ERWARTEN, DARLING von NELSON, RHONDA
Nach einer Ohnmacht ist Krimiautorin Faith überzeugt, Zoe zu sein - ihre hübsche Romanfigur! Gefangen in ihrer Rolle, lockt sie den attraktiven Lex ins Bett. Aber soll Lex wirklich mit Faith schlafen? Schließlich ist er nicht der Mann, für den sie ihn hält …

WIE 1000 FEUER von SHARPE, ISABEL
Es knistert heftig, als Cynthia der erotischen Stimme am Telefon lauscht! Gern erklärt sie sich bereit, sich anstelle ihrer Freundin mit dem geheimnisvollen Ken aus der Kontaktanzeige zu treffen. Denn eins ist sicher: Cynthia sehnt sich schon lange nach einem Abenteuer!

EROTISCHE FANTASIEN WERDEN WAHR von KEARNEY, SUSAN
Männerträume werden wahr, als Produzent Quinn Scott nach einem Kostümball von einer maskierten Schönheit verführt wird. Aber wer ist diese Frau, die ihn in den siebten Erotik-Himmel katapultiert? Doch nicht etwa Laine Lamonde, die Hauptdarstellerin aus Quinns neuem Film?

VERDAMMT, JETZT KÜSS MICH! von ROCK, JOANNE
Chloe hat ihr konservatives Leben satt und brennt darauf, ihre geheimsten Fantasien auszuleben! Ist Eric der Richtige, um ihre sexuellen Wünsche zu erfüllen? Chloe ist verwirrt! Zwar funkt es heftig zwischen ihr und Eric, aber eine Wahrsagerin sprach von zwei Verehrern …


  • Erscheinungstag 02.08.2016
  • Bandnummer 0046
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752521
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rhonda Nelson, Isabel Sharpe, Susan Kearney, Joanne Rock

TIFFANY EXKLUSIV BAND 46

1. KAPITEL

„Wessen Idee war das noch mal?“

„Deine“, erwiderte Trudy gelassen.

Faith Bonner biss sich auf die Unterlippe und bedachte die vorbeiziehende Landschaft nur mit einem flüchtigen Blick, während sie der gewundenen Straße folgten, die immer tiefer in die Great Smoky Mountains von Tennessee führte. Trotz der atemberaubenden herbstlichen Farben durchfuhr Faith ein Schauer der Beklommenheit. „Nun, es war eine sehr schlechte“, sagte sie grimmig.

„Nein, war es nicht“, entgegnete ihre Assistentin. „Es war eine fantastische Idee.“ Sie stieß Faith spielerisch in die Seite. „Du musst dich bloß entspannen. Das war auch der Grund, wieso wir so früh gekommen sind, erinnerst du dich? Ich werde alles für das Haltet-den-Dieb-Spiel sorgfältig arrangieren, das bestimmt ein spektakulärer Erfolg werden wird. Und du wirst dich ausruhen.“

Das wäre wirklich nicht schlecht, dachte Faith. Ihre Muskeln taten jetzt schon weh vor Anspannung. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Sie hätten das Publicity-Ereignis wunderbar in irgendeinem guten Hotel in Nashville abhalten können oder in sonst irgendeiner großen Stadt. Nicht in der Wildnis von Tennessee, wo es alle hundert Meter ein Schild gab, das einen davon abriet, die Bären zu füttern.

Faith hatte sicherlich nichts gegen die Natur, aber sie zog doch die modernen Annehmlichkeiten der Stadt vor. Wie es hieß, besaß ihr Reiseziel, die „Oak Crest Lodge“, allen notwendigen Komfort, aber Faith wurde unwillkürlich nervös, so weit von jeglicher Zivilisation entfernt. Zwar war sie nicht unbedingt ein eingefleischter Stadtmensch, aber sie konnte sich nicht an ein einziges Camping-, Wander- oder sonstiges Abenteuer in der freien Natur erinnern, das nicht in einer Katastrophe geendet hatte. Gebrochene Knochen, Schlangenbisse, Ausschlag durch Giftsumach, um nur einiges zu nennen, das alles war ihr schon zugestoßen. Sie war ein ausgemachter Pechvogel und Tollpatsch, eine Tatsache, die sie schon vor langer Zeit hatte akzeptieren müssen.

Und wie um alles noch schlimmer zu machen, war sie als kleines Kind von einem Hund angegriffen worden – ausgerechnet von einem Chihuahua, man stelle sich das vor! –, aber die Erfahrung war eindeutig traumatisch für sie gewesen, und seitdem fürchtete Faith sich vor so ziemlich allen Tieren, besonders solchen mit Zähnen. Sie bewegte sich unruhig auf ihrem Sitz. Bei dem Gedanken an all die wilden Tiere mit riesigen, glänzenden Schneidezähnen, die sich in diesen wunderschönen Wäldern verstecken mussten, wurde ihr ganz flau im Magen vor Angst.

Trudy nahm geschickt eine Haarnadelkurve. „Ich verstehe nicht, wieso du dir solche Sorgen machst, Faith“, tadelte sie sanft. „Du weißt doch genau, was du tun musst. Du weißt Bescheid über die Hauptfigur – schließlich schreibst du die Zoe-Wilder-Bücher seit Jahren – und du hast auch den Minikrimi für dieses Wochenende verfasst. Warum bist du also so nervös?“

Faith lächelte schwach. „Ach, ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich ist die Vorstellung, mich zum Narren zu machen, ein wenig einschüchternd.“

Trudy schnaubte aufgebracht. „Du wirst keinen Narren aus dir machen. Zuerst einmal wird niemand außer dir wissen, wenn du einen Fehler machst. Und zweitens werden die Fans so begeistert darüber sein, an dieser Sache teilnehmen zu dürfen, dass nichts anderes wichtig sein wird für sie.“

Faith hatte so ihre Zweifel, was das anging. Sie wusste, dass ihre Leser von ihr erwarteten, dass sie genauso kühn und draufgängerisch und genauso aufregend und sexy war wie Zoe Wilder, die Heldin ihrer beliebten romantischen Abenteuerbücher. Faith stöhnte innerlich auf. Sie und Zoe waren absolute Gegensätze. Faith hatte Zoe absichtlich all die Eigenschaften gegeben, die sie selbst so gern besessen hätte, aber leider nicht besaß.

Stattdessen lebte sie ihre Träume in den Geschichten ihrer verwegenen, schicken, klugen Heldin aus. Durch ihre Bücher war es dann so, als wäre auch Faith schön, mutig, furchtlos, charmant, witzig und sexy. Also würde auch Faith viel zu enge und zu kurze Röcke tragen, einen Wonderbra und knallroten Lippenstift. Und als Faith sich besonders einsam gefühlt hatte, hatte sie Zoe schließlich auch noch Nash gegeben – einen hartgesottenen Helden, wie die Welt ihn noch nicht gesehen hatte, und unwiderstehlichen Herzensbrecher, dessen Lächeln so heiß war, dass es eine Orchidee bei arktischen Temperaturen zum Blühen bringen konnte.

Faith machte ihn auch zum besten Liebhaber der gesamten nördlichen Hemisphäre, und sie konnte keine Liebesszene zwischen Zoe und Nash schreiben, ohne selbst einen überwältigenden Höhepunkt zu erleben. Sie brauchte nur an Nash zu denken, schon überlief es sie heiß.

Tatsächlich fürchtete sie, obwohl sie das niemals zugeben würde, dass der fiktive Nash Austin sie für jeden lebenden Mann verdorben hatte. Was wirklich erbärmlich war. Sie durfte gar nicht darüber nachdenken – sie hatte sich in einen Romanhelden verliebt, einen Mann, der nur in ihrer Vorstellung existierte.

Darüber hinaus hatte sie ihn zu einem so guten Menschen gemacht, dass kein echter Mann mit ihm konkurrieren konnte. Oder wenn irgendjemand das konnte, so war Faith ihm jedenfalls noch nicht begegnet. Und wenn sie ihm begegnen sollte, dann würde er sich nicht für sie interessieren, denn Männer wie Nash schenkten ihr selten einen zweiten Blick, fast so, als wäre sie unsichtbar.

Meistens zog sie es auch vor, unbemerkt zu bleiben. Sie liebte Ruhe und Ordnung, da sie in ihrer Kindheit genug Chaos hatte ertragen müssen, und verbrachte ihre Tage also möglichst ohne Ärger und Aufregung. Sie stand jeden Morgen zur selben Zeit auf, joggte ein paar Meilen, kam nach Hause, duschte, frühstückte, setzte sich dann an ihren Computer und arbeitete an ihrem derzeitigen Roman, bis ihr Magen knurrte. Dann aß sie zu Mittag und arbeitete bis zur nächsten Hungerattacke, die dann auch das Ende der täglichen Arbeit am Computer einleitete.

Gelegentlich änderte die Routine sich, wenn Faith völlig durchdrehte und ihren Laptop benutzte, aber meistens war ein Tag wie der andere. Es gefiel ihr so. Es lag ein gewisser Trost in dieser Monotonie, die andauerte, bis das nächste Buch erschien. Dann geriet ihre kleine Welt regelmäßig aus den Fugen.

Faith brachte jeden September ein Buch heraus und verbrachte dann den Monat und die folgenden zwei auf Lesetour, um für das Buch zu werben. Sie genoss es, ihre Leser zu treffen und ihre Gedanken über ihre Bücher zu hören, und sie lernte gern neue Städte kennen – aber sie hasste die Interviews, und sie hasste es, wenn aufmerksame Leser erkannten, dass ihre Masche, sich wie Zoe zu geben, nichts anderes als eben eine Masche war. Kein noch so großer Erfolg, keine noch so große Geldsumme konnte sie für diese Momente, in denen sie sich furchtbar unzulänglich fühlte, entschädigen.

Dieses Jahr hatte sie beschlossen, etwas anderes anzubieten, eine Art Wettbewerb, bei dem zehn glückliche Fans die Chance bekamen, ein Wochenende mit ihr zu verbringen und ein Verbrechen mit ihr aufzuklären. Faith hatte ihre Idee beim Verlag vorgestellt, und alle waren begeistert gewesen. Sie und Trudy hatten eine Krimihandlung entworfen und jedem Teilnehmer eine bestimmte Rolle zugeordnet. Dossiers mit Anweisungen und einer Liste der Verdächtigen waren an alle Mitspieler verschickt worden. Sie würden sich alle ihrer Rolle entsprechend vorbereiten, um an dem Spiel teilnehmen zu können.

Faith würde natürlich Zoes Rolle übernehmen. Trudy hatte in dieser Hinsicht natürlich recht, keiner kannte Zoe Wilder besser als Faith. Nur dass sie nicht wusste, ob sie sich darüber freuen oder in Panik geraten sollte.

„Okay“, sagte Trudy, und nach dem energischen Ton ihrer Stimme zu schließen, wollte sie wieder mal einen Erledigungscountdown durchführen. „Lass uns noch mal alles durchgehen, um sicher zu sein, dass wir an alles gedacht haben.“

Faith unterdrückte ein Lächeln. „Okay.“

„Hast du eine Kopie von allen Rollen des Spiels?“

„Ja.“

„Hast du die Liste der Gewinner und die Informationen über sie?“

„Ja.“

„Eine Kopie vom Krimispiel?“

Faith nickte.

„Deine Zoe-Kleidung?“

„Ja.“

Tatsächlich hatte Faith die Verkäuferin in dem Einkaufszentrum, das sie immer besuchte, zu Tode erschreckt. Faiths Geschmack tendierte eher zu sanften Erdtönen und neutralen Farben. Ihr Kleiderschrank enthielt ein trauriges Meer von Beige, Braun und Rostfarben. Faith war sicher, dass sie in Zoes lebhafter, aufreizender Garderobe absolut lächerlich aussehen würde. Sie hatte sich wahrscheinlich doch etwas zu sehr von einer heimlichen und unausgelebten Vorliebe für Miniröcke, scharfe Dessous und Pailletten mitreißen lassen, aber wer hätte das an ihrer Stelle nicht getan? Alle Romanfiguren hatten übertriebene Charakterzüge bekommen, also würde Faith wenigstens nicht die einzige sein, die einen ziemlich überdrehten Eindruck machte.

