Irische Liebesträume

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Kaum auf dem imposanten Gut im malerischen irischen Ort Slane angekommen, begegnet Ellie dem beeindruckend attraktiven Feargal McMahon. Sofort verzaubert er sie mit seinen tiefblauen Augen, doch eine alte Familienfehde scheint ihrem Glück im Weg zu stehen.


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955761097
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Richmond

Liebesreise nach Irland – Irische Liebesträume

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

Love of My Heart

Copyright © by Emma Richmond

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V., Amsterdam

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-109-7

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

“Es ist Harry!”

“Harry?”, fragte Ellie verwundert, aber die Frau hörte nicht zu, sondern blickte nur fast böse einem Mann in einem hellbraunen Anzug nach.

“Und wenn er sich einbildet, er würde ungeschoren davonkommen, so kann er sein blaues Wunder erleben. Kümmern Sie sich kurz um den Stand, ja, Liebes?” Ohne eine Antwort abzuwarten, hetzte sie die Straße entlang und Harry hinterher, der rasch davoneilte.

“He”, rief Ellie ihr nach, “ich weiß überhaupt nicht, wie man bedient.” Warum ausgerechnet ich?, fragte sie sich. Wie um Himmels willen konnte die Frau ihr nur vertrauen? Sie hätte sich mit der ganzen Ware aus dem Staub machen können. Und welcher Teufel hatte sie geritten, dass sie ausgerechnet an einem Straßenmarkt vorbeifahren musste, dem sie um nichts auf der Welt widerstehen konnte? Wirklich, Ellie, du bist schon eine Type, schalt sie sich selbst. Dabei hättest du nur von der Fähre und über die Hauptstraße direkt nach Dublin fahren sollen. Und was hast du gemacht? Angehalten, nur für fünf Minuten, nur um dich kurz umzuschauen. Jetzt stehst du da, bist verantwortlich für den Verkaufsstand einer Frau, die du nicht kennst, die du noch nie vorher in deinem Leben gesehen hast. Und das alles, weil jemand namens Harry nicht ungeschoren davonkommen soll.

Schon wieder beobachtete sie dieser Mann mit den blauen Augen. O nein! Sie wandte sich von seinem leicht drohenden Blick ab, und während sie einige Pullis neu ordnete, versuchte sie so zu tun, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht.

Zwei Leute standen herum und befummelten die Schals. Sie senkte den Kopf, gab sich ahnungslos, unbeholfen und stellte sich dumm, um zu verhindern, dass sie nach einem Preis gefragt wurde. Offensichtlich funktionierte ihr Trick, denn die beiden murmelten etwas und gingen weiter.

Als sie merkte, dass sie immer noch beobachtet wurde, spähte sie vorsichtig zur Seite. Da waren sie wieder, diese blauen Augen! Oh, bitte, lass ihn kein Dieb sein, flehte sie im Stillen. Bitte lass ihn nicht mit dem ganzen Zeug verschwinden. Während sie ihn verstohlen betrachtete, fand sie, dass er einen entschieden unberechenbaren Eindruck machte. Hochgewachsen, schlaksig, schwarzes Haar, so sahen Helden aus – oder Ganoven. Und so sagenhaft blaue Augen, die den Blick gefangen hielten. Ein Blick, bei dem die Knie weich wurden, und – oh, verdammt – jetzt kam er auf sie zu. Er wirkte arrogant, nachdenklich – gefährlich? Vor ihr blieb er stehen.

“Er ist undicht”, sagte er ohne Einleitung, mit einer weichen, verführerischen Stimme, die ihr durch und durch ging.

“Wie bitte?”, fragte Ellie.

“Er ist undicht”, wiederholte er.

“Wer?”

“Mein Mantel.”

“Oh.” Du meine Güte, sie hatte es doch hoffentlich nicht mit einem Irren zu tun, oder? Vorsichtig schaute sie sich um, um zu sehen, wie viele Leute in Hörweite waren, falls sie schreien musste. Dann wandte sie sich dem Fremden zaghaft lächelnd zu. “Es tut mir leid.”

“Ja.”

“Wie?”, fragte sie verwirrt.

“Sie haben mir gesagt, er sei garantiert wasserdicht.”

“Das habe ich nicht. Ich habe Sie noch nie vorher in meinem Leben gesehen.”

“Nein”, gab er leise zu.

“Warum sagen Sie dann …”

“Es war nicht wörtlich gemeint. Ich habe den Mantel vor einigen Monaten hier gekauft, und man hat mir versichert, er sei wasserdicht.”

