Homerun mit Herzklopfen

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Wenn dein Kopf Nein sagt, dein Gefühl jedoch das Gegenteil …

Charmant, sexy und so stark! Kein Wunder, dass Donna allein beim Anblick von Mike Solo, dem begehrten Starcatcher der Kilby Catfish, weiche Knie bekommt. Doch als ihr Flirt in den heißesten Kuss ihres Lebens mündet, wird es kompliziert. Denn Donna darf sich keine lockeren Affären erlauben, sonst riskiert sie, ihren Sohn zu verlieren. Schweren Herzens gibt sie Mike den Laufpass - noch ahnt sie nicht, dass ein echter Spieler nicht aufgibt …


  • Erscheinungstag 10.10.2016
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783956499258
  • Seitenanzahl 352
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Bernard

Homerun mit Herzklopfen

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Christian Trautmann

MIRA® TASCHENBUCH




MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Caught by You

Copyright © 2016 by Jennifer Bernard

erschienen bei: Avon Books, New York

Published by arrangement with

Avon Books, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Getty Images / Yuri_Arcurs, Thinkstock / Yuri_Arcurs

ISBN eBook 978-3-956-49925-8

www.mira-taschenbuch.de

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1. KAPITEL

Tja, dachte Donna MacIntyre. Es gab Leute, mit deren Erscheinen in der Stadtbibliothek von Kilby zu rechnen war. Und dann gab es die Überraschungen. Zum Beispiel Mike Solo. Der berühmte Catcher der Kilby Catfish verdankte seinen durchtrainierten Körper eigentlich nicht dem Schleppen von Büchern, sondern eher dem Kauern hinter der Plate. Und dennoch war er jetzt hier und schleppte einen riesigen Stapel gebundener Bücher zum Ausleihtresen.

„Brauchst du Hilfe, Solo?“ Sie stellte sich neben ihn und lehnte sich dabei mit der Hüfte an den Tisch. „Nur für den Fall, dass du dich fragst, was man mit diesen dicken Dingern tut.“ Sie blätterte durch eines der Bücher; es sah nach einer ernsthaften Biografie aus.

Mike war schlagfertig wie immer. Mit einem frechen Funkeln in seinen grünen Augen erwiderte er: „Ich weiß ganz genau, was man mit dicken Dingern tut, aber du kannst es mir ja gern demonstrieren.“

Frank, der Bibliothekar, der neben Mikes Bücherberg beinah zwergenhaft klein wirkte, verschluckte sich ein bisschen.

Herausfordernd musterte Mike Donna. „Nun schau dir das an, Red, du hast den Bibliothekar aus dem Konzept gebracht. Das ist nicht anständig.“

„Ich habe nicht … “ Er hatte doch mit diesen nicht jugendfreien Bemerkungen angefangen, nicht sie. Sie wollte protestieren, doch die geröteten Wangen des Bibliothekars bewirkten, dass sie sich zusammenriss. „Tut mir leid, Frank. Ich werde mich benehmen.“ Sie beugte sich über den Tresen. „Aber ist dir überhaupt bewusst, dass ein Spieler der berüchtigten Kilby Catfish in unserer bescheidenen Bücherei weilt? Ich hoffe nur, die Stammkunden sind in Sicherheit. Uns ist ja allen sehr gut bekannt, wie verrückt diese Baseballspieler sein können.“

„Das ist jetzt schlicht und einfach ein Vorurteil“, beklagte Mike sich und wirkte gekränkt. „Ich bin ein gesetzestreuer Bürger, der seine Schulden begleichen will, bevor er die Stadt wieder verlässt. Frank weiß, dass ich niemals Ärger machen würde. Außer es lässt sich nicht vermeiden“, fügte er hinzu, wobei er Donna einen Blick zuwarf, bei dem ihr ganz warm wurde. „Da kommen noch ein paar, Mann. Bin gleich wieder zurück.“

„Danke, Mike. Ich fange schon mal an.“ Der Bibliothekar nahm das oberste Buch vom Stapel. Donna stand mit offenem Mund da. Offenbar war Mike dem Büchereipersonal ebenso bekannt wie den Barkeepern im Roadhouse. Schau mal einer an.

„Donna, du begleitest mich besser“, erklärte Mike und hielt ihr die Hand hin. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich mit diesen dicken großen Dingern allein lassen kann.“

„Ha … ha.“ Der Rest ihrer zweifellos brillanten Erwiderung verpuffte, als seine starke Hand sich um ihre schloss. Donna und Mike Solo hatten schon die ganze Saison über miteinander geflirtet, seit sie ihm zum ersten Mal im Roadhouse begegnet war. Mehr war da allerdings nie gewesen, aus vielen Gründen. Zum einen war ihr Leben schon kompliziert genug. Zum anderen war da sein Enthaltsamkeitsgelübde. Jeder war darüber im Bilde, dass Mike Solo zu Beginn jeder Saison Enthaltsamkeit schwor und diesen Eid nie brach.

In der Hoffnung, dass ihre Schlagfertigkeit jeden Moment zurückkehren würde, folgte sie ihm aus der Bücherei hinaus auf den Parkplatz. Es war nur so … seltsam, ihn hier zu treffen, statt ihn auf dem Spielfeld zu sehen oder feiernd mit den anderen Catfish-Spielern. Unwillkürlich musste sie an diese Zeitschriftenartikel denken, in denen immer behauptet wurde, dass Prominente auch nur ganz normale Menschen seien. Woraufhin prompt das Foto irgendeines Filmstars mit einem Starbucks-Becher in der Hand folgte. Mhm, dachte Donna. Was es da wohl noch für Dinge gibt, die ich nicht über Mike Solo weiß?

Er öffnete die Tür eines silberfarbenen Land Rovers und holte noch mehr Bücher heraus. Dabei hatte Donna die Gelegenheit, das Spiel seiner Rückenmuskeln zu beobachten und seinen wahrhaft spektakulären Hintern zu betrachten. Bevor er sie ertappen konnte, wandte sie rasch den Blick ab und richtete ihn stattdessen auf die Bücher, die Mike ihr auf die Arme lud. Vom Cover des obersten Werkes schaute ihr ein berühmtes Gesicht entgegen. Steve Jobs. „Hast du diese Bücher wirklich alle gelesen?“

„Wir sind viel unterwegs, und ich trainiere gern meine Gehirnzellen. Ich bin Catcher.“ Er tauchte wieder aus dem Wagen auf, beladen mit einem weiteren Stapel Bücher.

„Und?“

„Und Catcher müssen schlau sein. Wir müssen das Spiel besser kennen als jeder andere. Strategien, Muster, menschliches Verhalten. Ich muss wissen, was jemand tun wird, noch bevor derjenige es selbst weiß.“ Er warf die Wagentür mit der Hüfte zu. Das sah unfairerweise sehr sexy aus.

„Wie steht’s da mit mir? Was habe ich vor?“

„Nach allem, was ich so mitgekriegt habe, Donna MacIntyre, wirst du gleich einen Witz reißen. Darauf kann man sich bei dir verlassen. Na los, Baby, zieh mich auf. Tu das, was du so gut kannst.“

Sie presste schnell die Lippen aufeinander, damit er bloß nicht recht behielt. Obwohl er natürlich recht hatte. Seit sie klein gewesen war, hatte sie auf jeden Mist in ihrem Leben reagiert, indem sie darüber lachte. Was konnte man denn sonst machen?

Hoch erhobenen Hauptes marschierte sie auf den Eingang der Bibliothek zu. Mike holte sie im Nu ein. „Habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich es mag?“ Er lehnte sich zu ihr herüber, sodass sie seinen warmen Atem am Ohr spürte. Sinnliche Schauer überliefen sie. „Halte dich jetzt nicht meinetwegen zurück. Los, mach ruhig deine Scherze.“

„Vielleicht bin ich momentan gar nicht in der Stimmung, um Witze zu reißen? Schließlich ist das hier eine Bücherei.“

„Das vergesse ich andauernd, wahrscheinlich weil ich dich normalerweise nur auf Partys treffe. Was treibt ein wildes Mädchen wie dich eigentlich hierher?“

Einen Augenblick lang war sie in Versuchung, Mike die Wahrheit zu gestehen. Die ganze Geschichte in allen enthüllenden Details. Aber sie hatte es nicht einmal Sadie erzählt, ihrer besten Freundin. Was falsch war und sich ändern musste, möglichst bald. Vorerst allerdings …

„Ich suche Bücher für den Hai. Das ist der Junge, um den ich mich kümmere.“

„Der Spitzname gefällt mir.“

„Danke, Priester. Ich habe eine Schwäche für Spitznamen.“

Das ist meiner?“ Sein verblüffter Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen. Sie hatte Spaß daran, Mike zu foppen.

„Wegen deines Enthaltsamkeitsschwurs. Doch keine Sorge, das ist nicht dein einziger Spitzname.“ Sie zwinkerte ihm zu.