Faith war sogar zu einem Kostümshop gegangen und hatte ein bisschen technischen Schnickschnack und ein täuschend echt aussehendes Schießeisen gekauft, mit dem sie sich allerdings nur dann verteidigen könnte, wenn sie es jemandem über den Schädel schlug.

„Und John kommt am Freitag?“

„Genau, und er ist auch gut für seine Rolle ausgestattet.“

Trudy kicherte. „Ich kann’s nicht erwarten, das zu sehen.“

„Ich auch nicht.“ Faith lächelte unwillkürlich. John Wallace, ihr Lektor, würde die Rolle von Nash übernehmen. Aber er ähnelte ihrem Herzensbrecher Nash in etwa so sehr wie sie Zoe, also passten sie in dieser Hinsicht wunderbar zusammen. Faith seufzte leise.

Abgesehen von der Möglichkeit, eventuell Bären und Luchsen mit großen, Furcht einflößenden Zähnen zu begegnen, war sie sicher, dass das Experiment aufregend sein würde. Obwohl sie nervös war, freute sie sich darauf, in die Rolle ihres Alter Ego zu schlüpfen, wenn auch nur für kurze Zeit. Natürlich würde sie sich sehr viel mehr freuen, wenn sie nur diese seltsame Vorahnung abschütteln könnte. Aus Gründen, die sie sich nicht erklären konnte, fühlte sie sich komisch, als wäre sie kurz davor, in eine Falle zu tappen.

Was natürlich lächerlich war, solange die energische Trudy bei ihr war. Faith warf ihrer guten Freundin und Assistentin einen verstohlenen Seitenblick zu.

Trudy gehörte zu den romantischsten Menschen, die Faith kannte, aber sie war gleichzeitig unglaublich tüchtig. Trudy würde kein Chaos zulassen und keinen noch so kleinen Fehler bei ihrem Projekt. Sie war ein kleiner, feuriger Dynamo in Pumps und konnte, wenn nötig, besser Befehle brüllen als ein Feldwebel.

Du machst dir ganz ohne Grund Sorgen, sagte sich Faith, und entspannte sich. Alles würde gut gehen.

„Ich denke, das wäre alles“, sagte Rudy schließlich. „Es wird ein mordsmäßiger Spaß werden. Du wirst fantastisch sein.“ Sie lächelte verständnisvoll. „Ich glaube, du bist Zoe ähnlicher, als du denkst.“

Faith würdigte sie keiner Antwort.

Nach etwa noch ein, zwei Meilen den Berg hinauf, vorbei an wunderschönen Aussichtspunkten und malerischen Flussbiegungen, fuhr Trudy den Wagen unter einem Bogen aus Stein und Zedernholz hindurch, auf dem der Name Oak Crest Lodge stand.

„Da sind wir“, verkündete sie unnötigerweise.

Das große Spitzdachhaus aus Steinen und Zedernholz harmonierte so gut mit der Umgebung, dass man den Eindruck bekam, es wachse aus der Erde heraus, so wie die Bäume. Farbenfroh verfärbte trockene Blätter sprenkelten das Dach, lagen in den Dachrinnen und auch auf der langen, verwitterten vorderen Veranda. Moos und Pilze wuchsen an der Grundmauer und schienen aus den Mauerritzen zu kriechen.

Farne in verschiedenen Herbstfarben waren in alte Waschkübel, Fässer und Gießkannen gepflanzt worden, die in keiner bestimmten Ordnung auf der Veranda standen. Prächtiger wilder Wein, dessen Blätter herrliche Schattierungen von Gelb bis Rot aufwiesen, rankte sich um die riesigen Türen aus rauem Zedernholz.

Faith löste ihren Sicherheitsgurt, als der Wagen hielt, und betrachtete das Haus. Ein komisches Gefühl nistete sich wieder in ihrer Brust ein. Trudy plauderte inzwischen begeistert weiter.

Obwohl Faith in ihrem ganzen Leben noch nicht hier gewesen war und das Hotel nicht einmal im Entferntesten ihrem modernen zweistöckigen Haus in Brentwood ähnlich sah, fühlte sie sich so, als wäre sie nach Hause gekommen. Sie konnte es nicht anders ausdrücken. So wie man sich fühlte, wenn man einen alten, lieben Freund wiedersah, der einem sehr gefehlt hatte. Was natürlich völlig unmöglich und verrückt war.

Ihre Eltern waren zwar immer sehr viel unterwegs gewesen und nie lange genug an einem Ort geblieben, um Wurzeln zu schlagen, aber Faith wusste, dass sie nie in diesen Teil der Staaten gekommen waren. Sie musste sich wirklich über sich wundern.

Sie schüttelte das seltsame Gefühl ab, stieg aus und streckte sich. Ihre Nackenmuskeln waren wieder angespannt, ihre Beine fühlten sich bleischwer an.

„Ist das nicht das schönste Haus, das du je gesehen hast?“, rief Trudy. „Die Fotos werden ihm überhaupt nicht gerecht.“ Sie warf den Kopf zurück und atmete tief ein. „Die Luft ist so frisch und sauber. Es ist einfach herrlich hier.“

Faith musste ihr zustimmen. Das Gebäude strahlte Gemütlichkeit und Wärme aus. Es war vielleicht ein wenig abgenutzt hier und da und brauchte ein wenig mehr liebevolle Fürsorge, aber sie war sofort bezaubert.

Das Aufblitzen von etwas Großem, Schwarzem erregte ihre Aufmerksamkeit und ließ sie mitten in der Bewegung innehalten. Die Kehle wurde ihr eng, und ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken.

Faith drehte sich langsam um, und in dem Moment, der verging, bis ihr Gehirn registrierte, welch fürchterliches Monster unaufhaltsam auf sie zuraste, erstarrte sie vor Entsetzen. Sie konnte sich nicht rühren. Sie konnte kaum atmen, geschweige denn sich bewegen.

Also schrie sie nur.

Und dann fiel sie in Ohnmacht.

2. KAPITEL

Lex Ellenburg hob abrupt den Kopf, als ein ohrenbetäubender Schrei die Stille zerriss. Nein, nicht schon wieder Pooh! dachte er bedrückt. Er hatte nicht die Zeit, sich noch eine Predigt der Park Ranger anzuhören. Es gab genügend andere Probleme, mit denen er fertig werden musste.

Zum Beispiel, wie er sein erst vor kurzem eröffnetes Hotel über die Runden bringen konnte. Er hieb die Axt in einen Holzklotz und rannte zur Vorderseite des Hauses. Der junge Bär kam in letzter Zeit immer häufiger vorbei. Bei den meisten Besuchern handelte es sich sowieso um Stammkunden, und die kannten Poohs Neigung, sich auf dem Grundstück herumzutreiben. Aber es gab immer wieder mal einen Neuankömmling, der ihn entdeckte und schrie wie ein verwundeter Eber.

Und der ihn, Lex, dann anzeigte.

Lex war eigentlich davon überzeugt, dass Pooh zu zahm war, um eine echte Bedrohung darzustellen, aber er war trotz alledem ein wildes Tier, und Tiere waren nun mal unberechenbar. Lex presste die Lippen zusammen. Genau wie Frauen.

Er kam um die Ecke herum und atmete erleichtert auf. Dem Himmel sei Dank, es war doch nicht Pooh. Nur Beano. Sicher, der riesige schwarze Labrador hatte eine kleine Frau zu Boden geschickt, aber sie war nicht wirklich in Gefahr. Das Schlimmste, das Beano ihr antun konnte, war, sie mit seinen feuchten Küssen zu ertränken. Aber in jedem Fall konnte es nicht gut fürs Geschäft sein, wenn sein Hund die Gäste auf den Boden warf.

„Beano!“, rief Lex scharf. „Runter da!“

„Runter!“, rief auch eine andere Frau, die verzweifelt versuchte, den riesigen Hund von ihrer Freundin fortzuzerren. Genauso gut hätte sie versuchen können, mit einem Löffel einen Berg zu versetzen. „Weg mit dir, du großer Ochse!“ Als sie Lex entdeckte, wirkte sie erleichtert. „Gut, dass Sie kommen. Sorgen Sie dafür, dass er sofort von ihr weggeht!“

Mit heraushängender Zunge saß Beano da und sah mit seinen seelenvollen braunen Augen zu Lex auf, als wollte er sagen: „Guck mal, was ich gefunden habe. Ein neues Spielzeug.“

Erst in diesem Moment fiel Lex auf, dass die Frau auf dem Boden unnatürlich still dalag. Sie machte keinen Versuch, den Hund von ihrer Brust zu schieben, und sie schrie nicht. Kein gutes Zeichen. Lex fluchte innerlich. Mit klopfendem Herzen eilte er an ihre Seite, ging in die Knie und schob Beano von ihr herunter. „Verschwinde, verdammt!“ Er suchte nach sichtbaren Verletzungen, und die besorgte Freundin hockte neben ihm, nahm die Hand der Frau und schüttelte sie leicht. „Faith? Oh, Faith!“

Kein Blut, dachte Lex, aber er war noch weit davon entfernt, erleichtert zu sein. Er tastete ihre Glieder nach gebrochenen Knochen ab und prüfte dann ihren Puls. Das starke Pochen ihres Pulses nahm ihm ein wenig von seiner Angst.

Er sah auf. „Hat sie sich den Kopf gestoßen, als der Hund sie umwarf?“

„Faith? Ach komm doch endlich zu dir“, flehte die Freundin verzweifelt. „Ich weiß nicht“, fuhr sie aufgeregt fort. „Ich war auf der anderen Seite des Wagens. Aber der Hund hat sie nicht umgeworfen. Sie wurde ohnmächtig, bevor er bei ihr war.“

Lex hob erstaunt die Augenbrauen. „Ohnmächtig?“

„Sie wurde von einem Hund angegriffen, als sie noch ein Kind war“, verteidigte sie ihre Freundin und sah Lex vorwurfsvoll an. „Ich bin ja sicher, dass er harmlos ist, aber er stürzte sich auf sie wie ein wilder Stier. Das Tier wird eingesperrt, solange wir hier sind.“ Ihr gefiel der Gedanke offensichtlich nicht, aber sie schien trotzdem entschlossen zu sein.

Beano jaulte leise, als hätte er jedes Wort verstanden, kam zu Lex getrottet und vergrub seine feuchte Schnauze an Lex’ Hals.

Lex gab ihm einen liebevollen Schubs. „Ich kümmere mich nachher um dich“, sagte er. Dieser verflixte Hund! Lex wollte ihn nicht einsperren, aber er glaubte nicht, dass ihm etwas anderes übrig bleiben würde.

„Wir wollen sie hineinbringen.“ Er hob sie vorsichtig hoch, und trotz der Sorge um sie fiel ihm auf, dass ihr zierlicher Körper alle nötigen weiblichen Rundungen besaß und zwar an genau den richtigen Stellen. Sie fühlte sich sehr angenehm an, so weich und weiblich. Ihr zarter blumiger Duft reizte seine Sinne. Sie hatte ein glattes, herzförmiges Gesicht, eine schmale, von Sommersprossen gesprenkelte Nase und ein zierliches Kinn. Mit all diesen Einzelheiten wäre sie einfach nur niedlich gewesen, aber da war noch dieser volle, sinnliche Mund, durch den sie eine wahre Schönheit wurde. Ihr seidenweiches braunes Haar streifte bei jedem Schritt, den Lex machte, seinen Arm, und zu seiner großen Überraschung begann plötzlich sein Blut zu kochen.

Er unterdrückte ein hilfloses Lachen. Das zeigte ihm nur wieder einmal, wie nötig er es hatte, wieder mit einer Frau zu schlafen. Er hatte weder die Zeit noch die Energie dazu gehabt. Sein Hotel in die schwarzen Zahlen zu bekommen und das Gebäude instand zu halten hatte ihm in den vergangenen Monaten nicht einmal erlaubt, einen einzigen Morgen auszuschlafen, geschweige denn eine Frau zu suchen, die bereit gewesen wäre, mit ihm entspannenden Sex zu haben.

Er sah wieder auf die Frau in seinen Armen herab, und sein Puls beschleunigte sich. Wenn er so tief gesunken war, ohnmächtige Frauen zu begehren, stand es wirklich schlimm um ihn.

