1. KAPITEL
Vorsicht, Stufe. Passen Sie bitte auf. Danke.“
Liz nahm das Ticket entgegen, das ihr ein Mann mit Sonnenbrand und Hawaiihemd hinhielt, dann wartete sie geduldig, während die Frau neben ihm in ihrer übervollen Strandtasche hektisch nach ihrer Fahrkarte kramte.
„Du hast sie doch hoffentlich nicht verloren, Mabel? Ich hab dir gesagt, du sollst sie mir geben.“
„Ich hab sie nicht verloren“, erwiderte die Frau gereizt und zog endlich das kleine blaue Kärtchen hervor.
„Danke. Nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein.“ Es dauerte noch einige Minuten, bevor sich jeder gesetzt hatte und Liz an ihren eigenen Platz am Ruder treten konnte. „Willkommen an Bord der Fantasie, Ladys und Gentlemen.“
In Gedanken mit mindestens einem Dutzend anderer Dinge beschäftigt, hob Liz zu ihrer Einführung an. Ein lässiges kleines Nicken, und der Mann auf dem Pier löste die Leinen und warf sie auf das Boot. Liz startete den Motor und schaute unauffällig auf ihre Armbanduhr. Schon fünfzehn Minuten hinter dem Fahrplan! Ein letztes Mal ließ sie den Blick über den Strand wandern. Eingeölte Körper lagen ausgestreckt auf den Sonnenliegen und wirkten wie Opferdarbietungen für den Sonnengott. Länger konnte sie nicht mit der Tour warten.
Das Boot schwankte ein wenig, als Liz ablegte und Kurs Richtung Osten einschlug. Auch wenn sie mit den Gedanken meilenweit weg war, lenkte sie das Boot routiniert aufs offene Meer hinaus, ließ die Küste hinter sich. Sie hätte das Boot mit geschlossenen Augen navigieren können. Die leichte Brise spielte mit ihrem Haar und streichelte ihre Wangen warm, obwohl es noch früh am Morgen war. Am Horizont hingen einige harmlose weiße Wölkchen, die Schiffsschrauben wirbelten Gischt auf dem Wasser auf, das genau so blau war, wie die Urlaubsprospekte es versprachen. Selbst nach zehn Jahren nahm Liz nichts davon als selbstverständlich hin, vor allem nicht diese fantastische Art, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In dieser entspannten Atmosphäre lockerten sich alle Muskeln, alle Probleme verschwanden.
Hinter ihr in dem langen schlanken Boot saßen achtzehn Fahrgäste auf gepolsterten Bänken. Schon erklangen die überraschten Ausrufe über die Fischschwärme, die durch den Glasboden des Bootes zu sehen waren. Liz bezweifelte, dass auch nur einer von ihren Passagieren jetzt an die Alltagssorgen dachte, die man zu Hause zurückgelassen hatte.
„Wir kommen gleich am Paraiso-Riff vorbei“, setzte Liz mit ihrer tiefen melodischen Stimme an. „Hier kann man zehn bis fünfzehn Meter tief tauchen. Das Wasser ist klar und die Sicht exzellent, Sie werden also nicht nur Seesterne, Fächerkorallen und Schwämme sehen, sondern auch Schwärme von Pintanos sowie Barsche und Papageienfische. So ein Barsch ist zwar nicht immer unbedingt hübsch anzusehen, aber erstaunlich wandlungsfähig. Barsche werden immer als Weibchen geboren, die erst laichen, dann können sie aber ihr Geschlecht ändern und als voll funktionsfähige Männchen weiterleben.“
Liz setzte Kurs und hielt die Geschwindigkeit bei. Sie beschrieb den eleganten Engelfisch, den scheuen Schweinsfisch und den mit Vorsicht zu genießenden Seeigel. Für ihre Kunden würden diese Informationen sehr nützlich sein, wenn sie gleich beim Palancar-Riff anhielten, um zwei Stunden lang zu schnorcheln.
Liz konnte nicht mehr zählen, wie oft sie diese Tour schon gemacht hatte. Ja, es war zur Routine geworden, aber es war niemals langweilig. Sobald sie auf dem Wasser war, überkam sie immer ein Gefühl von Freiheit … der weite blaue Himmel, das endlose Meer und das leise Tuckern der Maschinen, über die sie die Kontrolle hatte. Das Boot gehörte ihr, wie auch noch drei weitere und das kleine niedrige Ziegelsteingebäude gleich am Strand, in dem ihr Tauchgeschäft untergebracht war. Sie hatte dafür geschwitzt und gearbeitet. Geschwitzt vor allem, als die Rechnungen anfangs noch astronomisch hoch waren und die Einnahmen eher spärlich flossen. Aber sie hatte es geschafft. Zehn Jahre Plackerei und harte Arbeit waren ein kleiner Preis für das, was sie jetzt ihr Eigen nennen konnte. Ihrer Heimat den Rücken zu kehren und alles Vertraute zurückzulassen war ein noch kleinerer Preis für den Seelenfrieden, den sie hier gefunden hatte.
Cozumel, das ursprüngliche mexikanische Eiland in der Karibik, tat dem Seelenfrieden gut und förderte die innere Ausgeglichenheit. Die Insel war jetzt ihr Zuhause, das einzige Zuhause, das zählte. Hier kannte man sie, hier wurde sie akzeptiert und respektiert. Niemand auf der Insel wusste von der Erniedrigung und dem Kummer, die sie hatte durchmachen müssen, bevor sie nach Mexiko geflohen war. Liz dachte auch nur selten daran, obwohl ihr eine ständige Erinnerung an diese Zeit geblieben war.
Faith. Allein der Gedanke an ihre Tochter zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Faith war klein, springlebendig und aufgeweckt – und so weit weg. Nur noch sechs Wochen, dachte Liz, und dann würde sie für den Sommer nach Hause kommen.
Faith nach Houston zu den Großeltern zu schicken war eine gute Entscheidung gewesen. Jedes Mal, wenn Liz die Sehnsucht nach ihrer Tochter überkam, hielt sie sich das vor Augen. Eine gute Ausbildung hatte Vorrang vor den Bedürfnissen einer Mutter. Liz hatte geschuftet und sich abgestrampelt, um Faith alles bieten zu können, was ihr zustand. Worauf sie ein Recht gehabt hätte, wenn ihr Vater …
Entschieden unterbrach Liz sich. Nein, daran durfte sie gar nicht erst denken. Vor zehn Jahren hatte sie sich geschworen, dass sie Faiths Vater aus ihren Gedanken verbannen würde, so wie er sie aus seinem Leben verbannt hatte. Es war ein Fehler gewesen, begangen aus Naivität und Leidenschaft. Ein Fehler, der ihr ganzes Leben verändert hatte. Aber sie hatte etwas unbezahlbar Wertvolles dafür erhalten – Faith.
