DANKSAGUNG
Courtney Cruz hat meine Arbeit an diesem Buch mit The Fempire Strikes Back (The Music Box, L. A., im Juli 2010) stark beeinflusst und mich inspiriert. Während dieser Show hat Sin Fisted auf der Bühne eindrucksvoll die Möglichkeiten und Grenzen der Burlesque ausgetestet.
Einmal mehr gilt mein Dank meiner großartigen Verlegerin Alicia Condon, die mich so sehr unterstützt. Danken möchte ich auch der Künstlerin Wendi Koontz, die das legendäre Blue-Angel-Tattoo entworfen hat. Schließlich – und am allermeisten – gebührt mein Dank Adam Chromy: Er erinnert mich immer wieder auf überraschende und wunderbare Weise daran, dass Romantik auch außerhalb von Liebesromanen existiert.
Manchmal ist es schwieriger,
sich einen Schmerz zu versagen als ein Vergnügen.
— F. Scott Fitzgerald
1. KAPITEL
Mallory Dale warf einen Blick aus dem Fenster des Konferenzraums der Anwaltskanzlei im 21. Stock. Auf der Park Avenue staute sich stadtauswärts immer noch der Verkehr, obwohl die Rushhour offiziell bereits hinter ihnen lag. Das war typisch für einen Freitagabend – und bedeutete, dass sie spät dran war. Sehr, sehr spät dran.
Ihr gegenüber am Tisch blätterte ihr Chef die Akten durch, die sie die ganze Woche über sorgfältig zusammengestellt hatte.
Sie spielte nervös mit der Handtasche in ihrem Schoß. Darin vibrierte alle paar Minuten ihr BlackBerry. So war es den ganzen Tag über gewesen; eine SMS nach der anderen traf ein:
Ich liebe dich.
Oder: Sei nicht sauer.
Mallory vermutete, dass die Kurznachrichten mittlerweile eher folgendermaßen lauteten:
Wo zum Teufel steckst du?
„Ich denke, wir sind gut vorbereitet“, meinte ihr Chef, während er die verschiedenfarbigen Ordner in eine Kiste einsortierte. Der oberste Knopf seines schicken blauen Oxfordhemdes war offen, seine Krawatte gelöst. Nicht zum ersten Mal sagte sich Mallory, dass sie großes Glück hatte, einen so sexy Vorgesetzten zu haben. Die Arbeit als Rechtsanwaltsgehilfin an sich war langweilig und bis zum Abend im Büro zu bleiben auch kein Vergnügen, aber wenigstens gab es auf der anderen Seite des Konferenzraums einen Augenschmaus zu genießen. Allerdings bot auch Gavin Stones’ beachtliche Attraktivität in Situationen wie dieser nur einen schwachen Trost: Sie war mal wieder ernsthaft spät dran für ihren Abendjob, ihren echten Job – ihr echtes Leben, wenn man es genau nahm.
„Sind wir fertig?“ Sie sprang auf und nahm ihre Handtasche.
Gavin lächelte sie an, schüttelte dann den Kopf.
„Kommen Sie etwa wegen mir zu spät zum Clubbing … oder was auch immer ihr jungen Leute an einem Freitagabend so vorhabt?“
„Genau. So was Ähnliches jedenfalls.“ Sollte er ruhig denken, dass es sie zum Tanzen in die Clubs zog. Oder zum Trinken. Oder um Kerle aufzureißen. Alles war ihr recht, solange er nicht die Wahrheit kannte. Wenn sie sich vorstellte, ihr Chef wüsste, welchen Nebenjob sie abends hatte, verkrampfte sich in Mallory alles. Sie fragte sich, wie es ihr jemals gelingen sollte, diese beiden Hälften ihres Lebens miteinander zu vereinen. Genau genommen ging es um die beiden Hälften ihrer eigenen Persönlichkeit: Mallory, die verantwortungsbewusste Frau, die ein ordentliches Gehalt verdienen und für den Ruhestand vorsorgen wollte, die eine feste, hingebungsvolle Beziehung mit ihrem Partner führte – und „Moxie“, die Burlesque-Tänzerin, die ihren Freund so sehr liebte, dass sie sich von ihm dazu hatte überreden lassen, den Begriff „Monogamie“ ein wenig offener zu definieren als allgemein üblich.
Was ihren Chef betraf, so zählte er sie immer zu den jungen Leuten, war jedoch selbst nur etwa sieben Jahre älter als sie. Trotzdem schienen Welten zwischen ihnen zu liegen, denn er war ein angesehener Jurist, einer der besten Scheidungsanwälte von Manhattan, und hatte seine eigene Kanzlei. Außerdem umgab ihn eine Aura der unerschütterlichen Ruhe, die aussagte: „Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“ Das vermittelte ihr ebenfalls das Gefühl, er sei ein echter Erwachsener, während sie selbst nur gerade so als solcher durchging.
Mallory schaute hinunter auf ihre Hände. Ihr fiel auf, dass ihr Chanel-Nagellack an einer Stelle ein wenig abgesplittert war. Hatte sie ein Fläschchen davon in der Handtasche? Es wurde immer schwieriger, diese Farbe zu bekommen: ein metallisches Schwarz mit kaum sichtbaren Einsprengseln von Silber und Gold. Zum Glück gab es eBay; anderenfalls hätte sie sich schon seit einem Jahr keinen Nachschub mehr besorgen können.
„In Ordnung – machen Sie, dass Sie wegkommen.“ Er lächelte und zwinkerte ihr zu; auf rein professioneller Ebene natürlich. Sie ging fest davon aus, nicht sein Typ zu sein. Schließlich hatte sie die Fotos seiner durchgestylten, solide wirkenden Lebensgefährtin auf seinem Schreibtisch gesehen.
Auf ihrem BlackBerry schaute sie nach der Uhrzeit. Viertel vor acht. Auf dem Bildschirm blinkte schon wieder eine SMS von ihrem Freund Alec:
Ich weiß, du bist immer noch sauer auf mich, aber „The show must go on“. Wo bleibst du denn?
Das Taxi steckte im Verkehr rund um den Union Square fest. Mallory beugte sich mit dem Gesicht zum offenen Fenster, versuchte die Straßenbeleuchtung zu nutzen, während sie goldenen Glitzer auf ihre Augenlider stäubte und einen dunklen Rotton auf ihre Lippen auftrug. Sie zog sich unter ihrem hässlichen (aber sehr praktischen) khakifarbenen Gap-Hemd Strumpfhalter und Strapsstrümpfe an. Dem Fahrer schien die Aktion auf dem Rücksitz nicht aufzufallen. Als Nächstes kamen die zehn Zentimeter hohen weißen Stilettos an die Reihe. Mehr konnte Mallory ohne den Rest ihres Kostüms nicht tun, und das wartete im Blue Angel auf sie.
