Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

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Herzogin Camille ist verzweifelt: Ihr grausamer Ehemann will sie umbringen, damit er sich eine junge, gefügige Frau suchen kann, die ihm endlich einen Erben schenkt. Statt tatenlos auf ihren Tod zu warten, entschließt Camille sich zur Flucht. Mit ihrem jungen Geliebten, dem Stallburschen Henri, und ihren ergebensten Dienern sucht sie Unterschlupf in Bordellen und gibt sich tabulosen körperlichen Freuden hin. Doch während sie noch lustvoll seufzt, sind ihnen die Männer des Herzogs bereits auf den Fersen …


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955761998
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

VICTORIA JANSSEN

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Duchess, Her Maid, The Groom & Their Lover

Copyright © 2008 by Victoria Janssen

erschienen bei: SPICE Books, Toronto

Übersetzt von Ira Severin

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Bettina Lahrs

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-199-8

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

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Für Lorrie.
Mehr als zwanzig Jahre Kuchen und Hubschrauber
und kein Ende abzusehen.

1. KAPITEL

Sylvie, die Zofe der Herzogin Camille, drapierte ein blaues Gewand um die Schultern ihrer Herrin. Camille musste sich beherrschen, den Stoff nicht schamhaft über ihre nackten Brüste zu ziehen. Normalerweise machte es ihr nichts aus, von ihren Dienern angekleidet und ausgezogen zu werden – immerhin war sie als Tochter eines Herzogs von Geburt an daran gewöhnt –, aber heute verzog sie bei jeder Berührung das Gesicht. Sylvies Wut verschlimmerte noch Camilles Anspannung, obwohl sich der Ärger der Zofe nur in kleinen Gesten offenbarte, etwa wenn sie Camilles lange dunkle Haare ein wenig zu ruckartig unter der Robe hervorzog. Bis jetzt hatte Sylvie den Fleck von Camilles Blut noch nicht aus ihrem eigenen schlichten blauen Kleid herausgewaschen. Und während die Zofe mit nur mühsam beherrschten Bewegungen ihre Arbeit tat, lösten sich immer mehr Strähnen aus ihrem langen blonden Zopf, sodass man der sonst so ordentlichen Sylvie auf den ersten Blick ihren Gemütszustand ansah. Obwohl Camille wusste, dass Sylvie nicht auf sie, sondern auf Herzog Michel wütend war, gelang es ihr angesichts ihrer zornigen Zofe nicht, sich zu entspannen.

In einer anderen Ecke des Zimmers wusch sich die Hebamme in einer mit daumennagelgroßen Blüten bemalten Porzellanschüssel die Hände. Ihre Bewegungen gerieten dabei so heftig, dass das Wasser und der Schaum der teuren, aus dem Ausland importierten Jasminseife auf den dicken weichen Teppich spritzten. Die kurz geschnittenen Haare der Hebamme glänzten im Schein eines Dutzends brennender Kerzen. Die Herzogin war umgeben von Luxus. Sie besaß alles, was sie sich nur wünschen konnte, nur eines nicht: Sicherheit.

Camille wagte es nicht, auch nur für eine Sekunde ihre Selbstbeherrschung aufzugeben. So lange hatte sie nun schon ihren Zorn unterdrückt, dass es ihr schien, als würde sie in ihrem Bauch einen Haufen Geröll mit sich herumschleppen. Sie fühlte sich krank und bis ins Mark erschöpft. Alles hätte sie darum gegeben, einige Minuten allein zu sein, um sich wieder zu sammeln. Aber wenn sie die Dienerschaft fortschickte, nachdem sie die Untersuchung über sich hatte ergehen lassen, würde sie damit Schwäche zeigen. Schon einmal hatte sie an diesem Tag die Beherrschung verloren und viel zu deutlich ihre Gefühle gezeigt, und zwar als der Herzog ihr erzählt hatte, dass Graf Alphonse tot war. Vor lauter Entsetzen hätte sie beinahe verraten, in welcher Mission der Graf unterwegs gewesen war. Diese Mission hatte ihm den Tod gebracht. Es war äußerst wichtig, dass sie Haltung bewahrte, denn nur so konnte sie ihre Geheimnisse schützen.

“Ich werde Euch ein Glas Wein holen, Madame”, sagte Sylvie. “Und Eis zum Kühlen Eurer Prellungen.”

“Setz dich”, befahl Camille. Sie ertrug es nicht, noch länger mit anzusehen, wie Sylvie mit ihrem ewigen Hin und Her Trampelpfade in den dicken goldfarbenen Teppich lief. Camille schaute hinüber zur Waschschüssel und vermied es dabei sorgfältig, ihr Spiegelbild in dem hohen ovalen Spiegel zu betrachten, dessen breiten Rahmen ein Muster aus vergoldeten Brombeerranken zierte. “Madame Annette?”

Die Hebamme war höchstens dreißig Jahre alt und arbeitete normalerweise im Bordell unten in der Stadt, wo sie sich um kranke Dirnen kümmerte und ihren Kindern auf die Welt half. Annette war eine winzige Frau mit raspelkurzem Haar und einer Narbe auf dem Kinn. Bei ihren heimlichen Besuchen im Palast trug sie stets ein weites dunkles Kleid. Sie war wie ein Sperling, der im goldenen Käfig ein und aus flog und den niemand außer Camille und Sylvie bemerkte. Noch nie war Camille ihr irgendwo anders begegnet. Sie wusste nicht einmal, wo Madame Annette lebte; wenn sie gebraucht wurde, ging Sylvie sie holen. Und doch hätte Camille der Hebamme ihr Leben und ihre Gesundheit anvertraut – ihr blieb nichts anderes übrig.

“Ihr wart nicht schwanger, Madame la Duchesse.”

Camille erlaubte sich nicht, eine Reaktion auf diese Eröffnung zu zeigen. Dennoch erhob Sylvie sich von ihrem Stuhl und trat neben ihre Herrin.

“Bin ich verletzt?”

Madame Annette nahm ein Handtuch und rieb sich die Hände trocken. “Ihr habt eine Prellung”, erklärte sie. Als hätte Camille die gerötete Schwellung vergessen können, die sich über ihr Kinn und ihren Wangenknochen erstreckte. Ihre Haut war aufgeplatzt, wo der Herzog sie mit den schweren Ringen an seiner Hand getroffen hatte. Ihre linke Schulter schmerzte, weil er sie gegen die Seidentapete ihres privaten Empfangszimmers geschleudert hatte; ihre Hüfte und ihr Ellbogen pochten an den Stellen, wo sie auf den Marmorfußboden aufgeschlagen war.

“Habe ich innere Verletzungen?”

“Nein, Madame.” Madame Annette legte das Handtuch beiseite und trat näher, bis sie fast direkt vor Camille stand. Ruhig fügte sie hinzu: “Eines Tages wird er Euch noch umbringen.”

Sylvie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Camille hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen. “Ich könnte schwanger werden. Noch bin ich nicht zu alt.”

Madame Annette verschränkte die Arme vor der Brust. “Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, dass Ihr eine Dame von Rang seid, Madame. Denn in dieser Sache handelt Ihr mit Sicherheit ebenso unklug wie jede andere Frau, die ich kenne.”

Camille hörte, wie Sylvie erschrocken den Atem anhielt, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, denn schließlich hatte Sylvie auch keine Scheu, ihrer Herrin die Meinung zu sagen. “Wenn ich dem Herzog einen Erben schenke, hat er keinen Grund mehr, sich nach einer anderen Herzogin umzusehen.”

“Der Herzog hat keine Bastarde, nicht einen einzigen, was keinesfalls daran liegt, dass er es nicht versucht hätte. Ich an Eurer Stelle würde mir einen passenden Mann suchen und sein Kind als das des Herzogs ausgeben.”

Noch nie hatte Madame Annette so kühn mit ihr gesprochen. Camille schüttelte ablehnend den Kopf. Sie hatte Michel geheiratet, einen nachgeborenen Sohn, der den Herzogstitel erhalten hatte, indem er ihr Gemahl wurde, und der seitdem nicht nur über das Herzogtum, sondern auch über sie Macht hatte. Sie hätte sich dem Befehl ihres Vaters, Michel zu heiraten, widersetzen und fliehen können, doch dummerweise hatte sie es nicht getan, da sie sich verantwortlich für das Herzogtum fühlte. Und nachdem sie ihr Jawort gegeben hatte, trug sie nicht nur für die Einwohner des Herzogtums Verantwortung, sondern auch für ihre Ehe. Seit über zwanzig Jahren bezahlte sie nun für diesen Fehler.

Ein paar Schläge konnten ihre Entschlossenheit, für ihre Ideale einzustehen, nicht schmälern. Viel schlimmer war Graf Alphonses Tod. Der Graf war ermordet worden, weil er versucht hatte, ihr zu helfen. Dabei hatte er nicht einmal gewusst, dass die Bitte, die er Graf Maxime zutragen sollte, einen Verrat an seinem Herzog bedeutete. Er war kaum älter als Annette oder Sylvie gewesen. Sylvie konnte durchaus die Nächste sein, die es traf.

“Madame!”

Camille, der beim Aufstehen schwindlig geworden war, blinzelte, während das Zimmer sich langsamer drehte und schließlich zur Ruhe kam. Sylvie hielt sie am Arm fest und grub ihre Finger schmerzhaft in Camilles geschundene Muskeln. Madame Annette hatte sich Camilles anderen Arm um die Schultern gelegte, und gemeinsam geleiteten die beiden Frauen sie zu ihrem Bett.

Die Unterseite des Betthimmels war, wie die Laken und Decken, in Blau und Gold gehalten. Darauf waren Applikationen angebracht, welche Männer zeigten, die Äcker pflügten und Getreide säten, eine sehr durchsichtige Allegorie, um die Fruchtbarkeit der Paare anzuregen, die dieses Bett teilten. Allerdings hatte Michel sie niemals hier genommen, stets wurde sie in seine Gemächer gebracht. In letzter Zeit ließ er sie bevorzugt an Orte beordern, von denen er glaubte, sie würde sich dort unwohl fühlen und seine Annäherungsversuche abwehren.

“Er wird Euch umbringen”, wiederholte Annette ohne jeden Ausdruck in der Stimme, gerade so als stellte sie fest, dass der Himmel blau war. Sie legte ihren Handrücken an Camilles Stirn, dann an ihre Wange. Camille schloss die Augen. Allein diese zarte Berührung erschütterte sie fast zu Tränen. “Hol mir mehr Decken, Sylvie.”

