Tiffany Hot & Sexy Band 34

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SEALS KÜSST MAN NICHT von WEBER, TAWNY
Ist Cade aus Edens Träumen in ihr Bett gestiegen? Der Navy SEAL ist einfach unglaublich attraktiv. Durch ihn erhält sie sogar Zutritt zur High Society, und findet so endlich Kunden für ihre Tierklinik. Bis der Millionenerbe glaubt, dass es ihr nur um das Eine geht. Geld!

DOPPELLEBEN - DOPPELLUST von ROCK, JOANNE
Tagsüber jongliert sie mit Zahlen, nachts mit Männerfantasien: Courtney führt ein Doppelleben als Finanzexpertin und Nachtclub-Tänzerin. Als ein sexy Klient Courtney plötzlich im Club gegenübersteht, ergreift sie die Chance, ihn im Schutz ihrer Maske zu verführen. Doch Trey Fraser erkennt sie …

DIE NACHT, IN DER DU MIR GEHÖRST von HUNTER, SAMANTHA
Sturm, Gefahr, Stromausfall: Gemeinsam mit ihrem Bodyguard ist Tessa dem Chaos ausgeliefert. Sie haben eine Nacht, um ein Leben zu retten - und eine Nacht, um ihre Liebe zu leben, sich zu entdecken, sich zu spüren. Denn morgen muss Jonas sie verlassen …


  • Erscheinungstag 03.12.2013
  • Bandnummer 0034
  • ISBN / Artikelnummer 9783733750565
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tawny Weber, Joanne Rock, Samantha Hunter

TIFFANY HOT & SEXY BAND 34

TAWNY WEBER

SEALs küsst man nicht

Diese endlos langen Beine, der Hauch von roter Spitze, den sie trägt … Schon als Junge fand Cade seine süße Nachbarin verlockend, nun kann er ihr nicht mehr widerstehen. Auf seinem Heimatbesuch entführt der SEAL sie in die Welt grenzenloser Lust. Doch das Land der Liebe darf er mit Eden nicht betreten, weil sein Herz einzig und allein für die Navy schlägt!

JOANNE ROCK

Doppelleben – Doppellust

Kann eine Frau alle Wünsche erfüllen? Courtney ist nicht nur provozierend sexy, sondern auch smart und einfühlsam. Jeder Tag ohne sie ist verloren für Trey. Aber der erfolgreiche Filmproduzent weiß: An seiner Seite würde ihr geheimes Leben als Nachtclub-Tänzerin schneller publik, als er „Striptease“ sagen kann. Und daran könnte sie zerbrechen …

SAMANTHA HUNTER

Die Nacht, in der du mir gehörst

Die Parfümeurin Tessa Rose bringt Jonas um den Verstand. Nicht nur, weil sie um die erotische Wirkung von Düften weiß und den Reiz des Verbotenen besitzt. Nein, den Bodyguard quält, dass er der Tochter seines besten Klienten nach einem Attentat erblindet entgegentreten muss. Bis ein Stromausfall ihnen beiden zeigt: Die Dunkelheit bietet tausend Verlockungen …

1. KAPITEL

Ich wünsche mir einen Mann, der mich auf Händen trägt, mit dem ich wunderbaren Sex haben kann und der mich wie eine Göttin behandelt. Einer, der mich um meinetwillen liebt. Durch und durch. Und der genau weiß, wie er mich lieben soll.

Und wenn er noch dazu bitteschön ungefähr 1,90 m groß sein könnte, mit sommer-blonden Haaren und tiefgrünen Augen, wenn er einen Körper hätte, der Nymphomaninnen zum Weinen bringen könnte, und ein Lächeln, das jede Vorsicht zum Schmelzen brächte – das wäre das Komplettpaket.

Mit fest zusammengekniffenen Augen genoss Eden Gillespie das Bild ihres Traummannes noch einen Moment länger. Dann holte sie tief Luft, öffnete die Augen und pustete.

Die Kerzenflamme erlosch sofort. Ein Glück, denn sie hatte so fest gepustet, dass die Kerze augenblicklich vom Schokoladenküchlein gefegt wurde, auf dem sie gestanden hatte. Na, wenn das kein Glück bringt, sagte sie zu sich selbst, während sie den Finger durch den Zuckerguss fahren ließ und die Frau auf der anderen Seite des Tisches angrinste.

„Na? Was hast du dir gewünscht?“ Beverly „Bev“ Lang lehnte sich vor, ihre wilden roten Locken fielen fröhlich um ihr freundliches Gesicht.

„Das ist mein Geheimnis. Wenn ich es dir erzähle, geht’s doch nicht in Erfüllung“, sagte Eden streng, dann lachte sie auf. Als könnte ihr irgendein Liebhaber durch die Finger gehen, nur weil sie laut aussprach, dass sie sehnsuchtsvoll auf ihren persönlichen Prinzen wartete. Trotzdem zog sie den kleinen Kuchen schnell zu sich hin, stach hinein und genoss den Kern aus flüssiger Schokolade. Mit vollem Mund konnte sie nichts verraten. Und bei Herzenswünschen wusste man ja nie …

„Ich fasse es nicht, dass du es mir nicht verraten willst. Wie lang sind wir jetzt befreundet?“, fragte Bev und machte ihr bestes beleidigtes Gesicht. Das war allerdings nicht besonders wirkungsvoll.

„Elf Jahre?“, schätzte Eden und dachte an ihren ersten Tag in der Highschool zurück. Im gleichen Jahr war ihr Vater gestorben und hatte ihre Mutter zu arm zurückgelassen, als dass sie weiterhin die teure Privatschule hätte bezahlen können, die Eden damals besuchte. Bev war damals neu in der Stadt und bevor ihr klar wurde, dass Eden nicht auf eine öffentliche Schule gehörte – was die anderen Kinder ihr jeden Tag deutlich machten –, waren sie längst beste Freundinnen geworden.

„Seit der Neunten bin ich also deine beste Freundin – ich denke, dann gehört es auch zu meinem Job, dir bei der Erfüllung deiner Träume zu helfen“, entschied Bev, lehnte sich zurück und stach in ihr Schokoküchlein. „Ich wünsche dir, dass dieses Jahr dein Sex-Jahr wird.“

„Mein Sex-Jahr?“, fragte Eden lachend.

„Also ich meine, du solltest das Jahr dem Streben nach gutem Sex widmen.“ Bev setzte eine entschuldigende Miene auf. „Ich will dir ja nicht auf die Füße treten, aber du wirst dich schon ein wenig bemühen müssen.“

Eden grübelte, wann sie zuletzt Sex gehabt hatte, der den ganzen Aufwand auch wert gewesen war? Auf keinen Fall mit Kenny. Eigentlich auch mit keinem anderen, wenn sie ganz ehrlich war. Sie fuhr mit ihrer Gabel durch den Schokoladensee auf ihrem Porzellanteller. Was soll’s – wann, wenn nicht an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, war die Zeit für brutale Ehrlichkeit?

Kenny, ihr letzter Liebhaber, hatte sich den Fuß gebrochen, als er, um ihr seine Männlichkeit und Stärke zu beweisen, gegen einen Baum getreten hatte. Und statt dann zu akzeptieren, dass er eben einfach nicht Superman war, hatte er es auch noch irgendwie hinbekommen, ihr die Schuld für diesen Schlamassel zuzuschieben.

Kein Wunder, dass ihr Liebesleben mehr als trist aussah, wenn sie ausschließlich solche Typen anzog.

Bev schien zu bemerken, dass ihnen die gute Stimmung wegglitt, und klatschte in die Hände: „Geschenke! Bin gleich zurück, ich muss nur eben zum Auto.“

Eden lächelte und stand auf, um das Geschirr wegzuräumen. Sie warf die Gabeln ins Spülbecken und tat etwas Spülmittel auf ihren Schwamm.

Heißer, beglückender Sex.

Ihre Chancen darauf waren so klein wie das halb geschmolzene Kerzchen, das sie eben ausgeblasen hatte.

Was für eine Verschwendung ihres Geburtstagswunsches.

Sie hätte ihn auf ihre Karriere verwenden sollen.

Vor sechs Monaten hatte sie ihren Abschluss als Tierärztin gemacht und wurde nun nicht nur von ihrem Studienkredit erdrückt; die auf dem Haus liegende Hypothek machte alles nur noch komplizierter. Es hatte sie alle töchterliche Überzeugungskraft gekostet, ihre Mutter davon zu überzeugen, ihr das Haus zu verkaufen, statt es auf den Immobilienmarkt zu werfen. Und natürlich alle ihre Ersparnisse und den Inhalt des kleinen Treuhandfonds, den ihr Großvater ihr hinterlassen hatte. Aber Eden liebte ihr Zuhause, das Familienerbe, so sehr, dass sie eingreifen musste, als es an den Meistbietenden verscherbelt werden sollte. Es war eigentlich der perfekte Ort, um ihre Tierklinik aufzubauen.

Sie schüttelte den Kopf, während sie vorsichtig das Porzellan ihrer Ur-Ur-Ur-Großmutter abtrocknete und es zurück an seinen Ehrenplatz in der mit Schnitzereien verzierten Vitrine stellte. Wie fast alle Möbel in ihrem Elternhaus handelte es sich auch dabei um eine wertvolle Antiquität. Wie sie hier so allein vor sich hinlebte, schien es ihr fast, als würde das Haus nur darauf warten, dass sie auch bald zu einer dieser Antiquitäten wurde und besser ins Bild passte.

Eigentlich hatte sie gar kein Problem damit, allein zu sein, wirklich. Aber es war wie beim Sex: Manchmal will ein Mädchen es halt nicht immerzu alleine machen.

„Der Postbote kam vorbei, als ich beim Auto war“, sagte Bev als sie wieder ins Zimmer kam. Sie brachte einen großen gepunkteten Karton mit, um den sich das Geschenkband lockte wie ihre Haare. „Schau, es sind auch ein paar Geburtstagskarten dabei.“

Eden scherte sich nicht wirklich darum, wer an ihren Geburtstag gedacht haben mochte – aber Bev blickte sie so besorgt an, dass sie die Post lächelnd entgegennahm. Bevor sie jedoch zu den hübschen Umschlägen kommen konnte, erkannte sie einen Brief von ihrer Bank. Er ging an sie und ihre Mutter.

„Was ist denn das“, murmelte sie, legte die anderen Briefe beiseite und öffnete das Schreiben. Sie und ihre Mutter hatten keinerlei gemeinsame Bankgeschäfte. Und da Eleanor sowieso nicht vor Ort war – sie reiste in ihrem neuen Camper von Kleinkunstmesse zu Kleinkunstmesse durchs Land –, öffnete sie den Brief.

„Was zur …“ Für einen Moment drehte sich alles um sie und Eden brauchte alle Kraft, um den Brief ein zweites Mal konzentriert lesen zu können.

