Tiffany Exklusiv Band 59

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VON DER LIEBE VERZAUBERT von D'ALESSANDRO, JACQUIE
"Sie treffen noch heute den Mann, den die Sterne Ihnen bestimmt haben!" Lacey glaubt der Wahrsagerin Madame Karma auf dem Valentinsmarkt kein Wort! Doch noch bevor der Tag endet, läuft Lacey dem attraktiven Manager Evan Sawyer in die Arme …

AUF DER INSEL DER LUST von LEIGH, JO
Megans Sexleben kommt entschieden zu kurz, bis sie online den netten Alex kennenlernt. Ihm gesteht sie ihre erotischen Fantasien - ganz harmlos mit Sicherheitsabstand! Doch als Alex sie auf eine Tropeninsel einlädt, ahnt Megan: Die Chats waren nur das Vorspiel …

VERBOTEN GUT von SUMMERS, CARA
Warum macht das Verbotene so viel Spaß? Ausgerechnet ihr Hauptverdächtiger weckt in Nicola mehr Verlangen, als die Polizei erlaubt! Alles spricht dafür, dass Gabe Wilder ein gesuchter Kunstdieb ist. Denn Gabe ist alles, aber nicht unschuldig - zumindest nicht im Bett …


  • Erscheinungstag 02.01.2018
  • Bandnummer 59
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752927
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jacquie D‘Alessandro, Jo Leigh, Cara Summers

TIFFANY EXKLUSIV BAND 59

PROLOG

Isabelle Girard, besser bekannt als die berühmte Wahrsagerin Madame Karma, saß an ihrem Tisch und beobachtete die Menschen, die über den geräumigen Innenhof des Einkaufszentrums schlenderten. Es war ein perfekter Tag im südlichen Kalifornien: Fairfax, das frisch renovierte Shopping-Center in Baxter Hills am Rande der Stadt, wurde neu eröffnet, die Sonne strahlte vom Himmel, mit anderen Worten – diesen Valentinstag musste man einfach draußen feiern. Die Party war in vollem Gange, und die Leute amüsierten sich offenbar prächtig. Menschen jeden Alters, Familien mit Kindern, Paare, Singles und Teenager in Gruppen spazierten über die blumengesäumten Wege und die sorgfältig getrimmte Rasenfläche. In den Cafés oder an den zahlreichen Ständen der umliegenden Restaurants gab es jede Menge Köstlichkeiten. Viele trugen eine Einkaufstasche des Fairfax-Centers in der Hand, während andere kleine Kunstwerke wie ein Bild oder eine Keramikvase bei einem der Händler erstanden hatten. Jongleure, Visagisten, Zauberer und auch Madame Karma sorgten für Unterhaltung und festliche Stimmung. In der Ecke des Innenhofes gab es sogar eine Band und ein kleines Parkett, auf dem die ersten Paare bereits tanzten.

Isabelle seufzte zufrieden. Es war eine willkommene Abwechslung, ihr Können auch einmal bei einer solchen Veranstaltung anzubieten. Nicht nur, weil es zusätzliche Einnahmen für sie bedeutete, sie konnte damit auch ihren Kundenstamm erweitern, denn schließlich sollte es doch noch mehr Menschen geben, die sich die Zukunft vorhersagen lassen wollten, als die, die bereits zu ihr kamen. Madame Karma liebte es, sich draußen aufzuhalten und den engen Räumen zu entkommen. Die frische Luft und die Sonne wirkten wie eine Verjüngungskur. Sie ließ sich die strapazierte Seele ein bisschen massieren und konnte wieder auftanken. Schließlich schaute sie schon seit mehr als vierzig Jahren in die Zukunft der verschiedensten Menschen, und es konnte nicht schaden, ab und zu den Standort zu wechseln.

Ihr Blick fiel auf den großen Brunnen in der Mitte des U-förmigen Innenhofes, wo das Wasser als Fontäne in die Luft sprühte. Im Sonnenschein glitzerten die Tröpfchen in allen Farben des Regenbogens, als sie über die Kaskade ins Becken hinunterperlten. Rundherum prangte ein Meer von bunt blühenden Blumen, und sauber gestutzte, dunkelgrüne Hecken säumten das Gelände. Zahlreiche schmiedeeiserne Bänke verteilten sich über den Hof, manche standen in der Sonne, andere im Schatten der aufragenden Ulmen. Für Besucher des Shopping-Centers, die sich ausruhen und etwas essen wollten, oder für die Angestellten in den Büros der oberen Stockwerke war es der ideale Ort für eine kleine Mahlzeit an der frischen Luft.

Und der ideale Platz für verliebte Paare, wenn man beobachtete, wie viele Verliebte heute eng beieinander auf der Bank saßen. Aber schließlich war es Valentinstag, der Tag der Verliebten.

Isabelle ließ den Blick auf einem Paar ruhen, beide mochten so ungefähr vierzig Jahre alt sein. In einem solchen Moment schien es, als ob sie ihre inneren Energien fließen ließ und mit der Seele anderer Menschen Kontakt aufnahm. Sie spürte die tiefe Liebe, die die beiden füreinander empfanden. Isabelle konzentrierte ihre kosmische Energie auf das Paar, und sie lächelte, als ihr bewusst wurde, warum die beiden so glücklich waren: Das lang ersehnte Baby war unterwegs. Madame Karma hoffte, dass die beiden zu ihr an den Tisch kommen würden, damit sie ihre Ahnung bestätigen konnte.

Sie erprobte ihre Fähigkeiten an zahlreichen anderen Partygästen. Einige besaßen eine starke Aura und riefen heftige seelische Reaktionen in ihr hervor. Wieder hoffte sie, dass diese Menschen sich die Zeit nehmen und zu ihr an den Tisch kommen würden. Vielleicht lag es am Valentinstag oder an der heutigen Planetenkonstellation oder an beidem, aber sie hatte das tiefe und deutliche Gefühl, dass Liebe in der Luft lag. Ihrer Erfahrung nach gab es viele Menschen, die mit aller Macht gegen ihr Schicksal kämpften. Die nicht an das Schicksal glaubten. Oder an das Karma. Die einfach vorbeiliefen und lieber ihren Vorurteilen folgten, als das Glück beim Schopfe zu packen. Die ihre Aufmerksamkeit Menschen widmeten, die sie auf lange Sicht nicht glücklich machen würden, obwohl die Person, die perfekt zu ihnen passte, oft genau vor ihrer Nase stand.

Wie dumm die Leute sein konnten. Wenn sie doch nur ihr Karma akzeptieren und den Weg gehen wollten, der ihnen vorgezeichnet war. Isabelle hatte die Erfahrung gemacht, dass die, die sich fügten, niemals an einem gebrochenen Herzen leiden mussten. Und die, die ihr Schicksal nicht akzeptieren wollten, kämpften auf verlorenem Posten … Solche Menschen waren zum Scheitern verurteilt.

Aber an einem Tag wie diesem lag die Liebe förmlich in der Luft, und vielleicht gelang es ihr, einige Partygäste auf den richtigen – auf den eigenen – Weg zu bringen. Sie konnte ihnen helfen, einen Menschen zu finden, der sie durchs Leben begleiten würde. Oder wenigstens davon abhalten, sich dem falschen in die Arme zu werfen.

Isabelle Girard straffte den Rücken, als eine junge Frau lächelnd auf sie zukam. Eine junge Frau, deren Aura besonders stark war. Madame Karmas Seele versetzte sich in Schwingungen, und schon suchte sie nach dem passenden Weg für diese junge Frau.

Das Schicksal wartete darauf, dass sie ihm auf die Sprünge half.

1. KAPITEL

Lacey Perkins hielt einen Becher frisch gebrühten Tee in der einen und einen riesengroßen, mit Zuckerguss verzierten Keks in der anderen Hand, als sie zu Madame Karmas Tisch hinüberspazierte.

Die helle Nachmittagssonne wärmte Laceys Haut. Sie konnte der verlockenden Wärme nicht widerstehen und blieb einen Moment lang stehen, um die Sonnenstrahlen zu genießen. Aus den Zelten, die überall auf dem Gelände aufgebaut waren, duftete es wunderbar nach Essen. Mit geschlossenen Augen lehnte sie den Kopf zurück und sog die würzige Luft ein paar Mal tief in die Lungen. Seit den frühen Morgenstunden hatte sie im Constant Cravings gearbeitet, und sosehr sie ihr kleines Café auch liebte, eine kleine Pause konnte sie dringend gebrauchen.

Sie öffnete wieder die Augen und blinzelte gegen das Sonnenlicht. Die Menschen drängten sich im Innenhof, und seit sie das Constant Cravings heute Morgen geöffnet hatte, herrschte ein einziges Kommen und Gehen. Die Valentinsparty, mit der zugleich die Renovierung des Fairfax gefeiert wurde, war ein voller Erfolg, und sie war überzeugt, dass ihre Einnahmen jetzt schon weit über den Erwartungen lagen. Obwohl es ein hektischer Tag gewesen war, hatte sie unter den Gästen viele ihrer Stammkunden erkannt. Leute, die in Baxter Hills wohnten, Angestellte aus den Büros des Gebäudekomplexes und Arbeiter aus den Servicebetrieben. Ganz egal, ob Direktor oder Gärtner, alle hatten bei ihr vorbeigeschaut.

Aber noch mehr fühlte sie sich durch die vielen neuen Gäste ermutigt, die oft nach der Visitenkarte griffen, die sie hinter die Kasse geklemmt hatte. Lacey hoffte, dass die neuen Gäste sie wieder besuchen würden, um ihre Kaffeespezialitäten, die Tees und das frische Gebäck zu probieren. Außerdem konnten sie auf ihrer Website surfen und sie als Konditorin für die nächste Privatparty engagieren.

Sie hatte hart an ihrem Traum von einem eigenen kleinen Café gearbeitet. Mit dem Constant Cravings war er Wirklichkeit geworden, und sie war stolz auf die persönliche Note, mit der sie den Laden dekoriert und die Speisekarte gestaltet hatte. Überall in Los Angeles stolperte man förmlich über die modischen Coffee-Shops, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Aber sie hatte dafür gesorgt, dass das Constant Cravings anders war – in jeder Hinsicht. Der Laden lag in Baxter Hills, einer aufstrebenden Gegend am Stadtrand, die Einrichtung war extrem ungewöhnlich, das Essen schmeckte so wunderbar wie sonst nirgendwo, und selbst die farbenfrohen Servietten stachen sofort ins Auge. Inständig hoffte sie, dass die neuen Gäste überall herumerzählen würden, welche Entdeckung sie gemacht hatten. Und dass sie mit der Zeit zu Stammkunden werden würden, damit der Umsatz noch weiter stieg.

Denn dann könnte sie sich vielleicht Evan Sawyer vom Hals schaffen.

Evan Sawyer war der Manager des Fairfax-Centers und unglücklicherweise auch ihr Vermieter. Laceys Blick schweifte quer über das Gelände und blieb an ihm hängen, als ob sie ihn mit ihren bloßen Gedanken herbeigezaubert hatte. Wie immer blickte er reichlich finster drein. Es überraschte sie nicht im Geringsten, dass er einen korrekten Business-Anzug mit perfekt geknoteter brauner Krawatte trug – trotz des warmen Wetters, an einem Samstag und obwohl er sich auf einer Party befand.