Übelkeit stieg in ihr auf, und sie begann zu zittern. “Ich bin bloß hungrig”, behauptete Camille, auch um sich selbst zu beruhigen. “Während Sylvie unterwegs war, um nach dir zu suchen, habe ich nichts gegessen.”

Annette legte ein Kissen unter Camilles Füße. Wieder sagte sie: “Er wird Euch umbringen. Und Ihr wisst, was dann passieren wird. Er wird dieses Herzogtum in den Ruin treiben und sich dann das nächste vornehmen, wie es schon Euer Vater getan hat.”

Immer noch war Camille nicht in der Lage, laut auszusprechen, dass sie versagt und Michel längst gewonnen hatte, obwohl es die Wahrheit war. Stattdessen befahl sie: “Du musst den Palast verlassen, bevor man dich in meinen Räumen findet.”

“Keine Angst, Madame. Im Gegensatz zu Euch kann ich meine Haut retten.”

Sylvie kam zurück, breitete ein paar Decken über Camilles Füße und zog sie von dort nach oben. “Ihr braucht Ruhe, Madame. Was muss ich tun, Annette?”

“Überzeuge sie davon, sich einen anderen Mann zu suchen, der ihr ein Kind macht”, riet ihr Annette. “Und sorge dafür, das er gesund ist und Ähnlichkeit mit dem Herzog aufweist.”

Der Herzog hatte Camille das Reiten verboten. Aber immerhin konnte sie ihre Pferde von den hohen weißen Mauern des Palasts aus in der Ferne beobachten. Zwei Wochen nach Madame Annettes Besuch spazierte sie auf den Palastmauern herum, wobei ihr die beiden Leibwächter, die Eunuchen Kaspar und Arno, stets auf den Fersen blieben. Sie wussten genau, wann die Herzogin nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung war. An diesem kühlen Frühlingsabend vermieden die beiden Eunuchen es sogar, leise miteinander zu reden.

Hier oben wehte der Wind, der von weit her kam, heftiger, und sie nahm den Geruch des nahenden Regens wahr, der sich mit dem Duft von Gras und dem strengen Aroma der Pferdeäpfel von den Koppeln unterhalb der Palastmauern vermischte. Sie schlüpfte in eine kleine Nische, die sie, wenn man von den wachsamen Blicken ihrer Kastraten absah, vor aller Augen verbarg, und schaute hinunter zum Stall. Dort standen ihre Stute Guirlande und all die anderen Pferde, mit deren Ausbildung sie so viel Zeit zugebracht hatte.

Soeben ritt der Stallbursche ihre Lilas, und sein regloser Körper schien mit dem geschmeidigen Rücken der Stute verwachsen zu sein, während das Tier die komplizierten Figuren der hohen Dressur in die lockere Erde der Reitbahn tanzte. Nur das dichte braune Haar des Burschen bewegte sich im Wind.

Es war jetzt vier Jahre her, dass der Herzog ihr das Reiten untersagt hatte. Seit jenem Tag war sie nicht mehr in den Ställen gewesen, hatte weder ihre Pferde besucht noch mit den Pferdepflegern gesprochen. Aber sie hatte vor Jahren zugesehen, wie dem Stallburschen das Reiten beigebracht wurde. Sie war mit ihm ausgeritten, und sogar auf diese Entfernung erkannte sie seine perfekte Haltung und den guten Sitz. Ihre Lilas war bei ihm in guten Händen.

Camille fragte sich, wie er wohl jetzt aussah, da er das Mannesalter erreicht hatte. Sie erinnerte sich an seine großen Hände, die dichten Wimpern und ein entwaffnend offenes Lächeln. Inzwischen musste er fast zwanzig sein und hatte sich vielleicht stark verändert. Ihr wurde bewusst, dass er halb so alt war wie sie. Wenn sie in den ersten Jahren ihrer Ehe mit Michel ein Kind geboren hätte, wäre der Stallbursche gerade in dem Alter, in dem ihr Sohn jetzt sein könnte.

Sylvie hatte sie daran erinnert, dass die Augen des Stallburschen blau waren. Blau wie die Augen des Herzogs.

Normalerweise hätte sie so lange auf der Mauer ausgeharrt, bis sie wenigstens auf jedes ihrer Pferde einen Blick geworfen hatte. Vielleicht hätte sie auch ein paar Zeichnungen in ihrem Skizzenbuch angefertigt. An diesem Abend aber wandte sie sich ab und steuerte den Flügel des Palasts an, in dem ihre Gemächer lagen. Unter den dünnen Sohlen ihrer Pantoffeln fühlten sich die Steine der Mauer kalt an. Das leise Klirren der Waffen verriet ihr, dass Kaspar und Arno ihr über die Treppe des Geschützturms nach unten folgten. Sie durchquerten das Geviert des akkurat gepflegten Gartens, der an die Stelle des alten, kahlen Kampfplatzes getreten war, und gelangten durch riesige, mit dem geschnitzten Wappen des Herzogs verzierte Mahagonitüren, welche jeweils von einem Diener in der herzoglichen Livree aufgehalten wurden, in das Innere des Palasts.

Camille führte ihre Eunuchen an der verschlossenen Tür ihres Empfangszimmers vorbei zu einem versteckten Durchgang. Der schmale, abgelegene Gang zu ihrer Zimmerflucht war mit dicken Teppichen in Gold und Blau ausgelegt, die sich an ihren kalten Füßen angenehm anfühlten. Camille erlaubte sich nicht, ihre Schritte zu verlangsamen und gönnte den dezent gemusterten goldfarbenen Tapeten, den hinter farbigem Glas schimmernden Kerzen und den Pferdebildern an den Wänden keinen Blick. Sylvie würde inzwischen den Rest der Dienerschaft weggeschickt haben, sodass sie wenigstens eine knappe Stunde ungestört sein würden.

Kaspar und Arno folgten ihr durch die vorderen Räume in ihr Schlafgemach, wo Sylvie sie bereits erwartete. Sie hockte auf der Kante eines zerbrechlich wirkenden, überreich verzierten Stuhls, den Camille noch nie gemocht hatte. “Alles ist nach Euren Wünschen vorbereitet, Madame”, erklärte Sylvie und wollte damit sagen, dass sich außer den vier im Schlafzimmer anwesenden Personen niemand in den Räumlichkeiten der Herzogin aufhielt.

Camille beschloss, dass es am besten war, wenn alle sich setzten, denn sie würde von ihren Dienern heute mehr verlangen als ihre Pflicht. Mit einem Blick in Kaspars Richtung wies sie auf die bereitstehenden Stühle. “Lieber nicht, Madame la Duchesse”, erklärte Kaspar grinsend. “Ich fürchte, er bricht unter meinem Gewicht zusammen.” Er war größer als die meisten Männer und wirkte doppelt so breit. Über seinem nackten haarlosen Oberkörper kreuzten sich Lederstreifen, an denen eine Messerscheide gefestigt war, die zwischen seinen Schulterblättern ruhte. Sie wusste, dass in den flachen Griff des Messers mit Silber ausgelegte Linien geätzt waren, die ihr Wappen formten. An jedem seiner Oberschenkel war über der blauen Hose ein kurzes Schwert befestigt, dessen schmuckloser Griff mit dunkelblauem Wildleder umwickelt war.

“Ich würde lieber auf dem Boden sitzen, Madame”, teilte ihr Arno mit, der jüngere der beiden Eunuchen.

“Gut”, stimmte Camille zu und ließ sich auf einem der Stühle nieder. Selbst wenn ihre beiden Leibwachen auf dem Boden saßen, wurden sie von ihr und Sylvie auf Stühlen sitzend kaum überragt. Sobald alle bequem saßen, schaute sie einen nach dem anderen an und schenkte jedem ein Lächeln. Bei ihrem Plan ging es nicht nur um sie und ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die ihrer Diener, und es war nur recht und billig, ihnen Respekt zu zollen. Schließlich begann sie: “Von den Männern, die Sylvie genauer in Augenschein genommen hat, sind drei im Hinblick auf ihre Gesundheit, ihr Aussehen und ihre Nähe zum Palast sehr gut geeignet.”

“Madame, Monsieur de Pierken würde mit etwas Ermutigung von seinem Anwesen sicher hierher reisen”, gab Sylvie zu bedenken. “Er hat Interesse an Euch.” Kaspar versuchte sie mit einem Blick zum Schweigen zu bringen, doch sie reagierte nur mit einer unanständigen Handbewegung in seine Richtung.

“Ich fürchte, so einfach ist das nicht”, gestand Camille. “Denk dran, es ist Pflanzzeit.” Zudem würde Monsieur de Pierken sich nicht damit zufriedengeben, sie zu schwängern und wieder zu verschwinden. Er würde eine Gegenleistung verlangen, und das war mehr, als sie bereit war, ihm zu geben. “Von den drei Männern”, fuhr sie entschlossen fort, “ähnelt Graf Gustave körperlich Michel am meisten. Sein Temperament ist jedoch nicht angemessen. Er nimmt schnell etwas übel und ist von seiner eigenen Wichtigkeit überzeugt. Ich halte ihn nicht für verschwiegen genug. Außerdem könnte er als Gegenleistung für seinen Samen eine längere Liaison und mehr politische Macht verlangen. Das zu geben, bin ich nicht bereit.”

“Und was ist mit Monsieur de Jon-Petite?”, fragte Sylvie.

“Ich fürchte, er ist zu alt”, gab Camille widerstrebend zu. “Er hat einen fast dreißigjährigen Sohn und außer ihm keine Nachkommen. Es stimmt, dass er mein Verbündeter im Palast ist und es daher einfach wäre, Treffen mit ihm zu arrangieren, aber wenn er der Aufgabe nicht gewachsen ist, war alle Mühe vergeblich.” Sie hatte Jon-Petite einst als Freund schätzen gelernt, und obwohl sie ihn nur noch selten sah, hasste sie den Gedanken, ihre freundschaftliche Beziehung mit ihrem Ansinnen zu zerstören, damit er sich um ihretwillen in tödliche Gefahr stürzte und ihr als Deckhengst diente. Zudem war sie nicht sicher, ob Jon-Petites moralisches Empfinden es ihm erlauben würde, ihren Ehemann zu betrügen.

“Das lässt uns nur noch den Stallburschen!”, rief Sylvie.