Nein. Dort stand noch immer, was sie zuerst gelesen hatte.

„Ich bringe sie um“, zischte sie.

„Was? Wen? Wo ist der Spaten, ich lasse alle Beweise verschwinden.“

„Meine Mutter hat einen Kredit auf das Haus aufgenommen.“ Wut schoss ihr durch jede Faser ihres Körpers. Was auf dem Zettel in ihren Händen stand, konnte sie nicht ändern, egal wie oft sie die Worte anstarrte, und so knüllte sie ihn mit der Faust zusammen und warf ihn gegen die Wand.

„Ich dachte, das Haus gehört dir“, sagte Bev leise. „Ich dachte, du hast es ihr abgekauft.“

„Mein Cousin Arnie, der Anwalt, hat den Vertrag aufgesetzt und formuliert, dass das Haus mir gehört, sobald ich die Hypothek übernehme. Dass dann das Haus auf mich überschrieben sein sollte. Aber solange ich noch Schulden wegen meines Studiums hatte und auch noch einen neuen Kredit beantragen wollte, um die Praxis zu eröffnen, riet er mir dazu, das Haus erst mal weiterhin auf den Namen meiner Mutter laufen zu lassen.“

Aber warum hatte er nicht überprüft, ob weitere Hypotheken auf das Haus aufgenommen worden waren, als er es ihr überschrieb?

„Und sie hat dich nicht informiert? Nicht mit dir gesprochen, bevor sie den Kredit aufgenommen hat? Dich nicht vorgewarnt? Nichts?“

„Mich vorgewarnt? Sie ruft mich ja noch nicht mal an meinem Geburtstag an“, sagte Eden und ihr Lachen klang nur ein ganz kleines bisschen bitter – sie wünschte, sie könnte so schockiert sein wie Bev. „Vielleicht hat sie es ja vergessen.“

Sie war überrascht, dass es sie mehr verletzte, dass ihre Mutter ihren Geburtstag vergessen hatte, als dass ihr eine Rechnung über dreißigtausend Dollar ins Haus wehte. Eden griff nach dem Telefon, dann verschränkte sie die Hände ineinander. Sosehr sie sich eine Erklärung wünschte, eine Versicherung, dass das Geld längst auf ihr Konto überwiesen worden wäre – sie wusste es doch besser.

Eleanor Gillespie scherte sich nicht um Kleinigkeiten wie Geld. Sie war viel zu entspannt, um so etwas Profanes mit ihrem kreativen Lebensstil kollidieren zu lassen.

Eden blickte auf den zerknüllten Brief und zuckte zusammen. Entspannt oder nicht, ihre Mutter hatte alles durcheinandergebracht. Und wie immer lag es nun bei Eden, einen Weg zu finden, wie sie das Chaos wieder aufräumen konnte. Wenn sie nämlich nicht bald zu Geld kommen würde, könnte sie das Haus verlieren. Das Anwesen, das schon seit fünf Generationen ihrer Familie gehörte. Ihr Zuhause, ihre berufliche Zukunft.

Ihr Leben.

Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, fragte Bev: „Was hast du nun vor?“

Eden blinzelte ein paarmal, um die Tränen aus ihren Augen zu verdrängen. Sie würde jedenfalls nicht heulen, verdammt noch mal.

„Ich nehme an, dass ich so schnell wie möglich dreißigtausend Dollar auftun werde.“

„Willst du wirklich die Schulden deiner Mutter übernehmen?“

„Sie sind auf mein Hab und Gut aufgenommen worden. Ich muss sie übernehmen. Zumindest so lange, bis sie wieder auftaucht und sich selbst darum kümmert. Aber zur Zeit reist sie Kunstmessen und Festivals ab.“

„Und wie willst du das Geld besorgen?“

Wenn sie das bloß wüsste.

Jeder Penny, den sie verdiente, war fest verplant. Abgesehen von ihrer noblen Adresse lebte sie ziemlich ärmlich.

Und zu verkaufen gab es eigentlich auch nichts mehr. Sie hatte das Porzellan ihrer Ur-Großmütter und ein paar übrig gebliebene Antiquitäten. Aber das war alles, was ihr von ihrer Familie geblieben war. Das und ihre Mutter. Aber in diesem Moment war sie sich ziemlich sicher, dass das Porzellan mehr wert war. Und einen besseren Charakter hatte.

Ihr Blick fiel auf einen quadratischen Umschlag, der mit Efeu und Rosen geschmückt war. Das monatliche Garten-Clubtreffen. Sie rümpfte die Nase und fragte sich, ob die es ebenso hassten, ihr diese Einladungen zu schicken, wie sie es hasste, sie zu bekommen.

Niemanden wollten die Upper-Class-Ladies weniger gern bei ihren Treffen dabeihaben, als sie. Ihr Name sicherte ihr dennoch jedes Mal eine Einladung.

„Die Upper-Class“, rief sie und schnippte mit den Fingern.

„Was war noch mal die Frage?“, wollte Bev verwirrt wissen.

„Ich mache mich an die Country-Club-Damen ran.“

„Für einen Kredit?“

Eden musste sich schütteln. Betteln? Um Himmels Willen, niemals.

„Für potenzielle Kundschaft. Die sind doch alle total vernarrt in ihre Mode-Tierchen. Ich muss nur zwei, drei dazu bringen, meine Künste in Anspruch zu nehmen, der Rest kommt dann bestimmt auch.“

„Wie hoch soll denn dein Honorar sein?“, fragte Bev, die Augen vor Schreck und Vorfreude zugleich weit aufgerissen.

Eden lachte.

„Grade genug, dass mein Angebot exklusiv wirkt. Es braucht ja nur ein paar Leute, die zu mir kommen, das spricht sich schnell rum und dann rennen die mir doch die Bude ein.“

Vielleicht.

Eden griff erneut nach dem Telefon und wählte die Nummer vom Garten-Club.

Fünf Minuten und drei leidende Gesichtsausdrücke später legte sie mit einem triumphierenden Grinsen wieder auf.

„Warum hast du für zwei Leute zugesagt?“, fragte Bev von der Küchenzeile her argwöhnisch.

„Weil du mit mir zusammen da hingehen wirst.“

„Oh nein“, erwiderte Bev. „Ich bin kein Mitglied, mich werden sie nicht reinlassen.“

„Du wirst mein Gast sein.“

„Sie werden mich da aber nicht sehen wollen“, prophezeite Bev.

„Mich doch auch nicht“, sagte Eden schulterzuckend.

Bevor Bev antworten konnte, hörten sie vor der Tür jemanden ankommen.

Handelte es sich um eine weitere Geburtstagsüberraschung? Vielleicht hatte ihre Mutter ja eine Möglichkeit gefunden, eine ansteckende Krankheit per Post zu verschicken.

Oder, Eden sah erstaunt aus dem Fenster, mit einem nagelneuen Jaguar.

„Hey, cool, als hätte die Geburtstagsfee deinen Wunsch gehört“, scherzte Bev als sie sich neben Eden stellte und hinaussah.

Eden erkannte das Auto und erstarrte.

Auch wenn sie Nachbarn waren, hatte Robert Sullivan sie noch nie besucht.

Wenn allerdings sein Sohn, Cade, gerade den Jaguar seines Vaters entführt hatte, um sie zu besuchen und alle ihre Fantasien wahr werden zu lassen, dann hätte die Geburtstagsfee ihren Wunsch wirklich erhört.

Cade Sullivan.

Groß, blond und umwerfend, mit hypnotisierenden grünen Augen und mehr Charme ausgestattet, als die Polizei erlaubte.

Der heißeste Typ in ganz Ocean Point.

Highschool-Quarterback. Klassensprecher. Und jetzt Mitglied der Marine-Spezialeinheit Navy-SEALs.

Ihr Held.

Sie wusste, dass jeder, der nicht zum exklusiven Zirkel des Ocean-Point-Country-Clubs gehörte – und vielleicht sogar ein paar Mitglieder –, Robert Sullivan für ein Riesenarschloch hielt. Aber alles, was sie in ihm sehen konnte, war eine ältere Version von Cade. Der Typ, der sie unzählige Male gerettet hatte und der ihr, dem fünf Jahre jüngeren Mädchen, nie das Gefühl gegeben hatte, zu nerven.

Der Typ, in den sie seit ihrem siebten Lebensjahr verknallt war. Der Junge, den sie beim Baden im See zwischen ihren Grundstücken bewundert hatte. Der Mann, der alles hatte, was einen Mann für sie sexy machte.

Eden seufzte.

Dann geriet Roberts Wagen ins Schlingern.

Eden hielt die Luft an.

Der Wagen hielt direkt auf den verfallenen Backsteinbogen zu, der vor Urzeiten Gäste auf dem Weg zum Gillespie-Haus begrüßt hatte.

Eden rannte los. Als sie die Veranda hinter sich gelassen hatte, krachte der Jaguar mit einem metallischen Geräusch in den Bogen.

„Was ist passiert? Wer ist das?“, rief Bev, während Eden die Auffahrt hinablief.

„Ruf den Notarzt“, rief Eden zurück und starrte die ältere, kältere Version ihrer liebsten Fantasie an. Ihr Herz raste. Sie zog die Fahrertür des Wagens auf und tastete mit zitternden Fingern nach einem Puls an Roberts Hals. „Ich glaube, er hatte einen Herzinfarkt.“

Es glich einer Gruppe Jungfrauen bei ihrem ersten Bordellbesuch, dachte Lieutenant Commander Cade Sullivan und schüttelte beim Anblick der diesjährigen Neulinge den Kopf. Die Anfänger robbten durch den Sand, jeder einen triefenden Baumstamm auf den Schultern.

„Haben wir uns je so angestellt?“, fragte er.

„Du nicht.“ Captain Seth Borden schlug Cade lachend auf die Schulter. „Du warst einer der ambitioniertesten Grünschnäbel, die wir hier je hatten. Ich mache die Sache hier schon wirklich lang, aber selbst ich kann nicht immer hundertprozentig genau sagen, wer die ersten Wochen packt und wer nicht. Manchmal schafft es kein Einziger. Aber bei dir sah man damals schnel, dass du es packen würdest.“

Borden war eines der höchsten Tiere hier im Navy-Camp in Coronado. Er war eine Maschine, ein Kerl, der sein Leben der Navy gewidmet hatte und den die meisten zu Tode fürchteten.

Cade sah in ihm einen ungemütlichen alten Bastard, der trank, wie es von einem alten Seebären erwartet wurde, dreckig fluchte und Poker spielte wie kein Zweiter. Doch ohne Uniform, wenn sie nicht auf dem Stützpunkt waren, war er sein allerliebster Onkel.