Sie drückte die Play-Taste auf ihrem iPod, und der Anfang des Liedes „Heads Will Roll“ von den Yeah Yeah Yeahs erklang. Mallorys Soundtrack für heute Abend. Ihre Inspiration war Sofia Coppolas Film „Marie Antoinette“ gewesen, und sie hatte ihre Chefin, Agnes, davon überzeugt, ihr ein Korsagenkleid im Stil der Französischen Revolution zu nähen – mit einem Verschluss am Rücken, der sich natürlich leicht öffnen ließ. Ihre Pasties glichen der französischen Nationalflagge. Auch die hatte Agnes gebastelt. Als Mallory die Nummer einstudierte, hatte sie sich überlegt, dass ihr das Augenzwinkern in Richtung ihres Freundes Alec dabei Spaß bereiten würde. Sie könnten hinterher darüber lachen, und vielleicht würde sie sogar ihre hohe blonde Marie-Antoinette-Perücke aufbehalten, während er sie später am Abend nahm. Eine seiner liebsten Redensarten war ein Slogan der Jugendrevolte in Frankreich vom Frühling 1968: vivre sans contrainte et jouir sans entrave. Wir wollen leben ohne Zwänge und uns grenzenlos amüsieren. Unter „Amüsement“ verstand er dabei Sex. Und eine ganze Weile lang – während mehrerer Jahre als Paar – hatte diese Sichtweise für sie beide funktioniert. Die perfekte offene Beziehung. Es war nicht einfach, aber sie begehrten einander so sehr, dass sie bereit gewesen waren, es auszuprobieren. Also lebten sie monogam, es sei denn, sie gab ihm grünes Licht dafür, eine andere Frau ins Bett zu holen. Sehr oft kam das nicht vor, und meistens handelte es sich nur um eine Zufallsbekanntschaft, eine hübsche Fremde, die sie beide in einer Bar aufgetan hatten und hinterher nie wiedersahen. Normalerweise tauschten sie nicht einmal die echten Namen aus, und es war niemals eine Bekannte. So lautete die unausgesprochene Regel. Bis gestern Abend jedenfalls.
„Zu spät, zu spät! Zu spät, spät, spät!“, schrie Agnes, während sie Mallory durch die Seitentür in den Club zog. „Alle habe ich schon gefragt, wo ist Moxie? Wo ist Moxie? Und keiner konnte es mir sagen!“
„Moxie“ war Mallorys Künstlername – jeder hier hatte einen. Alec sagte immer, ihrer sei sexy und geistreich, genau wie sie selbst.
Sie konnte ihn schon auf der Bühne hören; er war heute Abend der Moderator und amüsierte die Besucher mit seinem üblichen treffsicheren Kommentar zur Pop-Kultur, der eine ganze Reihe Anzüglichkeiten und Doppeldeutigkeiten enthielt. Solche Texte lagen ihm sehr – was andere in Talkshows leisteten, übertrug er in die Welt der Burlesque, lobte Mallory ihn gerne. Jedenfalls zu den Zeiten, in denen sie mit ihm sprach.
Im letzten Jahr hatte Alec durch seinen ‚bürgerlichen Beruf‘ beim Magazin Gruff die Gelegenheit bekommen, eine Story über die wachsende Burlesque-Szene in New York zu schreiben. Er hatte eine Faszination für die Subkultur entwickelt und Mallory an deren Geburtstag zu ihrer ersten Show mitgenommen. Ehe sie auch nur „Shake your ass“ sagen konnte, hatte sie ihre Pläne für eine juristische Karriere aufgegeben und sich stattdessen um eine Anstellung als Tänzerin im Blue Angel beworben. Jetzt, ein Jahr später, war sie eine der beliebtesten Künstlerinnen im Club. Und auch Alec arbeitete dort, fungierte hin und wieder als Moderator.
„Entschuldigung – ich bin schon halb angezogen.“ Mit einer schwachen Geste deutete Mallory auf ihre Strümpfe.
„Was soll das denn heißen?“, wollte Agnes wissen. Ihr polnischer Akzent war deutlich zu hören, und ihre Verstimmung sogar noch mehr. „Halb angezogen, ausgezogen, zu spät ist zu spät. Du musst doch noch das Kostüm anprobieren, und was, wenn es nicht passt?“ Hektisch saugte Agnes an ihrer Zigarette, Rauchverbot hin oder her.
„Du machst seit über einem Jahr die Kostüme für mich – hat mir jemals irgendetwas nicht gepasst? Du bist einfach ein Genie!“ Mit Schmeicheleien kam man bei Agnes immer noch am weitesten.
„Ja, das stimmt.“
In einer Ecke des Backstage-Bereichs befand sich die improvisierte Garderobe. Sie hatte einen einfachen Holzfußboden und war schlecht ausgeleuchtet. Dort sah es so chaotisch aus wie hinter der Bühne einer Fashion Show: Kleidungsstücke lagen überall herum, zusammen mit Schminke, verschiedenen Lippenstiften und Strümpfen in allen Farben; irgendeine Form der Privatsphäre gab es nicht. In einer Ecke hatte jemand ein schwarzes Tuch mit Reißzwecken diagonal festgesteckt, sodass ein abgeteilter Raum entstand, den aber niemand nutzte. Daneben hing ein Foto mit Autogramm: die erfolgreiche Dolce & Gabbana-Werbung, die man auf jeder Reklamefläche von New York bewundern konnte; eine Kampagne mit Bette Noir.
Letztes Jahr war Bette nur eines der Mädchen gewesen, die im Blue Angel auftraten. Aber dann war sie mit einem Popstar zusammengekommen. US Weekly hatte sie zweimal auf dem Titel gehabt, und plötzlich hatte sie einen Agenten, dann kam ein Auftritt in einem Indie-Film und dann eben die landesweite Dolce & Gabbana-Werbekampagne. Man brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass Bette den Club nicht mehr betreten hatte, seit sie zum ersten Mal auf dem Cover von US Weekly erschienen war.
Mallory zog Rock und Tanktop aus, ignorierte dabei die missbilligenden Blicke ihrer Chefin. „Weißt du, Christian Louboutin hat Marie-Antoinette-High-Heels entworfen, in einer Limited Edition“, erklärte Mallory. „Einfach unglaublich – es gab nur dreißig davon, und alle wurden verkauft. Sechstausend Dollar hat ein Paar gekostet.“
„Welche Farbe hatten die?“
„Gelb, glaube ich.“
Agnes vollführte eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Für gelbe Schuhe würde ich nicht einmal sechs Dollar bezahlen. Von mir kriegst du ein Kleid in einer anständigen Farbe!“
Hinter ihr zog Agnes etwas aus blassblauem Satin aus einer Kleiderhülle. Mit großer Geste schüttelte sie es vor Mallory aus.
