Tiffany Extra Band 3

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HEIMLICH, STILL UND SEXY von MACALLISTER, HEATHER
Kaia greift nach dem Schmuckstück im Tresor - da wird es dunkel: Stromausfall! Und ausgerechnet mit Blake ist sie in der Villa gefangen. Früher war er ihr Lover, dann der Cop, der sie ins Gefängnis brachte. Die sexy Ex-Juwelendiebin hat eine Rechnung mit ihm offen …

AUSZEIT FÜR ZWEI von SHALVIS, JILL
Mark ist der neue Trainer? Soll Rainey lachen, weinen oder sich verlieben? Lachen, weil ihr Sommerprojekt gerettet ist. Weinen, weil sie und Mark ein paar ziemlich aufregende, aber ungelöste Probleme haben. Oder verlieben, weil … Mark eben Mark ist?

VERFÜHRUNG UNDERCOVER von HUNTER, SAMANTHA
Wenn Ben Callahan nicht ins Zeugenschutzprogramm will, wird er eben undercover beschützt: Joanna heuert als Kellnerin in seiner Bar an. Doch mit diesem Traummann hinterm Tresen wird es für sie nicht nur der heißeste Auftrag in ihrer Laufbahn als Marshal - sondern auch der gefährlichste.

HEIßE BLICKE, NACKTE HAUT von KENNEDY, ELLE
Tag für Tag beobachtet Caleb das Haus nebenan: Der Agent soll überwachen, ob der Drogendealer Grier wieder bei seiner Exfreundin Marley auftaucht. Und Nacht für Nacht verfällt Caleb dem erotischen Zauber der hinreißenden Schönheit hinter dem Vorhang mehr …


  • Erscheinungstag 13.08.2013
  • Bandnummer 0003
  • ISBN / Artikelnummer 9783954466764
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Heather MacAllister, Jill Shalvis, Samantha Hunter, Elle Kennedy

TIFFANY EXTRA BAND 3

HEATHER MACALLISTER

Heimlich, still und sexy

Was führt sie im Schilde? Securityspezialist Blake ist sicher, dass Kaia nur auf die Party gekommen ist, um Juwelen zu stehlen! Still und leise folgt er ihr. Gerade als er sie festnehmen will, gehen die Lichter aus …

JILL SHALVIS

Auszeit für zwei

Profisportler Mark Diego wollte den Sommer über mit Jugendlichen arbeiten. Aber Überraschung: Das Programm leitet Rainey, eine Frau von … früher. Sie scheint entschlossen, diese heißen Sommerspiele zu gewinnen!

SAMANTHA HUNTER

Verführung undercover

Angst? Kennt Ben nicht. Was ihm allerdings Sorge bereitet, ist Joanna, seine neue Kellnerin. Zum einen kann er nicht die Finger von ihr lassen. Zum anderen versteckt sie eine Pistole in ihrem Zimmer …

ELLE KENNEDY

Heiße Blicke, nackte Haut

Was macht sie denn jetzt schon wieder? Erotische Yogaübungen? Stirnrunzelnd schaut Agent Caleb Ford auf den Überwachungsmonitor: Die Verdächtige Marley Kincaid ist attraktiv – für ihn verboten attraktiv …

1. KAPITEL

Brooklyn, New York

Sechs Jahre zuvor

„Sei nicht dumm, Kaia.“

Kaia Bennets Vater gestikulierte wild und schlug dabei versehentlich gegen die Schreibtischlampe ihrer Zimmergenossin. Während er die Lampe wieder ordentlich hinstellte, warf Kaia ihre schmutzige Wäsche in einen Weidenkorb im Wandschrank. Sie wollte eigentlich auch ihr T-Shirt vor dem Unterricht wechseln, aber nicht, solange ihre Eltern im Raum waren.

„Das bin ich nicht.“ Sie atmete tief ein und lächelte vor sich hin, als ihr Blakes Duft in die Nase stieg. „Ich bin Studentin. Genau wie alle anderen hier.“

„Du bist nicht wie alle anderen.“ Ihr Vater schnaubte. „Ich dachte, du hättest diese Phase inzwischen hinter dir.“

„Es ist keine Phase. Ich mache das, was normale Leute in meinem Alter tun.“

Sie bückte sich, um die unterste Schublade der Kommode zu öffnen. Die Schublade ließ sich nicht ganz herausziehen, es sei denn, Kaia verrückte das Bett, doch ihr Vater stand auf der anderen Seite.

Ihre Mutter hatte sich an der Türschwelle postiert, wo sie alles im Blick hatte.

Typisch. Weniger typisch war hingegen, dass ihre Eltern extra in die Stadt gekommen waren, um sie aufzusuchen.

„Wie kannst du so leben?“ Ihr Vater schaute sich in dem engen Raum um.

„Sie kann es nicht. Das ist der Grund, weshalb sie drei Tage lang nicht hier gewesen ist“, warf ihre Mutter ein.

Kaia richtete sich mit einem Sport-BH in der Hand auf; es war das einzige saubere Wäschestück, das sie in der Schublade gefunden hatte. „Habt ihr mir nachspioniert?“

„Nein“, leugnete ihr Vater, während ihre Mutter zur selben Zeit Ja sagte.

„Louisa, es ist kein Spionieren, wenn man um das Wohl seiner Tochter besorgt ist.“

Ihre Mutter ignorierte ihn. „Du warst nicht bei Roy Dean, um nach Nachrichten für dich zu fragen.“

„Er nennt sich jetzt Royce“, erinnerte Kaia sie, wenngleich sie wusste, dass er für ihre Eltern immer Roy Dean bleiben würde.

Sie stopfte den BH zusammen mit ihrer letzten sauberen Jeans in ihren Rucksack. Die meisten ihrer Sachen befanden sich im Wäschesack. Kaia schnürte ihn zu und nahm sich vor, ihn später mitzunehmen. Sie konnte in Blakes Waschsalon waschen. „Die meisten Eltern rufen einfach an oder schicken eine E-Mail, wenn sie mit ihren Kindern in Kontakt treten wollen. Sie geben keine Nachrichten über einen Mittelsmann weiter.“

Die meisten Kinder hatten allerdings auch keine Juwelendiebe als Eltern.

„Wir ziehen es vor, möglichst nicht im Netz aktiv zu sein.“

Erzählt mir etwas Neues. Offen begegnete Kaia dem finsteren Blick ihres Vaters. „Ich habe keinen Grund, nicht ins Netz zu gehen.“ Das war sowieso unvermeidlich, da sie sich am Brooklyn College eingeschrieben hatte. „Und so wird es auch bleiben.“ Letzteres fügte sie für den Fall hinzu, dass die beiden hier waren, um sie zu einem gemeinsamen Coup zu überreden.

Sie wurden älter, auch wenn das Haar ihrer Mutter immer noch so schwarz war wie Kaias, ohne dass sie es färben musste. Aber seit dem Sturz ihrer Mutter vor einigen Jahren war Kaia diejenige gewesen, die an Fassaden hochgeklettert und durch Lüftungsschächte gerutscht war.

Bis sie alt genug gewesen war, Nein zu sagen und von zu Hause auszuziehen.

Während sie ihren Laptop und Unterrichtsmaterial im Rucksack verstaute, merkte sie, wie ihre Eltern einen langen Blick austauschten.

„Kommst du finanziell zurecht?“, fragte ihr Vater.

„Ja, gut.“ Mehr als gut.

„Wir haben von dem Job gehört“, sagte ihre Mutter und schaute rasch nach links und rechts in den Flur.

„Ja. Anscheinend habe ich Talent zur Schmuckverkäuferin. Wer hätte das gedacht?“

„Wir reden nicht über deinen Studentenjob im Einkaufszentrum.“ Ihr Vater langte übers Bett und tippte an den kleinen Stein unter ihrem T-Shirt.

Mist, dachte Kaia. Sie hatte gehofft, dass ihre Eltern die Kette nicht bemerken würden.

„Roy Dean erwähnte einen Diamanten“, fügte ihr Vater hinzu.

„Royce“, betonte Kaia, „redet zu viel.“ Ohne Aufforderung zog sie die Goldkette unter dem T-Shirt hervor.

Ihr Vater nahm den Anhänger in die Hand. Kaia wusste, dass er mit einem einzigen Blick Reinheit, Gewicht und Farbe abschätzte.

„Interessanter Riss, betont durch den Navetteschliff. Wie ein Katzenauge. Ein Katzenauge für eine Juwelendiebin, die wie eine Katze klettern kann. Wie passend.“ Er ließ den Anhänger fallen und wurde durch ihre Mutter abgelöst, die herüberhumpelte, um selbst einen Blick auf den Stein zu werfen.

Kaia verdrehte die Augen, zum einen wegen des Verfolgungswahns der beiden und zum anderen, weil ihre Mutter so übertrieben hinkte.

„Ich hab das gesehen“, sagte ihr Vater, ohne sie anzuschauen.

Ihre Mutter starrte auf den Anhänger und dann in Kaias Gesicht. „Den hast du nicht aus deinem lausigen kleinen Schmuckladen.“

„Ich habe ihn geschenkt bekommen.“

„Nicht von deinem Freund“, stellte ihre Mutter unmissverständlich fest.

Kaia war nicht überrascht, dass sie von Blake wussten. „Nein.“

„Von Casper Nazario?“, fragte ihr Vater.

Sie schnappte nach Luft. Jetzt hatten sie sie doch überrascht. „Ich …“

„Weiß er, dass du ihn hast?“, unterbrach ihre Mutter sie.

„Natürlich. Er hat ihn mir gegeben.“

Ihre Eltern tauschten wieder die Plätze.

„Als Bezahlung? Für einen Job?“ Ihr Vater wirkte jetzt ehrlich besorgt.

Was glaubte er? „Ja! Ich meine, nein, für den Job hat er mich mit Geld bezahlt. Dies war etwas anderes. Ein Bonus, weil er froh darüber war, dass alles geklappt hatte.“

Der Mann mit dem silbrigen Haar war fast außer sich vor Freude gewesen. Er hatte jemanden gesucht, der verschiedene Gegenstände in die Häuser seiner Freunde zurückbrachte, ohne dass diese es merkten. Royce hatte davon gehört und ihren Namen erwähnt. Mit dem Geld, das sie für den Job erhalten hatte, war ihr zweites Studienjahr finanziell gesichert.

Kaia erinnerte sich, wie ihr der Diamant aus einem offenen Kästchen zugezwinkert hatte, als Casper das Geld aus dem Safe genommen hatte. Sie hatte ihn bewundert, und Casper hatte ihn ihr gereicht. „Er gehört Ihnen. Ein Katzenauge für eine Juwelendiebin, die wie eine Katze klettern kann.“

Dieselben Worte hatte ihr Vater gerade benutzt.

Ein unangenehmes Kribbeln überlief sie jetzt. Vor allem, als ihr Vater dann auch noch den Kopf schüttelte und sagte: „Oh, Kaia.“ Es war derselbe Ton, den er anschlug, wenn sie einen Fehler gemacht hatte.

„Was?“

„Männer wie Casper Nazario verschenken nichts.“

„Diesmal hat er es getan.“ Aber jetzt fragte sie sich, ob dieser Stein ihm überhaupt gehört hatte.

„Kaia, du kannst einem Mann wie ihm nicht trauen.“

„Deiner Meinung nach kann ich niemandem trauen.“

„Stimmt.“

„Ich habe das so satt!“ Kaia zog den Reißverschluss ihres prall gefüllten Rucksacks zu. „Ich möchte einfach nur ein normales Leben führen, mit Freunden und einem richtigen Job, von dem ich jedem erzählen kann.“

Ihr Vater musterte sie mitleidig.

„Sag es ihr, Manny“, forderte ihre Mutter ihn auf.

„Was sollst du mir sagen?“

Ihr Vater legte beide Hände auf ihre Schultern und seufzte. „Kaia, Kaia, Kaia.“

„Papa, Papa, Papa.“ Der Rhythmus passte nicht ganz, weil er darauf bestand, dass sie Papa auf der zweiten Silbe betonte.

„Mach schon, Manny“, drängte ihre Mutter ihn.

„Kaia, dieser Mensch, mit dem du zusammen bist, dieser Blake McCauley …“

Ihr stockte das Herz. „Was ist mit ihm?“

„Er ist Police Detective.“ Ihr Vater machte ein Gesicht, als ob er ihr gerade erklärt hätte, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.

Kaia aber lachte erleichtert. „Ich weiß.“ Mit einem Schulterzucken entwand sie sich dem Griff ihres Vaters. „Er hat es mir erzählt.“

„Du wusstest es?“, fragten ihre Eltern gleichzeitig.

„Ja.“ Sie hievte den Rucksack über ihre Schultern. „Und wisst ihr was? Cops sind gar nicht so schlecht. Ehrlich gesagt …“, sie machte eine dramatische Pause, wie sie es sich bei ihrem Vater abgeschaut hatte, „… wir lieben uns.“

Sie hob den Wäschesack auf und amüsierte sich über die entsetzten Gesichter ihrer Eltern. „Er würde euch gern kennenlernen“, fügte sie hinzu.

„Ich wette, dass er das gern täte!“, brach es aus ihrem Vater heraus.

„Ich werde Phillip warnen“, murmelte Kaias Mutter und verschwand.

„Onkel Phil ist auch hier?“ Was sollte das denn sein? Eine konzertierte Aktion?

„Was glaubst du, wer die Straße im Auge behält?“ Ihr Vater deutete zur Tür. „Hast du alles vergessen, was wir dir beigebracht haben?“

„Niemand braucht die Straße im Auge zu behalten, Papa. Ich habe Blake nur erzählt, dass du eine kleine Schmuckreparaturwerkstatt besitzt.“ Und vielleicht noch ein wenig mehr.

„Du hast ihm die Wahrheit gesagt?“

„Nicht die ganze.“

Ihr Vater ging auf und ab. Das Zimmer war so klein, dass er sich alle vier Schritte umdrehen musste. „Wir machen Folgendes: Pack alles ein, was du tragen kannst. Du wirst nicht hierher zurückkommen. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos, wenn wir schnell handeln. Zum Glück haben wir …“

„Papa, hör auf. Du brauchst nicht zu verschwinden.“

„Ich muss es, wenn meine Tochter mir erzählt, dass sie in einen Polizisten verliebt ist.“ Er blieb vor dem Schreibtisch stehen. „Brauchst du etwas von diesem Kram?“

Kaia schüttelte den Kopf. „Der gehört meiner Mitbewohnerin. Pass auf: Wenn man nichts Ungesetzliches tut, braucht man sich nicht vor der Polizei zu verstecken. Tolles Konzept, nicht wahr?“

„Mir gefällt das nicht.“ Ihr Vater trat ans Fenster und schob den Vorhang beiseite. Alles, was es da zu sehen gab, war das Gebäude nebenan.