„Dort unten können Sie jetzt das Wrack einer Convair-Maschine für vierzig Passagiere liegen sehen.“ Liz verlangsamte die Fahrt, damit ihre Fahrgäste sich das Flugzeugwrack genauer ansehen und die Taucher sich ins Wasser hinablassen konnten. „Keine Sorge, hier ist keine Katastrophe passiert, sondern es wurde eine Filmszene gedreht. Das Wrack hat man dann liegen lassen, um Tauchern einen kleinen Nervenkitzel zu bieten.“
Das war auch ihr Job, erinnerte sie sich – nämlich für die Unterhaltung ihrer Gäste zu sorgen. Wenn sie zu zweit auf die Tour gingen, war das auch kein Problem. Doch allein musste sie jetzt das Ruder führen, Informationen in leichtem Plauderton vortragen, sich um die Schnorchelausrüstung kümmern, für den Lunch sorgen und die Anzahl der Köpfe im Auge behalten. Nur hatte sie nicht länger auf Jerry warten können.
Sie murmelte leicht gereizt vor sich hin und erhöhte das Tempo wieder. Vor der zusätzlichen Arbeit hatte sie keine Angst, das war es auch nicht, was sie ärgerte. Aber ihr Grundsatz lautete nun mal, dass ihre zahlenden Gäste ein Anrecht auf das Beste hatten, das sie ihnen bieten konnte. Sie hätte es besser wissen müssen, als sich auf Jerry zu verlassen. Es wäre nicht schwer gewesen, jemand anderen als Begleiter für die Tour zu organisieren. Schließlich hatte sie zwei Männer für die Taucherboote und noch zwei weitere Angestellte im Laden. Da aber das zweite Taucherboot gegen Mittag zur nächsten Tour aufbrechen sollte, war niemand für den Tagestrip mit dem Glasbodenboot frei gewesen. Und Jerry war ja auch schon vorher eingesprungen. Wenn er an Bord war, bezauberte er die weiblichen Passagiere derart, dass die Damen die bunt schillernde Unterwasserwelt wahrscheinlich gar nicht bemerkten.
Und wer sollte es ihnen verübeln können, dachte sie und lächelte jetzt schwach. Wäre sie nicht generell immun gegen Männer, würde sie Jerry vielleicht auch zu Füßen liegen. Die meisten Frauen hatten Probleme damit, dem dunklen forschen Typ zu widerstehen, vor allem, wenn auch noch Attribute wie Grübchen beim Lachen und funkelnde graue Augen hinzukamen. Addierte man zu dem Ganzen noch einen durchtrainierten muskulösen Körper und eine Portion unwiderstehlichen Charme, ergab sich daraus eine Mischung, vor der keine Frau sicher war.
Aber das war nicht der Grund, weshalb Liz Jerry ein Zimmer bei sich im Haus vermietet hatte. Oder warum sie ihm den Aushilfsjob geben hatte. Sie konnte das Extraeinkommen gut gebrauchen, und Bedarf an einem zusätzlichen Paar helfender Hände gab es immer. Außerdem erkannte sie jemanden, der zupacken konnte, wenn sie ihn vor sich sah. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es im Geschäftsleben nur nützlich sein konnte, jemanden auf seiner Seite zu wissen, der Dinge in Bewegung setzte. Sie dachte noch, dass Jerry besser eine gute Entschuldigung für sein Nichterscheinen parat haben sollte, doch vorerst war das Thema für sie beendet.
Die Fahrt, die Sonne und die Brise wirkten entspannend auf sie. Liz erzählte weiter über das Leben unter Wasser. Dabei griff sie auf wissenschaftliche Fakten aus ihrem Meeresbiologiestudium zurück, und schmückte sie mit ihren eigenen in der Karibik erlebten interessanten und spannenden Erfahrungen aus.
Ab und zu stellte ein Passagier eine Frage, oder jemand stieß einen erstaunten Ausruf aus, weil er etwas gesehen hatte, was unter dem Boot hindurchgeschwommen war. Liz antwortete, informierte und erklärte im leichten Plauderton. Da drei ihrer Passagiere Mexikaner waren, wiederholte sie alles in fließendem Spanisch. Und da Kinder mit an Bord waren, gab sie sich Mühe, die Fakten auf eine lustige Art und Weise zu vermitteln.
Wäre ihr Leben anders verlaufen, dann wäre sie wahrscheinlich Lehrerin geworden. Aber diesen Traum hatte sie schon vor Langem aufgegeben. Sie sagte sich, dass sie besser in die Geschäftswelt passte. Ihre Geschäftswelt. Sie sah zu den Wolken hinauf, die träge über den Horizont drifteten. Die Sonnenstrahlen tanzten golden auf dem Wasser. Unter ihr im Wasser schwenkten Seeanemonen ihre Tentakel hin und her wie eine Fangemeinde bei einem Rockkonzert. Ja, sie hatte sich für diese Welt entschieden, und sie bereute es nicht.
Als eine Frau hinter ihr schrill aufschrie, glitt Liz vor Schreck das Ruder ein Stückchen durch die Finger. Bevor sie sich wieder gefasst hatte, ertönten mehrere Schreie. Sicher nur einer der großen Haie, die sich manchmal kurz ins Riff verirren, dachte Liz zuerst. Doch als sie sich umdrehte, bereit, die Gäste zu beruhigen, sah sie die schockierten Gesichter. Sie ließ den Gashebel los, und das Boot trieb nur noch mit dem leichten Wellengang, schaukelte sanft hin und her. Liz nahm die Sonnenbrille ab und stieg die zwei Stufen in die Kabine hinunter. Eine Frau weinte an der Schulter ihres Mannes, der den Arm um sie gelegt hatte, eine andere drückte den Kopf ihres kleinen Mädchens schützend an ihre Brust. Die anderen Passagiere starrten mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen durch das klare Glas.
„Bitte versuchen Sie, ruhig zu bleiben. Ich versichere Ihnen, da unten im Wasser gibt es nichts, was Ihnen gefährlich werden kann. Hier im Boot sind Sie absolut sicher.“
Ein Mann mit einer schweren Nikonkamera um den Hals und einer orangefarbenen Schirmmütze auf dem kahlen Kopf sah zu ihr hin. „Miss, ich denke, Sie sollten besser per Funk die Polizei verständigen.“
Liz folgte seinem Blick. Durch den Glasboden sah sie in das kristallklare Wasser. Das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals. Jetzt wusste sie auch, wieso Jerry sie versetzt hatte.
Er lag auf dem hellen sandigen Meeresgrund, eine Ankerkette um den Oberkörper gewickelt.
In dem Moment, in dem die Maschine auf der Rollbahn zum Stehen kam, griff Jonas seinen Kleidersack und wartete ungeduldig darauf, dass die Tür des kleinen Flugzeugs geöffnet wurde. Als es dann so weit war, überwältigten ihn ein Schwall heißer Luft und das laute Dröhnen der Maschinen. Mit einem kurzen Nicken zur Stewardess stieg er die Metallstufen hinunter. Zeit, um die Palmen, die üppig blühenden Blumen und den strahlend blauen Himmel gebührend zu bewundern, hatte er nicht. Er ging mit entschlossenen Schritten, die Augen geradeaus gerichtet und wegen der Sonne zusammengekniffen. So, wie er mit Anzug und Krawatte aussah, hätte er auch ein Geschäftsmann sein können, ein Mann, der auf Cozumel etwas zu erledigen hatte, auf jeden Fall nicht jemand, der hergekommen war, um Urlaub zu machen. Welche Trauer oder Wut er auch immer empfand, die Gefühle wurden hinter einer ruhigen, gefassten Miene verborgen.