Lacey spürte, wie der Ärger in ihr aufkeimte. Der Mann sah immer perfekt aus. Als ob er geradewegs einem Männer-Magazin entsprungen war. Der dunkle Anzug saß wie angegossen, das weiße Hemd war knitterfrei gebügelt und die Schuhe auf Hochglanz poliert. Obwohl ein leichter Windhauch ihm gerade das dunkle Haar zerzaust hatte, kriegte er es irgendwie hin, so auszusehen, als hätte eine Windmaschine ihm perfekt durchs Haar gewirbelt.

Ja, er war einfach perfekt. Daran musste es liegen, dass sie sich in seiner Nähe immer irgendwie ungeschickt und tollpatschig fühlte. Als ob sie zwei linke Hände hätte. Kurz und gut, in seiner Nähe kam sie sich vor wie … ein ungemachtes Bett. Wie oft verspürte sie dann unwillkürlich das Bedürfnis, mit den Händen über ihre verknautschte Kleidung zu streichen. Wie oft hatte sie sich gewünscht, sich morgens ausgiebiger ihrer unbändigen Lockenfrisur gewidmet zu haben, und wie oft hatte sie mit einem Blick in den Spiegel überprüft, dass keine Reste vom Spinatsalat an ihren Zähnen hängen geblieben waren.

Obwohl all dies vollkommen lächerlich war. Was kümmerte es sie, ob er sie körperlich attraktiv fand oder nicht? Zähneknirschend musste sie sich eingestehen, dass er sich noch nie dazu in irgendeiner Weise geäußert hatte. Jedenfalls nicht mit Worten. Und seine Blicke gaben ihr dauernd zu verstehen, dass er ihren Auftritt nicht schätzte. In jedem Fall machte er kein Geheimnis daraus, wie wenig er von ihrer Art und Weise hielt, das Constant Cravings zu führen.

Seit fast acht Monaten hatte sie den Laden im Fairfax gemietet, und sie war jedes Mal frustriert, wenn sie mit Evan Sawyer zu tun hatte. In Verhandlungen war er härter als jeder Betonblock. Immer wieder beklagte er sich über die Schaufensterpuppen, die sie in aufreizende Wäsche gekleidet hatte und zwei Mal monatlich neu ausstaffiert im Fenster präsentierte. Angeblich waren sie zu anzüglich. Das galt auch für die Kekse, die wie Männer- und Frauenkörper geformt waren und reißenden Absatz fanden. Seit kurzem spielte sie mit dem Gedanken zu expandieren und hatte ihm vorgeschlagen, den Laden direkt neben dem Café, an der vorderen Seite des Gebäudes, anzumieten, sobald er frei würde. Evan Sawyer hatte ihren Vorschlag nicht kommentiert. Aber er hatte sie angeschaut, als wollte er sie mit seinem Blick durchbohren …

Eigentlich hätte man erwarten können, dass der Kerl begeistert zustimmte, denn das Constant Cravings konnte solide Bilanzen vorweisen und zahlte einen ordentlichen Anteil an das Fairfax. Aber nein, ihm fiel nichts Besseres ein, als sich zu beschweren. Er sitzt mir wie ein Stachel im Fleisch, sinnierte Lacey. Verklemmt, dickköpfig und arbeitswütig … In seiner Brust schlägt bestimmt ein geklontes Herz. „Geklonte Herzen“ nannte sie die Menschen, die niemals Spaß im Leben hatten. Ausgeschlossen, dass Evan Sawyer es verstand, die schönen Seiten des Lebens zu genießen … Sie konnte nur vermuten, dass er im Bett die absolute Null war.

Zu dumm, denn er sah nun mal mehr als passabel aus, natürlich nur, falls man sich für einen zugeknöpften Geschäftsmann wie ihn interessierte. Was bei ihr selbstverständlich ganz und gar nicht der Fall war. Wie praktisch, denn es wäre reichlich idiotisch, wenn sie einen Kerl attraktiv fand, der absolut nicht ihr Typ war. Was interessierte es sie also, dass er in seinen perfekt sitzenden Anzügen wirklich mehr als gut aussah? Was interessierte es sie, wenn seine Augen so blau strahlten, wie sie es noch nie vorher gesehen hatte? Es war absurd. Viele Männer besaßen einen Traumkörper und strahlend blaue Augen. Viele dieser Männer wussten sicher auch, wie man lächelte. Und lachte. Männer, die es sogar wagen würden, für ein paar Minuten aus dem Alltag auszusteigen, um den Duft der Rosen zu genießen. Sie störten sich nicht an Keksen, die wie Körper geformt waren.

Dieser Evan Sawyer brachte sie vollkommen durcheinander. Lacey durfte es ihm auf keinen Fall gestatten, ihr den wundervollen Tag zu verderben. Sie wandte sich ab und steuerte auf den Tisch der Wahrsagerin zu, als er ihren Blick auffing. Plötzlich überfiel sie das unerklärliche Gefühl, in die Falle getappt zu sein. Es war, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ein paar Sekunden lang starrten die beiden einander unverwandt an. Laceys Rücken prickelte angenehm warm … Zweifellos lag es daran, dass der Mann wirklich unverschämt attraktiv war. Warum hatten die Götter ihn nur so reich gesegnet, als sie hübsche und weniger hübsche Gesichter verteilt hatten? Denn eigentlich hätte er es verdient, sich als hässlicher Zwerg durchs Leben schlagen zu müssen. Als warnendes Beispiel für unfaires Verhalten. Dass er gut aussah, war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, genau wie die Tatsache, dass Männer nie an Cellulite litten … oder dass Krähenfüße sie distinguiert aussehen ließen, Frauen dagegen einfach nur alt … oder dass ein Häppchen Schokolade sich niemals dauerhaft auf männlichen Hüften absetzte … es war einfach ungerecht.

Sie riss sich aus ihrer Erstarrung, nickte ihm einen Gruß zu und zwang sich zu einem halben Lächeln. Versuchte er wenigstens, es ihr nachzumachen? Nicht die Spur. Stattdessen ließ er den Blick über sie schweifen, und seine gerunzelte Stirn legte sich in finsterste Falten. Lacey senkte den Kopf und betrachtete ihr kurzärmliges weißes Hemd mit dem Logo von Constant Cravings, ihre schlichten schwarzen Hosen und die bequemen schwarzen Ballerinas an den Füßen, während sie angestrengt darüber nachdachte, was seinen Zorn wohl ausgelöst haben mochte.

Lacey hob das Kinn, schenkte ihm absichtlich keine Beachtung und näherte sich dem Tisch der berühmten Wahrsagerin Madame Karma. „Im Moment haben Sie keine Kundschaft. Wie wäre es mit einem kleinen Snack?“, fragte Lacey, nachdem sie sich vorgestellt hatte, und platzierte die Kekse und den Tee in die Ecke der Brokatdecke, die auf dem Tisch ausgebreitet war.

Madame Karmas dunkle Augen sprühten. „Vielen Dank, meine Liebe. Das ist wirklich sehr aufmerksam.“ Sie griff nach dem Keks und amüsierte sich über das merkwürdige Gebäck. Das Konfekt war geformt wie ein geschwungener weiblicher Schenkel, von der Seite betrachtet. Der aufwendige Zuckerguss ließ es aussehen, als ob das geschwungene Bein in Netzstrümpfen und der zierliche Fuß in einem sexy roten High Heel steckte.

„Ich wünschte, meine Beine würden auch noch so aussehen“, seufzte Madame Karma, „wie früher. Als ich in Ihrem Alter war.“

„Das Gebäck heißt ‚For Your Thighs Only‘. Nur das Beste für Ihre Schenkel. Meine Gäste sind ganz verrückt danach.“

Madame Karma knabberte an dem knallroten Schuh, kaute genüsslich und spülte die Krümel mit einem Schluck Tee herunter. „Einfach köstlich. Was bin ich Ihnen schuldig?“

„Geht aufs Haus“, erwiderte Lacey. „Ich hätte Ihnen schon viel früher was vorbeigebracht, aber im Café war die Hölle los.“

„Wenn Sie kein Geld nehmen wollen, dann müssen Sie mir gestatten, dass ich einen Blick in Ihre Zukunft werfe. Als Bezahlung für den köstlichsten Keks, den ich jemals gegessen habe“, beharrte Madame Karma und zwinkerte Lacey zu. „Und im Laufe meines Lebens habe ich jede Menge Kekse verzehrt, das dürfen Sie mir glauben.“

„Klingt nach einem fairen Handel.“

„Bitte, setzen Sie sich“, schlug Madame Karma vor. Mit der üppig beringten Hand deutete sie einladend auf den Stuhl, der ihr gegenüberstand. Nachdem Lacey sich gesetzt hatte, beugte sie sich nach vorn. Der durchdringende Blick der Wahrsagerin schien Lacey direkt ins Herz zu schauen.

„Ihre Aura leuchtet hell und klar, meine Liebe“, flüsterte Madame mit heiserer Stimme. „Ich spüre, dass Ihre Seele Kontakt aufnimmt … enge Verbindung sucht …“ Ohne den Blick abzuwenden, griff sie in eine verzierte Holzschachtel und zog einen Stapel Karten hervor. „In Ihrem Fall werde ich mit diesen Karten arbeiten. Für eine ganz besondere Vorhersage. Eine, die tiefste Einblicke verschafft.“

Lacey löste sich aus dem Blick der Wahrsagerin und betrachtete die Karten. Für sie war es nichts anderes als ein Spiel, und sie schaute zu, wie Madame Karte für Karte anhob und verdeckt auf den Tisch legte.

„Bitte suchen Sie sich sieben Karten aus. Mit der linken Hand. Und dann geben Sie sie mir.“

Lacey folgte den Anweisungen. Auf Madames Aufforderung hin wiederholte sie es zwei Mal. Nachdem sie das Blatt in drei Reihen sortiert hatte, zeigte die Wahrsagerin auf die erste Gruppe. „Diese Karten hier stehen für Ihre Vergangenheit.“ Fast eine Minute verging, während sie das Blatt schweigend betrachtete. „Ich sehe zwei Frauen mit Ihnen. Ihre Mutter und Ihre Schwester. Es gab auch einen Mann. Ihren Vater. Aber seine Gegenwart ist nur schwach zu erkennen. Dann war er verschwunden.“ Die Frau hob den Kopf und schaute sie direkt an. „Er ist tot, stimmt’s?“

„Ja“, wisperte Lacey. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und sie zuckte erschrocken zusammen, so genau hatte Madame Karma die Sache getroffen.