„Warum hast du mich gerufen?“, fragte Cade. „Wolltest du, dass ich mich daran erinnere, wie gut mein Team ist?“

„Musst du daran erinnert werden?“

Cades Lächeln verschwand. Nein, das musste er nicht. Er wusste verdammt gut, dass er mit einigen der besten SEALs diente, die es gab. Männern wie Phil Hawkings, der nicht nur ein Kamerad, sondern ein Freund gewesen war. Ein schon gewohntes Gefühl der Trauer schnürte ihm die Brust ab, wie immer, wenn er an diesen Verlust dachte. Sie waren zu dritt gewesen, als sie hier durch den Sand gerobbt waren. Die drei Amigos. Phil Hawkings, Blake Landon und er selbst, Cade Sullivan. Sie hatten ihre Laufbahn gemeinsam verbracht und unzählige Missionen überstanden. Sie hatten alles verkörpert, wofür die SEALs standen. Brüderlichkeit, Hingabe, Exzellenz.

Jetzt waren sie nur noch zwei Amigos.

„Komm schon, lass uns einen Kaffee trinken“, beendete sein Onkel das Schweigen.

Dankbar für die Ablenkung von dem Gefühl der Trauer folgte Cade dem Captain in dessen Büro. Er lehnte ab, als Borden ihm eine Tasse geben wollte. „Du hast meine Frage nicht beantwortet“, sagte er stattdessen.

„Du stehst kurz vor deiner nächsten Versetzung.“

„Es sind noch ganze sechs Monate“, erwiderte Cade. Er war seit acht Jahren in Kalifornien stationiert. Die Chance, nach Virginia oder vielleicht sogar Hawaii versetzt zu werden, war zwar winzig, aber vorhanden. Vielleicht wäre eine Versetzung ja das einzig Richtige. Er könnte von vorn anfangen und die schmerzlichen Erinnerungen an den verlorenen Freund hinter sich lassen. „Warum?“

„Ich möchte, dass du dir Gedanken über das Ausbilderprogramm machst.“

Cade lachte und schüttelte den Kopf. „Warum zur Hölle sollte ich Ausbilder werden wollen?“

„Du bist ein hochtalentierter Fallschirmspringer, hast im Schießen alle Medaillen geholt und bist mit dem Silver Star für besondere Tapferkeit vor dem Feind ausgezeichnet worden. Du bist einer der besten Scharfschützen, die wir haben, und die Zusatzausbildung im Anti-Terrorkampf hast du ebenfalls mit Bravour absolviert. Du gehörst zur Elite. Die Frage ist, weshalb du nicht ausbilden solltest.“

Cade dachte darüber nach. Die meisten seiner Erfolge beruhten darauf, dass er immer aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen dabei gewesen war. Sein Blick wanderte durch das Fenster über den Haufen Männer, die vor dem Fenster in der Brandung durcheinander stolperten und sich beim Kampf um einen Platz im Rettungsbot anstellten wie kleine Kinder. Diese Jungs wollten zu den Besten gehören. Und er wäre verdammt gut darin, ihnen auf diesem Weg zu helfen. Aber dafür müsste er seine Karriere als SEAL beenden. Und er hatte noch nie etwas abgebrochen. Nicht eine einzige Sache.

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin zufrieden, wo ich bin.“

„Glaubst du nicht, dass du mit einem Ausbilderposten angeben könntest?“, fragte der Captain, während er sich mit seiner Tasse dampfenden Kaffees an seinen Schreibtisch setzte.

„Borden. Ich bin Navy SEAL. Gibt es etwas, womit ich mehr angeben könnte?“

„Vor den Ladies? Immer.“

„Und das ist doch das Allerwichtigste!“ Cade lachte.

Ehrlich gesagt musste er die SEAL-Karte eigentlich nie ausspielen – er war einfach von Natur aus schon so attraktiv, dass die Frauen ihn gar nicht übersehen konnten. Das war schon immer so gewesen. Nicht, dass er sich etwas darauf einbildete – die blonden Haare, seine grünen Augen und die kantigen Züge brachten ganz einfach seine Gene mit sich und sein Beruf erforderte den durch und durch trainierten Körper.

Er musste niemandem etwas beweisen. Nein, Rang und Geld zählten für ihn wirklich nicht. Nichts davon brachte die Befriedigung, Teil eines Teams zu sein. Zumindest bis vergangenen Herbst. Bis zu dem Zeitpunkt, als Hawkings unter seinem Kommando einen Granatsplitter abbekommen hatte.

„Ich wette, da gibt es so einige, die dich gern die Karriereleiter noch weiter hoch steigen sehen würden“, sagte Seth und starrte dabei in seine Kaffeetasse, als wäre dort etwas höchst Faszinierendes zu sehen

Cade sah seinen Onkel an und setzte sich, als er erkannte, worum es hier wirklich ging. „Ich lebe mein Leben ganz sicher nicht für einen alten Mann.“

„Ich sage auch nicht, dass du das solltest. Aber ich wette mit dir, dass er dir dann für eine ganze Weile nicht mehr im Nacken sitzen würde.“

„Du meinst wohl, dass er dir dann nicht mehr im Nacken sitzt.“

Sein Vater, Robert Sullivan, hatte vor fünfunddreißig Jahren Seths kleine Schwester Laura geheiratet und pro Jahr etwa zwölf Worte mit seinem Schwager gewechselt. Weniger, seit sie an Krebs gestorben war. Dennoch fand Robert in all den Jahren immer irgendwie einen Weg, Seth klarzumachen, was das Beste für seinen einzigen Sohn wäre.

„Ich will Ihnen ja nicht auf die Füße treten, Captain“, sagte Cade grinsend und stand auf. „Aber was mein Vater tut, ist mir herzlich egal. Ich lasse mich von niemandem ausspielen, nicht mal von meinem Alten.“

Für Robert Sullivan war Cade ein Mittel zum Zweck. Ein nützliches Instrument. Er hatte damit gerechnet, dass sein einziges Kind in seine Fußstapfen treten würde, dass er alle Finten der Finanzwelt studieren würde und sein Unternehmen, wenn seine Zeit gekommen wäre, übernehmen würde.

Cade war an nichts davon je interessiert gewesen, nicht mal als Kind. Und so hatte er seine Pläne nie mit seinem Vater geteilt. Er hatte sich an seinem achtzehnten Geburtstag gemeldet, drei Monate vor seinem Highschool-Abschluss. Und weil ihm der Wert einer klug durchdachten Strategie längst bewusst war, hatte er seinem Vater bis zum Tag seines Abschlusses nichts davon erzählt. Und direkt nach dem folgenden Riesenkrach war er abgehauen und hatte seine Grundausbildung begonnen.

Es war ihm nicht allein darum gegangen, dass er nicht irgendeinen sinnlosen Wirtschaftsabschluss machen wollte, den sein Vater ihm finanziert hätte. Er konnte es einfach nicht erwarten, endlich bei der Navy anzufangen.

Und schon damals, wie noch heute, waren ihm Rang und Namen völlig egal gewesen.

Er wollte einfach ein SEAL werden.

Er war dafür geboren worden.

Nun musste er nur noch einen Weg finden, sich daran zu erinnern, und diese verdammte … Wie nannte Blakes Verlobte, Alexia, es noch gleich? „Reise durchs Tal der Trauer“ beenden. Es war bescheuert, seine Wut über den Verlust seines Freundes so zu nennen. Und ganz bestimmt war es nichts, worüber er sprechen wollte. Nicht mit Blake und nicht mit Alexia. Und ganz bestimmt nicht mit seinem Onkel.

Bevor ihm eine Ausrede einfiel, mit der er sich hätte davonstehlen können, klingelte sein Handy.

„Wenn man vom Teufel spricht“, murmelte er, als er die Nummer erkannte.

„Dein Vater?“

„Fast. Großmutter.“

Der einzige Grund, warum Cade seiner Familie und all den Dramen, die sie mit sich brachte, nicht längst den Rücken gekehrt hatte, war seine Großmutter. Er würde alles dafür tun, um Catherine Sullivan glücklich zu sehen – selbst wenn das bedeutete, an Feiertagen gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Mit diesem Gedanken warf er Borden einen entschuldigenden Blick zu und nahm den Anruf an. Fünf Minuten später wünschte er, er hätte es nicht getan.

„Robert hat einen Herzinfarkt gehabt“, murmelte er.

„Wie geht es ihm?“, fragte Borden mit besorgtem Blick.

„Er liegt auf der Intensivstation. Sie wissen nicht, ob er es schaffen wird.“

Borden runzelte die Stirn und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. „Und wie geht es dir?“

Cade zuckte mit den Schultern. Er konnte es nicht sagen. Er fühlte sich benommen. Sollte es ihn nicht trotz ihres unsagbar schlechten Verhältnisses tief berühren, dass sein Vater vielleicht starb?

„Brauchst du etwas?“

Cade schüttelte den Kopf. „Ich muss meinen Kommandierenden Offizier finden und Urlaub beantragen. Großmutter braucht mich.“

Bordens Seufzer drückte ziemlich genau aus, was Cade sein Leben lang gefühlt hatte, wenn er auf das Sullivan-Anwesen zurück musste.

2. KAPITEL

„Hast du schon gehört? Cade Sullivan ist zurück.“

Eden schüttelte den Kopf, während Frauen zwischen achtzehn und achtundsechzig den Raum mit Geplapper, Kichern und wilden Gerüchten füllten. Soweit sie wusste, waren die Mitglieder des Garten-Clubs niemals einer Meinung. Nur Cade Sullivan betreffend stimmten offenbar alle überein.

Aber so heiß und sexy Cade auch war, sie war aus ganz anderen Gründen hier.

Es war ja nicht so, als wäre sie nicht auch Teil des Cade-Fanclubs. Sie vergötterte den Kerl. Aber sie war geschäftlich hier. Es ging darum, neue Kundinnen zu gewinnen. Doch stattdessen drehte sich alles um die Heimkehr des örtlichen Superhelden.

Das konnte Cade gut. Frauen zum Seufzen bringen, zum Tagträumen und, wenn die Gerüchte denn stimmten, zu unfassbaren Höhepunkten. Das zumindest behaupteten die Cade-etten, wie sich die wenigen Glücklichen heimlich nannten, die ihm je näher gekommen waren.

„Es heißt, dass er mindestens einen Monat hierbleiben will. Er lässt sich ja nicht häufig hier blicken, stimmt’s?“ Bev träumte vor sich hin. Ohne Zweifel stellte sie sich Cade in irgendeiner Art und Weise leicht bekleidet vor. „Wann ist er gegangen? Vor zehn Jahren?“

„Zwölf“, korrigierte Eden sie abgelenkt und schnappte sich einen Bissen vom Zitronenkuchen ihrer Freundin. Die Gabel auf halbem Weg zum Mund bemerkte sie, wie alle Blicke neugierig auf sie gerichtet waren. Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist ja nicht so, als zählte ich die Jahre in meinem Tagebuch oder so. Er ist in der gleichen Woche zur Navy gegangen, in der ich mir das erste Mal den Fuß gebrochen habe. Er hat mich vom See nach Hause getragen.“

„Kanntest du ihn gut?“, fragte eine hübsche Blondine, deren Namen Eden sich nicht gemerkt hatte. Sie hatte in die Ocean Point High Society eingeheiratet und war noch nie selbst in den Genuss der Wirkung von Cade Sullivan gekommen.