Camille blickte zuerst Kaspar, dann Arno an. Ihre Mienen blieben unbewegt. Ruhig antwortete sie: “Du selbst hast mich erst auf ihn als möglichen Kandidaten aufmerksam gemacht. Er ist jung und gesund, hat die passende Haar- und Augenfarbe und seine Mutter stammt aus Michels Heimat. Daher besteht eine entfernte Ähnlichkeit der Gesichtszüge und der Körper. Am wichtigsten ist seine treue Ergebenheit mir gegenüber. Im Gegensatz zu den anderen wird er sich nicht berufen fühlen, sich in die Ausübung meiner Pflichten als Herzogin einzumischen. Er leistet bei meinen Pferden gute Arbeit. Für diese Aufgabe ist er die beste Wahl.”

“Aber, Madame! Er ist noch ein Junge, gerade erst neunzehn Jahre alt!”

“Dann wird er erst recht vor Manneskraft strotzen”, sagte Camille. “Bring ihn so bald wie möglich zu mir. Sein Name ist Henri.” Sie schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. Wer war sie, so etwas von dem Stallburschen zu verlangen, der er ihr doch nichts außer seiner Treue schuldete? Aber wenn sie ihren Plan nicht in die Tat umsetzte, würde Michel sie umbringen. Und sie wollte nicht sterben.

“Er wird die Bedeutung seiner Aufgabe nicht verstehen …”

“Bring ihn einfach zu mir, Sylvie.”

Hätte Sylvie wirklich geglaubt, dass der Junge für ihre Zwecke ungeeignet war, hätte sie ihn nicht in ihre Liste aufgenommen. Mit zusammengepressten Lippen neigte die Zofe den Kopf. Es spielte keine Rolle, dass sie nicht zufrieden war. Sie würde gehorchen. Später würde sie einsehen, dass Camille die klügste aller möglichen Entscheidungen getroffen hatte. Sie brauchte nicht zu fürchten, einem Stallburschen politische Gefälligkeiten erweisen zu müssen. Und wenn sie ihm auch nur annähernd so viel bedeutete wie ihre Pferde, war es äußerst unwahrscheinlich, dass er sie jemals verraten würde.

“Kaspar und Arno, ihr wisst, dieser Plan kann unter Umständen scheitern”, fuhr Camille fort. “Wenn es Anzeichen für meine baldige Gefangennahme oder Exekution gibt, müssen wir aus dem Palast fliehen. Ich verlasse mich auf euch beide und auch auf dich, Sylvie, dass ihr das nötige Geld beiseite schafft und genügend Vorräte für eine mehrwöchige Reise bereithaltet. Ihr drei werdet mich begleiten. Es ist äußerst wichtig, dass niemand im Palast oder in der Stadt etwas von den Reisevorbereitungen bemerkt.”

“So soll es geschehen”, versicherte ihr Kaspar. “Wohin werden wir uns wenden?”

“Wir werden in das Protektorat an der Küste reisen und dort die Hilfe von Graf Maxime erbitten. Er wird uns Schutz gewähren, da er sich ganz sicher daran erinnert, dass er und ich gemeinsam in diesem Palast aufgewachsen sind.”

“Graf Maxime?”, stieß Arno hervor. “Madame, er wird nichts Besseres zu tun haben, als aus dem Protektorat wieder ein unabhängiges Herzogtum zu machen. Welche bessere Möglichkeit bietet sich ihm, Euch zu schaden?”

Camilles kalter Blick ruhte auf ihm. “Wenn er mir schadet, wird das nichts an den Tatsachen ändern. Es ist mein Gatte, der das Protektorat nicht in die Unabhängigkeit entlässt. Er beansprucht es, weil mein Vater es einst eroberte und Maximes Vater tötete. Heute ist es die Pflicht meines Gatten, für das Land und seine Leute zu sorgen. Aber der Herzog giert nur nach dem Geld, welches das Protektorat ihm einbringt. Maxime wird mir helfen. Dann werden wir hierher zurückkehren, und ich werde mir das nehmen, was mir gehört.”

Es stimmte, Maxime würde sie um Gegenleistungen bitten. Er würde ihr nicht aus Gnade und Barmherzigkeit helfen; es ging ihm um das Wohl seiner Leute, für die er Verbesserungen erreichen wollte. Und sie würde ihm für das Wohl ihres eigenen Volks geben, wonach er verlangte. Unter dieser Bedingung würde er ihr helfen und dann … dann würde sie dafür sorgen, dass Michel nie wieder irgendjemandem etwas Böses antun konnte.

2. KAPITEL

Henri fuhr mit den Händen über Guirlandes seidiges Fell und verlieh ihm auf diese Weise noch ein wenig mehr Glanz. Als er sich unter dem Balken hindurchbückte, an dem die Stute festgebunden war, schnaubte sie liebevoll in sein Haar. Henri grinste und löste die Zügel von ihrem Halfter, ehe er zu Tonnelle weiterging.

“Bursche!”

Während Henri herumfuhr, fragte er sich, was er dieses Mal getan oder auch nicht getan hatte. Eine junge blonde Frau mit scharf geschnittenen Gesichtszügen stand in der offenen Tür zum Stall. Sie raffte ihre Röcke, damit sie nicht im Stroh schleiften. Er hatte sie schon ein oder zwei Mal bei den Ställen gesehen und daraus geschlossen, dass sie die Geliebte eines der älteren Pferdepfleger oder eines Kuriers war. Obwohl sie die unscheinbare Tracht eines Küchenmädchens trug, waren ihre gebieterischen Gesten die einer höherrangigen Dienstbotin. “Lass das Pferd stehen. Komm mit.”

“Ich habe zu arbeiten”, erwiderte er.

“Die Arbeit kann warten. Madame la Duchesse wünscht dich zu sehen.”

Im ersten Moment glaubte er, sich verhört zu haben. Mit offenem Mund stand er da. Seit Monaten hatte er die Herzogin nicht gesehen, nicht einmal aus der Ferne. Er hatte sogar Gerüchte gehört, der Herzog habe sie in seinem ungezügelten Zorn umgebracht oder sie sei in ein Irrenhaus gesperrt worden, nachdem sie dem Wahnsinn verfallen war, weil sie ihrem Mann kein Kind gebären konnte. Vielleicht war sie wirklich verrückt geworden. Es war noch nie vorgekommen, dass sie einen so niederen Diener wie ihn zu sich rief. Hatte er die Frau falsch verstanden? Sollte er sich in Wahrheit mit einem Verwalter treffen? Wie auch immer, es wäre gut zu wissen, ob die Herzogin lebte und wie es ihr ging. Vielleicht konnte diese Frau ihm Neuigkeiten über ihr Ergehen erzählen; vielleicht konnte sie eine Botschaft von ihm übermitteln, damit seine Herzogin über das Wohlbefinden ihrer Pferde informiert wurde. Womöglich wollte sie ihn aus diesem Grund sehen, um sich persönlich nach ihren Pferden zu erkundigen. “Was will sie von mir?”

“Es ist die Sache der Herzogin, dir das zu sagen. Komm, Bursche. Ich kann nicht den ganzen Tag hier herumtrödeln.”

Mit gesenktem Kopf folgte Henri der Magd durch einen Dienstboteneingang in der gewaltigen weißen Mauer des Palasts. Sie gingen einen dunklen Korridor entlang und betraten durch eine unscheinbare Tür den inneren Bereich des herzoglichen Palasts. Warum rief die Herzogin ihn zu sich? So angestrengt er auch nachdachte, er konnte nicht ergründen, ob diese Angelegenheit für ihn gut oder schlecht enden würde. Oder gut für die Herzogin, für ihn jedoch schlecht?

Die Magd lief sehr schnell und schaute sich kein einziges Mal um, ob er ihr folgte. Der Fußboden war aus poliertem Marmor und von einer zartgrauen Farbe, die ihn an winterliches Eis erinnerte. Auch die Tatsache, dass außer ihnen niemand auf den Korridoren zu sehen war, ließ Henri frösteln. Er wusste, der Herzog verfügte über beinahe hundert Diener. Unter normalen Umständen wären sicher einige von ihnen auf diesen Fluren unterwegs gewesen. Offenbar hatte jemand dafür gesorgt, dass die Gänge derart verlassen dalagen. Er kannte einige Lakaien und wusste, sie verbrachten einen Großteil ihrer Zeit damit, auf den Korridoren herumzustehen und zu warten, bis jemand nach ihnen verlangte. Wo waren diese Lakaien jetzt? Der einzige Flügel des Palasts, in dem es keine Lakaien gab, war … Aber das konnte nicht sein, unmöglich konnte er durch den Teil des Palasts marschieren, in dem die Herzogin residierte. Sie pflegte ihre Diener in einem der Empfangsräume abseits der Haupthalle zu instruieren, die für Audienzen bestimmt waren. Vielleicht war dies lediglich ein ihm unbekannter Weg dorthin.

Das erklärte jedoch nicht die verlassenen Flure. In der Nähe der Haupthalle gab es weitaus mehr Diener als im Flügel der Herzogin. Während die Magd ihn eine schmale Treppe hinaufführte, auf der es nach Zitrone und Bienenwachs roch, fragte er sich, wie viel an Bestechungsgeld es wohl gekostet hatte, dafür zu sorgen, dass hier niemand war, und aus welchem Grund dieses Geld ausgegeben worden war.

Die Zofe blieb vor einer getäfelten Mahagonitür stehen, die mit Blattgoldintarsien geschmückt war. Sie bedeutete ihm, durch die Tür zu treten. Als Henri gehorchte, folgte sie ihm nicht, sondern schloss von außen die Tür hinter ihm. Dann hörte er ein dumpfes Geräusch, als hätte sie sich mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt.

Das Zimmer, in das er eingetreten war, wurde durch einen Kronleuchter strahlend hell erleuchtet. Er war mit Dutzenden von brennenden Kerzen besteckt, die herabhängenden Kristalltropfen bestanden aus dem reinsten Glas, das Henri je gesehen hatte. Beinahe schmerzhaft wurde das Licht von dem weißen Marmorfußboden reflektiert. An den Wänden hingen Gobelins mit Rankenmustern in Blau und Gold, die offenbar gleichzeitig das Auge erfreuen und die Geräusche im Raum dämpfen sollten. Er kam sich vor, als wäre er in ein mit Edelsteinen besetztes Kästchen gestiegen, das jenem ähnelte, in dem die Herzogin die Schmuckbeschläge für Guirlandes Zaumzeug aufbewahrte. Trotz dieses aufwendigen Glanzes hing ein schwacher staubiger Geruch in der Luft, der Räumen anhaftete, die lange nicht benutzt worden waren.