„Oh mein Gott. Einfach großartig!“
Die Christian-Louboutin-Schuhe konnten ihr gestohlen bleiben – Agnes’ Kleid war die größte Huldigung an die Königin, die man sich vorstellen konnte: das Bustier aus babyblauem, mit weißer Spitze durchsetztem Satin, fünf winzige Schleifen vom Dekolleté bis zur Taille. Hinten reichte das Kleid beinahe bis zum Boden, und die Minikorsage verlieh ihm im Rücken Fülle; das kürzere Vorderteil würde ihr bis zur Hälfte der Oberschenkel gehen. Dazu einen babyblauen Strumpfhalter und weiße Strapsstrümpfe.
„Es ist einfach perfekt“, hauchte Mallory, während sie in das Kleid schlüpfte.
„Hier musst du ziehen, dann bist du es sofort los“, erklärte Agnes, während sie Mallory kritisch musterte. „Es passt. Jetzt brauchst du noch jemanden, der dir die Schnürung am Rücken macht. Ich habe dazu keine Lust, wenn du meinst, hier so spät auftauchen zu können.“
Sie schlurfte davon, auf der Suche nach einem der Mädchen, die sich vielleicht draußen bei einer Zigarette amüsierten, oder mit ein paar Wodka zu viel vor der Show, statt sich auf ihren Auftritt vorzubereiten. Sie wirkte wie eine Schlafsaalaufsicht in einer bizarren Parallelwelt.
Mallory war froh darüber, die Garderobe für sich allein zu haben – das kam selten genug vor. Das Universum belohnte sie also dafür, dass sie so spät dran war.
„Dieses Kleid – einfach der Hammer! Und das Teil in meiner Hose auch.“
Mallory wandte sich um, suchte innerlich nach der französischen Übersetzung für „Verpiss dich“. Aber das Einzige, was ihr einfiel, war merde – scheiße. So ging es ihr immer mit Alec – wenn er sich in ihrer Nähe befand, konnte sie einfach nicht klar denken.
„Ich weiß, ich weiß – warum hat man nie eine Guillotine zur Verfügung, wenn man eine braucht, stimmt’s?“ Er grinste sie an, mit diesem sexy Lächeln, bei dem die winzige Lücke zwischen seinen Vorderzähnen sichtbar wurde, das Grübchen in seiner rechten Wange und ein Zweitagebart, den Mallory nicht anschauen konnte, ohne sich vorzustellen, wie er sich wohl zwischen ihren Beinen anfühlen würde.
Es kostete sie Mühe, sein Lächeln nicht zu erwidern. Aber sie schaffte es.
„Ich bin spät dran, also … Hau ab.“
„Ich helfe dir mit der Rückenschnürung. Hier rüber, da sehen wir besser.“
Er führte sie auf die Seite des Raumes, wohin ganz offensichtlich weniger Licht fiel.
„Lass das, Alec. Ich habe keine Zeit, mit dir herumzualbern.“
Unbeirrt nahm er die erste Schleife in die Hand, um die Korsage festzuziehen, fuhr dann mit einem Finger an ihrer Wirbelsäule entlang. „Albern ist mir gar nicht zumute.“
Er presste sich an sie, schob sie in Richtung des schwarzen Tuches, der improvisierten Umkleidekabine.
Von der Bühne hörte Mallory die ersten Takte von Duffys „Mercy“. Das bedeutete, dass Cookies ’n’ Cream die Bühne betreten hatte – eine hübsche, zierliche Rothaarige mit den Hüften eines zehnjährigen Jungen und auf Doppel-D vergrößerten Brüsten. Das Geld für die OP stammte aus der Zeit, als sie noch bei einer Bank gearbeitet hatte.
Also noch zwei Nummern, bevor Mallory an der Reihe war.
„Mach schon, schnell“, forderte sie Alec auf. Doch der bewegte seine Finger von ihrem Kleid weg, über ihren Oberkörper immer weiter nach vorne, bis er mit beiden Händen ihre Brüste umfasste. Mit den Zeigefingern strich er sanft über ihre Brustwarzen, und Mallorys Atem wurde schneller, obwohl sie das gar nicht wollte.
„Ich muss mich fertig machen“, protestierte sie schwach, während ihr Körper sich wie von allein nach hinten bewegte, seiner Erektion entgegen, die er an ihren Po presste. Er rieb sich an ihr, und sie griff nach hinten, um nach ihm zu fassen. Er schob ihre Hand beiseite, sodass sie kurz das Gleichgewicht verlor und gezwungen war, vorne an einem Holzstuhl mit Krimskrams und Kleidungsstücken einer ganzen Woche Halt zu suchen.
Er glitt am Rand ihres Slips entlang, führte dann behutsam einen Finger in sie ein, ganz, ganz langsam.
„Ja“, hauchte sie, er bewegte sich, rein und raus, immer wieder, wobei der Druck mit jedem Mal ganz leicht zunahm.
„Ich verstehe gar nicht, warum du so wütend auf mich bist“, flüsterte er ihr mit rauer Stimme ins Ohr, während er sein Gesicht an ihres schmiegte. „Egal, was du denkst, ich habe nur Augen für dich. Und das hier gehört definitiv dir allein.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie gegen seinen Schwanz, den sie hart in seiner Hose spürte.
„Manchmal machst du es mir sehr schwer, dir das zu glauben“, antwortete sie.
„Du bist ja verrückt.“ Mit einem Finger übte er Druck auf ihre Klit aus, rieb sie aber kaum. Mallory spürte, wie ihr Herz wild zu klopfen begann, und sie erreichte diesen unwirklichen mentalen Zustand, in den nur er sie versetzen konnte. Sie schmiegte sich fester an ihn, er drang wieder mit seinem Finger in sie ein. Mallory wusste, sie würde zum Orgasmus kommen, wollte das aber nicht – wollte ihm die Befriedigung nicht verschaffen. Sie machte den schwachen Versuch, seine Hand wegzuziehen.
„Manchmal denke ich, du wünschst dir einen Streit – nur damit wir uns wieder versöhnen können“, sagte er. Und dann kam sie, ihre Muschi öffnete und schloss sich in Wellen der Lust fest um seinen Finger, und sie stöhnte viel lauter, als es in ihrer Situation ratsam gewesen wäre.
Ihr Freund zog ihr das Höschen hoch, küsste sie auf den Hals.
„Komm her.“ Er drehte sie um und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Mit den Gedanken war sie schon wieder bei ihrem Auftritt, machte sich Sorgen über Sperma auf ihrem Kostüm, darüber, wie viel Zeit ihr noch blieb, bevor sie auf die Bühne musste, und über die Frage, ob sie womöglich jemand gehört hatte.
„Ich muss gleich raus“, sagte sie.
„Schau mich an“, befahl er. Sie gehorchte. Seine Augen waren so wunderschön, grün und golden und blau. Mallory liebte sie und fühlte sich immer am begehrenswertesten, wenn er sie fest auf sie gerichtet hatte. Den ganzen Zuschauerraum in ihren Bann zu ziehen war nichts gegen nur einen Blick von ihm.
„Alec …“
„Wir gehören zusammen“, erklärte er. „Das ist das Einzige, was du nicht vergessen darfst.“
Er küsste sie, und sie öffnete den Mund für seine Zunge. Dabei durchflutete ein warmes Gefühl ihren Bauch, wie immer, und das, obwohl sie schon jahrelang zusammen waren.