„Schon, irgendwie“, murmelte Eden, sie wusste nicht, ob sie wollte, dass jemand erfuhr, wie viel sie über Cade wusste. Sie berief sich schnell auf die Fakten. „Cade ist fünf Jahre älter als ich, wir sind also nicht zusammen zur Schule gegangen, hatten nicht denselben Freundeskreis. Cade war in seinem Football- und im Schwimmverein sehr aktiv, während ich mit Tieren gespielt und mich im Tierheim engagiert habe.“

Das war doch eine prima Überleitung zu ihrem eigentlichen Anliegen, dachte Eden und gab sich ein gedankliches High-Five.

„Anführer des Football-Teams. Klassensprecher. Homecoming-König“, schwärmte eine der anderen, Janie, verträumt seufzend. „Oh, wer möchte nicht zu den Cade-etten gehören …“

„Cade-etten?“, fragte Bev lachend und blickte Eden ungläubig an.

Eden grinste. Als Titel war das schon ziemlich schamlos – bedeutete aber nicht weniger, als ein Oscar für einen Schauspieler bedeuten musste. „Ganz schön albern. Niemand weiß, wann diese Bezeichnung entstanden ist oder wie man Mitglied des Clubs wird, eigentlich noch nicht mal, wer eigentlich die Mitglieder sind. Es heißt, dass Cade, von dem schon immer niemand die Augen lassen konnte, schon früh wusste, dass er hier weg will und dass ihn nichts – nicht mal eine Freundin – hier halten würde. Dementsprechend hat er sich ausgetobt, aber nie etwas Ernstes angefangen.

Aber nach einer Weile begannen ein paar Mädchen, von ihren Abenteuern mit Cade zu erzählen. Offenbar war es eine größere Auszeichnung, es mit Cade getan zu haben, als einen Ring von irgendwem zu bekommen. Es dauerte nicht lang und die Cade-etten waren noch exklusiver als der Country-Club.“

„Exklusiv – kaum existent“, warf Janie ein. „Es gibt nicht viele, die es auf den Olymp geschafft haben. Vielleicht zwölf Mädchen höchstens.“

„Und woher weiß man, dass sie die Wahrheit sagen?“, wunderte sich Bev. „Ich meine, wenn er wirklich so vorsichtig war, würde er sich dann auf so viele Geschichten einlassen, selbst wenn es insgesamt nur zwölf Mädchen in vier Jahren sind?“

„Sechzehn Jahre“, korrigierte Janie sie. „Es zählt die Zeit bevor und nachdem er zur Navy gegangen ist.“

„Du meinst, man kann immer noch Mitglied werden?“, scherzte Bev.

Das wäre zu schön, sagte Eden beinahe laut. Vor Schreck konzentrierte sie sich darauf, sich Kuchen in den Mund zu stopfen und sich so zum Schweigen zu bringen. Sie hatte die dumme Angewohnheit, erst zu reden und dann zu denken. Normalerweise war ihr das herzlich egal. Aber hier ging es um Cade, und alles, was mit ihm zu tun hatte, war ihr wichtig.

Das war auch der Grund, dass sie niemandem, nicht mal ihren besten Freunden, je davon erzählt hatte, wie sie Cade damals von ihrem Versteck am See aus immer beobachtet hatte. Manchmal badete er nackt, manchmal trainierte er, meistens war er aber mit irgendeinem Mädchen zusammen am See. Nicht, dass sie je ein Gesicht erkannt hätte, aber dass die beiden über kurz oder lang nackt waren, das war ihr nie entgangen.

Auch als Teenager sah er schon zum Anbeißen aus, ziemlich genau so, wie sie sich einen griechischen Gott vorstellte. Gebräunt, definiert und – nun ja – riesig; der Anblick war all die Kratzer wert gewesen, die sie sich bei ihren Spionageeinsätzen geholt hatte.

Sie legte die Gabel auf ihren leeren Teller und griff nach ihrem Eistee. Sie musste sich abkühlen.

„Jede wollte eine Cade-ette sein“, sagte Janie seufzend und schien ihre Dauer-Diät zu vergessen, als sie mit dem Finger durch den vor ihr stehenden Schokoladenkuchen fuhr und ihn sich genüsslich in den Mund steckte.

„Jede?“, fragte Bev und sah Eden fragend an.

Eden zuckte wieder nur mit den Schultern. Sie wollte ihre beste Freundin nicht anlügen, aber sie sah auch keinerlei Sinn darin, hier vor allen zu bekunden, dass sie alles dafür gegeben hätte, um eine Cade-ette zu sein. Nicht wegen des Titels. Nein, sie wollte ihn einfach mit allen Sinnen.

„Ladies, los geht’s!“ Gloria Bell, die Präsidentin des Garten-Clubs, unterbrach das Getratsche und klatschte in die Hände. „Der Frühlingsball steht vor der Tür. Und unser wichtigstes Event ist die schönsten Blumenarrangements wert, meint ihr nicht? Also fangen wir an, los, los.“

Die älteren Damen standen auf, versammelten sich um den großen Konferenztisch und begannen zu diskutieren, welche Blumen für die extravagante Veranstaltung infrage kamen.

„Diese ganze Cade-ette Sache klingt eher wie ein Märchen“, sagte Bev leise.

„Oh nein, es stimmt“, erklärte Crystal Parker neben ihnen und lehnte sich hinüber, die Augen fest auf die älteren Damen gerichtet, als würden sie heimlich im Unterricht miteinander reden. „Meine Schwester Chloe wäre fast eine Cade-ette geworden.“

„Fast?“, kicherte Bev. „Wie wird man fast Mitglied eines Clubs?“

„Sie hatte ein paar Dates mit Cade, im Winter vor seinem Abschluss. Die beiden sind sich während des Highschool-Winterfests nähergekommen, wenn ihr versteht, was ich meine, und Chloe wurde dabei etwas lauter. Deshalb wurden sie von der Direktorin erwischt. Chloe meinte, dass Cade sie beide mit seinem Charme vorm Nachsitzen bewahrt hätte, aber danach hat er sie nie wieder ausgeführt.“

Sie grinste, als fände sie es immer noch komisch, wie ihre Schwester damals sitzen gelassen wurde.

„Und das war bestimmt nicht halb so peinlich wie das, was unserer armen Eden passiert ist“, warf Janie kichernd ein und tätschelte Edens Hand. Als ob diese freundliche Geste dem Gesagten die Spitze nehmen könnte. „Du hast uns nie erzählt, was du und Kenny Phillips wirklich gemacht habt, als er sich den Fuß brach und diesen fiesen Ausschlag bekam.“

Eden presste ihre Lippen aufeinander und lächelte gequält, in der Hoffnung, dass irgendjemand das Thema wechseln würde. Sie konnte es wirklich nicht gebrauchen, dass alle sich überlegten, in welcher abgefahrenen Sexposition sie sich beide befunden haben mussten, als Kenny stürzte.

Cade hatte sie natürlich auch damals gerettet. Er hatte sie mit seinem besten Freund aus der Highschool am See gefunden, der arme Kerl lag nackt unter einer Gifteiche und hielt sich den gebrochenen Knöchel.

„Mädels“, rief Mrs Bell und schwebte elegant zu den jungen Frauen hinüber. „Schluss jetzt mit dem Geplapper, es ist Zeit, zu arbeiten.“

„Ja, gern“, bot sich Eden erleichtert an. Aber bei dem Versuch, möglichst schnell weiteren Fragen nach ihrem frühen Sexleben zu entkommen, stieß sie mit der Hüfte gegen den Tisch, fegte die Gabeln vom Tisch und ließ die Weintrauben zu Boden kullern.

„Oh, naja …“ Mrs Bell verzog den Mund und schüttelte den Kopf. „Danke, aber wir brauchen jemanden mit einem etwas besseren Blick für farbliche Arrangements. Janie, warum kommst du nicht eben mit deinen Freundinnen rüber und erzählst uns, was du von unseren Plänen hältst?“

Bis auf Bev und Eden wanderten alle ans andere Ende des Raums. Ans beliebte Ende.

Eden seufzte und schob den Dessert-Teller von sich weg.

„Was ist los? Sonst hält dich doch auch nichts davon ab, diese Schnepfen mit deinem Superstoffwechsel so richtig neidisch zu machen“, flüsterte Bev ihr zu.

„Ach nichts, ich bin nur müde“, entschuldigte sie sich, und das war nur halb gelogen. Sie war wirklich müde.

Müde davon, ständig ausgeschlossen zu werden.

Sie wollte einfach nur einmal beliebt sein. Einmal auffallen – auf positive Art und Weise. Sich einmal wie jemand Besonderes fühlen. Einmal dazugehören.

„Oh Eden“, rief Lilly-Ann Winters ihr vom Nachbartisch aus charmant lächelnd zu. „Ich freue mich so, dass du diesen Monat an unserem Treffen teilnimmst. Du lässt dich so selten blicken.“

„Normalerweise habe ich Donnerstagabends zu tun“, sagte sie und warf Bev einen erwartungsvollen Blick zu. Lilly-Ann hatte drei Yorkies und eine reinrassige Perserkatze.

„Ach, diesen, ähm, Job machst du immer noch?“, fragte Lil­ly-Ann und blinzelte – als versuchte sie höchst angestrengt, sich vorzustellen, was Eden täglich zu tun pflegte.

„Vor sechs Monaten habe ich meine Tierklinik eröffnet und ja, das mache ich immer noch“, sagte Eden nickend. Sie setzte ein Lächeln auf und bereitete sich darauf vor, das eigentliche Ziel dieser ganzen Tortur anzugehen. „Du kannst Snowball gern vorbeibringen, ich habe da eine tolle neue Anwendung für Katzen, super Bio-Ernährungsergänzungsmittel und ein fantastisches Pulver, das ihr Fell so richtig zum Glänzen bringt.“

„Oh nein, Snowball begibt sich einzig und allein in Dr. Turners Hände“, sagte Lilly-Ann schnell. Ihre Augen waren weit aufgerissen bei der Vorstellung, dass irgendjemand anderes als der teuerste Tierarzt weit und breit ihre wertvolle Perserkatze in die Finger kriegen könnte.