„Er ist jung gestorben“, fuhr Madame fort und studierte wieder die Karten. „Er hatte Probleme mit dem Herzen.“

Lacey wurde unheimlich zumute. Woher wusste Madame Karma so genau Bescheid? Immerhin handelte es sich um ganz persönliche Informationen. Plötzlich tauchte ein Bild ihres Vaters in Laceys Erinnerung auf … wie ernst er immer gewesen war und mit welcher Hingabe er sich seiner Karriere gewidmet hatte. Sie schluckte schwer, um ihre Stimme wiederzufinden. „Ein Herzinfarkt“, sagte sie leise, „ich war erst vierzehn Jahre alt.“

Madame nickte. „Ich sehe, dass sein Tod Sie sehr traurig gemacht hat. Die Not, in die er Ihre Familie gestürzt hat. Aber ich sehe auch, wie sehr Sie das Leben lieben. Sie wollen unbedingt erfolgreich sein. Wie Ihr Vater. Aber nicht auf Kosten Ihrer Gesundheit. Ich sehe, dass Sie entschlossen sind, nicht die gleichen Fehler zu machen wie Ihre Mutter und Ihre Schwester.“

Wieder rann Lacey ein unheimlicher Schauer über den Rücken, und sie kämpfte gegen das Bedürfnis, abrupt aufzuspringen. Es kam ihr vor, als könne Madame Karma tatsächlich ihre Gedanken lesen.

„Diese Karten stehen für Ihre Gegenwart“, fuhr Madame fort und zeigte auf die mittlere Reihe. „Beruflich ist alles in Ordnung, obwohl … Ich sehe da eine Störung. Irgendjemand oder irgendetwas ärgert Sie. Sitzt Ihnen wie ein Stachel im Fleisch. Bitte entschuldigen Sie, mir fällt gerade nichts Besseres ein.“

Stachel im Fleisch? Sofort schoss das Bild Evan Sawyers in ihr hoch. Unwillkürlich biss sie die Zähne zusammen. „Was ist mit diesem Stachel in meinem Fleisch? Wird er … verschwinden?“

„Geduld, meine Liebe“, erwiderte Madame und schaute kurz auf. „Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich die letzte Reihe gelesen habe. Die Zukunft. Aber erst mal zurück in die Gegenwart. Beruflich läuft es bei Ihnen ganz ausgezeichnet, aber Ihr Privatleben befindet sich in einem grauenhaften Zustand. Ich sehe … Einsamkeit. Kein Mann in Ihrem Leben … obwohl …“ Sie hielt inne.

„Was?“, hakte Lacey nach und beugte sich vor.

„Jemand zeigt sich am Horizont.“

Lacey schöpfte Hoffnung. „Ist dieser Jemand attraktiv?“ Ein attraktiver Jemand wäre … wundervoll. Jemand, der über den eigenen Tellerrand blicken konnte. Jemand, der nicht nur Arbeit im Kopf hatte. Jemand, der den Mut hatte, ein paar Minuten innezuhalten und den Duft der Rosen zu genießen … Schon seit einigen Monaten hatte sie kein Date mehr gehabt. Und die letzten drei Dates davor… Lacey schauderte, als sie daran dachte. Sie musste nicht viele Worte machen, um die letzten drei Dates zu beschreiben: schlimm, schlimmer, am schlimmsten.

„Dieser Jemand steht in Verbindung mit der Störung, die Ihr berufliches Leben überschattet … Lassen Sie uns die letzte Reihe betrachten, Ihre unmittelbare Zukunft.“ Nachdem sie die sieben Karten gelesen hatte, stülpte Madame Karma die Lippen. „Was den Stachel in Ihrem Fleisch angeht, diese Reihe beweist, dass es sich um einen Mann handelt. Um einen Mann ganz in Ihrer Nähe, räumlich gesehen, nicht sexuell. Vielleicht ein Kollege.“ Madame schaute auf, und ihre dunklen Augen suchten Laceys Blick. „Sie wissen, auf wen ich anspiele.“

„Ich könnte mir jemanden vorstellen, den ich als ‚Stachel im Fleisch‘ bezeichnen würde“, erwiderte Lacey bedächtig. „Den Mann, der dieses Gebäude verwaltet.“

Madame Karma nickte feierlich. „Ja, das würde genau passen. Die Karten verraten mir, dass es ein mächtiger Mann ist.“

„Stimmt. Ein mächtiger Stachel in meinem Fleisch.“

„Wie heißt er?“

„Evan Sawyer.“ Sie deutete mit einem Kopfnicken auf die Karten. „Soll das heißen, dass Mr. Stachel drauf und dran ist, das Fairfax zu verlassen?“, fragte Lacey hoffnungsvoll. „Wird er vielleicht nach Sibirien verbannt?“

„Nein. Im Gegenteil. Sie werden ihm noch näherkommen. Aber anders, als Sie vermuten. Bisher gab es keinen Sex … In Zukunft können Sie nicht genug von ihm bekommen.“

Lacey stand der Mund offen. Es kam ihr vor, als würde ein sanfter Stromstoß wie in Zeitlupe durch ihren Körper rieseln. Dann brach sie in hektisches Gelächter aus. „Ich garantiere Ihnen, dass das nicht passieren wird. Es muss also noch einen anderen Stachel in meinem Fleisch geben.“

„Meine Liebe, ich versichere Ihnen, dass die Karten die Wahrheit sagen. Gegen das Schicksal können Sie nicht kämpfen. Es lohnt sich nicht. Wenn Sie es trotzdem versuchen, wird es sich bitter an Ihnen rächen. Als ob es Sie verflucht hat. Glauben Sie mir, es wird Ihnen nicht gefallen. Ihr Glück wird sich in blankes Unglück verwandeln.“ Madame schnipste mit den Fingern, sodass die metallenen Armbänder an ihren Gelenken klimperten, und umschloss Laceys Hände. „Dieser Evan Sawyer … Sie sind überzeugt, dass er absolut nicht zu Ihnen passt. Aber glauben Sie mir, er ist genau der Richtige für Sie. Kein Zweifel, er ist der Mann Ihres Lebens.“

2. KAPITEL

Evan Sawyer beobachtete Lacey Perkins quer über den Innenhof und bemerkte, wie seine Muskeln sich versteiften. Irgendetwas an dieser Frau beunruhigte ihn. Er begriff nicht, warum es so war, und es gefiel ihm überhaupt nicht. Die Anspannung, die ihn jedes Mal packte, wenn er sie sah … zum Teufel noch mal, wenn er nur an sie dachte … Es musste sich um eine tiefe Irritation handeln. Es nervte ihn, dass sie ihn mit ihren aufreizenden Schaufensterdekorationen und der anzüglichen Speisekarte zu provozieren versuchte. Wer um alles in der Welt wagte es, Gebäck mit dem Namen Chocolate Orgasm zu verkaufen? Oder seinen Kaffee Hot, Wet & Wild zu nennen?

Die Frau mit dem schrillen Café verursachte ihm Kopfschmerzen. Schon gleich am Eröffnungstag hatte er im Constant Cravings vorbeigeschaut und sich darauf gefreut, einen Cappuccino in sein Büro mitnehmen zu können. Aber noch bevor er seine Bestellung hatte aufgeben können, hatte Lacey ihn lächelnd gefragt, ob er nicht Lust habe, das Eröffnungsspecial zu probieren – A Slow Glide into Pleasure hatte sie es genannt. Das war vor acht Monaten gewesen. Aber trotzdem erinnerte er sich noch ausgesprochen lebhaft daran. So lebhaft, dass ihm das Blut heiß durch die Adern schoss, als wäre es vor acht Sekunden passiert. Sogar jetzt noch, nach all den Monaten, musste er die Hände zu Fäusten ballen, um nicht nach der Krawatte zu greifen, die ihm plötzlich viel zu eng geknotet vorkam … Er erinnerte sich noch genau an die heisere, rauchige Stimme, mit der sie ihm die Frage gestellt hatte, während ihre Augen ihm verschmitzt zugezwinkert hatten. Noch nie im Leben hatte eine Frau ihn so durcheinandergebracht.

Kein Wunder. Lacey und er waren schließlich vollkommen verschieden. Ihre Persönlichkeit und seine passten absolut nicht zueinander. Sie waren wie Feuer und Wasser, lagen sich ständig in den Haaren. Wenn das Constant Cravings nicht zu den einträglichsten Läden im gesamten Fairfax-Center gehört hätte, hätte er den Mietvertrag schon vor Monaten gekündigt. Die Frau hörte einfach nicht auf, ihn zu provozieren. Immerzu musste sie testen, wie weit sie gehen konnte. Unablässig versuchte sie, ihre Grenzen weiter hinauszuschieben. Langsam konnte er es nicht mehr ertragen. Warum brachte sie es nicht fertig, sich einfach an die Vorschriften zu halten, wie alle anderen Mieter auch?

Zweifellos lag es daran, dass sie zu diesen Schickimickis gehörte, die überzeugt waren, dass Vorschriften nur dazu gemacht waren, um sie zu brechen. Oder wenigstens zu verändern. Weil sie sonst ihre „kreative Ader“ abschnürten. Dabei ignorierte sie die Tatsache, dass das Fairfax versuchte, die gehobene Kundschaft anzusprechen. Ihre anzügliche Schaufensterdekoration und die Speisekarte passten nicht in dieses Image. „Nein“, schnappte sie beleidigt, wann immer er sie daran erinnerte, und bestand darauf, dass ihre Deko ironisch gemeint war. Sex sells, behauptete sie, ein bisschen Anzüglichkeit treibt den Umsatz nach oben, und die Bilanzen gaben ihr recht.

Evan konnte zwar nicht abstreiten, dass sie finanziell erfolgreich war. Aber verdammt noch mal, fluchte er leise, sie muss sich einfach an die – an seine – Regeln halten. Unglücklicherweise war der Absatz über die Schaufensterdekoration im Pachtvertrag so formuliert, dass ihr genügend Spielraum blieb, es ihm schwer zu machen, die Vorschriften streng auszulegen oder sogar noch zu verschärfen. Bis jetzt hatte sich noch niemand beschwert, aber er vermutete, dass es nur eine Frage der Zeit war, zumal die Deko in ihrem Fenster von Monat zu Monat anzüglicher wurde.

In diesem Moment drehte sie sich herum, und ihre Blicke begegneten sich. Er hatte das Gefühl, dass der Boden unter seinen Füßen ins Wanken geriet, und erstarrte. Obwohl er aus der Entfernung nicht erkennen konnte, welche Farbe ihre Augen hatten, schienen sie ihm in diesem Moment karamellbraun zu sein, mit goldhellen Flecken in der Iris, umrahmt von einem dunklen Ring, der geschmolzener Schokolade ähnelte. Jedes Mal, wenn er in diese Augen schaute, verspürte er das unerklärliche Bedürfnis, sich mit süßen Köstlichkeiten zu verwöhnen.

Der Wind spielte in ihrer unbändigen Lockenmähne. Sie hatte versucht, sie mit einem Pferdeschwanz zu zähmen. Mit begrenztem Erfolg. Evan versuchte, den Blick von ihr loszureißen. Aber wie jedes Mal, wenn er sie sah, schienen seine Augen dem Befehl des Gehirns nicht Folge zu leisten. Anstatt sich abzuwenden, schweifte sein Blick an ihrem Körper hinunter. Ihr weißes, kurzärmeliges Hemd und die schlichte schwarze Hose wirkten nicht besonders provokativ. Es gab keinen Grund, wütend die Zähne zusammenzubeißen.