Spielerisch versetzte er ihr einen Klaps auf den Hintern. „Alles wieder okay zwischen uns?“, wollte er wissen.
„So einfach ist das nicht.“
„Das sollte es aber sein, finde ich.“
Durch die Boxen erklangen die ersten Takte von „Heads Will Roll“: Show Time.
Die letzte halbe Minute, bevor sie die Bühne betrat, verlief immer gleich für Mallory: in nackter, gnadenloser Panik. Dann ertönte die Musik, sie trat aus der Dunkelheit auf die hell erleuchtete Bühne und zog sich einen Handschuh oder einen Strumpf aus, worauf die Menge mit Rufen oder Pfiffen reagierte – das kunstvolle Enthüllen und die Interaktion zwischen Künstlerin und Publikum waren Bestandteil jeder Show.
Heute Abend betrat Mallory die Bühne in ihrem aufreizenden Marie-Antoinette-Kostüm (inklusive der an einen Bienenkorb erinnernden blonden Perücke), und die Yeah Yeah Yeahs erfüllten den Raum mit ihrem „Off with your head … Off with your head … “ – „Kopf ab, Kopf ab!“. Die Zuschauer brachen in Gelächter aus und applaudierten. Sie haben’s verstanden, dachte Mallory, und die ganz besondere Verbindung, die gleich zu Anfang zwischen ihr und der Menge entstand, rettete sie durch die erste Minute ihrer Vorführung.
Langsam ließ sie sich auf einem Stuhl nieder, zog das Kleid hoch, damit man ihren Strumpfhalter sehen konnte. Rufe und Beifall aus der Menge. Sie wandte sich um, um ihren Hintern aufblitzen zu lassen. Spürte die Wärme der Bühnenbeleuchtung auf der Haut und bemerkte, dass ihre Pussy nach Alecs Liebkosungen immer noch schwach pulsierte.
Das Lied war halb vorüber, und Mallory kämpfte gegen die Versuchung an, die verschiedenen Bewegungen zu schnell zu vollführen. Das Vorspiel mit Alec hatte sie auf merkwürdige Weise unbefriedigt gelassen, und der einzige Kick, der ihr jetzt helfen konnte, war das Gefühl, das sie dabei empfand, ihren Körper vor Dutzenden von Fremden zu entblößen. Aber wenn sie jetzt die Geschwindigkeit der Abläufe zu sehr erhöhte, wäre das dem Publikum gegenüber nicht fair, und bei einem Auftritt waren die Zuschauer am wichtigsten. Hier ging es überhaupt nicht um sie, und diese Erkenntnis machte Mallory zu einer besseren Künstlerin als viele ihrer Kolleginnen.
Als der richtige Zeitpunkt gekommen war und der Song unter schnellem Tempo seinen Höhepunkt erreichte, zog Mallory an der Vorrichtung, mit der sie das Kleid in Sekunden öffnen konnte. Wandte sich dann der Menge zu, mit bloßen Brüsten, mit den paillettenbesetzten Pasties in Form der französischen Nationalflagge (der Anblick löste unter dem Publikum eine neue Runde begeisterten Klatschens und Rufens aus). Ihre Muschi wurde von ihrem weißen Spitzentanga nur knapp bedeckt, und ihre Beine streckten sich dank der zehn Zentimeter hohen, edlen weißen High Heels lang und einladend aus (Gott sei Dank verdiente sie bei ihrem Juristenjob so gut).
Mit wiegenden Hüften schritt Mallory zum hinteren Teil der Bühne, dann wieder nach vorne. Sie umfasste ihre Brüste mit beiden Händen, als biete sie sie den Zuschauern an, und das Crescendo des Beifalls fühlte sich fast so gut an wie der Druck von Alecs Fingern in ihr. Langsam entledigte sie sich ihres Stringtangas und fühlte den Adrenalinstoß, der sie immer durchlief, wenn sie wusste, dass vierzig Fremde ihre rasierte Muschi bewunderten. Sie ging wieder auf den Stuhl zu, hockte sich darauf, den bloßen Hintern der Menge zugewandt, und legte den Kopf ab, als befände sie sich vor einer Guillotine.
Die Scheinwerfer erloschen.
2. KAPITEL
Als Mallory die Bühne verließ, nahm eine umwerfend aussehende Blondine ihren Platz ein: Violet Offender. Sie war Agnes’ neueste Entdeckung, eine Künstlerin, der Punk wichtiger war als Pussys, mit Tattoos über Schambein und Hintern als Beweis. Als Mallory zum ersten Mal gesehen hatte, wie Violet sich auszog, und die Worte zum Vorschein kamen, die ganz bestimmte Stellen unter ihrem Nabel und auf ihrem Rücken zierten, hatte sie ihren Augen nicht getraut: Über ihrem Venushügel stand merci – danke; etwa einen Zentimeter über ihrem Po no mercy – keine Gnade.
Mallory versuchte, sich schnell davonzustehlen. Violets Anblick machte das Hochgefühl zunichte, das sie nach der Aufführung empfand.
„Hey – das war wirklich cool“, meinte Violet und griff nach Mallorys Arm. Die zuckte zurück, als habe sie sich verbrannt.
„Danke.“
„Du bist doch nicht immer noch sauer wegen gestern Abend, oder?“
„Ich war nicht sauer. Nur müde.“
„Okay, cool. Hör mal, ich übernehme heute die Sammelbüchse.“
„Sicher?“ Mallory fragte sich, was wohl der Haken an der Sache war. Die Sammelbüchse übernahm niemand im Blue Angel gerne. Nach dem Ende der Show musste sich eines der Mädchen in all ihrer nackten Pracht an den Ausgang stellen, um Trinkgelder einzusammeln. Heute war Mallory dran.
„Ja, hundertprozentig.“
„Okay. Mach nur.“
Ob das ihre Art war, sich dafür zu entschuldigen, dass sie Mallory den Abend mit Alec verdorben hatte? Ihr Freund hatte ihr versichert, nur ganz nebenbei erwähnt zu haben, wo sie hinwollten; er beteuerte, er habe keine Ahnung gehabt, dass Violet dort auftauchen würde. Doch Mallory konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob er nicht wieder in alte schlechte Gewohnheiten verfiel.
Es hatte eine Zeit gegeben – eine kurze, chaotische Phase – in der sie die Grenzen ihrer Beziehung hin und wieder mit einem Dreier ausgetestet hatten. Das war Alecs Idee, und Mallory machte mit. Alec behauptete jedoch, da sei mehr gelaufen – seiner Ansicht nach hatte sie es genauso genossen wie er. In Wahrheit hatte sie immer gemischte Gefühle gehabt, was diese Arrangements anging. Ihre Freundinnen hielten sie für verrückt und meinten, sie fordere das Schicksal geradezu heraus. Dann, vor ein paar Monaten, waren Alec und sie übereingekommen, dass sie für den Kick zu viel aufs Spiel setzten. Ihre beste Freundin Julie hatte dennoch geunkt, dass dieses Kapitel damit nicht beendet wäre.