„Ach so, verstehe“, sagte Eden in dem diplomatischen Ton, den sie seit ihrer Anmeldung für das Clubtreffen eingeübt hatte. „Dr. Turner hat wirklich einen sehr guten Ruf. Und er ist so beliebt. Erst letzte Woche habe ich gehört, dass jemand einen Monat warten musste, bis ihre Welpen zur Routineuntersuchung konnten.“

Lilly-Anns Lächeln wurde steif. Bingo. Eden wusste, dass diese Frauen nur eine Sache mehr hassten, als billige Designerkopien – und zwar auf etwas warten zu müssen.

„Aber sag mal, was würdest du denn zum Beispiel in einem Notfall machen?“, fuhr Eden fort, nach vorn gelehnt, in einem leisen, verschwörerischen Tonfall. „Ich meine, mit einer wertvollen Katze wie Snowball darf man ja nichts riskieren. Wenn du sie einfach mal für einen kurzen Check bei mir vorbeibringst, hätte ich sie in der Kartei und ihr könntet bei Notfällen direkt zu mir kommen – was natürlich hoffentlich nie passieren wird.“

Für einen kurzen, hoffnungsvollen Moment sah Lilly-Ann beeindruckt aus. Dann musterte sie Eden von Kopf bis Fuß, als würde ihr wieder einfallen, wer ihr eigentlich gegenüberstand, und sie schüttelte den Kopf. „Nein nein, trotzdem vielen Dank. Dr. Turner hat eine Notaufnahme, alles bestens.“

Damit stand sie auf, winkte ihr kichernd mit dem kleinen Finger zu, und war verschwunden. Bev stand ebenfalls auf, bereit, für ihre Freundin zu argumentieren. Aber Eden schüttelte nur den Kopf. Was sollte es auch bringen? Sie brauchte dringend Patienten und hatte gehofft, dass ein paar der Damen – und wenn nur aus falscher Freundschaft heraus – ihr eine Chance geben würden. Aber in ihren Augen, wie überhaupt für ganz Ocean Point, würde sie immer das ungeschickte Mädchen bleiben, das Kenny beim Sex den Fuß gebrochen hatte.

Und bald würde sie obdachlos sein. Sie hatte nämlich alles versucht, woran sie denken konnte; selbst vor einem Anruf bei ihrer Mutter hatte sie nicht zurückgeschreckt – die natürlich nicht zu erreichen gewesen war. Wenn sie nicht bald irgendwie das Geld auftrieb – oder wenigstens genug, um neu verhandeln zu können –, wäre sie innerhalb der nächsten drei Wochen ihr Zuhause und damit ihr gesamtes Erbe los.

„Brownie?“, fragte Bev und runzelte mitfühlend die Stirn.

Eden schüttelte den Kopf.

Manchmal konnte selbst Schokolade nicht mehr helfen.

Zwei Stunden später fragte sie sich immer noch, was sie sich eigentlich bei der ganzen Unternehmung gedacht hatte.

„Was für eine Zeitverschwendung“, sagte Bev, die auf dem Beifahrersitz saß und an dem Kuchenstück herumknabberte, das sie vor den anderen nicht hatte essen wollen. „Unfassbar, dass von dreißig anwesenden Frauen sechsundzwanzig Haustiere haben.“

„Und dass ich von den sechsundzwanzig keine einzige als neue Kundin gewinnen konnte“, murmelte Eden, die sich wünschte, sie hätte Bevs Zeit nicht so in Anspruch genommen. „Naja, immerhin habe ich mich ins Gespräch gebracht, das zählt doch auch etwas.“ Sie sah flüchtig zum Beifahrersitz hinüber. „Wenigstens war der Kuchen gut.“

Sie verfluchte ihre Mutter. Nein, eigentlich verfluchte sie sich selbst dafür, dass sie Eleanor nicht dazu gezwungen hatte, ihr das Haus in dem Moment zu überschreiben, als sie sie ausbezahlt hatte. Sie hätte es wissen können. Eleanor Gillespie bezeichnete sich selbst als Freigeist. Ein Wirbelwind, der sich nicht zähmen ließ. Eden seufzte und packte das Lenkrad fester. Auf ihre ganz spezielle Art und Weise schien es ihre Lebensaufgabe zu sein, ihrem einzigen Kind das Leben zur Hölle zu machen.

Eden fuhr die geschlängelte Landstraße dahin, zu beiden Seiten der Straße standen hohe Bäume. Sie passierte gerade das schöne Steintor, das zum Anwesen der Sullivans führte, da blitze etwas Helles vor ihr auf. Sie nahm den Fuß vom Gas und starrte konzentriert auf die Straße. Da, wieder.

Helles Fell mit dunklen Flecken.

Sie trat in die Bremsen.

Bevs Hände schossen nach vorn und krallten sich ins Armaturenbrett. „Was zur Hölle …?“

Halb auf der Straße und halb daneben stehend, würgte Eden den Wagen ab und sprang aus der Fahrertür.

„Das war Paisley“, rief sie und lief eilig um ihr Auto herum in Richtung der stattlichen Ahornbäume, die Laura Sullivan als junge Braut gepflanzt hatte. „Mrs Carmichael ist völlig außer sich, seit die Katze letzte Woche weggelaufen ist. Wir müssen sie retten.“

„Diese Katze ist bösartig“, murmelte Bev und folgte ihrer Freundin. „Außerdem, findest du wirklich, dass weggelaufen der richtige Ausdruck ist? Das klingt so unschuldig. Nach dem, was ich gehört habe, war das doch eher eine Flucht, ein Ausbruch, mit Verletzten und Sachbeschädigung und allem Drum und Dran.“

Eden winkte ab. Ja, Paisley war ein wenig anstrengend. Sie gehörte zu der seltenen Wildkatzenrasse der Savannah Cats und war dementsprechend ein wenig hochnäsig, das war charakteristisch für diese Katzen, und zugleich sehr verspielt. Und da Mrs Carmichael doch eher ein sehr ruhiger Typ war, war das arme Tier wahrscheinlich aus purer Langeweile weggelaufen.

Doch noch bevor sie Bev die psychologischen Eigenheiten von Savannahs ausführlich erklären konnte, hörten sie hinter sich ein durchdringendes Quietschen und gleich darauf krachte es laut.

Eden erstarrte augenblicklich, Bev erschrak. Dann wandten sie sich um.

Natürlich hatte Eden die Handbremse nicht angezogen

Sie starrten schweigend auf das Auto, das einen der Bäume am Straßenrand richtiggehend umarmte.

Eden stöhnte. Sie zog das Pech momentan förmlich an. Schließlich drehte sie sich um und ging weiter.

„Willst du denn nichts unternehmen? Wohin gehst du?“ Bev lief ihr hinterher. Als Eden unter einem hohen Baum stehenblieb, hinaufspähte und die Stabilität eines der Äste prüfte, schüttelte ihre rothaarige Freundin erstaunt den Kopf. „Im Ernst? Du bist immer noch hinter dieser Katze her?“

„Warum nicht? Das Auto ist eh hin – dann war es wenigstens nicht umsonst.“ Ein gerettetes Tier war einen kaputten Kotflügel durchaus wert. Und vielleicht war dies ja ihre Chance. Wenn Paisley Vertrauen zu ihr fasste, könnte ihr das den guten Willen von Mrs Carmichael einbringen.

„Paisley“, rief Eden mit sanfter Stimme. Die Katze hockte weit oben im Ahorn. Misstrauisch sah sie zu Eden herunter. „Hierher, hübsches Kätzchen.“

„Warum rufen wir Mrs Carmichael nicht einfach an, sagen ihr, wo wir ihre Katze gesehen haben, und dann kann sie selbst in den Baum steigen“, schlug Bev vor und schlitterte mit ihren High Heels über den unebenen Waldboden. „Außerdem könnte sie uns dann auch gleich mit nach Hause nehmen.“

„Klar, eine Sechzigjährige klettert problemlos ihrer Katze hinterher“, wies Eden die Idee von sich.

Nach ein paar weiteren Lockrufen, einigen bissigen Kommentaren von Bev und vielen geringschätzigen Blicken der Katze, fasste Eden sich ein Herz. Sie blickte die Straße entlang und versicherte sich, dass kein Auto kam. Sie war eigentlich so gut wie nie auf Bäume geklettert – und wenn, dann hatte sie sich dabei garantiert immer wehgetan.

„Du passt auf“, sagte sie zu Bev. Dann sah sie an ihrem hübschen blauen Baumwollkleid hinab, zog die Rückseite zwischen ihren Schenkeln nach vorn und steckte sie in ihrem breiten schwarzen Gürtel fest. „So, jegliche Sittsamkeit ist gewahrt.“

„Und jeglicher Stil dahin“, antwortete Bev.

„Pass auf, ob ein Auto kommt“, mahnte Eden und griff nach einem starken Ast.

„Und dann? Soll ich pfeifen oder mich vielleicht über die Frontscheibe werfen, sodass dich niemand sehen kann?“

Es hat auch Nachteile, wenn die beste Freundin dermaßen scharfzüngig ist, dachte Eden und hievte sich den Ast hinauf.

„Warn mich einfach vor, sodass ich mich verstecken kann“, sagte sie und richtete sich vorsichtig auf dem Ast auf, nach dem nächsten greifend.

Bald war sie nur noch einen Meter von Paisley entfernt.

„Hallo süßes Kätzchen“, sagte sie leise. „Spielst du hier oben die Königin des Waldes? Die Rolle steht dir – du siehst wirklich herrschaftlich aus.“

Sie sprach besänftigend weiter und spielte mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit der Katze auf sich zu ziehen.

Es funktionierte. Nach ein paar Minuten und vorsichtigem Schnüffeln rieb das Tier seinen Kopf an Edens Hand.

„Oh, bist du niedlich.“

Eden konnte nicht widerstehen und nahm sich einen Moment, um die Katze ausgiebig zu kraulen, dann nahm sie sie vorsichtig in den Arm und setzte sich vorsichtig auf dem Ast nieder. Als kletterte sie eine brüchige Leiter hinab, stieg sie langsam von Ast zu Ast hinunter, immer unterbrochen von kurzen Schmuse-Einheiten. Endlich war sie nah genug an Bev herangekommen, dass sie ihr die Katze reichen konnte.

„Geh mit ihr zum Wagen“, sagte sie, flach auf den Ast gepresst, der sich immer noch knapp zwei Meter über dem Boden befand. „Du kannst ruhig eines der Fenster einschlagen. Im Auto wirst du eine Wasserflasche und einen Trinknapf finden. Wenn du dich zu ihr setzt, trinkt sie vielleicht ein wenig.“

Ausnahmsweise einmal ohne Kommentar nahm Bev die Katze auf den Arm und schmuste mit ihr. Paisley miaute protestierend und warf Eden einen verletzten Blick zu, versuchte aber nicht, zu entkommen. Eden wartete, bis ihre Freundin und die Katze sicher und versorgt im Auto saßen, dann näherte sie sich dem nächsten Ast.

