Tiffany Exklusiv Band 66

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UNSER SOMMER DER LUST von NELSON, RHONDA
Unglaublich: Bestimmte Speisen steigern Samanthas Begehren und lassen sie auf Männer unwiderstehlich wirken! Und das wird sie ausnutzen - mit dem attraktiven Hank! Doch wie wird er reagieren, wenn sie ihm am Ende des Sommers das Geheimnis ihrer Verführungskünste gesteht?

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Die lebenslustige New Yorkerin Edie hat schon eine prickelnde Idee, wie der zurückhaltende Tyler Hart zum perfekten Liebhaber wird. Und sie erklärt es ihm auf ihre ganz eigene, erregend anschauliche Weise - wilden Sex zum Frühstück inklusive …

SEX PUR? DIE WETTE GILT! von GREEN, CRYSTAL
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  • Erscheinungstag 09.10.2018
  • Bandnummer 0066
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752996
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rhonda Nelson, Kathleen O’Reilly, Crystal Green

TIFFANY EXKLUSIV BAND 66

1. KAPITEL

„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“

Die junge Frau an der Rezeption lächelte entschuldigend. „Leider doch. Auf Ihren Namen liegt uns keine Reservierung vor, Miss McCafferty.“

Samantha McCafferty konnte den Juckreiz nicht länger unterdrücken und kratzte sich am Arm. So ein Mist! Die Wirkung ihres Antiallergikums ließ allmählich nach, und wenn sie nicht bald wieder eine Tablette einnahm, würde sie die nächsten Tage wie ein Streuselkuchen herumlaufen müssen. Dafür war dieses Wochenende der denkbar ungeeignetste Zeitpunkt, und sie musste sehr schnell ein Zimmer bekommen, um das Medikament auszupacken, das natürlich in der untersten Ecke ihres Koffers lag.

„Hören Sie, es ist mir egal, ob Sie eine Reservierung vorliegen haben oder nicht“, erwiderte Samantha so freundlich wie möglich. „Ich habe sozusagen eine Dauerreservierung. Seit meiner Kindheit verbringe ich jedes Jahr die erste Septemberwoche in der Oleander-Suite. Quartieren Sie mich also bitte dort ein.“ Bevor ich zu einem riesigen roten Pickel mutiere, fügte sie im Stillen hinzu und kratzte sich vorsichtig am Bauch.

Die Frau, die ihrem Namensschild zufolge Tina hieß, zuckte bedauernd mit den Schultern. „Es tut mir leid, aber dieses Zimmer ist belegt.“

„Wie bitte?“ Da musste ein Irrtum vorliegen. Allmählich bekam Samantha Panik. Ihr gesamter Plan – die „Operation Orgasmus“, so nannte sie ihn insgeheim – hing von ihrem Urlaub zu genau dieser Zeit in genau dieser Suite ab. Seit drei Tagen hielt sie sich streng an ihre Sex-Diät, die eine unglaubliche Anziehungskraft auf die männliche Spezies auslösen sollte, und der Reaktion ihres Sitznachbarn im Flugzeug nach zu urteilen, wirkte ihre Wunderkur auch bereits. Nun durfte nichts mehr schief gehen! Sie kratzte sich am Oberschenkel.

„Die Suite war vorbestellt“, meinte Tina entschuldigend. „Und wir sind komplett ausgebucht, was sicher an unserem Wettbewerb für die Wahl zur Strandkönigin der Südstaaten liegt.“

Oh nein! Das kann einfach nicht wahr sein! Wieso hatte Hank ihr nicht Bescheid gesagt, dass alles ausgebucht war? Das konnte er ihr doch nicht antun! Nicht jetzt …

Samanthas Gedanken kreisten so eng um die ausgebuchten Zimmer, dass es eine Weile dauerte, bis der Rest des Satzes in ihr Bewusstsein drang. „Strandkönigin der Südstaaten?“ Irgendwie kam ihr das bekannt vor. Hatte Hank davon erzählt?

Tina deutete auf ein Plakat an der Wand. „Ja, der findet dieses Wochenende statt. Die Gewinnerin erhält eine Reise auf die Bahamas, einen nagelneuen Geländewagen sowie zehntausend Dollar in bar.“

Samantha pfiff leise durch die Zähne, während sie das Plakat studierte. Zehntausend Dollar könnte sie gut gebrauchen. Seit ihrem College-Abschluss legte sie monatlich Geld zurück, um später mal ein Haus kaufen zu können, aber das Darlehen für ihr Studium und ihre laufenden Kosten hatten größere Ersparnisse bislang verhindert.

Als Ernährungsberaterin im „Cedar Crest“, einem luxuriösen Wellness-Center in Aspen, Colorado, hatte sie ein gutes Einkommen, aber die Lebenshaltungskosten in dem noblem Skiort waren enorm. Deshalb und aus anderen Gründen, die sie selbst noch nicht ganz durchschaute, hatte sie vor kurzem beschlossen, in ihren Heimatort Orange Beach in Alabama zurückzukehren.

Mit sechzehn Jahren hatte Samantha ihre Eltern durch einen tragischen Unfall verloren – sie waren Opfer eines betrunkenen Autofahrers gewesen – und war zu ihrer Großmutter gezogen. Zwei Jahre später verstarb auch diese Großmutter, so dass Samantha mit achtzehn Jahren keinerlei Verwandte mehr hatte. Ohne die Hilfe ihrer Paten, den Mastersons, und deren Sohn Hank hätte sie es kaum geschafft, ihre Ausbildung durchzuziehen.

Zwar hatten die Mastersons dafür plädiert, dass sie in Orange Beach blieb, aber als Hank nach seinem Studienabschluss nach Tuscaloosa umgezogen war, hatte sie nicht mehr viel Sinn darin gesehen, zu bleiben.

Hank, der vier Jahre älter war als sie, hatte sein Studium an der Alabama University genau in dem Jahr beendet, in dem sie ihren Highschool-Abschluss gemacht hatte. Samantha hatte fest damit gerechnet, dass er nach Orange Beach zurückkehrte, und war sehr enttäuscht gewesen, als er es nicht tat. Also hatte sie beschlossen, ebenfalls fortzugehen.

Es war eine schwere Entscheidung gewesen, aber sie hatte sie bisher nicht bereut. Anstelle von Meer und Strand hatte sie in Colorado Berge und Schnee um sich, und es war zum damaligen Zeitpunkt genau die richtige Therapie gewesen, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Denn wider alle Vernunft war sie schon seit ihrer Jungmädchenzeit in Hank verliebt.

Jedes Jahr Anfang September kam sie für eine Woche nach Orange Beach zurück und wohnte in der Frühstückspension „Clearwater“, der Familie Masterson, in der sie als Kind so viel Zeit verbracht hatte. Doch in den letzten Jahren war ihr die Heimreise zurück in den Westen mit jedem Mal schwerer gefallen – weil Hank zurückgekehrt war.

Ihm gehörte nun die gemütliche alte Pension aus der Vorkriegszeit, in der Samantha sich wie zu Hause fühlte. Sie liebte die salzige Meeresluft und das Kitzeln des Sandes zwischen ihren Zehen.

Sie seufzte leise und kratzte sich hinter dem Ohr. Sie konnte es kaum erwarten, wieder nach Orange Beach zu ziehen, aber sie wusste, sie würde noch eine Weile warten müssen, bis ihre Ersparnisse für die Anzahlung eines eigenen kleinen Hauses reichten. Sie würde hier weitaus weniger verdienen und wollte dann nicht noch die Belastung einer riesigen monatlichen Hypothekenrate tragen müssen. Also musste sie wohl noch ein paar Jahre in Aspen ausharren.

Wieder fiel ihr Blick auf das Reklameposter für den Wettstreit. Ihre Chance, dabei zu gewinnen, war genauso groß wie die, durch ihre verrückte Sex-Diät bei Hank zu landen – nämlich null.

Wie die meisten Männer auf diesem Planeten – mit Ausnahme eines einzigen schmerzlichen Moments vor vielen Jahren, als Hank betrunken und sie leichtsinnig gewesen war –, schien ihr bester Freund sie nicht als Frau wahrzunehmen.

In Erinnerung an diesen „Beinahe-Kuss“ verzog sie das Gesicht. Noch immer konnte sie die Schmetterlinge im Bauch spüren und sich noch immer an das heftige, hoffnungsvolle Klopfen ihres Herzens erinnern … an die Erwartung … und dann die Schmach der Demütigung, als Hank erschrocken die Augen aufriss und innehielt, kurz bevor seine Lippen ihre berührten. Er hatte kurz geflucht, sich dann entschuldigt, und Samantha hatte ein tapferes Lächeln hervorgezaubert und so getan, als hätte seine Ablehnung sie nicht verletzt. Doch das hatte sie. Und zwar tief.

Natürlich konnte er das nicht wissen, aber dieser Beinahe-Kuss hatte in einer Hinsicht auch Gutes bewirkt. Sie war gezwungen gewesen, sich die bittere Wahrheit einzugestehen, dass Hank sie niemals begehren würde – egal, wie sehr sie es sich wünschte. Sie hatte sich damit abgefunden, dass sie nichts weiter sein konnten als gute Freunde. Liebte sie ihn? Ohne Zweifel. Aber welchen Sinn hatte Liebe, wenn sie nicht erwidert wurde? Also hatte sie ihre Energie in andere Dinge gesteckt, zum Beispiel in ihre Karriere – und neuerdings in die Operation Orgasmus, indem sie zunächst ihr Äußeres umgestaltet hatte, um attraktiver zu wirken.

Um es galant auszudrücken: Samantha gehörte zu den typischen Spätentwicklern. Als Teenager war sie eine krausköpfige, sommersprossige Bohnenstange mit hässlicher Brille gewesen. Fotos logen nicht.

Doch zum Glück hatte sie im letzten Jahr einen guten Friseur gefunden, der wusste, wie sie ihre krausen rotblonden Locken bändigen konnte. Sie hatte sich Kontaktlinsen zugelegt und es durch kalorienreiche Milchshakes, die sehr viel Protein enthielten, geschafft, zwanzig Pfund zuzunehmen. Nun konnte sie tatsächlich weibliche Rundungen vorweisen und war besonders stolz darauf, dass ihre Körbchengröße sich um eine ganze Nummer vergrößert hatte.

Dann war sie ganz zufällig auf die Sex-Diät gestoßen.

Vor einigen Monaten war Samantha durch einen glücklichen Zufall auf die perfekte Kombination von Nahrungsmitteln gestoßen, die den Sex-Appeal steigerten, indem sie die Ausschüttung von Pheromonen – also Sexuallockstoffen – stimulierten und so den sexuellen Appetit aktivierten.

Schmunzelnd erinnerte sie sich. Wie immer hatte sie den Wochenmenüplan für die Gäste des Wellness-Centers zusammengestellt und schon nach wenigen Tagen ein deutlich erhöhtes sexuelles Interesse bei den Frauen beobachtet, das auf ein noch höheres Interesse bei den Männern stieß.

In jener Woche waren im bekannten und angesehen „Cedar Crest“ regelrechte Sexorgien gefeiert worden, im Vergleich zu denen selbst die legendären Partys des Playboy-Verlegers Hugh Hefner brav gewirkt hätten.

Samantha hatte sich über diese Vorkommnisse sehr gewundert, und um sicherzugehen, dass es kein Zufall war, hatte sie einen Monat später denselben Menüplan an anderen Gästen getestet – mit demselben Ergebnis.