Als er sich nach rechts wandte und die Wandteppiche genauer betrachten wollte, bemerkte er die Herzogin, die unbeweglich wie eine Statue dastand. Es war wahr und wahrhaftig die Herzogin und nicht etwa eine ihrer Hofdamen. Ihre Schönheit und ihre aristokratische Haltung raubten ihm den Atem. Sie hatte ein dunkelrotes Kleid mit glockenförmigem Rock und einem tiefen quadratischen Ausschnitt an, der ihre Brüste betonte. Dazu trug sie mehr Juwelen als er je zuvor gleichzeitig gesehen hatte, nicht einmal an einem Höfling, der zu einer Abendgesellschaft ritt. In ihrem von silbrigen Strähnen durchzogenen Haar steckten blutrote geschliffene Rubine; weitere Rubine hingen in Form roter Weintrauben an ihren Ohrläppchen. Sie starrte ihn mit ihren hellen Augen an, und die Intensität ihres Blicks lähmte ihn. Henri wurde selten von jemandem wahrgenommen. Von der Herzogin bemerkt zu werden war wie ein Schlag in die Magengrube.

Sie hatte ihn früher schon bemerkt. Als er noch ein Junge gewesen war, hatte sie ihn von ihren eigenen Reitlehrern unterrichten lassen, damit er ihre Pferde trainieren konnte, wenn sie keine Zeit dazu hatte. Und ein einziges Mal hatte Henri ihr seine Hände als Steigbügel hinhalten dürfen, damit sie in den Sattel steigen konnte. Damals war er ungefähr fünfzehn gewesen. Noch immer erinnerte er sich an den goldfarbenen Absatz ihres Reitstiefels aus weichem Leder, der unter einem üppig bestickten Rocksaum hervorlugte. Er hatte damals Angst gehabt, den Blick zu heben, während sie ihm eine Kupfermünze gab. Nur wenige Wochen später wurde ihr verboten zu reiten – es ging das Gerücht um, weil sie im Herrensitz ritt, könne sie dem Herzog keinen Erben gebären. Dabei hatte sie nicht einmal ein Mädchen zur Welt gebracht.

Inzwischen war sie vierzig und vermutlich über das gebärfähige Alter hinaus, daher konnte es ihr wahrscheinlich nicht mehr schaden, wenn sie wieder mit dem Reiten anfing. Vielleicht hatte sie ihrem Mann die Erlaubnis abgetrotzt. Henri erinnerte sich, wie sie die Hälse ihrer Pferde gestreichelt und ihre Stirn gegen die der Pferde gelehnt hatte. Er hatte sie oft beobachtet. Er wusste, dass sie ihre Pferde liebte, und aus diesem Grund liebte er sie. Pferde blickten hinter die Fassade der Menschen. Ein einzelnes Pferd konnte vielleicht sogar einen grausamen Menschen lieben, aber so viele Pferde konnten sich nicht irren. Henri hatte ihre Pferde geritten und jedes von ihnen vertraute ihm vollkommen. Er hatte auch ein oder zwei der Jagdpferde des Herzogs geritten; das hatte ihn gelehrt, dass der Herzog linkisch war und die Körpersprache der Tiere nicht verstand, denn die Pferde reagierten steif und verschreckt auf ihn. Im Gegensatz dazu bewegten sich die Pferde der Herzogin wie Seide.

“Deine Ähnlichkeit mit meinem Mann dürfte groß genug sein”, stellte die Herzogin fest. “Du kämst also in Frage.”

Er verstand sofort, was sie meinte. Die Gerüchte, die man überall hörte, entsprachen also der Wahrheit. Henri schwieg; ein falsches Wort, und sie stellte ihn womöglich auf dem Marktplatz an den Pranger, wo er mit vergammelten Früchten und Steinen beworfen wurde. Aber er konnte auch nicht weglaufen, denn die Herzogin hatte ihn zu sich befohlen. Sie hatte ihn rufen lassen, und er hatte nicht die Flucht ergriffen, wie es jeder vernünftige Mensch tun würde, wenn die Herrschaften ihm allzu viel Beachtung schenkten. Wenn sie ihm nur egal wäre. Wenn es ihn nur nicht kümmern würde, ob sie einem Erben das Leben schenkte oder ob sie ihr Versagen mit dem Leben bezahlen musste.

In diesem Empfangszimmer war er mit ihr allein. Falls er von irgendjemandem außer ihrer treuen Zofe mit der Herzogin allein gesehen würde, war ihm der schlimmste aller Tode gewiss. Soweit er wusste, war es der Herzogin nicht erlaubt, in Abwesenheit ihrer Eunuchen, die ihr als Leibgarde dienten, Männer zu treffen. Es sei denn, ihr Gatte, der Herzog, war dabei. Henri starrte noch angestrengter auf das in den Marmorfußboden eingelassene Medaillon aus rotem Porphyr. Die Sauberkeit und der Luxus, die ihn hier umgaben, ließen seine Knie weich werden. Seine Hoden zogen sich zusammen. Vermutlich war er bereits dem Tode geweiht. Dabei hatte er nichts Falsches getan. Außer der Zofe der Herzogin zu gehorchen, die ihn hierher geführt hatte wie das liebste Reitpferd ihrer Herrin.

“Bursche? Verstehst du, was ich als deine Herzogin von dir verlange? Ich weiß, du verstehst einiges von der Pferdezucht. Daher solltest du für diese Aufgabe mehr als geeignet sein.” Ihre Stimme war leise, aber befehlsgewohnt. Es war unvorstellbar für ihn, sich ihren Worten zu widersetzen.

Sie stellte sich direkt vor ihn, und er zuckte zurück. Erwartete sie eine Antwort? Sein Hals fühlte sich an, als wäre er mit Heu verstopft. Dann geschah das Undenkbare – sie berührte ganz leicht sein Haar.

“Heb den Kopf.”

Zitternd gehorchte er, als wäre er ein gezäumtes Pferd und sie hätte an den Zügeln gezogen.

“Bitte”, fügte sie hinzu. Im gleichen Ton hätte sie das Frühstück bestellen können. Ihr Gesicht glich ihrem Porträt auf der Silbermünze, die er einst gesehen hatte: fein geschwungene Lippen und eine lange, gerade Nase. Aber aus der Nähe konnte er die sorgfältig überschminkten Rötungen an ihrem Kinn erkennen. Und die feinen strahlenförmigen Linien in ihren Augenwinkeln. Dicke silbrige Strähnen durchzogen das ebenholzschwarze Haar, das ihr weit über die Taille reichte. Ihre schimmernden Augen, die das kalte Grau des Winterhimmels hatten, füllten sich mit Tränen, die sie hastig fortblinzelte, sodass ihr Blick gleich darauf wieder wie kühles Metall war.

Für einen Augenblick verlor er sich in einer seiner nachmittäglichen Fantasien, die manchmal über ihn kamen, wenn er mit zusammengekniffenen Augen in den im Sonnenlicht tanzenden Staub sah, der vom Heuboden herunterschwebte. Er würde sie retten und sie … sie würde ihn töten lassen, damit niemand wusste, was sie getan hatte. “M…Madame”, stotterte er. Ihrem Kleid entströmte der Duft teurer Gewürze, deren Namen er nicht kannte. Seine eigene Kleidung roch stechend nach Pferden, Leder und Schweiß. Die Zofe hatte ihm befohlen, seine schmutzverkrusteten Stiefel auszuziehen, und nun krümmten sich seine nackten schwieligen Zehen auf dem polierten Marmorboden.

Die Herzogin trat einen Schritt zurück, und ihre Röcke fielen über ihre juwelenbesetzten Pantoffeln. “Wenn ich nicht binnen Jahresfrist einen Erben zur Welt bringe, muss ich sterben, damit mein Gatte sich problemlos eine andere Frau nehmen kann”, erklärte sie tonlos. “Erst werden sie mir den Kopf scheren und ihn mir dann abschlagen. Verstehst du? Antworte mir.”

“J…ja.”

“Ich kann dich nicht beschützen. Ich bin eine Frau, und die Wachen meines Mannes geben keinen Pfifferling auf meine Befehle.” Sie zögerte. “Wirst du mir dennoch diesen Dienst erweisen?”

Für sie würde er es tun. Niemals hätte sie sich jemandem wie ihm gegenüber derart erniedrigt, wenn sie nicht wirklich seine Hilfe brauchte. Vor lauter Angst fühlte sich sein Mund ganz taub an, während er nickte und auf die Knie sank. Vergebens suchte er in ihrem blassen majestätischen Gesicht nach einem weiteren Anzeichen menschlicher Schwäche.

Ihr blutrotes Kleid raschelte, als sie zur Tür eilte. Sie erinnerte ihn an die in einem Käfig eingesperrte Krähe, die im Stall gehalten wurde. Er kam wieder auf die Füße und folgte ihr. Sie hatte von ihm die Antwort bekommen, die sie wollte. Die Adeligen bekamen immer, was sie wollten. Es war ihr gutes Recht.

Wie um alles in der Welt sollte er sich vor ihr ausziehen? Geschweige denn …

Vor der Tür blieb sie stehen und bemerkte in einem Ton, als diskutierte sie ihre Kleiderwahl mit ihm: “Es ist das Beste, wenn wir es sofort tun. Heute Nacht wird mein Gatte nach mir schicken.”

Henri nickte erneut. Was sollte er auch sonst tun?

Die Herzogin öffnete die Tür einen Spalt breit und spähte hinaus. Sie flüsterte ihrer wartenden Zofe etwas zu, dann schloss sie die Tür wieder. Henri zuckte bei dem Geräusch zusammen. “Hier entlang”, sagte sie.

Gehorsam folgte er ihr. Vor dichten roten Vorhängen, die mit Blumenranken in einem dunkleren Rot bestickt waren, stand ein zierlicher Holzstuhl mit rotem Samtbezug und gewölbten Armlehnen, die in geschnitzten Blumenornamenten ausliefen. Die Vorhänge verbargen eine weitere Tür. Henri erwartete, hinter dieser Tür Dunkelheit vorzufinden, doch in dem mit rotem Marmor ausgelegten Korridor brannten Bienenwachskerzen, die so dick wie sein Arm waren und einen süßen Duft verbreiteten. Sie standen in goldenen, wie überirdisch zarte Frauenhände geformten Wandleuchtern. Nie zuvor in seinem Leben hatte er so viele Kerzen gesehen. Wer zündete sie alle an? Wer beseitigte die Wachstropfen? An den Wänden waren mit üppigen Schnitzereien verzierte Ebenholzstühle aufgereiht, neben denen kleine Tische mit Marmorplatten standen. Er hatte keine Ahnung, welchem Zweck all diese Tische dienten, auf denen nichts stand.