Trotzdem … die Art, wie ihre Kleidung den Körper umschmeichelte … sensationell. Es machte ihn sprachlos. Verdammt, jedes Mal, wenn er sie anschaute, tauchten vor seinem geistigen Auge ihre Lippen auf … ihre vollen, glänzenden Lippen … und diese Lippen formten die Worte: Möchten Sie vielleicht A Slow Glide into Pleasure probieren? Unruhig trat er von einem Bein aufs andere, um seine Muskeln zu entspannen. Verwirrt hob er die Augenbrauen. Musste er sich Sorgen machen, dass sein Körper so heftig auf den Anblick einer Frau reagierte, die er noch nicht einmal mochte?

Ja. Er musste sich Sorgen machen. Sogar große Sorgen.

Lacey neigte den Kopf zur Seite und lächelte ihm verkrampft zu. Mit einem solchen Gruß hatte er gerechnet. Aber bevor er ihn erwidern konnte, streckte sie ihm frech das erhobene Kinn entgegen, drehte sich weg und näherte sich dem Tisch der Wahrsagerin. Evan versuchte mit aller Macht, den Blick von ihr loszureißen, scheiterte aber auch diesmal. Denn die Art, wie sie sich bewegte, wie sie zum Tisch hinüberging, fesselte seine Aufmerksamkeit. Es mochte sein, dass sie zu diesen Schickimickis gehörte, dass sie ihm die Hölle auf Erde bereitete, weil sie sich einen Dreck um die Vorschriften kümmerte. Aber er konnte nicht abstreiten, dass er sich zu verwegenen Gedanken hinreißen ließ, als er sah, wie ihre Hüfte sich mit jedem Schritt langsam und sinnlich von einer Seite auf die andere rollte. Wieder schien der Boden unter seinen Füßen zu wanken …

Er räusperte sich und zwang sich mit aller Macht, endlich den Blick abzuwenden, drehte den Kopf zur Seite – und schaute nun direkt in das Schaufenster ihres Cafés. Evan biss die Zähne zusammen, so provozierend fand er die Deko: Zwei Schaufensterpuppen, eine männlich, die andere weiblich, standen in einer gemütlich eingerichteten Küche. Die Herdklappe war geöffnet, und die weibliche Puppe, die ein knappes, feuerrotes Kleid trug, hielt in einer Hand ein Backblech, und in der anderen streckte sie einen überdimensionierten, herzförmigen Keks in die Höhe, der mit pinkfarbenem Guss überzogen war. Die glänzend roten Lippen teilten sich leicht, während sie die Augen halb geschlossen hielt, und sie streckte den Keks der männlichen Puppe hinter ihr entgegen.

Der Puppenmann trug einen schwarzen Morgenmantel aus Satin und passende Boxershorts, die mit kleinen pinkfarbenen Herzen verziert waren. Die Hände hatte er auf die Hüften der Frau gelegt, und er senkte den Kopf in ihren Nacken. Am oberen Rand des Schaufensters prangten in knalligen Farben die Worte: Beiß mich und lauf, wenn du kannst … Es war die leibhaftige Versuchung.

Plötzlich schoss ihm durch den Kopf, wie Lacey wohl in diesem sexy roten Kleid aussehen würde … wenn sie ihm den Keks anbot. Es konnte nicht an der Sonne liegen, dass ihm das Blut doppelt so heiß durch die Adern zu pulsieren schien.

„Hi, Evan, hast du es auf die Wahrsagerin abgesehen?“

Evan kniff die Augen zusammen, verscheuchte die verwirrende Vorstellung und wandte sich Paul West zu, seinem Anwalt. Die beiden hatten zusammen studiert und waren seit der Zeit auf dem College eng befreundet. In der vergangenen Woche war Paul West mit seiner Kanzlei in das Fairfax-Center gezogen. „Hm?“, stieß Evan mühsam hervor, weil er sich noch nicht ganz erholt hatte.

„Die Wahrsagerin. Die Leute rennen ihr die Bude ein. Scheint der Hit der Party zu sein. Willst du dir auch die Karten legen lassen?“

„Ich?“ Empört zog Evan die Augenbrauen hoch. „Soll das dein Ernst sein?“

„Ja. Die Betonung liegt auf ‚Ernst‘. In letzter Zeit bist du eine Spur zu ernst gewesen. Entspann dich mal ein bisschen. Vergiss nicht, wir sind hier auf einer Party.“

„Nein, kein Sorge. Ich werde es schon nicht vergessen.“ Wie sollte er auch? Schließlich war es seine Idee gewesen, und die dicke Rechnung zahlte GreenSpace Property Management, das Unternehmen, bei dem er angestellt war. Das Geld war gut angelegt, denn die Party war ein voller Erfolg und brachte eine große, bunt gemischte Kundschaft in die Läden des Shopping-Centers. Ob Boutiquen mit mittlerem und gehobenem Geschmack oder Cafés, es war für jeden etwas dabei. Evan war stolz, dass die Ladenfläche zu fast hundert Prozent vermietet war. Endlich waren die Renovierungsarbeiten beendet, und er hatte sich vorgenommen, dass die Büroflächen, die nur zu achtzig Prozent ausgelastet waren, am Jahresende vollständig vergeben sein sollten.

Paul versetzte ihm einen Rippenstoß und deutete mit einem Kopfnicken dann quer über den Innenhof. „Sieht so aus, als würde Lacey Perkins sich die Karten legen lassen.“

Evan nahm Lacey ins Visier. Sie saß am Tisch der Wahrsagerin und hatte ihm den Rücken zugekehrt. „Kennst du sie?“, fragte er überrascht.

„Ja. Oder glaubst du, dass ich die Inhaberin des Cafés nicht kenne, das nur ein paar Schritte von der Kanzlei entfernt ist? Letzte Woche ist sie mir über den Weg gelaufen, an meinem ersten Arbeitstag. Sie macht den besten Latte macchiato ohne Milchschaum, den ich je probiert habe. Außerdem ist sie wirklich nett.“

„Nett?“ Evan schüttelte den Kopf. „Ich würde es anders nennen.“ Ärgerlich … verwirrend … anstrengend … das waren die Worte, die viel besser beschrieben, was er im Kopf hatte.

„Hm. Vielleicht hast du recht. Sie ist nicht nett, sie ist … ziemlich scharf.“

Evan riss den Kopf herum, betrachtete Paul von der Seite und bemerkte, dass sein Freund die volle Aufmerksamkeit auf Lacey gerichtet hatte. Plötzlich keimte ein Gefühl in ihm auf, das sich exakt anfühlte wie Eifersucht. Aber warum sollte er eifersüchtig sein? „Scharf? Findest du?“

„Machst du Witze?“ Paul schaute ihn entgeistert an. „Du bist doch der Gebäude-Manager. Hast du sie noch nie gesehen?“

Oh, doch. Natürlich hatte er sie schon gesehen. Viel öfter, als ihm lieb war. „Klar.“

„Und du bist nicht der Meinung, dass diese Frau einen Eisberg zum Schmelzen bringen könnte?“

Es gefiel ihm gar nicht, und er begriff auch nicht, warum es so war, aber die Frage hatte Evan kalt erwischt. „Mag sein, dass sie ausgesprochen attraktiv ist. Aber das spielt absolut keine Rolle, weil sie und die aufreizende Modenschau in ihrem Schaufenster mir das Leben zur Hölle machen.“

„Ja, also, ich muss zugeben, diese Modenschau im Schaufenster ist wirklich köstlich. Gestern habe ich ihren Sugar-Lips-Krümel-Kuchen probiert. Wow. Einfach sensationell. Das, was diese Frau in der Küche anstellt, treibt einem erwachsenen Mann die Tränen in die Augen.“ Paul grinste. „Hoffentlich gibt’s nächste Woche irgendwas mit ‚Sex auf dem Auto-Rücksitz‘ im Angebot. Hätte Lust, das mal zu probieren … mit ihr zusammen.“

Evans Magen krampfte sich zusammen. Seine Gesichtsmuskeln verkrampften sich offenbar auch, denn Paul musterte ihn aufmerksam und hob die Hände. „Wow. Tut mir leid. Konnte ja nicht ahnen, dass ich dir zu nahe trete.“

„Was meinst du?“

„Dieser messerscharfe Blick, mit dem du mich gerade durchbohrt hast. Woher sollte ich wissen, dass du in sie verknallt bist?“

Jetzt erst bemerkte Evan, dass er Paul ziemlich böse angeschaut haben musste, und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Ja, woher auch, wenn es noch nicht mal stimmt?“ Es stimmte wirklich nicht. Er war nicht in Lacey verknallt. Und die Hitzewallungen, die ihr Anblick jedes Mal auslöste? Nur eine nachhaltige Irritation?

„Aha. Warum starrst du sie dann die ganze Zeit über an?“, hakte Paul nach. „Ich mache dir keinen Vorwurf. Es lohnt sich, Lacey anzustarren.“

„Falls ich sie anstarre, dann deshalb, weil ich rausfinden will, was sie als Nächstes vorhat. Sie neigt dazu, die Vorschriften zu missachten.“

„Aha. Sie provoziert dich also.“

„Nein. Sie nervt mich.“

„Sie ist nicht der Typ Frau, für den du dich normalerweise interessierst.“

Evan schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen zum Himmel. „Ich interessiere mich nicht für sie. Ich möchte sogar, dass sie das Fairfax verlässt, sobald ihr Pachtvertrag abgelaufen ist. Aber stattdessen will sie expandieren. Will wissen, ob die Läden an der Eingangsfront rechts und links neben ihrem Café zu haben sind.“

Paul schaute ihn einen Moment lang an, und Evan kam sich vor, als würde er unter einem Mikroskop begutachtet. „Mann, dich hat’s wirklich schwer erwischt“, meinte Paul schließlich amüsiert. „Es ist ziemlich komisch, dass du es selbst gar nicht bemerkst. Immerhin hast du Betriebswirtschaft studiert. Mit dem besten Abschluss im Jahrgang. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Einerseits freut es mich, dass du dich endlich wieder für eine Frau interessierst. Für eine, die nicht so verklemmt, ehrgeizig und langweilig ist wie all die Frauen, mit denen du deine Zeit bisher verschwendet hast. Aber verdammt noch mal, ich wünschte, ich hätte Lacey zuerst entdeckt. Sie ist einfach toll.“ Er grinste über das ganze Gesicht. „Vielleicht hat sie eine Schwester.“

„Sie gehört dir“, stieß Evan genervt hervor und stellte beunruhigt fest, dass er sich zu seiner Bemerkung zwingen musste.

„Wenn ich auch nur den Bruchteil einer Sekunde glauben würde, dass du wirklich meinst, was du sagst, dann würde ich sofort alle Hebel in Bewegung setzen“, erwiderte Paul.

„Außerdem interessiere ich mich normalerweise nicht für verklemmte, ehrgeizige und langweilige Frauen.“ Oder doch? Sein Gesichtsausdruck wirkte angespannt.