“Und das ist er nicht?”

“Nein.”

“Vielleicht hatten Sie einfach Pech und haben einen fehlerhaften erwischt”, meinte sie in ihrer Hilflosigkeit.

“Vielleicht.”

“Ich kann Ihnen das Geld nicht zurückgeben”, platzte sie heraus. “Der Stand gehört nicht mir.”

“Das weiß ich.”

“Was wollen Sie dann?”, fragte sie verzweifelt.

“Von Ihnen? Im Moment? Nichts.”

Erstaunt schaute sie ihn an. Gehörte er zu denen, die ihre Scherze machten, ohne dabei eine Miene zu verziehen? Er sah nicht danach aus.

“Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf”, fuhr er mit dieser leisen, sanften Stimme fort, “Sie scheinen vom Verkaufen so viel Ahnung zu haben wie ein Vampir vom Blutspenden.”

Ellie lächelte unsicher. “Ja”, gab sie zu. “Vom Verkaufen habe ich wirklich keine Ahnung. Aber bevor ich das der Besitzerin des Standes klarmachen konnte, war sie schon einem gewissen Harry auf den Fersen, der nicht ungeschoren davonkommen soll. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Vielleicht kommen Sie später noch einmal vorbei.”

“Nicht nötig.” Mit einem Blick, von dem sie nicht wusste, was sie davon halten sollte, ging er zu dem Drehständer hinüber, an dem ähnliche Regenmäntel hingen, wie er einen trug, nahm das Etikett mit der Aufschrift “Garantiert wasserdicht” ab und riss es in der Mitte durch. Plötzlich hatte er den Teufel in seinem Blick und in seinem Lächeln. Er verbeugte sich flüchtig, reichte ihr die beiden Papierschnipsel, dann schlenderte er weiter.

Amüsiert und verblüfft zugleich, sah Ellie ihn in der Menge verschwinden.

“Ist alles in Ordnung, Liebes?”

Ellie fuhr herum und schaute die Standbesitzerin groß an. Mit einem Blick auf das zerfetzte Kärtchen sagte sie: “Er hat das Etikett zerrissen.”

“Wer?”

“Dieser Mann.” Sie drehte sich um und versuchte, ihn in der Menge auszumachen. Als sie ihn nirgendwo entdeckte, seufzte sie. “Nun, jedenfalls ein Mann. Er behauptete, Ihre Regenmäntel seien nicht wasserdicht.”

“Das sind sie auch nicht mehr.” Sie grinste.

“Oh.” Ellie kicherte leise und fragte schnell: “Haben Sie Harry eigentlich eingeholt?”

“Ja”, rief sie sichtlich zufrieden aus. “Und wenn er glaubt, er könnte mit unserer Sheila sein Spiel treiben, dann irrt er sich gewaltig. Wie auch immer, er ist ein Dummkopf, und sie ist ohne ihn besser dran.”

Eine Stunde später plauderte Ellie immer noch vergnügt mit der Frau. Dabei fand sie heraus, dass der schreckliche Harry ihrer Tochter geradezu das Herz aus dem Leib gerissen hatte und mit einer aus Cork auf und davon gegangen war. Als Ellie schließlich einfiel, dass sie ja in Dublin jemanden treffen sollte, war es schon später Nachmittag.

“Ich muss gehen”, sagte sie bedauernd. “Ich werde mich fürchterlich verspäten.”

Die Standbesitzerin lachte. “Dann los, fort mit Ihnen. Danke für Ihre Hilfe. Sie waren großartig.”

Ein glückliches Lächeln auf dem außergewöhnlich schönen Gesicht, in Gedanken bei dem Mann mit den blauen Augen, machte Ellie sich auf den Weg zu der Stelle, an der sie ihren Wagen geparkt hatte.

Als Ellie vor dem Hotel in Dublin anhielt, seufzte sie erleichtert auf. Nur drei Stunden Verspätung, dachte sie reuevoll. Aber Irland war auch schon ein verwirrendes Land. Sie sah zu dem bleigrauen Himmel hinauf. Seit Wexford hatte es nicht aufgehört zu nieseln. Wo blieb nur der Sommer?