„Was gefällt dir nicht? Ehrlich zu werden?“

„Deine Situation. Ich traue diesem Kerl nicht.“

„Du kennst ihn nicht einmal.“

Ihr Vater ließ den Vorhang zurückfallen. „Ich traue dir nicht, wenn du mit ihm zusammen bist.“

Kaia wusste das, doch ihn das sagen zu hören tat trotzdem weh. „Du vertraust niemandem.“

„Und du solltest es auch nicht. Es wird Zeit zu gehen.“ Er griff nach ihrem Wäschesack.

„Nein.“

Etwas in ihrer Stimme ließ ihren Vater innehalten. Vielleicht war es, weil sie nicht geschrien oder gebettelt hatte. Vielleicht, weil sie sich wie eine Erwachsene benahm, die sich für einen anderen Lebensweg entschieden hatte. Vielleicht, weil er ihr endlich glaubte, dass sie mit dem „Familiengeschäft“ endgültig durch war.

Er richtete sich auf. Einen Moment lang musterten sie sich gegenseitig. Kaia bemerkte, dass er eine Hand in seine Tasche schob. Dann strich er über ihren Arm, beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.

Kaia fasste in ihre Jackentasche. „Was hast du mir da zugesteckt?“

„Eine Nummer.“

Für ein Prepaid-Handy, wie sie wusste. „Ich werde meine Meinung nicht ändern.“

Schwach lächelnd berührte er ihre Wange. „Du darfst ihm nicht vertrauen, Kaia.“

„Ich liebe ihn.“

Ihr Vater ließ die Hand sinken und ging zur Tür. „Du darfst ihn auch nicht lieben.“

„Ich brauche mehr Zeit.“ Blake McCauley saß in seinem Auto auf dem Parkplatz hinter einem Einkaufszentrum in Brooklyn.

„Sie hatten viel Zeit“, erwiderte sein Captain. „Haben Sie ein Treffen mit den Eltern arrangiert?“

„Nein, aber ich bin nah dran. Kaia redet mit ihnen.“

„Und was haben sie gesagt?“

„Noch nichts. Sie sind nicht in der Stadt.“

„Klar. Sie spielt mit Ihnen, McCauley.“

Blake starrte durch die Windschutzscheibe in die Ferne und sah in Gedanken Kaia mit ihrem vollen schwarzen Haar und den geheimnisvollen dunklen Augen. Sie schliefen seit Wochen miteinander, und seit Wochen gab es nicht einen einzigen Missklang zwischen ihnen. Blake kannte sie. Und – so paradox es klingen mochte, da er undercover arbeitete – sie kannte ihn besser als jede andere Frau, mit der er bisher zusammen gewesen war.

Das Einzige, was nicht stimmte, war die Geschichte, die man ihm über sie erzählt hatte. Die Kaia, die er kennengelernt hatte, und die Kaia, die sie angeblich wirklich war, passten nicht zusammen. Es sei denn, sie war die beste Lügnerin, die ihm während seiner Laufbahn als Detective begegnet war.

„Sie macht mir nichts vor“, antwortete er. „Sie hat es nicht getan.“

„Trägt sie den Diamanten?“

Blake lächelte vor sich hin. „Oh, ja.“ Meistens war die Halskette alles, was sie trug.

Sein Vorgesetzter seufzte tief. „Fangen Sie an, mit Ihrem Kopf zu denken, McCauley.“

Blake hörte auf zu lächeln und setzte sich aufrechter hin. „Das tue ich, Sir. Wenn sie den Diamanten gestohlen hat, warum ist sie dann nicht untergetaucht, als sie erfuhr, dass ich Polizist bin?“

„Oh, Mann. Weil sie so vielleicht umso unverdächtiger wirkt? Weil sie so eine Chance hat, ihre Eltern zu warnen? Weil sie Ihnen so weismachen kann, dass ein Mitglied eines schwer zu fassenden Clans von Juwelendieben unmöglich einen Diamanten gestohlen haben kann?“

„Sie hat gesagt, dass er ein Geschenk sei.“ Blake wusste, dass seine Erklärung nicht gerade überzeugend klang.

„Komisch. Nazario hat das nicht so in Erinnerung.“

Blake fühlte sich unbehaglich. Sein Bauch sagte ihm, dass Kaia unschuldig war. Sein Verstand wiederum sagte ihm, dass es nicht sein Job war, über ihre Schuld oder Unschuld zu urteilen. Normalerweise hielt Blake sich an sein Bauchgefühl.

„Hören Sie, Sie sind bei diesem Fall viel zu nah dran. Wir alle hatten einmal einen Fall, der unsere Gefühle völlig durcheinanderbrachte.“ Blake hörte ein trockenes Lachen. „Sie waren längst überfällig.“

„Das ist es nicht.“

„Sie ist wirklich hübsch. Natürlich ist es das.“

Blake ging darüber hinweg. „Ich bin dabei, den Fall zu lösen. Irgendwann wird sie etwas preisgeben, das uns zu ihren Eltern führt.“ Denn wenn jemand diesen Diebstahl begangen hatte, dann waren es sie. „Kaia hat nie erzählt, wer ihr die Kette geschenkt hat. Vielleicht waren es ihre Eltern.“

„Wir können sie mit dem Tatort in Verbindung bringen.“

„Wir können viele Menschen mit dem Tatort in Verbindung bringen.“

„Die tragen aber keinen Diamanten, der wie ein Katzenauge aussieht.“

Blake schloss die Augen. Sein Captain war bis jetzt erstaunlich nachsichtig mit ihm gewesen, doch er vermutete, dass die Geduld seines Vorgesetzten erschöpft war. Die nächsten Worte des Mannes bestätigten seinen Verdacht.

„Es ist Ende des Monats. Zeit, die Sache abzuschließen, McCauley.“

Blake drehte sich der Magen um. „Lassen Sie mich das alleine machen“, bat er. „Ich brauche keine Verstärkung.“

„McCauley!“ Der Ton des Captains war scharf. „Kaia Bennet ist Expertin darin, aus allen möglichen Räumen, Wohnungen, Gebäuden zu entwischen. Sie können das nicht allein machen.“

Blake knirschte mit den Zähnen. „Erwarten Sie, dass sie einfach herausspaziert kommt, wenn ich von Streifenwagen begleitet werde?“

„McCauley, ich habe Sie nicht vom Dienst suspendiert, als Sie Ihre Deckung auffliegen ließen, aber wenn Sie nicht sofort den Mund halten und Ihren Job machen, werde ich Sie jetzt suspendieren.“

„Ja, Sir.“ Blake unterließ den Hinweis darauf, dass seine Ehrlichkeit in diesem einen Punkt viel dazu beigetragen hatte, Kaias Vertrauen zu gewinnen.

„Wir warten auf Ihr Signal.“

In diesem Moment sah Blake, wie Kaia aus dem Lieferanteneingang an der Laderampe herauskam. Sie war ein paar Minuten früher dran als gewöhnlich, also hatte sie heute Abend nicht abschließen müssen.

Das bedeutete, dass seine Verstärkung noch nicht da sein konnte. Blake schaute in den Seiten- und Rückspiegel, dann wieder zu Kaia. Sie entdeckte ihn und lächelte voller Vorfreude. Ein Gefühl von Ruhe und Glück durchströmte ihn.

In diesem sehr kurzen Moment schien ihm das Leben perfekt, und er wünschte sich nur, sie für den Rest seines Lebens jeden Tag und jede Nacht lächeln zu sehen.

Wie in Zeitlupe nahm er wahr, wie sie auf ihn zukam. Er hielt sein Telefon an seine Wange und zögerte.

Sie war früh dran. Immer noch keine Verstärkung da. Sie war eine Fluchtexpertin.

Er könnte sie warnen. Er könnte sie wie immer abholen, mit ihr vom Parkplatz fahren und sie gehen lassen. Oder gemeinsam mit ihr verschwinden. Sie könnten irgendwo neu anfangen. Zusammen.

„McCauley?“

„Sie ist da“, sagte er, weil es unumgänglich war. Er klappte das Handy zu und stieg aus dem Wagen, um ihr entgegenzugehen.

Sie zog einen Sack hinter sich her.

„Was ist das alles?“

„Schmutzwäsche!“ Sie lachte, ließ den Sack fallen und warf sich ihm an den Hals, schlang die Arme um ihn und küsste ihn leidenschaftlich.

Blake umklammerte sie und flüsterte die Worte „Ich liebe dich“ in ihren Mund. Weil er es wirklich tat. Weil er alles ganz klar sah, wenn er sie küsste. Gemeinsam würden sie zum Captain gehen. Blake würde ihn überzeugen, dass sie die falsche Person überprüft hatten. Er würde einen Weg finden, ihr alles zu erklären – sie fühlte sich so gut in seinen Armen an …

Er hörte die herannahenden Autos kaum. Reifen quietschten. Lichter blinkten hinter seinen geschlossenen Lidern auf. Türen schlugen zu.

Kaia zuckte zusammen und hörte auf, ihn zu küssen.

Sie waren von Streifenwagen umstellt. Noch eine Tür schlug zu, und Blake sah in die Augen seines Captains.

Sie waren bereits vor Ort gewesen, auf Beobachtungsposten, während des ganzen Telefongesprächs. Der Captain hatte ihm nicht vertraut. Aus gutem Grund.

„Blake?“ Kaias Stimme klang panisch. „Was ist hier los?“

Blake schaute sich zu den Männern um. Seinen Kollegen. Seinem Vorgesetzten. Sie wussten alle, was er beinahe getan hätte. Er konnte das Mitleid und die Verachtung in ihren Blicken sehen.

Verachtung.

Und plötzlich empfand er diese Verachtung für sich selbst. Er hätte nicht nur beinahe seine Karriere ruiniert, er hätte beinahe das Gesetz gebrochen.

„Blake?“ Kaia berührte seinen Arm.

Blake sah in ihre dunklen Augen und erkannte den Moment, in dem sie die Situation durchschaute.

Der Captain trat vor. „Von hier an übernehme ich, McCauley.“

„Nein. Das ist mein Fall.“ Blake packte Kaia am Handgelenk und drehte sie herum. „Sie haben das Recht zu schweigen …“

Aber sie tat es nicht. „Blake!“

Und er wusste, dass ihn der Klang ihrer Stimme, voller Wut und Schmerz, für den Rest seines Lebens verfolgen würde.

2. KAPITEL

Washington, D.C.

Gegenwart

Als Kaia Bennet am Freitagmorgen in den Konferenzraum des Sicherheitsdienstes Guardian Security trat und Casper Nazarios Anwalt mit ihrem Chef zusammensitzen sah, machte sie hastig kehrt und stürzte in die Damentoilette. Sie verriegelte die Tür und stand kurz darauf auf einem WC-Sitz, ein Deckenpaneel herausdrückend, als Tyrone La-Salle die Tür öffnete.

„Im Ernst?“, fragte sie, während er den Dietrich einsteckte. „Zählt die Tatsache, dass es sich hier um eine Damentoilette handelt, denn gar nicht?“

Er schüttelte den Kopf. „Tun Sie es nicht, Kaia.“

„Ich hatte noch keine Chance, irgendetwas zu tun.“ Sie schaute auf die muskulöse Wand von einem Meter fünfundachtzig herunter. Licht spiegelte sich auf seinem rasierten Kopf. „Ich hätte Ihnen nie beibringen dürfen, Schlösser aufzubrechen.“

„Sie wissen, dass Wendell Sicherheitsgitter über den Lüftungsschächten anbringen ließ, nachdem Sie letztes Jahr die Bailey-Dokumente zurückgeholt hatten?“, fragte er.

Kaia wusste es. Ihr Chef war zugleich fasziniert und entsetzt gewesen, mit welcher Leichtigkeit sie diese Schwäche in vermeintlich sicheren Regierungsgebäuden in Washington ausgenutzt hatte. Auch die Lüftungsschächte bei Guardian waren nicht mit Sicherheitsrosten ausgestattet gewesen. Ihr Chef hatte es nicht für notwendig erachtet, weil die Schächte so schmal waren – ein Grund, weshalb Kaia sich bei einer Größe von einem Meter zweiundsechzig nicht mehr als fünfzig Kilo gestattete.

„Natürlich wissen Sie es“, beantwortete Tyrone sich die Frage selbst. „Das bedeutet, dass Sie woanders hinwollten.“

Aufs Dach, aber das würde Kaia ihm nicht erzählen.

„Aufs Dach?“, riet er richtig. „Und was dann? Haben Sie da oben eine Kletterausrüstung deponiert?“

Ja, aber was wichtiger war, ein Prepaid-Handy, in das die Nummer eines Hubschrauberpiloten einprogrammiert war, der ihr einen Gefallen schuldete.

„Tun Sie es nicht, Kaia“, wiederholte Tyrone. „Laufen Sie nicht weg. Ich hole Sie ein, bevor Sie das Dach erreicht haben.“

Das bezweifelte sie, doch sicher würde er noch vor dem Hubschrauber dort ankommen. Die Frage war, wie lange Tyrone brauchen würde, um die Tür zum Dach aufzubrechen, nachdem sie sie verriegelt hatte.

Es könnte Spaß machen, seine Zeit zu stoppen.

Tyrone bewegte sich langsam einen Schritt vor. Seine lässige Bewegung ließ sie vermuten, dass er beschlossen hatte, ihre Beine zu packen, statt ihr über die Treppe zum Dach nachzulaufen.

„Keine gute Idee.“ Sie schüttelte den Kopf. „Bevor Sie durch die Kabinentür kommen, bin ich längst außer Reichweite.“

„Ich könnte durch das Loch in der Decke schießen.“

„Zu laut. Außerdem könnten Sie mich töten.“

„Was, wenn mir das egal wäre?“

Kaia schob das Deckenpaneel wieder an seinen Platz. „Das war’s.“ Sie sprang vom WC-Becken. „Sie wussten, dass ich weglaufen würde, sonst wären Sie nicht so schnell hier gewesen.“

Tyrone lächelte. „Casper Nazarios Anwalt weckt auch in mir den Wunsch, wegzulaufen.“

„Das sollte es nicht.“ Kaia boxte ihn leicht auf den Arm. „Wenn ich die Wahl hätte zwischen Ihnen und zehn Anwälten wie ihm, würde ich mich trotzdem für Sie entscheiden.“

„Er ist ein besserer Anwalt als ich“, meinte Tyrone.