„Das hat doch Chris Rock in dieser HBO-Show gesagt … Wenn irgendwas einmal gelaufen ist, wenn ein Mann sozusagen einen Freifahrtschein für sexuelle Ausschweifungen gehabt hat, lässt er sich das nicht wieder nehmen.“
„Wir haben uns aber beide dafür entschieden, es zu lassen“, hatte Mallory erklärt. Aber gestern Abend, als Violet plötzlich bei ihnen am Tisch im Stone Rose erschienen war, hatte sie sich gefragt, ob das auch wirklich stimmte.
Alec war beinahe durch mit seiner Nummer zwischen den Auftritten, und Violet drückte mit einem Augenzwinkern Mallorys Arm, bevor sie zur Bühne tänzelte.
„Hey, Mal. Tolles Kostüm“, rief ihr Poppy LaRue zu, die mit einem Arm voll weggeworfener Kleider dastand. Normalerweise gab es eine Assistentin, die extra dafür da war, alles aufzuräumen. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, die Bühne nach jeder Nummer für die nächste Künstlerin bereit zu machen; so überbrückte sie die Zeit bis zu dem Tag, an dem ihr Agnes die Erlaubnis gab, selbst dort zu stehen. Aber dieser natürliche Lauf der Dinge hatte eine Unterbrechung erfahren, als die Assistentin von der Konkurrenz abgeworben worden war, dem Club The Slit – „Der Schlitz“.
„Ich liebe Aschenputtel“, erklärte Poppy.
„Aschenputtel? Ach so – nein, Poppy … Es war Marie Antoinette.“
Das Mädchen schaute völlig verständnislos, und Mallory meinte nur: „Nicht so wichtig.“
Sie hatten eine ganze Weile gebraucht, um sich anzufreunden. Poppy LaRue war eine hochgewachsene, hübsche Blondine, direkt aus den Kornfeldern von Arkansas, die schon vor Mallory im Blue Angel gearbeitet hatte. Als Mallory ins Spiel gekommen war und sehr viel Aufmerksamkeit von Bette Noir erhalten hatte – in die Poppy unsterblich verliebt war –, hatte sie sich so bedroht gefühlt, dass sie alles tat, um die Neue im Club zu sabotieren. Mallory hegte sogar den Verdacht, dass sie es damals darauf angelegt hatte, Alec ins Bett zu kriegen.
Aber Poppy war richtiggehend weich geworden, seit sie in einer glücklichen festen Beziehung mit Patricia Loomis lebte, Mallorys ehemaliger Chefin in ihrer alten Anwaltskanzlei. In letzter Zeit waren Mallory und Poppy echte Freundinnen geworden. Eines Abends, während sie nach einer Show vor zwei Monaten in einer Bar starke Cocktails zu sich nahmen, hatte ihr Poppy sogar anvertraut, dass sie Patricia liebte und noch nie eine Beziehung gehabt hatte, wie die beiden sie nun führten. Dennoch störte es sie, dass Patricia sich nie schön zurechtmachte.
„Ryan Ellison sitzt heute im Publikum – kaum zu glauben, oder?“, teilte Poppy nun Mallory mit und streckte dabei ihre langen Beine wie ein Fohlen, das ein Stück gerannt war. „Einen Filmstar habe ich hier noch nie gesehen. Dieser Musiker damals … Wie hieß der noch gleich?“
„Ryan Ellison ist hier?“ Mallory dachte kurz nach und schaute in Richtung des Bühnenvorhangs, wo Violet ihren Teil der Show absolvierte. „Wer weiß denn sonst noch davon?“
„Keine Ahnung. Ich habe nur gehört, wie Agnes es gerade Violet erzählt hat.“
Die Sammelbüchse. Später am Ausgang: die perfekte Position, um dem Star aufzufallen.
Dieses Miststück. Total hinterhältig. Und sie machte auch nicht davor halt, Alec ins Bett kriegen zu wollen.
Violet kniff die Augen zusammen und ließ den Blick durch den Zuschauerraum schweifen, um herauszufinden, wo er saß, während sie zum Song „Erection“ von Faint tanzte. Die Bühnenbeleuchtung blendete sie, machte es ihr unmöglich, etwas zu erkennen. Manchen der Mädchen gefiel das – auf diese Weise fanden sie es einfacher, ihre Muschis herzuzeigen, ohne jemandem in die Augen zu sehen.
Violet fand das feige. Sie selbst war da ganz anders. Und genau deshalb hatte ihr Agnes auch gesagt, dass sich Ryan Ellison unter den Zuschauern befand. Sie wusste, dass Violet unter diesem Druck nicht zusammenbrechen würde – anders als Mallory. Nie im Leben wäre die vor dem heißesten Hollywood-Schauspieler der Gegenwart aufgetreten. Du liebe Zeit – sie konnte ja nicht einmal mit der Andeutung umgehen, man wäre bereit, mit ihr und ihrem eigenen Freund einen Dreier zu schieben! Was sollte das denn? Die Blicke, die sie Alec und ihr gestern Abend zu geworfen hatte … Es war, als hätten sie vorgeschlagen, einem dämonischen Kult ein Opfer zu bringen, nicht einfach nur harmlos zu ficken.
Violet würde sie gründlich bearbeiten müssen.
Aber erst mal würde sie Mr Ryan Ellison gründlich bearbeiten.
Violet verließ die Bühne, und das Publikum quittierte ihren Abgang mit Beifall, Trampeln und Pfiffen. Sie liebte es, als Letzte aufzutreten. Sie wusste, heute Abend würden die Männer an sie denken, wenn sie sich in ein paar Stunden ihre immer noch harten Schwänze rieben. Und hoffentlich war es auch sie, an die die Mädchen dachten, wenn sie übereinander herfielen. Für sie trat Violet wirklich auf – all diese süßen kleinen Lesben, die jeden Freitagabend die Show besuchten, um für ihre eigenen Liebesspiele in Gang zu kommen.
Genau wie das Paar, das in letzter Zeit immer vor dem Wochenende hier gewesen war; eine Rothaarige und eine Asiatin. Sie saßen immer in der ersten Reihe. Gestern Abend war die Asiatin auf sie zugekommen und hatte ihr erzählt, ihre Freundin müsse nach Irland zurück. Ob sie, Violet, wohl Lust hatte, zur Abschiedsparty zu kommen?
Ja. Hatte sie.