Sie stülpte sich den Hut auf, packte ihre Siebensachen zusammen, stieg aus und schloss den Wagen ab. Als sie sich umdrehte, stieß sie mit jemandem zusammen. Ein Mann mit strahlendblauen Augen sah sie ausdruckslos an. Mit blauen Augen, die es ihr schwermachten, den Blick abzuwenden; und die ihr Herz plötzlich schneller schlagen ließen. Er hatte Regenmantel und Jeans gegen Dinnerjackett und schwarze Hosen getauscht. Darin sah er förmlich und elegant aus – und noch viel attraktiver.

Ellie lächelte den Fremden erfreut an, denn sie hatte wirklich nicht erwartet, ihn wiederzusehen. “Verfolgen Sie mich?”, fragte sie im Scherz.

Seine Antwort enttäuschte sie. “Warum sollte ich Sie verfolgen?”

“Ich weiß nicht. Tut mir leid.” Eine Ewigkeit lang schien er den Blick unverwandt auf sie gerichtet zu haben, und sie glaubte, so etwas wie Belustigung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Aber dann senkte er kurz den Kopf, und sie war sich nicht mehr sicher. Geschützt unter seinem großen Regenschirm, ging die Frau in seiner Begleitung mit ihm zum Hoteleingang hinüber. Er war ein Mann, von dem Frauen träumten. Einer, der die Herzen brach. Nun ja! Ellie zog ihren Hut gerade und folgte den beiden zum Hotel.

Was für ein Zufall! Dabei hatte er sie angeschaut, als würde er sich nicht mehr an sie erinnern. Vielleicht war es ja auch so. Einmal gesehen, für immer vergessen, dachte sie ironisch. Jedenfalls brauchte sie sich dann keine falschen Hoffnungen zu machen.

Er hielt ihr höflich die Tür auf. Kaum dass sie eingetreten war, ging er weiter, die Hand immer noch unter dem Ellbogen seiner Begleiterin. Er im Smoking, sie im Abendkleid, wie die meisten Gäste im überfüllten Foyer. Typisch! Natürlich musste sie genau mitten in einen gesellschaftlichen Empfang hineinplatzen. Ellie sah an sich herab, auf ihre zerknitterte Kleidung, und unterdrückte ein Lächeln.

Wo war Donal Sullivan? Hatte er sie abgeschrieben? Und falls nicht, würde sie ihn überhaupt erkennen? Sie hatte ihn nur einmal kurz getroffen. Er war der Bruder ihrer Freundin Maura, lebte in Dublin und wollte, so hatte Maura ihr versichert, ihr gern die Stadt zeigen. Hm. Liehen alle Schwestern ihre Brüder wie Bücher aus? Das wusste sie nicht. Sie hatte keinen Bruder. Ellie dachte an ihre bevorstehende Aufgabe, und während sie Entschuldigungen vor sich hin murmelte, schlängelte sie sich durch die Menge hindurch zur Rezeption.

Sie wurde mit einem sympathischen und ziemlich amüsierten Lächeln begrüßt. Aber das war fast immer so. Es lag an ihr.

“Hallo”, sagte sie atemlos und nahm ihren jämmerlichen Hut ab. “Tut mir leid, dass ich so spät komme. Ich hatte mich verfahren. Und falls ich St. Stephen’s Green niemals wiedersehen sollte, wird es viel zu bald sein!”, rief sie aus und lächelte gewinnend. “Warum hat mir noch kein Mensch gesagt, dass es in Dublin nur Einbahnstraßen gibt? Außerdem stehe ich im absoluten Halteverbot, es regnet – und ich bin Elinor Browne, mit ‘E’“, schloss sie etwas hastig.

“Hallo, Elinor Browne mit ‘E’“, sagte die Dame am Empfang mit einem Ausdruck von Belustigung in den braunen Augen. “Dass Sie zu spät kommen, ist durchaus kein Problem.” Als eine Menge Gäste aus einem Nebenraum auftauchte, alle durcheinanderredend und lachend, verzog sie gespielt verzweifelt das Gesicht. “Wollten Sie wirklich mitten in diesem Durcheinander hier eintreffen? Eine Konferenz in einem Saal, eine Hochzeitsfeier in einem anderen, und keiner will bleiben, wo er hingehört.”

Ellie ließ den Blick über die lärmende Menschenmenge schweifen und meinte dann: “Ich denke, jeder findet die andere Gruppe interessanter als seine eigene.”

“Ist es nicht auch so? Oh, nun gut! Ich will gar nicht erst versuchen, sie voneinander zu trennen. Haben Sie Gepäck?”

“Ja, draußen. Gibt es einen Parkplatz, auf dem ich meinen Wagen abstellen kann?”