Die Herzogin rauschte durch den Korridor, ohne den Blumengemälden in ihren vergoldeten Rahmen und den Wandteppichen, auf denen blühende Gärten, vornehme Damen und wohlgenährte Babys zu sehen waren, auch nur einen Blick zu gönnen. Ebenso wenig beachtete sie die weiße Marmorbüste des Herzogs, dessen Augen einerseits blind zu sein und andererseits alles zu bemerken schienen. Am liebsten hätte Henri die Lider zugekniffen, um diesen Blick nicht sehen zu müssen. Zu seiner Erleichterung entdeckte er nirgendwo Wachen.

Nur mit Mühe bremste er rechtzeitig ab, als sie plötzlich stehen blieb und einen goldenen Schlüssel aus ihrem Ausschnitt zog. Hastig wandte Henri den Blick ab und sah den schmutzigen Abdruck, den seine Hand auf der zartrosa gefärbten Tapete hinterlassen hatte. Mit seinem Ärmel wischte er den Fleck weg. Der Schlüssel knirschte im Schloss und die Tür schwang auf.

Henri nahm die Räume, durch die sie jetzt eilten, kaum mehr wahr. Er bewahrte sich den verschwommenen Eindruck von frischen Blumen und edelsteinfarbenem Samt, ovalen Spiegeln in Rahmen, die so breit wie seine Hand waren, dick gepolsterten Sofas mit passenden Kissen, silbernen Teller mit frischem, glänzendem Obst, bauchigen Öllampen aus Glas, denen schwerer Duft entstieg. Als die Herzogin endlich stehen blieb, ragte vor ihm ein quadratisches hölzernes Bett auf, dessen Himmel und Vorhänge aus goldener mit Fransen besetzter Seide bestanden. Auf der Matratze lagen unzählige blaue mit Quasten besetzte Kissen. Das Bett war größer als die Box des preisgekrönten Deckhengstes im Stall – und halb so groß wie die Hütte, in der er geboren worden war. Henri hatte in den neunzehn Jahren seines Leben immer im Stroh geschlafen, wobei ihm sein zweites Hemd als Kissen diente, während Ratten über seine Stiefel neben ihm liefen. Und nun sollte er der Herzogin in einem Bett zu Diensten sein, das so viel wert war wie ein ganzes Dorf? Unmöglich! Schlaff wie eine leere Wurstpelle hing sein Schwanz in der Hose. Seine eigene Stimme klang ihm seltsam fremd in den Ohren, als er sagte: “Halt.”

Die Herzogin wandte sich um.

“Ich…Ich wollte …” Henri schluckte.

Gelassen und ohne ein Wort zu sagen, schaute sie ihn an. Ihm wurde bewusst, dass sie auch nichts sagen musste. Er war hier, alles geschah nach ihren Wünschen, und offenbar war es für sie uninteressant, wie der … Akt vonstatten ging.

Er würde es so machen, dass sie etwas dabei spürte. Wenn er danach sterben sollte, dann wollte er als Mann sterben und nicht als stummer Sklave. “Ich will Euch dort nehmen”, sagte er mit so fester Stimme, wie er konnte, und wies auf den vor dem Schlafgemach liegenden Raum, der auf ihn weniger bedrohlich wirkte.

Zu seiner Überraschung tat die Herzogin widerspruchslos, was er von ihr wollte. Ihre Röcke streiften sein Bein, als sie sich an ihm vorbeischob. Henri zuckte zusammen wie ein nervöses Pferd und folgte ihr dann.

Auch dieses Zimmer war sehr groß, aber wenigstens gab es hier kein Bett. “Wenn du mir ein Kind schenkst, werde ich dich in klingender Goldmünze belohnen”, versprach ihm die Herzogin.

Henris Wangen glühten vor Scham, er war kein käuflicher Lustknabe. Als könnte Gold ihm noch helfen, wenn die Palastwachen ihn hier in ihren Gemächern erwischten. Das Mindeste, was sie ihm antun würden, war die Kastration mit glühenden Eisen. Plötzlicher Zorn ließ seinen Schwanz hart werden, sodass er sich am harten Stoff seiner Hose rieb, während er sich klarmachte, dass es ihm egal war, was sie von ihm dachte. Sie hatte ihn nicht gebeten, ihr Freund zu sein, sondern wollte ihn nur als Deckhengst. Er konnte mit ihr machen, was er wollte. Absolut alles. Hier in diesem Zimmer war Madame la Duchesse, die Herzogin, seinem Befehl unterworfen.

Wenn er versagte, würde sie dann einen anderen finden, der ihre Bitte erfüllte? Dieser Gedanke war ihm unerträglich. Er durfte nicht versagen. Für den Moment musste er ihr befehlen.

“Zieht Euch aus”, wies Henri sie an.

“Das kann ich nicht allein. Du musst mir helfen.”

Dieses Problem war ihm nicht bewusst gewesen. Er war ebenso wenig eine Zofe, wie er ein Lustknabe war. Merkwürdigerweise gefiel ihm der Gedanke jedoch.

“Beugt Euch über das Sofa”, befahl er. “Nein, über die Rückenlehne.”

Sie tat genau, was er ihr gesagt hatte. Als sie sich über das Sofa beugte, quollen ihre Brüste aus dem Ausschnitt ihres Kleids. Ihr Gesicht war von ihm abgewandt, doch er konnte die weiße Haut ihres Nackens sehen. Henri umkreiste sie und nahm sie aus jedem Blickwinkel in Augenschein. Ihr dunkelrotes Kleid wurde von zahllosen Knöpfen zusammengehalten. Noch nie zuvor hatte er so viele Knöpfe gesehen. Er stellte sich vor, wie viele Stunden eine Näherin damit verbracht haben musste, diese Knöpfe mit Stoff zu überziehen und sie anzunähen, wie mühevoll es gewesen war, die kleinen Stoffschlingen zu machen, in die die Knöpfe geschoben wurden. Er sah vor sich, wie er das Kleid einfach auseinanderriss, sodass die Knöpfe in alle Richtungen flogen. Stattdessen öffnete er jedoch sorgfältig bis hinunter zu ihrer Taille jeden einzelnen, dann ließ er seine Hände, fast ohne sie zu berühren, an ihrem Mieder nach oben gleiten, und legte sie um ihre vollen weichen Brüste. Ihr Atem stockte. Seiner auch. Ihr Hintern zuckte gegen seinen Unterleib. Er schloss die Augen. Ja, er konnte das hier tun, sein Körper war stark und mutig. Widerstrebend ließ er sie los und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.

Das Kleid war bis zu ihrer Taille hinuntergerutscht. Er wusste, wie man ein Mieder aufschnürte, und brachte diese Aufgabe rasch hinter sich. Darunter befand sich ein Unterhemd aus zarter Seide, die weicher war als ihre Haut. Das Unterhemd musste man über den Kopf ziehen, doch es war ihm ein Leichtes, die dünne Seide zu zerfetzen. Das reißende Geräusch fuhr ihm bis in die Hoden. Unter dem Hemd trug sie nichts. Henri ergötzte sich am Anblick ihrer Rückenwirbel. Dann beugte er sich vor und saugte an ihrem Hals, bis ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, was passieren würde, wenn er auf ihrer Haut ein Mal hinterließ.

Ihr Atem ging unregelmäßig, und unter seinen Händen spürte er ihr leichtes Zittern. Als wäre sie ein Sattel, den er zu polieren hatte, begutachtete er ihre in Unordnung geratene Kleidung. Dieser Sattel wartete darauf, von ihm geritten zu werden. Während er überlegte, was er als Nächstes tun sollte, grub er seine Zehen in den dicken Teppich.

“Beeil dich”, drängte sie ihn.

Er zögerte, ehe er schließlich erwiderte: “Nein.”

Er zog sein geflicktes Hemd aus und warf es beiseite. Die kühle, parfümierte Luft strich an seinem Körper entlang und brachte seine Haut zum Prickeln. Der üppig bestickte Stoff ihres Rocks knisterte, als er ihn gierig nach oben raffte. Dabei blieb er mit seinen rauen Händen an den Stickereien hängen. “Ich will, dass Ihr genau so hier stehen bleibt”, befahl er.

Die Herzogin antwortete nicht, also schob er ihren Rock weiter nach oben – Stückchen für Stückchen dieses gewaltigen Rocks –, als wäre sie eine Küchenmagd. Schließlich knüllte er den Rock so gut es eben ging um ihre Taille und legte so weitere Röcke frei, die dünner und steifer waren. Diese schob er nachlässig beiseite und drang so endlich zu ihrer Unterwäsche vor, die nicht anders war als bei anderen Frauen, wenn man davon absah, dass sie aus zarter roter Seide war. Neugierig erkundete Henri die Unterhose mit seinen Fingern und spürte einen ganz normalen Schlitz, keine Goldfäden, keine Juwelen, nicht einmal aufgestickte Blumen. Aber unter dieser schlichten Unterhose! Dort war sie unglaublich weich. War das ein Zeichen ihrer aristokratischen Abstammung oder … natürlich nicht. Wie dumm von ihm. Sie verfügte über eine ganze Armee von Zofen, die sie pflegten und rasierten.

Das Bild, das er sich von ihr und ihren Zofen machte, war beinahe zu viel für ihn; es ähnelte einem Gemälde, das in der La rose mouillée hing. Henri strich mit einem Finger über ihre Spalte, und sie erbebte wie ein Pferd, das eine Fliege vertreiben will. Er spürte ihre feuchte Hitze und konnte dem Drang nicht widerstehen, ihre saftigen Schamlippen zu öffnen und seinen Finger in sie hineinzuschieben. Sie war so schlüpfrig wie geschmolzene Butter, längst bereit für ihn. Er erregte sie. Nein, dachte er, es ist wahrscheinlicher, dass die Situation sie erregt. Aber wer war er, sich darüber zu beklagen? Mit der freien Hand löste er die Kordel, die seine Hose hielt. Sein Schwanz drängte ins Freie.

Gestiefelte Füße trampelten durch den Korridor, jedoch zum Glück in einiger Entfernung. Sein fiebrig umherschweifender Blick entdeckte eine Polsterbank an der Wand. Er zog die Herzogin am Arm dorthin, hielt mit der freien Hand seine Hose fest und ließ ihr Kleid fallen. Sie stolperte und stieg aus ihrem Kleid. Dabei flüsterte sie eindringlich: “Ich höre die Wachen! Du musst …”

Die Schritte wurden nicht langsamer, als sie sich näherten. “Sie kommen nicht unseretwegen”, antwortete er. Sie würden es nicht wagen. Nicht in dem Moment, in dem er kurz davor war, in sie einzudringen. Tatsächlich entfernten sich die polternden Schritte wieder. Aufatmend sank die Herzogin in sich zusammen, doch dieser Augenblick der Schwäche währte kurz.