„Ich sollte nicht fragen. Sollte ich wirklich nicht. Welche gibt es noch?“ Er verlagerte seinen Bücherberg auf einen Arm, um ihr die Tür aufzuhalten.

Sie duckte sich unter seinem Arm durch. „Sexy McCatcher“, antwortete sie betont sittsam. „Aber lass es dir nicht zu Kopf steigen.“

„Ich habe Neuigkeiten für dich, Rotschopf“, flüsterte er, da Frank, der Bibliothekar, den Finger auf die Lippen legte, damit sie leise waren. „Die Saison ist vorbei. Das Zölibat Vergangenheit.“

Donnas ganzer Körper reagierte auf diese Information, ihr trockener Mund eingeschlossen. Einen erstickten Laut von sich gebend, eilte sie zum Ausleihtresen.

Mike folgte Donna und genoss den Anblick ihrer knappen Jeansshorts und ihres engen T-Shirts, dessen Aufdruck Werbung machte für eine lokale Zydeco-Band. Donna war äußerst wohlgeformt. Zum ungefähr millionstenmal fragte er sich, wie es wohl wäre, diesen Körper mit seinen Händen zu berühren, sie zu erforschen, diese herausfordernde Frau mit ihren kupferroten Haaren und den braunen Augen, die ihren Farbton wechseln konnten. Ihr Gesicht war hübsch, herzförmig, mit störrischem Kinn und Wangengrübchen. Aber für ihn war da noch viel mehr. Ihre Scherze faszinierten ihn, ihre freche Art, ihre … Kühnheit.

Schließlich hatte Donna sich bei ihrer letzten Begegnung mit sämtlichen Wade-Tyrannen angelegt, um ihre Freundin Sadie zu beschützen. Dazu gehörte Mut, und deshalb hatte er Respekt vor ihr.

Am Tresen luden sie beide ihre Bücherstapel ab. Mike zückte seine Brieftasche und holte zwei Hundertdollarscheine heraus.

Vor Verblüffung ließ Frank eines der überfälligen Bücher – der Bericht eines Kampfpiloten aus dem Zweiten Weltkrieg – zu Boden fallen. „Oh, ich bin sicher, so viel ist es nicht.“ Der Bibliothekar schüttelte hektisch den Kopf. „Bis jetzt haben wir erst fünf Dollar zusammen.“

„Dann betrachten Sie es als Spende. Ein kleines Extra dafür, dass ich diese Werke so lange aus dem Verkehr gezogen habe. Manchmal verstreicht die Zeit während der Saison wie im Flug.“

Merkwürdig schaute Donna ihn an. „Tust du das öfter?“

„Bücher ausleihen und sie dann zu spät zurückgeben? Ja, kommt vor. Auswärtsspiele, Verletzungen, Team-Dramen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich versuche, es wiedergutzumachen. Sind wir quitt, Frank?“

„Absolut. Mehr als das.“

„Ausgezeichnet. Vielleicht sehen wir uns in der nächsten Saison. Ich hoffe allerdings nicht. Ist nichts Persönliches.“ Er zwinkerte dem Bibliothekar zu, was den nervös zu machen schien, da er nicht mehr aufhörte, mit dem Kopf zu nicken.

Mike wandte sich an Donna, die die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Shorts geschoben hatte. Himmel, war sie sexy. Und lustig. Seit Angela hatte er mit keiner Frau mehr so viel Spaß gehabt. Vielleicht überhaupt noch nie. Und dabei hatten sie sich noch nicht einmal geküsst.

Noch nicht.

Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der er die Lage hinter der Plate einschätzte, analysierte er die Situation.

1. Das Zölibat war beendet.

2. Donna sah ihn auf diese freche Weise an.

3. Sie trug ein T-Shirt, das ihre fantastischen Kurven voll zur Geltung brachte.

4. Morgen würde er weg sein.

„Komm mal einen Moment her.“ Er nahm erneut ihre Hand und dirigierte Donna zu den hohen Regalen mit den Biografien. In dieser Abteilung hatte er noch nie jemanden angetroffen. Außerdem befanden sich nur noch zwei weitere Personen in der Bücherei, einschließlich Frank.

„Was tust du denn?“, presste sie zischend hervor, folgte ihm aber dennoch. Möglicherweise hatte sie den gleichen Gedanken. Schließlich gehörten zwei dazu, um ein solches Knistern zu erzeugen, wie es zwischen ihnen herrschte.

Tief in dem Gang, wo der Staub in den einfallenden Sonnenstrahlen tanzte, blieben sie stehen. Mike blickte Donna an. Das Sonnenlicht schien ihr Haar in eine rote Wolke zu verwandeln. „Ich gehe morgen nach Chicago zurück. Aber vorher möchte ich noch etwas tun.“

„Deine ausgeliehenen Bücher zurückgeben. Das sehe ich. Wahrscheinlich musst du auch noch ein paar Strafzettel für Falschparken bezahlen. Auch Strafen für Ruhestörung?“

Er strich sich durch die Haare. „Ich muss dir etwas gestehen.“ Dank seiner katholischen Erziehung hatte er schon die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen. Du sollst nicht lügen und so weiter. „Nur ein paar von diesen Büchern waren meine. Die meisten hatte mein Nachbar. Er ist ans Haus gefesselt, deshalb leihe ich welche für ihn aus.“

Sie stutzte, und in dem gedämpft einfallenden Sonnenlicht wirkten ihre Augen grünbraun. „Dein Geständnis ist, dass du Bücher gar nicht stapelweise liest und für deinen Nachbarn in die Bibliothek gehst? Was noch? Fütterst du auch seine Katze?“

„Nur wenn er es vergisst.“

Ein amüsierter Ausdruck glitt über ihr herzförmiges Gesicht. „Ich bin am Boden zerstört. Ich dachte, in diesem durchtrainierten Körper wäre auch noch ein Genie versteckt.“

Sie redete von seinem Körper. Den sie auch betrachtete. Ihr Blick verweilte auf seinen Brustmuskeln. Das war gut. Sehr gut sogar. Nutz die Gelegenheit!

„Vielleicht habe ich nur versucht, dich zu beeindrucken. Wir schleichen doch schon die ganze Saison umeinander herum. Willst du denn nicht herausfinden, wie weit das führen würde, wenn wir uns mal nicht zusammenreißen?“

Ihre Augen weiteten sich. „Hier? Willst du etwa noch öffentliche Unzucht zur Liste deiner Untaten hinzufügen?“

„Nur ein Kuss. Einer. An einem Kuss ist doch nichts Unanständiges.“

Sie dachte aufreizend lange darüber nach, während die Anspannung zwischen ihnen wuchs. Er meinte ernst, was er gesagt hatte – mehr als einen Kuss wollte er gar nicht. Morgen würde er abreisen, und One-Night-Stands waren nicht sein Stil. Aber Donna ging ihm schon seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf, und deshalb wollte er wenigstens einmal diese sinnlich geschwungenen pinkfarbenen Lippen kosten, ehe er Kilby verließ.

Endlich schien sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, streifte ihn. Sie brachte einen frischen Duft mit, wie ein Farn, der sich im Wald entfaltete. „Nichts Unanständiges, Priester? Da habe ich aber Neuigkeiten für dich.“

„Und welche?“

„Küssen kann durchaus unanständig sein … wenn man es richtig anstellt.“ Mit diesen Worten hob sie ihren Mund seinem entgegen.

Sobald Mikes Lippen auf ihre trafen, wusste Donna, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Als er ihr gestanden hatte, er füttere die Katze seines Nachbarn, war sie einfach dahingeschmolzen. Doch dann hatte er Chicago erwähnt, und etwas hatte klick in ihr gemacht. Wenn er fortging, würde sie sich gar keine Gedanken darüber machen müssen, was als Nächstes passierte. Sie konnte sich einen aufregenden Moment mit einem Mann gestatten, für den sie seit Monaten schwärmte. Ohne Rücksicht auf irgendwelche Konsequenzen oder Folgen. Das hier war die große Chance, etwas auszuleben, was sie sich tausendmal ausgemalt hatte – ein Kuss von sexy Mike Solo.

Nur war dieser Kuss dummerweise … anders, als sie erwartet hatte. Sein Mund fühlte sich warm und fest an. Außerdem verstand Mike es sehr geschickt, ihn einzusetzen. Der Kuss war so perfekt, als hätten sie extra für diesen Moment geübt. Mit einer seiner starken großen Hände umfasste Mike Solo ihren Hinterkopf. Die Art, wie er sie hielt, machte sie ganz benommen, als wäre sie etwas Kostbares, das man hüten musste.

War das echtes Küssen? Möglicherweise hatte sie es bisher nie richtig gemacht. Ein Kribbeln wanderte von ihren Lippen hinunter bis zu ihren Zehen, mit ein paar interessanten Zwischenstopps. Das Spiel seiner Zunge erzeugte eine sinnliche Empfindung, die sie nach Luft schnappen ließ. Als wäre jeder Kuss in der Vergangenheit bedeutungslos gewesen, nur ein Platzhalter für diesen Kuss. Sie schmiegte sich an Mike, verlor sich in seinem Duft, seiner Wärme. Am liebsten wäre sie in ihn hineingekrochen.