Aber diese bestimmte Frau war besonders faszinierend. Lex konnte es sich nicht erklären, warum er so heftig reagierte. Er wusste nur, dass sein Herz wie wild klopfte, und er konnte nur mühsam den Blick von ihr abwenden und sich darauf konzentrieren, sie ins Haus zu tragen.

Die Freundin eilte voraus und öffnete die Tür zum Hotel. Lex bedankte sich und ging auf eins der großen Ledersofas vor dem Kamin zu. Behutsam legte er seine zierliche Last ab, und zu seiner großen Erleichterung rührte sie sich endlich. Sie war so schlaff wie eine Stoffpuppe gewesen, als er sie in den Armen gehalten hatte.

Jetzt flatterten ihre Lider leicht, dann öffnete sie sie, und große hellbraune Augen mit wunderschönen langen Wimpern sahen Lex an. Sie haben die Farbe von geschmolzenem Karamell, dachte Lex und schluckte mühsam. Der seltsame Druck auf seiner Brust verstärkte sich, und er vergaß plötzlich seine Umgebung.

Sie runzelte die Stirn, und ein verwundertes Lächeln glitt über ihr Gesicht. Lex’ Herz schlug noch schneller vor Erregung. „Nash?“, flüsterte sie ehrfürchtig.

Die Freundin stieß ihn ungeduldig beiseite. „Faith! Ein Glück, du bist wieder bei Bewusstsein! Geht es dir gut? Bist du verletzt?“

Nash? dachte Lex. Wer zum Teufel ist Nash?

Faith sah verwirrt von einem zum anderen, dann atmete sie scharf ein, schloss die Augen und stöhnte auf. „Ich … was … Du liebe Güte!“

„Ein Hund hat dich angegriffen“, erklärte die Freundin, „aber Mr. …“ Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.

„Ellenburg“, antwortete Lex.

„Mr. Ellenburg hat mir versichert, dass er das Tier einsperren wird, solange wir hier sind.“

Lex wollte seinen Hund nicht einsperren, das arme Tier würde unglücklich sein. Außerdem war Beano harmlos, und es schien ihm unfair, ihn für die Sünden eines anderen Hundes zu bestrafen. Aber Lex konnte sich nicht leisten, auch nur einen Gast zu verlieren, und er nahm außerdem an, dass diese beiden Frauen zu der Zoe-Wilder-Veranstaltung gehörten. Er konnte es sich auf keinen Fall riskieren, die ganze Gruppe zu verstimmen. Seine Miene verfinsterte sich unwillkürlich bei der Erinnerung an seine finanzielle Situation. Die Folgen wären einfach zu entsetzlich. Lex nickte knapp. Die Frau war eindeutig sehr erschrocken. Immerhin war sie ohnmächtig geworden. Da konnte er dem Hund nicht gut erlauben, frei herumzulaufen.

„Es tut mir wirklich sehr leid“, sagte er. „Es wird nicht wieder vorkommen.“

Sie schwang die Beine vom Sofa, setzte sich auf und rieb sich behutsam die Schläfen. Ein Blatt fiel aus ihrem Haar, und kleine Erdbröckchen bedeckten ihren Pulli und die dazu passende Hose. Auf ihrer Brust waren die Abdrücke zweier großer Pfoten zu sehen.

„Machen Sie sich keine Gedanken“, sagte sie matt mit einer leisen, kehligen Stimme, die bei Lex sofort Bilder von zerknitterten Laken und nackten Gliedern hervorrief. Fassungslos wurde ihm bewusst, dass ihn heiße Lust durchfuhr, und das wegen einer mitgenommen wirkenden Frau, die gerade aus einer Ohnmacht aufgewacht war. Sie klopfte den Schmutz von ihrem Pulli und errötete. „Es ist kein bleibender Schaden angerichtet worden, denke ich.“

Lex stieß langsam den angehaltenen Atem aus. Zum Glück schien sie eher verlegen als wütend zu sein. „Wie wäre es, wenn Sie erst mal einchecken und ich Ihnen Ihre Zimmer zeige? Vielleicht kann das Oak Crest Sie für Ihren Schrecken entschädigen.“

Die Freundin der ohnmächtig gewordenen Frau streckte die Hand aus. „Großartige Idee. Ich heiße Trudy Weaver, Mr. Ellenburg. Wir haben mehrmals miteinander telefoniert.“

Sein Lächeln schwand, während sie ihm die Hand schüttelte. Er sah von ihr zu ihrer Freundin und erlebte einen Schock. Wenn das Trudy Weaver war, dann musste die andere Frau, die sie Faith genannt hatte, Faith Bonner sein, die berühmte Schriftstellerin, mit deren Hilfe er hoffte, die Lodge für eine weitere Saison zu retten.

Ständig wurden auf dieser Seite des Berges neue große Hotels gebaut, die zu alle großen Hotelketten angehörten, und einem Familienbetrieb wie seinem fiel es immer schwerer, sich bei so viel Konkurrenz zu behaupten. Lex wusste nicht, wie viel länger er das noch durchhalten konnte, aber einfach aufzugeben und alles zu verkaufen kam nicht infrage. Er hatte bereits zwei sehr großzügige Angebote ausgeschlagen, bei denen er nicht wusste, von wem sie stammten. Lex war nicht einmal in Versuchung geraten. Sein Großvater hatte die Lodge gebaut, er hatte das Holz dafür eigenhändig gefällt. Und sein Vater hatte sich regelrecht umgebracht, um es zu erhalten – er war vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, während er das Dach ausgebessert hatte. Die Ellenburgs hatten zu viel Mühe und Herzblut in dieses Hotel gesteckt, um es jetzt einfach dichtzumachen. Solange er noch am Leben war, würde Lex nicht verkaufen. Er musste es irgendwie schaffen, sein Erbe zu erhalten.

Aber dass Beano von allen Gästen ausgerechnet Faith Bonner umrennen musste …

„Freut mich, Sie endlich kennen zu lernen“, brachte er schließlich hervor. Was für ein Albtraum! Er atmete tief ein und wartete auf die Vorstellung, die seine größten Befürchtungen bestätigen würde.

Lächelnd wandte sich Trudy an Faith. „Das ist Faith Bonner. Faith wird sich ein paar Tage hier ausruhen, während Sie und ich die letzten Einzelheiten für das Haltet-den-Dieb-Spiel durchgehen.“

Lex nickte und lächelte gezwungen. „Trotz aller gegenteiligen Anzeichen ist Oak Crest ein wundervoller Ort zum Entspannen. Hier gibt es etwas für jeden Geschmack.“

Faith wirkte nachdenklich und fuhr fort, ihn anzustarren, bis die Stille zwischen ihnen etwas zu lang wurde und Lex sich fragte, ob etwas mit ihm nicht in Ordnung war. Ihr Blick brachte ihn völlig aus der Fassung, und das war das Unheimlichste an der ganzen Situation. Es war fast, als würde er diese Frau kennen. Aber das war unmöglich, denn sie waren einander noch nie zuvor begegnet.

Zum Glück erbarmte Trudy sich seiner und beendete die seltsame Stille. „Ich bin sicher, es wird ihr hier gefallen.“ Sie schob Faith zur Rezeption. „Wollen wir nicht einchecken?“

Faith reagierte, als erwachte sie aus einer Trance. Sie warf ihrer Freundin einen verlegenen Blick zu und errötete leicht. „Sicher.“

Lex betete innerlich, dass ihnen nicht noch mehr Katastrophen zustießen, bevor sie die Anmeldeprozedur hinter sich gebracht und er die beiden zu ihren Zimmern begleitet hatte. Obwohl Faith nicht aufhörte, ihn während der ganzen Zeit eindringlich mit ihren faszinierenden Augen zu beobachten, was ihn sehr verunsicherte, erledigte er zügig die nötigen Formalitäten und gab Faith und Trudy seine schönsten Zimmer.

Dann ging er zur Küche, um sich ein Bier zu gönnen – er fand, er hatte es sich verdient nach einem solchen Zwischenfall – entschied sich aber doch für eine Limonade, weil sein Onkel ihn streng ansah.

Georges faltiges Gesicht drückte Sorge aus. „Was ist los?“

Was los war? Lex unterdrückte ein Lachen. Was war nicht los, war hier wohl eher die Frage. Bedauerlicherweise hatte er gerade der langen Liste seiner Probleme eine weitere Schwierigkeit hinzugefügt. Und dieses Problem war besonders beunruhigend: Er hatte sich auf den ersten Blick in Faith Bonner verliebt. Es konnte keine andere Erklärung geben für seine heftige Erregung, sein übertriebenes Interesse an ihrem Mund oder den heißen Schauer, der ihn überlief.

Aber er konnte sich nicht vorstellen, seinem Onkel dieses pikante Detail anzuvertrauen, also ließ er sich stattdessen über den Zwischenfall mit Beano aus. „Ich habe ihn hinter dem Haus eingesperrt“, beendete er seine Schilderung der dramatischen Ereignisse. „Aber ich weiß, dass er es hassen wird.“

George rieb sich das stoppelige Kinn. „Na ja, aber nicht so sehr, wie du es hassen würdest, diese Schriftstellerin und ihre komischen Fans als Gäste zu verlieren.“ Er nickte knapp. „Beano wird das schon irgendwie überstehen. Ist ja nur für ein paar Tage.“

George traf wie immer den Nagel auf den Kopf. Sein Onkel hatte feste Überzeugungen, und er hielt nie mit seiner Meinung hinter dem Berg, ob er darum gebeten wurde oder nicht. Lex grinste. Gerade das machte einen Teil von Georges Charme aus. Er war vielleicht manchmal ein wenig raubeinig, aber das Oak Crest wäre nicht dasselbe ohne ihn und würde ohne ihn wohl nicht funktionieren.

Kaum dass seine Mutter nach Florida gezogen war – es war zu schmerzlich für sie gewesen, nach dem Tod seines Vaters noch in der Lodge zu bleiben – hatte George die Küche zu seinem Refugium gemacht, und nach Lex’ Meinung gab es auf dieser Seite des Bergs keinen besseren Koch als ihn. Lex wusste nicht, was er ohne ihn tun würde. George war jetzt genauso ein Teil vom Hotel wie die Balken, die die Wände stützten.

Und das war nur noch ein Grund mehr, weswegen Lex alles tun musste, um den Familienbetrieb zu retten. Zu viele Menschen hingen von ihm ab, einschließlich George. Statt sich Gedanken über die schöne Faith Bonner mit dem aufregenden Mund zu machen, sollte er sich besser darauf konzentrieren, ihnen das Dach über dem Kopf zu erhalten.

Gütiger Himmel, dachte Faith. Lex Ellenburg sieht genauso aus wie Nash Austin. Ihr Herz machte einen Sprung, und es fiel ihr einen Moment lang schwer, zu atmen. Ihre Hände zitterten, ihr Mund war ganz trocken.

Wie Nash hatte Lex pechschwarzes Haar und blaue Augen. Er hatte das gleiche Grübchen in einer Wange und die sexy Kerbe im Kinn. Sogar die feine Narbe an seiner Schläfe hatte. Er war sehr groß und breitschultrig, vollkommen proportioniert wie ein griechischer Gott. Ein sehr passender Vergleich, denn Faith war mehr als bereit, ihn anzubeten und sich ihm als Opfer darzubieten.

Der Mann hatte jedes einzelne körperliche Merkmal, das sie Nash Austin vor mehr als vier Jahren gegeben hatte. Es war unglaublich und brachte sie völlig aus der Fassung. Als sie die Augen geöffnet und ihn über sich gesehen hatte … Faith erschauerte. Ihr Herz hatte vor Freude einen Sprung gemacht, und vor Wiedersehensfreude gejubelt. Und vor allem hatte sie sofort mit Verlangen auf ihn reagiert.

Doch dann war die Wirklichkeit in Form ihrer lamentierenden Assistentin über sie hereingebrochen, die einen riesigen Wirbel machte, und Faiths Gedächtnis war zurückgekehrt. Der Traum hatte sich verflüchtigt, und sie kam sich wie der letzte Trottel vor.

Als ob es nicht schon genügte, dass sie in Ohnmacht gefallen war und sich zum Narren gemacht hatte. Nein, sie musste Lex auch noch benommen anblinzeln und „Nash“ flüstern wie eine liebeskranke Idiotin. Warum fand man nie einen netten, sehr tiefen Krater, wenn man einen zum Hineinstürzen brauchte? Sie wurde wieder rot vor Scham.