Auf der Bank, die er ausgewählt hatte, lag eine sorgfältig zusammengelegte Näharbeit. Vermutlich gehörte das Nähzeug einer ihrer Dienerinnen. Henri warf es zu Boden, das ganze Zeug. Mit eisigem Blick schaute sie ihn über ihre Schulter hinweg an. Nachdem er einen tiefen, zittrigen Atemzug genommen hatte, schob er die Stoffe behutsam mit dem Fuß aus dem Weg.

Er war erleichtert, als sie wieder nach vorne sah. Jetzt trug sie nur noch die Überreste ihres Unterhemds und ihre seidene Unterhose, außerdem ihre Ohrringe. Ihre Pantoffeln waren irgendwo auf dem kurzen Weg durchs Zimmer verlorengegangen, aber um ihren Hals lag eine schwere Brillantkette. Er hatte den Schmuck vorher nicht bemerkt, da die Pracht ihres Kleids ihn abgelenkt hatte. Obwohl ihr Haar zerzaust war, wirkte die Frisur immer noch kunstvoll, und auch die juwelenbesetzten Spangen steckten noch an ihrem Platz. Er konnte sich beinahe vorstellen, dass sie eine Hure war, die in einem der Bordelle in der Stadt die Herzogin spielte und für zehn Kupfermünzen das Lager jedes Mannes teilte.

Mit grazilen Armbewegungen zog sie ihr zerrissenes Hemd aus. Nie zuvor hatte er Haut gesehen, die so weiß und glatt war. Von ihrem nackten, erhitzten Fleisch stieg der Duft einer kostbaren Blütenessenz auf und weckte in ihm den Wunsch, sich tief vor ihr zu verbeugen, obwohl er es doch war, der in diesem Moment das Sagen hatte. Er zog seine Hose herunter, und zum Glück ragte sein Schwanz immer noch unerschrocken vor.

Mit geschickten Bewegungen löste sie die Schnur, die ihre Unterhose hielt. Und langsam, unendlich langsam schob sie den Stoff über ihre runden Hüften und die üppigen weißen Pobacken nach unten. Sie hat den Körper einer Frau, die geschaffen ist, Kinder zu gebären, dachte Henri und spürte, wie seine Erregung noch größer wurde.

Er konnte keinen Augenblick länger warten und stieß von hinten mit einem einzigen, heftigen Ruck in sie hinein. Sie stöhnte auf, als hätte er sie geschlagen. Henri genoss die Hitze ihrer Möse, die ihn fest umschloss. Dann begann er, sie mit kurzen, heftigen Stößen zu nehmen. Jeder einzelne dieser Stöße wurde von seinem Keuchen und ihrem Stöhnen begleitet.

Erneut hörte er aus dem Flur das Trappeln von Stiefeln, die sich rasch näherten. Die Herzogin schnappte nach Luft, und er wusste nicht, ob aus Angst oder weil seine schwieligen Hände ihre Brüste jedes Mal zusammenpressten, wenn er sich aus ihr zurückzog. In diesem Moment kümmerten ihn die Wachen nicht mehr. Er konnte nicht aufhören. Oh, er würde auch nicht aufhören. Er war blind für alles außer für das bebende Fleisch unter ihm. Er drückte sie in die Polsterbank, spießte sie wieder und wieder auf. Ihre Möse zog sich um seinen Schwanz zusammen und er sog heftig die Luft ein. Wild packte er ihre Hüften, schob sich so tief in sie hinein, wie es nur ging, und presste dabei ihre Knospe fest gegen das Polster unter ihr. Er war zu grob, eigentlich hätte er zärtlicher zu ihr sein sollen, aber sie wand sich stöhnend unter ihm, und plötzlich fuhr es wie Feuer sein Rückgrat hinab. Er ergoss sich in ihre pulsierende Möse, bis sie ihn ganz und gar ausgelaugt hatte.

Danach herrschte Stille. Der Schweiß seiner Mühen trocknete schnell, und er kam unsanft wieder in der kalten und klebrigen Wirklichkeit an. Die Schritte draußen wurden langsamer und kamen näher.

Henri meinte zu zittern, doch dann wurde ihm bewusst, dass es die Herzogin war, deren Körper unter ihm bebte. “Seid still”, hauchte er in ihr Ohr. Die Stiefel klapperten davon, zum anderen Ende des Flurs. Henri atmete vorsichtig aus und zog sich aus ihr zurück.

Er wollte nicht einfach gehen, während sein Samen noch auf ihren Schenkeln trocknete; nicht einmal einer Hure hätte er das angetan. Die Herzogin richtete sich vorsichtig auf, wandte sich ihm jedoch nicht zu.

“Dreht Euch um”, forderte Henri, doch er brachte den Befehlston, der ihm vorhin gelungen war, nicht mehr zustande.

Sie wandte sich dennoch um. Eine Frau mit dichtem langen Haar, das ihre vollen Brüste bedeckte. Nur mit einem Juwelenhalsband und seidenen Strümpfen bekleidet, die ihr bis ans Knie reichten, wirkte sie auf ihn wie ein erotisches Gemälde. Sie versuchte nicht, ihre Blöße zu bedecken, sondern stand groß und stolz vor ihm. Henri wurde zum ersten Mal bewusst, dass sie sogar barfuss ein wenig größer war als er.

“Du hast deine Sache gut gemacht”, sagte sie ohne ein Lächeln.

Hatte schon einmal jemand sie lächeln sehen? Sein Ärger war verraucht. Er fühlte nur Traurigkeit, wenn er sie anblickte.

Henri dachte an die Geräusche, die sie noch vor wenigen Augenblicken hervorgestoßen hatte. Er glaubte, dass er ihr zumindest ein wenig Lust bereitet hatte.

“Werdet Ihr es mich wissen lassen, wenn Ihr Nachwuchs erwartet?”, fragte er und wandte den Kopf ab, als er die Hitze spürte, die ihm ins Gesicht stieg. Das ganze Herzogtum würde es erfahren, wenn sie guter Hoffnung war.

“Sieh mich an.”

Henri hob den Kopf. Ihre Wangen und ihre Brust waren noch immer gerötet, und das Zimmer war erfüllt vom Geruch ihrer Vereinigung. Dennoch machte sie auf ihn den Eindruck, unberührbar zu sein.

“Ja, Bursche, ich werde es dich wissen lassen, wenn ich ein Kind erwarte”, erklärte die Herzogin. “Aber jetzt musst du gehen. Du warst sehr mutig, aber es wäre nicht gut für dich, würde man dich hier ertappen. Der Herzog wacht eifersüchtig über seinen Besitz.”

Er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie schutzlos allein zu lassen. “Nein.” Als er einen Schritt rückwärts machte, spürte er unter seiner nackten Ferse seine Hose. Langsam bückte er sich, hob die Hose auf und stieg hinein. Das alles tat er, ohne ihr den Rücken zuzuwenden. Sie sah ihm nicht zu. Ihr Blick ruhte auf einem Gemälde über dem Kamin, das drei kastanienbraune Pferde zeigte, die inmitten grüner Hügel grasten.

Das Leinen seiner Hose fühlte sich kratzig an nach den luxuriösen Stoffen, aus denen er den Körper der Herzogin geschält hatte. Er starrte auf seine Hände, während er den Knoten der Kordel festzog. “Madame”, sagte er schließlich. “Wenn Ihr nicht schwanger seid – werdet Ihr mir auch das mitteilen?”

“Es wird keine Überraschung sein, wenn ich nicht schwanger werde.”

Henri tastete auf dem Teppich nach seinem Hemd und fand es schließlich. Während er es sich über den Kopf zog, hakte er nach: “Werdet Ihr in den Stall kommen?”

“Mein Gemahl gestattet es mir nicht …” Sie zögerte. “Ja. Ich werde in den Stall kommen.”

Ihre Stimme war so ruhig wie zuvor, aber er meinte, eine Spur Hoffnungslosigkeit herauszuhören. Ohne nachzudenken, streckte er die Hand nach ihr aus, ließ jedoch den Arm wieder sinken, bevor seine Finger ihre berührten, denn er fürchtete sich vor ihrer Zurückweisung. Vielleicht gelang es ihm, sie zu überreden. “Kommt des Nachts. Ich würde Euch retten, wenn ich nur könnte, Madame. Wenn Ihr nur mit mir fortgehen würdet. Ihr könnt reiten. Ihr müsst nicht sterben.”

Die Herzogin verschränkte die Arme vor der Brust. Obwohl sie fast nackt war, strahlte jeder Zentimeter ihres Körpers die Macht einer Herzogin aus. “Ich glaube nicht”, erwiderte sie, “dass es eine Möglichkeit gibt, diesem Leben zu entfliehen.”

Er hatte sich den Palast noch nie als Käfig vorgestellt und fragte sich, ob sie sich je dagegen aufgelehnt hatte. “Ich hätte ja auch niemals geglaubt … dass ich versuchen würde, Euch ein Kind zu machen.”

Ihr Mund verzog sich zu einem nicht allzu überzeugenden Lächeln. “Wir werden sehen, Henri. Wir werden sehen. Und jetzt geh. Sylvie wird dich sicher zurück zu den Ställen geleiten.”

Henri wusste, was dieses “wir werden sehen” bedeutete. Sie hatte einen Weg eingeschlagen und war gewillt, diesen Weg bis zum Ende zu gehen. Er kannte diesen Tonfall. Vom stursten seiner Onkel, der sein Ende als Fischfutter auf dem Meer gefunden hatte, weil er sich geweigert hatte, sich mit seinem Vater zu versöhnen. Und das alles nur wegen einer Frau, die er nicht einmal geheiratet hatte. Henri war in einer noch viel schlechteren Position, wenn er mit der Herzogin stritt. Er mochte gut genug sein, ihr zu dienen, aber es war unwahrscheinlich, dass sie den Rat eines dreckigen Stallburschen annahm.

Er senkte den Blick und verbeugte sich rasch vor ihr, ehe er zur Tür eilte. Es war das Beste für ihn, wenn er die Ereignisse in diesem Gemach so schnell wie möglich vergaß.