Am nächsten Abend folgte Violet der Wegbeschreibung, die ihr die Asiatin per SMS geschickt hatte, und landete in einem heruntergekommenen Apartment in einer Seitenstraße der Avenue A. Sie kletterte sechs Stockwerke nach oben und kam in einen kleinen Raum, der mit betrunkenen jungen Leuten im Grundstudium gefüllt war. Es gab schlechte Hausmusik, billigen Fusel und abgestandenes Bier vom Fass. Auf solchen Partys hatte man Violet noch nicht einmal angetroffen, als sie noch selbst auf dem College war; und das würde sich jetzt bestimmt nicht ändern, wo sie diese Szene schon seit drei Jahren hinter sich gelassen hatte. Fast hätte sie sich wieder davongemacht, als die Asiatin plötzlich neben ihr stand und sie am Ellenbogen packte.
„Die richtige Party findet im Hinterzimmer statt. Warte eine Sekunde – nicht weglaufen, ja?“
Violet nickte und sah der anderen nach, die wieder in der Menge verschwand. Jay-Zs „99 Problems“ erklang jetzt. Sie begann, innerlich von zwanzig rückwärts zu zählen und beschloss, wirklich zu verschwinden, falls die Asiatin bei „eins“ nicht wieder aufgetaucht wäre.
Sie war schon bei „drei“, als sie entdeckte, dass ihr die Asiatin durch die Menge hindurch zuwinkte. Ihre Gastgeberin nahm Violet bei der Hand und führte sie ins Schlafzimmer. Es war dunkel – nur eine Nachttischlampe brannte, und jemand hatte ein schwarzes T-Shirt über den Schirm geworfen; es roch nach Zigarettenrauch. Der war Violet zuwider, seit sie vor drei Monaten mit dem Rauchen aufgehört hatte.
Die kleine Irin lag auf dem Bett, nackt und mit verbundenen Augen; ihre Arme waren ans Kopfende gefesselt.
„Dein Abschiedsgeschenk ist hier“, sagte die Asiatin zu ihrer Freundin, während sie sich ans Fußende setzte.
Violet war kurz davor, ihr ordentlich die Meinung zu sagen, sie in aller Deutlichkeit wissen zu lassen, dass sie eine Künstlerin vor sich hatte, kein Callgirl. Dann schaute sie sich die Liegende genauer an. Mit ihrem Haar und dem cremefarbenen Teint erinnerte sie Violet an jemand anderen. Eine Frau, die in Violets Fantasien schon oft genau diese Position für sie eingenommen hatte.
Sie bewegte sich auf den Bettrand zu, betrachtete die Irin gründlich. Streckte dann beide Hände aus und umfasste ihre Brüste. Das Mädchen bewegte sich nur ein klein wenig; sie hatte den Mund geöffnet und konnte kaum Atem holen. Seit Violet das Zimmer betreten hatte, hatte die Gefesselte keinen Laut von sich gegeben.
Die kleine Rothaarige hatte größere Brüste als die Frau, die Violet wirklich begehrte – aber die legte mit ihrem Körper auch einen Standard fest, den niemand anders erreichen konnte. Die Frau vor ihr war verführerisch nah – so nah, dass Violet einfach die Augen schloss und die Brustwarze der anderen in den Mund nahm. So nahe, dass sie mit den Lippen über ihren ganzen schlanken Körper glitt und erst bei ihren Hüften innehielt.
Violet ließ sich auf die Knie nieder, zog sich das Tanktop über den Kopf. Die Frau bewegte ungeduldig das Becken. Violet wandte sich ihr wieder zu, legte ihr beide Hände auf die Oberschenkel und spreizte ihr vorsichtig die Beine.
„Zieh deine Jeans aus“, befahl die Asiatin von hinten mit rauer Stimme. Violet spielte mit dem Gedanken, ihr zu sagen, sie solle sich vom Acker machen, überlegte es sich dann jedoch anders. Solange die andere Frau hier war, könnte sie, Violet, ruhig ihre Chancen erhöhen, selbst zum Orgasmus zu kommen. Sie sprang vom Bett, zog sich die weißen Jeans herunter. Ihren schwarzen Stringtanga behielt sie an, und wandte sich dann der Irin zu, die die Beine noch weiter geöffnet hatte. Violet kniete sich hin, den Hintern in der Luft, und begann die Muschi der Rothaarigen zu lecken. Sie fragte sich, ob der Asiatin die Aussicht wohl gefiel.
Mit der Zunge drang sie tief in die Spalte der Frau ein, und endlich, endlich gab sie einen Ton von sich – ein kurzes, heiseres Aufstöhnen. Auch zwischen Violets Schenkeln pulsierte es, und sie war voller Vorfreude, als sie bemerkte, dass die Asiatin sich ihr näherte. Sie wusste nicht, was die Frau plante, ging jedoch davon aus, dass es sich gut anfühlen würde.
Sie konzentrierte sich ganz auf die Irin, ließ ihren Mund zur Innenseite ihrer Oberschenkel wandern und drang mit einem Finger in sie ein. Mit beiden Beinen presste das Mädchen Violets Hand zusammen, und die erhöhte das Tempo.
Hinter ihr bewegte sich die Asiatin, rieb ihre feuchte Muschi an Violet und langte um sie herum, um ihre Brüste zu kneten. Violet sehnte sich nach mehr, danach, dass sie ihr einfach ein paar Finger in die Pussy steckte und ihr schnell zum Orgasmus verhalf.
Violet drückte ihren Mund auf die Klit der Irin, die mit ihrem deutlich hörbaren Akzent schrie: „Nicht aufhören.“ Das störte Violet, weil es die Fantasie zunichtemachte, sie habe ihre Traumpartnerin vor sich; es erinnerte sie daran, dass sie sich stattdessen mit einer Austauschstudentin in einem heruntergekommenen Apartmentblock befand, voller Leute, die sich sinnlos mit Bier volllaufen ließen. Die Frau, nach der sie sich sehnte, würde niemals in so eine Situation geraten.
Selbst als die Asiatin gekonnt ihre Finger in ihr bewegte, selbst als sie fühlte, wie die Irin zum Höhepunkt kam, selbst als alles vorbei war und beide Frauen sie voller Bewunderung anblickten und sagten, sie sei die Schönste auf der ganzen Welt, empfand Violet nichts.
Und genau das war sie so furchtbar leid.
Irgendwann zwischen dem Ende von Violets Nummer und ihrem Erscheinen mit der Sammelbüchse am Ausgang hatte man herausgefunden, dass sich ein Prominenter im Haus aufhielt. Ryan Ellison war von Leuten aus dem Publikum umringt, gleichzeitig befand man sich jedoch in New York, deswegen taten alle so, als bemerkten sie ihn gar nicht.
Violet stand am Ausgang, nur mit Springerstiefeln und einem schwarzen Stringtanga bekleidet. Einige Leute verließen das Gebäude, steckten vorher einzelne Dollarscheine und hin und wieder auch fünf Dollar ins Glas.
Ihr verdammten Geizhälse, dachte sie. Sie wusste nicht, wieso die anderen Mädchen das einfach hinnahmen. Sie fand es nicht entwürdigend, hier zu stehen – es war einfach nur so, dass sie diesen Leuten am liebsten einen kräftigen Tritt versetzt hätte: sich hier eine Stunde lang verschiedene Muschis präsentieren lassen, und dann keine paar Dollar für die Tänzerinnen übrighaben, wenn man sich auf den Weg zum nächsten Besäufnis machte.