Danach hatte sie beschlossen, diese Diät selbst auszuprobieren.

Es war höchste Zeit für solch eine Maßnahme, denn ihr chronischer sexueller Notstand machte sie allmählich wahnsinnig. Wenn sie nicht bald einen Orgasmus erlebte, würde sie in absehbarer Zeit reif für die Gummizelle sein.

Wo sie auch hinsah – Filme, Bücher, Zeitschriften, Fernsehen, Internet –, sprangen ihr halbnackte Frauen und durchtrainierte Männer mit Waschbrettbauch ins Auge. In dieser Welt drehte sich nun mal alles um Sex, und ihr eigenes Bedürfnis nach intensivem Körperkontakt war in den letzten Monaten auf ein unerträgliches Maß angestiegen.

Das einzige Mal, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte, war ein schrecklich peinliches Erlebnis gewesen, das kaum länger gedauert hatte als die berühmten acht Sekunden, die ein Rodeo-Ritt dauerte. Die Kombination aus Alkohol, Einsamkeit, Neugier und verrückt spielenden Hormonen hatte zu dieser unüberlegten Aktion geführt, und so hatte sie ihre Jungfräulichkeit an einen tollpatschigen Idioten verloren, der von Sex ebenso wenig Ahnung gehabt hatte wie sie.

Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen – diesmal war sie vorbereitet. Bis auf das letzte i-Tüpfelchen hatte sie ihren Urlaub geplant. Sie wusste genau, was sie wollte und wie sie es bekommen würde. Die Kombination aus Sex-Diät, verbessertem Aussehen und einem Strand voller sexhungriger Männer würde hoffentlich dazu führen, dass sie endlich einen Orgasmus erlebte.

Vielleicht sogar mehrere?

„Soll ich versuchen, eine andere Unterkunft für Sie zu finden, Miss McCafferty?“, erkundigte sich Tina nun.

Samantha erwachte jäh aus ihren Träumen. „Nein“, erwiderte sie ungeduldig. „Ich hätte gern das Zimmer, das für mich reserviert ist.“

„Aber ich sagte Ihnen doch …“

„Es ist mir egal, was Sie gesagt haben“, unterbrach Samantha. Das Jucken am Bauch erinnerte sie daran, dass sie dringend ihr Antihistamin einnehmen musste. Ihre Sex-Diät hatte nämlich den extrem bedauerlichen Nachteil, dass sie hauptsächlich aus Fisch und Meeresfrüchten bestand, gegen die sie allergisch war. Dreh- und Angelpunkt ihres detailliert ausgetüftelten Planes war ihr Aufenthalt in dieser Pension. „Wo ist Gladys?“, fragte sie ungeduldig nach. Gladys würde das Missverständnis sicher mit gewohnter Effizienz beheben.

„Gladys segelt irgendwo auf dem Pazifischen Ozean herum.“

Samantha blinzelte. „Wie bitte?“

„Sie hat letzte Woche geheiratet und ist in den Flitterwochen.“

Gladys hatte geheiratet? Die bärbeißige alte Gladys hatte einen Mann abbekommen? Das hatte Hank ganz sicher nicht erwähnt, denn daran hätte sie sich bestimmt erinnert! Samantha wünschte, sie könnte großmütig genug sein, sich neidlos für Gladys zu freuen, ohne sich selbst zu bemitleiden, aber anscheinend war sie es nicht, denn nachdem sogar Gladys es geschafft hatte zu heiraten, erschien ihr die eigene Lage noch desolater als zuvor.

„Tja, das ist ja schön“, brachte sie schließlich hervor. „Und was ist mit Hank?“

Eigentlich hatte sie ihm noch nicht so schnell begegnen wollen, da sie sich vor ihrem ersten Treffen gern noch ein wenig frisch gemacht hätte. Aber das war im Grunde sowieso überflüssig, weil es ihm ja egal war, wie sie aussah. Trotzdem war sie äußerst gespannt auf seine Reaktion auf ihr neues, verschönertes Ich.

Natürlich erwartete sie nicht, dass er sofort voller Begierde über sie herfiel – ein kleiner Anflug positiver Überraschung würde ihr schon genügen. War das eitel? Ja. Aber nach all der Anstrengung, die sie für ihre Verwandlung auf sich genommen hatte, verdiente sie ja wohl ein bisschen Anerkennung.

Tina wurde blass. „Hank?“

„Ja, Hank“, erwiderte Samantha und wunderte sich über Tinas erschrockenen Gesichtsausdruck.

Tina biss nervös auf ihre Unterlippe. „Der ist im Moment nicht hier.“

„Das sehe ich“, meinte Samantha geduldig. „Wo ist er denn?“

Tina zögerte. „Er fischt gerade einen Krebs aus dem Swimmingpool“, sagte sie dann und nahm ein kleines Walkie-Talkie zur Hand. „Soll ich ihn rufen?“ An ihrem Ton war zu erkennen, dass sie lieber eine Unterleibsuntersuchung durch Captain Hook über sich hätte ergehen lassen, als Rücksprache mit Hank zu halten.

Samantha nickte lächelnd.

Tina drückte den Sprechknopf. „Hank, könntest du bitte an die Rezeption kommen?“

Man hörte statisches Rauschen. Dann: „Gibt es ein Problem, Tina?“

Himmel, dachte Samantha, allein vom Klang seiner Stimme bekomme ich eine Gänsehaut. Ein elektrisierendes Kribbeln durchzog ihren Körper.

Hank Masterson war der klassische Frauenschwarm: groß, blond, braungebrannt, schlank und durchtrainiert – einfach umwerfend. Der Blick seiner meerblauen Augen, sein verführerisches Lächeln und sein natürlicher Charme ließen jede Frau augenblicklich dahinschmelzen. Außerdem hatte er Persönlichkeit und einen extrem guten Geschäftssinn. Falls eine Frau es jemals schaffen sollte, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, dann sollte sie ihn sich sofort krallen, denn Männer wie Hank waren rar.

Und, wie Samantha wehmütig dachte, vollkommen außerhalb ihrer Reichweite.

Über all die Jahre hatte Hank sie gut kennen gelernt, und Samantha wusste sicher, dass er in ihr niemals eine potenzielle Partnerin oder Geliebte gesehen hatte.

Immerhin waren sie gute Freunde geworden und hielten ihre Freundschaft durch E-Mails, Telefonate und ihren jährlichen Besuch aufrecht. Doch nichts wäre ihr lieber gewesen, als ihre harmlose, freundschaftliche Verbindung in eine Liebesbeziehung umzuwandeln.

Aber er war ja nicht interessiert. Sie presste die Lippen zusammen. Hätte es diesen verunglückten Beinahe-Kuss nicht gegeben, wäre sie überzeugt gewesen, dass er sie als Neutrum betrachtete. Schon immer hatte er sie wie einen seiner Kumpel behandelt. Er sprach mit ihr vollkommen ungeniert, zog sich wie selbstverständlich vor ihr aus, um splitternackt ins Wasser zu springen, und erzählte ihr manchmal sogar intime Details über sein Liebesleben. Und jedes Mal musste sie ihre rot glühenden Wangen vor ihm verbergen.

Aber lieber eine kumpelhafte Beziehung als gar keine! Und würde Hank eines Tages ihre wahren Gefühle entdecken, würde er sie sicher bemitleiden, da war sie sicher. Und das wäre ganz und gar unerträglich.

Als sie die Sex-Diät zum ersten Mal für sich in Erwägung gezogen hatte, hatte sie sich einen wunderbaren dramatischen Augenblick lang der Illusion hingegeben, die Veränderungen, die sie sich von dieser „Kur“ versprach, könnten auch bei Hank etwas bewirken. Sie hatte sich vorgestellt, dass er sie nur ein einziges Mal ansehen und sich dann verfluchen würde, weil er ihren außerordentlichen Sex-Appeal und ihre Schönheit zuvor nicht erkannt hatte.

Doch dann hatte sie eingesehen, dass sie schon genug Zeit damit vergeudet hatte, sich im Stillen darüber zu beklagen, dass sie nie ein Liebespaar sein würden. Deshalb hatte sie beschlossen, diese Energie lieber in ein erreichbares Ziel zu stecken: einen geeigneten Liebhaber für diese Woche zu finden, der sie endlich in den Status einer orgasmusfähigen Frau erheben würde.

Auch wenn Hank zweifelsohne der richtige Kandidat dafür sein könnte – allein der Gedanke sandte einen prickelnden Schauer durch ihren Körper –, so konnte sie sehr wohl zwischen „könnte“ und „würde“ unterscheiden. Und Hank würde es eben nicht sein.

„Wir haben hier möglicherweise einen kleinen Irrtum bei den Reservierungen vorliegen“, sprach Tina verlegen ins Walkie-Talkie.

„Schon wieder?“, ertönte es aus dem Gerät.

Samantha konnte einen Anflug von Genervtheit in Hanks Stimme entdecken.

Tina schloss die Augen und seufzte. „Ja“, erwiderte sie kleinlaut.

„Also gut, ich komme.“

Anscheinend war dies nicht Tinas erster Fehler hinsichtlich der Reservierungen. Samantha lächelte ihr aufmunternd zu, während sie sich am Arm kratzte. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr – sie brauchte schnellstens ihr Medikament … sowie einen Shrimps-Cocktail, um ihre Diät einzuhalten.

Hank Masterson setzte den Krebs in sicherer Entfernung vom Swimmingpool auf den Boden und machte sich auf den Weg zur Rezeption seiner Pension, um einen weiteren Fehler von Tina auszubügeln. Oh, wie er Gladys vermisste! Die gute, alte zuverlässige Gladys, die trotz ihrer gelegentlichen Brummigkeit und der ewigen Zigarette im Mundwinkel das Computerprogramm mit verbundenen Augen beherrschte und mit jeder Krise – sei sie nun echt oder eingebildet – spielend fertig wurde!

Als sie kündigte, hatte sie ihre Enkelin Tina wärmstens empfohlen, und Hank war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass effizientes und kompetentes Arbeitsvermögen erblich sei.

Was ganz offensichtlich nicht der Fall war.

Bislang hatte Tina bereits zwei Mal den Computer abstürzen lassen, die Sicherungsdateien früherer Gästelisten vernichtet und fast jedes elektronische Gerät mit Ausnahme der Walkie-Talkies unfreiwillig außer Gefecht gesetzt. Hank dachte, dass es sicher nur eine Frage der Zeit sei, bis auch die Walkie-Talkies den Geist aufgaben.

Der einzige Grund, weshalb er Tina noch nicht gefeuert hatte, war ihre ausgesprochen nette Art, mit den Gästen umzugehen, die sich auch am Telefon als Vorteil erwies. Und natürlich ihre Verwandtschaft zu Gladys, die in den letzten Jahren fast wie eine Mutter für ihn gewesen war.

Hank seufzte. Er brauchte an der Rezeption eine zuverlässige Kraft. Die Pension war fast den ganzen Sommer über komplett ausgebucht, und er hatte sogar schon Hilfskräfte für die Küche einstellen müssen, damit sie im Hinblick auf den Schönheitswettbewerb über die Runden kämen. Aber ein volles Haus bedeutete ein volles Bankkonto, so dass er abgesehen von seiner chaotischen Rezeptionistin keinen Grund zur Klage hatte.