“Das erledigt John für Sie. Sie werden sicher nicht noch einmal in den Regen hinaus wollen.” Die Empfangsdame winkte einen jungen Mann herüber, dessen gelangweilter Blick einem interessierten wich, sobald er Ellie sah, dann lächelte sie und sagte: “Wenn Sie ihm Ihre Autoschlüssel geben, wird er Ihren Wagen parken und Ihr Gepäck auf Ihr Zimmer bringen. Und geben Sie ihm nicht mehr als Ihre Autoschlüssel”, fügte sie als freundlich gemeinte Warnung hinzu. “Sie kennen ja den Spruch: “Wenn man ihm den kleinen Finger reicht, nimmt er die ganze Hand.” Sie schob ihr ein Anmeldeformular zu und einen Kugelschreiber. “Der Speiseraum ist rechts von Ihnen, die Bar links, der Lift hinter den Säulen. Das Dinner wurde wegen der Konferenz heute frühzeitig beendet. Aber in der Bar gibt es Snacks, falls Sie eine Kleinigkeit essen möchten. Nun, was noch? Frühstück ist von sieben bis zehn – und wenn Sie sonst etwas brauchen, fragen Sie danach.”

“Ja, vielen Dank.” Ellie war beeindruckt von diesem netten, hilfsbereiten Mädchen, das so ganz anders war als die meisten Empfangsdamen, die sie bisher getroffen hatte. Sie schob das ausgefüllte Formular zurück, nahm den Zimmerschlüssel entgegen und lächelte freundlich. Dann beschloss sie, besser Donal ausfindig zu machen, bevor sie auf ihr Zimmer ging.

Sie drehte sich etwas zu schnell um. Dabei stieß sie gegen den Arm eines elegant gekleideten Mannes, und aus dem Glas, das er in der Hand hielt, schwappte die Flüssigkeit heraus. Ellie sah erschrocken auf und wollte sich schon entschuldigen, da blieben ihr die Worte im Hals stecken. Im künstlichen Licht der Hotelhalle wirkten seine blauen Augen noch strahlender, war sein Blick noch durchdringender. Sie lächelte ihn zögernd an, aber ihr Lächeln wurde nicht erwidert. Daraufhin verzog sie das Gesicht und versuchte sich davonzustehlen, was bei dem Gedränge nicht leicht war.

“War das ein Racheakt?”, fragte er leise.

“Was?” Als sie sein Gesicht betrachtete, entdeckte sie kein Anzeichen von Humor oder Spott und war ein wenig verdutzt. “Nein”, sagte sie lahm.

“Hatten Sie keinen Strom?”, fragte er.

“Strom?”, wiederholte sie, immer noch fasziniert von seinen strahlendblauen Augen.

“Hm.”

“Nun, doch”, antwortete sie verwirrt. “Sie nicht?”

“Sicher. Aber ich sehe ja auch nicht aus, als hätte ich mich im Dunkeln angezogen. Oder?”

“Oh, nein.” Erleichtert stellte sie fest, dass er jetzt doch scherzte, und lächelte ihn bezaubernd an. “Die Kleidung wurde mir freundlicherweise vom Wohltätigkeitsverein zur Verfügung gestellt.”

“Das erklärt noch nicht, warum nichts zusammenpasst.”

“Tut es das denn nicht?”

“Nein.”

“Passt Rosa nicht zu Violett?”

“Doch, aber nicht dieser Farbton, und schon gar nicht, wenn er mit Gelb kombiniert wird.”

“Sie kennen sich wohl gut mit Damenmode aus, wie?”

“Nein, aber mit Farben.”

“Und diese Farben stehen mir nicht?”

Er legte den Kopf etwas schief. “Doch, aus einem seltsamen, unerklärlichen Grund stehen sie Ihnen. Und genau das finde ich so erstaunlich, denn ich kann Sie mir anders gekleidet gar nicht vorstellen. Ich weiß nicht, warum, aber in modischer, vernünftiger oder sogar elegant ausgefallener Kleidung würden Sie, glaube ich, blass und gewöhnlich wirken. Und das sind Sie auf gar keinen Fall.” Er ließ den Blick über ihr höchst sonderbares Äußeres gleiten. “Arbeitsstiefel, wie Männer sie tragen, schwarze gerippte Strumpfhosen, ein violettes Baumwollhemd, eine übergroße rosa Strickjacke und ein gelber Schal – das sind Sie.”