Das Terminal war klein und überfüllt. Amerikanische Touristen standen lachend und plaudernd in Gruppen zusammen oder liefen sich suchend umherschauend herum. Zwar sprach Jonas kein Spanisch, dennoch passierte er den Zoll relativ schnell. Er steuerte sofort auf den Schalter der Autovermietung zu und setzte keine fünfzehn Minuten nach der Landung mit einem Kombi rückwärts aus der Parklücke. Die Straßenkarte in die Sonnenblende geklemmt, hielt er auf die Stadt zu. Die Hitze brannte ungehindert durch die Windschutzscheibe.
Vor vierundzwanzig Stunden hatte Jonas noch in seiner mit gediegener Eleganz ausgestatteten und vor allem voll klimatisierten Kanzlei gesessen. Gerade hatte er einen langwierigen und komplizierten Fall gewonnen, der ihm sowohl sein ganzes Können abverlangt als auch endlose Nachforschungen erfordert hatte. Sein Klient war als freier Mann aus dem Gerichtsgebäude gegangen, freigesprochen von den Vorwürfen eines Verbrechens, das ihm mindestens zehn Jahre Haft eingebracht hätte. Jonas hatte den Scheck und den überschwänglichen Dank seines Mandanten angenommen und den Medienrummel weitestgehend gemieden.
Jonas hatte auch schon an Urlaub gedacht, das erste Mal seit achtzehn Monaten. Er war zufrieden mit sich und der geleisteten Arbeit, blickte optimistisch in die Zukunft, aber definitiv erholungsbedürftig. Zwei Wochen in Paris schienen ihm die perfekte Entschädigung nach den Monaten von Zehnstundentagen. Paris mit seiner zeitlosen Schönheit, seinen schattigen Parks, seinen einzigartigen Museen und dem unvergleichlichen Essen war genau das, was Jonas Sharpe jetzt brauchte.
Als der Anruf aus Mexiko kam, hatte es einige Minuten gedauert, bevor er überhaupt verstand, was los war. Nachdem er bestätigt hatte, dass er tatsächlich einen Bruder mit Namen Jeremiah hatte, war sein erster Gedanke, dass Jerry mal wieder in der Klemme steckte, dass er Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen hatte und Jonas ihn zum wiederholten Male auslösen musste.
Als er jedoch nach dem Gespräch auflegte, konnte er nicht mehr denken. Sein Kopf war völlig leer. Benommen wies er seine Sekretärin an, die Arrangements für Paris zu stornieren und stattdessen für morgen einen Flug nach Cozumel zu organisieren. Dann hatte er den Hörer wieder abgenommen und seine Eltern angerufen, um ihnen zu sagen, dass ihr Sohn tot war.
Er war nach Mexiko gekommen, um den Leichnam zu identifizieren und seinen Bruder für das Begräbnis nach Hause zu überführen. Eine Welle der Trauer schlug über ihm zusammen, als er das Unvermeidliche akzeptierte. Jerry hatte immer am Rande einer Katastrophe gestanden. Dieses Mal war er über die Klippe gestürzt. Seit der Kindheit hatte er mit dem Desaster geflirtet, dabei auf höchst charmante Art. Irgendwann hatte er scherzhaft bemerkt, dass Jonas nur Jura studiert hätte, um ihm jedes Mal aus dem Schlamassel herauszuhelfen. Vielleicht stimmte das sogar.
Jerry war immer der Träumer gewesen, Jonas der Realist. Jerry war unentschuldbar faul, Jonas ein Workaholic. Sie waren wie die zwei Seiten einer Münze – gewesen. Als Jonas vor dem Polizeigebäude in San Miguel vorfuhr, wusste er, dass ein Teil von ihm nicht mehr existierte.
Der Hafen ähnelte einer Postkartenidylle. Kleine Fischerboote waren auf den Grasstreifen gezogen worden, die großen grauen Kutter lagen draußen auf dem Wasser angedockt, Touristen in bunten Hemden und kurzen Shorts spazierten am Wasser entlang. Die Wellen schwappten leise an Land, es roch nach See.
Jonas stieg aus dem Wagen und ging auf die Polizeiwache zu, innerlich gewappnet, durch einen Morast von Papierkram zu waten, den ein gewaltsamer Tod immer mit sich brachte.
Captain Moralas war ein geradliniger, nüchterner Mann, hier geboren und aufgewachsen und leidenschaftlich entschlossen, seine Insel zu beschützen. Fast vierzig, wartete er jetzt auf die Geburt seines fünften Kindes. Er war stolz auf seine Position, seine Ausbildung und seine Familie, nur die Reihenfolge änderte sich ab und zu. Dem Wesen nach war er ein ruhiger Typ, der klassische Musik hörte und seine Samstagabende gern damit verbrachte, sich einen Spielfilm anzuschauen.
Da San Miguel eine Hafenstadt war und sich in Hafenstädten Matrosen auf Landgang und Touristen im Urlaub tummelten, waren ihm die Schattenseiten der menschlichen Natur nicht unbekannt. Allerdings schrieb er es seinen persönlichen Bemühungen zu, dass die Kriminalitätsrate auf seiner Insel so niedrig war. Der Mord an einem Amerikaner brachte ihn auf, so wie eine lästige Fliege einen Mann aufregen würde, der zufrieden auf seiner Hollywoodschaukel im Garten döste. Ein Cop musste nicht in der Großstadt Dienst tun, um einen professionellen Mord zu erkennen. Aber hier auf Cozumel hatte das organisierte Verbrechen nichts zu suchen, nicht, solange er Dienst tat!
Da Moralas aber auch ein Familienmensch war, verstand er Gefühle wie Liebe und Trauer. So wie er auch Verständnis dafür aufbrachte, dass es Männer gab, die diese Empfindungen nicht zeigten. In der kalten Leichenhalle stand er in der abgestandenen Luft neben Jonas. Der Amerikaner war gut einen Kopf größer, sehr steif und sehr blass.
„Ist das Ihr Bruder, Mr Sharpe?“, fragte er, auch wenn er die Antwort bereits kannte.
Jonas sah die andere Seite der Münze an – in das Gesicht seines Bruders. „Ja.“
Moralas zog sich zurück, um Jonas die Zeit zu lassen, die er brauchte.
Es schien unmöglich zu sein. Jonas wusste, er könnte hier für Stunden stehen und in das Gesicht seines Bruders starren, und nie würde er es als Wirklichkeit akzeptieren können. Jerry war immer den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und sicherlich alles andere als ein bewunderungswürdiger Ehrenmann gewesen. Aber er hatte auch immer nur so vor Leben und Energie gestrotzt. Langsam legte Jonas seine Hand auf die des Bruders. Jetzt war da kein Leben mehr, und es gab nichts mehr, was er tun konnte. Genauso langsam zog er seine Hand wieder zurück. Es schien so unwirklich, und doch war es wahr.