„Hi, Hank!“, rief Candy ihm von der Hollywoodschaukel aus zu. Sie war eine der Teilnehmerinnen am Wettbewerb der Strandschönheiten.

Hank drehte sich zu ihr um und erwiderte freundlich lächelnd den Gruß. Obwohl er in den letzten Tagen ihre Annäherungsversuche beharrlich ignoriert und auch mehrfach das Angebot ausgeschlagen hatte, ihr Tattoo zu begutachten, ließ sie nicht locker. Die Tatsache, dass sie stets einen extrem knappen Bikini trug, der gerade das Nötigste bedeckte, ließ Hank vermuten, dass sich die Tätowierung an einer Stelle ihres Körpers befand, die er ohnehin vernünftigerweise meiden sollte.

Er hatte es sich zur Regel gemacht, allen weiblichen Gästen der Pension aus dem Weg zu gehen, die in ihrem Urlaub ganz offensichtlich auf sexuelles Vergnügen aus waren. Es war nicht gut fürs Geschäft. Es gab genug andere Frauen in Orange Beach, mit denen er flirten oder Sex haben konnte, so dass er keine unnötigen Risiken eingehen musste, und bisher war er auch nie der Versuchung erlegen.

Nun gut, im Zuge des Schönheitswettbewerbs war die Zahl der Versuchungen ein wenig höher als sonst, aber er kam damit klar. In ein paar Tagen würde der Wettbewerb vorüber sein, und er würde Zeit haben, sich eine passende Partnerin zu suchen. Er würde einfach nur abwarten müssen und …

Seine Gedanken brachen abrupt ab, als er in die erfrischend kühle Eingangshalle trat und sein Blick auf die hinreißendste Rückenansicht einer Frau fiel, die er je gesehen hatte.

Sie stand an der Empfangstheke, sprach mit Tina, und auch ohne die Unbekannte von vorn zu sehen, fand er sie überaus attraktiv und sexy. Ihre dichten rotblonden Locken, die sie offen trug, reichten bis zu ihrem schmalen Rücken. Sie hatte eine extrem schlanke Taille, wohlgerundete Hüften und lange Beine. Im Gegensatz zu allen anderen Frauen hier in der Gegend war sie kein bisschen gebräunt, und ihre Haut wirkte zart wie eine Magnolienblüte. Ein leichter, fruchtiger Duft stieg ihm in die Nase, ihr Duft, und weckte tief verwurzelte, fast animalische Instinkte in ihm. Seltsamerweise kam ihm der Duft vage bekannt vor.

Heiße Begierde durchzuckte ihn, und sein Verstand kämpfte auf höchster Alarmstufe gegen seine triebhaften Gefühle. Doch dies war mehr als nur instinktives Begehren – dies war tiefer, durchdringender, intensiver. Und sehr schwer zu unterdrücken, dachte Hank voll banger Vorahnung.

Es gab nur eine Möglichkeit, sich gegen eine derartige Versuchung zu wehren: strikte Quarantäne. Er musste diese Frau meiden wie die Pest.

Da drehte sie sich um, und ihn traf fast der Schlag. Hank spürte, wie er die Augen aufriss und vor Schreck den Mund öffnete. Seine Lust versiegte abrupt, und an ihre Stelle trat ein Gefühl, das er nicht einordnen konnte.

Samantha McCafferty?

2. KAPITEL

Samantha lächelte strahlend und kam sichtlich erleichtert auf ihn zu, um ihn fest und freundschaftlich zu umarmen. Hank erwiderte die Umarmung automatisch und war froh, sich einen Augenblick festhalten zu können, da er das Gefühl hatte, dass sich alles um ihn herum drehte.

„Hank, ich bin ja so froh! Anscheinend hat es eine Verwechslung gegeben, und mein Zimmer ist belegt.“ Sie lehnte sich zurück und sah ihn mit ihren funkelnden grünen Augen an. „Bitte sag, dass du das in Ordnung bringen kannst!“

„Samantha? Sam?“, stammelte Hank, noch immer vollkommen geschockt über ihre atemberaubende Wandlung. Langsam kam die Welt um ihn herum wieder zum Stillstand.

„Ja, ich bin es“, bestätigte sie mit kurzem Achselzucken und schien keineswegs beleidigt über seine Reaktion. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und sah ihn wieder an. „Ich habe ein paar Pfund zugenommen.“

Und das genau an den richtigen Stellen, dachte Hank. Er blinzelte, schluckte und blinzelte wieder. Während sie früher normalerweise lockere Pullover am eher mageren Körper getragen hatte, spannte sich nun ein enges T-Shirt über wohlgeformten Brüsten. Und das war nicht die einzige Veränderung.

Ihre Haare sahen nicht mehr aus, als würden sie nach Einwirkung eines Stromschlags kraus und drahtig nach allen Seiten abstehen, sondern waren zu langen Korkenzieherlocken gebändigt, die wie gekräuseltes Geschenkband wirkten.

Außerdem trug sie keine Brille mehr, und ihre grünen Augen glitzerten vor Freude und noch etwas anderem, das er nicht deuten konnte. Ihr Blick war geheimnisvoll, fast so, als führte sie etwas im Schilde.

Für Hank war sie immer schon hübsch gewesen. Jeder, der sich Zeit nahm, sie genau anzusehen, musste erkennen, dass Samantha eine Schönheit war, auch wenn sie nicht den gängigen Idealen entsprach, denn ihre Schönheit kam aus ihrem Innern. Er betrachtete sie noch einmal von oben bis unten und musste sich eingestehen, dass die äußerlichen Veränderungen ihn dennoch tief beeindruckten. Immerhin war er ein Mann, und Männer reagierten nun einmal heftig auf visuelle Reize.

Nicht, dass er irgendeinen weiteren Grund gebraucht hätte, sie zu begehren. Schon seit Jahren fühlte er sich körperlich stark von ihr angezogen – seit ihrem achtzehnten Geburtstag, um genau zu sein.

Hank strich sich über die Schläfe und versuchte, sich zu sammeln. „Was soll ich in Ordnung bringen?“, fragte er verwirrt nach.

Dann fiel es ihm schlagartig ein. Ihr Zimmer … die erste Woche im September … Himmel, wie hatte er das nur vergessen können!? Vor ein paar Wochen erst hatte er mit ihr telefoniert und sich schon sehr darauf gefreut, dass sie wieder herkommen würde. Ihr Besuch war immer einer der Glanzpunkte des Jahres. Hank runzelte die Stirn. Das lag alles nur an diesem verdammten Wettbewerb! Er hatte keine Zeit gehabt …

„Mein Zimmer“, wiederholte Samantha. „Tina sagt, sie wüsste nichts von meiner Dauerreservierung.“

Hank seufzte resigniert. Bei dem Computerchaos der letzten Wochen war es kein Wunder, wenn Samanthas Dauerreservierung verloren gegangen war. „Lass mich mal sehen“, sagte er und ging hinter die Rezeptionstheke.

Nach einigem Tastendrücken auf dem Computer war seine Befürchtung bestätigt, und er warf einen strafenden Blick auf Tina. Dann lächelte er Samantha bedauernd an. „Wir hatten vor kurzem ein paar Probleme mit dem Computersystem.“

„Was soll ich denn jetzt machen?“, klagte Samantha und kratzte sich am Handgelenk. „Wann werden die Gäste in meinem Zimmer abreisen?“

Hank überprüfte es. „Nicht vor Sonntag.“

„Mist!“ Nervös sah Samantha sich um. „Was ist mit den anderen Zimmern? Ist da noch was frei?“

Hank tippte in den Computer, wusste jedoch bereits die Antwort. „Wir sind komplett ausgebucht.“

Fluchend rieb Samantha sich den Ellbogen.

Hank runzelte die Stirn. „Stimmt irgendetwas nicht?“

Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. „Du meinst, abgesehen von der Tatsache, dass ich kein Zimmer habe?“

„Ja.“ Er deutete auf ihre Hand. „Du kratzt dich andauernd.“

Sofort hielt sie inne und errötete wie ein Kind, das beim Naschen erwischt worden war. „Nein, alles in Ordnung … Ich bin nur müde und hungrig und habe mich das ganze Jahr auf diesen Urlaub gefreut.“ Sie schüttelte ihre Lockenmähne. „Himmel, ich kann nicht glauben, dass so etwas passiert!“

Irgendwie hatte Hank den Eindruck, als verschweige sie ihm etwas. Aber das Problem lag klar auf der Hand, und es war seine Schuld, dass er sich nicht um ihre Reservierung gekümmert hatte. Es war einfach zu viel los gewesen.

Samantha stieß einen Seufzer aus. „Tja, wenn du mir helfen könntest, mein Gepäck wieder in den Wagen zu bringen, werde ich wohl am besten gleich wieder zum Flughafen fahren.“ Sie bückte sich und wollte nach einer Reisetasche greifen.

„Nein, das wirst du nicht“, entgegnete Hank, ohne nachzudenken. „Du kannst bei mir wohnen.“

Sie richtete sich langsam wieder auf. „Wie bitte?“

„Du kannst bei mir wohnen.“ Das zum Thema „meiden wie die Pest“, dachte Hank. Aber was blieb ihm anderes übrig? Schließlich ging es um Samantha! Er konnte sie nicht wieder abreisen lassen, und er wollte es auch gar nicht. Ihre Anwesenheit war das Einzige, das diese Woche für ihn erträglich machte.

Samantha runzelte die Stirn. „Und wo?“

„In meinem Zimmer“, erwiderte er leichthin und versuchte, so locker zu wirken wie ein guter Freund – auch wenn er sich nicht so fühlte. Es war all die Jahre schwer genug für ihn gewesen, seine Lust nach ihr zu unterdrücken. Und nun stand sie auf einmal vor ihm und war so sexy wie nie zuvor, und er hatte keine Ahnung, wie er damit fertig werden sollte.

„In deinem Zimmer?“, fragte sie noch einmal nach.

„Richtig“, bestätigte er. Himmel, was war nur in ihn gefahren? „Du nimmst das Bett und ich die Couch.“

„Aber du hasst die Couch.“

Er seufzte in gespielter Dramatik. „Umso mehr solltest du dieses Angebot zu würdigen wissen!“ Dann schmunzelte er. „Sag einfach ‚Danke schön‘, und es ist das Opfer wert!“

Ihre Augen blitzten. „Danke schön.“

Nachdem das geregelt war, schlug er mit der flachen Hand auf die Theke. „Außerdem rettest du mir damit wahrscheinlich das Leben.“

„Wie das?“

„Mom und Pop würden mich umbringen, wenn ich dich wieder abreisen ließe.“

Samanthas Augen bekamen einen warmen Glanz. „Ich wäre natürlich nur ungern der Grund für deinen vorzeitigen Abgang. Wie geht es den beiden?“

Hank konnte nur schwer den Blick von ihren vollen, sinnlichen Lippen wenden. Er dachte daran, dass er einmal beinahe den Fehler begangen hatte, sie zu küssen.

Samantha war schon immer das einzige weibliche Wesen in seinem Leben gewesen, dem er voll und ganz vertrauen konnte. Ihr erzählte er alles, was ihn bewegte. Wenn er mit ihr zusammen war, fühlte er sich rundum wohl in seiner Haut, und so ging es ihm bei niemand anderem. Es war die ideale Freundschaft, und seine Gefühle für sie waren immer rein platonisch gewesen – bis zu dem Sommer, als sie achtzehn wurde.