„Er ist erfahrener als Sie. Glatter. Wie sein Boss“, fügte Kaia düster hinzu.

„Ich bin zu groß, um glatt zu sein.“

„Und genau das mag ich an Ihnen. Sagen Sie Ihrer Frau, wenn sie Sie nicht gut behandelt, haben Sie andere Möglichkeiten.“

Tyrone brummte verlegen. Kaia liebte es, ihn hin und wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Nach dem einzigen Mal, als Kaia selbst aus dem Gleichgewicht gebracht worden war, hatte sie über zwei Jahre im Gefängnis Zeit gehabt, sich wieder zu fangen.

Tyrone fasste nach dem Türgriff, doch Kaia hielt ihn zurück. „Ich kann es nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Was immer Casper Nazario von mir will, ich kann es nicht tun.“

„Sie müssen es. Das ist Teil Ihrer Bewährungsauflagen.“ Tyrone hatte die Bedingungen ausgehandelt. Und jedes Mal, wenn ein Regierungsbüro Kaias besonderes Talent in Anspruch nahm, sorgte er dafür, dass ihre Bewährungsfrist weiter verkürzt wurde.

Casper Nazario gehörte allerdings kaum zur Regierung. „Sie wissen, dass Casper gelogen hat und dass ich deshalb im Gefängnis gelandet bin.“

„Es stand Aussage gegen Aussage.“

„Nur dass seine Aussage falsch war und meine richtig.“ Kaia fragte sich, ob Tyrone ihr glaubte. Es sollte ihr egal sein. „Ich gehe nicht in die Nähe dieses Mannes oder einer seiner Günstlinge.“

„Zumindest nicht allein.“

Ihr Selbsterhaltungstrieb warnte sie vor einer Falle. „Sie können ihm nicht trauen.“

„Ich weiß.“ Tyrone sah ihr unverwandt in die Augen, so wie bei ihrer ersten Begegnung, als sie sich über zehn Minuten lang stumm an einem Tisch im Besucherzimmer des Gefängnisses gegenübergesessen hatten. „Aber Sie können mir vertrauen.“

Es ging nicht um Vertrauenswürdigkeit. Es ging darum, es mit einem arroganten Widerling zu tun zu haben. „Warum hat er nach mir gefragt?“, flüsterte sie.

„Lassen Sie es uns herausfinden.“ Tyrone zog fragend die Brauen hoch. Kaia nickte kurz und ging an ihm vorbei zur Tür hinaus.

Dass ich zum Meeting gehe, heißt nicht, dass ich den Auftrag annehme, schwor sie sich. Der einzige Lichtblick in dieser düsteren Lage war, dass Casper verzweifelt sein musste, wenn er ausgerechnet sie um Hilfe bat. Was hatte seine kleptomanisch veranlagte Ehefrau diesmal gestohlen?

Im Konferenzraum setzte sich Kaia in einen bequemen Klubsessel. Der schmierige Anwalt, den sie nur das Wiesel nannte, saß ihr gegenüber auf dem Chintzsofa.

Sie erinnerte sich von ihrer Gerichtsverhandlung her an ihn: stechender Blick, Frisur wie ein Fernsehprediger und kleiner Spitzbart. Er färbte den Bart jetzt dunkelbraun, ließ die Schläfen und Koteletten aber grau. Auffällig. Und nicht im positiven Sinn.

Sein Blick schweifte unruhig über die beiden Männer im Raum. „Wir brauchen Miss Bennets Dienste in einer delikaten Angelegenheit, die ich ihr unter vier Augen darlegen werde.“

„Nein“, sagten Wendell und Tyrone gleichzeitig.

Kaias Nein erklang einen Herzschlag später, weil sie ihm ein „Verdammt“ vorausgeschickt hatte.

„Tyrone als Miss Bennets Anwalt wird bleiben“, erklärte ihr Chef und verließ den Raum, leise die Tür hinter sich schließend.

Es war von Wendells Seite ein ziemlich großes Zugeständnis. Demnach handelte es sich um eine wichtige Sache.

Alvin Rathers alias „Das Wiesel“ schien nicht glücklich über Tyrones Anwesenheit zu sein, dennoch begann er zu reden. Er erfand eine Geschichte von Caspers Frau Tina, die „vergessen“ hatte, ein paar Armbänder zurückzugeben, die irgendein Schmuckdesigner ihr geliehen hatte.

Tina war Kleptomanin, ganz einfach. Kaia hatte das von Anfang an vermutet. Erstaunlich war nur, dass Tina auch nach all den Jahren immer noch ungeschoren davonkam.

Das Wiesel erklärte Caspers Wunsch, dass die Armbänder an den Designer zurückgegeben wurden, ohne dass jemand, vor allem nicht Tina, davon erfuhr. Gott behüte, dass der Mann seine Frau damit konfrontiert und sie von der Notwendigkeit einer Therapie überzeugt, dachte Kaia ironisch.

Ja, ja. Dasselbe Lied, zweite Strophe.

Wie vor sechs Jahren, als Casper sie engagiert hatte, heimlich Schmuckstücke zurückzubringen, die Tina während eines Sommeraufenthalts in den Hamptons bei Freunden hatte mitgehen lassen. Kaia war in seinem Auftrag in Häuser eingebrochen und hatte dort glitzernde Juwelen deponiert – wie ein Osterhase von Tiffany’s –, damit die Besitzer sie „wiederfinden“ konnten.

Dann hatte Casper gelogen, und sie war ins Gefängnis gewandert.

Glaubte er, sie hatte das vergessen?

„Warum bezahlt er die Armbänder nicht einfach?“, unterbrach Kaia den Anwalt.

„Sie sind unverkäuflich“, antwortete er.

Man kann alles kaufen, dachte Kaia zynisch.

„Wie dem auch sei, Mrs Nazario behauptet, dass sie die Armbänder bereits zurückgegeben hat, und in der Tat befinden sie sich nicht im Safe.“ Alvin Rathers rutschte nach vorn, um nicht noch tiefer in dem weichen Sofa einzusinken. „Allerdings erinnert sich Mr Nazario, dass seine Frau einen oder mehrere Safes für ihren persönlichen Gebrauch einbauen ließ, zu denen er keinen Zugang hat.“

Er wusste nicht einmal, wie viele? Kaia wurde hellhörig. Das war großartig. Alles, was Casper leiden ließ, war großartig.

„Es ist möglich, dass Mrs Nazario die Armbänder dort sicherheitshalber verwahrt und es vergessen hat.“

Kaia war stolz darauf, dass sie diese faustdicke Lüge unkommentiert stehen ließ.

Das Wiesel holte ein Dokument aus seiner Aktentasche. „Mr Nazario möchte Miss Bennet engagieren, den oder die Safes zu finden und zu öffnen und den Inhalt auf diese beiden Armbänder hin zu überprüfen.“ Er schob ein Foto über den Couchtisch.

Kaia sah zwei breite silberne Armbänder mit großen türkisfarbenen Steinen. Das Design erinnerte schwach an Indianerschmuck. Sehr schön, sicher, aber sie hatte wenigstens Diamanten erwartet.

„Wenn Miss Bennet die besagten Armbänder identifiziert, wird sie …“

„Sie identifiziert, soweit es ihr als Nichtexpertin möglich ist“, warf Tyrone ein, der den Vertrag studierte.

„Ganz richtig“, stimmte Kaia zu. „Ich verstehe nichts von Türkisen. Deshalb bin ich auch nicht die richtige Person für diesen Job. Tut mir leid.“ Sie stand auf.

Tyrone meldete sich wieder zu Wort. „Wir sind uns alle bewusst, dass Mr Nazario Kaias Dienste schon einmal in Anspruch genommen hat …“

Das hörte sich verdammt noch mal so an, als ob sie eine Pros­tituierte wäre.

„… und es dann zu Unstimmigkeiten kam.“

Unstimmigkeiten? Kaia musterte Tyrone scharf. „Er hat mir einen Anhänger geschenkt und dann behauptet, ich hätte ihn gestohlen, nur um seiner Frau nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Ich bin dafür ins Gefängnis gekommen!“

„Es gab keine Unterlagen über ihre Abmach…“

„Diesmal wird es welche geben“, sagte Tyrone.

„Es wird kein Diesmal geben. Sehen Sie.“ Kaia hielt eine Hand hoch. „Der Gedanke an Casper Nazario macht mich so wütend, dass meine Finger zittern. Damit kann ich keinen Safe knacken.“

„Wird es gegen das Zittern helfen, wenn ich Ihnen sage, dass Mr Nazario das doppelte Honorar zahlen wird und Sie davon fünfzig Prozent erhalten sollen?“, fragte Tyrone.

Kaias Hand wurde postwendend ruhig. „Das wird es.“ Sie setzte sich hin. Sie wollte sich einreden, dass es nicht nur wegen des Geldes war, dass mehr hinter diesen paar Türkisarmbändern stecken musste, und sie neugierig war zu erfahren, um was es wirklich ging. Aber es war wegen des Geldes.

Das Wiesel lächelte spöttisch. „Gute Entscheidung, zumal ich mir vorstellen kann, dass das Honorar wegen der Beschränkungen ziemlich hoch sein wird.“

„Was für Beschränkungen?“, fragte Kaia misstrauisch.

„Wir verlangen äußerste Diskretion in einer höchst delikaten Angelegenheit.“ Das Wiesel holte weitere Papiere aus seiner Aktentasche. „Mrs Nazario soll nichts von dem Versuch, die Safes zu finden und die Armbänder zu holen, mitbekommen.“

„So wie sie auch nicht mitbekommen wird, wenn sie nicht mehr da sind?“

„Wenn sie es bemerkt, dann wird sie jedenfalls nicht Mr Nazario verdächtigen. Er wird in London sein, wenn Sie heute Abend das Haus durchsuchen.“

„Heute Abend? In den Hamptons?“

„Nein. In seinem Haus in Alexandria.“

Nur auf der anderen Seite des Flusses in Virginia, aber trotzdem. Kaia war noch nie in dem Haus gewesen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich brauche Zeit, um den Grundriss und das Alarmsystem zu studieren und das nötige Werkzeug zu beschaffen. Ich weiß noch nicht einmal, mit welcher Art von Safe – oder Safes – ich es zu tun haben werde. Dieser Job besteht aus zwei Teilen. Erst muss ich die Safes finden, dann mit dem entsprechenden Werkzeug zurückkommen.“

„Unmöglich. Heute Abend bietet sich eine einmalige Gelegenheit, und die müssen wir ausnutzen. Sie werden Zugang zum Haus erhalten.“ Alvin faltete eine Kopie vom Grundriss auf dem Tisch auseinander. „Mrs Nazario veranstaltet eine Verkaufsparty für Royce, den Designer, dem die Armbänder gehören.“

Royce? Sie hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Sie hatte seit Jahren zu niemandem aus ihrem früheren Leben Kontakt.

„Ich habe es so arrangiert, dass Sie als seine Assistentin auftreten.“

„Sie wollen, dass ich die Armbänder während einer Party stehle?“ Kaias Puls ging schneller.

Das Wiesel zuckte zusammen. „Nicht stehlen …“

Kaia winkte ab. „Wie immer Sie es nennen wollen.“

Ein vertrautes Gefühl durchströmte sie. Ein Mix aus Spannung, Herausforderung und Aufregung. Welch ein Wagnis! Der Gastgeberin während einer Party Schmuck zu stehlen. Und nicht auf irgendeiner Party, sondern einer Verkaufsparty mit zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen. Wenn sie es schaffte, würde das ein Kick sein, wie sie ihn nicht erlebt hatte seit … seit damals. Seit sie bei den raffiniert geplanten Coups ihrer Familie mitgemacht hatte, bei hohem Risiko und entsprechender Bezahlung.

Kaia vermutete, dass ihre Eltern und ihr Onkel immer noch ihren Betrügereien nachgingen. Irgendwo. Ohne sie. Weil sie jetzt auf der Seite des Gesetzes stand. Im Grunde war der Unterschied gar nicht so groß, nur dass sie die gestohlenen Sachen hinterher abgeben musste und ihre Diebstähle genehmigt waren. Tyrone sorgte für ihre rechtliche Absicherung, und ihr Chef übernahm während ihrer Bewährungsfrist die Verantwortung für sie. Es geschah nicht aus reiner Herzensgüte – Kaia brachte der Firma viel Geld ein. Und es war auf alle Fälle besser als Gefängnis.

„Der Designer ist also eingeweiht?“ Sie fragte sich, ob Royce erwähnt hatte, dass sie sich kannten. Sie würde es nicht zugeben, wenn er es nicht getan hatte. Niemand brauchte davon zu wissen.

„Ja. Er sieht die Notwendigkeit der Diskretion ein.“

Ich wette, dass er das tut. „Ich vermute, dass die Sicherheitsvorkehrungen heute Abend gering sind.“

„Richtig“, bestätigte Tyrone. „Wir haben auch keine Spezialvorrichtungen im Haus installiert. Die Nazarios sind große Kunstmäzene und veranstalten oft private Ausstellungen in Zusammenhang mit Spendenaktionen.“

„Sie sprechen von Sicherheit nach Museumsmaßstäben, nicht wahr?“, fragte Kaia. „Laser. Sperren. Fingerabdruck-Scanner. Alles Sonderanfertigungen. Und keine Zeit zum Vorbereiten?“ Es gab einen Unterschied zwischen einer Herausforderung und einer Unmöglichkeit.

„Einzelheiten sind mir nicht bekannt.“ Tyrone richtete den Blick auf den Anwalt.