Moralas nickte seinem Gehilfen knapp zu. „Mein Beileid“, sagte er dann an Jonas gewandt.
Benommen schüttelte Jonas den Kopf. Wie ein stumpfes Messer fuhr der Schmerz durch seinen Schädel. Er versuchte, das stechende Pochen zu ignorieren. „Wer hat meinen Bruder umgebracht, Captain?“
„Das wissen wir noch nicht. Die Untersuchungen laufen.“
„Gibt es eine Spur?“
Moralas, der schon auf dem Korridor stand, zuckte ratlos mit den Schultern. „Ihr Bruder kam erst vor drei Wochen nach Cozumel, Mr Sharpe. Im Moment verhören wir jeden, der während dieser Zeit Kontakt mit ihm hatte.“ Er öffnete eine Tür und atmete tief die frische Luft ein, den Duft der See und der Blumen. Der Mann neben ihm schien den Wechsel der Szenerie gar nicht zu bemerken. „Ich versichere Ihnen, wir tun alles, um den Mörder Ihres Bruders zu finden.“
Die Wut, die Jonas schon seit so vielen Stunden eisern unter Kontrolle hielt, brach sich seinen Weg an die Oberfläche. „Ich kenne Sie nicht.“ Mit ruhiger Hand holte er eine Zigarettenschachtel hervor und zündete sich eine Zigarette an. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er den Polizisten. „Und Sie kannten Jerry nicht.“
„Das hier ist meine Insel.“ Moralas hielt Jonas’ Blick stand. „Wenn sich hier ein Mörder herumtreibt, werde ich ihn finden.“
„Ein Profi.“ Jonas blies Rauch aus, der bläulich in der schwülen Luft hängen blieb. „Das wissen wir doch beide, oder?“
Einen Moment lang sagte Moralas nichts. Er wartete noch auf Informationen über Jeremiah Sharpe. „Ihr Bruder wurde erschossen, Mr Sharpe. Unsere Untersuchungen zielen darauf ab herauszufinden, warum, wie und wer. Sie könnten uns helfen, wenn Sie mir etwas mehr über Ihren Bruder erzählten.“
Jones starrte auf die Tür, hinter der die Treppe und der Korridor lagen, die zum Leichnam seines Bruders führten. „Ich muss mich bewegen“, murmelte er.
Moralas schwieg, bis sie den Rasen überquert hatten, dann die Straße. Eine Weile gingen sie wortlos am Wasser entlang. „Weshalb kam Ihr Bruder nach Cozumel?“
„Ich weiß es nicht.“ Jonas inhalierte tief den Rauch. „Jerry mochte Palmen.“
„Was hat er geschäftlich gemacht? Sein Beruf?“
Mit einem trockenen Lachen trat Jonas die Zigarette aus. Sonnenlicht tanzte funkelnd wie Diamanten auf dem Meer. „Jerry zog es vor, sich als Freiberufler zu bezeichnen. In Wahrheit war er ein zielloser Herumtreiber, ein Vagabund.“ Der ebenso viel Ärger wie Freude in Jonas’ Leben geschaffen hatte. Mit leerem Blick starrte Jonas auf das Wasser hinaus, erinnerte sich an gemeinsame Jahre und unterschiedliche Ansichten. „Für Jerry hieß es immer nur, die nächste Stadt, der nächste Deal. Zum letzten Mal habe ich vor ungefähr zwei Wochen von ihm gehört. Angeblich gab er Tauchkurse für Touristen.“
„Der Black Coral Dive Shop.“ Moralas nickte bestätigend. „Elisabeth Palmer hatte ihn als Aushilfe eingestellt.“
„Palmer.“ Jonas’ Aufmerksamkeit galt nicht länger dem Wasser. „Das ist die Frau, mit der er zusammengelebt hat.“
„Miss Palmer hatte Ihrem Bruder ein Zimmer vermietet“, stellte Moralas nüchtern richtig. „Sie leitete die Tour, bei der der Leichnam Ihres Bruders entdeckt wurde. Sie hat ihre volle Kooperation mit den Behörden zugesichert.“
Jonas presste unwillkürlich die Lippen zusammen. Wie hatte Jerry diese Liz Palmer beschrieben? Eine sexy Lady, die tolle Tortillas machte. Sie schien genauso wie all die anderen eine von Jerrys Eroberungen zu sein, immer auf der Suche nach Spaß und dem großen Gewinn. „Ich brauche ihre Adresse.“ Auf den stumm fragenden Blick des Captain ergänzte er: „Ich nehme an, dass die Sachen meines Bruders noch bei ihr sind?“
„Richtig. In meinem Büro liegen zudem die Dinge, die Ihr Bruder bei sich hatte, als man ihn fand. Sie können sie jederzeit abholen, und natürlich die persönlichen Sachen, die noch bei Miss Palmer sind. Wir haben uns bereits alles angesehen.“
Die Wut wollte wieder aufflammen, Jonas unterdrückte sie. „Wann kann ich meinen Bruder mitnehmen?“
„Ich werde versuchen, alles Notwendige heute zu arrangieren, damit er freigegeben werden kann. Ich brauche natürlich Ihre Aussage, und es werden einige Formulare auszufüllen sein.“ Er musterte Jonas’ harte Miene und fühlte das Mitleid an sich zerren. „Noch einmal mein herzliches Beileid.“
Jonas nickte nur. „Bringen wir es hinter uns.“
Liz schloss die Haustür auf. Während die Tür hinter ihr wieder ins Schloss fiel, drückte sie auf die beiden Schalter neben dem Eingang. Zwei große Deckenventilatoren setzten sich in Bewegung. Für den Moment war das leise Brummen Gesellschaft genug. Seit vierundzwanzig Stunden saß ein unablässiges dumpfes Pochen hinter ihren Schläfen. Sie ging ins Bad und nahm zwei Aspirin mit etwas Wasser ein, bevor sie die Dusche anstellte.
Es hatte noch eine Tour mit dem Glasbodenboot auf dem Programm gestanden, ein weiteres Dutzend Fahrgäste hatte sie abweisen müssen. Es passierte nicht jeden Tag, dass eine Leiche auf dem Meeresgrund gefunden wurde. Die Sensationslust hatte Scharen von Schaulustigen herbeigetrieben. Makaber, dachte sie, zog sich aus und stellte sich unter den kalten Wasserstrahl. Wie lang würde es wohl dauern, bevor sie das grausige Bild von Jerry da unten im nassen Sand vergessen konnte?
Sicher, sie hatte ihn kaum gekannt. Aber er war ein amüsanter Kerl gewesen, und sie hatte gerne Zeit mit ihm verbracht. Er hatte im Bett ihrer Tochter geschlafen, in ihrer Küche gesessen und mit ihr zusammen gegessen. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich das Wasser auf das Haar prasseln. Hoffentlich vergingen die Kopfschmerzen bald. Ihr würde es auf jeden Fall besser gehen, wenn die polizeilichen Untersuchungen erst abgeschlossen waren. Es war schwer gewesen, sehr schwer, als die Beamten hier angerückt waren und Jerrys Sachen durchsucht hatten. Und die vielen Fragen …
Wie viel hatte sie eigentlich über Jerry Sharpe gewusst? Er war Amerikaner, jemand, der mit anpackte, ein Frauenliebling. Alle drei Eigenschaften waren von Vorteil gewesen, wenn er seine Tauchkurse abgehalten oder auf den Touren als ihr Bootsmaat fungiert hatte. Ihrer Einschätzung nach war er harmlos – sexy, attraktiv und ohne großen Ehrgeiz. Er hatte damit angegeben, bald den großen Deal zu landen und dann für immer ausgesorgt zu haben. Sie hatte es für leeres Geschwätz gehalten. Ausgesorgt hatte man nur nach Jahren harter Arbeit oder vielleicht natürlich, wenn man eine große Erbschaft machte.