Hank konnte sich noch immer genau an den Augenblick erinnern, in dem sein Interesse sich wandelte, konnte noch immer dieses erschreckende Gefühl von Zuneigung und gleichzeitiger Begierde nachempfinden. Er und Samantha waren aus irgendeinem Grund, an den er sich nicht mehr erinnern konnte, mit der Fähre nach Dauphin Island gefahren. Auf der Rückfahrt hatten sie dicht nebeneinander an der Reling gestanden und die Wellen betrachtet. Er hatte sie kurz aus dem Augenwinkel beobachtet – ihre sanft gerundete, von der Sonne leicht gerötete Wange, das vertraute Lächeln –, und dann, einfach so, war sein Gefühl umgeschlagen. Auf einmal hatte er das überwältigende Bedürfnis gehabt, Samantha auf der Stelle zu küssen.

Aber er hatte es nicht getan, sondern hatte nur fassungslos dagestanden und versucht, mit seinen Gefühlen klarzukommen. Samantha und er waren die besten Freunde, und er hatte nicht die Absicht, das durch eine Unbesonnenheit kaputtzumachen. Nicht jetzt und nicht später – obwohl es einmal fast passiert wäre. Der Alkohol hatte seine Entschlossenheit geschwächt, und wenngleich die Vernunft am Ende gesiegt hatte, so hätte er sie doch beinahe geküsst und alles ruiniert.

Seither hatte er es nie wieder so weit kommen lassen und seine Gefühle unter Kontrolle gehalten. Nun, da er sie ansah, wusste er, dass es ihm dieses Mal weitaus schwerer fallen würde, sich zu beherrschen.

„Oh, den beiden Pionieren geht’s gut“, beantwortete er schließlich etwas verspätet ihre Frage.

Seine Eltern waren an ihrem fünfunddreißigsten Hochzeitstag zu einer Rundreise durch Alaska aufgebrochen, hatten sich sofort in das Land verliebt und beschlossen, ihrem Sohn die Pension zu überlassen und nach Alaska umzuziehen. Obwohl es ihm Spaß machte, das „Clearwater“ zu führen, vermisste er seine Eltern sehr und besuchte sie außerhalb der Saison regelmäßig, wenn auch meist nur kurz.

„Das freut mich zu hören“, sagte Samantha und biss sich auf die Unterlippe. „Bist du ganz sicher, dass es dir nichts ausmacht, wenn ich bei dir wohne? Ich könnte auch auf der Couch schlafen. Oder mir ein anderes Hotel suchen.“

Hank schüttelte den Kopf. „Sei nicht albern. Du bleibst hier. Komm, ich nehme dein Gepäck und zeig dir mein Zimmer.“

Sie gingen den Flur hinunter, und ihr fruchtig-süßer Duft benebelte seine Sinne. Er blickte sich über die Schulter nach ihr um und staunte erneut über ihre Verwandlung. Zwar hatte sie am Telefon hin und wieder erzählt, dass sie etwas an ihrem Äußeren verändert hatte – eine neue Frisur, Besuche im Fitness-Studio und so weiter –, aber er hätte sich nie träumen lassen, dass man diese Veränderung so deutlich würde sehen können.

Er hätte es besser wissen müssen.

Denn wenn Samantha etwas machte, dann richtig. Sie tat, was sie sagte, und sie stand dazu. Und genau das gefiel ihm so an ihr. „Ja“ bedeutete „ja“, und „nein“ bedeutete „nein“, und er musste sich nie Gedanken darüber machen, ob er sich politisch korrekt verhielt oder nicht. Er konnte einfach er selbst sein, mit all seinen kleinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, und wusste, sie würde ihn nie verurteilen.

„Welches Parfüm benutzt du?“

Samantha sah ihn verwirrt an. „Keines. Wieso?“

„Du duftest gut. Fruchtig. Süß.“

Sie lachte leise. „Das muss wohl mein Weichspüler sein.“

Beim Gedanken an ihre Wäsche überkam Hank plötzlich der Wunsch, ihr die Kleider vom Leib zu reißen.

Er verspürte das dringende Bedürfnis, ihre neu erworbenen Rundungen zu streicheln, ihre reifen, pfirsichgleichen Brüste zu kosten und ihre glänzenden, sinnlichen Lippen zu küssen, um zu erkunden, ob sie so süß schmeckte, wie sie duftete. Und dann würde er seine Entdeckungsreise in andere Regionen fortsetzen.

Er kniff fest die Augen zusammen und schaffte es mit einiger Anstrengung, diesen verrückten Gedankengang abzubrechen. Als er die Tür zu seinem Zimmer aufschloss, begann es in einer Mischung aus freudiger Erwartung und dunkler Vorahnung in seinem Bauch zu kribbeln.

Quarantäne war nun nicht mehr möglich.

Samantha kratzte sich verstohlen am Arm, während Hank mit dem Öffnen der Tür beschäftigt war. Sobald sie sein Zimmer betreten hätte, würde sie sich sofort entschuldigen und im Badezimmer verschwinden, um ihr Antiallergikum zu schlucken, bevor Hank wegen der Kratzerei misstrauisch wurde. Sollte er jemals herausbekommen, was sie alles auf sich nahm, um endlich den heißersehnten Orgasmus zu erleben, würde sie vor Scham im Erdboden versinken.

Hank stellte ihre Taschen am Fuß seines zerwühlten Bettes ab. „Ich werde ein paar Schubladen freiräumen und meine Sachen im Bad zusammenschieben.“

„Danke.“ Sie deutete auf die Badezimmertür. „Ich muss mal eben verschwinden.“

Er nickte. „Sicher.“ Dann sah er sich im Zimmer um und zuckte zusammen. „Ich werde auch gleich ein bisschen aufräumen.“

„Lässt du noch immer kein Zimmermädchen an deine Sachen?“, fragte Samantha, als sie vorsichtig über schmutzige Kleidungsstücke und herumliegende Schuhe stieg. Hank war schon immer recht unordentlich gewesen, und irgendwie rührte sie diese Eigenschaft auch. Das wäre sicher anders, wenn sie ihm hinterherräumen müsste.

„Auf gar keinen Fall“, erwiderte er und begann, ein paar Sachen aufzuheben. „Ich finde sonst hinterher nichts mehr wieder.“

Endlich hatte Samantha das Badezimmer erreicht, schloss die Tür und lehnte sich von innen dagegen.

Du liebe Zeit! Sooft sie Hank sah und sich dabei sagte, dass es diesmal anders wäre und sie nicht mehr verliebt in ihn wäre – es war jedes Mal dasselbe. Sie hatte das Gefühl, vollkommen den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihr Herz begann, heftig zu klopfen, das Blut rauschte ihr in den Ohren, und Lust durchströmte sie – eine Lust, die stärker war als alle Vernunft. Sie konnte diese Gefühle einfach nicht abstellen. Und diesmal schien es durch ihre Sex-Diät sogar noch stärker zu sein, auch wenn sie kaum zu hoffen gewagt hatte, dass sie tatsächlich funktionierte.

Das letzte Jahr über hatte sie sich sexuell häufig so frustriert gefühlt, dass sie schon in Erwägung gezogen hatte, für eine Nacht einen bezahlten Liebhaber zu nehmen – in Aspen war alles möglich, sofern man bereit war, den entsprechenden Preis zu zahlen. Doch dann war ihr diese Maßnahme allzu erbärmlich – und zu gefährlich – erschienen, und sie hatte sie wieder verworfen.

Doch nun, dank der Diät und der äußerlichen Veränderungen, müsste ihr größter Wunsch eigentlich bald in Erfüllung gehen. Schließlich wollte sie ja nur einen Orgasmus und keinen Mann fürs Leben.

Den Gedanken daran, sich zu verlieben, hatte sie sich mittlerweile aus dem Kopf geschlagen. Denn so gut sie inzwischen auch aussah – und sie sah verdammt gut aus, wenn sie sich das mal so unverblümt eingestehen durfte –, war Samantha nicht sicher, ob sie diesen Aufwand auf Dauer durchhalten würde. Da sie nun mal nicht zu den Frauen gehörte, die morgens als natürliche Schönheiten aus dem Bett stiegen, war sie auf jede Hilfe angewiesen, die sich ihr bot. Und mit all den Wässerchen, Cremes und Kuren, mit Scheren, Pinzetten und Lockenstäben, mit ausreichend Training und Proteinshakes war es ganz schön anstrengend, hübsch zu sein.

Sie schnitt eine Grimasse und schluckte die Tablette mit einem Glas Wasser hinunter.

Immerhin war Hank ihr eine große Hilfe gewesen, da sie durch ihn wusste, was Männer absolut nicht wollten. Im Laufe der Jahre hatte er sich nämlich über so manches „typisch weibliche“ Verhalten bei ihr beschwert. Außerdem hatte Samantha in letzter Zeit regelmäßig alle Flirt- und Verführungstipps in den Frauenzeitschriften sowie diverse Sex-Handbücher studiert.

Ja, es wurde wirklich Zeit, dass sie wieder mit jemandem ins Bett ging, und zwar mit einem Mann mit ausgeprägtem Know-how und atemberaubender Finesse! Sie wollte endlich wissen, wie es sich anfühlte, wenn ein Mann ihre Brüste mit Mund und Zunge liebkoste. Ted, ihr unfähiger Erster und Einziger, hatte sie dort nicht einmal gestreichelt, sondern war mit erschreckender Rasanz gleich zum großen Finale übergegangen. Sie wollte erfahren, wie es war, das Gewicht eines Mannes auf sich zu spüren und seine Berührung tief in ihrem Inneren, im Zentrum ihrer Begierde. Sie wollte wissen, warum in all den Büchern, Fernsehsendungen und Zeitschriften so viel Aufhebens um das Wie, Wann, Wo, Warum und mit Wem gemacht wurde.

Mit wem? Sofort hatte sie Hanks Bild vor Augen. Natürlich würde sie mit niemandem lieber experimentieren als mit ihm, aber sie wusste nur zu gut, dass er in ihr immer das hässliche Entlein und nie den Schwan sehen würde.

Immer nur die gute Freundin und nie die Geliebte.

Sie starrte auf ihr Spiegelbild und verspürte einen Stich des Bedauerns. Doch sofort schob sie dieses Gefühl beiseite. Dieser Urlaub sollte die denkwürdigste Woche ihres Lebens werden, und sie würde nicht zulassen, dass so eine Kleinigkeit wie unerwiderte Lust – oder Liebe – dazwischen kam.

Doch zunächst musste sie wieder etwas essen.

3. KAPITEL

Als Samantha aus dem Bad kam, warf Hank gerade einen Haufen Schmutzwäsche neben die Tür. Er sah sie an und lächelte verlegen. „Ich habe in meinem Schrank etwa einen halben Meter auf der Kleiderstange freigeräumt sowie die zwei obersten Schubladen in der Kommode.“ Er hob eine Hand vor sein Gesicht. „Es ist mir wirklich unangenehm, was mit deinem Zimmer passiert ist. Seit Gladys weg ist, geht es hier reichlich chaotisch zu, aber ich hoffe, Tina wird irgendwann eingearbeitet sein.“ Er klang nicht gerade zuversichtlich.