Doch ihre Freude war verfrüht, stellte sie gleich darauf fest.

Denn von der Erleichterung, die sie eben noch empfunden hatte, kippte ihr Gemütszustand direkt in eine Art Panik um. Irgendetwas hielt sie fest, wie ein Anker, und sie konnte sich nicht mehr frei bewegen.

Ihr stockte der Atem und sie drehte sich um, um zu sehen, was los war.

Sie blickte finster auf einen Riemen ihrer Sandale, der sich im Ast verfangen hatte. Eden zerrte, doch der Schuh hing fest. Sie versuchte, ihn sich vom Fuß zu streifen, doch der Ast bohrte sich dabei nur schmerzhaft in ihre empfindliche Haut.

Eine Minute später fing sie an, laut zu fluchen.

„Was für ein Déjà-Vu“, hörte sie jemanden mit tiefer Stimme sagen.

Oh Mist. Eden erstarrte. Sie hatte das Auto nicht mal kommen gehört. Bitte, bitte, lass ihn mit jemand anderem sprechen.

„Das bist doch du, Eden, da oben, oder?“, fragte die Stimme.

Oh verdammter Mist.

Diese Stimme kannte sie. Sie wand sich mühsam herum, um zu sehen, ob das Gesicht dazu passte.

Umwerfende grüne Augen, leicht gebräunte Haut über schönen Wangenknochen und dieser markante Unterkiefer. Große, volle Lippen, die breit lächelten und kurz davor waren, in ein lautes Lachen auszubrechen. Und die süßesten Grübchen, die sie je gesehen hatte.

Sie stöhnte auf.

Das passte ja perfekt. Immerhin hatte sie sich den Rock so festgeklemmt, dass er nichts sehen konnte. Nicht, dass sie nicht schon unzählige Male davon geträumt hatte, in Dessous vor genau diesem Mann zu stehen. Aber keine ihrer Fantasien hatte diese Position beinhaltet.

Also tat sie, was sie immer tat, wenn sie sich mal wieder in einer unmöglichen Situation wiederfand.

Sie lächelte und machte das Beste daraus.

„Hi Cade.“

3. KAPITEL

„Machst du das eigentlich mit Absicht? Um mich auf Trab zu halten?“, fragte Cade seinen Lieblingspechvogel. Das seidige braune Haar fiel ihr wie ein Vorhang über das Gesicht, aber er wusste, dass sie in diesem Moment verlegen lächelte.

Eden Gillespie sah immer verlegen aus, wenn sie wieder einmal gerettet werden musste. Wenn er so darüber nachdachte, hätte sie dieses Verhalten eigentlich als Teenager hinter sich lassen müssen. Sein Blick wanderte ihre Beine entlang, schön und nackt, bis zu den knallpinken Panties, die dank der ungewöhnlichen Wickeltechnik ihres Kleides nicht zu übersehen waren. Ihre Arme waren um einen dicken Ast geschlungen, ein Fuß hing in der Luft, der andere hatte sich offenbar in ein paar kleineren Ästchen verfangen. Sie hing also nicht seinetwegen in dem Baum, sondern kam nur einfach nicht wieder los.

„Betrachte es als mein Willkommensgeschenk“, murmelte sie und pustete, sodass sich ihre Haare teilten und er den zugleich resignierten, aber auch amüsierten Blick wahrnehmen konnte, mit dem sie ihn aus ihren großen braunen Augen ansah.

Das gehörte zu den Dingen, die er immer an Eden bewundert hatte. Sie konnte über sich selbst lachen. So viele Mädchen, mit denen er aufgewachsen war, und auch die meisten Frauen, die er später kennengelernt hatte, nahmen sich selbst und das Leben viel zu ernst. Sie waren so besorgt um ihre Wirkung auf andere, dass sie nie wirklich lebten.

Ohne darüber nachzudenken, wanderte sein Blick wieder zu ihren Beinen. Lang und glatt schmiegten sie sich um den großen, rauen Ast. Er nahm die Kratzer und Rötungen ihrer weichen Haut wahr – und zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er den Wunsch, jemandem mit ein paar Küssen den Schmerz zu lindern. Bis hinauf zu ihren Panties. Aus praktischer Baumwolle, erkannte er, aber in einer lustigen, irgendwie frechen Farbe. Und weil sie kopfüber an einem Ast baumelte, zeichnete sich ihr Hintern wirklich sehr vorteilhaft in diesem pinken Stoff ab. Seine Finger zuckten. Zu gern hätte er sie berührt. Ob ihre Kurven sich so fest anfühlten, wie sie aussahen?

Stopp. Nicht cool, ermahnte er sich selbst. Sich nach der süßen Nachbarin zu verzehren war ziemlich sicher der erste Schritt auf dem Weg zu einem gediegenen Lebensstil mit Haus und Familie und allem Drum und Dran. Nicht, dass er damit grundsätzlich ein Problem hatte, es passte nur überhaupt nicht zu seinen eigenen Vorstellungen vom Leben.

„Brauchst du vielleicht Hilfe?“, bot er an und fragte sich zugleich, wie oft er sie nun schon in aller Eile gerettet hatte, damit sie nur nicht merkte, wie sehr er sie begehrte. Immerhin rettete er sie eigentlich ständig, seit sie Kleinkinder gewesen waren, aber erst seit diesem einen Mal, als er sie nackt vor sich gehabt hatte, raubte ihm allein schon ihr Anblick fast den Verstand.

„Ich komme schon klar“, murmelte sie und zappelte mit dem Fuß, um ihn endlich frei zu bekommen. Die Riemen ihres eleganten schwarzen Schuhs hatten sich jedoch zu fest verfangen. Sie seufzte und warf ihm einen kläglichen Blick zu. „Aber vielleicht könntest du meinen Schuh befreien?“

Cade wollte ihr nicht widersprechen, griff nach oben und zog die Zweige von ihrem Fuß fort. Dann umfasste er ihre überraschend schlanke Taille mit beiden Händen und pflückte sie mühelos von dem Ast. Das war wie eine gewöhnliche Militärübung im Wald, dachte er grinsend, als er ihren Körper wieder auf den Boden setzen wollte.

Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sie sich erschrecken würde. Sie zog scharf die Luft ein und zappelte ein wenig, als wollte sie, dass er sie sofort losließ. Aber ganz sicher würde er sie nicht einfach fallen lassen, also versuchte er, ihre Bewegung auszugleichen. Ihre Brüste streiften sein Kinn. Er erstarrte. Sie packte seine Schultern und erstarrte ebenfalls.

Das Gefühl, das ihn in diesem Moment durchfuhr, kannte Cade; die gleiche Mischung aus Gefahr und Aufregung, die alle seine Sinne in Alarmbereitschaft versetzte, fühlte er sonst, wenn er eine Granate in Händen hielt.

Falsch, schrie sein Hirn. Eden war das süße Mädchen von nebenan. Dasselbe Mädchen, das er seit Jahren immer wieder retten musste. Sie sollte keinesfalls solche Lust in ihm wecken, das war nicht vorgesehen. Aber er wollte sie, jetzt und hier. Und es war ihm egal, dass sie in den vergangenen Jahren kaum mehr als ein Dutzend Wörter gewechselt hatten oder dass ihre Freundin quasi direkt neben ihnen auf sie wartete und die beiden mit dem Gesicht ans Fenster gepresst beobachtete.

Nichts davon ließ ihn dieses heiße Ziehen unterhalb seines Bauchnabels vergessen oder die körperliche Sehnsucht danach, sie zu schmecken und zu berühren.

Aber das Flattern ihrer Wimpern, ihr Puls, den er in ihrer Halsschlagader pochen sah, und das leichte Zittern ihrer Finger, die sich in seine Schultern bohrten, machten ihm eindeutig klar, dass er sich und seine Gelüste in diesem Fall zurückzuhalten hatte.

Also stopp, gar nicht erst darauf einlassen.

Aber das bedeutete ja nicht, dass er die Situation nicht noch ein wenig genießen konnte.

Grinsend ließ er langsam seine Arme sinken. Er löste seinen Griff um ihre Taille nicht ein bisschen, und so glitt ihr Körper in einer einzigen wunderbaren Bewegung an ihm hinab.

Sein Blick verlor sich dabei keine Sekunde aus ihrem. Es war berauschend und intensiv, zu beobachten, wie ihr Blick sich vor Leidenschaft trübte.

Sobald ihre Füße den Boden wieder berührten, stieß sie sich von ihm ab, als würde er glühen, als wäre seine Nähe für sie nicht zu ertragen.

„Wieder mal vielen Dank“, sagte sie und wich rückwärts vor ihm zurück. Ihr Fuß verfing sich in einer Wurzel, und sie wäre gestürzt, wenn er sie nicht sofort gepackt hätte.

„Süße, ich lebe für diese Augenblicke“, sagte er mit tiefer Stimme und meinte es nur halb scherzhaft. Denn es stimmte. Eden war der Grund dafür, dass er eigentlich ganz gern nach Hause zurückkam.

„Ich doch auch.“

Ihr Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Schrecken und Verärgerung, verriet ihm ganz eindeutig, dass sie mal wieder unvermittelt ausgesprochen hatte, was sie dachte.

Er sollte es ihr nicht so schwer machen.

Denn er hatte nicht vor, sich auf das, was da ganz offensichtlich zwischen ihnen war, einzulassen. Seit seinen ersten erotischen Erfahrungen im zarten Alter von vierzehn hatte er sich aus Prinzip nie auf eine wirkliche Beziehung eingelassen und seine sexuellen Abenteuer immer entspannt und einfach gehalten. Aber mit Eden war nichts entspannt und einfach.

Außer, sie zu betrachten. Das fiel ihm so leicht, wie zu atmen. Und mit ihr zu sprechen. Ihr gegenüber war er nie zögerlich gewesen. Und sie lachen zu hören, war für ihn die pure Freude.

Verdammt.

„Komm schon, ich fahre dich nach Hause“, sagte er und bemerkte selbst, dass seine Stimme etwas heiser war.

„Ich komme alleine nach Hause.“

Cade machte sich nicht die Mühe, mit ihr zu diskutieren. Er wies nur mit dem Arm auf ihren Wagen, der immer noch um den Baum gewickelt am Straßenrand stand – er wünschte, sie würde sich genauso um ihn winden.

„Oh. Richtig.“ Sie seufzte und ließ den Blick vom Wagen zu ihrer Freundin und dann zu Cade wandern. Sie blickte noch einmal zu der Katze und dann zu seinem Auto und schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Es wäre toll, wenn du uns mitnehmen könntest, danke.“

Sobald die beiden Frauen mit dem Tier sicher in seinem geliehenen BMW untergebracht waren – die stille Rothaarige saß hinten und Eden mit der geretteten Katze vorn – fuhr er los.