Aber jetzt erinnerte sie sich daran, wie Jerrys Augen aufgeleuchtet hatten, jedes Mal, wenn er davon redete. Gehörte sie noch zu den Frauen, die träumten, hätte sie ihm wahrscheinlich sogar geglaubt. Aber Träume waren etwas für die Jungen und Naiven. Mit einem kleinen traurigen Stich wurde ihr klar, dass Jerry Sharpe beides gewesen war.
Jetzt gab es ihn nicht mehr, und was er hinterlassen hatte, lag im Zimmer ihrer Tochter verstreut. Sie würde es wohl zusammenpacken müssen. Entschieden drehte sie das Wasser ab. Das war wenigstens etwas, das sie für ihn tun konnte. Ja, sie würde Jerrys Sachen einpacken und dann Captain Moralas fragen, was sie damit tun sollte. Sicher würde seine Familie die Dinge haben wollen. Jerry hatte von einem Bruder gesprochen, den er liebevoll als „geschniegelten Langweiler“ bezeichnet hatte. Jerry Sharpe war alles andere als ein Langweiler gewesen.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer wickelte Liz sich das Handtuch fester um den Kopf. Sie sah wieder die Szene vor sich, wie Jerry versucht hatte, sich in ihr Bett einzuladen, nur ein paar Tage, nachdem er bei ihr eingezogen war. Schmeicheleien und flinke Hände. Er hatte sie im Türrahmen festgehalten, ihr den Durchgang blockiert und sie geküsst, bevor sie ihn daran hatte hindern können. Doch er hatte keine Gewalt angewendet, nach dem Kuss hatte Liz ihn ohne Schwierigkeiten von sich schieben können. Und ihren Korb hatte er gut gelaunt hingenommen, wie sie sich erinnerte, ohne beleidigt zu sein. Sie waren auch weiterhin bestens miteinander ausgekommen, ohne dass zwischen ihnen eine angespannte Stimmung geherrscht hatte. Liz zog ein Hemd über, das ihr bis zur Mitte der Schenkel reichte.
Genau genommen war Jerry Sharpe ein gutmütiger, freundlicher Mann gewesen, der seine Zeit damit verbracht hatte, Luftschlösser zu bauen. Und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob diese großen Träume nicht vielleicht etwas mit seinem Tod zu tun hatten.
Aber sie durfte jetzt nicht ihre ganze Zeit und Kraft darauf verwenden, darüber nachzugrübeln. Das Beste war, Jerrys Sachen in seinen Koffer zu verstauen und alles zur Polizei hinüberzufahren.
Eine grausige Aufgabe. Das wurde ihr schon nach wenigen Minuten klar. Das Einzige, was sie je besessen hatte, war Privatsphäre, und in der Intimsphäre eines anderen Menschen herumzukramen, behagte ihr ganz und gar nicht. Liz faltete ein verwaschenes braunes T-Shirt zusammen, auf dem stand, dass sein Träger durch den Grand Canyon gewandert sei. Angestrengt bemühte sie sich, nicht darüber nachzudenken. Sie versuchte, überhaupt nicht zu denken, aber immer wieder tauchten Bilder von Jerry vor ihrem inneren Auge auf. Sie sah ihn vor sich, wie er Witze darüber riss, dass er ab jetzt mit einer Unmenge süßer Puppen schlafen würde – Faiths Puppensammlung im Regal. Sie sah wieder, wie er das verklemmte Fenster reparierte. Oder wie er Paella für sie beide zubereitete, um seinen ersten Gehaltsscheck zu feiern.
Ohne Vorwarnung schossen Liz die Tränen in die Augen. Er war so voller Leben gewesen, so überzeugt von sich, dass er es schaffen würde, so voller Optimismus. Es war wirklich nicht genug Zeit gewesen, um ihn als Freund zu bezeichnen, aber er hatte im Zimmer ihrer Tochter geschlafen, und seine Sachen hingen in Faiths Schrank.
Sie wünschte, sie hätte ihm interessierter zugehört, wäre freundlicher zu ihm gewesen, hätte sich zugänglicher und offener gezeigt. Er hatte sie des Öfteren zu einem Drink eingeladen, und sie hatte ihn abgewimmelt, weil sie die Buchhaltung oder irgendeinen anderen Papierkram zu erledigen hatte. Wie kleinlich und kalt ihr das jetzt erschien. Hätte sie ihm nur eine Stunde ihres Lebens geschenkt, hätte sie vielleicht von ihm erfahren, wer er war, woher er kam, warum er sterben musste.
Als das Klopfen an der Haustür ertönte, presste sie die Handflächen an die Wangen. Es war albern von ihr zu weinen. Tränen hatten noch nie geholfen. Jerry Sharpe lebte nicht mehr, und es hatte absolut nichts mit ihr zu tun.
Auf dem Weg zur Tür wischte sie sich die Tränen ab. Immerhin waren die Kopfschmerzen nicht mehr so schlimm. Liz beschloss, Moralas gleich anzurufen. Er sollte jemanden vorbeischicken und Jerrys Sachen abholen lassen. Schließlich hatte sie wirklich nichts mit all dem zu tun.
Das sagte sie sich in Gedanken und zog die Tür auf.
Einen Moment lang stand sie wie vom Donner gerührt da und konnte nur starren. Das T-Shirt, das sie noch in Händen hielt, glitt ihr aus den Fingern zu Boden. Sie taumelte einen Schritt zurück, ein ungutes Summen setzte in ihrem Kopf ein. Ihr wollte schwarz vor Augen werden, deshalb blinzelte sie angestrengt. Der Mann auf ihrer Türschwelle sah vorwurfsvoll auf sie herunter.
„Jer…Jerry“, brachte sie mühsam hervor und hätte fast aufgeschrien, als der Mann einen Schritt vorwärts machte.
„Elizabeth Palmer?“
Sie konnte nur stumm und benommen den Kopf schütteln. Panik wollte in ihr aufsteigen, sie ermahnte sich, dass sie nicht an übernatürliche Dinge glaubte, sondern mit beiden Beinen fest im Leben stand. Sie war praktisch veranlagt, war eine realistische Frau … Wenn jemand starb, kehrte er nicht unter die Lebenden zurück. Und doch … Hier stand sie in ihrem Wohnzimmer unter den sich drehenden Deckenventilatoren und schaute zu, wie Jerry Sharpe ihr Haus betrat. Sie hörte auch, wie er sie wiederholt ansprach.