„In letzter Zeit vielleicht nicht. Weil du dich zurückgezogen hast wie ein verbitterter Mönch. Aber vorher? Die Frauen, die ich in den zwei Jahren zuvor an deiner Seite gesehen habe, glichen sich wie ein Ei dem anderen. Verklemmt, ehrgeizig und langweilig.“

Hatte Paul recht? Nein, das konnte nicht sein. Obwohl … Evan beschloss, dass er erst mal darüber nachdenken musste. Später. „Lacey Perkins ist eine Mieterin, die man ständig beaufsichtigen muss.“

„Das heißt noch lange nicht, dass sie als Frau auch ständig beaufsichtigt werden muss. Und sie ist ganz bestimmt nicht langweilig oder verklemmt. Ich meine es nur gut mit dir … Weil ich keine Ahnung hatte, dass du es auf sie abgesehen hast, habe ich letzte Woche jeden Morgen mit ihr geflirtet. Sie war freundlich. Mehr nicht. Und sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich die Finger von ihr lassen soll. Bestimmt hat sie einen festen Freund.“

Evan war zutiefst erleichtert, dass Lacey die Flirtversuche seines besten Freundes zurückgewiesen hatte. Und er war verwirrt über seine Erleichterung. Außerdem verwirrte es ihn, dass ihm der Schreck in die Glieder fuhr, als Paul vermutete, sie könnte einen festen Freund haben … Was zum Teufel kümmerte es ihn, ob sie mit Paul oder sonst jemandem flirtete? Wer interessierte sich dafür, ob sie einen Freund oder sogar einen Ehemann hatte? Ihn interessierte es jedenfalls nicht. Insgeheim hoffte er sogar, dass sie tatsächlich einen Freund hatte … der in einer anderen Gegend Arbeit gefunden hatte und sie mitnahm, wenn er umzog.

„Lass dir doch einfach die Karten legen“, schlug Paul vor. „Vielleicht steht es dort geschrieben, was das Schicksal für dich und Lacey …“

„Ich versichere dir, dass dort gar nichts geschrieben steht.“

„Okay. Dann kann dir die Wahrsagerin vielleicht verraten, ob du demnächst überhaupt mit irgendjemandem glücklich werden wirst.“

„Warum lässt du dir nicht die Karten legen, um zu erfahren, ob du demnächst mit jemandem glücklich wirst?“

„Weil ich es schon weiß.“ Paul lächelte. „Heute Abend habe ich ein Date. Die Süße heißt Melinda. Ich habe sie gestern im Supermarkt kennen gelernt. Wir sind über Brokkoli ins Gespräch gekommen.“

„Du magst doch gar keinen Brokkoli.“

„Stimmt. Aber ich mochte die scharfe Frau, die sich Brokkoli ausgesucht hat. Also habe ich mein Geld in drei Köpfe Brokkoli investiert. Hat sich gelohnt.“

„Hört sich an, als würdest du jede Woche mit einer anderen Frau ausgehen.“

„Stimmt“, wiederholte Paul. „Und weißt du auch warum? Weil ich überhaupt einen Fuß vor die Tür setze. Und mich dort blicken lasse, wo es Frauen gibt. Frauen, die Männer kennen lernen wollen. Man nennt es ein Date. Solltest du auch mal versuchen.“

„Ich habe Dates.“ Allerdings nicht in der letzten Zeit. Und was war mit den Dates, die er vorher gehabt hatte? All die langweiligen Abende, die er mit äußerlich attraktiven Frauen verbracht hatte … Frauen, die ihm nach zwei Stunden noch nicht mal mehr ein müdes Gähnen entlocken konnten …

„Sag mal, bist du eigentlich nie …“, Evan zögerte, weil er nicht wusste, wie er die tiefe Unzufriedenheit der letzten Monate beschreiben sollte, „… genervt? Von den immer gleichen Clubs, die du besuchst? Von den ersten Dates, die meistens ziemlich verkrampft ablaufen? Weil du keine Frau findest, mit der du auch mal reden kannst?“

„Reden?“ Paul schüttelte den Kopf. „Du klingst wie zweiundneunzig und nicht wie zweiunddreißig. Mir ist klar, dass du dich in den letzten Monaten in deine Arbeit vergraben hast. Aber ich hatte keine Ahnung, dass die Situation inzwischen so dramatisch geworden ist. Wann hast du dich das letzte Mal flachlegen lassen?“

Lange her, schoss es ihm durch den Kopf. Sogar die letzten beiden Male, als er sich körperlich befriedigt gefühlt hatte, waren am Ende irgendwie … leer gewesen. Manchmal verstand er sich selbst nicht richtig, aber er hatte keine Lust, sich Paul gegenüber zu erklären. „Ich muss mich nicht rechtfertigen.“

Paul warf ihm einen besorgten Blick zu. „Seit du dich von Heather getrennt hast, vergräbst du dich nur noch in die Arbeit. Das war vor einem halben Jahr. Höchste Zeit, dass du der Beziehung mit einer Frau nicht länger nachtrauerst, die sowieso nicht zu dir gepasst hat.“

„Ich trauere nicht“, widersprach Evan. „Ich bin nur sehr beschäftigt. Es hat enorm viel Zeit gekostet, die Renovierung des Shopping-Centers zu überwachen.“

„Kein Mann ist zu beschäftigt, um sich flachlegen zu lassen.“

„Wer behauptet, dass ich nicht flachgelegt worden bin?“

„Bist du denn?“

„Natürlich.“

Paul kniff die Augenbrauen zusammen. „Nach der Trennung von Heather?“

„Ja.“

„Das erleichtert mich. Wie oft?“

Ungeduldig stieß Evan die Luft aus den Lungen. Er überlegte kurz, ob er lügen sollte, um das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden. Aber er war ein schlechter Lügner, und das wusste Paul. „Zwei Mal.“

„Zwei Mal? In den letzten sechs Monaten? Wow. Verdammt noch mal, pass bloß auf, dass dir dein bestes Stück nicht abfällt.“ Paul warf ihm einen Blick zu, als sei er ein Zeuge vor Gericht, den er in die Knie zwingen wollte. „Die Renovierung ist beendet. Es wird Zeit, dass du ins Leben zurückkehrst.“

„Ich habe nie aufgehört zu leben.“

„Aber du hast keinen Spaß gehabt.“ Paul zögerte und fügte leise hinzu: „Heathers Leben geht weiter. Deins auch, Evan. Du solltest den Kopf nicht länger in den Sand stecken.“

Evan rieb sich mit den Handflächen über die Wangen und atmete tief durch. „Jetzt hör mir mal zu. Schön, dass du dir Gedanken machst. Aber es geht nicht darum, dass ich den Kopf in den Sand stecke. Glaub mir, ich leide nicht an gebrochenem Herzen.“

„Sie hat dich betrogen.“

„Ich war stinkwütend. Aber es hat mir nicht das Herz gebrochen. Mein Job frisst mich auf, und, um ehrlich zu sein, in letzter Zeit ist mir keine Frau über den Weg gelaufen, die der Mühe wert war. Aber sobald ich eine kennenlerne – und das wird passieren, weil ich jetzt mehr Zeit habe –, werde ich mich drum kümmern.“

Er sagte die Wahrheit. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sein Selbstbewusstsein angekratzt war, weil Heather ihn betrogen hatte. Aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass er sogar erleichtert gewesen war, nachdem die erste Wut verraucht war. Heather gehörte zu den Frauen, die wunderbar zu ihm hätten passen müssen – rein theoretisch gesehen. Sie stammte aus gutem Hause, hatte die richtigen Schulen besucht und eine ausgezeichnete Ausbildung genossen. Sie arbeitete als erfolgreiche Managerin bei Neiman Marcus und war ausgesprochen attraktiv. Heather und er verkehrten in den gleichen Kreisen, besaßen viele Gemeinsamkeiten und hatten tollen Sex. Aber in Wirklichkeit war ihre Beziehung wie ein Frontalzusammenstoß gewesen. Ihre Liebe war schnell verbrannt. Äußerlich war Heather perfekt, und ihre Zeugnisse waren makellos. Hinter dieser Fassade aber hatte sie ihre Unehrlichkeit und Untreue verborgen.

„Freut mich, dass du dich wieder um ein Date bemühen willst“, bemerkte Paul, „genau zum richtigen Zeitpunkt. Heute ist nämlich Valentinstag. Auch bekannt als der Tag im Jahr, an dem alle Menschen ihr Glück suchen und finden. Wir sollten dafür sorgen, dass du die Nacht nicht allein verbringen musst. Komm schon. Wir sollten uns hier mal ein bisschen umschauen. Wenn deine sexy Lacey nicht die Richtige ist, um die Sache in Fahrt zu bringen und die Mönchskutte abzulegen …“

„Sie ist nicht m…“

„… dann kann uns die Wahrsagerin vielleicht verraten, wer für dich in Frage kommt. Immerhin treiben sich hier mehrere hundert Frauen herum.“

„Spinnst du? Ich glaube nicht an diesen Unsinn mit der Wahrsagerei.“

„Auch gut. Dann frage ich sie für dich.“ Paul grinste. „Aber erst muss ich Lacey stecken, dass du total verrückt nach ihr bist.“

Evan rieb sich die Schläfen, um den pochenden Schmerz zu besänftigen. Vergeblich. „Du bist wie der anhängliche kleine Bruder, den ich nie hatte. Und auch nie gewollt habe. Bist du schon immer so nervtötend gewesen?“

Paul lachte über das ganze Gesicht. „Wenn du dich erst hast flachlegen lassen, wirst du nicht mehr denken, dass ich nervtötend bin. Und ich wette, dass du danach viel bessere Laune haben wirst.“

Evan hätte protestieren können. Aber warum sollte er? Paul hätte ihn in Grund und Boden diskutiert, und genau das machte ihn zu einem ausgezeichneten Anwalt. Außerdem … er gab es ungern zu, aber Paul hatte recht. Eine heiße Nacht zwischen verschwitzten Laken hätte seine Unzufriedenheit verscheucht. Seine innere Anspannung auch. Aber die Hilfe einer Wahrsagerin in Anspruch nehmen? Lächerlich. Am besten, er ließ sich einfach durch die Nacht treiben. In irgendeinem der zahlreichen Clubs in Los Angeles würde er schon die passende Frau finden.

Als ob dir nicht klar wäre, wer sich dort herumtreibt, flüsterte seine innere Stimme müde, wie oft bist du schon da gewesen und hast dich auf ein Date eingelassen.

Es stimmte. Und der Gedanke daran, wieder auf die Piste zu gehen, erfüllte ihn nicht unbedingt mit freudiger Erwartung. Aber wenn er verhindern wollte, dass Paul seine Drohung wahr machte – und aus Erfahrung zweifelte er nicht eine Sekunde daran, dass sein Freund nicht zögern würde –, dann musste er sich langsam in Bewegung setzen.

Paul durchquerte den Innenhof in großen Schritten, und nun rannte Evan los, um ihn einzuholen. Kaum näherten sie sich dem Tisch der Wahrsagerin, die sich den lächerlichen Namen „Madame Karma“ zugelegt hatte, erhob Lacey sich von ihrem Stuhl und drehte sich herum. Ihr Blick fing sich in Evans, und beinahe stolperte er, so heftig stießen sie innerlich zusammen. Sie musterte ihn mit deutlicher Missbilligung, und er verkniff sich ein grimmiges Lächeln. Gut. Warum sollte er der Einzige sein, der die Nerven verlor?