Mit der anderen Hand – der, die nicht an ihrem Hinterkopf lag – erzeugte er förmlich unsichtbare Flammen auf ihrer Taille. „Wow, du fühlst dich gut an“, flüsterte er, noch dicht vor ihren Lippen. „Viel besser sogar, als ich es mir ausgemalt habe. Und das habe ich oft.“

Sie auch … aber das reichte nicht an die Realität heran, in der er seinen muskulösen Oberschenkel zwischen ihre Beine drängte. Sie spürte seine tiefen Atemzüge und das sanfte Kratzen seiner frischen Bartstoppeln an ihrer Wange, während er mit dem Mund über ihre Schultern glitt.

Himmel, sie würde direkt hier auf dem Boden der Bibliothek dahinschmelzen. Hastig trat sie einen Schritt zurück. „Das ist verrückt. Wir können das hier nicht tun.“

Er schaute ihr in die Augen. „Nein“, erwiderte er mit rauer Stimme. „Du hast recht. Nicht hier. Dort.“ Er deutete mit dem Kopf zu einer Tür am Ende des Ganges. Ein Vorratsraum? Die Buchbinderwerkstatt? Oder gar eine Tür zu einer anderen Dimension? Und interessierte es sie?

Nein, absolut nicht. Hand in Hand schlichen sie auf Zehenspitzen zu der Tür, versicherten sich, dass die Luft rein war, schließlich schlüpften sie hinein. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Putzmittelkammer, dem Wischmopp nach zu urteilen, den Donna um ein Haar umgeworfen hätte. Ein Kichern unterdrückend, schmiegte sie sich in Mikes Arme.

„Ich wusste, dass es so sein würde“, raunte er und ließ die Finger unter ihr Shirt gleiten. Ihre Brustwarzen wurden hart, noch ehe er sie erreicht hatte, einfach schon dadurch, dass er über ihren Bauch strich. „Ich wusste es, seit ich dich an jenem Abend im Roadhouse gesehen habe. Ich will das Feuer in dir entfachen. Ich will, dass du kommst, Donna.“

Ein Kribbeln überlief ihren Körper. Sie wollte Mike sagen, dass das höchst unwahrscheinlich war, weil sie bei Männern einfach zu sehr auf der Hut war. Doch stattdessen sagte sie: „Wir bleiben angezogen.“ Immerhin erinnerte der winzige Rest ihres Verstands, der noch funktionierte, sie daran, dass sie sich nach wie vor in einer Bibliothek befanden. Mike schien einverstanden und presste seine Lippen von Neuem zu einem die Sinne benebelnden Kuss auf ihre. Ihre Knie gaben nach, und sie sank gegen ihn. Gleichzeitig legte er die Hand auf ihre Hüfte und drückte sie fester an sich. Ihr intimster Punkt rieb sich an seinem Oberschenkel, und Donna stöhnte. Glücklicherweise wurde der Laut durch den Kuss gedämpft.

Mit der Hand auf ihrer Hüfte dirigierte Mike sie so, dass er durch ihre Shorts und den Slip hindurch ihre Klitoris stimulieren konnte. Er umfasste ihren Po und bewegte sie auf seinem muskulösen Schenkel auf und ab. Sie vergrub das Gesicht an seinem Oberkörper, um ihr Keuchen zu ersticken. Du liebe Zeit! Jedes Heben und Senken ließ sie von Neuem erbeben, bis sie zum Höhepunkt gelangte. Und dabei hatte es noch nicht einmal eine Berührung Haut an Haut gegeben! Wellen der Lust durchfluteten sie, während sie auf seinem starken Oberschenkel ritt und sich wieder und wieder alles in ihr zusammenzog. Jedes Mal, wenn sie glaubte, jetzt würde es vorbei sein, veränderte er seine Position leicht, fand einen neuen Punkt und brachte sie ein weiteres Mal zum Orgasmus.

Was, um alles in der … Er hatte ihre nackte Haut noch gar nicht angefasst. Sie war immer noch vollständig bekleidet.

„Du meine Güte, Solo“, stieß sie schwer atmend hervor und wich zurück, als sich die Dinge allmählich beruhigt hatten. „Was hast du getan? Und wie hast du das gemacht?“

Er sah aus, als litte er Schmerzen. Natürlich. Er musste förmlich explodieren, der Ausbuchtung in seiner Hose nach zu urteilen. Sie streckte die Hand danach aus, doch ein Rütteln am Türknopf ließ sie zurückschrecken.

„Hallo? Ist jemand da drin?“, fragte Frank, der Bibliothekar.

Mike hielt ihr den Mund zu, und das war gut, denn sie wollte losprusten. Es war ja auch zu albern, mit dem Catcher der Catfish zwischen Wischmopps im Putzschrank zu hocken.

„Wir haben einen Ersatzschlüssel, ihr jungen Schlawiner. Ich werde eure Eltern benachrichtigen!“

Donna klammerte sich an Mikes Arm und schüttelte sich vor Lachen. Ihr Handy vibrierte, und sie griff in die Tasche, um es stumm zu schalten. Zum Glück waren vor der Putzkammer Schritte zu hören, die sich nun entfernten. Donna schaute auf ihr Telefon.

Es war Harvey, ihr Ex. Eigenartig. Er rief sie sonst nie an. Was konnte er von ihr wollen?

„Wir gehen lieber hier raus.“ Mike schien sich sehr unbehaglich zu fühlen und rückte die Jeans zurecht über der noch immer sichtbaren Wölbung.

„Gibt es etwas, was ich für dich tun kann?“

„Ja. Hör auf, so sexy und weich und lecker zu sein. Wie soll ich denn Baseballstatistiken in Gedanken aufsagen, wenn du dich auf diese Weise an mich drückst?“

Doch als sie zurückweichen wollte, ließ er sie nicht. „Hast du heute Abend schon was vor? Ich will dich sehen. Sag mir, dass ich dich sehen kann.“

Oh, verdammt, ja! „Ich gehöre ganz dir, Hottie McCatcher.“

An diesem Abend klopfte Mike an die Tür der Adresse, die Donna ihm genannt hatte. Es handelte sich um ein kleines Gästehaus auf dem Grundstück, das den Eltern des Hais gehörte. Den Rest seines anstrengenden letzten Tages in Kilby hatte Mike sich damit beschäftigt, den aufregenden Moment in der Putzkammer wieder und wieder zu durchleben. Er konnte es nicht erwarten, eine ganze wilde Nacht im Bett mit Donna zu verbringen. Er wollte diesen kurvenreichen Körper nackt sehen, ihre seidige Haut spüren, ihr Witze ins Ohr flüstern und dann …

Sie machte die Tür einen Spaltbreit auf, und sofort wusste er, dass etwas nicht stimmte. Kein Lächeln. Keine Gesichtsfarbe. Ihre Augen sahen geschwollen aus. „Was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit dir?“

Sie blickte direkt durch ihn hindurch, als wäre sie ihm nie zuvor begegnet. „Solo. Was tust du denn hier?“

Was zur Hölle ging hier vor? „Ich … äh … wir hatten Pläne.“

„Entschuldige, ich kann nicht.“ Sie wollte die Tür zuschlagen, aber er drückte dagegen. Wenn etwas vorgefallen war, wollte er ihr helfen.

„Was ist denn los, Donna?“

„Ich kann … ich kann dich eben nicht sehen, das ist alles.“ Sie strich sich eine Strähne ihres kupferroten Haars aus dem Gesicht, das eindeutig Tränenspuren aufwies.

„Du brauchst mich gar nicht zu sehen. Schließ einfach die Augen, lass mich rein, und erzähl mir, was los ist.“

Sie brachte nicht einmal ein Lächeln über den zugegebenermaßen lahmen Scherz zustande. „Ich kann dich nicht hereinlassen.“

Meinte sie das im übertragenen Sinn? Es klang fast so. „Na schön. Dann lass uns eben spazieren gehen und …“

„Wir befinden uns in Texas. Hier geht man nicht spazieren. Es ist zu heiß.“

Tja, da hatte sie recht.

„Hör mal, Solo, es tut mir leid, dass ich dich nicht angerufen habe, um abzusagen. Mir sind ein paar Dinge dazwischengekommen, um die ich mich kümmern muss. Wenn du wirklich helfen willst, lässt du mich allein. Bitte.“

Und diesmal machte sie die Tür tatsächlich zu.

Was zur Hölle …? Er starrte verdutzt das blanke Holz an, das zwischen ihm und Donna stand. Was war gerade geschehen? Die Tür öffnete sich erneut ein Stückchen, und die lebhafte, witzige Donna, die er kannte, schien für einen kurzen Moment wieder da zu sein. „Ich glaube, ich habe mich nie so richtig dafür bedankt, dass du mich damals im Roadhouse vor den Wades beschützt hast. Da warst du so eine Art Superheld. Ich weiß, du wirst großartig sein in der Major League.“

Als die Tür diesmal zuging, wurde von innen ein Riegel vorgelegt.