Ein Blick auf den großen schwarzen Hund, der völlig harmlos sein sollte, wie Lex und Trudy behaupteten, hatte genügt, und sie hatte aufgeschrien und war in Ohnmacht gefallen wie eine geschändete Jungfrau in einer viktorianischen Schauergeschichte. Eine traumatische Erfahrung mit einem Hund, und sie war fürs Leben gezeichnet. Faith hasste diese Schwäche.

„Was hältst du vom Hotel?“, fragte Trudy. „Nett, oder?“

Faith nickte. Trudy hatte sich große Mühe gegeben, dieses Wochenende für Faith und ihre Fans zu einem Erfolg zu machen. Da konnte sie, Faith, wenigstens ein bisschen mehr Begeisterung zeigen. „Es ist wunderschön.“

Trudy bewunderte die Aussicht am Fenster, aber jetzt wandte sie sich zu Faith um. Sie runzelte besorgt die Stirn. „Bist du sicher, dass es dir gut geht? Das war ein ziemlich harter Sturz.“

„Doch, ich bin okay.“ Sie warf Trudy einen verlegenen Blick zu. „Ich kann nicht glauben, dass ich ohnmächtig geworden bin.“ Sie verdrehte die Augen. „Es ist mir schrecklich peinlich.“ Sie ließ sich zurück aufs Bett sinken.

Trudy verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war sehr dramatisch.“

Faith stöhnte leise auf. „Na wunderbar.“

„Besonders die Art, wie Mr. Ellenburg ums Gebäude herumgelaufen kam und dich auf seine kräftigen Arme genommen hat, um dich ins Haus zu tragen. Er war ziemlich besorgt.“

Faith zog die Augenbrauen zusammen. „Ich schätze, die Worte ‚Klage wegen Körperverletzung‘ erschienen vor seinem geistigen Auge.“

Trudy schlüpfte aus ihren Schuhen und sank auf einen der großen, weichen Sessel vor dem Fenster. „Den Eindruck hatte ich nicht.“

„Nein? Wie hast du es denn empfunden?“

„Da war eindeutig mehr als das“, fuhr Trudy nachdenklich fort. „Sein Blick hing förmlich an deinem Körper fest, genau wie seine Hände. Er führte eine sehr gründliche Untersuchung durch, wenn du mich fragst.“

Faith sah abrupt auf. „Was?“

„Keine Sorge. Er hat nichts Unanständiges mit dir angestellt.“ Trudy kicherte. „Aber ich muss sagen, ich hätte nichts dagegen, mich von ihm nach gebrochenen Knochen abtasten zu lassen.“ Sie seufzte leise. „Es war so romantisch.“

Er hatte sie also abgetastet, und sie hatte nicht einmal das Vergnügen, sich daran zu erinnern? Faith war unvernünftigerweise enttäuscht. Wenn das nicht wieder typisch war. Ein umwerfender Mann hatte sie am ganzen Körper berührt, hatte sie hochgehoben und in Sicherheit gebracht – ein wirklich heroischer Augenblick in ihrem sonst so ereignislosen Leben – und sie hatte nichts von allem mitbekommen. Verdammt!

Trudy warf ihr einen forschenden Blick zu. „Er war jedenfalls nicht der einzige, den es regelrecht umgehauen hatte. Du hast auch nicht den Blick von ihm genommen.“

Faith wusste, dass sie leugnen sollte, was das Zeug hielt, aber sie brachte nicht die Kraft dazu auf. Wozu auch? Ihr Blick hatte an ihm geklebt wie Fliegen auf einem Fliegenfänger. Sie war vom allerersten Moment an fasziniert von ihm gewesen und hatte nichts dagegen tun können. „Ich weiß“, gab sie zu. „Sag mal, erinnert er dich nicht an jemanden?“

Sie war doch sicher nicht die einzige, der das auffiel. Die Ähnlichkeit war so groß, dass jeder sie bemerken musste, der mit ihren Büchern vertraut war. Trudy konnte sie unmöglich entgangen sein.

Trudy überlegte einen Moment, aber zu Faiths Erstaunen schüttelte sie nur den Kopf. „Nein, das kann ich nicht sagen.“

„Denk doch mal nach, Trudy“, drängte Faith und rollte sich auf die Seite. „Schwarzes Haar, blaue Augen, eine feine Narbe an der Schläfe – klingt das nicht vertraut?“

Trudy sah sie verständnislos an. „Sollte es das?“

Faith setzte sich verärgert auf. Du liebe Güte. Trudy las für sie Korrektur. Wie war es möglich, dass es ihr nicht auffiel? „Ja, das sollte es“, bekräftigte sie aufgebracht.

Trudy zuckte die Achseln. „Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung.“

„Trudy“, sagte Faith so geduldig sie konnte, „er sieht genauso aus wie Nash.“

Trudy starrte sie verblüfft an. „Du meinst wie Nash Austin?“

„Genau.“

„Nein, das tut er nicht.“

„Doch. Er ist hochgewachsen, dunkel und gut aussehend. Und dazu die Narbe, das Grübchen in der Wange, die Kerbe am Kinn. Ich sage dir, er gleicht Nash aufs Haar.“

„So habe ich mir Nash jedenfalls nicht vorgestellt“, wandte Trudy ein. „Überhaupt nicht.“

Faith blinzelte. „Nein?“

Trudy kicherte und betrachtete Faith mit einem kleinen Lächeln. „Nein, aber es ist komisch, dass er für dich wie Nash aussieht, nicht wahr?“

Komisch? Nein, es war alles andere als das. Vielleicht beunruhigend, alarmierend, beängstigend, ein kleines bisschen aufregend und vielleicht katastrophal. Aber komisch?

Auf keinen Fall.

3. KAPITEL

„Gibt es sonst noch was?“, fragte Lex. Das konnte er sich zwar nicht vorstellen, denn Trudy Weaver hatte an absolut alles gedacht, und er konnte sich nicht denken, dass auch nur die geringste Einzelheit der Aufmerksamkeit dieser Frau entkommen könnte. Aber aus Höflichkeit fragte er dennoch.

Sie lächelte, schaltete ihren Laptop aus und schob ihn in ihre Tasche. „Nein, ich denke, das wär’s. Wir freuen uns wirklich auf das Wochenende. Soweit ich weiß, hat noch keine der bekannten Autorinnen romantischer Abenteuerromane ein solches Wochenende organisiert. Wir wünschen uns sehr, dass es ein Erfolg wird. Und wenn es das wird, machen wir so etwas vielleicht von jetzt an jedes Jahr.“

Das wäre nett, dachte Lex. Besonders wenn sie weiterhin sein Hotel benutzten. Es war ganz einfach nur ein schlechtes Jahr für ihn gewesen. Mehrere sehr teure Reparaturen waren angefallen. Die Zentralheizung hatte unerwartet den Geist aufgegeben, sein Computersystem war kaputtgegangen, und aus Gründen, die weder er noch der Kammerjäger sich hatten erklären können, hatte es im Frühling plötzlich von Küchenschaben gewimmelt. Es hatte ein kleines Vermögen gekostet, das Ungeziefer loszuwerden.

Aber jetzt ging es langsam bergauf, und seine Stimmung besserte sich zusehends. „Ich bin davon überzeugt, dass alles gut gehen wird. Sie können sicher sein, dass mein Personal und ich alles dafür tun werden.“

Sie stand lächelnd auf. „Darauf zähle ich auch.“

Lex kam ebenfalls auf die Füße und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Ich wollte mich noch mal wegen meines Hundes entschuldigen. Ich habe ihn natürlich eingesperrt. Geht es Mrs. Bonner gut?“, fragte er und betonte das „Mrs.“ etwas mehr als beabsichtigt.

Warum, zum Teufel, zeigte er so viel Interesse an der Frau? Er hatte genug um die Ohren, ohne sich noch den Kopf darüber zu zerbrechen, ob eine bestimmte attraktive Schriftstellerin verheiratet war oder nicht. Und er hatte wirklich keine Zeit, ständig an ihren aufregenden Mund zu denken, die weichen braunen Locken und die großen braunen Augen. Wieder wurde ihm ganz heiß, und er atmete unwillkürlich tief ein, um sich zu entspannen.

Trudy sah ihn durchdringend an und verzog den Mund zu einem kleinen wissenden Lächeln. Offenbar ahnte sie, was in ihm vorging. „Miss Bonner“, korrigierte sie ihn sanft. „Und ja, es geht ihr gut.“

Er nickte. „Gut.“

Sie betrachtete ihn wieder seltsam eindringlich und murmelte dann: „Nein, kann ich einfach nicht sehen.“

„Wie bitte?“

„Nichts. Haben Sie eigentlich je einen Zoe-Wilder-Roman gelesen, Mr. Ellenburg?“

„Noch nicht“, gab er verlegen zu. Es hatte auf der Liste der Dinge gestanden, die er noch erledigen musste, aber natürlich war er noch nicht dazu gekommen.

„Das sollten Sie aber“, tadelte sie ihn, offensichtlich entrüstet. „Faith ist sehr talentiert. Ihre Hauptfiguren – Zoe Wilder und Nash Austin – sind beeindruckend und sehr lebendig.“ Sie seufzte leise. „Niemand schreibt Abenteuerromane wie Faith. Sie ist die Beste. Und ihr letztes Buch ist ihr allerbestes.“

„Wirklich?“, fragte er höflich.

„Ja.“ Trudy kam ein wenig näher, als wollte sie ihm ein wichtiges Geheimnis verraten. „Der spannende Schluss des dritten Buchs – ‚Tod auf Bestellung‘ – ist auf raffinierte Weise mit dem Prolog verknüpft, und die Spannung steigert sich von Kapitel zu Kapitel. Es ist mein neues Lieblingsbuch.“ Sie lachte. „Im Grunde sind ihre neuesten Bücher immer auch meine Lieblingsbücher“, vertraute sie ihm an.

Lex musste auch lachen. Sie schien wirklich sehr begeistert von den Büchern ihrer Chefin zu sein. „Ich werde bestimmt bald eins davon lesen, ich hatte nur bis jetzt keine Zeit.“

„Holen Sie das auf jeden Fall nach. Sie werden es nicht bereuen.“

Lex nickte. „Und spielen Sie auch eine Rolle dieses Wochenende, oder überwachen Sie nur alles hinter den Kulissen?“

Sie seufzte wehmütig. „Ich lenke alles hinter den Kulissen. Faith wollte, dass ich die Rolle von Zoe übernehme.“ Sie senkte die Stimme. „Sie ist sehr nervös deswegen, aber die Fans erwarten natürlich von ihr, dass sie ihre Heldin verkörpert, und Faith darf sie nicht enttäuschen. Schließlich ist das überhaupt der Zweck des Wochenendes. Sie hat das Script geschrieben, also wird es schon klappen.“

Das ist sehr interessant, dachte Lex. „Warum will sie es nicht selbst tun?“

Trudy zuckte die Achseln. „Es ist ihr unangenehm. Sie müssten die Bücher kennen, um das zu verstehen. Faith macht sich Sorgen, dass sie es nicht schaffen wird, Zoe zu spielen. Wissen Sie, Zoe ist ziemlich hartgesotten. Sie ist eine knallharte Heldin, draufgängerisch, mutig und sexy. Sie trägt herausfordernde Kleider und roten Lippenstift. Das genaue Gegenteil von Faith. Faith ist eher schüchtern und liebt Ruhe und Ordnung. Mit einem Wort, sie ist gesetzt.“ Trudy lachte. „Zoe ist alles andere als das. Und doch finde ich, dass Faith Zoe viel ähnlicher ist, als ihr selbst bewusst ist. Ich hoffe, dass ihr das an diesem Wochenende endlich klar wird.“

Noch ein faszinierender Punkt, sagte sich Lex. Als ob es dessen noch bedurft hätte. Er war doch vom ersten Moment an von ihr verzaubert gewesen. Je weniger er von ihr wusste, desto besser für ihn, aber zu seiner Bestürzung hielt ihn das nicht davon ab, noch mehr erfahren zu wollen. „Und was ist mit Nash Austin? Er ist der Held, nicht wahr?“

Trudy nickte. „Genau. Ihr Lektor John Wallace wird seinen Part übernehmen. Faith sagte, sie könnte unmöglich mit einem Fremden spielen, weil es dann viel zu schwierig und viel zu peinlich sein würde.“ Trudy zwinkerte ihm zu. „Die beiden Figuren haben nämlich eine sehr erotische Beziehung. Sie lassen regelrecht die Seiten in Flammen aufgehen.“

Ihm wurde ganz anders, als er das hörte. „So, so“, bemerkte er lapidar und zwang sich zu einem schiefen Lächeln. „Nun, wenn also alles geregelt ist, mache ich mich wieder an meine Arbeit.“

Er musste Holz für das Kaminfeuer heute Abend hacken. Leider gab es keine Heinzelmännchen, die ihm den Job abnehmen würden, und er konnte sich im Gegensatz zu seinen Konkurrenten nicht den Luxus leisten, das Holz in Klaftern zu kaufen. Wieder etwas, das er aus Geldmangel selbst erledigen musste. Er beschäftigte ein sehr gut ausgebildetes Personal, das allerdings aus so wenigen Personen wie möglich bestand, und hatte ihnen eine Weihnachtsgratifikation versprochen, wenn sie Pflichten übernahmen, die eigentlich nicht zu ihrem Job gehörten. Dank Faith Bonner und ihrer Fans würde Lex genügend Geld haben, um das Versprechen halten und außerdem noch einige notwendige Reparaturen vornehmen zu können.