„Und, triffst du dich immer noch mit Kenny Phillips?“, fragte er und hoffte sehr, dass sie Ja sagen würde.

„Nein, schon lange nicht mehr.“ Sie rümpfte auf ihre typische, niedliche Art und Weise die Nase und schüttelte dann den Kopf. „Er hat es mir nie verziehen, dass ich ihm den Fuß gebrochen habe.“

Es waren Kennys Schreie gewesen, die damals seine Aufmerksamkeit auf die beiden gelenkt und ihn zu einer nackten, umwerfend aussehenden Eden geführt hatten. Cade konnte sich die Situation immer noch nicht wirklich erklären. Wie hatte es passieren können, dass einer wie Kenny sich beim Liebesspiel den Fuß brach? Man würde doch annehmen, dass es dazu diverser Accessoires – ein bisschen Leder, etwas Latex, ein Paar Handschellen und was auch immer – bedürfen würde. Dafür schien er nicht der Typ.

„So groß ist der Verlust meiner Meinung nach gar nicht. Dating ist wie eine Kampfsportart, das kann schon mal gefährlich werden“, sagte er lachend.

Eden war anders als die meisten Frauen, die er kannte – sie sah ihn nicht direkt mit diesem Blick an, der fragte: Na, bist du interessiert? Willst du das Spiel mit mir spielen? Stattdessen zuckte sie nur mit den Schultern.

„Dann denke ich, dass Kenny sich für eine etwas weniger riskante Liga entschieden hat“, sagte sie und rieb sich den Knöchel. „Er hat dann auch die meisten Typen mit in sein Team genommen.“

„Weicheier“, murmelte Cade. Welche Trottel gaben dem Mädchen die Schuld für die eigene Inkompetenz? Klar, Eden zog das Unglück ziemlich an. Aber sie war auf diese Mädchen-von-nebenan-Art-und-Weise süß und sexy. Sie war lustig und es fiel nicht schwer, sich mit ihr zu unterhalten. Und im Gegensatz zu so vielen anderen Mädchen hier spielte sie nicht mit einem. Jeder, für den sie sich interessieren würde, könnte sich glücklich schätzen. Wenn er sich denn für eine richtige Beziehung interessieren würde.

„Willst du damit sagen, dass du dich nicht vor mir fürchtest?“, forderte Eden ihn heraus. Sie reckte ihr Kinn nach oben und ihre Stimme klang entspannt, aber in ihren goldgefleckten braunen Augen sah er Verletzlichkeit aufflackern.

„Süße, bevor eine Frau sich nicht einen Sprenggürtel umhängt und mich dann zum Tanzen auffordert, gibt es eigentlich nichts, wovor ich mich fürchten würde.“ Cade lachte.

„Du würdest dich also mit einem Mädchen treffen, dem der Ruf vorauseilt, ziemlich ungeschickt zu sein?“, fragte sie ruhig.

Wie war er nur in diese Falle geraten? Cade zögerte, erst recht, als von dem hinteren Sitz ein kurzes Lachen erklang.

„Solche Kriterien sind mir egal“, sagte er ausweichend. Dann, um seinen Punkt völlig klarzumachen, fügte er hinzu: „Wirklich, ich sehe mich in nächster Zeit niemanden daten. Mit dem Alten auf der Intensivstation und meiner Großmutter, die mich braucht, werde ich wenig Zeit haben, bis ich auf meinen Posten zurück muss. Großmutter meinte, dass mein Vater irgendwelche wichtigen Dinge zu erledigen hatte, als es ihn erwischt hat, Dinge, die nicht auf sich warten lassen können. Darum werde ich mich wahrscheinlich auch kümmern müssen.“

Stille.

Er wusste nicht genau, was diesmal der Auslöser gewesen war, aber er zog Stille immer vor, wenn die Gefahr bestand, verbal irgendwem in die Falle zu gehen. Außer ein paar Bewegungen ihrer Freundin vom Rücksitz war nichts zu hören. Selbst die Katze schnurrte nicht mehr.

Als sie endlich bei Eden ankamen, war die Stimmung zwischen ihnen so angespannt, dass man die Luft schneiden konnte. Cade fuhr die lange kurvige Einfahrt entlang. Als ihm die offensichtliche Verwahrlosung des Gillespie-Anwesens auffiel, ließ die Anspannung langsam nach. Der direkt an das Haus anschließende Garten war noch immer gut gepflegt, aber hinter dem Zaun war das Unkraut bis zu den Bäumen hochgewachsen. Selbst das einst strahlende Weiß der Fensterläden war ergraut und abgesplittert.

Eines der Nebengebäude sah aus, als wäre das Dach explodiert und irgendjemand – vielleicht Eden – hatte einen schiefen Zaun um eine Ziege und einen pferdegroßen Hund gezogen.

„Danke für die Rettung. Und fürs Mitnehmen“, sagte Eden als er vor der ausladenden Treppe zum Haupteingang anhielt.

„Jederzeit“, sagte er. „Aber versuch doch bitte, deine Unfälle auf die Zeit zu begrenzen, in der ich auf Heimaturlaub bin. Sonst sind, wenn du das nächste Mal von einem Baum herunterbaumelst, nur Weicheier in der Nähe, um dich zu retten.“

Sie lachte und die unangenehme Stimmung zwischen ihnen war wie weggefegt. „Kannst du dir vorstellen, dass ich es normalerweise – also wenn du nicht in der Nähe bist – auch ganz gut alleine schaffe, mich zu retten?“

Cade dachte einen Moment darüber nach.

Dann schüttelte er den Kopf. „Nein.“

Eden errötete und warf ihm durch ihre langen Wimpern einen zärtlichen Blick zu. Diese Art von Blick sollte in ihm eigentlich alle Beschützerinstinkte wecken. Oder besonders männliche Gefühle, als wäre er ein Superheld.

Jedenfalls sollte es ihn nicht so erregen, als wäre er ein Seemann auf Landgang.

Er entschied, dass es höchste Zeit war, zu gehen.

Er umfasste den Beifahrersitz und drehte sich nach hinten um. „Nett, dich kennengelernt zu haben“, sagte er zu der ruhigen Rothaarigen auf dem Rücksitz. Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und sah dabei aus, als würde sie gleich hyperventilieren.

„Cade?“

Er sah Eden freundlich lächelnd an, darauf gefasst, ihre Dankesbekundungen höflich abzublocken.

Sie starrte auf die Katze, die in ihrem Schoß saß, so als würde nur ein einziger Blick in eine andere Richtung das Tier dazu bringen, aus dem Fenster zu springen und erneut zu verschwinden.

„Möchtest du vielleicht mal etwas mit mir trinken gehen? So als Kombination von Willkommen zu Hause und Dankeschön?“

Etwas trinken gehen? Das war doch das Codewort zum Eintritt ins gefährliche Dating-Territorium. Ein Vorreiter für mehr, vielleicht schon Teil von etwas sehr viel Intimerem.

Es wäre ein Riesenfehler.

Cade lebte ganz sicher nicht wie ein Mönch. Aber hier, in seiner Heimatstadt, galten andere Regeln. Hier sahen ihn die Frauen als Robert Sullivans Sohn. Eine ziemlich gute Partie.

Andererseits handelte es sich hier um Eden. Er wollte sie nicht vor den Kopf stoßen, aber auch keine falschen Hoffnungen schüren.

„Klar“, hörte er sich zu seinem eigenen Erstaunen sagen. „Klingt super.“

Sein Ärger, dass die Leidenschaft für Eden ihn überrumpelt hatte, klang sofort ab, als er Edens erstaunten Blick sah.

Sie hatte mit einem Nein gerechnet.

Er kannte seinen Ruf und die statusfixierten Ansichten der Country-Club-Mitglieder, mit denen sich Eden dann und wann abgab. Die Sullivans waren die wichtigste Familie im Ort, die Gillespies hingegen waren gerade noch in den oberen Kreisen akzeptiert. Seit seinem vierzehnten Geburtstag hatte er endlose Dating-Vorschläge erhalten und immer war es dabei um den Nachnamen der Mädchen gegangen, nie um ihren Vornamen.

Dass ein Sullivan sich dazu herabließ, eine Frau wie Eden zu daten, würde bald in aller Munde sein. Eine Frau, die in einem heruntergekommenen Haus lebte, deren sexuelle Eskapaden alle amüsierten und die Autos zu Schrott fuhr, nur um Katzen zu retten.

Die sich niemals aus Gründen des Status’ mit irgendwem treffen würde.

Die ihn um seinetwillen mochte, nicht wegen seines Namens.

Die ihm das Gefühl gab, tatsächlich der Held zu sein, als den sie ihn eigentlich immer aufzog.

Jeder Gedanke daran, seine Zusage zurückzuziehen, war verflogen. Er würde etwas mit ihr trinken gehen und er würde ihr – und allen, die es interessieren sollte – unmissverständlich klarmachen, dass er sich geehrt fühlte, mit ihr Zeit verbringen zu dürfen.

„Morgen Abend?“, fragte sie und ihre ruhige Stimme stand in vollem Gegensatz zur Anspannung in ihrem Blick.

„Um sechs?“

Sie sah ihn kurz zweifelnd an, bevor sie nickte. Dann beugte sie sich vor, um ihre Handtasche zu nehmen, hielt die Katze etwas fester und griff nach der Autotür.

„Warte, ich helfe dir“, bot Cade an. Etwas übermütig griff er grinsend über sie hinweg und öffnete die Autotür von innen. Sein Unterarm streifte dabei scheinbar zufällig und nur ganz leicht ihre Brüste. Sie zog leise die Luft ein, ihre Rehaugen weiteten sich erschreckt. Er nahm ihren Geruch wahr, erdig und süß zugleich; so duftete blühender Sommerflieder um Mitternacht.

Er vergaß die andere Frau, die noch immer auf seiner Rückbank saß, und ignorierte das schnurrende Fellbündel auf Edens Schoß. Alles, was für ihn zählte, war diese Frau, die ihn ansah, als hätte er eigenhändig den Mond aufgehängt, die Sterne zum Leuchten gebracht und die Sonne aufgehen lassen.

Ohne darüber nachzudenken, beugte er sein Gesicht zu ihrem hinab und küsste sie leicht, kaum wahrnehmbar auf den Mund.

„Danke für das nette Willkommen“, murmelte er und lehnte sich im gleichen Augenblick zurück. Er blickte so entspannt drein, wie er konnte. Sogar ein wenig amüsiert. Als wäre sein Körper nicht explodiert, bei der Berührung ihrer Lippen.

„Jederzeit“, flüsterte sie, legte sich die große Katze auf die Schulter und stand so vorsichtig auf, als wäre sie benommen. Als ihre Freundin auch ausgestiegen war, wendete er und fuhr sofort davon. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel bestätigte seine Vermutung – beide Frauen standen noch immer vor dem Eingang und sahen ihm hinterher.