Das tat weh. Mike hatte kein Problem damit, sich das einzugestehen. Normalerweise drehte er wegen einer Frau nicht gleich durch. Jedenfalls war ihm das seit Angela nicht mehr passiert. Und er verlor auch nicht die Beherrschung an öffentlichen Orten. Bei Donna jedoch …

Vergiss Donna.

Er wiederholte diesen Satz immer noch in Gedanken, während er am O’Hare Airport aus dem Flugzeug stieg und zur Gepäckausgabe schritt, wo sein Bruder Joey ihn abholte.

Vergiss Donna. Offenbar wollte sie ihn nicht – gegen diese Annahme sprach allerdings das, was in der Bibliothek geschehen war. Nur hatte es ihr anscheinend nichts bedeutet. Sie hatte ihn aufgefordert zu gehen.

Vergiss Donna. Es gab jetzt andere Dinge, um die er sich kümmern musste – ganz oben auf der Liste stand Joeys Gesundheit. Und dann war da noch das Ziel, in die Major League zu kommen und allen zu beweisen, dass sie sich geirrt hatten, seine Familie, Angelas Familie, einfach alle. Das erforderte volle Konzentration und duldete keinerlei Ablenkung. Schon gar nicht von der sexy Rothaarigen, die ihn in Kilby um den Verstand gebracht hatte.

Das war ohne Bedeutung. Selbst wenn er in der nächsten Saison wieder in Kilby landete, würde auch sein bester Freund dabei sein – der Enthaltsamkeitsschwur. Und der, dachte Mike, ist unschlagbar, Donna MacIntyre!

2. KAPITEL

Der Tag vor dem Beginn des Frühjahrstrainings

Hinter dem Trenngitter im Beichtstuhl der St. Mary Margaret’s Holy Church in Chicagos South Side putzte Pater Kowalski sich die Nase. Alle in der Stadt schienen erkältet zu sein. „Mein Sohn, natürlich werde ich für eine gute Saison beten. Aber ein Enthaltsamkeitsschwur wird nicht automatisch dazu führen, dass du zu den Friars berufen wirst. Und sowieso: Wenn du unbedingt enthaltsam leben willst, solltest du vielleicht lieber meinem Verein beitreten.“

„Sehr witzig, Pater Kowalski.“ Mike kniete auf der gepolsterten Bank, begierig darauf, seinen Eid zu leisten und in die Saison zu starten. Den Winter über hatte er sechs Pfund an purer Muskelmasse zugelegt. Er hatte vor, die Leute in Arizona zu beeindrucken und es vielleicht auf die Mannschaftsliste der Friars am Opening Day zu schaffen. „Keine Sorge, wenn ich den Eid leiste, erwähne ich nie meine Baseballkarriere.“

„Ich habe gehört, die Friars haben gerade diesen Linkshänder ausgewählt, Yazmer Perez.“ Pater Kowalski liebte es, über Baseball zu plaudern, und kannte stets die neuesten Transfergerüchte.

„Ja, das habe ich auch gehört. Mein Bruder wartet draußen, und ich …“ Im nächsten Moment wurde Mike klar, dass das die falsche Bemerkung gewesen war. Pater Kowalski war nicht nur ein Baseballfan, sondern auch äußerst neugierig.

„Wie geht es Joseph?“, erkundigte sich der Priester.

Anspannung erfasste Mike; er konnte nicht lügen, das hier war schließlich eine Beichte. „Mal so, mal so.“

Der Priester trompetete ein weiteres Mal in sein Taschentuch. „Dein Vater erwähnt ihn nie.“

„Das liegt daran, dass Joseph immer noch schwul ist, und mein Vater …“ Mike machte den Mund zu, bevor er etwas Unpassendes in der Beichte von sich geben konnte.

„Mir ist die Situation bekannt“, bemerkte der Geistliche trocken. Sicher war sie das. Die melodramatische Familie Solo tauchte vermutlich jeden zweiten Tag hier mit einem neuen Drama auf. „Wie steht es um Josephs Gesundheit?“

Die Freundlichkeit in Pater Kowalskis Stimme veranlasste Mike, ihm die Wahrheit zu gestehen. „Er bekommt häufig Infektionen. Sein Immunsystem ist angegriffen durch die Medikamente gegen eine Abstoßung.“ Sein Bruder hatte sich bei einer Recherche in Afrika mit Escherichia coli, kurz E. coli, infiziert, und dadurch war seine Niere zerstört worden. Als einziger Verwandter, der alle Voraussetzungen für eine Organspende erfüllte, inklusive der Blutgruppe, hatte Mike sofort eine Niere gespendet. Doch was das angegriffene Immunsystem anging, konnte er seinem Bruder nicht helfen.

„Ich werde für ihn beten“, murmelte der Priester.

„Danke, Pater. Meinen Sie, wir könnten nun …“

„Wie geht es Angela?“

Angela? Wollte Pater Kowalski ihn langsam, aber sicher zu Tode quälen? „Ich habe keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Aber ich sollte wirklich …“

„Ich glaube, sie vermisst dich.“

Oh, ver… Nicht fluchen während einer Beichte! „Sollte das nicht vertraulich sein?“

„Vertraulich? Nun, ähm … hatschi!

Mike fand das Timing des Niesers verdächtig. „Tja, Pater, mein Flug geht in einigen Stunden, und ich frage mich, ob wir wohl, na ja …“ Wie brachte man denn einen Priester dazu, sich ein wenig zu sputen?

„Sicher, mein Junge, sicher.“ Pater Kowalski gab ihm ein Zeichen, fortzufahren, und Mike sprach die vertrauten Worte, die ihm bis September Sex untersagen würden, wenn er Pech hatte, sogar bis Oktober. Diesmal fügte Pater Kowalski noch eine kleine Wendung an. „Es sei denn, du beschließt, vor Ablauf der Saison zu heiraten.“

Mike brach in Gelächter aus, das sich aus dem Beichtstuhl in das schattige Gewölbe der Kirche ausbreitete. „Netter Versuch, Pater. Hat meine Mutter Sie dazu angestiftet?“ Die hatte sich mit dem Verlust Angelas immer noch nicht abgefunden.

„Wir alle wollen dich wieder glücklich sehen.“ Pater Kowalski machte das Kreuzzeichen, und Mike beugte den Kopf. „Um kurz mal nur für mich selbst zu sprechen und nicht für unseren Herrn: Mögest du eine in jeder Hinsicht erfolgreiche Saison haben.“

„Danke, Pater.“

Mike verließ die Kirche, ehe er in eine weitere Unterhaltung über Baseball oder seine dysfunktionale Familie verwickelt werden konnte. Wie jedes Mal fühlte er sich erfrischt und froh nach dem Schwur. Es half ihm einfach, sich voll und ganz auf Baseball zu konzentrieren. Na ja, oder fast. Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild kupferroter Haare und sahneweißer Haut auf. Donna MacIntyre stahl sich in seine Gedanken wie ein lästiger Base Runner.

Draußen vor der Kirche wartete Joey in seinem Mini Cooper, um Mike zum Flughafen zu fahren. Er hatte die gleichen schwarzen Haare und Mikes Größe, besaß jedoch ein ziemlich dreistes Mundwerk und verträumte graue Augen. „Na, hast du dir deinen Keuschheitsgürtel umgeschnallt?“

„Hello Sex-Frust, my old friend, I’ve come to talk to you again.“ Er sprang in den Mini, und Joey fuhr los. Obwohl Mike ihn über den Winter in einem Krafttrainingsprogramm untergebracht hatte, war sein Lieblingsbruder nach wie vor zu dünn. Seine Wangenknochen zeichneten sich überdeutlich ab und verliehen ihm ein asketisches Aussehen. Er sollte nicht unterwegs sein, aber er fuhr Mike zu Beginn einer Saison traditionell zum Flughafen. Nichts würde ihn davon abhalten.

„Versprich mir, dass du nach dieser Fahrt gleich wieder nach Hause fährst, Joey. Oder zieh wenigstens deinen Schutzanzug an. In dieser Stadt gibt es einfach zu viele Keime.“

„Absolut. In meinem Arbeitszimmer wartet die Zwischenprüfung auf mich und eine Flasche Sam Adams.“

„Freut mich, dass du meine Niere gut nutzt.“

„Ehrlich gesagt, ich glaube, die Niere hat das Sagen. Vor der Operation verspürte ich nie Lust auf Alkohol.“

Mike lachte. „Meine Niere hat einen schlechten Einfluss auf dich. Das passt.“

Sie fuhren auf die Stadtautobahn, und Autos rasten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Mike genoss es, da seine nächste Zukunft verschlafene Kleinstädte in Texas und Arizona bereithielt.