„Ja, natürlich“, erwiderte Trudy. „Ich denke, wir haben alles Nötige besprochen.“

„Gut. Dann sehe ich Sie also heute Abend im Esszimmer.“

„Wir werden da sein.“ Damit wandte Trudy sich zum Gehen.

Lex wartete, bis sie außer Hörweite war, bevor er erleichtert den Atem ausstieß. Es machte ihm nichts aus, über das Menü oder eine bestimmte Dekoration zu sprechen oder dabei zu helfen, gewisse kleine Indizien für das bevorstehende Spiel beizusteuern.

Aber es ging ihm sehr gegen den Strich, sich vorzustellen, dass Faith Bonner und ihr Lektor Szenen spielten, in denen sie „die Seiten in Flammen aufgehen ließen“. Aus Gründen, die er lieber nicht näher untersuchen wollte, verursachte ihm der bloße Gedanke Übelkeit. Am liebsten hätte er mit der Faust gegen die Wand geschlagen. Aber noch mehr wünschte er sich, Faith in sein Schlafzimmer zu zerren und sie zu lieben, dass die Laken Feuer fingern. Und er würde dafür sorgen, dass sie das angenehmer fand als alles, was sie sich in ihren Büchern ausdenken mochte.

Aber das war natürlich völlig undenkbar.

Zeit, aktiv zu werden, sagte er sich abrupt. Er blieb an der Rezeption stehen und sagte George, wo er ihn finden konnte, falls etwas vorfallen sollte, und machte sich auf den Weg zum rückwärtigen Teil der Lodge.

Kaum hatte er den Fuß auf die Veranda gesetzt, kam Beano auf die Pfoten und stieß ein kurzes, ungeduldiges Heulen aus, das natürlich nur eins bedeuten konnte – bitte, lass mich hier raus. Er war zu groß geworden für den alten Zwinger, und es tat Lex in der Seele weh, ihn darin eingesperrt zu lassen. „Tut mir leid, alter Freund. Vielleicht später.“

Auf einmal überlief ihn ein Schauer, und er wusste, bevor er das Knarren des Schaukelstuhls hörte, dass Faith hier war. „Hallo“, stieß er hervor. „Genießen Sie die Aussicht?“

Sie brachte den Schaukelstuhl zum Stillstand. „Ja. Sie ist wunderschön. All dieses wundervollen Farben – wirklich traumhaft“, erwiderte sie mit einem Seufzer.

Die seltsamen Empfindungen, die Faith schon vorher in ihm ausgelöst hatte, verstärkten sich. Er brauchte sie nur anzusehen, und eine unwiderstehliche Sehnsucht erwachte in ihm. Lex zwang sich jedoch, einfach die Treppe weiter hinunterzugehen und auf den Holzstapel zuzusteuern. Umso mehr brachte es ihn aus der Fassung, als ihn seine Beine plötzlich doch zu Faith führten, wo er sich genau vor ihr an das Verandageländer lehnte.

„Jedes Jahr denke ich, dass wir noch nie einen schöneren Herbst erlebt hätten, und dann fangen die Blätter an, sich zu verändern und strafen mich Lügen.“ Er seufzte, während er den Blick stolz über den rauen Berg gleiten ließ. „Ich glaube, es ist die Landschaft auf dieser Seite des Bergs, die den Unterschied macht. Die vielen Täler und Schluchten.“

Sie nickte nachdenklich und wies dann mit einer Hand kurz auf den schwarzen Labrador und verzog das Gesicht. Lex wurde klar, dass sie wahrscheinlich gar nicht hier auf der Veranda sitzen und die Aussicht genießen könnte, wenn Beano nicht eingesperrt wäre. „Es tut mir wirklich leid für Ihren Hund“, sagte sie. „Er ist unglücklich, nicht wahr?“

„Ach, er wird es schon verschmerzen“, antwortete er und sah zu, wie die leichte Brise mit ihren langen Locken spielte. Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen. „Mir nehme ihn heute Nacht zu mir herein, und er wird mir wieder vergeben.“ Das musste er tun, sonst könnten wilde Tiere seinen Hund mit einem Köder verwechseln. „Es tut mir nur leid, dass er Ihnen solche Angst eingejagt hat. Trudy erwähnte, dass Sie schon mal von einem großen Hund angegriffen worden sind.“

„Als ich klein war“, bestätigte Faith mit einem Nicken. „Aber das ist trotzdem kein Grund, in Ohnmacht zu fallen.“ Sie warf ihm einen verlegenen Blick zu. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken, dafür dass Sie … sich um mich gekümmert haben, mich ins Haus getragen haben und so weiter.“

„Sie brauchen mir nicht zu danken. Ich wünschte nur, Beano hätte Sie nicht erschreckt. Er ist sehr groß, aber vollkommen harmlos. Er ist sich nur nicht seiner Kraft bewusst.“

Sie sah Beano zweifelnd an und machte den Eindruck, als wollte sie Lex nur allzu gern glauben. Aber er spürte dennoch, dass sie immer noch ganz angespannt war vor Angst. Sie saß ganz steif da und hatte die Stirn gerunzelt.

Lex verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Was für ein Hund hat Sie angegriffen?“ Wahrscheinlich ein Chow-Chow. Diese Tiere hatten den Ruf, leicht Menschen anzugreifen, und vor allem Kinder. Menschen, die größer waren als sie, schüchterte sie ein, und so waren vor allem kleinwüchsige Erwachsene und Kinder in Gefahr.

Sie verdrehte die Augen, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Es ist mir zu peinlich, Ihnen das zu verraten.“

Aha, also kein Chow-Chow, und auch keine größere Rasse, sonst wäre es ihr nicht peinlich. Er musste lächeln. „War es ein Pudel?“

„Schlimmer.“

Was konnte demütigender sein, als von einem Pudel angegriffen zu werden? „Ich kann es kaum glauben.“

Sie seufzte resigniert. „Es war ein Chihuahua.“

Das Lachen entfuhr ihm, bevor er es unterdrücken konnte, aber er riss sich schnell zusammen. Es kostete ihn große Mühe, sie ausdruckslos anzusehen. „Ein Chihuahua?“

Sie warf ihm einen kläglichen Blick zu. „Ja, ein geistig umnachteter Chihuahua. Er befand sich damals in den Klauen einer Identitätskrise.“

Lex verschränkte die Arme vor der Brust. Der Holzstapel und all die anderen drängenden Aufgaben, die ihn erwarteten, waren völlig vergessen. „Eine Identitätskrise? Was Sie nicht sagen.“

„Er hielt sich für einen Rottweiler“, entgegnete sie mit völlig ausdruckslosem Gesicht.

Lex musste laut lachen und gab sich auch keine Mühe, sich zurückzuhalten.

„Ja, ja, Sie haben gut lachen“, sagte sie scheinbar empört, lachte aber auch. Sie schob die Ärmel ihres Pullis hoch und zeigte ihm ihre Unterarme. Winzige Bissnarben bedeckten ihre Haut. „Für ein kleines Kind kann das sehr traumatisch sein. So klein kommt ein Chihuahua einer Sechsjährigen nämlich nicht vor, und Zähne sind Zähne. Der verdammte Köter hat mich zu Tode erschreckt.“

Lex wurde wieder ernst. Sie hatte natürlich recht. Ein Kind wurde selbstverständlich bei so einem Vorfall in Angst und Schrecken versetzt. Aber wenn jemand daran dachte, er könnte von einem bissigen Hund angegriffen werden, dann kam ihm nun mal nicht als erstes ein Chihuahua in den Sinn.

„Es tut mir leid“, sagte er. „Ich hätte nicht lachen dürfen.“

„Ach was.“ Faith seufzte und zog die Ärmel herunter. „Es ist schon gut. Und ich weiß, dass es komisch ist. Ich wünschte nur, ich könnte meine Angst vor Hunden loswerden. Sosehr ich aber auch versuche, vernünftig zu sein oder darüber zu lachen, meine Angst bleibt. Es ist wahnsinnig ärgerlich, und ich hasse diese Schwäche.“

Lex beugte leicht den Kopf zur Seite. „Sie haben allen Grund, Angst zu haben. Wie groß oder klein der Hund auch gewesen sein mag, er hat Sie in jedem Fall angegriffen. Sie brauchen sich wegen nichts zu schämen.“

„Ich schäme mich nicht. Es ist mir nur so peinlich.“ Sie wies auf den Hund. „Und jetzt Ihr armer Hund, der arme …“ Sie runzelte die Stirn. „Wie heißt Ihr Hund eigentlich?“

„Beano.“

„Armer Bea…“ Sie unterbrach sich und hob eine Augenbraue. „Beano?“

„Ja, Beano.“ Lex unterdrückte ein Lächeln.

„Darf ich fragen, warum Sie Ihren Hund nach einem Medikament gegen Blähungen benannt haben?“

Lex grinste. „Wenn Sie ein wenig Zeit in seiner Nähe verbracht haben, werden Sie es verstehen, glauben Sie mir.“

Sie verzog die unglaublich sexy Lippen zu einem Lächeln, und ihre hellbraunen Augen blitzten humorvoll auf. „Aber vielleicht sollte ich es besser nicht darauf ankommen lassen, was?“

Lex schüttelte den Kopf. „Nein, lieber nicht.“

Ihr Blick ging wieder zu Beano hinüber, der sich inzwischen hingelegt hatte und jetzt die Schnauze gegen den Zaun drückte, um sein bitteres Elend zum Ausdruck zu bringen. Sein Blick wanderte zwischen Faith und Lex hin und her.

„Sie sind absolut sicher, dass er nicht beißt?“, fragte sie und kaute leicht auf der Unterlippe.