Alvin hatte aus seiner Aktentasche eine Mappe in mattem Gold, Schwarz und Silber herausgeholt, die offensichtlich die Sicherheitspläne enthielt. Nach kurzem Zögern reichte er sie Kaia. „Die Maßnahmen wurden kürzlich verschärft.“

Kaia schlug die Mappe auf und schaute auf eine Skizze der komplexen Anlage. Was für eine Herausforderung! Sie hätte es geliebt, dieses System zu überlisten, aber ohne angemessene Vorbereitungszeit hatte sie keine Chance. „Falls, nein, wenn ich einen Alarm auslöse, wird das viel mehr Wirbel verursachen, als wenn man den Sicherheitsdienst einweiht. Gibt es nicht so etwas wie Höflichkeit unter Kollegen?“

„Wie zum Beispiel ‚Schaut in die andere Richtung, während wir euren Kunden bestehlen‘?“, fragte Tyrone. „Hm, nicht dass ich wüsste.“

Kaia lächelte ihn an. Das Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass er nichts lieber täte, als die Konkurrenz auszutricksen. Sie blätterte um. „Also, wer ist heute Abend zuständig?“

„Blake McCauley von TransSecure.“

Sie erstarrte.

Blake McCauley. Sie schaute auf das Anschreiben, sah Blakes Unterschrift und hoffte, dass die beiden ihr nicht anmerkten, wie sehr sie um Fassung rang.

Blake McCauley. Es musste derselbe Mann sein, auch wenn er damals Detective bei der Polizei gewesen war.

Und ihr Liebhaber.

Unerwünschte Erinnerungen schossen ihr durch den Kopf. Hauptsächlich an seine Berührungen. In ihrer Familie war es nicht üblich, sich zu berühren oder zu umarmen, es sei denn, man stahl jemandem etwas aus den Taschen. Doch von dem Moment an, als sie beide von einem Regenschauer überrascht wurden, Blake seinen starken Arm um ihre Schultern gelegt und sie unter seinem Schirm eng an sich gezogen hatte, hatte sie sich nach seiner Berührung gesehnt. In seinen Armen verschwand die schreckliche Einsamkeit. Vor Blake hatte sie nicht gewusst, dass sie einsam war. Sie hatte geglaubt, dass sie sich selbst genügte.

Kaia starrte so lange auf das Papier, dass ihre Augen brannten. Sie blinzelte, bis die Schrift wieder klar wurde. Jahre zuvor hatte die Sehnsucht nach Blakes Berührung sie blind für alles andere gemacht. Sie war nicht nur aus dem Gleichgewicht geraten, sie war tief gefallen. Blake McCauley hatte ihr viel mehr als nur eine Affäre bedeutet. Er war die Liebe ihres Lebens gewesen.

Bis zu dem Moment, als er ihr Handschellen angelegt und sie ins Gefängnis gebracht hatte.

3. KAPITEL

„Ich habe Mrs Nazario ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass es keine Änderungen an der Gästeliste mehr geben soll.“ Während er in das Mikrofon seines Headsets sprach, beobachtete Blake, wie seine Leute das Servicepersonal beim Hereinkommen überprüften. Jeder bekam einen unauffälligen Button mit Sender angeheftet, mit dessen Hilfe jede Bewegung in Form eines wandernden Pünktchens auf einem Monitor verfolgt werden konnte. Falls jemand beschloss, im Haus herumzuschnüffeln, würde er auffallen.

„Der Enkel irgendeiner Lady ist zufällig in der Stadt, und sie möchte ihn mitbringen“, erklärte eine junge männliche Stimme.

Praktikanten. Man musste sie einfach lieben. „Machen Sie ihr klar, dass das nicht geht, Justin.“

„Aber Mrs Nazario hat ihr bereits gesagt, dass es okay ist.“

Blake atmete tief aus. Er würde nie verstehen, warum Menschen einen Sicherheitsdienst engagierten und dann ihr Bestes taten, dessen Maßnahmen zu sabotieren. Er stellte ganz besondere Bedingungen, wenn er einen Auftrag annahm, und darum hatte es bisher auch noch keinen ungeklärten negativen Vorfall in den fünfeinhalb Jahren gegeben, in denen er Wertsachen transportierte und bewachte. Eine perfekte Bilanz in einer Branche, in der ein guter Ruf und Vertrauen schwer zu gewinnen und leicht zu verlieren waren. Deshalb hatte er auch beschlossen, persönlich vor Ort zu sein, statt die Sicherheitsvorkehrungen für die Party an diesem Abend allein seinem Supervisor zu überlassen.

„Ich regle das mit Mrs Nazario. Sie kümmern sich um den Enkel.“

„Aber es ist Freitag!“, protestierte Justin. „Da arbeite ich nur halbtags.“

„Wie würde es Ihnen gefallen, jeden Freitag frei zu haben?“

„Wow, wirklich?“

„Klar“, erwiderte Blake lässig. „Und wenn Sie schon dabei sind, nehmen Sie auch noch Montag bis Donnerstag dazu.“

„Aber … das würde bedeuten, dass ich am Wochenende arbeite.“

Blake schwieg. Justin war der Sohn von Lukes Schwester, ein Studienanfänger, und Luke war Blakes bester Supervisor. Ich tue ihm nur einen Gefallen, erinnerte er sich. Er konnte es aushalten bis … Es war Ende Juni. Wann waren die Semesterferien zu Ende?

Wie die meisten Menschen füllte Justin die Pause mit Geschwätz. „Ich meine, meine Wochenenden sind … Oh. Verstehe. Sie wollten eigentlich nicht …“

Blake atmete ein.

„Ich kümmere mich sofort darum“, versicherte Justin eilig.

„Tun Sie das.“

Blake war mit der Hand schon halb an seinem Kopfhörer, da rief Justin: „Warten Sie. Da ist noch etwas.“

„Was?“

„Oder … oder vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht.“

„Justin.“

„Nun, der Designer ist da, um seine Sachen aufzubauen. Und er hat eine Assistentin mitgebracht.“

„Ja?“ Ungeduldig schaute Blake auf seine Armbanduhr. Das Personal zu überprüfen dauerte zu lange, außerdem schien Luke eine Auseinandersetzung mit einem Lieferwagenfahrer zu haben. Blake musste wissen, was da los war.

„Nur dass keine Assistentin auf der Liste steht.“

Plötzlich hatte Justin Blakes ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Ich meine, es ergibt einen Sinn, dass er Hilfe hat, aber …“

„Ich kümmere mich darum.“ Bevor Blake die Verbindung beendete, fügte er hinzu: „Gute Arbeit.“ Es kam nicht oft vor, dass er einen Grund fand, den Jungen zu loben.

Während er über den Kiesweg zu Luke und dem Lastwagenfahrer ging, rief er sich die Liste der an diesem Abend anwesenden Personen auf seinem Tablet PC auf.

Der Designer wurde als Royce aufgeführt – kein Nachname. Oder vielleicht Vorname. Jedoch keine Assistentin, es sei denn, ihr Name stand unter denen der Gäste.

Blake nahm über sein Headset Kontakt zu Josef auf, den er im Partysaal positioniert hatte.

„Haben Sie ein Auge auf Royce?“

„Ja.“

„Hat er eine Assistentin bei sich?“

„Ja. Außerdem eine Horde von Dekorateuren.“

„Die werden gehen. Finden Sie heraus, ob die Assistentin auf der Party sein wird. Jeder, der bleibt, bekommt einen Sender, auch der Designer.“

„Alles klar.“

In diesem Moment verlor der Fahrer des Lieferwagens die Geduld. Luke nicht, was den Mann noch wütender zu machen schien. Er gestikulierte mit den Armen aus dem Führerhaus. „Ich habe noch mehr zu tun!“

Blake schlenderte bewusst zurückhaltend zu ihnen herüber. „Was ist los?“

„Ich soll eine Plane über der Einfahrt anbringen!“, erklärte der Mann erregt. „Für heute Abend ist Regen und Sturm angekündigt.“

Blake schaute gen Himmel. „Wir wurden nicht über das Anbringen einer Plane informiert.“

„Ich informiere Sie! Ich informiere Sie, dass ich außerdem noch zwei Aufträge habe. Ich muss endlich anfangen!“

„Ich verstehe. Wir lassen uns den Auftrag sofort bestätigen.“

Luke schüttelte den Kopf. „Mrs Nazario ist im Spa und darf nicht gestört werden.“

Großartig. „Wer trägt die Verantwortung?“

Luke lächelte. „Sie.“

„Ja, das dachte ich mir. Okay, durchsuchen Sie den Lieferwagen und lassen Sie den Mann an die Arbeit gehen.“

„In Ordnung.“ Luke ging zur Rückseite des Vans, wo der Fahrer bereits ungeduldig wartete.

Ursprünglich hatte Blake geplant, nach ein paar Stunden in sein Büro in Washington zurückzukehren, doch nun beschloss er, den ganzen Abend zu bleiben. In letzter Zeit hatte es eine Reihe von Einbrüchen in der Gegend gegeben, da wollte er sich persönlich vergewissern, dass alles reibungslos funktionierte. Nicht dass er glaubte, dass tatsächlich während der Party eingebrochen würde. In seiner ganzen Laufbahn, erst als Detective und jetzt als Sicherheitsexperte, war Blake nur einer Person begegnet, die die Fähigkeit und Kühnheit besaß, so etwas zu wagen.

Kaia Bennet.

Ihr blasses Gesicht, umrahmt von glattem dunklem Haar, tauchte im Geiste vor ihm auf, wie so oft, wenn er einen schwierigen Auftrag hatte. Wie würde sie die Sicherheitsmaßnahmen umgehen? Wenn er ein neues System entwickelte, versuchte er, sich in sie hineinzudenken. Sie war die Beste, die er je kennengelernt hatte – als Diebin und als Geliebte.

Sogar nach sechs Jahren erinnerte er sich noch daran, wie sie sich anfühlte, wie sie duftete und schmeckte und wie perfekt ihr Körper an seinen passte. Er vermisste es, mit ihr zu schlafen. Nicht nur den Sex, sondern tatsächlich auch das Schlafen. Ihr Atmen zu hören und ihre Nähe zu spüren, hatte ihm die friedvollsten Nächte seines Lebens geschenkt.

Er dachte daran, wie ihre Miene sich bei seinem Anblick aufhellte und wie er sich dabei fühlte – oder gefühlt hatte bis zu dem Abend, an dem er erkannt hatte, dass alles Lüge gewesen war. Sie war eine Diebin, eine sehr gute sogar, aus einer Familie von Dieben.

Aber die Zeit mit ihr hatte sich echt angefühlt – echter als jede Beziehung danach. Außer dass er danach keine richtige Beziehung mehr gehabt hatte. Nur Begegnungen. Leere Begegnungen.

Normalerweise gelang es ihm recht gut, sich an die Diebin zu erinnern und die Geliebte auszublenden. Heute nicht. Die ganze Woche nicht. Ihr letzter Coup vor ihrer Verhaftung war der Diebstahl eines Diamantanhängers von den Nazarios gewesen.

Sein letzter Fall, bevor er seinen Dienst quittiert hatte.

Und das war alles, woran er denken würde. Es war vorbei. Vergangenheit.

Während er zum großen Saal ging, ließ er den Blick über den Seiten- und Vordereingang schweifen und registrierte die toten Winkel, die durch die Plane entstehen würden. Ja, es war eine gute Entscheidung, heute Abend hierzubleiben. Bei dem drohenden Unwetter, dem wertvollen Schmuck, den vielen Leuten und einer Gastgeberin, die die Sicherheitsvorkehrungen nicht ernst nahm, konnte Luke seine Hilfe gebrauchen.

Nur für alle Fälle.

Kaia stand mitten im Partyraum und schaute sich um. Casper konnte es sich eindeutig leisten, die unselige Gepflogenheit seiner Frau weiterhin zu decken.

„Hör auf, mich so anzustarren“, murmelte sie Royce zu, während sie systematisch all die Glasbruchsensoren und Überwachungskameras erfasste.

„Du siehst nach deinem Aufenthalt im Knast nicht schlechter aus als früher.“

Kaia machte mit ihrer Bestandsaufnahme weiter, um sich zu vergewissern, dass es keine Abweichungen von den Plänen gab, die das Wiesel ihr gegeben hatte. „Ich bin seit fast drei Jahren draußen.“

„Vorzeitig entlassen wegen guter Führung?“

„So ungefähr.“

Royce lehnte sich näher. „Bleiben wir dabei, dass wir uns nie vorher gesehen haben?“

„Außer bei denen, die glauben, dass ich deine Assistentin bin.“

„Wie kompliziert. Warum wirst du nicht wirklich meine Assistentin? Du könntest es.“

„Nein.“

Royce lachte leise. In seiner Stimme klang ein leichter britischer Akzent mit. Gespielt natürlich. Je teurer der Schmuck, desto ausgeprägter der Akzent.

„Oh, ich bin davon überzeugt, dass du es könntest.“ Er trat einen Schritt zurück. „Kaia, sieh mal.“

Als sie sich umdrehte, hielt er zwei Ringe hoch, dann versteckte er sie in seiner Faust. „Welcher ist wertvoller?“

Es war ein altes Spiel, ein Partygag. Ihr Vater hatte es geliebt, mit der früh ausgebildeten Fähigkeit seiner kleinen Tochter anzugeben. Kaia wollte nicht spielen, aber bevor sie Royce neugierig machte, warum sie es nicht wollte, antwortete sie: „Der in deiner linken Hand. Es ist ein elfkarätiger birnenförmiger Aquamarin, von Diamanten eingefasst. Der Ring in deiner rechten Hand ist ein blauer Topas, eingefasst mit weißen Topasen oder vielleicht Zirkonen.“

Royce hob die Augenbrauen. „Du hast dein Talent nicht eingebüßt.“

Kaia griff nach den beiden Ringen. „Du auch nicht.“ Eine Modeschmuckkopie vom Originalstück zu machen, war eine Marotte von Royce.

„Was machst du ausgerechnet in der Sicherheitsbranche, Kaia? Ich verstehe, dass du ehrlich werden willst, nur warum auf diese Art? Versteh mich nicht falsch. Ich bin dankbar für deine Hilfe heute Abend, doch du hast eine Gabe. Mit deinem Kennerblick könntest du ein Vermögen als Juwelenhändlerin machen.“

Kaia wusste das, hatte aber keine Lust, über ihre Bewährungsauflagen zu sprechen. Sie gab Royce die Ringe zurück. „Ich muss erst mein Image als braves Mädchen aufpolieren.“

„Du hast ein Image als braves Mädchen?“

„Siehst du?“ Sie lachten und begannen, die hohen runden Podeste auszupacken, die Royce mit schwarzem Samt verkleiden und dann als Ständer für seine Kreationen benutzen wollte.