Dieser Gedanke ließ ihr bewusst werden, dass sie möglicherweise vor einem Problem stand: Was, wenn Ryan Ellison kein Trinkgeld rausrückte? Würde sie ihren Plan weiterverfolgen können, wenn sich herausstellte, dass auch er ein verdammter Geizhals war? Ein Starfucker (im wahrsten Sinn des Wortes) zu sein, war eine Sache – sich mit jemandem abzugeben, der die ihr am meisten verhasste Eigenschaft an den Tag legte, nämlich Geiz, eine ganz andere.
Ob sich wohl Bette Noir jemals über solche Dinge Gedanken machte? Nein, ganz bestimmt nicht. Wenn sie sich mit derartigen Details aufhielte, hätte sie es niemals geschafft, sich einen sechsstelligen Dolce & Gabbana-Werbedeal zu erficken.
Aber Violet hätte sich keine Gedanken zu machen brauchen. Ryan Ellison hatte die ganze Faust voller Zwanzigdollarscheine.
„Großartige Show“, sagte er anerkennend. Es war surreal, sich mit ihm zu unterhalten – sie musste sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass es nicht der Mann aus dem letzten Film war, den sie gesehen hatte, mit dem sie sprach. Aus diesem Streifen über die sechs College-Studenten, die zusammen mit einem Drogenkartell irgendwo gestrandet waren. Die Presse hatte sich darüber lustig gemacht, aber die Kinokassen hatten den ganzen Sommer über geklingelt. Im Film sah Ryan fantastisch aus, aber live und in Farbe sogar noch besser. Er war nicht nur süß und sexy. Er war attraktiver als die meisten anderen Filmstars. Außerdem war er deutlich größer als sie, und das machte sie bei einem Mann immer ein bisschen scharf.
„Danke“, sagte sie und schaute ihm in die Augen. Das musste man ihm lassen: Sein Blick blieb auf ihr Gesicht gerichtet.
„Wir schauen uns gleich noch eine andere Show an – wollen Sie vielleicht mitkommen?“
„Ich weiß nicht“, meinte sie. „Ich muss mich noch umziehen …“
„Ich warte auf Sie. Mein Wagen ist ein schwarzer Cadillac Escalade. Lassen Sie sich Zeit.“
Violet gab vor, kurz über seinen Vorschlag nachdenken zu müssen. Dreißig Sekunden. Dann stimmte sie zu.
Als Mallory das Gebäude verließ, wartete Alec am Vorderausgang auf sie. Sie trug ihre abgetragene Danskin-Reisetasche, und er nahm sie ihr ab.
„Bleibst du so?“, wollte er wissen.
„Was meinst du damit?“ Sie schaute auf ihre Jeans und die UGG-Boots herunter. Wunderbar geeignet für die Autofahrt nach Hause. Sie konnte es kaum erwarten, aus der Jeans zu schlüpfen und eine Trainingshose anzuziehen. Mallory war völlig erledigt. Ihr Hochgefühl nach der Aufführung war so rasch verflogen wie billiges Parfüm.
„Wir müssen doch gleich noch auf die Party bei den Baxters.“
„Um Gottes willen, das habe ich ja ganz vergessen!“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann da nicht hin. Ich bin einfach – einfach nicht dafür angezogen und auch nicht in der Stimmung für eine Party. Da werden so viele Leute sein …“
„Wir müssen da auf jeden Fall hingehen, Mallory. Die Baxters wären sonst beleidigt.“
Mallory hatte Justin Baxter und Martha Pike durch Bette Noir kennengelernt. Das Paar war an der Ost- wie an der Westküste für seine ausschweifenden Partys und ausgezeichneten Beziehungen in der Welt der Medien und der Künste bekannt. Die Baxters waren Multimilliardäre, und zwar dank eines von Martha entwickelten Sexspielzeugs samt Zubehör und des darauf begründeten Imperiums. Ihre berühmteste und einträglichste Erfindung war der Wunder-Kegel von Pike, mit dem man seine Vagina kräftigen und straffer machen konnte. Zwar hatte Martha das eigentliche Prinzip nicht erfunden, aber dank ihres Zubehörs war es nun cool und sexy, die Kegel zu benutzen. Eine überaus einträgliche Sache.
Ihr gut aussehender Ehemann, Justin Baxter, schwärmte für Burlesque. Auf den berüchtigten Privatpartys des Paares traten die besten Newcomer der Künstlerszene in New York und L. A. auf. Es ging das Gerücht, dass sich bei dieser Gelegenheit mehr als einmal Filmstars und Models spontan an einer Burlesque-Show versucht hatten.
Man konnte es auch so sehen, dass Mallory es den Baxters verdankte, dass sie überhaupt als Burlesque-Tänzerin angefangen hatte: Ihren ersten Auftritt hatte sie im vergangenen Jahr auf Justins Geburtstagsparty in L. A. hinter sich gebracht. Damals war sie für Bette eingesprungen, die ihre Freundin Zebra kennengelernt hatte und sie auf ihrer Welttournee begleiten wollte. Etwa zu der Zeit hatte Bette auch im Blue Angel aufgehört, und seitdem hatte Mallory kaum noch Kontakt zu ihr gehabt.
Sie mochte die Baxters, und sie würde sich ihnen immer auf eine gewisse Weise verpflichtet fühlen, weil sie bei ihnen die Chance bekommen hatte, sich in Moxie zu verwandeln. Alec hatte recht: Sie mussten auf jeden Fall zu dieser Party!
„Okay, stimmt. Aber was mache ich mit meinem Outfit? Soll ich schnell heim und mich umziehen?“
„Wir können nicht bis nach Uptown zurückfahren und dann wieder umdrehen zur Bond Street. Es ist schon elf Uhr. Weißt du was? Zieh doch einfach dein Kostüm wieder an. Das gefällt den beiden bestimmt, sehr sogar.“
Der Vorschlag klang verrückt, war aber gut. Wenn es überhaupt ein Haus gab, in dem Mallory an einem ganz gewöhnlichen Freitagabend in einem Marie-Antoinette-Kostüm auftauchen konnte, dann war es das der Baxters.
„Einverstanden. Gib mir zehn Minuten, dann bin ich so weit.“
Obwohl Violet eine halbe Stunde damit zubrachte, sich den Glitzerpuder vom Körper zu schrubben, und dann Jeans und ein einfaches schwarzes Tanktop anzog, stand der Cadillac Escalade draußen bereit, genau wie Ryan es versprochen hatte.
Vom Rücksitz aus öffnete er die Tür, und sie kletterte zu ihm ins Auto. Der Fahrer war ein gedrungener Kerl mit einem Bürstenschnitt. Er trug eine Sonnenbrille, obwohl es schon fast Mitternacht war.