3. KAPITEL

Herzogin Camille saß auf der Bettkante. Die blaue seidige Samtdecke schmiegte sich an die nackte Unterseite ihrer Schenkel und die zurückgezogenen Vorhänge des Betthimmels streiften ihre nackten Schultern. Unter der gestrengen Aufsicht von Sylvie, die mit Adleraugen und scharfer Zunge ihr Regiment führte, stoben Bademägde in das Gemach und sammelten die Berge zerknüllter Handtücher, die unzähligen Flaschen mit Badeölen und Hautcremes, Rasiermesser und Abziehleder, Tiegel mit gemahlenen Mandelkernen und allen möglichen Arten parfümierter Öle und Balsame zusammen, die Laure in ihre Haut massiert hatte, während Tatienne und Solange ihre Beine und ihre Scham rasierten. Es war so schrecklich ermüdend. Sie war sich nie sicher gewesen, warum dies von Bedeutung war, denn niemand außer den Mägden und ihrem Mann sah sie je nackt. Manchmal fragte sie sich, ob die Rituale der Schönheitspflege bloß dazu dienten, Frauen die Zeit zu vertreiben, die weniger zu tun hatten als sie.

Jetzt war Camille dankbar, dass sie sich in einem der Salons und nicht in ihrem Schlafzimmer von dem Jungen hatte nehmen lassen. In dem betreffenden Salon hatte Sylvie eine nach Rose duftende Kerze entzündet, die jeden anderen Duft überdeckte. Sollten die Bademägde bemerkt haben, dass etwas anders war als sonst, so hatte keine von ihnen ein Wort darüber verloren.

Sie schloss für einen Moment die Augen und genoss die kühle Frühlingsluft, die das parfümierte Badewasser auf ihrem Körper trocknete. Ehe die Dunkelheit hereinbrach und ihr Mann nach ihr rufen ließ, musste sie in ihren Gedanken in die Wirklichkeit zurückkehren. Falls er nach ihr rufen ließ.

Nun war sie müde, und ihr Körper schmerzte. Sylvie scheuchte die letzten Bademägde aus dem Gemach und rief zwei Wachsoldaten herbei, damit sie den Badezuber wegtrugen. Dann kehrte sie zurück und baute sich neben Camille auf.

“Madame, Ihr müsst etwas essen.” Ihre Stimme war sehr viel sanfter, als wenn sie mit den ihr gleichgestellten Dienern redete. “Ich habe Euch Essen gebracht, während Ihr gebadet habt. Seht Ihr? Lauter Sachen, die Ihr gerne esst. Ich habe sie eigenhändig zubereitet.”

Auf einem der Tischchen stand ein silbernes Tablett. Es gab frisches, gewürfeltes Brot, dünne Scheiben eines scharfen Käses, ein Schälchen mit weichem Ziegenkäse, mehrere Baisers und eine saftige Birne, die fächerförmig aufgeschnitten war.

“Danke, Sylvie. Du kannst gehen.”

“Geht es Euch gut, Madame?”

Sylvie diente Camille seit zu vielen Jahren. Camille wusste, sie fragte in Wahrheit nach dem Jungen und danach, was sie mit ihm getan hatte. Camille widerstand dem Impuls, Sylvie nach ihrer Meinung zu fragen. “Es geht mir wunderbar”, erklärte sie. “Beim Essen brauche ich deine Hilfe nicht.”

“Ja, Madame.” Sylvie verneigte sich und ging. Lustlos nahm Camille ein Stück Birne und zwang sich, es zu essen. Sie würde alle Kraft brauchen, die sie aufbringen konnte. Sie wollte den Herzog nicht sehen. Nicht jetzt. Aber sie musste ihm gegenübertreten. Sie musste Dinge tun, die ihr nicht gefielen, die aber zu ihren Pflichten gehörten.

Auf ihrem mit Intarsien verzierten Schreibtisch, der in einer Ecke zwischen Regalen seinen Platz hatte, stapelten sich die Schriftstücke. In den Regalen standen schwere Folianten, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, welcher sie wiederum von seinem Vater übernommen hatte. In ihrer Sorge wegen der wachsenden Ungeduld, die der Herzog ihr gegenüber an den Tag legte, hatte sie ihre täglichen Pflichten vernachlässigt. Bis vor Kurzem pflegte sie stets aufmerksam die Berichte über Finanzangelegenheiten und Gerichtsverfahren durchzusehen, die ihr täglich von Graf Stagiaires Sekretär gebracht wurden. Mehr als fünf Jahre waren vergangen, seit der Herzog ihr den Sitz bei Gericht entzogen und ihr verboten hatte, die Fälle zu überprüfen. Aber sie konnte einfach nicht damit aufhören. Wenigstens ganz für sich wollte sie die Geschäfte des Herzogtums verfolgen. Graf Stagiaire war einst ihr Lehrer gewesen und hatte auch jetzt noch eine Vertrauensposition im Umfeld des Königs inne. Selbst wenn der Herzog herausfand, welche Informationen der Graf noch immer an Camille weitergab, würde ihn sein Amt als Würdenträger schützen.

Früher war es Camille möglich gewesen, sich völlig in ihre Arbeit zu vertiefen. Sie recherchierte Präzedenzfälle und alternative Urteile. Es war nicht das, womit sie sich die Zeit vertrieben hätte, hätte man sie wählen lassen, aber es war eine wertvolle Arbeit, und sie war dafür ausgebildet worden. Seit es ihr jedoch verwehrt war, den Vorsitz bei den Verhandlungen zu führen oder auch nur anwesend zu sein, wenn die Fälle entschieden wurden, die sie so sorgfältig studiert hatte, wurde ihre Arbeit immer wertloser. Man konnte sie mit dekorativen Stickereien vergleichen, die nie jemand zu Gesicht bekam. Als man ihr dann auch noch ihre Pferde verbot, hatte sie sich in sich selbst zurückgezogen. Der Anblick ihres verlassenen Schreibtischs versetzte ihr einen schuldbewussten Stich. Indem sie ihre Studien aufgab, hatte sie genau das getan, was der Herzog wünschte. Und hier war sie nun und versuchte, schwanger zu werden!

Sie erinnerte sich daran, wie die Tür hinter Sylvie und dem Jungen leise ins Schloss gefallen war. Nein, er war nicht bloß irgendein Junge, korrigierte sie sich, sondern Henri, den sie in ihren Körper aufgenommen hatte. Wenn sie erfolgreich gewesen waren, war er der Vater des Kindes, das sie unter dem Herzen trug. Ihr Kind wäre nicht das Kind eines namenlosen Burschen. Camille versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, ein Kind zu haben. Es wachsen und lernen zu sehen. Würde es ein Junge oder ein Mädchen werden? Ein Junge war wohl das Einzige, was sie vor dem Tod bewahrte. Sie könnte ihm nie von seiner wahren Herkunft erzählen: Das wäre zu gefährlich. Es wäre vermutlich bereits zu gefährlich, Henri zu gestatten, das Kind zu sehen. Vielleicht würde es ihn auch gar nicht interessieren. Man hatte ihr erzählt, das niedere Volk schere sich nicht sonderlich um seine Kinder, da es zu oft geschah, dass sie sie an den Tod verloren. Sie hatte keine Möglichkeit zu ergründen, ob das stimmte. Kein Bauer würde seiner Herzogin eine ehrliche Antwort geben. Vielleicht wusste Sylvie mehr. Sie war sehr einfallsreich, wenn es darum ging, Dinge herauszufinden. Oder die Hebamme konnte ihr etwas darüber erzählen.

Nach ihrem ersten Ehejahr hatte Camille eine Hebamme aus der Stadt kommen lassen, um sich einer sorgfältigen Untersuchung zu unterziehen, da sie dem Palastarzt nicht traute. Soweit es die Hebamme beurteilen konnte, war körperlich alles mit ihr in Ordnung. Sie hatte Camille versichert, sie würde schon bald guter Hoffnung sein. Vor zwei Jahren hatte sie in ihrer Verzweiflung eine andere Hebamme kommen lassen, die Sylvie für sie ausfindig machte. Diese neue Hebamme war Annette. Das erste Mal schmuggelte Sylvie sie als Pagen verkleidet in den Palast. Annette untersuchte Camille sorgfältig, sowohl äußerlich als auch innerlich. Madame Annette versicherte Camille, sie sei kerngesund, und spottete über die Vorstellung, das Reiten im Herrensitz könnte eine Schwangerschaft verhindern.

“Man sollte eher der Wichse Eures Gatten die Schuld geben. Er geht allzu freigiebig damit um.” Ihre Verachtung für den Herzog war sehr deutlich. Camille war plötzlich dankbar, dass er seine eigenen Lustbarkeiten ausrichtete und nie das Bordell in der Stadt aufsuchte. Wären ihm Annettes Worte zu Ohren gekommen, hätte er sie ohne jedes Zögern hinrichten lassen. Camille hatte alles geglaubt, was Annette ihr erklärt hatte. Aber damals war sie noch nicht verzweifelt genug gewesen, sich nach einem anderen möglichen Vater für ihr Kind umzusehen.

Jetzt wünschte sie, schon damals diesen Mut aufgebracht zu haben. Sie hatte viel zu viel Zeit damit verschwendet, weiter zu hoffen. Welche Ironie des Schicksals, dass ihre eigene Mutter ihr keine zehn Monate nach der Hochzeit das Leben geschenkt hatte. Doch danach hatte sie sich kaum noch um Camille gekümmert und sie vollständig der Amme überlassen. Nur zu offiziellen Anlässen hatte sie sich die Tochter bringen lassen, wie es sich gehörte, in Samt gewickelt und mit einem Spitzenhäubchen auf dem Kopf.

Camille wusste nicht, ob sie in der Lage sein würde, ihr Kind zu lieben. Wenn es ihr nicht gelang … Wie grausam wäre es, wenn das Kind die Zusammenhänge begriff. Wenn es erfuhr, dass es nur lebte, um das Leben seiner Mutter zu retten. Wenn sie seine Geburt überlebte, hoffte sie allerdings sehr, dass sie Gefühle für ihr Kind entwickeln könnte. Zumindest würde sie es versuchen und ihr Kind nicht ausschließlich Kinderfrauen und Lehrern überlassen, während sie sich ihren eigenen Vergnügungen hingab.