„Also …“, begann Kaia, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Dekorateure außer Hörweite waren, „… was ist mit den Armbändern? Warum hast du sie dir nicht einfach von Casper bezahlen lassen?“

„Wir konnten uns nicht auf einen Preis einigen.“ Wie interessant, dass er auf einmal ohne eine Spur von britischem Akzent sprach.

„Ja, das habe ich vermutet. Wie geht die Geschichte?“

„Die Armbänder sind Trauerschmuck.“ Er schaute sie flüchtig an. „Schmuck, in den das Haar des Verstorbenen eingearbeitet ist.“

„Ja, ich weiß.“

„Der Wert liegt eher im Ideellen als im Material“, erklärte Royce. „Da ich in diesem Fall Silber und Türkise aus echtem Indianerschmuck verarbeitet habe, ist er auch historisch wertvoll. Hast du die Fotos gesehen?“

Sie nickte.

„Die Markierungen stellen eine Familiengeschichte dar.“ Er hörte auf zu hantieren und begegnete ihrem Blick. „Die meiner Familie.“

„Oh.“ Kaia atmete tief durch. „Wie zum Teufel ist Tina Nazario an deine Familiengeschichte bekommen? Und warum hast du überhaupt etwas mit ihr zu tun?“

„Sprich leiser!“ Royce schaute sich hektisch um, aber die Dekorateure und Floristen waren in ihre eigene Welt versunken. „Ich kann es mir nicht leisten, Tina Nazario zu verprellen.“

„Mit solchen Freunden …“

Royce seufzte. „Komm schon, Kaia. Du weißt, wie es läuft.“

„Oh ja.“

„Ich würde nicht nur Tina als Kundin verlieren, sondern auch ihr gesamtes gesellschaftliches Umfeld.“ Er machte eine ausholende Handbewegung. „Siehst du nicht, was sie für mich tut?“

„Ist das ihre Art, für die Armbänder zu bezahlen? Wobei du mir immer noch nicht erklärt hast, wie sie an sie herangekommen ist.“

„Ich habe sie an eine Ausstellung verliehen, auf der indianischer Schmuck präsentiert wurde. Dann kamen die Fotografen und wollten Bilder von Tina mit den Armbändern.“

„Da hast du sie die Fotos machen lassen, und Tina tanzte mit den Armbändern davon?“

„Ich habe aufgepasst. Ich habe sie die ganze Zeit beobachtet. Bis immer mehr Leute die Armbänder aus der Nähe sehen wollten. Da habe ich Tina in der Menge aus den Augen verloren. Plötzlich war sie fort.“

„Und was geschah, als du um die Rückgabe des Schmucks gebeten hast?“

„Ich sollte herkommen und ihn abholen. Dabei wurden mir zwei zeitgenössische Armbänder präsentiert. Sie ähnelten nicht einmal meinem Design.“ Royce machte ein verächtliches Gesicht. „Tina war inzwischen außer Landes.“

„Nett. Und weiter?“

„Sie hat sich schon öfter Schmuck geliehen, und Mr Nazario hat meine Rechnung immer bezahlt.“

Kaia nickte. „Aber diesmal ist es anders. Ich bin plötzlich hoch motiviert.“ Komisch, dass man es „leihen“ nannte, wenn Tina sich etwas nahm, was ihr nicht gehörte, bei Kaia dagegen von „stehlen“ sprach.

„Ich werde ewig in deiner Schuld stehen.“ Die Art, wie Royce das sagte, verriet, dass er es wirklich ernst meinte.

Es war eine gute Geschichte, und Royce schien zu glauben, dass das alles war. Doch Casper ließ eine hohe Summe springen und hatte sich ausgerechnet an Kaia gewandt. Wie kam er darauf, dass er ihr trauen konnte, nachdem sie durch seine Falschaussage im Gefängnis gelandet war?

Es musste noch mehr dahinterstecken.

Kaia schüttelte die Samttücher aus. „Die sind zerknittert. Hast du ein Bügeleisen?“

„Ja. Oh, bitte sprüh nicht zu viel Wasser auf.“ Royce sprach nun wieder mit britischem Akzent. „Den Stoff nur leicht aus einiger Entfernung einnebeln.“

Kaia verdrehte die Augen, schnappte sich das Bügeleisen und den Stoff und ging ans andere Ende des Saals.

Dort steckte sie den Kopf durch die Tür zum angrenzenden Raum. Laut Plan handelte es sich um ein Arbeitszimmer. Dunkles Holz, schwerer Schreibtisch. Zu maskulin für Tina, also musste es Caspers Büro sein. Auf der anderen Seite des Raums waren Flügeltüren. Es war immer gut zu wissen, wo sich die Ausgänge befanden. Mit dem Dampfbügeleisen in der einen Hand und dem Stecker in der anderen, so als ob sie nach einer Steckdose suchte, trat Kaia ein und ging rasch zu den Türen. Durch die Scheiben sah sie, dass Arbeiter eine Plane über der Einfahrt anbrachten und ein Mann vom Sicherheitsdienst eine Kamera an ein Verlängerungskabel anschloss. Prima. Blake hatte an alles gedacht. Offensichtlich hatte er all ihre Tipps, die sie ihm damals nebenbei gegeben hatte, beherzigt und sein Wissen benutzt, eine Elitefirma aufzubauen.

Ungewollt empfand Kaia bei dem Gedanken gewissen Stolz.

Plötzlich hörte sie, wie hinter ihr die Tür mit einem leisen Klicken geschlossen wurde.

Kaia setzte ein Lächeln auf, drehte sich um und sagte: „Ich suche nach einer Steckdose für das Bügel…“

Casper Nazario stand im Raum. Ein wenig grauer und zweifellos noch sehr viel reicher als früher.

„Hallo, Kaia.“

„Sie sind nicht in London.“

Er lächelte frostig. „Ich freue mich, dass der Aufenthalt im Gefängnis Ihren intellektuellen Fähigkeiten nicht geschadet hat.“

„Es sind wohl eher meine handwerklichen Fähigkeiten, auf die Sie Wert legen. Ich nehme an, Sie wollen mir sagen, warum ich wirklich hier bin.“

Casper setzte sich an den Schreibtisch, holte eine Klappkarte aus der Schublade und warf sie auf den Schreibtisch. Danach klappte er den Laptop auf und steckte einen USB-Stick ein. „Bitte.“ Er deutete auf die Karte.

Das Foto von einer mit Juwelen verzierten Schnupftabaksdose erweckte sofort Kaias Aufmerksamkeit. Fabergé oder zumindest in dem Stil gearbeitet. Sie stellte das Bügeleisen ab und nahm die Karte, die sich als Einladung zu einem Bankett in der litauischen Botschaft entpuppte, das vor einigen Wochen stattgefunden hatte.

„Sagen Sie nicht, dass Tina das gestohlen hat.“

Casper warf ihr einen grimmigen Blick zu. „Ich weiß es nicht.“

„Aber Sie haben den Verdacht.“

„Ich habe den Verdacht.“ Wenigstens heuchelte er nicht mehr.

Er drehte den Laptop zu ihr herum. Kaia las den Artikel auf dem Bildschirm. Demnach war die Schnupftabaksdose ein Geschenk von einem amerikanischen Unternehmen an die litauische Regierung anlässlich der Aufnahme von Handelsbeziehungen. Sie schaute auf die Fotos von der Übergabe der Dose und dann auf einen Koch mit rotem Gesicht, der sich mit einem Spritzbeutel über ein Dutzend kleiner Dosen beugte, die genau wie das Original aussahen. „Wir waren bei dem Dinner anwesend“, erklärte Casper. „Jeder Gast bekam eine Nachbildung der Dose aus Schokolade geschenkt.“

„Und Tina hat ihre gegen die echte eingetauscht?“

„So scheint es. Ein paar Tage lang ist es niemandem aufgefallen.“

„Sie machen Witze.“ Kaia war unglaublich beeindruckt von Tina und dem Koch.

Kopfschüttelnd holte Casper eine weiße Schachtel mit einem farbigen Siegel aus der Schublade. „Die Repliken sind exzellent. Überzeugen Sie sich selbst.“ Er hob den Deckel ab, und die Seiten klappten auseinander. „Ich bewahre sie sonst im Kühlschrank auf, weil ich sie bei Gelegenheit meiner Enkelin geben möchte.“

Kaia hielt den Atem an. Sie hatte von essbarem Blattgold gehört, es allerdings noch nie aus der Nähe gesehen. Und wie mochte der Koch die „Juwelen“ zum Funkeln gebracht haben? Mit einer Art Zucker? Kaia beugte sich vor, um das süße Kleinod genauer zu betrachten, und sah, dass die Schokolade durch den Temperaturwechsel beschlagen war. „Stellen Sie sie wieder in den Kühlschrank, bevor sie ruiniert ist.“

Casper faltete die Schachtel zusammen und setzte den Deckel auf. „Wenn Sie die echte Dose nicht finden, bin ich ruiniert.“

Prima, dachte Kaia.

Sorgfältig stellte Casper die Schokoladenreplik wieder in die Schublade. „Mitarbeiter des Außenministeriums befragen diskret alle Gäste, die an dem Bankett teilgenommen haben. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Zeit, bis jemand sagte: Hey, wenn Sie etwas vermissen, fragen Sie Tina Nazario.

„Also das ist es.“ Jetzt ergab alles einen Sinn. „Die Armbänder waren nur ein Vorwand. In Wirklichkeit wollen Sie, dass ich die Dose suche?“

„Und die Armbänder.“

Kaia stieß sich vom Schreibtisch ab. „Ich bin nur hier, um den Schmuck zu finden.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Ich werde das Honorar …“

„Keine Chance.“ Sie nahm das Bügeleisen und ging zur Tür. „Wenn Sie den Umfang des Auftrags vergrößern wollen, reden Sie mit Guardian.“

„Das kann ich nicht.“

„Ich auch nicht.“

„Nennen Sie mir Ihren Preis“, verlangte er herrisch.

Kaia blieb stehen, drehte sich um und zog ihr Handy aus der Hosentasche. „Sie sagen kein Wort, bis mein Anwalt am Telefon ist.“

Casper ließ die Schultern hängen und nickte.

Oh, Mann, wie verzweifelt muss er sein. Kaia tippte eine Nummer ein. „Tyrone? Wir haben ein Problem. Ich stelle auf Lautsprecher.“

Sie hörte ein Rascheln im Hintergrund. „Ich nehme das Gespräch auf“, antwortete Tyrone. „Wer ist anwesend?“

„Ich.“

Kaia nickte Casper zu, der düster sagte: „Casper Nazario.“

Sie stellte sich vor, wie Tyrone eine Grimasse schnitt. „Mr Nazario möchte den Umfang seiner Vereinbarung mit Guardian ändern.“

„Fahren Sie fort“, forderte Tyrone sie auf.

Kaia wartete darauf, dass Casper seinen Anwalt herbeirief. Er tat es nicht. Das bedeutete für sie eine exzellente Verhandlungsposition.

„Wenn Kaia die Armbänder zurückholt, soll sie den restlichen Inhalt des Safes katalogisieren“, sagte Casper.

„Und/Oder der Safes“, fügte Tyrone ein.

„Einverstanden. Falls sie eine bestimmte Schnupftabaksdose findet, möchte ich, dass sie sie mir bringt.“

„Nach London?“, fragte Tyrone trocken.

„An einen Ort, der noch bestimmt wird.“

„Den bestimmen wir jetzt“, sagte Tyrone nachdrücklich.

Casper presste kurz die Lippen zusammen. „Ins Perking Lot, einen Coffeeshop etwa eine Meile von hier.“

„Ich werde meiner Klientin nicht erlauben, das Grundstück mit irgendeinem Objekt zu verlassen, das ihr nicht gehört.“

Casper sah aus, als ob er gleich vor Wut platzen würde. „Wir treffen uns nach der Party im Poolhaus.“

„Ich werde auch anwesend sein“, verkündete Tyrone. „Kaia, Sie verlassen das Haupthaus nicht, bevor Sie mich angerufen haben. Ich informiere Sie, sobald ich da bin. Erst dann, und nur dann, werden Sie zum Poolhaus gehen.“

Blakes Leute würden ihr das niemals gestatten. „Falls ich das nicht schaffe, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, was tue ich dann?“

Casper lächelte schwach. „Legen Sie die Schnupftabaksdose in die Schublade.“

„Genauer.“

„Er spricht von der Schreibtischschublade, die er abschließt.“

„Inakzeptabel“, sagte Tyrone.

„Das ist absurd!“ Casper schlug mit den Händen auf den Schreibtisch. „Sie wird die Dose dorthin legen, wo ich es sage!“

Schweigen.

„Sie wird sie dort hinlegen, wo ich es sage.“

Gut gemacht, Tyrone.

Caspers Blick flackerte. Ja, so ist es richtig. Diesmal bist du nicht der Einzige mit starkem rechtlichem Rückhalt.

„Kaia?“, drängte Tyrone.

„In die Vase auf dem dritten Bord des Regals in der südwestlichen Ecke des Raums.“

„Für den Fall, dass Kaia nicht in der Lage ist, das Objekt nach der Party zum Poolhaus zu bringen, wird sie besagtes Objekt in die Vase auf dem dritten Bord des Regals in der südwestlichen Ecke des Raums, in dem Sie jetzt anwesend sind, legen.“

„Einverstanden“, erwiderte Casper gereizt.

„Ich brauche eine Beschreibung der Schnupftabaksdose.“

„Er hat mir ein Foto gezeigt“, warf Kaia ein.

„Faxen Sie mir eine Kopie?“

Casper atmete aus. „Ja, in Ordnung.“

„Und jetzt zur Bezahlung“, sagte Tyrone.

Obwohl Casper wusste, dass sie die Oberhand hatte, begegnete er ihrem Blick mit Verachtung.

Verachtung. Wie konnte er es wagen? Zorn stieg in ihr auf, doch sie beherrschte sich. „Ich will meinen Namen reingewaschen haben. Und ich will das Katzenauge. Das ist mein Preis.“

Casper lachte kurz. Für einen Mann am Rande des Ruins spielte er ziemlich leichtsinnig mit seinem Glück.

„Sie haben recht. Vergessen Sie es“, schlug Kaia vor. „Tut mir leid, dass ich Sie bemüht habe, Tyrone.“

„Warten Sie.“ Casper lachte tatsächlich wieder. „Das eine oder das andere, Kaia. Nicht beides.“ Und da war sie wieder, die Verachtung.