„Absolut“, antwortete Lex sofort. „Er hat noch nie jemanden gebissen. Sicher, er könnte an Ihnen hochspringen und Sie auf seine liebenswerte Art abschlecken, so aber er wird nicht beißen.“

Sie nickte kurz. „Dann lassen Sie ihn nicht länger in dem Verschlag. Es ist nicht fair.“

Lex hob die Augenbrauen. „Sind Sie sicher?“

„Ja.“

„Und Sie werden nicht wieder in Ohnmacht fallen?“

„Hoffentlich nicht“, sagte sie grimmig. „Aber wenn Sie nichts dagegen haben, warten Sie mit dem Herauslassen des Hundes, bis ich im Haus bin. Ich muss ein paar Sachen aus dem Auto holen.“

„Natürlich. Soll ich sie für Sie holen?“, bot Lex ihr an. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war eine Gelegenheit, noch mehr Zeit mit ihr zu verbringen, aber er kam einfach nicht dagegen an. Er wollte mit ihr zusammen sein.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es sind nur ein paar kleine Dinge. Mein Laptop und das Buch, das ich gerade lese. Aber danke für Ihr Angebot.“

„Gern geschehen.“

Zu seiner Enttäuschung stand sie auf. „Ich gehe hier herum ums Haus, ja?“ Sie sah wieder kurz zum Hund hinüber. „Geben Sie mir fünf Minuten, bevor Sie ihn herauslassen, okay?“

Lex lachte leise. „Natürlich.“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke, und bevor er sich zurückhalten konnte, waren die Worte schon heraus. „Hören Sie, soll ich Ihnen helfen, Ihre Angst vor Hunden loszuwerden? Beano wäre perfekt für den Zweck.“

Sie hielt inne, und auf ihrem Gesicht zeigten sich Hoffnung und gleichzeitig Zweifel. „Das könnten Sie tun?“

Lex nickte. „Ich denke schon.“

Sie schien darüber nachzudenken. „Es würde mir sicher helfen, besonders an diesem Wochenende. Zoe wird nicht den Eindruck einer zu allem entschlossenen Heldin machen, den man von ihr erwartet, wenn sie Angst vor einem freundlichen Hund hat.“ Sie hob eine Augenbraue. „Ich nehme an, Trudy hat alle Einzelheiten des Haltet-den-Dieb-Spiels mit Ihnen besprochen?“

„Ja, hat sie. Klingt nach einem sehr interessanten Wochenende“, log er. Es klang eher nach einem Haufen Ärger und etwas, was ihm persönlich nicht viel Spaß bringen würde. Die seltenen Gelegenheiten, wenn Lex tatsächlich etwas Zeit hatte, zog er es vor, Wildwasserfahrten zu machen oder zu angeln. Auf keinen Fall würde er mit einem Haufen Amateurdetektiven Spielchen spielen. Na ja, jedem das Seine, wie es so schön hieß.

„Ich spiele die Rolle von Zoe, und die ist vollkommen furchtlos. Ich werde dastehen wie ein Vollidiot, wenn ich wegen des Hundes in Ohnmacht falle.“ Sie überlegte kurz. „Wenn Sie mir da helfen könnten, wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar.“

„Es wäre mir ein Vergnügen“, sagte Lex so begeistert, dass es schon fast lächerlich war. „Warum fangen wir nicht gleich nach dem Abendessen an?“ Das würde ihm genügend Zeit geben, um seine Arbeiten zu erledigen, zu duschen und sich zu rasieren.

Sie nickte. „Gern.“

„Prima. Dann sehe ich Sie also dann.“ Lex folgte Faith, als sie die Stufen hinunterging. Eine verlegene Pause setzte ein, als sie unten ankamen. Lex konnte nichts gegen das dümmliche Lächeln auf seinen Lippen machen, ebenso wenig wie er den Blick von ihrem Gesicht lösen konnte. Sie betrachtete ihn wieder auf ihre intensive Art und gab ihm das Gefühl, sie beobachtete ihn unter dem Mikroskop. Einerseits fühlte er sich geschmeichelt, andererseits fand er ihre Art doch ein wenig verwirrend.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte er schließlich.

Sie zuckte zusammen und wurde rot vor Verlegenheit. „Nein, nein, natürlich nicht. Entschuldigen Sie, dass ich Sie so anstarre, aber Sie … Sie sehen jemandem, den ich kenne, unglaublich ähnlich.“ Sie lachte schüchtern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Tut mir leid.“

Wahrscheinlich jemandem, den sie sehr intim kennt, dachte Lex, sonst wäre es ihr nicht so peinlich. Er musste gegen einen plötzlichen Eifersuchtsanfall ankämpfen.

„Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen eine persönliche Frage stelle, Mr. Ellenburg?“

„Überhaupt nicht, und nennen Sie mich Lex.“

„Okay … Lex. Wie sind Sie zu dieser Narbe an Ihrer Schläfe gekommen?“

War es das, was sie angestarrt hatte? Es war eine eher kleine Narbe, gar nicht auffällig. Man hatte ihm gesagt, dass sie ihm etwas Geheimnisvolles gab. „Na ja, ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass ich sie bei der Ausübung irgendeiner heroischen Tat erhalten habe.“

„Aber so ist es nicht?“

Er grinste. „Nein, es war bei einem Fahrradunfall. Ich landete in einem Brombeerbusch und sah danach nicht unbedingt besser aus.“

Sie lachte. „Aha, ich verstehe.“

„Obwohl meine Mission tatsächlich heroisch gewesen war, wenn ich es recht bedenke. Zu der Zeit gab ich vor, ein Superheld zu sein. Und fliegen konnte ich auch plötzlich. Direkt über die Lenkstange.“

Sie kicherte. „Aua.“

„Stimmt.“ Er schüttelte wehmütig den Kopf. „Meine Mutter hat tagelang Dornen aus meiner Haut gezogen.“

„Das glaube ich gern.“ Faith sah zu Beano hinüber, der in seinem Gefängnis auf und ab lief. „Vergessen Sie nicht, mir fünf Minuten Vorsprung zu geben“, erinnerte sie Lex.

„Werde ich nicht.“ Er sah Faith lächelnd nach, während sie fortging. Sie bewegte sich so anmutig, und der Schwung ihrer Hüften war eindeutig faszinierend. Sie war nicht nur die aufregendste Frau, die er je gesehen hatte, sie besaß auch den hübschesten Po, die schmalste Taille und … Er holte tief Luft und wartete, bis sein Puls sich beruhigte. Sekundenlang blieb er noch wie hypnotisiert stehen und vergaß völlig den Holzstapel, der dringend seiner Aufmerksamkeit bedurfte.

Schließlich befahl er Beano, der sich auf die Hinterbeine gestellt hatte und aufgeregt am Zaun kratzte, still zu sein, und machte sich an die Arbeit. Er hatte nicht das Recht, sie so anzustieren, geschweige denn, sich in Gedanken darüber auszulassen, wie unglaublich sexy sie war. Er hatte keine Zeit für ein Liebesabenteuer, verdammt noch mal. Er musste sein Hotel retten.

Wenn man ihn fragte, ob sie ihn faszinierte, musste er zugeben, dass sie ihn sogar sehr faszinierte. Und dass sie hinreißend war, konnte er auch nicht leugnen.

Aber sie war tabu für ihn.

Lex stellte ein Stück Holz auf den Hackklotz und schwang die Axt mit etwas größerer Wucht als vielleicht nötig, um das Stück in der Mitte zu spalten. Beano winselte in seinem Zwinger.

Die Erkenntnis, dass sie ihn so faszinierte, war besonders deswegen so deprimierend, weil sie sich gerade erst kennen gelernt hatten. Aber irgendetwas an Faith Bonner weckte in ihm den Wunsch, sie anzusehen, ihrer Stimme zu lauschen, ihre wundervollen, sinnlichen Lippen zu küssen und herauszufinden, zu sehen, ob sie so weich und süß waren, wie sie aussahen. Er konnte sich nicht erinnern, dass es eine Frau ihn je so sehr angezogen hatte.

Doch ob er sich in dem Punkt täuschte oder nicht, es machte keinen Unterschied. Sie war zahlender Gast bei ihm – dank ihr Fans würde er diese Saison über die Runden kommen – und er konnte sich nicht leisten, seinen niederen Instinkten nachzugeben. Er musste sich unter Kontrolle haben, weil zu viel davon abhing, dass er anständig benahm.

Beano stieß plötzlich ein tiefes Knurren aus, und dann hörte Lex zum zweiten Mal an diesem Tag den ohrenbetäubenden Schrei einer Frau.

Beano bellte wild. Lex’ Herz klopfte ihm bis zum Hals. Beano war noch in seinem Zwinger, also musste etwas anderes sie erschreckt haben.

Oh, nein.

Die Axt noch in der Hand, lief Lex um das Haus herum. Faith lag auf dem Boden. Sie schien wieder ohnmächtig geworden zu sein. Und dann entdeckte er den Bären, der sich in aller Ruhe vom Hotel entfernte und auf den Wald zu steuerte.

Lex fluchte heftig, ließ die Axt fallen und eilte an Faiths Seite. Das Herz hämmerte voller Angst in seiner Brust, die Knie wurden ihm weich. Sie blutete an der Schläfe, und sie war blass wie ein Laken.

„Faith?“, rief er und nahm sie sanft auf die Arme. „Faith, können Sie mich hören?“

Sie stöhnte leise. Ihre Lider zuckten leicht und dann öffnete sie langsam die Augen. Sie runzelte die Stirn, als sie ihn sah. Déjà vu, dachte Lex trocken und atmete erleichtert auf.

„Verdammt noch mal, Nash“, stieß sie verärgert aus. „Mein Kopf tut weh. Was, zum Teufel, ist passiert?“

Jetzt war er also wieder Nash. Er lachte leise. „Kommen Sie. Ich bringe Sie ins Haus.“

Sie versuchte, ihm über die Schulter zu sehen. „Ist dieser Mistkerl Boyle über mich hergefallen?“, fragte sie gereizt. „Sag mir bitte, dass ich mich irre.“

Boyle? Wer zum Kuckuck war Boyle? „Keiner ist über Sie hergefallen. Sie sind wieder ohnmächtig geworden.“

Sie starrte ihn wütend an und versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien. „Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie ohnmächtig geworden, Nash, wie du sehr gut weißt. Was soll das also? Und wieso siezt du mich die ganze Zeit?“

Lex war alarmiert. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er wusste nicht genau, was, aber Faith benahm sich eindeutig seltsam. „Ich … ich glaube nur, Sie haben Pooh gesehen“, sagte er ernst.

„Pooh?“, fragte sie verwirrt. „Ist das eine Art Codename, den man mir nicht mitgeteilt hat? Wenn Larson mich wieder von einem wichtigen Briefing ausgeschlossen hat, werden Köpfe rollen, das sage ich dir. Ich meine es ernst, Nash. Ich habe sein Taktieren endgültig satt.“

Larson? Briefing? Taktieren? Lex schwindelte es. Was war hier los, verflixt noch mal?

„Liebling, du weißt, wie sehr ich es genieße, wenn du mich auf den Armen trägst.“ Sie schmiegte die Wange an seine, und ihre Stimme klang herrlich sinnlich. „Aber wenn du nicht vorhast, mich ins Bett zu tragen, wünschte ich, du würdest mich herunterlassen“

In Lex’ Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. Er stellte Faith auf die Beine, musste sie aber stützen, da sie leicht schwankte. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn flüchtig auf den Mund. Heiße Lust durchzuckte ihn, sein Körper reagierte sofort und leider nur allzu heftig.

Er wich hastig zurück. „Faith, ich bin nicht …“

Sie sah ihn finster an. „Faith? Liebling, du weißt, ich möchte, dass du mich mit meinem echten Namen ansprichst, wenn wir allein sind.“

„Deinem echten Namen?“ Sein Magen zog sich nervös zusammen.

„Ja“, antwortete sie leicht aufgebracht. „Zoe.“

Er schluckte mühsam.

„Es hält mich auf dem Boden der Tatsachen, besonders wenn wir in einer Mission unterwegs sind. Ich bin Faith und Candy und Lisa und Monica und was nicht sonst noch, wenn ich mit anderen Leuten zusammen bin.“ Sie sah ihn eindringlich ein. „Du bist der einzige Mensch, bei dem ich einfach nur Zoe sein kann. Bitte denk daran, ja? Es ist nur eine kleine Sache, aber es ist sehr wichtig für mich.“ Sie lächelte und verschränkte die Finger mit seinen. „Und jetzt komm mit, Nash. Wir müssen einen Juwelendieb fangen, hast du das vergessen?“

Oh, lieber Himmel, dachte Lex, und die wirrsten Gedanken überfielen ihn. Was war bloß passiert? Was ging hier bloß vor? Was …

Sie riss ihn plötzlich mit sich, offensichtlich um ihm die Antworten auf seine Fragen zu geben – ob er sie nun hören wollte oder nicht.

4. KAPITEL

„Es handelt sich um eine temporäre Amnesie, hervorgerufen durch ein Trauma“, erklärte Doc Givens und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich habe natürlich schon davon gehört, aber das ist das erste Mal, dass ich persönlich einen Fall sehe.“

Lex und Trudy standen im Flur vor der kleinen Praxis, während Faith sich drinnen noch ihrer Untersuchung anzog. Sie hatte sich gesträubt, zum Arzt zu gehen, und hatte die Wunde an ihrer Schläfe einen „kleinen Kratzer“ genannt, aber er und Trudy hatten darauf bestanden. Lex musste Trudy zugestehen, dass sie sich bewundernswert schnell von ihrem Schock erholt hatte, als sie hörte, dass ihre Freundin und Chefin plötzlich glaubte, die Heldin ihrer eigenen Romane zu sein.