„Hey“, begrüßte sie Ryan Ellison. Er rauchte einen Joint und bot ihn ihr an.
„Nein danke. Also, wohin?“
„Okay“, erklärte er, während er an dem Joint zog. „Das Blue Angel war sozusagen die Vorband. Ich treffe ein paar Freunde im The Slit.“
Das war die Konkurrenz im East Village. Viel trendorientierter und teurer als das relativ bodenständige Blue Angel, inklusive einem schicken Eingang, Türstehern und einem Dresscode. Der Laden bot offiziell Burlesque-Shows, doch in Wirklichkeit handelte es sich um nichts weiter als einen Sexclub der edleren Art. Violet war ein paarmal dort gewesen. Die meisten der Nummern waren fast frauenfeindlich: Mädchen steckten sich Messer in die Pussy oder ließen sich festbinden und von Kerlen auspeitschen, die sie als Huren beschimpften.
Aber das war nicht der Grund, warum Violet heute Abend ablehnen würde. Nicht einmal, wenn sie in ihrer Freizeit mit Freunden unterwegs war, brachte sie besonders viel Geduld dafür auf, anderen Frauen zuzusehen, die die Aufmerksamkeit des gesamten Publikums für sich beanspruchten. Schon gar nicht, wenn es um ihre Nacht mit Ryan Ellison ging.
„Dann komme ich lieber nicht mit“, verkündete sie.
„Was?“ Er starrte sie an, als sei ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen.
„Kein Interesse.“
Ryan wies den Fahrer an, am Straßenrand zu halten.
„Was ist los? Eingeschnappt oder was?“
„Nein – ganz und gar nicht. Wenn du noch eine Show sehen willst heute Abend, kann ich dir sogar eine bessere empfehlen. Eine ganz exklusive … Eine ganz, ganz exklusive.“
Die beiden tauschten einen Blick. Es dauerte eine Minute, doch dann dämmerte Verstehen in Ryans millionenschweren Filmstaraugen auf.
„Zurück zum Rivington“, befahl er dem Chauffeur.
3. KAPITEL
Ein Mann in einem weißen Smoking führte Mallory und Alec in das berühmte Art-Deco-Apartment der Baxters, 40 Bond Street.
„Ziehen Sie bitte die Schuhe aus“, sagte er. Mallory schaute in die Richtung, in die der Butler gedeutet hatte, und tatsächlich, dort waren ganze Stapel teurer High Heels neben der Tür zu sehen. Es wirkte wie die Schuhabteilung im Luxuskaufhaus Bergdorf Goodman.
Mallory und Alec zogen die Schuhe aus und stellten sie in eines der Schränkchen. Sie kam sich auf Strümpfen merkwürdig vor, wurde aber von diesem unangenehmen Gefühl durch den Anblick des riesigen Aquariums abgelenkt, das im Eingangsbereich hing. Bette hatte ihr schon davon erzählt, doch es war trotzdem ein ungewöhnlicher Anblick: ein großer Glaswürfel, der immer von je einer fantastisch aussehenden jungen Frau bewohnt wurde. Sie machten es sich dort bequem, feilten sich die Nägel, erledigten Hausaufgaben für die Uni oder tippten etwas auf ihrem Handy. Mallory fand die Idee an sich unglaublich erniedrigend, aber Bette hatte ihr erzählt, wie viel die Baxters den Mädchen bezahlten, und plötzlich sah es nicht mehr ganz so sehr danach aus, als würden sie ausgebeutet. Das Ausstellungsstück dieses Abends war eine Rothaarige mit großer Oberweite, die schwarze Yogahosen und ein schulterfreies T-Shirt mit dem Logo des Barking Dog Cafés trug. Sie sah sich auf ihrem iPhone ein Video an oder las etwas.
„Interessant“, kommentierte Alec.
Mallory warf ihm einen raschen Blick zu.
„Was denn? Ist das etwa nicht interessant? Das wirst du ja wohl kaum abstreiten wollen. Meine Güte.“
Mallory sah sich im Raum um, bemerkte die verschiedenen Berühmtheiten, die anwesend waren. Marc Jacobs. Jessica Szohr. Arianna Huffington. Graydon Carter.
Und Billy Barton.
„Bäh, Billy ist auch hier“, sagte Mallory. Billy, ein affektierter, steinreicher Siebenundzwanzigjähriger aus Manhattan, war Inhaber und Herausgeber des Lifestyle-Magazins Gruff. Diese Tatsache machte ihn zu Alecs Chef.
„Ich wusste gleich, wir hätten nicht herkommen sollen.“
„Bitte – entspann dich einfach. Ich muss sowieso mit ihm reden. Er hat mir heute vier Nachrichten hinterlassen, es geht um irgendeinen wichtigen Auftrag. Aber jedes Mal, wenn ich ihn erreichen wollte, meinte seine Assistentin, er sei in einem Meeting. Also lass uns einfach eine Runde drehen; ich spreche mit Billy, und dann können wir verschwinden.“
Justin Baxter, der einen tadellosen dunklen Maßanzug trug, hatte sie von der anderen Seite des Raumes aus entdeckt. Er entschuldigte sich bei seinem Gesprächspartner, einem gut aussehenden dunkelhäutigen Mann, den Mallory als Dominick Monde erkannte, den Eigentümer von Tout Le Monde Films.
„Ach, sollen sie doch Kuchen essen!“, rief Justin, während er Mallory herzlich umarmte. „Ein ganz fantastisches Outfit! Seid ihr beide direkt vom Club hierhergekommen, oder dürfen wir auf eine spontane Vorstellung der großen Moxie, der Burlesque-Ballerina, hoffen?“
„Heute Abend keine Vorstellung mehr, Justin.“ Sie konnte nicht anders, musste lächeln. Er war attraktiv und charmant, und wenn sie ihm begegnete, dachte sie immer an die Zeit, in der ihr die Burlesque als etwas Neues, Mysteriöses und Unerreichbares erschienen war.
„Kommen Sie, Sie müssen Martha begrüßen – ich bin sicher, sie wird Sie überreden können.“
„Sie haben da wirklich eine sehr aufregende Show verpasst“, stellte Alec fest.
„Ich muss einfach mehr unternehmen. Martha versteht es, mich ans Haus zu binden.“ Mallory und Alec tauschten einen Blick. Nach allem, was sie von Bette über das Paar gehört haben, war es durchaus möglich, das Justin es ernst meinte und eher ans Bett gefesselt als ans Haus gebunden war.
„Geh du doch zu Martha – dann sehe ich zu, dass ich Billy erwische“, schlug Alec vor. Mallory nickte. Wunderbar, sollte er sich mit seinem Chef auseinandersetzen. Sie hasste dessen herablassende Art, als gehöre er zur königlichen Familie von New York, und sie seien bloße Diener in seinem Reich.
Justin nahm sie bei der Hand und führte sie durch das Gedränge in Richtung der Bar, wo eine zierliche blonde Frau pinkfarbene Cocktails mixte und in ...
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