„Du wirst eine großartige Saison haben“, prophezeite Joey ihm in seinem ernsten Großer-Bruder-Ton. „Ich glaube wirklich, das wird dein Jahr. Ich will, dass du mir einen Gefallen tust. Konzentrier dich auf Baseball, und mach dir um mich keine Sorgen.“

Schön wär’s. „Übersteh die Grippesaison gut, dann reden wir weiter.“

„Sieh mal, es liegt nicht in unseren Händen. Was Gott vorhat, wird geschehen.“

„Das hört sich ganz nach Dad an“, sagte Mike bitter. Ihr sturköpfiger, erzkonservativer Vater hatte Joey noch immer nicht verziehen, dass er schwul war und dass Mike seine glänzende Navy-Karriere für ihn geopfert hatte.

„Dad hat nicht in allen Dingen unrecht“, meinte Joey sanft.

„Aber oft genug.“ Mike würde seine Entscheidung, eine Niere zu spenden, niemals bereuen. Wie auch, wo er doch dafür seinen Bruder behalten hatte? „Kümmere dich nicht um Dad. Du wirst klarkommen, also mache ich mir keine Sorgen. Und weißt du, was? Ich schaffe es dieses Jahr in die Major League. Habe ich nicht einen Eid geleistet, als ich dir die Niere spendete?“

„Hast du eigentlich manchmal den Eindruck, dass du es vielleicht ein kleines bisschen mit deinen Schwüren übertreibst?“

Mike gab einen verächtlichen Laut von sich. „Nur falls einer davon mal ein Ehegelöbnis sein sollte.“

Joey lachte und wechselte die Spur.

„Pater Kowalski meint, Angela würde mich vermissen.“ Für einen Moment gestattete er sich, an sie zu denken. Angela DiMatteo, seine große Liebe seit der zweiten Klasse, hatte ihn verlassen, als er aus der Navy ausgeschieden war. Ihre ultrakonservative Familie war strikt dagegen gewesen, dass sie einen Mann heiratete, der seinen schwulen Bruder einer Karriere beim Militär vorzog. Und niemand hatte damals geglaubt, dass der junge Mike Solo es im Baseball zu etwas bringen könnte. Auf einmal war er ein Mann ohne Zukunft gewesen. Darunter hatte sein Stolz gelitten. Und tat es immer noch. Nach wie vor wollte er allen beweisen, dass sie sich irrten, wollte ihnen zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt war.

„Natürlich vermisst sie dich“, sagte Joey. „Sie ist zu Hause bei ihren Eltern gefangen. Du warst der Einzige, der den Mut besaß, ihr Haus zu betreten. Das war irgendeine Superkraft.“

„Du bist keine Hilfe“, brummte Mike, musste aber grinsen. Er konnte sich stets darauf verlassen, dass Joey seine Laune besserte. Der einzige andere Mensch, dem das je gelang, war …

Donna MacIntyre.

Würde er sie in Kilby sehen? Ihr im Roadhouse über den Weg laufen? Würde er jemals herausfinden, warum sie ihn plötzlich ausgeschlossen hatte? Und warum er sie nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte?

Donna wischte sich verstohlen einen Haferbreifleck vom Ärmel ihres dunkelblauen Blazers, während sie den Mietvertrag über den Schreibtisch zu sich heranzog. Dunkelblauer Blazer. Diese Worte brachten ihr neues Leben auf den Punkt. Diese neue Donna ging nicht mehr aus, trank keinen Alkohol, überquerte nie eine Straße bei Rot und führte ganz allgemein das Leben einer Nonne.

„Hier unterschreiben?“

„Ja, genau dort, wo ‚Hier bitte unterschreiben‘ steht“, bestätigte die hochnäsige blondierte Maklerin. Donna unterdrückte den Drang, einen Spruch loszulassen, etwa: Hoppla, ich war geblendet von Ihren Haaren. Was benutzen Sie denn, um das so schön hinzukriegen? Ein Bleichmittel für Zähne?

Aber die neue Donna machte Wohnungsmaklerinnen gegenüber niemals schnippische Bemerkungen. Also biss sie die Zähne zusammen und unterschrieb den Mietvertrag.

„Tja, herzlichen Glückwunsch, Sie sind jetzt stolze Mieterin eines winzigen Apartments mit Blick auf die Kläranlage“, säuselte die Blondine.

Kläranlage. Na klasse. Donna hielt den Schlüssel fest in der Hand, als sie das Büro der Maklerin verließ.

Eine eigene Wohnung. Darauf hatte sie hingearbeitet, seit jenem schicksalhaften Anruf von Harvey, der das Intermezzo mit Mike in der Bibliothek unterbrochen und ihre Welt in Trümmer gelegt hatte. „Wir werden das volle Sorgerecht für Zack beantragen“, informierte ihr Ex sie so beiläufig, als würde er bloß eine Pizza bestellen. Für Donna war das jedoch nichts Nebensächliches. Fassungslos hatte sie eine Anwältin ausfindig gemacht, Karen Griswold, die sie bis an diesen Punkt geführt hatte.

Zuerst kam ein neuer Job mit Krankenversicherung. Es hatte ihr fast das Herz gebrochen, den Hai und die Gilberts zu verlassen, aber Miss Griswold meinte, es sei besser so. Ihre neue Position als Rezeptionistin mit Blazer bei Dental Miracles bot volle Sozialleistungen und deutlich weniger Unterhaltung. Miss Griswold hatte darauf beharrt, dass sie nicht in einem Gästehaus wohnen konnte, wenn sie das Sorgerecht für Zack wollte. Sie brauchte eine eigene Wohnung mit einem Zimmer für Zack. Donna hatte alles getan, was Miss Griswold vorschlug – ihre Garderobe geändert, auf Alkohol verzichtet, keine Partys mehr besucht. Sie trug sogar eine Texas-A&M-Nadel am Revers, da Richter Quinn, der über den Fall zu entscheiden hatte, ein Fan von College-Football war. Was immer Miss Griswold für richtig hielt, würde Donna tun.

Bis auf eines. Miss Griswold hatte ihr geraten, nicht mit Harvey allein zu sprechen. Aber Donna wollte ein letztes Mal versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, deshalb hatte sie ihn gebeten, sich heute mit ihr vor der Arbeit auf einen Kaffee zu treffen.

Vor dem Maklerbüro schaute sie auf ihre Uhr – die hatte ein Gorillagesicht als Zifferblatt, weil Zack alles liebte, was mit dem Dschungel zu tun hatte. Fünf Minuten zu spät. Sie stieg in ihren roten Kia, auch bekannt als das kleinste Auto in ganz Texas, und fuhr zu einem Denny’s im heruntergekommensten Teil der Stadt, eine Gegend, in die Harveys neue Verlobte Bonita niemals ihren Fuß setzen würde. Denn falls Bonita sie beide zusammen sähe, würde sie ausflippen.

Es war keine Überraschung, dass Harvey schon in der Nische saß, über einen Teller mit Zwiebelringen gebeugt. Früher war er zu allen Terminen zu spät gekommen, doch das hatte Bonita ihm offenbar ausgetrieben. In der guten alten Zeit hatte er schwarze Lederkluft und Ketten getragen und sich Harley genannt, nach seinem Motorrad. Nun trug er eine Wildlederjacke über einem altmodischen Hemd, die goldblonden Haare zu einem modischen Wuschellook frisiert.

Sie setzte sich ihm gegenüber. „Hallo, Harvey. Danke, dass du gekommen bist.“

„Bonita würde mich umbringen, wenn sie es wüsste“, brummte er und tauchte einen Zwiebelring in Tartarsauce.

„Meinetwegen oder wegen des frittierten Junkfoods?“

„Beides“, gab er zu.

Bonita Wade Castillo war, so weit Donna das beurteilen konnte, ein äußerst verzickter Kontrollfreak.

„Harvey, hör zu. Wir können eine Lösung finden. Wir sind erwachsen. Es hilft Zack nicht, wenn wir uns streiten.“

Harvey schaute auf, dunkelblaue Augen begegneten ihren und blickten gleich wieder weg, als sei er zu träge, um den Blickkontakt aufrechtzuerhalten. „Du kennst mich. Ich bin kein Kämpfer, bin nie einer gewesen.“

Das könnte ein Teil des Problems sein. Sobald Bonita sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie wie ein Güterzug. Harvey würde sie vermutlich nicht einmal dann aufhalten können, wenn er es wirklich wollte. Doch es war einen Versuch wert. „Wir sind Zacks Eltern, Harvey. Du und ich. Wir müssen das Richtige tun, um seinetwillen. Das ist unsere Aufgabe.“

Deshalb hatte Donna sich auch einverstanden erklärt, Zack bei Harveys Eltern, den Hannigans, aufwachsen zu lassen, bis sie ihr Leben neu organisiert hatte. Zu dem Zeitpunkt schien es das Beste für ihn zu sein. Jetzt aber … jetzt …

„Wäre es denn so schlimm, wenn wir ihn zu uns nehmen würden?“, fragte Harvey. „Bonita wäre ihm eine gute Mutter. Sie kennt sich aus und weiß, wie man es richtig macht. So, wie man es machen sollte.“