„Sind Sie Liz Palmer?“
„Ich hab dich doch gesehen!“ Sie hörte ihre eigene Stimme, fremd und seltsam schrill, ihre Augen hafteten aufgerissen auf seinem Gesicht. Dieses attraktive Gesicht, das Grübchen im Kinn, die grauen Augen unter den schwarzen Brauen. Ein Gesicht, das jede Frau zu einem Wagnis einlud – oder sich zumindest mehr Risikobereitschaft wünschen ließ. „Wer sind Sie?“
„Jonas Sharpe. Jerry war mein Bruder. Genauer, mein Zwillingsbruder.“
Ihr wurde bewusst, dass ihre Knie zitterten, also setzte sie sich lieber. Nein, Jerry war das ganz sicher nicht, versuchte sie sich zu beruhigen. Das Haar war ebenso dicht und ebenso dunkel, aber die ungekämmte Unordnung von Jerrys Haaren fehlte völlig. Das Gesicht war ebenso attraktiv, ebenso markant, aber Jerrys Augen hatten sie niemals so hart und kalt glitzernd angesehen. Die ganze Haltung dieses Mannes strahlte eisern gezügelte Gefühle und Ungeduld aus. Es dauerte nur einen Moment, bevor ihr Ärger aufflammte.
„Das haben Sie mit Absicht getan.“ Weil ihre Handflächen feucht waren, strich sie auf und ab mit ihren Händen über die Knie. „Das war gemein von Ihnen. Sie mussten doch wissen, was ich denken würde, sobald ich die Tür öffne.“
„Ich wollte Ihre Reaktion sehen.“
Sie lehnte sich zurück und atmete tief durch. „Sie sind ein Mistkerl, Mr Sharpe.“
Zum ersten Mal seit Stunden verzogen sich seine Lippen zu einem angedeuteten Lächeln. „Darf ich mich setzen?“
Sie deutete auf einen Sessel. „Was wollen Sie hier?“
„Ich möchte Jerrys Sachen abholen. Und mich mit Ihnen unterhalten.“
Er setzte sich und schaute sich um. Es war nicht der flüchtige, höfliche Blick eines fremden Besuchers, der zum ersten Mal das Heim eines anderen betrat, sondern eine intensive und gründliche Bestandsaufnahme all dessen, was Liz Palmer gehörte. Dieses Wohnzimmer war relativ klein, nicht größer als sein Büro. Während er gedämpften Farben und geraden Linien den Vorzug gab, schien Liz Palmer eher eine Vorliebe für leuchtende, sich teilweise beißende bunte Farben und Krimskrams zu besitzen. Mehrere Mayamasken hingen an den Wänden, Teppiche und Läufer in den verschiedensten Größen und mit den verschiedensten Mustern bedeckten den Boden. Die Strahlen der untergehenden Sonne fielen durch eine knallrote Jalousie, auf dem Tisch stand auf einer gewebten Strohmatte eine große blaue Tonvase, die goldgelben Blumen darin verloren bereits ihre Blütenblätter. Der Tisch selbst war keineswegs blank poliert, sondern bedeckt mit einer dünnen Staubschicht.
Der erste Schock, der ihr den Magen zusammengezogen hatte, ließ langsam nach. Liz sagte kein Wort, betrachtete ihn nur, während er sich in dem Zimmer umsah. Er sah aus wie Jerrys perfektes Ebenbild. Dennoch wirkte Jonas Sharpe nicht wie ein Mann, mit dem man viel Spaß haben konnte. Seltsam, aber woher kam dieses unerklärliche Bedürfnis, ihn so schnell wie möglich aus ihrem Haus hinauszubefördern, ein für alle Mal? Absolut lächerlich, sagte sie sich. Er war nur ein Mann und hatte mit ihr überhaupt nichts zu tun. Außerdem hatte er soeben den Bruder verloren.
„Mein herzliches Beileid, Mr Sharpe. Es muss schwer für Sie sein.“
Abrupt wandte er den Kopf zu Liz und blickte ihr fest in die Augen. Augenblicklich stieg ihre Anspannung von Neuem. Wenn er ihr Heim Zentimeter für Zentimeter durchleuchten wollte, machte ihr das nichts aus. Aber sie hatte etwas dagegen, wenn er das Gleiche bei ihr versuchte.
Sie war nicht das, was er erwartet hatte. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht mit breiten Wangenknochen, einer langen schmalen Nase und einem Kinn, das ihr einen energisch wirkenden Ausdruck verlieh.
Schön im üblichen Sinne war sie nicht, aber auf eine höchst beunruhigende Art faszinierend. Vielleicht lag es an diesen exotisch mandelförmigen braunen Augen – ein tiefes, intensives Braun. Oder vielleicht auch an dem Mund, voll und verletzlich zugleich. Sie ertrank schier in den Stoffmassen des Hemdes, das sie trug und das ihre langen gebräunten Beine freigab. Ihre Hände, schlank, schmal und ohne einen Ring, ruhten auf den Armlehnen des Sessels, auf dem sie saß. Jonas hatte immer gedacht, er würde den Geschmack seines Bruders so gut kennen wie den eigenen. Liz Palmer entsprach Jerrys Vorliebe für das Auffallende, Schillernde überhaupt nicht. Allerdings auch nicht der diskreten Eleganz, die er selbst bei Frauen bevorzugte.