Dann wandte Lacey sich Paul zu, und ihr frostiger Gesichtsausdruck schmolz zu einem warmen Lächeln. „Paul, wie nett, Sie hier zu sehen“, grüßte sie und hob die flache Hand an die Stirn, um sich die Augen zu überschatten. „Haben Sie Lust auf Ihren doppelten Latte macchiato, ohne Schaum, wie immer?“

„Ja. Und auf einen Ihrer köstlichen Kekse.“ Er rieb sich mit der Hand über die Magengegend. „Die besten, die ich jemals probiert habe.“

Sie schenkte Paul ein strahlendes Lächeln – und lenkte Evans Blick unwillkürlich auf ihre vollen Lippen. Und auf die süßen Grübchen in beiden Mundwinkeln … Verdammt, für Frauen mit Grübchen hatte er sich immer begeistern können. Pure Verschwendung, dass ausgerechnet diese Frau zwei sexy Grübchen auf den Wangen hatte … Ihr Lächeln verschwand wieder, und ihr Blick lastete tonnenschwer auf ihm. Er hob den Kopf und bemerkte, dass sie ihn anstarrte. „Evan.“

Natürlich hatte er nicht mit einer enthusiastischen Begrüßung gerechnet. Insofern war es so schon ganz in Ordnung. Trotzdem versteifte sich sein Körper, und der Anzug fühlte sich plötzlich an, als wäre er zwei Nummern zu klein. „Lacey.“

Ihr Blick schweifte zwischen ihm und Paul hin und her. „Sie beide kennen sich?“

„Wir sind eng befreundet“, erklärte Evan, „seit dem College.“

Lacey zog die Augenbrauen hoch. „Sie beide?“, fragte sie, ließ Evan keine Sekunde aus den Augen und versuchte, mit ihrem Zeigefinger eine Verbindung zwischen den beiden herzustellen, die als Freunde wohl unterschiedlicher nicht sein konnten.

Evan wusste nicht genau, ob ihre Fassungslosigkeit ihn eher nervte oder amüsierte. „Es scheint Sie zu überraschen, dass ich einen Freund habe.“

„Das bin ich auch. Und Sie scheinen sogar ziemlich vertraut mit ihm zu sein.“

„Ich gehe mit allen Menschen ziemlich vertraut um, die ich mag. Solange sie meine Geduld nicht übermäßig strapazieren.“

„Vielleicht sind Sie ja auch die Ungeduld in Person. Sie sollten mehr koffeinfreien Kaffee trinken. Zur Entspannung.“

„Ich glaube“, konterte Evan und fixierte sie mit seinem Blick, „dass ich sogar ein sehr geduldiger Mensch bin, wenn ich mir vor Augen führe, was Sie mir in letzter Zeit alles zugemutet haben.“

„Geduldig? Einen Mann, der sich ständig über die ironischen Spielereien in meinem Schaufenster aufregt, würde ich anders nennen.“

„Unter ‚Spielereien‘ verstehen wir offenbar verschiedene Dinge. Im Fairfax ist es eben nicht erwünscht, nackte Puppen ins Fenster zu stellen.“

Die Röte stieg ihr in die Wangen. „Meine Puppen sind nicht nackt. Sie sind vollständig angezogen.“

„Stimmt. Auf eine Art, die man auch als Ohrfeige empfinden kann.“

„Apropos Ohrfeige …“ Lacey lächelte hinreißend. „Darf ich das als Einladung verstehen?“

Er pfiff geräuschvoll durch die Zähne. „Ich wusste gar nicht, dass Sie zu Gewalttätigkeiten neigen.“

„Nur gegenüber Menschen, die permanent mein Nervenkostüm strapazieren.“

„Nervenkostüm … wo wir gerade davon sprechen …“ Evan deutete mit dem Daumen auf ihren Laden. „Die neue Deko ist irgendwie … hmm …“

„Provozierend? Interessant?“

„Ich würde eher sagen … maßlos.“

„Danke für das Kompliment.“

„Ich habe Ihnen kein Kompliment gemacht.“

„Es ist bereits ein Kompliment, dass Sie meine Schaufensterdeko überhaupt bemerkt haben.“

„Vor ein paar Tagen haben wir uns darüber unterhalten, dass Sie sich mit Ihrer Deko ein bisschen zügeln sollten. Aber das ist offenbar auf taube Ohren gestoßen“, warf Evan ein.

„Nein, ich habe Ihnen genau zugehört.“

„Aha. Dann liegt das Problem wohl darin, dass Sie den Unterschied zwischen ‚zuhören‘ und ‚verstehen‘ nicht begriffen haben.“

„Doch“, konterte Lacey, „aber ich habe auch begriffen, dass man Dinge ignorieren kann, die man verstanden hat.“

„Sieht ganz danach aus.“

„Das Problem liegt darin, dass Sie nicht begriffen haben, was ‚Spielerei‘ bedeutet. Ich vermute, Sie würden es noch nicht mal begreifen, wenn man Sie spielerisch … in den Hintern tritt.“

„Sie vermuten richtig – weil Sie mich nicht kennen“, bemerkte Evan.

„Wirklich nicht? Wie dumm. Mir kommt es vor, als würde ich Sie viel zu gut kennen.“

Lacey verkniff sich das Wort „unglücklicherweise“, aber es war klar, was sie meinte. „Ich bilde mir auch ein, dass ich Sie ziemlich genau kenne …“, murmelte er, „wie … schön für uns.“

„Hm“, meinte sie nachdenklich, „ich bin mir nicht sicher, dass ‚schön‘ hier das richtige Wort ist. Aber immerhin, es gibt nicht viele Dinge, über die wir uns einig sind, nicht wahr?“

„Irgendwann ist immer das erste Mal.“

„Da kann ich nur zustimmen“, sagte Lacey, „und im Sinne eines friedlichen …“ Sie deutete mit dem Kinn auf die Menschenmenge. „Die Party ist ein Riesenerfolg. Wer auch immer für die Organisation zuständig war, er hat einen guten Job gemacht.“

„Danke.“

Sie riss die Augenbrauen hoch. „Sie haben das alles organisiert?“

„Sie klingen überrascht.“

„Bin ich auch. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie der Typ sind, der Partys organisiert.“

Evan fühlte sich gedrängt, sie zu fragen, was für ein Typ er in ihren Augen denn sei, beschloss aber, dass er es im Grunde gar nicht wissen wollte. Zumal die Antwort sicher nicht schmeichelhaft ausfallen würde. Stattdessen lächelte er sie an, aber es blieb ein vorsichtiges Lächeln. „In mir steckt noch viel mehr als nur ein Gebäude-Manager.“

„Ich weiß. Sie verstehen es, Ihren Mietern permanent auf den Nerven herumzutrampeln. Und Sie müssen einen ausgezeichneten Event-Manager kennen.“

„Ein guter Manager weiß, wie man Aufgaben delegiert.“

„Aha. Dann kommen Sie auf einen Kaffee vorbei? Wir haben neues Gebäck im Sortiment. Extra für den Valentinstag, es dürfte Ihnen sehr gefallen. Sieht aus wie geformte Lippen.“ Lacey schenkte ihm ihr süßestes Lächeln. „Ich habe es ‚Bite Me‘ genannt.“

Paul unterdrückte das Lachen durch einen Hustenanfall, und Evan drehte sich zu seinem Freund. Er hatte ihn komplett vergessen. Das galt auch für Madame Karma, und insgeheim gab er Lacey die Schuld, weil sie ihn vollkommen durcheinanderbrachte.

„Vielen Dank. Paul wird das mit dem Kaffee für mich erledigen.“ Evan richtete seine Aufmerksamkeit auf die Wahrsagerin, als er bemerkte, dass sie ihn mit unverhohlener Neugier beobachtete. Lächelnd hob er die Hand. „Madame Karma, ich …“

„Evan Sawyer“, fuhr die alte Dame leise dazwischen. Evan war überrascht, dass sie wusste, wie er hieß. Aber bevor er sich davon erholen konnte, hatte sie seine Hände bereits mit ihren umschlossen. Ihre Augen waren so dunkel, dass er die Pupille nicht von der Iris unterscheiden konnte, und sie schien ihn mit dem Blick förmlich zu durchbohren. „Ihre Aura …“, murmelte sie und umschloss seine Hand immer noch mit ihrer, „… ist außergewöhnlich hell und klar. Und stark. Gestatten Sie, dass ich Ihnen die Karten lege?“

„Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen“, erwiderte Evan höflich. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass Paul breit grinste, achtete aber nicht weiter darauf.

Madame ließ den Blick zwischen ihm und Lacey hin und her schweifen und nickte dann feierlich. „Ausgezeichnet. Dann lassen Sie uns anfangen.“ Sie ließ seine Hand los und scheuchte Lacey mit einem Kopfnicken weg. „Fort mit Ihnen, meine Liebe. Mr. Sawyer und ich haben viel zu besprechen.“

Evan wusste zwar nicht, was Madame Karma und er zu besprechen haben könnten. Aber offenbar gab es keine Möglichkeit, ihr zu entkommen, also brachte er den Zauber am besten hinter sich. Er würde zuhören und brav nicken und dann verschwinden.

Was konnte das schaden?

3. KAPITEL

Es war beinahe Mitternacht, als Lacey das Constant Cravings abschloss und quer über den Innenhof zum mehrstöckigen Parkhaus hastete. Vor kurzem war ein Gewittersturm losgebrochen. Es hatte geblitzt und gedonnert. Inzwischen hatte sich das Wetter zwar einigermaßen beruhigt, aber die dampfende Feuchtigkeit waberte immer noch durch die Luft. Zum Glück war die Party rechtzeitig beendet worden. Sie konnte sogar behaupten, dass der Sturm ihren Umsatz noch mal in die Höhe getrieben hatte, weil viele Gäste im Constant Cravings Schutz vor dem Gewitter gesucht hatten.

Obwohl ihr die Füße und der Rücken nach dem langen Tag wehtaten, hatte sie beste Laune. Die Party zum Valentinstag hatte ihr nicht nur blendende Umsätze beschert, sie war für drei Partys engagiert worden und hoffte auf weitere Aufträge.

Um neun Uhr abends hatte sie das Schild mit der Aufschrift „Geschlossen“ ins Fenster gehängt, hatte Sandkuchen für den kommenden Tag gebacken und sich mit dem Papierkram beschäftigt. Es war nicht unbedingt romantisch, den Abend des Valentinstags auf diese Weise zu verbringen. Aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass es viel weniger Ärger einbrachte als Männer.

Wenn Sandkuchen, Gebäck und Papierkram ihr warme und kuschelige Nächte hätten verschaffen können, hätte sie nichts dagegen einzuwenden gehabt …

Warme Nächte, dachte sie versonnen, draußen könnte es wirklich ein paar Grad wärmer sein. Eine kalte Brise, die es in dieser Jahreszeit nur selten gab, ließ ihre nackten Arme frösteln. Sie beschleunigte ihren Schritt und ärgerte sich, dass sie kein Sweatshirt übergezogen hatte.