Das berührte einen wunden Punkt tief in ihrem Innern, dort, wo sie sich selbst noch mehr infrage stellte, als andere es taten. „Willst du damit sagen, ich nicht?“

„Ach, komm schon, Donna. Sieh dich nur an. Du kriegst nichts auf die Reihe und verwandelst alles in einen Witz.“

„Manches vielleicht, aber ganz sicher nicht das. Nicht Zack.“ Sie trank einen Schluck von der Coke, die die Kellnerin ihr hingestellt hatte. „Du weißt, wie hart ich daran gearbeitet habe, mein Leben in Ordnung zu bringen.“

„Ich weiß nur, dass du eine neue langweilige Garderobe hast.“ Er gab ein boshaftes Kichern von sich. „Was bist du, Stewardess?“

„Rezeptionistin in einer Zahnarztpraxis. Und davor war ich Kindermädchen. Weißt du, warum ich Kindermädchen war? Damit ich alles lernen konnte, was ich brauche, um eine gute Mutter zu sein. Und um für eine anständige Wohnung sparen zu können. Und um jedes verfügbare Buch über Kinderpsychologie kaufen zu können. Ich besitze Kartons voll davon. Und ich habe jedes Einzelne gelesen. Alles, was ich in den vergangenen vier Jahren gemacht habe, war für Zack.“

„Ach ja? Wie steht’s denn mit der Keilerei im Roadhouse? Als du auf den Tresen gestiegen bist und dich mit den Wade-Jungs angelegt hast? Damit hast du alle Catfish-Spieler in Schwierigkeiten gebracht.“

„Das war letztes Jahr! Ich verstehe überhaupt nicht, wieso die Leute immer noch darüber reden.“ Sie biss die Zähne zusammen. Bleib bei der Sache. „Harvey, muss ich dich daran erinnern, dass du nicht wolltest, dass Zack geboren wird? Du hast mich fallen gelassen, sobald du das verdammte Pluszeichen auf dem Schwangerschaftstest gesehen hast.“

„Ich war noch jung, als du schwanger wurdest. Ich hatte doch überhaupt keinen blassen Schimmer von Babys.“ Harvey zuckte mit den Schultern. „Zack ist jetzt viel lustiger als damals. Ich hätte nichts dagegen, ihn um mich zu haben.“

Ich hätte nichts dagegen, ihn um mich zu haben. Donna hatte das Gefühl, als würde ihr alles entgleiten, als rutsche alles weg – der blanke Sitz unter ihrem Hintern, der Tisch vor ihr, das gesamte Lokal. „Das ist nicht richtig, Harvey. Zack gehört zu mir. Deine Eltern akzeptierten das. Zumindest bis du plötzlich beschlossen hast, dass du ihn willst. Ich meine, bis Bonita es beschlossen hat.“

„Meine Eltern sind ziemlich begeistert davon, wie ich mich durch Bonita entwickelt habe. Den gleichen Einfluss könnte sie auf Zack haben.“

„Du findest, Zack müsste sich besser entwickeln?“

„Er ist ein guter Junge, aber Bonita könnte ihn noch besser machen. Warum hältst du dich nicht zurück und lässt sie machen?“

Zack noch besser machen? Kannte Harvey seinen eigenen Sohn überhaupt? Wusste er ihn zu schätzen? Für sie war Zack ein vollkommener, verrückter kleiner Kerl, der Leute gern zum Lachen brachte. Er konnte sehr witzig tanzen, mit seinem mageren kleinen Po dazu wackeln und Grimassen schneiden. Natürlich bekam er auch schon mal Wutanfälle und tat nicht immer das, was er tun sollte. Und nachts musste er noch Windeln tragen, aber nur vorsichtshalber. Schließlich war er erst vier.

Was würde Bonita an Zack ändern wollen? Würde sie ihn in einen Streber verwandeln, wie sie selbst einer war, während Harvey an seinem Motorrad herumbastelte und ihn ignorierte?

Nein. Sie konnte nicht zulassen, dass Harvey und Bonita den Jungen zu sich nahmen. Das sagte ihr Instinkt ihr mit aller Macht.

„Bleib locker, Donna. Du kannst ihn ja weiterhin sehen. Bonita meint, sie hätte nichts dagegen, solange du dich verantwortungsbewusst verhältst.“

Wie nett. „Sie hat überhaupt kein Mitspracherecht“, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Zumindest noch nicht. Ihr seid ja noch nicht mal verheiratet. Erst im Juni.“

„In drei Monaten, Baby. Dann nehmen wir Zack zu uns.“

Harvey stand auf und warf Geld für sein Essen auf den Tisch – natürlich nicht für die Cola. „Gewöhn dich lieber dran. Bonita weiß ganz genau, wie sie ihren Willen bekommt. Und sie hat durch ihre Mutter viel Einfluss in dieser Stadt. Ihre Mutter ist eine Cousine der Wades. Der willst du nicht in die Quere kommen.“

Und damit schlurfte er davon, in dieser schlaffen Haltung, die sie einst sexy gefunden hatte. Nie wieder.

Donna blieben noch ein paar Minuten, ehe sie zur Arbeit aufbrechen musste, daher trank sie in Ruhe ihre Cola aus und wischte sich die Tränen der Wut aus dem Gesicht. Natürlich hatte Bonita den ganzen Wade-Clan hinter sich, während sie selbst niemanden hatte. Seit ihre Mutter die Familie verlassen hatte, hatte ihr Vater sich nicht mehr für seine Tochter interessiert. Und mit ihrer Stiefmutter Carrie hatte sie vereinbart, mindestens zwei Tage vor einem persönlichen Treffen Bescheid zu geben.

Sadie wusste – endlich – von Zack, aber die meisten ihrer Freunde nicht. Und Sadie war jetzt in San Diego, mit Caleb Hart, dem früheren Pitcher der Catfish und jetzigem Friars-Spieler.

Catfish. Mike Solo.

Da war er wieder, tauchte einfach so in ihren Gedanken auf. Sie träumte immer noch von diesem völlig verrückten Moment in der Bibliothek. Und von ihm. Doch die neue Donna musste sich von sexy Baseballspielern fernhalten. Im Kilby Press Herald hatte sie gelesen, dass Mike für das Frühjahrstraining wieder zu den Catfish gestoßen war und sich großartig machte. Er galt als aussichtsreichster Kandidat für einen Aufstieg zu den Friars. Gut. Je eher er in das Team der Major League berufen würde, desto geringer das Risiko, dass sie ihm über den Weg lief. Denn sie konnte sich eine Begegnung mit Mike Solo nicht erlauben. Er stellte eine viel zu große Versuchung dar, deshalb traute sie sich selbst nicht in seiner Gegenwart.

Aber da sie ihm an jenem Abend grob die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte, war sie für ihn vermutlich ohnehin erledigt. Sie hatte das Ganze ja inzwischen auch abgehakt.

Oder würde es bald abgehakt haben. Ganz sicher.

3. KAPITEL

Saisonauftakt

Texas im Frühling war ein Geschenk Gottes an die Menschheit, fand Mike, als er das Gelände des Catfish-Stadions betrat. Er atmete den süßen Duft von Rosen ein, der sich mit dem ewigen Geruch von Hot Dogs vermischte. Die Sonne schien noch nicht so stechend, wie sie es später in der Saison tun würde. Jetzt stand sie fröhlich am strahlend blauen Himmel, eine angenehme Begleiterin, kein Folterinstrument.

Es war gut, wieder in Kilby zu sein, auch wenn es nur die Minor League war.

Trevor Stark stand vor seinem Spind, groß und eisblond, ein knallharter Wikingertyp mit Tattoos, die sich unter seinen Ärmeln hervorschlängelten. Obwohl Trevor ein herausragender Spieler war, schaffte er es jedes Mal kurz vor dem Aufstieg in die Major League, alles zu vermasseln.

„Wie sieht’s aus mit dem Roadhouse?“, fragte Trevor ihn. „Ist das Verbot endlich aufgehoben?“

Das Kilby Roadhouse war nicht allzu glücklich gewesen über die Schlägerei zwischen den Catfish und der Wade-Familie in der vergangenen Saison. Mike hatte Trevor bis dahin nicht sonderlich gemocht, doch bei dieser Auseinandersetzung hatte der Typ sich wie ein echter Champ verhalten.

„Ja, aber ich habe gehört, die überlegen, dir allein Hausverbot zu erteilen.“

Trevor kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Wovon redest du?“

„Um uns anderen eine Chance zu geben, kapiert?“ Trevor Starks Ruf als Rebell und Herzensbrecher hatte sich in jedem Clubhaus im ganzen Land verbreitet.

„Du kriegst vielleicht die Chance, mir Deckung zu geben. Falls du das Zeug dazu hast.“

„Hört mal her, Leute“, sagte Dwight Conner, der mit seiner Sporttasche vorbeiging. „Wisst ihr, dass der Verband Crush Taylor dazu bewegen will, sein Team zu verkaufen?“

„Das können sie gerne versuchen.“ Mike verstaute seine Stollenschuhe im Spind. „Crush macht sowieso, was er will. Du bist auf seinen Partys gewesen, oder?“

Für einen Moment wurden sie alle still und gaben sich der Erinnerung an Crush Taylors ausschweifende Feten hin.