Und doch hatte Jerry mit ihr zusammengewohnt. Grimmig dachte Jonas, dass sie den Mord an ihrem Liebhaber wahrhaft gelassen hinnahm. „Es muss auch für Sie eine schwere Zeit sein.“
Seine intensive Musterung hatte an ihren Nerven gezerrt. Das war weit über die normale Neugier hinausgegangen und hatte ihr das Gefühl gegeben, ein interessantes Studienobjekt zu sein, etikettiert und abgeheftet, um für weitere Forschungszwecke zur Verfügung zu stehen. Sie versuchte daran zu denken, dass Trauer die unterschiedlichsten Formen bei den verschiedenen Menschen annahm. „Jerry war ein netter Mann. Es ist nicht leicht …“
„Wie haben Sie ihn kennengelernt?“
Da ihre Worte des Mitgefühls so abrupt abgeschnitten wurden, setzte sie sich gerader im Sessel auf. Da ihr Gegenüber offenbar keinen gesteigerten Wert auf ihre Anteilnahme legte, würde er sie auch nicht bekommen. Wenn er also nur die Fakten hören wollte, würde sie ihm auch nur diese liefern. „Jerry kam vor ein paar Wochen in meinen Laden. Sagte, er interessiere sich fürs Tauchen.“
Jonas hob die Augenbrauen, eine scheinbar höfliche Nachfrage, aber seine Augen blieben eiskalt. „Fürs Tauchen?“
„Ja. Mir gehört der Taucherladen am Strand. Man kann dort Ausrüstungen leihen, Kurse machen, Tagesausflüge mit dem Boot buchen. Jerry suchte Arbeit. Da er ganz offensichtlich Erfahrung hatte, heuerte ich ihn als Aushilfskraft an. Er fuhr mit auf dem Taucherboot raus, gab Tauchkurse für die Touristen … so was in der Art eben.“
Touristen zu zeigen, wie man Sauerstoffflaschen anlegte und die Zufuhr am Mundstück regulierte, passte überhaupt nicht zu dem letzten Gespräch, das er mit seinem Bruder geführt hatte. Jerry hatte von dem großen Deal geschwärmt, vom großen Geld. „Er hat sich also nicht als Partner eingekauft?“
Etwas huschte über ihr Gesicht – Stolz, Verblüffung, Entrüstung, Jonas wusste es nicht zu sagen. „Ich nehme mir keinen Partner, Mr Sharpe. Jerry hat für mich gearbeitet, mehr nicht.“
„Mehr nicht?“ Wieder zog er die Augenbraue nach oben. „Immerhin hat er hier gewohnt.“
Es war unmissverständlich, worauf er hinauswollte. Bereits bei der Polizei hatte sie sich mit dieser Unterstellung herumschlagen müssen. Liz entschied, dass sie alle Fragen beantwortet und Jonas Sharpe mehr als genug von ihrer Zeit gewährt hatte. „Jerrys Sachen sind hier in diesem Zimmer.“ Liz stand auf und verließ das Wohnzimmer. An der Tür zu Faiths Raum blieb sie stehen und wartete, bis Jonas ihr nachgekommen war. „Ich hatte damit angefangen, seine Sachen zusammenzupacken. Vermutlich möchten Sie das lieber selbst übernehmen. Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.“
Als sie sich umdrehen wollte, fasste Jonas nach ihrem Arm. Er sah sie nicht an, sondern in das Zimmer hinein. Starrte auf die Regale mit den Puppen, die rosa gestrichenen Wände, die Rüschenvorhänge mit dem Blümchenmuster. Und auf die persönlichen Sachen seines Bruders, die auf dem weißen Schaukelstuhl und der Tagesdecke mit dem gleichen Blümchenmuster lagen. Es tat weh, musste Jonas erneut feststellen.
„Ist das alles?“, fragte er. Es schien so wenig zu sein.
„In den Schubladen und im Wandschrank habe ich noch nicht nachgesehen. Die Polizei aber schon.“ Plötzlich ausgelaugt, zog sie das Handtuch vom Kopf. Dunkelblondes Haar, noch immer feucht, umrahmte ihr Gesicht und fiel über ihre Schultern. Es ließ sie weicher und verletzlicher aussehen. „Ich weiß nichts über Jerrys private Angelegenheiten oder sein Leben. Das hier ist das Zimmer meiner Tochter.“ Sie wandte sich nur so weit um, dass sie ihn ansehen konnte. „Während der Schulzeit ist sie nicht da. Jerry hat hier geschlafen.“ Damit ließ sie ihn stehen und ging.
Zwanzig Minuten, mehr brauchte er nicht. Jerry war nie mit viel Gepäck gereist. Den gepackten Koffer stellte Jonas im Wohnzimmer ab, dann ging er durch das Haus. Groß war es nicht. Das nächste Schlafzimmer lag im Halbdunkel der Abenddämmerung. Auf einem Rattanbett lag eine orangefarbene Tagesdecke, und er konnte einen Schreibtisch erkennen, auf dem Aktenmappen und Papiere verstreut lagen. Es roch leicht nach Parfüm und Körperpuder. Jonas ging weiter und fand sich kurz darauf in der Küche wieder – bei Liz.
Als ihm der Duft von frischem Kaffee in die Nase stieg, fiel ihm ein, dass er seit heute Morgen nichts mehr gegessen hatte. Ohne sich zu ihm umzudrehen, goss Liz eine zweite Tasse ein. Auch ohne dass er etwas sagte, wusste sie, dass er den Raum betreten hatte. Sie bezweifelte, dass er ein Mann war, der lautstark auf sich aufmerksam machen musste. „Milch oder Zucker?“
Jonas fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er hatte das unwirkliche Gefühl, in einem bösen Traum gefangen zu sein. „Weder noch, schwarz.“
Als Liz sich dann zu ihm umwandte, um ihm die Tasse zu reichen, zuckte sie leicht zusammen. „Tut mir leid“, murmelte sie. „Es ist nur … Sie sehen genau aus wie er.“
„Und das stört Sie?“
„Es macht mich nervös.“
Der erste Schluck Kaffee vertrieb etwas von der seltsamen Stimmung. „Sie waren nicht in Jerry verliebt.“
Leicht verblüfft blickte sie ihn an. Dass er sie für die Gespielin seines Bruders gehalten hatte, wusste sie, aber dass er noch einen Schritt weiter gegangen war, hatte sie nicht vermutet. „Ich kannte ihn nur ein paar Wochen.“ Dann erinnerte sie sich an eine andere Zeit, an ein anderes Leben. Sie lachte leise. „Nein, ich war nicht in ihn verliebt. Unsere Beziehung war rein geschäftlich. Aber ich mochte ihn. Er war keck, charmant und sich seiner Wirkung auf die Damenwelt sehr bewusst. Es war auffällig, dass in den letzten Wochen immer wieder dieselben weiblichen Kunden auftauchten. Jerry muss ein ziemlicher Windhund gewesen sein …“ Sie unterbrach sich und schaute entsetzt auf. „Entschuldigen Sie.“
„Nein, schon gut.“ Interessiert trat Jonas näher. Sie war eine große Frau, fast auf gleicher Augenhöhe mit ihm. Sie roch nach Körperpuder und war ungeschminkt. Definitiv nicht Jerrys Typ, dachte er noch einmal. Aber ihre Augen … „Das war er tatsächlich. Nur haben die meisten Menschen das nicht gemerkt.“
„Ich habe andere getroffen.“ Ihre Stimme klang plötzlich matt und tonlos. „Andere, die nicht so harmlos und gutmütig waren. Ihr Bruder war ein netter Mann, Mr Sharpe. Und ich hoffe wirklich, dass die, die ihn … Ich hoffe, man findet sie.“
Deutlich konnte sie erkennen, wie ein eisiger Ausdruck in seine grauen Augen trat. Das ungute Flattern in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass Kälte oft viel gefährlicher als Hitze war.