Lex hatte erklärt, was geschehen war, während er gleichzeitig der wütenden „Zoe“ versicherte, dass Boyle sie sich nicht geschnappt hatte. Trudy hatte sich blitzschnell von ihrer Verwirrung erholt und sich geschickt als eine von Faiths Romanfiguren ausgegeben – Melanie, eine Assistentin.

Trudy sah den Arzt jetzt fragend an. „Aber ich habe ein Mal für Miss Bonner über traumatisch bedingte Amnesie recherchiert, und die Art von Amnesie, von der Sie reden, tritt eigentlich nur bei sehr viel ernsthafteren Kopfverletzungen auf als dieser.“

„Normalerweise würde ich Ihnen recht geben, aber denken Sie daran, dass das Gehirn ein rätselhaftes Organ ist. Die medizinische Forschung hat sehr große Fortschritte gemacht, aber es gibt noch vieles, was wir nicht über die Funktion des Gehirns wissen. Miss Bonner glaubt, die Heldin ihrer Bücher zu sein, eine Frau, die sie genauso gut kennt wie sich selbst und die ihr vielleicht sogar ähnelt oder der sie ähneln möchte. Es war doch das letzte Buch, woran sie gearbeitet hat, oder?“

Trudy nickte. „Ja. Sie fängt mit dem nächsten Buch erst an, wenn die Lesereise für dieses vorbei ist.“

„Dann ist es also noch frisch in ihrem Gedächtnis. Und sie hat sich für die Rolle der Zoe vorbereitet und hat sogar ihre Garderobe, wie Sie mir sagen. Der Schlag gegen die Schläfe genügte, um sie in ihre Traumwelt zu versetzen.“

Lex seufzte. „Sie glaubt also, sie befindet sich in meiner Lodge, um einen Juwelendieb zu fangen?“

„Offenbar ja“, erwiderte der Arzt.

Lex war fassungslos. Von allen seltsamen Dingen, die ihm je passiert waren, war das hier der absolute Gipfel. „Und was machen wir jetzt? Spielen wir ihr Spiel mit? Oder sagen wir ihr einfach, wer sie ist, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen?“

Der Arzt sah hastig auf. „Auf keinen Fall. Ich fürchte, Sie müssen mitspielen, sonst steigert sie sich mehr in ihre Fantasiewelt hinein. Wenn sie bereit ist, in die Realität zurückzukehren, wird sie das schon tun.“

Lex unterdrückte einen saftigen Fluch. „Und wie lange kann das dauern?“

Doc Givens lächelte traurig. „Das ist natürlich die große Frage, Lex. Das kann jeden Moment geschehen oder in einer Woche oder einem Monat. Wer weiß? Wenn es länger als eine Woche dauert, rate ich dazu, einen Neurologen aufzusuchen, obwohl ich nicht sicher bin, dass er helfen könnte. Ich glaube, es geht hier eher um eine Entscheidung des Unterbewusstseins als sonst etwas.“ Er sah Trudy an. „Sie war nervös wegen des Wochenendes, sagten Sie?“

Trudy nickte. „Ja, sehr.“

Givens dachte einen Moment nach. „Warten wir eine Woche. Hat sie Angehörige, die wir anrufen sollten?“

„Nein. Ihre Eltern sind beide tot, und sie ist ein Einzelkind. Wenn sie andere Verwandte hat, weiß ich jedenfalls nichts von ihnen. Und einen Mann hat sie nicht.“

„Okay.“

Trudy rieb sich die Stirn. „Oh, verdammt“, sagte sie plötzlich voller Panik. „Was sollen wir bloß tun?“, fragte sie Lex verzweifelt, als ob er die Antwort zu allem wüsste. „All diese Leute werden übermorgen anrücken, um an dem Krimispiel teilzunehmen.“ Sie stöhnte auf. „Das ist eine Katastrophe. Was soll ich tun?“, jammerte sie leise.

Lex sank der Mut. In Gedanken schrieb er diese Saison schon ab und wahrscheinlich auch die folgende. Er war so kurz vor seinem Ziel gewesen, hatte alle Schwierigkeiten überstanden, die sich ihm dieses Jahr in den Weg gestellt hatten, und jetzt war doch alles umsonst gewesen. Er sah keinen Ausweg. Für diese Situation wusste er keine Lösung. „Es gibt nur eins – Sie müssen das Ganze absagen.“

Trudy sah ihn entsetzt an, als hätte er den Verstand verloren. „Auf keinen Fall. Das kommt nicht infrage.“ Sie begann, nervös auf und ab zu gehen, offenbar überlegte sie fieberhaft, wie man das Wochenende doch noch retten konnte.

Lex blinzelte. Was hatte sie vor? Einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen? Wie sollte das möglich sein, wenn die Hauptperson glaubte, sie wäre … genau die Figur, die sie spielen sollte. Sein Herz klopfte hoffnungsvoll. Ja, es könnte tatsächlich funktionieren. Aber er wagte es noch nicht, zu zuversichtlich zu sein.

Trudy blieb abrupt stehen. „Okay, uns bleibt nur noch eine Minute, bevor sie herauskommt. Wir müssen Folgendes tun.“ Ihre Stimme bebte vor Entschlossenheit. „Sie müssen die Rolle von Nash übernehmen. Faith wird …“

„Aber …“

„Kein ‚aber‘“, unterbrach sie ihn streng. „Sie glaubt doch schon, dass Sie Nash sind. Sie hat im Grunde schon von Anfang an gedacht, dass Sie genau wie Nash aussehen.“

An den hatte er sie also erinnert. An Nash, den Helden ihrer Romane.

„Ich werde Melanie spielen, weil das bisher immer gut geklappt hat“, fuhr Trudy fort. „John kann einiges von den Dingen hinter den Kulissen übernehmen und die Anrufe von Larson vortäuschen.“ Sie runzelte kurz die Stirn. „Das einzige Problem ist ihr Name. Für die Zwecke des Wochenendes muss sie Zoe genannt werden – ihre Fans erwarten das sogar – aber Faith glaubt wirklich, dass sie eine Undercover-Agentin ist, und hält Faith Bonner offenbar nur für eine Scheinidentität. Ich weiß nicht recht, wie wir das hinbiegen sollen. Ich muss darüber nachdenken. Irgendwas wird mir schon einfallen.“ Sie wandte sich wieder an Lex. „Aber Sie werden pauken müssen. Alle werden ihre Rollen kennen, aber Sie haben, außer Zoe natürlich, die wichtigste Rolle.“

Pauken? dachte Lex panisch. Wann sollte er denn pauken? Ihm blieb doch kaum Zeit zum Schlafen. Lex wünschte sich von ganzem Herzen, dass die ganze Sache klappte, denn für ihn stand sehr viel mehr auf dem Spiel als für alle anderen. Aber er war kein schneller Leser, und er befürchtete sehr, dass er ein noch lausigerer Schauspieler war. Er konnte diese Rolle unmöglich bewältigen. Es tat ihm wirklich leid, aber er sah nicht, wie er das schaffen sollte.

Er konnte nicht Nash Austin spielen. Er rieb sich die angespannten Nackenmuskeln und setzte dazu an, Trudy seinen Entschluss mitzuteilen. Aber offenbar hatte sie seine Miene schon richtig gedeutet und kam ihm hastig zuvor.

„Ich werde Sie dafür entschädigen.“

Er unterdrückte ein bitteres Lachen. „Wenn es ums Geld ginge, würde ich sofort zustimmen. Aber das ist es nicht. Ich habe einfach nicht die Zeit, um mich in die Rolle einzuarbeiten, und ich bin völlig sicher, dass ich auch nicht die nötigen Fähigkeiten habe.“

Den Liebhaber einer Frau zu spielen, besonders unter diesen Umständen, stellte er sich als äußerst unangenehm vor. Was würde Faith von ihm denken, wenn ihr Gedächtnis zurückkehrte? Sie würde ihn für einen opportunistischen Lüstling halten, denn wenn er die Rolle ihres Liebhabers spielte, würde er nicht die Finger bei sich behalten können. Er würde mit ihr schlafen müssen, und sein Gewissen ließ das nicht zu.

Trudy nannte ihm eine Zahl, die die Reparatur des Daches sicherstellen würde.

„Das kann nicht Ihr Ernst sein“, sagte er fassungslos. Konnte er das mit seinem Gewissen vereinbaren?

„Doch. Wenn wir das Spiel absagen, würde uns die schlechte Publicity sehr viel mehr kosten. Es wäre eine Katastrophe. Werden Sie es tun?“

Lex zögerte. Aber dann stellte er sich vor, dass er das Dach reparieren, noch ein paar wichtige Dinge anschaffen und sogar noch etwas auf die hohe Kante legen könnte. Und dann stellte er sich vor, wie er dem Personal die versprochene Weihnachtsgratifikation gab.

Er würde endlich nach langer Zeit eine Atempause einlegen können von seinen ständigen Sorgen. Es ist ein Geschäftsabkommen, sagte er sich, um seinen Entschluss zu rechtfertigen. Er würde schauspielern müssen, und Schauspieler wurden bezahlt, oder?

Obwohl sein schlechtes Gewissen ihn warnte, sich nicht darauf einzulassen, nickte Lex schließlich. „Ja, ich tu’s.“

Trudy seufzte erleichtert und lächelte. „Großartig.“

Faith öffnete die Tür und kam in den Flur heraus. „Melanie, was zum Teufel habe ich denn an?“ Sie blickte mit offensichtlichem Abscheu auf ihren beigefarbenen Pulli. „Ich bin völlig farblos.“

„Du hast dich verkleidet, bis wir an unserem Ziel ankamen“, improvisierte Trudy, ohne mit der Wimper zu zucken. „Dann hast du dir den Kopf angeschlagen und hattest keine Zeit, dich umzuziehen.“

Faith sah sekundenlang so niedlich aus in ihrer Verwirrung, und dann nickte sie nur. „Das erklärt es. Und was ist mit meiner Waffe?“

Gütiger Himmel, dachte Lex und versuchte, sich sein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Ihre Waffe?

„Sie ist im Hotel. Ich habe eine Nachricht von Larson erhalten“, sagte Trudy ernst. „Er ruft um fünf an, um dich auf den neuesten Stand zu bringen. Offenbar hat es eine Änderung unserer Pläne gegeben.“

Faith überlegte einen Moment, dann wandte sie sich an Lex. „Und was ist mit Boyle? Hat er sich schon gezeigt?“

Lex erstarrte. „Also …“

„Nicht, dass wir wüssten“, warf Trudy ungerührt ein. „Du wirst ihn fürs Erste vergessen müssen.“ Sie brachte ein schwaches Lächeln zu Stande. „Es gibt noch andere Gauner, die wir fassen müssen.“

Lex beruhigte sich wieder. Das war knapp gewesen. Bevor das Ganze weiterging, musste er unbedingt eins ihrer verflixten Bücher zu lesen. Sonst würde er von einer Bredouille in die nächste geraten.

Faith schüttelte Doc Givens die Hand. „Vielen Dank, dass Sie meine Wunde genäht haben.“

Der Arzt lächelte. „Es war mir ein Vergnügen. Sie dürfen Schmerztabletten nehmen, wenn Sie welche brauchen, und rufen Sie mich an, wann irgendetwas ist.“

Faith nickte. „Sicher.“ Und zu Lex und Trudy meinte sie: „Kommt schon, Leute. Lasst uns losziehen. Ich muss zurückgehen und herausfinden, was zum Teufel hier gespielt wird.“ Sie schüttelte den schönen Kopf und seufzte angewidert. „Ich bin völlig durcheinander.“

Lex und Trudy wechselten einen Blick, als sie davonschlenderte.

Willkommen an Bord, dachte Lex in einem Anflug von schwarzem Humor. Von jetzt an sind wir Zoe, Melanie und Nash, das unschlagbare Trio.