Dwight deutete zum TV-Gerät in der einen oberen Ecke der Umkleidekabine. „Schon von unserem neuen Phänomen gehört?“

Mike sah zum Bildschirm. Der berühmt-berüchtigte Yazmer Perez, ein junger plappermäuliger Linkshänder unbestimmter Herkunft, knöpfte sich darin einen Reporter vor, der ihm nach dem Spiel ins Clubhaus gefolgt war: „Yo, Mann. Das Clubhaus? Club plus Haus, kapiert, was ich meine? Das ist unser Haus. Da muss kein schwuler Reporter auftauchen und mir ein Mikrofon vor die Nase halten. Das Ding sieht doch aus wie ein Phallus. Also wedle mir damit nicht vor der Schnauze rum, okay? Das hier ist unsere Privatsphäre. PRIVAT. Ihr Homos könnt euch nach Hause in eure eigenen Heimos scheren, alles klar?“

Die Catfish-Spieler schüttelten die Köpfe. „Dem sollte man besser einen PR-Berater zur Seite stellen, und zwar rund um die Uhr“, meinte Dwight. „Wann kommt er?“

„Heute Abend“, sagte Jim Lieberman, während er sorgfältig die Ausrüstung in seinem Spind arrangierte. Der Shortstop, dessen Spitzname Bieberman lautete – wegen seiner Ähnlichkeit mit Justin Bieber und weil es ihn wahnsinnig machte –, war geradezu zwanghaft penibel, was seine Ausrüstung betraf. Wenn man ihn ärgern wollte, brauchte man nur sein Ersatztrikot einen Zentimeter nach links zu schieben. „Yazmer sollte eigentlich eine Liga tiefer spielen, aber beim Training mit den Red Sox erzielte er einen Durchschnitt von 1.23 bei acht Spielen. Drei Walks, sechsundzwanzig Strikeouts, ein Triple, zwei Doubles …“ Um die statistische Analyse des Shortstops zu übertönen, stellte Dwight den Fernseher lauter.

Der Reporter sah jetzt in die Kamera. „Ein Sprecher der Friars meinte, das Zitat Yazmers sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er fügte außerdem hinzu, die sexuelle Orientierung der Medienvertreter sei reine Privatsache und dass der Verband sich von Perez’ Ansichten distanziere.“

Duke Ellington, der an eine Bulldogge erinnernde Manager der Catfish, erschien als Nächster auf dem Bildschirm. „Yazmer Perez ist ein hervorragender Pitcher, und wir freuen uns, dass er unsere Mannschaft verstärkt. Wir sind überzeugt davon, dass Mike Solo und Yazmer Perez zusammen reinstes Dynamit sein werden. Mike wird ihm zeigen, wie der Laden bei uns läuft, und wir freuen uns auf eine großartige Saison.“

Mike schob den Rest seiner Ausrüstung in den Spind. Klar, diesem Blödmann würde er eine ganz besondere Einweisung geben und ihn vor allen Dingen erst mal knebeln. „Na klasse. Mike Solo, der Babysitter für die Verwöhnten und Blöden.“

„Blöd? Glaub ich eher nicht. Der Kerl versteht es, die Aufmerksamkeit der Presse auf sich zu lenken.“ Trevor schaute noch immer hinauf zum Bildschirm. „Verschafft mir vielleicht mal ein bisschen Ruhe?“

Oh, das Ego des supertalentierten Baseballspielers. Mike verdrehte die Augen, schnappte sich seinen Fanghandschuh und seinen Lieblingsschläger und machte sich auf den Weg zur Tür, wo er Crush Taylor mit seiner Armani-Sonnenbrille in die Arme lief.

„Solo. Hast du eine Minute?“

„Klar, Boss.“

Während er Crush in Dukes Büro folgte, rasten seine Gedanken. Was hatte der legendäre Pitcher und Teambesitzer ihm zu sagen?

„Ich glaube, ich habe dich langsam durchschaut“, verkündete Crush, ließ sich in einen Sessel fallen und legte die Stiefel auf Dukes Schreibtisch. „Du hast das, was ich einen Superheldenkomplex nenne. Ist nicht ungewöhnlich bei jungen Hengsten wie dir. Deshalb bist du auch zur Navy gegangen. Du wolltest die Welt retten, stimmt’s?“

Was hatte das zu bedeuten? „Was … gibt’s denn nichts Wichtigeres, über das du dir Gedanken machen musst? Zum Beispiel, was du zur Verleihung der ESPN-Lebt-der-immer-noch?-Awards anziehen sollst?“

Crush schob die Sonnenbrille auf den Kopf und musterte Mike. „Sehr witzig. Ich versuche dir hier einen Tipp zu geben. Geht’s auch ein bisschen weniger großspurig?“

„Sorry.“

„Du versuchst also die Welt zu retten, und dann wird dein Bruder krank. Also spendest du ihm eine Niere, was das Ende deiner Navy-Karriere bedeutet.“

„Laut Navy geht’s nicht ohne zweite Niere.“

„Tja, ich kenne wichtigere Organe … nichts gegen die Navy. Statt dich danach für eine hübsche Karriere zu entscheiden, für die man nur eine Niere braucht, sagen wir mal als männliches Model oder Porscheverkäufer, wählst du Baseball.“

„Ich war bei der Navy im Baseballteam. Und ziemlich gut.“

„Du warst der beste Spieler, den sie hatten. Die heulen dir und deiner linken Niere garantiert noch immer nach.“ Crush schraubte den Deckel seines silbernen Flachmannes ab und trank. „Aber ich bin noch nicht fertig. Du hast dich nicht nur für eine professionelle Baseballkarriere entschieden, was ohnehin schon eine Ausnahme ist. Ich kann mich jedenfalls an keinen aktiven Spieler erinnern, der eine Niere geopfert hat. Ein Skrotum vielleicht. Nein, du hast dir außerdem noch …“

Ein Skrotum? Mike hielt seinen Schläger vor sich hoch und flehte diesen an: „Kill mich, jetzt. Bitte!“

Crush grinste mit einer gewissen Schadenfreude und fuhr dann ungerührt mit seinem seltsamen Vortrag fort: „Du hast also nicht nur eine Niere geopfert, sondern dir außerdem die körperlich anstrengendste Position auf dem Spielfeld ausgesucht. Vor allem für einen Mann in deiner Situation.“

„Ich trage meinen Brustschutz.“

„Hast du deinen Brustschutz getragen, als du dich vor dieses Mädchen im Roadhouse gestellt hast?“

„Was … das war in der letzten Saison! Ich bin mit ein paar Prellungen davongekommen.“

„Es hätte in einer Katastrophe enden können. Was, wenn ich den Friars erzähle, dass ihr möglicher Neuzugang russisches Roulette mit seiner Gesundheit spielt?“

Mike fühlte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. „Ich habe meine Gesundheit nicht aufs Spiel gesetzt, Crush. Die Nierenoperation liegt vier Jahre zurück. Ich bin völlig wiederhergestellt.“

„Wie ich sehe, hast du in der Spielpause Muskelmasse aufgebaut.“

„Ja, Sir.“

„Das wird dir nicht helfen.“

„Was?“ Mike starrte den Teambesitzer an. Worauf wollte der Mann hinaus? „Warum, zur Hölle, nicht?“

„Du bist gut mit dem Schläger, aber das ist nicht deine Stärke. Ein Spiel entscheiden und die Pitcher anleiten, darin bist du am besten. Du besitzt die Gabe, das Vertrauen der Werfer zu gewinnen und ihnen die nötige Zuversicht zu geben. Das ist deine Stärke, und damit wirst du es weit bringen. Wenn es im Baseball fair zuginge, wärst du längst in San Diego.“

Endlich begriff Mike. „Yazmer.“

„Yazmer“, bestätigte Crush. „Er ist der Grund, weswegen du immer noch in Kilby bist. Die gute Neuigkeit lautet: Er ist auch dein Ticket. Verstehst du?“

„Ich glaube schon. Ich soll dieses Großmaul bereit machen für die Major League, dann steige ich auch auf.“

„Sieh es als eine Art Initiationsritus. Manche lassen sich ein Tattoo auf den Hintern stechen, andere trinken eine Flasche Absinth, während sie es mit drei Supermodels treiben. Und du wirst diesen Typen klarmachen. Das muss übrigens unter uns bleiben.“ Crush deutete mit dem Flachmann auf ihn. „Der Kerl kann was, aber er hat ein massives Problem. Er redet schnell und wirft zu langsam. Ich glaube, es gefällt ihm zu gut auf dem Werferhügel. Dabei vergisst er, dass er einen Job zu erledigen hat. Er ist so langsam, dass die Schiedsrichter tatsächlich darüber nachdenken, die Zwölf-Sekunden-Regel durchzusetzen. Meinst du, du kannst sein Tempo verbessern?“

Warum Yazmer? Warum ausgerechnet der? Mike Solo hatte jeden erdenklichen Mist im Baseball erlebt. Aber unverblümt homophobe Typen waren gerade für ihn eine echte Herausforderung. „Klar“, sagte er und versuchte, wenigstens ein bisschen enthusiastisch zu klingen.