Samantha winkte ab. „Mach dir keine Gedanken.“ Sie lächelte kokett. „Ich bin sicher, ich werde mich in deinem Bett sehr wohl fühlen.“

Natürlich würde sie sich noch wohler fühlen, wenn er gleichzeitig mit ihr darin läge, aber dann konnte sie ihren Orgasmus vergessen, denn Hank fand ja nun mal nichts an ihr. Sie blickte zur Couch und versuchte, sich Hanks muskulösen Körper auf dem schmalen Polster vorzustellen. „Aber was ist mir dir? Die Couch ist nicht gerade groß.“

Hank lehnte sich gegen einen der hohen Pfosten seines Bettes und machte ein reumütiges Gesicht. „Ich betrachte es als gerechte Strafe dafür, dass ich deine Reservierung vermasselt habe.“

„Nach dieser Logik müsste ich eigentlich Tinas Bett bekommen“, sagte Samantha.

Hank stöhnte. „Wenn es danach ginge, hätte sie ihr Bett schon zehn Mal abgeben müssen!“

„Ist es wirklich so schlimm?“

Er nickte.

„Wenn sie so ungeeignet ist für diesen Job, warum behältst du sie dann?“

„Sie ist Gladys’ Enkeltochter.“

„Oh.“ Das erklärte natürlich alles. Hank vergötterte Gladys und würde nie etwas tun, was sie verletzen könnte, auch wenn er dafür einen hohen Preis bezahlen musste. Trotzdem … „Hat Gladys sie denn vor ihrer Abreise nicht eingearbeitet?“

„Sie hat es versucht.“ Hank zuckte mit den Schultern und seufzte, was vermutlich bedeutete, dass sie es irgendwann aufgegeben hatte.

Der Ärmste! „Und was ist mit diesem komischen Schönheitswettbewerb?“, fragte Samantha. „Ich habe das Plakat vorhin gesehen.“

Hank verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser Schönheitswettbewerb ist schrecklich nervig.“

„Na, so schlimm wird es schon nicht sein. Immerhin belebt er das Geschäft.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Und ich hätte gedacht, dass eine Menge hübsche Frauen in deiner Pension und am Strand dir das Leben versüßen.“

Er lächelte kurz und löste damit unwissentlich ein heftiges Schmetterlingsflattern in ihrem Bauch aus. „Ich auch, aber das tun sie nicht.“ Er musterte sie so eindringlich von oben bis unten, dass sie weiche Knie bekam. „Du solltest mitmachen.“

Samantha schluckte und strich sich nervös eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Ach was“, meinte sie abwinkend. „Ich bin ganz und gar kein Typ für Schönheitswettbewerbe.“

„Du würdest dich wundern“, entgegnete Hank. „Außerdem ist dies kein normaler Schönheitswettbewerb. Es gehört mehr als ein hübsches Gesicht dazu, um zur Strandkönigin der Südstaaten gewählt zu werden.“

Samantha erkannte die Phrase vom Plakat. „Ach ja?“

„Ja“, fuhr er eifrig und offenbar geschult zu diesem Thema fort. „Der offizielle Wettbewerb beginnt morgen, indem Jurymitglieder sozusagen undercover herumlaufen und die Wettbewerberinnen hinsichtlich Persönlichkeit, Charme, Freundlichkeit und Anmut bewerten. Im Finale müssen sich die auserwählten Teilnehmerinnen in einem Südstaaten-Quiz behaupten. Es wird keinen Bikini-Wettbewerb geben. Stattdessen müssen die Teilnehmerinnen zeigen, wie gut sie Brathähnchen und Eistee zubereiten können.“

„Wie bitte?“

Er nickte. „Du hast richtig gehört. Eine echte Südstaaten-Schönheit sollte wissen, wie man Brathähnchen und Eistee zubereitet.“

„Wie sexistisch!“, entgegnete Samantha empört.

„Beschwer dich bei Bürgermeister Flannagin. Es war seine Idee.“

Samantha schüttelte den Kopf. „Das ist einfach unglaublich!“ Trotzdem war sie nicht überrascht. Genau so etwas war in ihrer kleinen Heimatstadt zu erwarten.

„Die Gewinnerin bekommt einen enorm wertvollen Preis: eine Reise für zwei Personen auf die Bahamas mit Vollpension und Taschengeld, einen nagelneuen Geländewagen, für den im ersten Jahr weder Steuern noch Versicherung bezahlt werden müssen, und zehntausend Dollar bar auf die Hand.“ Hank lächelte. „Außerdem hat das Wettbewerbskomitee beschlossen, die Teilnahmegebühr gering zu halten, damit möglichst viele Frauen teilnehmen. Mehr Teilnehmerinnen, mehr Touristen. Mehr Touristen, mehr Geld für die Stadt.“

Natürlich, das ergab Sinn. Aber ein Wettbewerb, bei dem die Zubereitung von Brathähnchen und Eistee getestet wurden? Das klang nun wirklich verdammt bieder, um es mal milde auszudrücken.

Hank löste sich vom Bettpfosten. „Heute ist Anmeldeschluss“, sagte er. „Du solltest mitmachen. Die Anmeldeformulare liegen an der Rezeption. Was hast du schon zu verlieren?“

Zu ihrem eigenen Erstaunen zog Samantha eine Teilnahme tatsächlich in Betracht. Sie war bestimmt nicht die schönste Frau von allen, die hier am Strand herumliefen, aber sie war intelligent, freundlich und charmant und hatte Persönlichkeit. Sie war kein Stimmwunder, würde aber problemlos eine einfache Ballade hinbekommen, falls Singen ebenfalls erwünscht sein sollte, und was das Brathähnchen betraf, rechnete sie sich die besten Chancen aus. Ihre Mutter hatte ihr nämlich schon früh alle Tricks und Kniffe gezeigt, um Brathähnchen auf besonders leckere Weise zuzubereiten.

Ein neues Auto konnte sie gut gebrauchen und das Geld erst recht. Wenn sie die zehntausend Dollar zu ihrem Ersparten packte, könnte sie sich tatsächlich bald ihren Wunsch erfüllen und wieder hierher ziehen. Und Hank nahe sein. In ihrem Bauch kribbelte es wieder.

Hank hatte recht. Was hatte sie schon zu verlieren?

Samantha biss sich auf die Lippe und sah ihn an. Ihre Blicke trafen sich. „An der Rezeption?“, fragte sie noch einmal nach.

„Ja.“

„Ich denke, ich werde mal Badesachen anziehen, mich an den Pool setzen, etwas essen und mir das Anmeldeformular für den Wettbewerb angucken.“

Hank nickte erfreut. „Gut.“ Dann zögerte er. „Es ist schön, dich wieder hier zu haben, Sam. Und … du siehst fantastisch aus.“ Es klang ein wenig verlegen, aber das war kein Wunder, denn er hatte ja noch nie einen Grund gehabt, ihr für ihr Aussehen Komplimente zu machen.

Ihr wurde trotzdem ganz warm ums Herz, und sie lächelte ihn an. „Es ist schön, wieder hier zu sein.“

„Hast du bestimmte Pläne für deinen Urlaub?“, erkundigte er sich. „Ein Ausflug nach Dauphin Island? Oder nach Fort Morgan?“

Dort fuhr sie normalerweise hin, wenn sie hier war, aber diesmal ließ ihr die „Operation Orgasmus“ nicht viel Zeit für solche Dinge. „Nein, diesmal habe ich keine Ausflugspläne“, antwortete sie ausweichend, ohne ihn anzusehen, damit er ihre wahren Absichten nicht durchschaute. Natürlich war das albern. Was kümmerte es sie, wenn er wusste, was sie vorhatte? Er hatte ihr ja auch immer von seinen jeweiligen Verführungsplänen und Frauengeschichten erzählt.

Samantha ging zum Fußende des Bettes, holte ihren Bikini aus der Reisetasche, warf ihn aufs Bett und suchte dann nach ihrer Sonnencreme. Bei ihrer empfindlichen Haut brauchte sie Lichtschutzfaktor 35, und da sie in der letzten Woche bereits einige Male kurz auf der Sonnenbank gelegen hatte, hoffte sie auf „etwas Farbe“, ohne sich einen Sonnenbrand zu holen.

Sie spürte, dass Hank sie beobachtete. „Wenn du keine Ausflüge machen willst, was hast du dann vor?“, fragte er nach.

Wo, zum Teufel, war die Creme? Sie konnte sich genau erinnern, sie eingepackt zu haben. Ungeduldig zog sie ein paar Zeitschriften und Schachteln aus der Tasche und suchte weiter.

Als Hank kurz auflachte, unterbrach sie ihre Suche und drehte sich zu ihm um.

In der einen Hand hielt er ihr Bikinihöschen, in der anderen eine Schachtel mit Kondomen der Sorte „extra groß“ und „im Dunkeln leuchtend“. „Willst du mir das erklären?“

Obwohl Samantha vor Scham am liebsten im Erdboden versunken wäre, brachte sie ein unschuldiges Lächeln zu Stande und zuckte mit den Schultern. „Wenn es sein muss … Obwohl ich eigentlich dachte, dass ein Mann deines Alters weiß, wozu man Kondome benötigt. Tatsächlich kann ich mich erinnern, dass du früher selbst immer eins in deiner Brieftasche …“

Hank verzog das Gesicht. „Das meinte ich nicht, und das weißt du.“ Er ließ den Bikinislip um seinen Zeigefinger kreisen. „Seit wann hast du ausreichend Kondome bei dir, um eine ganze Footballmannschaft zu versorgen?“

Langsam richtete Samantha sich auf, schnappte sich die Schachtel mit den Kondomen und schob sie zurück in ihre Reisetasche. Dann nahm sie ihm das Bikinihöschen ab und nahm das Oberteil vom Bett.

„Seit ich Sex habe“, entgegnete sie und ärgerte sich ein wenig über seinen schockierten Blick. War es denn so unvorstellbar für ihn, dass sie Sex hatte – oder dass irgendjemand mit ihr Sex haben wollte?

„Willst du etwa sagen, du bist auf Männerfang?“, fragte er langsam und mit rauer Stimme.

„Und ich habe nicht nur genug Kondome für eine Footballmannschaft dabei – sie reichen sogar noch für das gegnerische Team.“ Sie lächelte pikiert. „Sag mir Bescheid, wenn du dir welche borgen willst. Allerdings habe ich nur extra große dabei.“ Sie blickte demonstrativ auf seine Hose. „Und ich weiß ja nicht, ob die dir passen.“ Hank starrte sie verdutzt an. Offensichtlich hatte es ihm die Sprache verschlagen. „Und was das Männerfangen angeht – ja, es könnte durchaus sein, dass ich die eine oder andere Angel auswerfe. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest – ich möchte meine Kleidung wechseln.“

Die Kleidung wechseln? Von wegen! Die ganze Samantha war wie ausgewechselt! Hank beobachtete aus einiger Entfernung, wie ein Mann nach dem anderen an ihrem Tisch am Swimmingpool vorüberging und seine Freundin lüstern ansah.

Die Samantha, die er sein Leben lang gekannt hatte, hätte es nie gewagt, diesen Bikini zu tragen – im Grunde hätte sie auch nackt dasitzen können. Wenn sie noch einmal so sexy lacht, wird noch eine ihrer süßen prallen Brüste aus dem gepolsterten Körbchen hüpfen, dachte Hank. Beim bloßen Gedanken daran bekam er eine Erektion.