Er hatte gerade von ihr verlangt, dass sie sich für oder gegen ihren guten Ruf entschied. Nur dass sie nie einen guten Ruf gehabt hatte. Sie war zwar nicht des Verbrechens schuldig, für das sie verurteilt worden war, aber sie hatte andere Verbrechen begangen. Richtig. Doch ein Leben ohne strikte Bewährungsauflagen wäre sehr viel angenehmer als bisher.

„Waschen Sie meinen Namen rein“, wiederholte sie ihre Forderung. „Denn wie Sie wissen, gehört mir das Katzenauge bereits. Sie werden es mir einfach nur zurückgeben.“

Casper war ein gefährlich mächtiger Mann, und Kaia setzte ihn unter Druck. Falls sie sich nicht einigten, würde sie zweifellos einen „bedauerlichen Unfall“ haben, da sie jetzt von der entwendeten Schnupftabaksdose wusste. Aber Kaia dachte nicht daran nachzugeben.

„Niemand erfährt davon“, antwortete er schließlich. „Niemand, sonst ist unsere Vereinbarung null und nichtig. Einverstanden?“

„Einverstanden“, sagte Kaia.

4. KAPITEL

Blake ging in den Partyraum und blieb stehen. Mehrere Ausgänge. Eine Fensterwand. Ja, er hatte all das gewusst, aber die riesigen Sträuße in einen Meter fünfzig hohen Urnen, die Kaskaden von Lichterketten und das Dutzend Tische, von schwarzem Stoff umhüllt, waren neu. Das Licht, okay, das verstand er, sollte die Juwelen zum Funkeln bringen – doch wie leicht wäre es, Schmuck in den Blumenarrangements zu verbergen und später hervorzuholen? Und die bodenlangen Tischtücher versperrten nicht nur teilweise die Sicht, sondern könnten auch ein Versteck verschleiern.

Blake steuerte auf einen Mann mit Pferdeschwanz zu. Ja, das musste Royce sein. Er streckte die Hand aus. „Blake McCauley, Chef des Sicherheitsdienstes.“

„Royce.“ Der Designer schüttelte ihm die Hand mit einem Griff, der nicht so feminin war, wie Blake erwartet hatte.

Er schaute auf die offenen Schmuckkästen, in denen teure Juwelen glitzerten. „Haben Sie eine Bestandsliste für mich?“

Royce holte eine Liste aus einer schwarzen Mappe und reichte sie ihm zusammen mit einem USB-Stick. „Bitte sehr. Auf dem Stick sind detaillierte Informationen über die Steine sowie Fotos. Ich bitte Sie, die Daten nicht zu kopieren und sich nicht darauf zu beziehen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.“ Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass dies keine Bitte, sondern ein Befehl war.

Okay. Eines Tages, wenn er einmal viel Zeit hätte, würde Blake nur so zum Spaß Royces Hintergrund prüfen. Zu schade, dass er wahrscheinlich nie die Zeit haben würde. „Macht es Ihnen etwas aus, die Liste mit dem Inhalt der Kästen zu vergleichen?“

Royce hielt seinem Blick einen Moment stand, dann zuckte er mit den Schultern. „Das wird einige Zeit dauern.“

„Vielleicht kann Ihre Assistentin mir helfen. Mir wurde mitgeteilt, dass Sie eine mitgebracht haben.“ Blake schaute sich demonstrativ nach allen Seiten um. „Ich wusste gar nichts davon.“

„Jetzt wissen Sie es“, erwiderte Royce lässig.

„Und wo ist diese Assistentin?“

„Bei der Arbeit.“

„Wenn Sie möchten, dass Sie den ganzen Abend bleibt, dann brauche ich einen Namen.“

„Wozu?“

„Background-Check.“

Royce lachte leise. „Das ist nicht notwendig.“

Blake war sich sicher, dass der Designer etwas verbarg. „Wie lange kennen Sie Ihre Assistentin schon?“

„Ihr ganzes Leben. Es ist meine Nichte Samantha Whitefeather. Sie hat Semesterferien und brauchte einen Job.“ Royce lächelte. „Sie wissen, wie das innerhalb der Familie geht.“

Blake machte sich eine Notiz. „In der Tat.“

Royce deutete auf einen der offenen Kästen. „Kasten C. Bereit?“

„Warten Sie.“ Blake drückte auf sein Mikrofon. „Josef? Wo sind Sie?“

Am anderen Ende des Raums machte Josef sich mit Handzeichen in der Menge bemerkbar. Blake winkte ihn heran. „Mein Partner wird das übernehmen“, sagte er zu Royce. „Ich werde noch woanders gebraucht.“

Casper hatte tatsächlich nachgegeben. Kaia fühlte sich ziemlich gut, als sie sich auf den Weg zu Royce machte.

Nur ein winziges Ding stand zwischen ihr und der Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie wollte: die Schnupftabaksdose. Kaia musste sie finden, ohne dass jemand außer Tyrone und Casper davon erfuhr. Das sollte kein Problem sein. Sie hatte nicht vor zu plaudern.

Falls man sie erwischte, würde Casper es nicht wagen, sie anzuzeigen. Er hatte den Vertrag, den Tyrone per Fax geschickt hatte, unterschrieben zurückgefaxt. Das wäre der Beweis, dass Casper seine Frau des Diebstahls verdächtigte. Allerdings könnte Kaia das Katzenauge dann vergessen.

Sie würde sich nicht erwischen lassen.

„Gut, dass du wieder da bist“, sagte Royce. „Der Sicherheitschef hat mich nach dem Namen meiner Assistentin gefragt, um sie zu überprüfen.“

Kaia war sofort alarmiert. „Was hast du geantwortet?“

„Ich habe ihm Sams Namen genannt. Ich hoffe, sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen.“

Kaia entspannte sich leicht. „Danke.“

„Keine Ursache.“

In dem Moment jaulte ein langhaariges Hündchen auf der Empore über ihnen. „Da fällt mir ein, ich muss einen Vorwand finden, mich oben umzusehen.“ Zwei Dekorateurinnen wanden Blumengirlanden um die Stäbe des Geländers. Eine stand auf einer Leiter, die andere kniete auf dem Boden.

„Ich habe erfahren, dass wir heute Abend alle verkabelt werden“, sagte Royce.

„RFID?“

„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“

„Radiofrequenz-Identifikation. Winzige Sender“, erklärte Kaia. „Du solltest zusehen, welche für deinen Schmuck zu bekommen. Wenn die Stücke davonspazieren, weißt du immer, wo sie sind.“

„Oh, das klingt teuer, und so viel Geld habe ich nicht.“ Wie paradox, denn Royce beugte sich über Kästen mit Schmuck im Wert von mehreren Zehntausend Dollar.

Doch Kaia glaubte ihm. „Du wirst nie genug haben, wenn du weiterhin kostenlose Muster verteilst.“ Sie nahm ein paar Schmuckständer und ging damit zu dem Tisch, der der Treppe am nächsten stand.

Royce schnitt ihr eine Grimasse. Lachend stellte Kaia die Ständer ab, schlüpfte hinter ein riesiges Blumenarrangement und schaffte es, die Treppe hochzugehen, ohne von den Dekorateurinnen gesehen zu werden.

Da hörte sie ein Winseln und Knurren zu ihren Füßen.

Kaia knurrte zurück.

Dunkelbraune Hundeaugen musterten Kaia durch seidige blonde Strähnchen, die wie vom Friseur gemacht aussahen. Eine rosa Zunge hing aus dem Maul.

„Was machen Sie hier oben?“ Die beiden Dekorateurinnen schauten sie misstrauisch an.

„Ich suche das Badezimmer.“

„Sehen Sie unten nach. Ich bin die Einzige, die die Erlaubnis hat, sich oben aufzuhalten“, sagte die Frau, die auf der Empore kniete. Der Hund bellte wie zustimmend.

Als Kaia ihn anfunkelte, schnappte er sich ein Stück Band und rannte davon, wobei er die Spule hinter sich abwickelte.

„Jo Jo!“ Die kniende Frau versuchte mühsam, sich aufzurichten. „Dummer Hund.“

„Ich hole ihn.“ Kaia – wie alle Einbrecher kein Freund von Hunden – eilte ihm hinterher.

Wie bestellt flitzte er ins Schlafzimmer. Kaia trat direkt hinter ihm ein.

„Hey! Du hast hier drin nichts zu suchen!“, rief sie laut und stampfte mit dem Fuß auf.

Vor Schreck ließ der Hund das Band fallen. Kaia nahm ihn auf den Arm und nutzte die Gelegenheit, sich im Schlafzimmer umzusehen, bevor die Dekorateurin misstrauisch wurde. Sie öffnete die Tür zu einem Wandschrank voller Anzüge, schloss die Tür und öffnete die nächste, hinter der sich ein begehbarer Kleiderschrank verbarg, der als Gästezimmer hätte dienen können.

Während Jo Jo an ihrem Ohr schnüffelte, suchte Kaia den Fußboden ab und entdeckte schließlich eine verräterische Teppichnaht unter einer Truhe. Ein Bodentresor. Ganz sicher. Aber sie hatte keine Zeit mehr.

Sie hob das Band auf und wich Jo Jos Zunge aus. Der dumme Hund schien zu glauben, dass Kaia seine neue beste Freundin war.

Nun, sie war es nicht.

Gern hätte sie noch die anderen Räume inspiziert, doch das konnte sie nicht riskieren. Sie trug Jo Jo über den Flur zurück. „Wo ist das Bad?“

Die kniende Frau deutete mürrisch mit dem Kopf in die Richtung. „Links von Ihnen.“

Noch etwas war links von Kaia: die Kante eines Metallgitters, das in die Wand eingebaut war. Das war eine neue Tücke in dem ohnehin schon ausgeklügelten Sicherheitssystem. Wenn ein Alarm ausgelöst wurde, würden diese Sperre und wahrscheinlich noch weitere Gitter den Flur abriegeln und so entweder einen Eindringling abhalten oder ihn gefangen halten, bis Polizei und Sicherheitsdienst kamen.

Also, wo waren die anderen Gitter? Wie konnte sie sie umgehen, falls sie einen Alarm auslöste? Und da sie gerade dabei war, wo befanden sich die Sensoren? Sie waren bestimmt lasergesteuert. Was für ein Spaß.

Kaia nahm den schwanzwedelnden Jo Jo mit ins Bad, betätigte der Show halber die Spülung, während sie sich aufs Toilettenbecken stellte und mit dem Finger um den Fensterrahmen strich.

Das Fenster war sechseckig und klein, so klein, dass es keine Sensoren hatte. Nur eine sehr schlanke, sehr athletische Person wäre fähig, durch dieses Fenster zu klettern.

Jemand wie Kaia.

Leider war das Bad auf der einen Seite der Absperrung und das Schlafzimmer auf der anderen.

Jo Jo winselte leise. Nachdenklich stieg Kaia vom Toilettenbecken, hob den Hund hoch und streichelte ihn, bevor ihr bewusst wurde, was sie tat. Jo Jo leckte ihr Handgelenk. Als er ihr auch noch das Ohr zu lecken versuchte, setzte Kaia ihn auf den Boden.

„Jo Jo, ich sollte von hier weggehen. Weit, weit weg. Aber weißt du was? Ich will diese Sache durchziehen. Da gibt es nämlich diesen Mann. Er hat mir unrecht getan, und ich will Rache. Deshalb werde ich bleiben. Wir sehen uns heute Abend.“ Kaia ging zur Tür. „Zu schade, dass Blake nie erfahren wird, dass ich sein System ausgetrickst habe.“

„Kamera eins.“

„Gut.“

„Kamera zwei.“

„Gut.“

Über sein Headset hörte Blake mit, wie Luke die Kamerachecks mit dem Kollegen vor den Monitoren durchführte. Beinahe hätte er den Fehler gemacht zu übernehmen, was Lukes Autorität nicht nur bei diesem Auftrag, sondern auch bei künftigen Aufträgen untergraben hätte. Er hatte schon die Blicke seiner Leute bemerkt, aber er konnte ihnen schlecht erklären, dass die Nazarios sein erster großer Kunde waren und dass er hier war, weil er ihnen etwas schuldete, ohne anzudeuten, dass er Luke nicht voll vertraute.

Das Paradoxe war, dass die Nazarios glaubten, dass sie ihm etwas schuldig waren. Dabei hatte er damals nur seinen Job gemacht.

In Wahrheit … Blake lehnte sich an die halbhohe Steinmauer, die den Küchengarten umgab, und beobachtete, wie das Personal vom Catering Service bei seiner Ankunft überprüft wurde.

In Wahrheit war er damals sehr nah daran gewesen, seinen Job nicht zu machen. Er war abgelenkt gewesen. Von Kaia Bennet. Beinahe hätte er sie mit einem Diamantanhänger entkommen lassen.

Er war nicht stolz darauf. Selbst heute noch fühlte er sich scheußlich bei dem Gedanken daran, wie er sich von ihr in Versuchung hatte führen lassen. Er war gerade noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen, und doch nagten immer noch Zweifel an ihm. Vielleicht lag es an ihren Augen. An ihrem schockierten Blick und der Art, wie das Blut aus ihren Wangen gewichen war.

War sie so schockiert gewesen, weil sie es nicht geschafft hatte, ihn zum Narren zu halten?

Oder weil sie es nicht versucht hatte?

Sie war gut. Wirklich gut. Seit ihrer frühesten Kindheit von ihrer Familie trainiert. Er hatte das Richtige getan. Er wusste es.

Es hatte nur zu lange gedauert.

Aber vielleicht hatte er auch nicht das Richtige getan. Genau das war der Grund, weshalb er den Polizeidienst quittiert hatte. Blake McCauley konnte sich nicht mehr auf seinen Instinkt verlassen.

Er hatte den Sicherheitsdienst TransSecure gegründet, und kurz nach Kaia Bennets Verurteilung hatten die Nazarios seinen Service für eine Kunstausstellung in Anspruch genommen. Danach hatten sie ihn in ihren Kreisen weiterempfohlen. Das hatte genügt, um ihn zu dem Mann zu machen, zu dem man ging, wenn man etwas Wertvolles zu transportieren hatte.

Sicher vertraute er Luke. Absolut. Doch er fühlte sich besser, wenn er heute Abend blieb. Vielleicht, weil es um Schmuck ging – er wusste es nicht. Aber sein Instinkt – dem er immer noch nicht ganz traute – sagte ihm, dass er hier sein sollte.