Vielleicht spielte das alles aber ohnehin keine Rolle. Sie fühlte sich nicht schwanger. Wie lange es wohl dauern würde, bis sie es wusste? Sie war sich sicher, dass sie es irgendwie spüren würde. Tief in ihrem Körper würde das Wissen erwachen, noch bevor ihr Unwohlsein ausblieb oder sich andere körperliche Anzeichen zeigten. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihr Kind wohl aussehen würde. Sie konnte sich nur eine kleinere, rundere Version von Henri ausmalen. Dichtes braunes Haar, das ihm in die Stirn fiel, eine reizende Stupsnase. Große blaue Augen, die von Wimpern, so dicht und lang wie Sommergras, beschattet wurden. Eine verführerisch volle Unterlippe. Wenn sie nicht schwanger war – daran wollte sie jetzt nicht denken. Bis auf Weiteres lag es nicht mehr in ihrer Hand. Über ihren Untergang zu grübeln war genauso gefährlich wie der Gedanke an ihren Erfolg. Sie hatte bisher nur überlebt, weil sie von einem Moment zum nächsten lebte. Sie musste an die Gegenwart denken.

Mit gekreuzten Beinen saß sie auf dem Bett und aß eine weitere Scheibe Birne, dann wählte sie ein Stück Käse. Sie spürte, dass ihre Beinmuskeln von den nachmittäglichen Anstrengungen überdehnt waren. Tief in ihrem Inneren pochte ihre Möse angenehm. Es war lange her, dass sie es mit einem Mann getrieben hatte. Dem Herzog war es offenbar egal, ob sie schwanger wurde oder nicht. Eine jüngere und gefügigere Frau wäre wesentlich mehr nach seinem Geschmack. Das war zu Beginn ihrer Ehe vor über zwanzig Jahren schon so gewesen. Seine ideale Herzogin war eine junge Frau, die nie sprach und immer lächelte. Ach nein, Michel würde das Lächeln nicht bemerken, solange die Frau ihre Beine für ihn breit machte.

Wie ungerecht es wäre, sterben zu müssen, weil sie nicht das liebste Spielzeug eines Mannes war. Hätte er sie zugunsten seiner Konkubinen beiseitegeschoben und sie sogar in der Öffentlichkeit nicht länger an seiner Seite geduldet, hätte sie es ertragen und sich an der Würde als die einzige rechtmäßige Erbin des Herzogtums festgehalten. Ihre Untertanen hätten dem Herzog und nicht ihr die Schuld an dieser Situation gegeben. Das war es vermutlich, was er fürchtete, falls sie nicht mehr in seiner Gunst stand, aber immer noch am Leben war. Obwohl er regierte, war er nicht im Herzogtum geboren. Ihr Volk würde sich daran erinnern. Jetzt akzeptierten sie ihn, da er von ihrem Vater gekrönt worden war. Aber was würde geschehen, wenn Camille ihn verstieß? Was sie natürlich nicht tun konnte, solange sie in ihren eigenen Gemächern eingesperrt war. Er könnte sie allzu leicht finden und ihr für immer den Mund verschließen, indem er ihre Kehle aufschlitzte. Sie hatte bereits den sicheren Kurs eingeschlagen, indem sie versuchte, ihm den Erben zu schenken, den er brauchte, um seine Position zu festigen.

Sie zog sich die Haare nach vorn über die Brüste und ließ sich rückwärts auf die Decke sinken. Die goldenen Seile mit Quasten an den Enden, die die Bettvorhänge zurückhielten, symbolisierten die Fesseln, die ihr Gatte ihr angelegt hatte. Vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, dass Henri sie in diesem Bett nahm, aber er war so ängstlich gewesen und trotz seiner Angst so mutig, dass sie getan hatte, worum er sie bat. Sie wollte nicht an den winzigen Augenblick ihrer eigenen Angst zurückdenken, als sie befürchtet hatte, sie könnte ihn nicht überreden zu tun, was sie von ihm wollte.

Er hatte ihre Erwartungen übertroffen. Wenn es darum ging, eine schwierige Aufgabe zu erfüllen, ging nichts über Enthusiasmus und Kraft. Es war für sie unerwartet gewesen, auf einer Polsterbank gevögelt zu werden. Sie hatte Dinge gefühlt, die sie nicht hatte voraussehen können. In manchen Augenblicken hatte sie nichts um sich herum wahrgenommen und sich in dem intensiven Gefühl verloren, von einem Mann gefickt zu werden, den sie nicht sah.

Wäre Henri der Herzog gewesen, hätte sie ihn während des Akts im Auge behalten wollen. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, sich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde zu entspannen. Als es aber mit Henri geschehen war … Ihre eigene Reaktion hatte sie überrascht. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass sie wusste, sie konnte Henri jederzeit aufhalten. Obwohl die Bedrohung durch den Herzog die ganze Zeit in ihrem Hinterkopf gewesen war, hatte sie die Minuten mit Henri auch genossen. Wie groß wohl das Risiko war, wenn sie ihn erneut zu sich rief? Womöglich brauchte es mehrere Versuche, bis es ihm gelang, sie zu schwängern. Wenn er letztlich scheiterte, würde sie immer noch Hoffnung haben und versuchen, einen anderen potenziellen Erzeuger zu finden?

Schon bald würde sie sich dem Herzog hingeben müssen. Dabei ging es nur um seine Befriedigung. Und um ihr Leben.

Bis dahin konnte nur sie selbst sich Lust schenken. Sie hob die Hand und ließ sie zu ihrem Bauch hinabgleiten. Sie drückte den Fingernagel in die Haut, dann schob sie ihre Fingerspitze zwischen die Falten ihrer Möse. Sie umkreiste ihre Knospe, drückte sie fester. In ihrem Innern zuckte es, als würde ihr Körper sich an ihren letzten Höhepunkt erinnern. Selbst nach allem, was ihr zugestoßen war, war doch immer noch Leben in ihr. Sie streichelte sich weiter, schob auch ihre andere Hand nach unten und benutzte sie, um ihre äußeren Schamlippen zu massieren und sie in Richtung des Fingers zu drücken, der auf ihrer Perle lag. Ihre Erregung wuchs, breitete sich langsam in ihr aus wie ein goldenes Licht. Sie stellte sich vor, dass sie auf ihrer kastanienroten Stute Guirlande ritt und auf dem Rücken des Pferdes den Gipfel des Hügels nahe der östlichen Grenze in genau dem Augenblick erreichte, in dem die Sonne über der Hügelkette aufstieg. Ihre Pferdeburschen und die Soldaten waren weit hinter ihr zurückgeblieben. Es war ein Augenblick der Einsamkeit. Ein Moment des Friedens.

Bebend erreichte sie den Höhepunkt. Mit jeder der sanften Zuckungen durchlief sie ein weiterer Schauer der Lust. Als es vorbei war, schlüpfte sie unter die Decke, rollte sich auf der Seite zusammen, zog die Knie an und sank in einen tiefen, befriedigenden Schlaf.

“Madame la Duchesse.”

Camille blinzelte und starrte zu Vilmos hinauf, den Kammerdiener des Herzogs. Er trug seine gewohnte blaue mit Goldlitzen besetzte Livree. Über dem angewinkelten Arm trug er einen ihrer Morgenmäntel aus schwerer Seide. Sein breiter Nacken, das helle Haar und die harten Gesichtszüge verleiteten manchen zu der Ansicht, er sei dumm. Doch sie wusste um seine Schläue. Vielleicht war er sogar klüger als sein Herr, der Herzog. Seine Augenlider waren stets halb geschlossen; sie wusste nie, was er dachte oder wie weit er dem Herzog ergeben war. Offenbar vertraute Michel ihm, sonst hätte er ihm keinen Zutritt zu seinem Schlafgemach gewährt. Sie anstelle ihres Gatten hätte mehr Vorsicht walten lassen.

Camille schluckte, bemühte sich, vollkommen munter zu werden und erkundigte sich: “Wo ist Monsieur le Duc, der Herzog?”

“Er wartet unten auf Euch”, brummte Vilmos. “Ich wurde beauftragt, Euch und Eure Wachen zu ihm zu bringen.”

Er ließ sie zu sich rufen wie eine seiner Konkubinen. Wieder einmal. Vilmos würde dafür sorgen, dass sie sich nicht weigerte. “Ich bin bereit.”

Er hielt ihr die Halskette und ihre Ohrringe hin und wartete, während sie den Schmuck anlegte. Dann wickelte er sie ohne jede persönliche Regung in den roten Seidenmantel, kniete vor ihr nieder und schob ihre Füße in die bestickten Pantoffeln. Schließlich führte er sie durch ihre Zimmerflucht. Einen Moment lang war Camille dankbar, dass sie nicht nackt zum Herzog geführt wurde. Auch das war schon vorgekommen. Sie vermutete, der Befehl hatte auch heute so gelautet, aber Vilmos hatte ihr den Morgenmantel aus Gründen überreicht, die nur er kannte. Sie fragte sich, was das über sein Verhältnis zu ihrem Mann aussagte. Sah Vilmos sich vielleicht gezwungen, auf ihre Seite zu wechseln? Und wenn dem so war: Welchen Vorteil konnte sie daraus ziehen?

Sie blickte Vilmos an, aber er schien in seine eigenen Gedanken versunken zu sein. Seit sie in ihren Jugendjahren einige Zeit am Königshof verbracht hatte, kannte sie sich mit Ränkespielen aus. Doch Vilmos zeigte keine Anzeichen, die sie ermutigt hätten. Sie baute Luftschlösser. Eine einzige menschliche Geste bedeutete nicht zwangsläufig, dass Vilmos vorhatte, ihren Gatten zu verraten. Vielleicht hatte er auch nur umso mehr Mitleid mit ihr, je älter sie wurde.

Kaspar und Arno erwarteten sie im Korridor. Obwohl ihre Muskulatur aufgrund der frühen Kastration nicht so beeindruckend war wie Vilmos’ Muskeln, waren sie doch ebenso groß wie er. Sofort fühlte sie sich weniger verletzlich.

Mit hoch erhobenem Kopf durchschritt sie die luxuriös ausgestatteten Flure, in denen sie ab und zu Höflingen, Wachen oder Zofen begegneten. Einmal kamen sie an einem Alkoven vorbei, in dem ein Höfling und eine Zofe es lautstark miteinander trieben. Solange bis sie den eisigen Blick bemerkten, mit dem Vilmos sie ansah. Unwillkürlich wich Camille zurück und spürte Kaspar hinter sich, während Vilmos’ fleischige Hand vorschnellte und die Schulter der Zofe packte. Als er die Frau von ihrem vollkommen erstarrten Partner wegzerrte, war deutlich ein schmatzender Laut zu hören.

“Ihr!”, sprach Vilmos den Mann an. Er war einer der niederen Landadeligen, doch Camille gab vor, ihn nicht zu erkennen. “Verschwindet.”

Autor

Victoria Janssen
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