Nach Entdeckung ihres riesigen Kondomvorrats hatte er beschlossen, sich in der Nähe des Swimmingpools zu postieren und ein Auge auf Samantha zu haben. Offensichtlich gab sie sich nicht mit dem Auswerfen von Angeln zufrieden – sie wollte die Männer gleich mit Netzen einfangen.

Samantha McCafferty war die vernünftigste und patenteste Frau, die er je kennen gelernt hatte. Diese Unmenge an Verhütungsmitteln hätte sie bestimmt nicht eingepackt, wenn sie nicht ernsthaft vorhatte, sie auch zu benutzen.

Sie würde Sex haben.

Sie hatte bereits Sex gehabt.

Die bloße Vorstellung ließ ihn nervös werden. Kein Wunder, dass sie so aufgebracht gewesen war, als Tina erklärt hatte, ihr Zimmer sei belegt!

Zum ersten Mal seit ihrer Einstellung hatte Tina mit ihrer Schusseligkeit etwas Gutes bewirkt.

Natürlich sah Hank ein, dass Samantha eine erwachsene Frau war, die tun und lassen konnte, was sie wollte. Aber was ihn betraf, so würde er nicht einfach dabeistehen und zusehen, wie sie sich irgendeinem x-beliebigen Kerl an den Hals warf. War das egoistisch? Ganz bestimmt, aber das war ihm egal. Aus Gründen, die er nicht weiter beleuchten wollte, weckte der Gedanke, dass ein anderer Mann Samantha berührte, heftige Eifersucht in ihm.

Er begutachtete die Männer, die um Samantha herumschwirrten wie Bienen um eine besonders süße Blüte. Am liebsten würde er all die Kerle durch ein paar gezielte Schläge vertreiben …

Es war entsetzlich. Seine geheime Lust auf Samantha unter Kontrolle zu halten war schon schwer genug, aber wenn sie nun, wo sie so überaus sexy wirkte und auf erotische Abenteuer aus war, in seinem Bett schlief, dann würde diese Woche die reinste Hölle für ihn werden!

Außerdem quälte ihn die Frage, warum sie bei ihren Plänen nicht an ihn gedacht hatte. Weshalb sah sie ihn nicht als potenziellen Liebhaber?

Hank fluchte leise.

Himmel, so etwas durfte er nicht denken! Wenn er und Samantha eine Affäre hätten, würde es ihre Freundschaft ein für alle Mal ruinieren. Aus diesem Grund bemühte er sich ja seit Jahren so verzweifelt darum, eben dieses Szenario zu vermeiden. Es war hart gewesen, härter, als sie jemals ahnen konnte, aber die Aussicht auf eine lebenslange gute Freundschaft mit Samantha war es ihm wert. Aus Erfahrung wusste Hank, dass nichts eine Beziehung schneller veränderte als Sex.

Samanthas helles Lachen hallte zu ihm herüber. Der Wind hatte ihr eine lange Korkenzieherlocke ins Gesicht geweht, und Samantha lächelte äußerst charmant und verführerisch. Ihre grünen Augen konnte er unter der Sonnenbrille nicht erkennen, aber er ahnte, dass sie vor Freude glänzten und dass sich an ihren Augenwinkeln kleine Lachfalten gebildet hatten.

So ist sie immer gewesen, dachte Hank. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. Wie viele Male in all den Jahren hatte sie solche Momente mit ihm geteilt?

Sie hatte ihr Haar mit einer großen Spange hochgesteckt, aber einige Strähnen hatten sich daraus gelöst und kitzelten ihren Nacken. Obwohl sie erst seit einer Stunde am Pool saß und sich vorher bestimmt gut eingecremt hatte, färbten ihre Schultern sich langsam rosa. Ihre Haut würde bald nicht mehr von der Farbe des Bikinis zu unterscheiden sein, und sie würde den Eindruck erwecken, vollkommen nackt zu sein.

Himmel, was für ein Körper! Erstaunlich, was für eine Veränderung ein paar Pfund mehr bewirkten. Hank stellte sich vor, wie er die lose Haarsträhne, die ihre Wange streichelte, um den Finger wickelte und Samantha dadurch näher zu sich zog, ihren betörenden fruchtig-süßen Duft einatmete und ihre verführerischen Lippen küsste.

Doch das waren Träume. Er musste sich aufs Hier und Jetzt konzentrieren. Was, zum Teufel, sollte er tun? Er konnte doch nicht einfach dasitzen und zusehen, wie diese Kerle mit Samantha flirteten – und wie sie einen nach dem anderen begutachtete, um sich den besten Kandidaten herauszupicken! Einen, dem ein extra großes Kondom passt, dachte Hank düster.

Samantha wirkte vollkommen gelassen und alles andere als verunsichert durch all die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde. Sie tunkte eine Garnele in die Cocktailsauce, steckte sie in den Mund, legte den Kopf zurück und lachte über irgendeinen Witz.

Wenn ihm nicht bald etwas einfiel, würde sie die Nacht nicht in seinem, sondern im Bett eines anderen verbringen. Sie würde Sex haben – in seinem Haus, aber nicht mit ihm!

Ihm wurde beinahe schwarz vor Augen.

Das durfte er nicht zulassen.

Das konnte er nicht zulassen.

4. KAPITEL

Samantha lachte über einen witzigen Spruch von einem der Männer, die mit ihr flirteten, und beobachtete Hank aus dem Augenwinkel. Er schien wegen irgendetwas verärgert zu sein.

Er hatte die hellblonden Augenbrauen zusammengezogen, und seine sonst meist lächelnden Lippen waren fest zusammengepresst. Seine Körpersprache war so eindeutig, dass sie seine Anspannung sogar aus der Entfernung wahrnahm. Den ganzen Nachmittag schon hatte er jeden Mann in ihrer Nähe mit finsteren Blicken bedacht, doch zum Glück war das niemandem außer ihr aufgefallen. Und da alle Männer Gäste in seiner Pension waren, konnte er sie kaum in aller Öffentlichkeit angreifen.

Ein Außenstehender hätte Hanks Verhalten wohl als Eifersucht interpretiert, aber sie wusste es besser. Um eifersüchtig zu sein, musste man zunächst an einer Frau interessiert sein, und das war er ja nicht. Nachdem er ihr Vorhaben erkannt hatte, empfand er wohl eher so etwas wie brüderlichen Beschützerinstinkt.

Aber sie hatte es wirklich nicht nötig, beschützt zu werden, vielen Dank! Sie wollte einen Orgasmus und würde es nicht zulassen, dass Hank aus einem antiquierten Verantwortungsgefühl womöglich ihre Pläne durchkreuzte, selbst wenn es noch so gut gemeint war.

Zu ihrem großen Entzücken schien ihre Sex-Diät vorzüglich zu wirken. Sie hatte sich noch nicht einmal hingesetzt, da wollte ein Mann – Jeff, wenn sie sich recht erinnerte – ihr bereits einen Drink spendieren. Sie hatte sich für Mineralwasser entschieden, um die Wirkung der Antihistamine nicht durch Alkohol zu beeinträchtigen. Außerdem wollte sie einen klaren Kopf behalten, um den richtigen Mann auswählen zu können. Einen Mann, der nichts weiter suchte als eine bedeutungslose Affäre, die auf körperlicher Anziehung beruhte.

Vermutlich war es genau der Typ, vor dem ihre Mutter sie immer gewarnt hatte … und der ihr unter normalen Umständen Angst einjagen würde.

Sie bekam vor Aufregung eine Gänsehaut.

Heimlich studierte sie die Männer, die sich mittlerweile um sie geschart hatten. Es waren einige mögliche Kandidaten dabei. Auf gar keinen Fall würde sie sich mit Carlton einlassen, dessen Mutter ihn bereits zwei Mal auf dem Handy angerufen hatte und der für ihr Vorhaben viel zu brav wirkte. Oder mit Ted, der eine verräterische weiße Linie dort um den Ringfinger hatte, wo normalerweise ein Ehering steckte.

Wenn Hank sich nur bald verziehen würde! dachte Samantha leicht genervt.

Stattdessen kam er direkt auf sie zu. Er ging an den Tischen vorbei und redete kurz mit seinen Gästen, ganz der liebenswürdige, um ihr Wohl besorgte Gastgeber. Samantha hatte ihn in den vergangenen Jahren schon oft dabei beobachtet und immer sein selbstbewusstes Auftreten, seinen natürlichen Charme und seine Lockerheit bewundert. Auch Fremden gegenüber wusste er anscheinend immer, was er sagen sollte. Heute allerdings schien eine bestimmte Absicht hinter seiner Nonchalance zu stecken, und aus Gründen, die sie im Moment nicht näher beleuchten konnte, schien es etwas mit ihr zu tun zu haben.

Samantha spürte das vertraute Kribbeln im Bauch und die vertraute Sehnsucht im Herzen, während sie ihn beobachtete. Doch dann verscheuchte sie diese sinnlosen Anwandlungen schnell wieder. In dieser Woche ging es nicht um das, was sie nicht haben konnte, sondern um das, was im Bereich ihrer Möglichkeiten lag.

Ihr Blick fiel auf Jamie, einen Bauunternehmer aus Birmingham, Alabama. Er war groß, dunkelhaarig, gut aussehend und gefährlich, so wie sie sein anzügliches Grinsen deutete. Sie wurde nicht gerade ohnmächtig vor Begeisterung für ihn, aber er wirkte durchaus in der Lage, ihr Feuer zu entfachen.

Samantha hoffte, im Gespräch etwas mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Wenn sie ihm einfach ein paar zweckdienliche Fragen stellen könnte, würde sie schnell wissen, ob er für ihre Belange infrage käme. Einen Moment lang stellte sie sich vor, wie es wäre, ihn kurz unter vier Augen zu sprechen und eine Art Bewerbungsgespräch zu führen.

Ja, Jamie, nun sagen Sie mir doch bitte einmal, ob Sie sich für einen guten Liebhaber halten. Sind Sie egoistisch im Bett? Haben Sie irgendwelche übertragbaren Krankheiten? Wie groß ist Ihr bestes Stück? Falls wir zusammen schlafen, könnten Sie dann lange genug durchhalten, damit auch ich befriedigt werde? Wie stehen Sie zu Oralsex? Wären Sie in der Lage, eine Woche lang mit mir zu schlafen und mich dann zu vergessen? Und wie wäre es …

„Ich weiß ja nicht, was gerade in deinem Kopf vorgeht, aber deinem anzüglichen Lächeln nach zu urteilen, ist es nicht jugendfrei“, ertönte eine vertraute tiefe Stimme ganz dicht an ihrem Ohr.

Samantha zuckte zusammen und ärgerte sich, dass ihr schon wieder ein heißer Schauer über Nacken und Rücken lief, nur weil Hanks Atem ihre nackte Haut streifte. Wie hatte Hank es geschafft, sich ihr zu nähern, ohne dass sie es bemerkt hatte? Normalerweise hatte sie gute Antennen dafür und spürte fast immer, wenn er in ihre Nähe kam. Doch obwohl sie sein Überfall etwas ärgerte, konnte sie nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Das verführerische Funkeln in seinen meerblauen Augen hatte sie schon immer automatisch zum Lächeln gebracht.

„Das, woran ich denke, darf man aber schon ab sechzehn“, gab Samantha nüchtern zurück.