„Es ist einfach kein Platz für Ihren kleinen Anstecker.“ Kaia lächelte zu dem Muskelmann von TransSecure hoch, der errötend auf ihren Ausschnitt starrte.

„Ich, also …“

„Außerdem arbeite ich für Royce. Es wird schon okay sein.“ Kaia versuchte, an ihm vorbeizugehen.

„Ma’am.“

Sie seufzte innerlich. Es war einen Versuch wert gewesen, sich um den RFID-Button zu drücken. Jemand von TransSecure beobachtete das Meer von Punkten auf einem Monitor. Das bedeutete, dass er sehen würde, wenn Kaias kleiner Punkt sich nach oben bewegte. Und wenn sie den Sender abnähme und irgendwo deponierte, würde die fehlende Bewegung ebenso auffallen.

Unangenehm, aber sie würde sich etwas überlegen. Sie streckte die Hand aus. „Darf ich ihn wenigstens irgendwo anbringen, wo man ihn nicht sieht?“ Sie setzte ihr vertrauenswürdigstes Lächeln auf.

Der Mann lächelte ebenfalls. „Solange wir das Signal empfangen können.“

Na also. Ihr Lächeln wirkte bei Männern immer besser als bei Frauen. Langsam schob Kaia die Finger unter das Bandeau-Oberteil ihres Kleides und steckte die Nadel durch ihren BH. „Wie ist das?“

„Ma’am?“ Der Mann wirkte benommen.

Sie senkte ihre Stimme. „Können Sie mein Signal empfangen?“

Er starrte auf ihren Mund.

„Hmm?“

„Was? Oh.“ Er errötete noch mehr, wedelte mit einem Lesegerät vor ihrer Brust und nickte. „Sieht toll aus. Ich meine … ich empfange das Signal.“

„Gut zu wissen.“ Kaia lächelte wieder und verschwand in den Partysaal.

Sie sah gut aus. Es war sehr lange her, dass sie dieses Kleid getragen hatte. Dass sie es überhaupt noch einmal anziehen würde, hätte sie nie gedacht. Es war kein gewöhnliches Abendkleid, sondern konnte auf verschiedene Arten getragen werden. Der weite Rock verbarg die kleinen Werkzeuge, die sie um ihre Beine geschnürt hatte. Die dekorative Metallschnur, mehrfach um das Oberteil und die Taille gewickelt, taugte als Seil, und in den vielen versteckten Taschen konnte sie kleine Objekte – wie eine Schnupftabaksdose – leicht verschwinden lassen. Außerdem trug sie Leggings unter dem Rock – nur für den Fall, dass sie klettern müsste, zum Beispiel durch ein sechseckiges Fenster in einem Badezimmer im ersten Stock.

Royce hatte darauf bestanden, dass sie einige seiner Halsketten vorführte. Er schien vergessen zu haben, weshalb sie wirklich hier war. Nämlich um seine Armbänder zurückzuholen. Und natürlich die Schnupftabaksdose, aber davon wusste er ja nichts. Es war kompliziert.

Einen Moment lang stellte Kaia sich vor, wie ihre Eltern und ihr Onkel ans Werk gehen würden – die perfekten Gäste, solange man die Sache mit dem Stehlen übersah.

Doch sie waren nicht hier. Heute Abend war Kaia auf sich allein gestellt.

Donner grollte in der Ferne, und der Wind nahm zu.

Inzwischen war es halb acht und ungewöhnlich dunkel für einen Sommerabend. Blake trat aus dem geschützten Winkel am Küchengarten heraus und fühlte die plötzliche Kühle, die einen Sturm ankündigte. Vor vierundzwanzig Stunden war im Wetterbericht noch keine Rede davon gewesen. Jetzt bewegte sich das Tief rasend schnell an der Küste entlang gen Norden.

Die grüne Plane flatterte im Wind. Blake stellte sich vor die Fensterfront und beobachtete das Treiben auf der Party von draußen. Helle Lichter. Viel Gefunkel. Ein Jazz-Quintett. Schwarz-weiß gekleidetes Servicepersonal, das silberne Tabletts durch die Menge balancierte. Ein Barkeeper wirbelte zur Unterhaltung einer kleinen Gruppe, die auf ihre Drinks wartete, einen Shaker durch die Luft und fing ihn geschickt wieder auf. Alles wirkte völlig normal.

Riesige Blumenarrangements und elf schwarze Säulen, auf denen Royce seinen Schmuck präsentierte, sorgten dafür, dass der ohnehin volle Saal noch voller wirkte. Blake ließ seinen Blick über die Menge schweifen und zählte die schwarzen Säulen nach. Diesmal kam er nur auf zehn. Er fluchte leise, zählte noch einmal und kam wieder auf elf.

Plötzlich bewegte sich eins der Podeste, und Blake erkannte, dass es keine schwarz umhüllte Säule war, sondern eine Frau in einem schulterfreien schwarzen Kleid. Eine Frau mit schönen hellen Schultern. Volles Haar, im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Klares Profil. Elegante Finger, die geschickt die Halskette, die sie trug, lösten, um sie einer anderen Frau um den Nacken zu legen. Anmutig hob sie den Kopf, sodass er endlich ihr Gesicht sehen konnte.

Ihm stockte der Atem. Nicht nur, weil sie eine atemberaubende Schönheit war, sondern weil er nach all den Jahren, in denen er von ihr geträumt hatte, in Kaia Bennets Gesicht starrte.

5. KAPITEL

Kaia beobachtete, wie die ersten Gäste in den Saal strömten. Royce hob die Hand und winkte. Sie folgte seinem Blick und sah Casper Nazarios prächtig herausgeputzte Frau alias Tina, die Kleptomanin.

Der Altersunterschied zwischen Casper und seiner Frau war sehr groß. Kaia würde wetten, dass Casper nicht so tolerant gegenüber Tinas kleiner Unart wäre, wenn sie fünfundzwanzig Jahre älter und ihre Schönheit verblüht wäre.

„Die Pflicht ruft“, murmelte Royce und zupfte seine Cowboykrawatte zurecht, bevor er mit ausgebreiteten Armen auf die Gastgeberin zueilte. „Tina!“

Eine Traube von Menschen scharte sich um Mrs Nazario. Sie trug ein halbes Dutzend Armbänder an jedem Handgelenk, einen Ring an jedem Finger und diverse Halsketten – eine davon als Stirnband. Welches Stück wird sie wohl heute Abend stehlen? überlegte Kaia.

Böse Kaia. Tina Nazario stiehlt doch nicht. Sie leiht sich etwas.

Aber was man Tina auch vorwerfen mochte, sie wusste, wie man eine Party schmiss. Immer mehr Leute strömten herein, die Musik war eingängig, und der Barkeeper hatte farbig schillernde „Juwelendrinks“ kreiert: Diamant, Saphir, Smaragd und Rubin, alle serviert mit einem bunten Kandisstick. Wenn Kaia nicht hätte arbeiten müssen, hätte sie sie gern probiert. Leider verlangsamte Alkohol ihre Reflexe, und das konnte sie nicht gebrauchen.

Eine Frau kam auf sie zu. „Was für eine schöne Halskette!“

Ihr Stichwort. „Es sind einhundertzweiunddreißig Karat Aquamarine. Möchten Sie die Kette einmal probieren?“

Während sie sprach, flackerte das Licht. Draußen blitzte es.

„Oh, das ist der Sturm! In den Nachrichten haben sie gezeigt, welche Schäden er bereits weiter im Süden angerichtet hat“, erzählte die potenzielle Käuferin. „Hoffentlich zieht er rasch vorbei.“

Kaia hoffte es auch. Unwetter machten eine Menschenmenge immer unruhig. Das würde sie bei ihrer Arbeit nur stören.

Sie nahm die schwere Halskette ab und legte sie der kleineren Frau um den Hals. „Oh, das Blau passt genau zu Ihren Augen! Es ist so eine schöne Farbe. Royce hat in dieser Saison viel Aquamarin verwendet.“

Kaia hatte damit nur sagen wollen, dass es modisch aktuell war, doch die Frau wirkte enttäuscht. „Ich würde nichts tragen wollen, was alle haben.“ Sie runzelte die Stirn und berührte die Kette, als wollte sie sie abnehmen.

Kaia alarmierte Royce mit einem Blick. Er schoss geradezu durch den Raum. Demnach musste es sich um eine sehr reiche Kundin handeln.

„Royce, du musst einmal sehen, wie diese Steine zu den Augen der Dame passen.“ Sie trat beiseite, um ihm das Feld zu überlassen.

Donner grollte, es blitzte, und der Wind rüttelte an den Scheiben. Kaia schaute zum Fenster und sah die rot gekleideten Pagen, die die Limousinen der Gäste parkten, von der Straße kommen. Inzwischen war es eine ganze Reihe von Autos. Wie viele Leute hatte Tina nur eingeladen?

Je mehr, desto besser, dachte Kaia. Tina konnte nicht erwarten, dass alle die Gästetoiletten unten benutzten. Ein hervorragender Vorwand, um später nach oben zu gehen.

Mehrere Blitze erhellten schlagartig das Gelände. Kaia sah eine Gestalt von draußen hereinschauen. Wahrscheinlich einer der Wachleute. Dem nächsten Blitz folgte ein Donner, der einige Gäste nach Luft schnappen ließ. Kaia auch.

Die Gestalt war nur für eine Sekunde beleuchtet, aber es reichte, um deutlich das Gesicht zu erkennen.

Blake McCauley.

Er stand draußen und beobachtete die Party. Er beobachtete sie.

Kaia wartete darauf, Schock oder Wut oder Bitterkeit zu empfinden – irgendetwas. Sie hatte heftiger reagiert, als sie an diesem Morgen nur seinen Namen gelesen hatte. Aber vielleicht hatten all die emotionalen Schläge von heute sie bereits betäubt.

Sie trat dicht ans Fenster und versuchte, trotz der Spiegelung des hellen Raums in der Scheibe, draußen in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Als Blitze das nächste Mal die Schatten aufhellten, war die Gestalt verschwunden wie ein Geist. Ein Geist aus ihrer Vergangenheit, wenn sie es dramatisch ausdrücken wollte.

Kaia wollte sich einreden, dass sie sich nur eingebildet hatte, ihn zu sehen, doch sie war zu realistisch. Seine Firma war für die Sicherheit an diesem Abend zuständig, also lag es nahe, dass er persönlich vor Ort war.

Es half nichts. Blake war hier. Und er hatte sie mit Sicherheit erkannt.

Wie sollte sie damit umgehen? Kaia atmete tief ein, um sich zu sammeln, und ging zu Royce, der etwas in sein Auftragsbuch kritzelte. Die Frau war weg.

„Siehst du? Du bist besser im Verkaufen, als du denkst“, meinte er und klappte das Buch zu. „Trag als Nächstes die Cabochon-Rubine“, ordnete er an. „Und frisch deinen Lippenstift auf.“

Hatte er vergessen, dass sie eigentlich nicht für ihn arbeitete?

„Los, los, los.“ Er machte kleine scheuchende Bewegungen mit den Fingern.

Na schön. Kaia legte die Rubinkette um ihren Hals und zog vor einem der vielen silbernen Bilderrahmen ihre Lippen nach.

Hinter sich sah sie verzerrt eine dunkle Gestalt, die sich in jedem der glänzenden Rahmen auf dem Sekretär widerspiegelte.

Blake.

Auf der anderen Seite des Raums schluckte Blake. Sein Mund war trocken.

Kaia.

Er hätte nie gedacht, dass er sie jemals wiedersehen würde. Um ehrlich zu sein, er hatte sie nie wiedersehen wollen. Ihr letzter schmerzerfüllter Schrei klang ihm immer noch in den Ohren. Und jetzt war sie hier in Nazarios Haus? Sie konnte nur Rache im Sinn haben. Pech für sie, dass er geblieben war.

Sie rechnete bestimmt nicht damit, dass er hier war. Er könnte sie diskret auffordern, die Party zu verlassen. Wenn sie noch nichts gestohlen hatte, konnte er sie gehen lassen. Würde er sie gehen lassen.

Doch je näher er auf sie zuging, desto näher wollte er ihr sein. Erinnerungen bombardierten ihn geradezu. Er hatte vergessen, wie stark ihre Anziehungskraft auf ihn wirkte. Nein, nicht vergessen. Er hatte geglaubt, dass er darüber hinweg war. Aber, falls überhaupt möglich, war diese Anziehungskraft über die Jahre noch intensiver und noch verwirrender geworden. Was war das nur für eine Macht, die Kaia über ihn hatte? Er tat dumme Dinge, wenn er in ihrer Nähe war. Und es war ihm auch noch egal. Sie war wie eine Sucht, die er bekämpfen musste.

Kaia war nicht schön im klassischen Sinn. Schön war ein zu weiches Wort für ihr Aussehen. Sie war verführerisch attraktiv, eher sinnlich als offenkundig sexy. Normalerweise vergoldete Zeit die Erinnerungen, aber in Kaias Fall waren seine Erinnerungen ihr nicht gerecht geworden.

Stark. Das war das Wort, das Kaia Bennet beschrieb. Und gefährlich.

Von draußen hatte er sie lange genug beobachtet, um zu erkennen, dass sie als Royces Assistentin fungierte. Das bedeutete, dass entweder der Designer Blake angelogen hatte oder dass Kaia den Designer angelogen hatte. Vielleicht beides. Sie war die Nichte des Mannes? Unmöglich. Diese beiden waren Partner, die wahrscheinlich einen Betrug planten.

Blake atmete tief ein und drückte auf sein Mikrofon. „Luke, ich brauche alle Informationen über Kaia Bennet und Royce … wie immer er weiter heißt. Den Designer. Prüfen Sie, ob es eine Verbindung zwischen den beiden gibt.“

„K-i…“

„K-a-i-a. Bennet mit einem T“, buchstabierte er ungeduldig. Kannte denn nicht die ganze Welt Kaia Bennet und ihre Familie?

„Es steht keine Kaia Bennet auf der Gästeliste“, erwiderte Luke.