Cade grinste.

Vielleicht würden die kommenden Wochen doch gar nicht so übel werden.

Um nichts in der Welt würde er noch länger hierbleiben. Cade biss die Zähne fest zusammen, um nicht vor Wut zu platzen. Darüber würde sich seine Großmutter nur aufregen und außerdem wollte er auf keinen Fall, dass sein Vater merkte, wie nah ihm seine Worte gingen.

„Es muss doch vorangehen, du musst dich mehr ins Zeug legen“, herrschte ihn sein Vater aus den steifen weißen Laken seines Krankenhausbettes aus an. „Du machst seit Jahren immer das Gleiche, wann steigst du endlich auf? Was braucht es, um bei diesem Militär irgendwann mal Karriere zu machen? Zahle ich nicht genug Steuern, als dass du langsam mal etwas mehr verdienen könntest? Leg dich ins Zeug, Junge, streng dich an.“

Und damit hörte es noch längst nicht auf. Cade tat, als müsse er eingehend seine Stiefel betrachten, während Robert laut weiterschimpfte.

Und immer weiter.

Es war, als würde sein Körper versuchen, so viele Vorwürfe wie möglich auszuspucken, solange die Medikamente es zuließen. Bevor er zu schwach und wieder einschlafen würde.

Cade konnte es kaum erwarten.

Anfangs hatte er noch auf jedes leise Wort gehört, das der geschwächte Mann von sich geben konnte. Er hatte den Mann in seinem Krankenhausbett betrachtet und versucht, in dieser schwachen, zerbrechlich wirkenden Erscheinung seinen eiskalten Vater wiederzuerkennen. Ihn so auf Maschinen und Schläuche angewiesen daliegen zu sehen, ließ ihn das erste Mal in seinem Leben so etwas wie Mitgefühl für ihn empfinden.

Als Robert jedoch wieder Herr seiner selbst war, war dieses Mitgefühl nach genau fünf Minuten wieder erschöpft.

Jetzt, eine Stunde später, fragte er sich zum wiederholten Mal, ob seine Mutter – möge sie in Frieden ruhen – den eigenen Kopf ein paar Mal gegen eine Wand geschlagen hatte, bevor sie sich darauf einließ, einen solchen Tyrannen zu heiraten. Er hatte in den letzten Jahren unter so manchem harten Knochen gedient und mit Egozentrikern und fiesen Arschlöchern zusammengearbeitet. Keiner von ihnen konnte es mit seinem Vater aufnehmen.

„Kannst du mich hören, Junge?“

„Ich bin nicht derjenige, der im Krankenbett liegt“, erwiderte Cade trocken, lehnte sich zurück und lächelte seinen Vater auf die ruhige Art an, von der er wusste, dass sie Robert zutiefst irritierte. „Meine Ohren funktionieren einwandfrei.“

Der Alte hatte die gleichen grünen Augen wie sein Sohn, nur waren sie mit der Zeit trübe geworden. Er verengte sie zu Schlitzen.

„Ich war mir nicht sicher. Um dich herum wird doch ständig geschossen oder es explodiert irgendeine Bombe. Du könntest auch ein paar Gehirnzellen verloren haben.“

Für einen kurzen Moment entglitt Cade das Lächeln. Keine Sorge. Das Einzige was er verloren hatte, war einer seiner besten Freunde gewesen. Aber das würde er Robert Sullivan nicht erzählen.

„Ich muss schon sagen, ich fasse es nicht, dass du es noch immer nicht zum Commander geschafft hast. Du legst dich offensichtlich nicht genug ins Zeug. Willst du, dass ich hier in dem Wissen sterbe, dass mein Sohn alles, was ich ihm geben konnte, weggeworfen hat? Dass er seine familiären Pflichten vernachlässigt hat, um Soldat zu spielen, und das dann auch nur so halb?“

Cade spannte seine Hände zu Fäusten, sein Blut kochte. Er trat einen Schritt nach vorn und es war ihm egal, dass er kurz davor stand, zu explodieren.

„Robert“, sagte Catherine sanft.

Mehr brauchte es nicht. Nur ein Wort der alten Dame genügte und ihr Sohn ließ sich zurück in seine Kissen fallen und Cades Fäuste entspannten sich.

Er musste hier raus. Und wenn er klug war, würde er Eden anrufen und ihre Verabredung für den Abend absagen. Er hatte inzwischen nachdenken können und ihm fielen diverse Gründe ein, warum es wirklich eine ganz schlechte Idee war, sich mit ihr zu treffen. Vor allem, weil er nur an eines denken konnte. Wie er ihr langsam diese pinken Panties ausziehen würde.

„Ich komme später wieder und hole dich ab“, sagte er zu seiner Großmutter.

Catherine tätschelte seine Hand. Ihr Gesichtsausdruck war friedlich, auch wenn sich beim Anblick ihres einzigen Kindes feine Sorgenfalten über ihre Stirn zogen. Muttergefühle, dachte Cade kopfschüttelnd. Diese Fähigkeit, in einem Menschen auch dann noch etwas Gutes zu sehen, wenn es kein anderer mehr konnte.

„Du musst etwas für mich erledigen“, sagte sein Vater, als Cades Hand schon auf dem Türknauf lag. „Ich habe einem Nachbarn auf sein Grundstück als Sicherheit Geld geliehen. Wie sich herausstellt, haben die auch bei der Bank einen Kredit aufgenommen. Wenn jetzt die Bank ihre Hypothekenforderung geltend macht, habe ich nichts mehr in der Hand, um mein Geld zurückzubekommen. Du musst mein Geld zurückholen, bevor es zu spät ist.“

Es gab nur zwei Grundstücke, die so nah an ihrem lagen, dass man sie Nachbarn nennen konnte. Das eine gehörte seiner Großmutter, dementsprechend musste Robert das Gillespie-Anwesen meinen.

Genauso aufmerksam, vorsichtig und wachsam, wie er sich einem gefährlichen Feind nähern würde, drehte er sich um.

„Für solche Nebenjobs stehe ich nicht zur Verfügung“, sagte er in bemüht plauderhaftem Ton und mit möglichst neutraler Miene. Zum einen, weil er seine Großmutter nicht aufregen wollte, und zum anderen, das musste er zugeben, weil es seinen Vater noch wütender machen würde. Eine Schande, wo er doch sowieso schon in einem Krankenhausbett liegen muss, dachte er. Aber er konnte nicht anders.

„Du musst es tun. Wenn du es nicht tust, wird die Bank das Anwesen übernehmen. Dann verliere ich mein Geld und die kleine Gillespie steht so oder so ohne ein Dach überm Kopf da.“

„Eden hat sich bei dir Geld geliehen?“

„Eleanor.“

Robert vermied es, in die schockierten Augen seines Sohnes und seiner Mutter zu blicken. Er sah wieder völlig ermattet aus und starrte einen Moment lang die Schläuche an, die aus seiner Hand kamen. Dann murmelte er „Sie hat immer versucht, mir diese Keramiksachen zu verkaufen, die sie herstellt. Sie nennt es erotische Kunst. Ich habe ihr schließlich Geld auf ihr Haus geliehen, damit sie mich nicht mehr nervt. Jetzt ist sie verschwunden, weiß Gott wohin, und zahlt ihre Raten nicht ab. So ist das.“

Eigentlich hätte es Cade freuen müssen, dass jemand es geschafft hatte, seinen Vater einmal sprachlos zurückzulassen. Aber er machte sich viel zu viele Gedanken über das süße Mädchen von nebenan.

„Eden weiß von nichts?“

„So unzuverlässig, wie Eleanor ist, bezweifle ich das. Ich war auf dem Weg zu ihr und wollte sie darauf ansprechen, als all das hier …“ Er wies auf die blinkenden Maschinen, die ihn umgaben „… passiert ist. Seitdem hatte ich anderes zu tun.“

„Du willst einer jungen Frau das Zuhause nehmen, einer, die du aufwachsen gesehen hast? Einer Nachbarin? Sie hat dir Kekse gebacken“, sagte Cade und wies auf das kleine Paket mit roter Schleife und einer Karte mit Genesungswünschen, das auf Roberts Nachttisch lag.

„Die Bank würde ihr das Zuhause nehmen. Ich will nur zurück, was mir zusteht“, erklärte Robert und stützte sich auf seinen Ellbogen hoch, um seinen Sohn direkt ansehen zu können. „Eleanor hätte den Kredit nicht aufnehmen sollen, wenn sie ihn nicht zurückzahlen kann. Es ist ihre Schuld, nicht meine.“

„Du bist aber derjenige, der Eden aus ihrem Zuhause werfen will.“

„Nein, das will die Bank. Ich bin derjenige, der an dieses verdammte Bett gefesselt ist und in Schläuche pinkeln muss, während ich um meine zehntausend Dollar geprellt werde.“

Vielleicht gab es ja doch so etwas wie Gerechtigkeit.

Cade konnte seinen Vater nicht davon abhalten, anderen gegenüber ekelhaft zu sein und sie zu verletzen. Aber er sollte verdammt sein, wenn er ihm dabei auch noch half.

Aber was sollte aus Eden werden, wenn er jetzt abhaute? Cade dachte an den Zustand des Anwesens. Heruntergewirtschaftet sah es aus. Sie hatte nicht das Geld, um das Haus in Schuss zu halten, was bedeutete, dass sie höchstwahrscheinlich auch nicht genug Geld hatte, irgendwelche Schulden bei seinem Vater zurückzuzahlen. Geschweige denn die bei der Bank.

Zum ersten Mal seit Phils Tod wünschte er sich eine neue Mission. Einen gefährlichen und intensiven Einsatz, einen, bei dem viele Waffen zum Einsatz kommen würden, bei dem rohe Gewalt walten würde und er vielleicht sogar in einen richtigen Mann-gegen-Mann-Kampf geraten könnte.

„Cade“, sagte Catherine und ihre ruhige Stimme war eindringlich genug, um das Piepen der Maschinen zu übertönen. „Das liebe Mädchen braucht Hilfe. Jemand muss sich zwischen sie und die Bank – und die anderen Gläubiger – stellen, damit sie ihr Anwesen behalten kann. Bis Eleanor zurückkommt, möchte ich, dass du dich darum kümmerst. Würdest du das tun?“

Cade seufzte, als alle Wut mit einem Mal von ihm abfiel.

Wie machte seine Großmutter das nur? Niemals erhob sie ihre Stimme, kein einziges grobes Wort kam ihr je über die Lippen, und trotzdem konnte ihr niemand etwas abschlagen. Ihn eingeschlossen.

„Klar. Ich kümmere mich darum“, versprach er ihr.

Autor

Joanne Rock
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