Im Parkhaus eilte sie zum Fahrstuhl, drückte auf den Knopf und lehnte sich müde gegen die Wand. Lacey hörte, wie ein Motor ansprang, und ein paar Sekunden später bemerkte sie, wie ein cremefarbener Geländewagen auf den Ausgang zufuhr. Als der Wagen auf ihrer Höhe war, entdeckte sie Evan Sawyer am Steuer.

„Endlich bin ich ihn los“, murmelte sie und schaute dem Wagen nach, dessen Rücklichter hinter der nächsten Kurve verschwanden. Es passte. Was sollte ein Workaholic wie er anderes tun als sich von Samstag auf Sonntag bis Mitternacht im Büro herumzuquälen? Ganz egal, ob Valentinstag war oder nicht. Kein Wunder, dass der unsympathische Kerl den romantischsten Tag des Jahres ohne weibliche Begleitung verbringen musste. Ja, allerdings, es ist der romantischste Tag des Jahres, meldete ihre nervtötende innere Stimme sich zu Wort, aber du hast auch kein Date.

Okay. Es stimmte. Aber sie hätte ein Date haben können, wenn sie eins gewollt hätte. Barbara hatte versucht, sie mit einem Verkaufsmanager aus ihrem Büro zu verkuppeln. Lacey hatte das Angebot ihrer besten Freundin abgelehnt. Sie war nicht in der Stimmung, sich auf ein verklemmtes Treffen mit einem Verkaufsmanager einzulassen, der ganz bestimmt nichts anderes im Kopf hatte als seine Karriere. Wie alle Manager, mit denen sie es in ihrem Leben jemals zu tun gehabt hatte. Er ist einfach nicht mein Typ, entschied sie, ohne ihn in Augenschein genommen zu haben. Ihr letztes Date lag schon lange zurück. Viel länger, als sie beabsichtigt hatte. Aber ihr war kein Mann begegnet, der sie so sehr interessierte, dass sie an diesem endlosen Zustand etwas ändern wollte. Und überhaupt, warum stehe ich schon endlos lange vor diesem dummen Fahrstuhl? fragte sie sich plötzlich.

Lacey drückte wieder auf den Knopf und wartete. Nach fünf Minuten war sie überzeugt, dass der Fahrstuhl defekt sein musste. „Großartig“, murmelte sie, schob den Träger ihrer ledernen Handtasche weiter über die Schulter, öffnete die Tür zum Treppenhaus und machte sich innerlich darauf gefasst, die Betontreppe sechs Stockwerke hinauf bis zum obersten Geschoss zu laufen. Als sie oben angekommen war, überquerte sie hastig die kalte, zugige Parkfläche und setzte sich hinter das Steuer ihres Wagens, den sie in der entlegensten Ecke abgestellt hatte.

Sie fühlte sich müde, erschöpft und durchgefroren. Ungeduldig freute sie sich auf zu Hause, steckte den Zündschlüssel ins Schloss und drehte das Handgelenk herum.

Nichts passierte.

Lacey versuchte es noch einmal. Wieder herrschte Schweigen. Der Motor gab nicht das geringste Geräusch von sich.

Verdammt. Letzten Sommer hatte sie ein ähnliches Problem gehabt. Die Batterie war vollkommen leer. Vermutlich liegt es daran, dachte sie und wollte das Licht im Wagen einschalten. Nichts passierte.

„So ein Mist“, stöhnte sie auf und ließ den Kopf auf die lederbezogene Stütze zurückfallen. Erst der Fahrstuhl. Jetzt der Wagen. Ein Unglück kommt selten allein … Eigentlich gibt es niemals einen passenden Termin für eine leere Batterie, schoss es ihr durch den Kopf, aber warum ausgerechnet jetzt? Es war Mitternacht. Sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, und ihr klapperten die Zähne vor Kälte. Konnte es einen schlechteren Zeitpunkt geben?

Lacey seufzte erschöpft, kramte in ihrer Handtasche nach dem Handy und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Pannenservice eintraf. Es würde nichts nützen, ihre Freunde zu benachrichtigen – sie amüsierten sich alle mit ihren Dates zum Valentinstag. Natürlich zweifelte sie nicht daran, dass irgendjemand auftauchen würde, um sie zu retten. Aber sie wollte niemandem den romantischen Abend verderben.

Endlich fand sie ihr Handy. Entsetzt stellte sie fest, dass es unter dem gleichen Schicksal litt wie ihr Wagen. Der Akku war leer. Wie konnte das passieren? Erst am Nachmittag hatte sie den Akku voll aufgeladen.

Aber im Grunde genommen war es unwichtig, wie es hatte geschehen können, dass Batterie und Akku zur gleichen Zeit versagten. Denn sie musste sich mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre müden Knochen aus dem Wagen herausbewegen und den Weg zurück ins Constant Cravings bewältigen sollte, um dort das Telefon zu benutzen. Verärgert fluchte sie vor sich hin, bis sie beim Fahrstuhl angekommen war. Erst jetzt fiel ihr ein, dass er nicht funktionierte.

„Großartig. Einfach großartig. Schlimmer kann es heute Nacht wohl nicht mehr kommen.“ Lacey hastete die sechs Stockwerke nach unten. Draußen wehte ihr ein kalter Windstoß ins Gesicht. Doch, dachte sie unwillkürlich, es kann noch sehr viel schlimmer kommen. Da steht der beste Beweis. Denn kaum hatte sie das Treppenhaus verlassen, entdeckte sie Evan Sawyer neben seinem Wagen, der auf der Feuerwehrzufahrt parkte. Er hatte sich die Anzugjacke ausgezogen, seine straff geknotete Krawatte gelockert, den obersten Knopf seines Hemdes aufgeknöpft und die Ärmel hochgekrempelt. Noch nie hatte sie ihn so lässig gekleidet gesehen. Verdammt, schoss es ihr durch den Kopf, er sieht auf einmal richtig … richtig menschlich aus.

Evan betrachtete das Handy in seiner Hand, als wollte er es jeden Moment zertrümmern. Als die Stahltür krachend hinter Lacey ins Schloss fiel, hob er den Kopf und zog kurz die Augenbrauen hoch, um sich dann wieder mit seinem Handy zu beschäftigen.

„Was machen Sie denn hier?“, fragten beide wie aus einem Munde.

Lacey schlang die Arme um den Oberkörper, um die Kälte zu vertreiben, und ging auf ihn zu. „Die Batterie in meinem Wagen ist leer. Und bei Ihnen?“

„Wenn ich der Tankanzeige trauen darf, habe ich kein Benzin mehr. Komisch, ich habe gestern erst vollgetankt.“

„Bestimmt waren Benzindiebe am Werk.“

„Benzindiebe?“

Lacey nickte. „In den Nachrichten kam letzte Woche ein Beitrag über Benzindiebe. Sie treiben sich auf belebten Parkplätzen herum und saugen das Benzin mit einer Unterdruckpumpe aus dem Tank. Das Problem verschärft sich immer mehr. Kein Wunder, bei den Benzinpreisen.“

Evan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Großartig. Einfach großartig.“

„Ich habe noch Benzin im Wagen.“

„Und eine Unterdruckpumpe?“

„Natürlich nicht. Oder sehe ich aus wie ein Benzindieb?“

„Keine Ahnung, ob Sie so aussehen“, antwortete Evan lakonisch. „Wüsste nicht, dass ich schon mal einem über den Weg gelaufen bin. Das Benzin in Ihrem Wagen nützt mir überhaupt nichts. Das ist so, als ob ich ihnen dadurch helfen wollte, dass die Batterie in meinem Wagen ganz wunderbar funktioniert. Aber ohne ein zwei Kilometer langes Überbrückungskabel hilft es Ihnen gar nichts.“

„Sie machen mir wirklich Mut.“

Evan rieb sich über den Nasenrücken und atmete geräuschvoll aus. „Tut mir leid. Ich bin hundemüde. Es war ein langer Tag. Und es sieht so aus, als wollte er immer noch kein Ende nehmen.“

Lacey lachte kurz, obwohl ihr nicht danach zumute war. „Verstehe. Zu dumm, dass wir beide gleichzeitig eine Autopanne haben.“

Er streckte ihr das Handy entgegen. „Außerdem funktioniert mein Handy nicht mehr. Der Akku ist leer.“

Sie riss die Augen auf. „Ach, wirklich? Meiner auch.“

„Zu dumm.“

„Sieht so aus, als würde ein Fluch auf uns lasten …“

Ihre Worte verloren sich. Plötzlich fiel ihr ein, was Madame Karma ihr am Nachmittag prophezeit hatte. Gegen das Schicksal können Sie nicht kämpfen. Es lohnt sich nicht. Wenn Sie es trotzdem versuchen, wird es sich bitter an Ihnen rächen. Als ob es Sie verflucht hat. Glauben Sie mir, es wird Ihnen nicht gefallen. Ihr Glück wird sich in blankes Unglück verwandeln …

Lächerlich, rief sie sich zur Ordnung. Genauso lächerlich wie Madame Karmas Vorhersage, dass Evan ihr Mann fürs Leben war. Lacey schaute ihn verstohlen an und bemerkte seine Verärgerung. Er musterte sie, als ob ihr plötzlich Hieroglyphen auf die Stirn geschrieben waren.

„Was ist los?“, wollte sie wissen.