„Ich glaube, Larson hat Drogen genommen oder so“, sagte Zoe und legte auf. „Er klingt überhaupt nicht wie sonst.“

Melanie sah erstaunt auf. „Was hat er gesagt?“

„Du hattest recht. Die Pläne sind geändert worden. Er denkt, Boyle steckt hinter den letzten Diebstählen und dass die Übergabe der Juwelen an diesem Wochenende stattfinden wird. Aber das wird Boyle nicht selbst erledigen, sondern zwei seiner Lakaien damit beauftragen. Dieser feige Typ will sich nicht die Hände schmutzig machen.“ Sie schnaubte verächtlich. Der Himmel stehe dem Mistkerl bei, wenn ich ihn am Ende hinter Gitter bringe, dachte Zoe. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue, aber diese wertlose Ratte schicke ich in den Knast.

Zoe schenkte Melanie ein Lächeln. „Ironischerweise findet hier an diesem Wochenende eine Haltet-den-Dieb-Party statt. Ist es noch zu fassen? Es sieht Boyle ähnlich, eine solche Veranstaltung für seine Zwecke auszunutzen. Es sagt wohl seinem verschrobenen Sinn für Humor zu.“

Melanie murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, das wohl eine Zustimmung sein sollte.

„Wie auch immer, Larson hat arrangiert, dass wir an dem Spiel teilnehmen, und wird dir die Charakterprofile per E-Mail schicken“, fuhr Zoe fort. „Nash spielt den Besitzer des Hotels, was ganz gut ist, da er den Lageplan schon recht gut zu kennen scheint.“ Mein Held, dachte sie stolz lächelnd. So tüchtig … bei allem. Sie seufzte. „Was mich angeht, soll ich die Gastgeberin für das Spiel geben, und ich brauche meinen Namen nicht zu ändern.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Plötzlich fühlte sie sich sehr müde. „Ich bin nicht sicher, dass das eine gute Idee ist, aber Larson ist der Boss, und ich muss seinen Anweisungen folgen.“ Sie zog es vor, selbst das Sagen zu haben, denn sie vertraute ihrem eigenen Urteil nun mal mehr als dem eines anderen.

Nash war die einzige Ausnahme. Ihm würde sie ihr Leben anvertrauen und ihr Herz und ihren Körper … alles.

Himmel, was für Kopfschmerzen sie hatte! Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie gefallen war, aber der Verband an ihrer Schläfe war der Beweis, dass sie es doch getan hatte. Zoe war bei vielen Aufträgen verletzt worden – sie hatte in Bangkok eine Kugel eingesteckt, in Cozumel einen Messerstich, und hatte unzählige Rippenbrüche, Hiebe und Abschürfungen erlitten – aber sie konnte sich nicht erinnern, dass je etwas davon so sehr wehgetan hatte wie jetzt ihr Kopf. Sie runzelte die Stirn. Es war wirklich sonderbar. Der ganze Tag war sonderbar gewesen.

Sie versuchte dieses eigenartige Gefühl abzuschütteln und sich auf die anstehenden Aufgaben zu konzentrieren. „Wir werden in den nächsten ein, zwei Tagen unsere Überwachung durchziehen und unsere Rollen lernen. Nash soll außerdem das Gästebuch überprüfen und sich vergewissern, dass die Hauptverdächtigen auf leicht zugänglichen Zimmern untergebracht werden.“ Sie sah sich langsam um und nahm alle wichtigen Details auf. „Wo ist Nashs Gepäck?“

Eine steile Falte erschien zwischen Melanies Augenbrauen. „Wie bitte?“

Zoe setzte sich abrupt auf. „Nashs Gepäck. Ich sehe es nirgends.“

„Oh. Er muss es unten gelassen haben“, sagte Melanie, und aus irgendeinem Grund klang die Antwort ihrer Assistentin eher nach einer plötzlichen Eingebung als der aufrichtigen Wahrheit.

Ein komisches Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus, dasselbe Gefühl, das sie immer bekam, wenn etwas nicht ganz so war, wie es sollte. Im Moment konnte sie zwar nicht genau den Finger darauf legen, aber irgendetwas stimmte hier nicht. „Ich glaube, ich gehe nach unten und sehe mal nach. Ich muss mich sowieso ein wenig umsehen hier.“

Melanie stellte schnell ihren Laptop beiseite und kam hastig von ihrem Sitz am Fenster herunter. Sie strich sich hastig das Haar aus der Stirn. „Ich komme mit.“

„Nein, das ist nicht nötig. Bleib du ruhig hier, und ruh dich etwas aus. Glaub mir“, fügte Zoe mit einem trockenen Lächeln hinzu. Sie nahm ihre Pistole vom Schreibtisch und steckte sie in den Bund ihres Rocks. „Du wirst es brauchen.“

Gelassen ging Zoe die Stufen in die Lobby hinunter. Es ist schon seltsam, dass Verbrecher oft die schönsten Orte aussuchen, um ihre Geschäfte abzuwickeln, dachte sie und bewunderte die gewölbten Decken und sichtbaren Holzbalken. Die Verbindung von Stein und Zedernholz war hinreißend und gab einem ein Gefühl von Wärme, Glück und Gemütlichkeit. Handgewebte Teppiche bedeckten die abgenutzten Hartholzböden, und kostbare alte Quilts schmückten die Wände. Mit ihren bunten Patchworkmustern bildeten sie hübsche Farbtupfer, die perfekt mit der übrigen Einrichtung harmonierten.

Auf Gardinen hatte der Besitzer verzichtet, sodass jedes Fenster den Rahmen zur schönen Szenerie draußen bildete. Zoe sah sich im Raum um, und ein seltsames Gefühl erfasste sie, das sie nicht beschreiben konnte. Irgendetwas an diesem Ort vermittelte ihr unerklärlicherweise die Empfindung absoluter Sicherheit und Geborgenheit.

Der Klang von Nashs Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und sie lächelte unwillkürlich. Er stand hinter dem Tresen der Rezeption und überprüfte etwas am Computer, ein schnurloses Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Er verzog das attraktive Gesicht zu einer Grimasse, und Zoe lächelte wieder.

Sie musste ihn nur ansehen, schon atmete sie schneller und ihr Puls beschleunigte sich. Sie sehnte sich mit der gleichen Heftigkeit nach ihm wie damals, als sie voller Verlangen darauf gewartet hatte, dass er sie das erste Mal küsste.

Und das war eigentlich lächerlich, denn sie und Nash waren schon seit Jahren zusammen. Es gab keinen Zentimeter von Nashs Körper, den sie nicht kannte, den sie nicht gestreichelt und geküsst hatte. Er hatte dasselbe auch bei ihr getan, und doch wusste Zoe, dass es heute Nacht, wenn sie zusammen ins Bett gehen würden, so sein würde, als wäre es das erste Mal. Schon die Vorstellung genügte, um die Hitze der Leidenschaft in ihr zu entfachen. Sie spürte ein sehnsüchtiges Kribbeln in ihren Brüsten und zwischen den Beinen.

Er legte den Hörer auf und fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht. Als er aufsah und Zoe entdeckte, riss er erstaunt die Augen auf.

Sie lächelte und ging auf ihn zu. „Hi, Süßer“, sagte sie leise. Der würzige Duft, der von ihm ausging, erregte sie noch mehr. Sie beugte sich vor, umfasste sanft sein Kinn und drückte die Lippen auf seinen Mund.

Was als zarter Kuss begonnen hatte, wurde schnell zu einem sinnlichen Höhenflug, als ihre Zungen sich trafen. Die Hitze, die sie durchströmt hatte, flammte zu einem regelrechten Inferno auf, das ihr Innerstes zum Schmelzen brachte. Zoe beschloss, lieber aufzuhören, bevor sie sich zu sehr mitreißen ließ.

Widerwillig löste sie sich von Nash. „Wie’s aussieht, hast du deine Rolle schon wieder vorausgeahnt. Du sollst an diesem Wochenende den Besitzer der Berghütte spielen.“ Sie informierte ihn über den Rest des Plans. „Wir werden die Vorbereitungen morgen zu Ende führen. Sobald du dir das Gästebuch angesehen hast und wir die Charakterprofile durchgegangen sind, können wir eine Strategie entwickeln.“

„Klingt gut“, sagte Nash geistesabwesend. Sein Blick verweilte einen Moment auf ihren Brüsten und Beinen – lange genug, um Zoe zu schmeicheln. Er zupfte an seinem Hemdkragen. „Du hast dich umgezogen, wie ich sehe.“

„Na klar“, antwortete Zoe mit einem Lachen. Sie war sich wie ein kleiner unscheinbarer Spatz vorgekommen in der Verkleidung, die sie vorhin angenommen hatte.

Zoe zog klassisches Schwarz vor oder lebhafte Farben – Rot, Blau, Grün und Orange und ab und zu ein bisschen Weiß. Sie war nicht wie ein Model gebaut, aber sie machte das Beste aus dem, was sie hatte, und farbenfrohe Sachen waren ein guter Ausgleich für ihr nicht ganz so bemerkenswertes hellbraunes Haar und die braunen Augen.

Ihr recht extravaganter Stil war nicht jedermanns Sache, aber Nashs Aufmerksamkeit hatte sie jedenfalls erregt, und in diesem Moment sah er sie mit so einer Leidenschaft an, die jeder Frau das Gefühl geben würde, etwas Besonderes zu sein.

Nash schluckte. „Du siehst unglaublich aus. Wie immer“, fügte er hastig hinzu und schluckte wieder mühsam, als würde es ihn verlegen machen, ihr ein Kompliment zu machen.

Zu ihrer großen Verwunderung spürte Zoe, dass sie selbst ein wenig rot wurde. Sie wurde rot? War ihr das jemals in ihrem Leben passiert? Warum kam es ihr wie etwas völlig Ungewöhnliches vor? „Du auch, danke“, sagte sie und wurde wieder von diesem Gefühl der Verwirrtheit erfasst. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie es so loswerden, und zuckte leicht zusammen, als es wehtat.

„Bist du okay?“, fragte er besorgt. „Brauchst du ein Aspirin?“

„Nein, ich bin schon in Ordnung. Ich bin wegen deiner Sachen runtergekommen. Sag mir, wo dein Gepäck ist, und ich bringe es für dich nach oben.“

„Das … das ist nicht nötig. Entsprechend unserer Verhaltensstrategie hat Melanie mit dem Besitzer abgemacht, dass ich seine Zimmer übernehme.“

Zoe runzelte die Stirn. Das war jetzt aber wirklich seltsam. Melanie hatte nichts davon erwähnt, als sie das Thema anschnitt. „Das ist komisch. Sie hat mir nicht …“

„Sie hat gerade eben angerufen“, unterbrach Nash sie hastig und wies auf das Telefon.

„Oh. Na ja, okay“, sagte Zoe, immer noch ein wenig benebelt. „In dem Fall hole ich meine Sachen herunter. Wo ist unser Zimmer?“

Nash erstarrte, und ein komisches Lächeln erschien um seine Lippen. „Unser Zimmer?“ Seine Stimme klang irgendwie erstickt.

„Ja“, sagte sie geduldig. „Unser Zimmer. Nichts gegen Melanie“, fügte sie hinzu, „aber wenn unsere Einsätze uns zusammenbringen, was selten genug passiert, ziehe ich dich als Zimmergenossen vor.“ Sie richtete sich auf. „Wo ist es also? Ich möchte auspacken und dann etwas essen. Es ist bemerkenswert, aber ich erinnere mich nicht, ob ich heute auch nur einen Keks zu mir genommen habe.“

Nash murmelte etwas Unverständliches.

„Was?“

Er lächelte gezwungen. „Holen wir deine Sachen, Liebling, und dann zeige ich dir unser Zimmer.“

Sie zögerte und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Geht es dir gut, Nash? Macht dir irgendetwas Sorgen?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich … ich hasse einfach diesen Mistkerl Larson“, sagte er hitzig und schlug mit der Faust auf den Tresen. „Wir müssen ihn unbedingt aus dem Verkehr ziehen.“

Sie runzelte die Stirn. „Was? Larson?“

Er sah sie erschrocken an. „Boyle“, verbesserte er sich schnell. „Ich hasse Boyle.“

Ein Hauch von einem Gedanken tauchte in ihrem Kopf auf, aber er war verschwunden, bevor sie ihn zu fassen bekam.

Nash kam hinter dem Tresen hervor. „Komm“, sagte er abrupt und schob sie zur Treppe. „Wir haben viel zu tun. Wir müssen einen Juwelendieb fassen und böse Buben fertig machen.“

Autor

Joanne Rock
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