„Natürlich nicht!“, herrschte Blake ihn an. „Sie ist eine der legendärsten Einbrecherinnen des letzten Jahrzehnts – zumindest war sie das, bevor sie ins Gefängnis kam. Wo sie immer noch sein sollte. Warum ist sie vorzeitig entlassen worden? Justin soll mir die Infos besorgen.“

„Ja, Sir!“

Lukes gespielt unterwürfiger Tonfall sagte Blake, dass er es übertrieb. Trotzdem. Diese Frau war durch seine strengen Sicherheitsvorkehrungen geschlüpft, und er würde verdammt noch mal herausfinden, wie. Und warum.

Am anderen Ende des Raums legte Kaia die nächste Halskette an. Blutrote Steine funkelten auf weißer Haut.

Verlangen stieg in ihm auf. Sie war so unwiderstehlich schön. Andere Frauen brauchten Juwelen, um ihre Schönheit zu steigern. Kaia nicht.

Er beobachtete sie und kämpfte zugleich gegen eine Anziehung an, die ebenso stark wie bei ihrer ersten Begegnung war. Wenn er der Typ Mann wäre, der an Magie glaubte, würde er sagen, dass sie ihn verzaubert hatte.

Wenn er der Typ Mann wäre, der an Liebe glaubte, würde er zugeben, dass er sie geliebt hatte. Ihr Reiz lag nicht nur in ihrem Aussehen. Er hatte damals mit einer abgebrühten Verbrecherin gerechnet, doch sie war schüchtern, fast scheu gewesen. Unerfahrener, als er erwartet hatte, aber das hatte sie mit liebenswertem Eifer wettgemacht.

Blake bewegte sich unbehaglich. Es war schon so lange vorbei, doch seine Lust hatte sich nicht abgekühlt. Vielleicht hatte das unglückliche Ende etwas damit zu tun.

Kaia wandte ihm den Rücken zu und zog sich vor einem silbernen Bilderrahmen die Lippen nach. Blake riss sich zusammen und ging zu ihr. Ein paar Schritte von ihr entfernt blieb er stehen, unsicher, auf welche Art er sich ihr am besten näherte. Während er seine Möglichkeiten abwog, rauschte der Designer heran.

„Mrs Sanderson möchte die Rubine sehen. Schnell, nimm sie ab.“

„Ich habe sie gerade erst angelegt.“ Kaia drehte sich etwas unwillig um und hob die Hände an ihren Hals. Im selben Moment schaute sie über Royces Schulter und entdeckte Blake.

Sein Herz setzte einen Schlag aus, als ihre Blicke sich trafen. Ihre Augen funkelten wie schwarze Diamanten.

Während sie Royce die Kette reichte, drehte der sich um, um zu sehen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Blake trat vor.

„Das muss Ihre Assistentin sein.“ Er sprach zuerst, um zu demonstrieren, dass er die Kontrolle über die Situation hatte. Außerdem wollte er wissen, ob Royce ihn anlügen würde.

„Ja. Meine Assistentin Samantha …“, Royce drehte sich beim Sprechen zu Kaia um, „… konnte heute Abend nicht kommen, deshalb ist Kaia eingesprungen.“

Blake hatte nicht bemerkt, wie, aber Kaia musste Royce einen Wink gegeben haben.

„Wir kennen uns“, sagte sie.

Sie starrten einander schweigend an.

„Wunderbar“, meinte Royce. „Ich bringe Mrs Sanderson die Kette.“ Und schon machte er sich aus dem Staub.

Kaias Blick verriet nichts von ihren Gedanken. Blake konnte nur hoffen, dass seiner ebenfalls nichts von dem preisgab, was in seinem Inneren tobte.

Sie sollte diejenige sein, die mit einem Gefühlschaos zu kämpfen hatte. Sie war diejenige, die das Gesetz gebrochen hatte. Er hatte recht gehabt, und sie war im Unrecht gewesen. Also warum war er innerlich so zerrissen und sie äußerlich so eiskalt?

Einer von ihnen würde das Schweigen brechen müssen. Blake nahm an, dass er es tun sollte. „Weiß Royce, wer du bist?“

Sie standen sich zum ersten Mal nach dem Prozess gegenüber, und diese Frage war das Erste, was ihm einfiel?

„Und wer bin ich?“ Kaia war neugierig auf Blakes Antwort. Was glaubte er, wer sie war? Denn offensichtlich hatte er sie nie richtig gekannt. Wie auch sie ihn nicht richtig gekannt hatte.

„Du bist eine Frau, die wegen Juwelendiebstahls ins Gefängnis gekommen ist.“

„Eine Frau, die du wegen Juwelendiebstahls ins Gefängnis gebracht hast. Das macht mich nicht zu einer Diebin.“

„Ich nenne es so, wie ich es sehe.“

„Du brauchst eine Brille.“

Er starrte sie so lange an, dass sie schon annahm, er dächte tatsächlich über ihre Worte nach.

„Was machst du hier?“, fragte er. Da wusste sie, dass er über nichts nachgedacht hatte.

Es war nicht so, dass sie sich einbildete, dass ihm ihre Beziehung je etwas bedeutet hatte. Aber dass er so deutlich demonstrierte, dass nichts davon echt gewesen war – weder seine Küsse noch Berührungen, noch die vielen Liebesschwüre –, tat weh. Sehr weh.

Er hatte nur seinen Job gemacht. Sie hingegen war vollkommen von ihm eingenommen gewesen. Ein Blick in seine topasbraunen Augen, und es war um sie geschehen. Bei ihm war sie ein anderer Mensch, fähig, ein neues Leben zu beginnen. Ein normales Leben. Sie hatte ihm von ihrer Familie und ihrer Kindheit erzählt, und er war nicht schreiend davongelaufen. Warum auch? dachte sie jetzt. Er hatte ja bereits alles über sie gewusst. „Ich bin froh, dass du mir all das anvertraut hast“, hatte er gesagt. „Weil das jetzt deine Vergangenheit ist und deine Zukunft ganz anders sein wird.“

Wie recht er damit gehabt hatte. In jener Nacht hatten sie sich zum ersten Mal geliebt. Nein, verbesserte sie sich, sie hatten Sex gehabt. Mehr war es nicht gewesen.

Kaia sah ihm in die Augen und fragte sich, wie er ihr wochenlang etwas hatte vormachen können, ohne dass sie Verdacht geschöpft hatte. In ihrer Unerfahrenheit hatte sie für Liebe gehalten, was nur schlichtes Verlangen war.

Blakes Blick verriet ihr nichts, doch der Rest von ihm signalisierte Feindseligkeit.

Und Ungeduld. Sie hatte seine Frage nicht beantwortet. „Was glaubst du, was ich hier tue?“

„Lass mich nachdenken … Eine Party, Schatullen voller Juwelen und ein Mitglied einer legendären Einbrecherfamilie. Was würdest du glauben?“

Sie lächelte. „Dass es zu offensichtlich ist.“

Blake deutete mit dem Kinn zu Royce. „Weiß er, dass du eine Bennet bist?“

„Ja.“

„Weiß er, was die Bennets sind?“

Was, nicht wer. „Wissen das nicht die meisten Juweliere?“

„Sie sollten es.“ Blake musterte sie unverwandt. „Also, noch einmal: Was machst du hier?“

„Ich arbeite.“ Kaia ging zu einem anderen Display mit großen, ungeschliffenen Smaragden. Sie mochte Smaragde, weil ihre Fehler sie interessant machten. Zu viele, und sie vernebelten die Schönheit des Steins. Zu wenige, und der Stein sah unecht aus. Zu schön, um wahr zu sein.

Wie ihre Beziehung mit Blake. Sie war vom Glanz geblendet gewesen, dabei war alles nur eine makellose Täuschung.

„Welche Art von Betrug führt ihr im Schilde, du und Royce?“ Blake war ihr gefolgt.

Sie unterdrückte jede emotionale Reaktion auf seine Unterstellung. Kein Grund, verletzt zu sein. Schließlich wusste sie, was er von ihr hielt. „Wie kommst du darauf, dass wir einen Betrug planen?“

„Er hat gelogen.“

„Worüber?“ Kaia nahm eine Kette vom Display und hielt sie an ihren Hals.

„Über seine Assistentin.“

„Sam? Sie ist seine Assistentin. Sie ist nur heute Abend nicht da.“ Kaia wandte ihm den Rücken zu und schaute über ihre Schulter. Vor langer Zeit hatte es ihn angetörnt, wenn sie ihn über ihren nackten Rücken angesehen hatte. „Machst du mir bitte die Kette zu?“

Ein Herzschlag oder zwei vergingen, bevor sie seine Finger leicht an ihrem Nacken spürte. Wärme durchströmte sie. Kaia schloss bei dem unerwarteten Kribbeln die Augen. Bis eben war sie empfindungslos gewesen. Beherrscht. Und jetzt kribbelte es auf einmal in ihr.

Nach allem, was Blake ihr angetan hatte, hätte sie gedacht, dass sie immun gegen seine Berührung wäre.

„Wo ist sie?“

Klang seine Stimme rau, oder bildete Kaia sich das nur ein? War es möglich, dass er sich immer noch zu ihr hingezogen fühlte? Das könnte interessant sein. „Wer?“

„Samantha Whitefeather.“ Sein Atem streifte ihre Haut. Die feinen Härchen auf ihrem Nacken richteten sich prompt auf.

Kaia presste die Augen zu. „Bei einem heißen Typen?“

„Weißt du es nicht?“

„Ich habe ihn nicht gesehen.“

Blake brauchte unglaublich lange für das Verschließen der Kette. „Warum hat Royce mir nicht deinen Namen genannt, als ich ihn fragte?“

„Ich bin erst in letzter Minute eingesprungen.“ Die Art, wie seine Finger ihren Nacken kitzelten, machte sie verrückt. Sie sehnte sich danach, sich umzudrehen und sich wie früher leidenschaftlich an ihn zu pressen.

Fast hätte sie es getan. Wow. Sie hatte das nicht kommen sehen, jedenfalls nicht mit solcher Macht.

„Als du heute Abend eingetroffen bist, hast du bei Josef als Samantha Whitefeather eingecheckt.“

Kaia bekam ihre Gefühle langsam wieder unter Kontrolle. Konzentrier dich.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich Royces Assistentin bin. Da hat er logischerweise vermutet, dass ich Samantha bin.“

„Das Personal von TransSecure stellt keine Vermutungen an.“

Blake hörte endlich – endlich! – mit den kitzeligen Berührungen auf und ließ die Hände sinken.

Kaia drehte sich zu ihm um. „Hast du Royce direkt gefragt, ob Sam hier sein wird, oder hast du vermutet, dass sie heute Abend arbeitet?“ Als sie die Antwort in seinem Blick erkannte, erlaubte sie sich, den Anflug eines triumphierenden Lächelns zu zeigen. „Das Personal darf keine Vermutungen anstellen, aber der Chef?“

„Royce hat gewusst, was ich gemeint habe. Er hat mich absichtlich in die Irre geführt.“

„Das weißt du nicht.“

„Er hat deine Identität verheimlicht. Was glaubst du, warum er das getan hat?“

Sie funkelten sich an, während der Wind an den Scheiben rüttelte und Regen auf die Plane über der Einfahrt trommelte.

„Vielleicht wollte er vermeiden, dass ich verhört werde in der Zeit, in der ich arbeiten sollte.“ Kaia schaute sich um. Die Gäste, die sich in kleinen Gruppen vor den Fenstern sammelten, schienen sich mehr für das Wetter als für die Juwelen zu interessieren. „Vielleicht wollte er vermeiden, dass seine Assistentin vor wohlhabenden Kunden und potenziellen Käufern von Sicherheitskräften beiseitegenommen wird. Vielleicht weiß er, wie schwer es für einen Exhäftling ist, einen Job zu finden.“

Blake blinzelte. Das war seine einzige Reaktion.

„Vielleicht glaubt er an eine zweite Chance“, schloss Kaia ruhig.

„Tust du es?“

„Nein.“ Sie wandte sich von ihm ab und ging weg, hauptsächlich, um sich zu beweisen, dass sie dazu in der Lage war.

Am anderen Ende des Saals blieb Kaia stehen und atmete tief ein. Wie oft hatte sie sich ein Wiedersehen mit Blake ausgemalt. Meist endete es in ihrer Fantasie damit, dass er zugab, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben.

„Für diese Halskette würde ich töten!“, hörte sie eine Stimme neben sich.

„Dies sind raue Smaragde“, antwortete Kaia mechanisch. Während sie einer Gruppe von drei Frauen Einzelheiten zu den Steinen erklärte, fühlte sie ein weiteres Augenpaar auf sich gerichtet. Blake beobachtete aus der Ferne, wie sie Juwelenverkäuferin spielte. Sein Misstrauen war beinahe spürbar.

Er stellte ein echtes Problem dar, wenn sie nicht entweder einen Weg fand, ihn abzulenken, oder davon zu überzeugen, dass sie genau die war, die zu sein sie behauptete. Welche Ironie des Schicksals, dass diesmal sie diejenige war, die undercover arbeitete.

Plötzlich hörte sie ein Winseln. Tinas kleiner Hund lief schnurstracks auf Kaia zu.

„Hallo, Jo Jo!“ Freude heuchelnd hob sie ihn hoch und erlaubte ihm, ihr das Kinn zu lecken, damit sie einen schnellen Blick zu Blake riskieren konnte. Er schaute sie immer noch direkt an, so als wären sie die einzigen Menschen im Raum.

Sie erschauerte, entschuldigte sich und ließ die Halskette bei den drei Frauen zurück.

Wenigstens hatte Blake sie nicht hinausgeworfen. Immerhin etwas. Nur dass sie ihren Job nicht machen konnte, wenn er sie weiterhin so anstarrte, als ob er damit rechnete, dass sie jeden Moment den Schmuck zusammenraffen und aus dem Saal stürzen würde.

„Zeit, etwas zu unternehmen, Jo Jo.“ Sie kraulte das Wollknäuel hinter den Ohren. Unauffällig schaute sie noch einmal in Blakes Richtung und sah ihn mit einem seiner Männer sprechen.

Autor

Jill Shalvis

New York Times-Bestsellerautorin Jill Shalvis lebt in einer Kleinstadt in Sierras, voller verschrobener Mitmenschen. Jegliche Ähnlichkeit mit den Quirky Charakters in ihren Büchern ist, naja, meistens zufällig. Besuchen Sie sie auf ihrer Website www.jillshalvis.com, um mehr über Jills Bücher und ihre Abenteuer als Berge erklimmendes Stadtkinde zu lesen.

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