Sein Lächeln gefror für eine Sekunde, dann fragte er mit leiser, rauer Stimme: „Welcher von diesen Versagern hat deine Fantasie denn inspiriert?“

„Das geht dich absolut nichts an“, erwiderte sie und rückte demonstrativ ein wenig von ihm weg. „Kennen Sie alle unseren Gastgeber, Hank Masterson?“

Hank warf ihr einen tadelnden Blick zu, wechselte dann aber umgehend in die Rolle als Gastgeber. Anstelle der üblichen Fragen nach Befinden und Wohnort erkundigte er sich bei Samanthas Bewunderern allerdings indirekt und äußerst geschickt nach möglichen Freundinnen, Ehefrauen und Exfrauen. Tatsächlich war Samanthas Hauptkandidat Jamie nach kurzer Zeit der Einzige, den Hank nicht durch irgendeine Andeutung als potenziellen Liebhaber diskreditiert hatte.

Obwohl sie Jamie noch nie in der Pension gesehen hatte, beschlich Samantha die leise Ahnung, Hank und er könnten sich nicht nur kennen, sondern sogar befreundet sein. Sie sprachen locker und relativ vertraut miteinander, bezogen sich auf einen zurückliegenden gemeinsamen Surfausflug, und es schien Samantha sogar, als wolle Hank Jamie vor ihr warnen.

Warum kümmerte er sich nicht einfach um seine eigenen Angelegenheiten?

Ein höfliches Lächeln zu bewahren, während sie innerlich kochte, war viel schwieriger, als sie es sich je hätte vorstellen können. Innerhalb weniger Minuten hatte Hank durch ein paar Worte das zunichte gemacht, worauf sie sich im Laufe fast eines ganzen Jahres vorbereitet und wofür sie bereits viele Qualen auf sich genommen hatte.

Sie wollte in dieser Woche endlich die Freuden sinnlicher Lust erleben.

Sie verdiente es.

Sie brauchte es.

All die Jahre war sie immer Samantha, „die Vernünftige“, gewesen und damit zwar zufrieden, aber auch sehr einsam. Nur eine Woche lang aus dieser Rolle zu fallen, das war weder unvernünftig noch egoistisch. Sie warf Hank einen honigsüßen Blick zu. Falls er dachte, sie würde sich geschlagen geben, nur weil er ihre Pläne durchkreuzt hatte, so hatte er sich geschnitten. An diesem Strand gab es noch jede Menge anderer Männer.

„Also das ist Samantha“, meinte Jamie bedächtig. „Komisch, ich hatte sie mir eigentlich ganz anders vorgestellt.“

Hank beobachtete, wie das Objekt seiner Begierde einen perfekten Kopfsprung in den Swimmingpool machte, und fühlte seine Stimmung auf den Nullpunkt sinken. Er schnitt eine Grimasse. „Ich auch.“

Dank seiner Beharrlichkeit hatten sich irgendwann alle Männer bis auf Jamie verzogen und hielten Ausschau nach neuer Beute. Und Jamie war sicher nur geblieben, um herauszufinden, warum er sich in Bezug auf Samantha wie ein Platzhirsch aufgeführt hatte. Er und Jamie kannten sich noch nicht lange, waren jedoch auf Anhieb Freunde geworden, als sie sich bei einem Amateur-Surfwettbewerb kennen lernten.

Jamie nahm einen Schluck Bier und betrachtete Samantha mit so unverhohlener Lüsternheit, dass Hank seinem Freund am liebsten einen Kinnhaken verpasst hätte. „Du hast erzählt, sie sei ein nettes Mädchen und eine gute Freundin. Dabei hast du allerdings vergessen zu erwähnen, dass sie umwerfend aussieht.“

Das kam daher, weil er das Gefühl hatte, dass Samantha zu ihm gehörte und er sie mit niemandem teilen wollte. Hank gab als Antwort nur einen unmutigen Laut von sich.

Jamie lehnte sich entspannt zurück. „Also entweder wolltest du sie für mich besonders interessant machen … oder sie interessiert dich überhaupt nicht.“

Beides falsch, dachte Hank und stieß erneut einen unmutigen Laut aus. Samantha interessierte ihn sogar viel zu sehr. Und das nervte ihn. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er sie begehrte, und er ärgerte sich über sie, weil sie dieses Gefühl in ihm auslöste, und er ärgerte sich über jeden Mann – Hank warf Jamie einen düsteren Blick zu –, einschließlich seines guten Freundes, der um Samantha herumscharwenzelte und darauf wartete, dass sie ihn beachtete.

Hank wusste nicht, was ihr plötzliches sexuelles Interesse hervorgerufen hatte, aber er wusste sehr wohl, dass es nur mit einem gebrochenen Herzen ihrerseits und ewiger Frustration seinerseits enden konnte.

Das durfte er nicht zulassen.

Himmel, wenn sie sich so verzweifelt danach sehnte, abgeschleppt zu werden, dann konnte sie das doch auch in Colorado machen! Es musste doch nicht hier, direkt vor seiner Nase geschehen!

Nein, auch dass sie es in Aspen tat, war eine schreckliche Vorstellung, und Hank stellte fest, dass es ihm lieber war, sie ließe es ganz und gar bleiben. Außer natürlich mit ihm, was ein ebenso unangemessener wie unlogischer Gedanke war.

Er konnte nicht mit Samantha schlafen … was die arrogante Annahme beinhaltete, dass sie mit ihm schlafen wollte, was sie ganz offensichtlich nicht tat. Sonst würde sie ihre Reize vor allem ihm präsentieren und nicht allen anderen.

Jamie sah ihn eindringlich von der Seite an, widmete dann seine Aufmerksamkeit wieder Samantha, die mit kräftigen, gleichmäßigen Zügen von einer Seite des Pools zur anderen schwamm. „Nachdem du das ‚Angeln verboten‘-Schild aufgestellt und den Balztanz des Gorillas um ihren Stuhl herum aufgeführt hast, trifft es wohl nicht zu, dass du dich nicht für sie interessierst. Also, was ist los?“

„Sie ist eine gute Freundin“, erwiderte Hank brummig. „Und ich passe auf sie auf.“ Du meine Güte, welch eigennützige Lüge!

„Das ist alles?“

Hank ignorierte Jamies durchdringenden Blick und trank einen Schluck von seinem Bier. „Das ist alles.“ Seine wahren Gedanken auszusprechen erschien ihm zu gefährlich. Es war so, als würde das dem Ganzen Realität verleihen. Irgendwann wurden aus Worten Taten, und Taten kamen nun mal nicht infrage.

Es würde alles kaputtmachen. Ihre Freundschaft wäre zerstört, und ihre Beziehung bedeutete ihm zu viel, als dass er sie durch etwas so Unbeständiges wie Sex gefährden wollte. Selbst wenn es großartiger Sex werden würde.

Jamie hob eine Braue. „Dann ist sie, was dich betrifft, also zu haben?“

„Nein“, entgegnete Hank grimmig wie ein alter Grizzly, „wenn sie zu haben wäre, hätte ich hier doch nicht alle verscheucht. Sie ist nicht zu haben. Sie ist eine Freundin, die eine Dummheit begehen will, und ich passe auf sie auf.“

Jamie lächelte hintergründig. „Ach so, dann beschützt du sie also vor sich selbst?“ Und leicht sarkastisch fügte er hinzu: „Das ist aber sehr nobel von dir.“

Hank stöhnte entnervt auf. „Hör zu, sie hat genug Kondome eingepackt, um eine Footballmannschaft eine halbe Saison lang zu versorgen, sowie einen Stapel Frauenzeitschriften mit Sex-Tipps. Sie will sich nur flachlegen lassen und …“

Jamie brach in schallendes Gelächter aus. „Und das soll mich entmutigen?“

Hank bekam ein seltsames Zucken am Auge. „Es ist völlig untypisch. Das ist ganz und gar nicht Samanthas Stil.“

Jamie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat sie ihren Stil geändert.“

Dieser irritierende Gedanke war Hank auch schon gekommen. Dennoch war er der Meinung, dass sie zwar ihr Äußeres, nicht aber ihr inneres Wesen so mir nichts, dir nichts ändern konnte. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Immerhin wohnt sie bei mir – Tina hat wieder einmal Mist gebaut, diesmal allerdings zu meinem Vorteil.“

Jamie grinste. „Das würde ich auch sagen.“

„Verdammt, ich meinte, dass ich so besser auf sie aufpassen kann“, entgegnete Hank.

„Muss echt schwer für dich sein!“

Hank warf ihm einen bösen Blick zu. „Blödmann.“

Jamie wurde ernst. „Sie ist eine erwachsene Frau, Hank. Ich finde, du kannst ihr zwar deine Meinung sagen, aber ansonsten solltest du dich zurückhalten. Sie wird es nicht gutheißen, wenn du dich einmischst.“

„Jetzt nicht. Aber später bestimmt.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher.“

„Hör zu, ich kenne Samantha“, beharrte Hank, der im Verlauf der Unterhaltung immer unsicherer wurde. „Sie ist für das, was sie sucht, nicht geschaffen. Sie ist … zu nett.“

„Oh ja, sie scheint ausgesprochen nett zu sein“, stimmte Jamie zu. „Und ausgesprochen sexy! Wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hat, wirst du sie nicht abhalten können.“

Beide Männer blickten wieder auf Samantha, die nun in Rückenlage kraulte, wobei mal die eine, mal die andere Brust in verführerischer Weise aus dem Wasser ragte wie eine kleine Insel. Hank spürte seine Erregung wachsen.

„Sie hätte vorhin nur zu winken brauchen und jeden Mann an ihrem Tisch haben können“, kommentierte Jamie trocken.

Als ob Hank das nicht wüsste! Das war ja der Grund gewesen, warum er die Kerle alle verscheucht hatte. „Ich kümmere mich darum“, sagte er entschlossen.

„Aber du selbst bist nicht interessiert?“, fragte Jamie noch einmal betont beiläufig nach.

Hanks Anspannung wuchs. „Nein. Das ist es nicht“, log er.

„Bist du sicher?“

Er nickte, unfähig, es auszusprechen.

Jamie schmunzelte. „Dann hast du also nichts dagegen, wenn ich sie zum Essen einlade?“ Ehe Hank protestieren konnte, stand Jamie auf und sprang in den Pool.

Eine Reihe von Flüchen geisterte durch Hanks Kopf, und wenige Sekunden später war auch er im Wasser.

Er wollte Samantha zum Essen ausführen, verdammt! Sie hatten sich viel zu erzählen, und er würde sich den ersten Abend ihres Urlaubs, den er immer mit Samantha verbrachte, nicht durch diesen angeblichen Freund ruinieren lassen. Wenn er genau darüber nachdachte, so verbrachte Samantha stets ihren gesamten Urlaub mit ihm, nicht nur in seiner Pension, sondern mit ihm. Sie aßen zusammen, sahen Filme zusammen, spazierten gemeinsam am Strand, gingen schwimmen und segeln. Sie hatte ihm sogar schon bei der Arbeit geholfen, wenn Not am Mann war.

Wenn Not am Mann war …

Ja, genau, das war es! Plötzlich kam Hank eine Idee. Nun wusste er, wie er Samantha so sehr beschäftigen könnte, dass sie weder die Zeit noch die Energie hätte, sich einen Liebhaber zu suchen. Er lächelte.