„Man wird sie finden. Vielleicht werde ich mich noch einmal mit ein paar Fragen an Sie wenden müssen.“
Es war eine einfache und durchaus verständliche Bitte, dennoch blockte Liz sofort ab. Sie wollte nicht noch einmal mit ihm reden, sie wollte nichts mit der ganzen Sache zu tun haben. „Es gibt nichts, was ich Ihnen noch sagen könnte.“
„Jerry hat in Ihrem Haus gewohnt, er hat für Sie gearbeitet.“
„Ja, aber ich weiß trotzdem nichts.“ Ihre Stimme war lauter geworden, sie drehte sich um und starrte aus dem Fenster. Sie hatte die Fragen satt, war es leid, dass die Leute mit dem Finger auf sie zeigten – Das ist die Frau, die die Leiche gefunden hat! Ihr Leben war durch den Tod eines Mannes auf den Kopf gestellt worden, den sie kaum gekannt hatte. Und sie war nervös, weil Jonas Sharpe ihr wie der Typ Mann erschien, der ihr Leben weiterhin auf dem Kopf stehen lassen konnte, solange es ihm beliebte. „Ich habe es schon der Polizei immer und immer wieder gesagt. Jerry hat für mich gearbeitet. Was er in seiner Freizeit getan hat, weiß ich nicht. Ich hab keine Ahnung, wohin er nach Feierabend gegangen ist, mit wem er sich getroffen hat, was er unternommen hat. Es ging mich nichts an, solange er die Miete für das Zimmer bezahlte und pünktlich zur Arbeit erschien.“ Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, spiegelte sich Entschlossenheit in ihrem Gesicht wider. „Das mit Ihrem Bruder tut mir leid. Ich bedauere Ihren Verlust. Aber das alles geht mich nichts an.“
Er sah das Zittern ihrer Hände, als sie die Finger ineinander verschränkte, und interpretierte es auf seine Weise. „Genau da sind wir unterschiedlicher Meinung, Mrs Palmer.“
„Miss Palmer“, korrigierte sie ihn kühl und sah sein knappes Nicken. „Ich kann Ihnen leider nicht helfen.“
„Das wissen Sie nicht, bevor wir uns nicht unterhalten haben.“
„Na schön. Dann eben … ich werde Ihnen nicht helfen.“
Er legte den Kopf leicht schief und zog seine Brieftasche hervor. „Schuldet Jerry Ihnen noch etwas für die Miete?“
Seine beleidigenden Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Ihre Augen, meist sanft und traurig, funkelten ihn verärgert an. „Er schuldet mir nichts, und Sie schulden mir erst recht nichts. Wenn Sie Ihren Kaffee dann ausgetrunken haben …“
Jonas stellte die Tasse auf den Tisch. „Ja, ich bin fertig. Für den Moment.“
Ein letztes Mal musterte er sie. Nein, ganz bestimmt nicht Jerrys Typ. Und seiner auch nicht. Aber irgendetwas musste sie wissen, auch wenn es ihr nicht bewusst war. Falls er sie benutzen musste, um etwas herauszufinden, würde er es tun. „Gute Nacht.“
Liz rührte sich nicht von der Stelle, bis das Schlagen der Haustür zu ihr drang. Dann schloss sie die Augen. Nein, es ging sie nichts an, sagte sie sich noch einmal.
Aber noch immer sah sie Jerry im nassen Sand unter ihrem Boot liegen. Und jetzt sah sie zusätzlich noch Jonas Sharpe vor sich und seine harten grauen Augen, in denen die Trauer stand.
2. KAPITEL
Liz beschloss, den Tag im Laden zu verbringen, statt sich einen Tag freizunehmen. Ein wirklich freier Tag, also ein Tag, den sie weder im Laden noch auf den Booten verbrachte, war ein Luxus, den sie sich nur selten gönnte, und dann auch nur, wenn Faith die Ferien zu Hause verbrachte. Heute erlaubte sie es sich immerhin, keine Bootstouren zu übernehmen, sondern sich ausschließlich um den Laden zu kümmern. Das hieß, dass sie allein sein konnte. Bis Mittag würden die Taucher ihre Ausrüstung gemietet haben, ab dann gab es nur noch sporadisch Kunden zu betreuen. Was Liz die Möglichkeit geben würde, die Ausrüstung in Ruhe zu überprüfen und eine aktuelle Inventarliste aufzustellen.
Das Gebäude, in dem sich ihr Laden befand, war aus einfachen grauen Ziegeln gebaut. Sie hatte schon öfter mit dem Gedanken gespielt, die Fassade verputzen und streichen zu lassen, aber irgendwie schienen ihr die Kosten für so einen „Luxus“ zu hoch. Es gab ein winziges Nebenzimmer, das sie hochtrabend „Büro“ nannte, auch wenn es diese Bezeichnung kaum verdiente. Aber sie hatte einen alten grauen Metallschreibtisch hineingezwängt und einen Drehstuhl, der restliche Platz wurde von noch mehr Taucherausrüstungen in Beschlag genommen – auf dem Boden gestapelt, in Regalen gelagert oder von der Decke an Haken herunterhängend. Ihr Schreibtisch mochte zwar eine riesige Beule haben, aber die Ausrüstung, die sie vermietete, war bestens gepflegt und hundertprozentig gewartet.
Masken, Schwimmflossen, Sauerstoffflaschen und Schnorchel konnten einzeln oder in jeder beliebigen Kombination gemietet werden. Liz hatte schnell gelernt, dass ein großes Angebot es nicht nur vereinfachte, kaputte Geräte auszusortieren und zu ersetzen, sondern auch für Stammkunden sorgte. Das Vermieten der Ausrüstung war praktisch das Fundament, auf dem ihr Geschäft aufgebaut war. Neben dem Ladeneingang, der nur nachts mit einem schweren, soliden Stück Holz versperrt wurde, stand ein Schild in englischer und spanischer Sprache, das über Preise und angebotene Leistungen informierte.
Als Liz vor acht Jahren anfing, hatte sie zwölf Taucherausrüstungen angeschafft. Jeden gesparten Penny hatte sie investiert. Jeden Penny, den Marcus dem jungen, blauäugigen Mädchen, das schwanger mit seinem Kind war, gegeben hatte. Das Mädchen hatte schnell zur erwachsenen Frau heranwachsen müssen, und diese Frau führte nun ein Geschäft, mit dessen Ausstattung sie fünfzig Taucher und Dutzende von Schnorchlern komplett ausrüsten konnte, einschließlich Unterwasserkameras. Sie konnte Touristen einen entspannenden Ausflug auf dem Meer bieten oder auch die Bedürfnisse derer erfüllen, die mit ungezügeltem Tatendrang zum Hochseefischen aufbrechen wollten.
Das erste Boot, das sie kaufte, taufte sie auf den Namen Faith, nach ihrer Tochter. Mit achtzehn, auf sich selbst gestellt und völlig verängstigt, hatte sie sich geschworen, dass es dem Kind, das sie unter dem Herzen trug, nie an etwas mangeln sollte, dass es immer nur das Beste von ihr bekommen würde. Jetzt, zehn Jahre später, schaute Liz sich in ihrem Geschäft um und konnte mit Gewissheit behaupten, dass sie ihr Versprechen gehalten hatte.
Mehr noch. Die Insel, auf die sie damals geflohen war, war zu ihrem Zuhause geworden. Hier hatte sie neue Wurzeln geschlagen, hier galt sie etwas, hier brauchte man sie. Sie starrte nicht länger auf das Meer hinaus und sehnte sich nach Houston oder einem hübschen Häuschen mit grünem Rasen. Sie dachte nicht mehr an die Ausbildung, die sie kaum begonnen, schon abgebrochen hatte, sie fragte sich nicht länger, was sie mit dieser Ausbildung hätte werden können. Und sie hatte längst aufgehört, dem Mann nachzuweinen, der weder sie noch das Kind, das sie zusammen geschaffen hatten, wollte. Sie würde nie wieder dorthin zurückkehren. Aber Faith konnte das. Faith konnte Französisch lernen, spitzenbesetzte Seidenkleider tragen und gepflegte Konversation über guten Wein und klassische Musik betreiben.
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