„Sollte kein Problem sein für einen Superhelden wie dich.“

Mike hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Mehr als auf jedes erworbene Baseballkönnen verließ er sich auf seine wichtigste Waffe, von der er noch nie jemandem erzählt hatte: seine Intuition. Seinen Instinkt. Jene innere Stimme, auf die stets zu hören er gelernt hatte. Sie führte ihn durchs Leben und auch hinter der Home Plate. Und momentan klang sie äußerst alarmiert.

Crush schwang sich aus dem Sessel und richtete seine schlaksige, zerknitterte Gestalt auf. „Ich würde nicht gegen dich wetten, mein Freund. Ich habe dich bei dieser Kneipenschlägerei in der letzten Saison gesehen. Du verstehst es, deine Kraft einzusetzen. Wer war übrigens das Mädchen? Die Rothaarige auf dem Tresen? Die dich deine fehlende Niere hat vergessen lassen?“

„Sie heißt Donna und ist eine Freundin von Sadie Merritt, Calebs Mädchen.“

„Eine ziemliche Wucht.“

Plötzlich meldete sich Mikes Beschützerinstinkt, und er knurrte: „Halt dich fern von ihr.“

Crush setzte seine Sonnenbrille wieder auf. „Oh, die ist nichts für mich. Ich habe ein Auge auf jemand anderen geworfen. Außerdem habe ich gemerkt, wie es zwischen euch funkt. Hat ja fast das Roadhouse in Flammen aufgehen lassen. In diesen Dingen irre ich mich nie.“

Die Catfish gewannen ihr erstes Heimspiel gegen die Round Rock Express. Mike gelang ein 3-1-Count – nicht schlecht, wo er für die Saison erst noch in Fahrt kommen musste. Er führte Dan Farrio zu fünf Strikeouts und sechs Hits; trotzdem vermisste er Caleb Hart, mit dem er so harmonisch zusammengearbeitet hatte, dass einer praktisch die Gedanken des anderen lesen konnte.

Wenn sie sich nicht auf dem Spielfeld aufhielten, waren die meisten Spieler damit beschäftigt, Angeline zu begaffen, die neue PR-Frau. Sie hatte einen langen blonden Pferdeschwanz, der auf ihren Brüsten auf und ab hüpfte, wenn es hieß: „Zeigt euren Teamgeist!“

„Lasst es hören, Catfish-Fans! Miaut wie ein Kätzchen!“

Ein vielstimmiges „Miau“ erklang im Stadion.

„Schwimmt wie ein Fisch!“ Sie kniff sich die Nase zu und wand sich wie ein Aal.

„Setzt es zusammen, und was kriegt ihr?“

„Catfish“, brüllte die Menge.

Im Mannschaftsunterstand sah Mike hinüber zu Dwight Conner, dann miaute er und fuhr mit den Fingernägeln über Dwights Oberarmmuskeln.

„Nimm die Finger von mir“, stieß der große Kerl hervor, ohne dabei den Blick von Angeline abzuwenden.

„Findest du das nicht ein bisschen lahm? Miauen wie ein kleines Kätzchen?“

„Was?“ Offenbar vollkommen hypnotisiert von ihrem Pferdeschwanz, warf Dwight sich ein paar Erdnüsse in den Mund.

Mike seufzte. Aus irgendeinem Grund ließ Angeline ihn kalt. Vielleicht lag es daran, dass ihr Name ihn an Angela erinnerte. Oder es war ihre Haarfarbe.

Nicht rot.

Vergiss Donna.

Nach dem Spiel stellte Duke Yazmer Perez im Clubhaus vor. Yazmer, der anscheinend der Schlüssel zu Mikes Zukunft war. Der Typ war noch überheblicher, als er vor der Kamera wirkte. Er nahm kaum Notiz von seinen neuen Mitspielern, sondern war ganz mit seinem Smartphone beschäftigt.

„Was macht er da? Texten?“, flüsterte Mike Trevor Stark zu.

„Wahrscheinlich twittert er. Ist groß bei Twitter.“

Wie ein Spionagesatellit, der ein Signal empfängt, horchte Yazmer bei dem Wort „Twitter“ auf. „Yo, Twitter. Muss dranbleiben. Ich bin @TheYaz, großes Y, kleines A, kleines Z. Überlege gerade, es zu ändern, Leute. Um Kreativität zu zeigen. Mir schwebt so was vor wie ‚Y ist die Power für Z‘.“

Der Wortschwall aus Yazmers Mund machte Mike schwindelig. „Was zum Teufel soll das alles bedeuten?“

Yazmer starrte ihn durchdringend an, ehe er sich wieder an Duke wandte. „Ist das der Bursche, der mich rauf zu den Friars bringen soll? Der ist ja prähistorisch. Kennt sich nicht mal mit Twitter aus. Der hat von nichts ’ne Ahnung.“

Mike fiel darauf keine Erwiderung ein. Verdammt, wenn seine Karriere von diesem Typen abhing, war er im Eimer. Er brauchte eine Strategie, wie er mit „TheYaz“ warm werden konnte. Bis dahin … Er wandte sich an Trevor. „Roadhouse?“

„O Yeah! Großes Y, kleines E, kleines …“

„Halt die Klappe.“

Als Mike das Kilby Roadhouse betrat, mit dem von Sägespänen bedeckten Fußboden und roten Lichterketten an den Wänden, suchte er unwillkürlich die Menge nach einer Rothaarigen mit lachenden braunen Augen ab.

Er war Donna MacIntyre zum ersten Mal hier begegnet. Sie war witzig und sexy gewesen, und sie hatte ihn zum Lachen gebracht, besonders als er ihr von seinem Enthaltsamkeitsschwur erzählt hatte.

„Du solltest es der Öffentlichkeit leichter machen, indem du nicht so attraktiv bist“, hatte sie erklärt. „Leg dir eine hässliche Frisur zu. Oder trag diese schlabbrigen Jogginghosen. Und zieh ein Unterhemd dazu an. Das ist nur fair, solange du tabu bist.“

„Sorry, ab ‚attraktiv‘ habe ich nicht mehr richtig zugehört.“

Den Rest des Abends hatten sie damit verbracht, sich gegenseitig aufzuziehen und zu necken. Ehrlich, das war fast so gut wie Sex gewesen.

Heute Abend war von Donna nichts zu sehen. Vielleicht war sie beim Hai. Oder sie hatte einen neuen Freund.

Vergiss Donna.

Aber das Roadhouse machte ohne sie keinen Spaß. Er bestellte sich ein Mineralwasser und lehnte sich an den langen zerschrammten Tresen, möglicherweise genau an der Stelle, wo Donna an jenem schicksalhaften Abend der Kneipenschlägerei gesessen hatte. Donna hatte wirklich Mumm. Es gab sicher nicht viele Frauen, die ihre Freundin gegen eine Truppe aggressiver einheimischer Fraternity-Typen verteidigten.

„Bist du gekommen, um dir noch eine Abreibung abzuholen, Catfish?“ Die arrogante Stimme veranlasste ihn, den Kopf zu drehen. Wie aufs Stichwort stand einer der Wades – er konnte sich nicht mehr erinnern, welcher es war – in angriffslustiger Haltung vor ihm.

„Ich stoße auf die neue Saison an. Go Kilby!“ Mike hob sein Mineralwasser, ohne den Wade aus den Augen zu lassen. Er traute ihm keine Sekunde lang über den Weg.

Der Kerl rührte sich nicht. „Ich habe einen Tipp für dich, Solo. Spiel gut.“

„Tja, da ich nichts mehr zu schätzen weiß als einen gut formulierten Ratschlag, trinke ich auch auf dich.“ Er hob erneut sein Glas, und endlich verschwand der Kerl.

„Was zum Jeter sollte das denn?“ Lieberman erschien an seiner Seite, eine Flasche Lone Star in der Hand.

„Hast du gerade gesagt ‚Was zum Jeter‘?“

„Klingt gut, was? Ich will die Leute dazu bringen, das zu sagen. ‚Was, zum Jeter, ist denn los mit dir? Wo, zum Jeter, ist die Milch?‘ Solche Sachen. Es ist ein Tribut an Derek Jeter, den besten Shortstop aller Zeiten. Ich benutze es bei jeder Unterhaltung, um zu sehen, ob es sich verbreitet.“

„Du könntest es auf Twitter verbreiten.“ Mike schaute sich in der Menge um. Er sah Jeansjacken und Cowboystiefel, kurze Röcke und lange Beine, viel Lippenstift und toupierte Haare, Dekolletés, Ohrringe, hübsche Mädchen, die die Haare zurückwarfen, lachten, flirteten …

Aber keine Donna.

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