„Nichts. Ich habe nur nachgedacht … über das, was die Wahrsagerin mir erzählt hat … seltsam.“ Er schüttelte den Kopf. „Spielt keine Rolle.“

Was hatte Madame ihm erzählt? Oh. Du liebe Güte. Hatte Madame ihm dieselbe lächerliche Geschichte über sie aufgetischt, die sie Lacey über ihn erzählt hatte? Dass sie die Richtige für ihn war? Seine Frau fürs Leben? Neeeiiin, kreischte sie innerlich auf. Das wäre wirklich demütigend. Obwohl sie sicher war, dass sie eigentlich gar keine Antwort haben wollte, fragte sie trotzdem nach. „Evan, hat Madame Karma über mich gesprochen, als sie Ihnen die Karten gelegt hat?“

Plötzlich schaute er sie misstrauisch an. Lacey sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Warum fragen Sie?“

Am besten, du bringst es hinter dich, beschloss sie, atmete tief durch und platzte mit der Wahrheit heraus. „Weil Madame über Sie gesprochen hat, als es um meine Karten ging. Sie hat erzählt, dass Ihre Seele wunderbar mit meiner schwingt, und solches Zeug …“

Evan kniff die Augenbrauen zusammen. „Zeug? Welches Zeug?“

Lacey streckte ihm frech das Kinn entgegen. „Lächerliches Zeug. Dass wir zueinander passen und so.“

„Dass wir wie füreinander geschaffen sind? Füreinander bestimmt?“

„Genau.“

„Was für ein Blödsinn.“

„Ja. Purer Blödsinn. Der größte Blödsinn, den ich in meinem Leben jemals gehört habe.“

„Genau. Hat sie Ihnen auch erzählt, dass das Schicksal Sie verfluchen wird, wenn Sie dagegen kämpfen?“

„Ja.“ Lacey wollte lächeln, aber ihre Gesichtsmuskeln hatten sich irgendwie verkrampft. „Sind Sie der Meinung, dass eine leere Batterie, ein leerer Tank und leere Akkus unter diesen Fluch fallen könnten?“

„Nicht im Geringsten. Ich glaube nicht an solchen Unsinn. Und ich glaube kein Wort, das dieser verrückten Frau über die Lippen kommt. Sie ist eine Schwindlerin. Mehr nicht.“

„Hm. In der Zeitung habe ich gelesen, dass sie der Polizei schon ein paar Mal geholfen hat. Sie genießt einen ausgezeichneten Ruf. Aber wenn ich daran denke, dass sie mir prophezeit hat, Sie seien mein Mr. Right … Ich würde sagen, dass sie ihre besten Zeiten hinter sich hat. Vermutlich hat sie den Draht zu ihrem Medium verloren. Ihre Seele schwingt nicht mehr.“

„Und wenn ich daran denke, dass sie mir denselben Unsinn über Sie erzählt hat … Ja, sie hat wirklich den Draht verloren. Vorausgesetzt, dieser Draht hat wirklich jemals existiert.“ Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Am besten, ich gehe jetzt in mein Büro und telefoniere von dort aus.“

„Das wollte ich auch gerade tun.“

Evan zögerte und räusperte sich. „Es wäre nicht klug, wenn wir in zwei verschiedenen Büros verschwinden. Warum begleiten Sie mich nicht in mein Büro? Wir können das Telefon dort benutzen.“

„Warum? Haben Sie Angst im Dunkeln?“

„Nein. Ich mache mir eher Sorgen um Ihre Sicherheit. Es ist schon spät, und um diese Uhrzeit sollten Sie nicht allein über das Gelände spazieren. Besonders, wenn sich Benzindiebe in der Nähe herumtreiben.“

„So viel Ritterlichkeit hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.“

„Ich bin nicht der böse Wolf, den Sie vermutlich gern in mir sehen möchten.“

Wie praktisch, dachte Lacey sarkastisch, weil sie keine Lust verspürte, Rotkäppchen zu spielen. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass sie keinesfalls allein durch die kalte Nacht hasten wollte. „Danke für das Angebot. Aber warum benutzen wir nicht den Apparat im Constant Cravings? Ich koche uns einen Kaffee, während wir darauf warten, dass die Ritter der Landstraße uns erlösen. Der Pannenservice.“

„Klingt … erstaunlich gut. Einverstanden.“

„Sie sind offenbar richtig erschüttert, dass ich eine gute Idee hatte.“

„Ach … genauso erschüttert wie Sie über meine Ritterlichkeit?“

Überrascht nahm Lacey zur Kenntnis, dass sie unwillkürlich auflachen musste. „Ja.“

„Also, wenn das so ist … Es tut mir leid.“

Sie musterte ihn aufmerksam und lächelte verhalten. „Nein, es tut Ihnen nicht leid. Du lieber Himmel, Sie sind wirklich ein lausiger Lügner.“

„Komisch, das hat mir schon mal jemand erklärt“, meinte Evan.

„Bestimmt kann man Sie beim Pokern leicht hinters Licht führen.“

„Darum spiele ich lieber Blackjack.“

Lacey und Evan machten sich auf den Weg über den Hof und entschlossen sich zu einer Abkürzung quer über den Rasen. Sie hatte immer noch die Arme um den Oberkörper geschlungen und beeilte sich, so gut sie konnte. Inständig hoffte sie, dass die Bewegung die Kälte vertreiben würde, als plötzlich ein metallisches Klicken die Stille zerriss.

„Was ist das?“, fragte Evan und blieb stehen, als es nicht aufhörte.

„Keine Ahnung“, erwiderte Lacey und hielt ebenfalls inne. In diesem Moment schossen dutzende kleiner Metallpfeifen aus dem Boden hervor, und sie begriff erst, was passiert war, als eiskaltes Wasser ihr auf den Bauch spritzte.

Das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren. Erschrocken sog sie die Luft in die Lungen und stöhnte dann auf. „Es ist …“

„… die Bewässerungsanlage. Schon kapiert. Meine Hose ist vollkommen nass. Verdammt. Kann es heute Nacht eigentlich noch schlimmer kommen?“

„Bitte. Diese Frage sollten Sie sich verkneifen. Vorhin habe ich nämlich auch darüber nachgedacht, und ich bin zu dem Schluss gekommen, ja, es kann noch schlimmer werden.“ Lacey schnappte entsetzt nach Luft, als die Bewässerungsanlage ihr das kalte Wasser wie aus einer Spritzpistole über den Bauch sprühte.

„Dann sollten wir uns schleunigst aus der Gefahrenzone bringen“, meinte Evan, „bevor wir vollkommen durchnässt sind.“ Er ergriff ihre Hand und setzte zu einem Sprint über den Rasen an.

Lacey gab das Beste, um mit ihm Schritt zu halten und sich mit ihm im richtigen Moment zu ducken, um unter den Sprühköpfen der Anlage hinwegtauchen zu können. Aber das war leichter gesagt als getan, denn er war mindestens dreißig Zentimeter größer als sie. Außerdem war sie vollkommen ausgelaugt und erschöpft. Sie fühlte sich am ganzen Körper wie ein Eiszapfen, wenn man von ihrer Hand absah. Ihre Hand wärmte sich in seiner, und sie war überrascht, wie angenehm die Wärme in ihrer Handfläche kribbelte. Angenehm? Nein, ausgeschlossen.

Sie näherten sich dem Ende der Rasenfläche. Das Constant Cravings lag nur noch ungefähr dreißig Meter entfernt, als sie auf dem nassen Rasen aus dem Tritt kam. Lacey schrie auf. Unwillkürlich packte sie Evans Hand noch fester und versuchte, nicht zu Boden zu gehen. Aber sie rutschte mit den Füßen weg, stolperte hilflos und krachte mit dem Hintern dumpf auf den durchweichten Rasen. Bevor sie durchatmen konnte, stürzte er mit seinem ganzen Gewicht auf sie, und sie stieß den letzten Rest Sauerstoff pfeifend aus den Lungen.

Lacey hob den Kopf und starrte direkt in Evans nasses Gesicht. Erschrocken erwiderte er ihren Blick, seine Augen befanden sich nur wenige Zentimeter von ihren entfernt. Ihr stockte der Atem. Und als ihr bewusst wurde, dass er seinen Körper auf ihren presste, hatte sie ein paar Sekunden lang sogar das Gefühl, dass ihr Herzschlag aussetzte. Es war lange her, dass sie das letzte Mal den Körper eines Mannes auf ihrem gespürt hatte. Und … du liebe Güte … es fühlte sich wundervoll an.

„Lacey …“ Evan stützte sich auf den Armen ab, aber sein Unterleib drückte immer noch auf ihren. Er musterte sie aufmerksam. „Alles in Ordnung?“

Nein. Nichts ist in Ordnung. Und das ist ganz allein deine Schuld. Unruhig rutschte sie unter ihm hin und her und erstarrte, als sie seinen harten Unterleib auf ihrem nassen Körper spürte. Evan riss kaum merklich die Augen auf, als sie sich bewegte, und verhielt sich vollkommen ruhig. Nein, nicht vollkommen ruhig. Um die Wahrheit zu sagen, es gab einen Körperteil, der bei dieser Gelegenheit erst richtig zu erwachen schien. Auf faszinierende Art und Weise.

Du lieber Himmel, stöhnte er lautlos. Hatte es nicht immer geheißen, dass eiskaltes Wasser noch den härtesten Mann auf eine passable Größe schrumpfen lässt? Irgendwie beschlich Evan der Verdacht, dass die Schrumpftheorie nichts taugte.

Seine Gesichtsmuskulatur verkrampfte sich jetzt schmerzhaft, und er rollte sich von ihr hinunter. Lacey presste die Lippen zusammen und verschluckte ihren Protest.

„Alles in Ordnung?“, wiederholte er.

Sie zwang sich zu einem Nicken und setzte sich mühsam auf. Evan klapste ihr sanft auf die Schultern. Seine warmen Handflächen wärmten ihr die Haut, obwohl ihre Bluse völlig durchnässt war. Lacey blickte ihm direkt in die Augen und musste zweimal ansetzen, bevor sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Ich …“

Platsch. Die kalte Fontäne der Bewässerungsanlage hatte sie direkt auf die Wange getroffen, drehte sich weiter im Kreis und traf ihn auf die Stirn. Wütend verzog er das Gesicht, während die Tropfen von Nase und Kinn tropften. Obwohl ihre Lage nicht gerade bequem war, musste Lacey angestrengt hüsteln, um ihr Gelächter zu verbergen.

„Ja, alles in Ordnung“, brachte sie mühsam hervor. „Es ist kalt und nass, aber mir ist nichts passiert.“

„Gut.“ Evan stand auf und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr zu helfen. „Dann sollten wir den Rasen so schnell wie möglich verlassen, bevor wir uns ein Kanu bauen und zum Constant Cravings paddeln müssen.“ Noch während er sprach, spritzte die kreisende Fontäne ihnen wieder und wieder das Wasser ins Gesicht.

Lacey ergriff seine Hände und wollte sich aufrichten, als ihr ein stechender Schmerz in den Knöchel fuhr. „Autsch!“, schrie sie auf und hüpfte auf den anderen Fuß. „Verdammt. Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht.“

„Tut es sehr weh?“

Sie war erleichtert, dass sich die erotische Spannung zwischen ihnen verflüchtigt hatte, und warf ihm einen wütenden Blick zu. Höchstwahrscheinlich bemerkte er es nicht, weil das nasse Haar an ihr herunterhing, als wäre es festgeklebt. „Ja, es tut weh. Könnte sein, dass ich deswegen ‚autsch‘ gebrüllt habe.“

Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er ihr die Hand reichte, ihr vielleicht den Arm um die Hüften schlang, um sie beim Gehen zu unterstützen. Aber stattdessen ging er in die Knie, und bevor sie begriff, was er vorhatte, hob er sie in die Arme und eilte direkt auf das Constant Cravings zu.

„Was erlauben Sie sich?“, kreischte Lacey.

„Merkt man das nicht?“, gab er im trockenen Tonfall zurück. „Ich trage Sie den Rest des Weges.“

„Ich kann selbst laufen“, brachte sie hervor und schlang die Hand um seinen Nacken. „Oder es wenigstens versuchen.“

„Aha. Bei Ihrem Tempo dürften wir den Wasserfontänen frühestens nächste Woche entkommen sein.“ Als er den Gehweg betrat, befand er sich außer Reichweite der Anlage und eilte mit ihr auf den Armen auf die grün-weiß gestreifte Markise des Constant Cravings zu.

„Ziemlich beeindruckend für einen Mann, der den ganzen Tag am Schreibtisch hockt“, gestand sie ein.

„Ich hocke nicht den ganzen Tag am Schreibtisch.“

Autor

Jo Leigh

Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...

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