Er würde ihr Arbeit verschaffen.

5. KAPITEL

Samantha bedauerte, dass sie Jamies Einladung zum Abendessen hatte ablehnen müssen, doch bevor sie ihre Pläne für diese Woche umsetzen konnte, musste sie sich noch um eine klitzekleine Angelegenheit kümmern: um Hank.

Sie schob das Antiallergikum in den Mund, schluckte die Tablette mit etwas Wasser und überprüfte ihr Gesicht ein letztes Mal im Spiegel, ehe sie das Zimmer verließ. Hank hatte sich noch um irgendeine Angelegenheit kümmern müssen und wollte sie danach draußen auf der Veranda treffen.

Samantha setzte sich auf die Hollywoodschaukel aus weißem Flechtkorb und brachte sie mit den Fußspitzen in Schwung. Der Wind wehte ihr das Haar aus dem Gesicht, und sie lächelte. Sie liebte den Geruch des Meeres. Sie liebte das Schreien der Seemöwen und das rhythmische Rauschen der Wellen. Es war wie Musik in ihren Ohren.

Dies war ihre liebste Tageszeit – wenn die Zeit in Ehrfurcht vor der Schöpfung still zu stehen schien. Der Strand war fast leer, der Himmel strahlte in einer Mischung aus blassem Blau, Rosa, Violett und Orange, und die Sonne schien am Horizont wie eine riesige Kugel Eiskrem zu zerfließen. Samantha atmete tief und ließ all die Schönheit um sie herum tief auf sich wirken.

Sie fühlte sich zu Hause.

Himmel, sie konnte es kaum erwarten, wieder hier zu leben und ihr eigenes Stückchen Strand zu haben! Wenn sie an ihr Zuhause hier in Orange Beach dachte, war es seltsamerweise nie das Haus ihrer Großmutter gewesen, das ihr in den Sinn kam, und auch nicht das Haus ihrer Eltern. Nein, es war dieses schöne, große, alte viktorianische Haus mit seinen grünen Fensterläden, den umlaufenden Balkonen mit ihren schmiedeeisernen Geländern und dem stolzen Wetterhahn auf dem kleinen Kuppelgewölbe, das sie mit dem Begriff „Heimat“ verband.

Viele Jahre lang hatte Samantha sich vorgestellt, wie es wäre, mit Hank zusammen in diesem Haus zu leben, es mit fröhlichem Kinderlachen zu erfüllen. Doch mit der Zeit hatte sie die Sinnlosigkeit dieses Traumes eingesehen und ihn aufgegeben. Dennoch war das Bild ihrer Zukunft fest mit diesem Haus und mit Hank verknüpft. Ihre Traumkinder hatten immer weißblonde Haare und meerblaue Augen – kleine pausbäckige Kopien von Hank. Dass sie sich eines Tages in einen anderen Mann verlieben könnte, war kaum vorstellbar.

Hank Masterson gehörte ihr Herz, seit sie fünf Jahre alt war. Sie konnte es keinem anderen schenken. Es war eine traurige Erkenntnis, doch sie konnte damit leben. Samantha seufzte tief. Ihre einzige Hoffnung war, in seiner Nähe leben und ihre Freundschaft pflegen zu können.

Kurz vor Ende des Anmeldeschlusses hatte sie es geschafft, das Formular für den Schönheitswettbewerb auszufüllen und zusammen mit der Teilnahmegebühr von zwanzig Dollar abzugeben. Sie machte sich eigentlich nicht viel Hoffnung auf einen Gewinn, aber sie war optimistisch genug, es wenigstens zu versuchen. Nach den Angaben des Anmeldeformulars liefen in dieser Woche überall Undercover-Preisrichter herum, am Samstagnachmittag sollte der Kochwettbewerb stattfinden, und die festliche Preisverleihung war für Samstagabend angesetzt. Samantha musste also einen ganzen Tag ihres Urlaubs dafür opfern, aber die Aussicht, falls sie gewann, schon bald wieder nach Orange Beach ziehen zu können, war das allemal wert. Hank hatte recht, als er sagte, sie habe nichts zu verlieren.

Offenbar nahm er an, die Show, die er am Pool abgezogen hatte, in Verbindung mit den bedrohlichen Blicken, die er Jamie zugeworfen hatte, seien der Grund dafür gewesen, dass sie seine Essenseinladung angenommen hatte und nicht Jamies.

Doch er lag falsch.

Es stimmte, dass sie traditionsgemäß am ersten Abend ihres Urlaubs gemeinsam essen gingen – meistens auch an allen anderen Abenden –, und es stimmte ebenfalls, dass sie fast ihren gesamten Urlaub damit verbrachten, sich über alle Ereignisse des vergangenen Jahres auszutauschen – und sie würde das diesmal schrecklich vermissen. Aber wenn sie die ganze Zeit mit Hank verbrachte, würde sie kaum einen Liebhaber finden können – ihren „Trostpreis“, da sie Hank ja nicht haben konnte. Und es würde erst recht nicht funktionieren, wenn er jeden möglichen Kandidaten sofort vergraulte. Sie hatte nun mal wenig Zeit, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, und Hank durfte nicht dazwischenfunken.

Zum Glück schien Jamie von Hanks Balzgehabe nicht im Mindesten beeindruckt und hatte sie für später auf einen Drink eingeladen, ohne dass Hank davon wusste. Um solchen Heimlichkeiten für die Zukunft vorzubeugen, musste sie bei der nächsten Gelegenheit ein ernstes Wort mit Hank reden.

Seine Rolle als eifersüchtiger Geliebter, der er ja nun mal nicht war, musste er schleunigst wieder ablegen. Nicht nur, weil er dadurch ihre Pläne durchkreuzte – es machte ihr auch auf schmerzliche Weise deutlich, dass sie ihn sich in eben dieser Rolle eigentlich immer gewünscht hatte.

Ihre einzige Chance auf Heilung von dieser unseligen Schwärmerei war der lang ersehnte Orgasmus.

Die Sex-Diät wirkte phänomenal. Wäre sie nicht allergisch gegen Fisch und Meeresfrüchte, würde sie sich sogar dauerhaft auf diese Weise ernähren. Zum einen schien sie ausreichend Sexuallockstoffe abzusondern, um jedes männliche Wesen im Umkreis von zehn Meilen in ihren Bann zu ziehen, zum anderen fühlte sie sich durch die Diät tatsächlich schön, begehrenswert und sexy. Es war ein wundervolles Gefühl, das sie zuvor nie erlebt hatte.

Jetzt trat Hank aus der Tür, ging zur Schaukel und setzte sich neben Samantha. Er sah wie immer umwerfend aus. Samantha betrachtete sein vertrautes Profil, und Verlangen stieg in ihr auf, als sie auf seinen verführerisch lächelnden Mund blickte. Sein Duft, eine Kombination aus Strand, Meer, herber Männlichkeit und After Shave, wehte zu ihr herüber. Er trug ein blassgelbes Leinenhemd und bequeme weiße Cargo-Shorts, dazu Ledersandalen. Alles an ihm strahlte eine natürliche Lässigkeit aus, die sehr aufregend wirkte.

Wäre es doch für sie ebenso einfach! Sie hatte jede Menge Anstrengungen unternehmen müssen, um das zu erlangen, was für ihn selbstverständlich war – Sex-Appeal –, und sie wusste, sobald sie die Diät absetzte, würde alles wieder beim Alten sein. Nein, daran wollte sie jetzt lieber nicht denken. „Bist du bereit?“, fragte sie.

Hank sog die salzige Meeresluft tief ein. Sein Arm berührte Samanthas, und ein heißer Schauer überlief sie. „Ja, ich bin am Verhungern. Wie wäre es mit ‚Lambert’s‘?“

Das hatte sie befürchtet! Normalerweise war keiner ihrer Urlaube perfekt, solange sie nicht bei „Lambert’s“ gegessen hatte, wo es typische Südstaaten-Spezialitäten gab und wo als besondere Attraktion den Gästen die ofenwarmen Brötchen nicht gebracht, sondern zugeworfen wurden. Samantha unterdrückte ein Seufzen. Sie musste sich streng an ihre Diät halten und heute Abend unbedingt Austern essen. Und zum Nachtisch Schokolade, was die Wirkung der Meeresfrüchte hinsichtlich der Lockstoffproduktion noch erhöhte.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hatte eigentlich gehofft, wir könnten heute Abend zu ‚Captain Jack’s‘ gehen.“

Er runzelte die Stirn. „In das Austernrestaurant?“

„Ja.“

Hank zuckte mit den Schultern. „Wenn du möchtest …“

Offenbar erinnerte er sich nicht an ihre Fischallergie, und sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis es ihm wieder einfiel. Natürlich hatte sie sich eine Erklärung zurechtgelegt, aber trotzdem …

Hank stoppte die Schaukel, stand auf und reichte Samantha die Hand. Bei der Berührung durchströmte sie von oben bis unten eine angenehme Wärme, und ihre Haut begann vor Sehnsucht zu prickeln. Es war, als sei ihr ganzer Körper wie eine Stimmgabel in Schwingung versetzt worden. Heute Nachmittag hatte Jamie ihr aus dem Pool geholfen, und sie hatte kaum mehr als ein leichtes Kribbeln in ihrer Handfläche gespürt, nichts im Vergleich zu der sexuellen Energie, die Hank durch die bloße Berührung seiner Fingerspitzen in ihr freisetzte.

Samantha weigerte sich, die negativen Aspekte dieses Gedankens weiter zu verfolgen, und trat sich innerlich selbst in den Hintern, weil sie die beiden Männer miteinander verglich. Sie konnte Hank nicht haben, also gab es nichts zu vergleichen.

Aber sie konnte jemand anderen haben – sie verdiente jemand anderen –, und das war möglicherweise Jamie, weshalb sie auch unbedingt die Austern essen wollte. Vor dem Gespräch mit Hank hatte sie fast ein wenig Angst, denn nach seiner seltsamen Reaktion an diesem Nachmittag würde er vermutlich aus der Haut fahren, wenn sie ihm ihren Plan darlegte. Zwar wollte sie ihm nichts von der Sex-Diät verraten – er würde das sicher für dumm halten –, aber ihre Freundschaft gründete sich auf Offenheit und Vertrauen, und sie hatte beschlossen, von ihrem dringenden Wunsch nach einem Orgasmus zu erzählen.

Pack mich, knack mich, schlürf mich aus!

Warum hat Samantha nur dieses verdammte T-Shirt kaufen müssen? dachte Hank voll verzweifelter Frustration, während er sich vorstellte, wie sie mit ihm ähnliche Dinge tat wie mit den Austern. Nicht genug, dass sie sich im Lokal genau unter das Schild mit diesem provokativen zweideutigen Slogan gesetzt hatte und vor seinen Augen lustvoll ihre Austern geschlürft hatte – nun musste er den Schriftzug auch noch auf ihren tollen Brüsten lesen, weil sie es sich nicht hatte nehmen lassen, das verdammte T-Shirt vor ihrem Spaziergang noch im Waschraum anzuziehen. Und natürlich sorgten ihre süßen Rundungen bei den Buchstaben auch noch für teuflische kleine Verzerrungen …

Hank juckte es in den Fingern. Wie gern würde er Samantha packen und … Seit Jahren schon wünschte er sich das.

Autor

Rhonda Nelson

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