“Ich habe auch noch einen grünen Samthut”, sagte sie ernst und hielt ihn hoch, damit er ihn begutachten konnte.

“Ja. So einen hätte Heinrich VIII. aus Gründen der Eitelkeit wohl ausrangiert. Sagen Sie mir Ihren Namen”, befahl er.

“Elinor.”

“Passt nicht zu Ihnen.”

“Nein, aber woher wollen Sie wissen, dass Ihr liebes kleines Mädchen nicht eines Tages erwachsen werden und groß und elegant sein wird?”, witzelte sie und fand riesigen Spaß daran. Es war lange her, seit sie einen auch nur annähernd so interessanten Mann kennengelernt hatte.

“Sind Ihre Eltern groß und elegant?”

“Ja.” Ihr Lächeln war geheimnisvoll und verlockend zugleich, als sie sagte: “Die meisten Leute nennen mich Ellie.”

“Dann werde ich mich ab jetzt zu ihnen zählen. Ich heiße Feargal.”

“Fergie?”, fragte sie lachend.

“Nein”, tadelte er sie ernst, “Feargal.” Er schaute über sie hinweg und seufzte. “Und jetzt muss ich gehen. Ich sehe gerade, meine Begleiterin wartet schon – und nicht sehr geduldig. Bitte entschuldigen Sie mich.” Er wandte sich ab und drehte sich wieder um. Ein faszinierendes kleines Grübchen erschien an seinem Mundwinkel. Würde er gleich lächeln? “Aber ich finde Sie wieder, Ellie”, sagte er sanft. Es klang wie ein Versprechen.

Ihr Blick war auf seine breiten Schultern geheftet, und ein freches Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie beobachtete, wie Feargal sich durch die Menge hindurchschlängelte, auf seine elegante Begleiterin zu. Würde er es tun? Sie wiederfinden? Sie hoffte es sehr. Er war interessant und sah aus, als würde er die Welt kennen, die Welt und die Schlafzimmer der Frauen. Nicht dass sie die Absicht hatte, ihn in ihr eigenes zu führen, aber ein kleiner Flirt hätte sicher seinen Reiz. Schließlich hatte sie Urlaub, und offensichtlich dachte Feargal genauso, während er auf seine Freundin wartete. Komisch, dass sie beide dasselbe Ziel hatten.

Als sie merkte, dass die Empfangsdame sie beobachtete, lächelte sie verlegen. “Ein toller Mann, was?”

“Das ist er wirklich. Und ein ganz unverschämter.”

Ja, stimmte sie im Stillen zu. Unverschämt. Unverschämt attraktiv. Unverschämt faszinierend. Geh los und finde Donal, Ellie, ermahnte sie sich ernst, anstatt von einem Mann zu träumen, von dem du nichts weißt. Und wenn du etwas von ihm wüsstest, würde es dir wahrscheinlich nicht gefallen. Dabei hätte sie wetten können, dass er ihr gefallen würde. Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrem zukünftigen, wenn auch nur vorübergehenden Gefährten.

Die Hochzeitsgesellschaft hatte sich anscheinend glücklich mit den Konferenzteilnehmern vereint, und Ellie wurde, eine andere Wahl hatte sie nicht, in der fröhlichen Menschenmenge aufgenommen. Man drückte ihr einen Drink in die Hand, und innerhalb von fünf Minuten wurde sie wie ein Pokal von einer Gruppe der anderen übergeben. Man stellte ihr so viele Fragen, dass sie nicht wusste, wie und wann sie sie beantworten sollte, erzählte ihr endlose Geschichten von dieser und jener Person, bis sie schließlich in der Bar landete mit irgendjemandem namens Patrick, der sie mit Geschichten über das alte Irland unterhielt. Ihr kam es vor, als würde er sie auf die Schippe nehmen. Und hier an der Bar fand Donal sie endlich.

“Ellie?”

Sie fuhr herum und lächelte erleichtert. “Donal? Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich würde Sie überhaupt nicht mehr finden.”

“Das dachte ich umgekehrt auch”, gestand er mit einem warmen Lächeln. “Aber wo um alles auf der Welt haben Sie gesteckt? Ich habe überall nach Ihnen gesucht. Ich dachte schon, Ihnen sei etwas zugestoßen. Hatte die Fähre Verspätung?”

“Nein”, antwortete sie lächelnd. “Die Fähre war überpünktlich. Die verdammten Dubliner Straßen haben mir Probleme gemacht. Man hätte mich vorher darauf hinweisen sollen, dass es nur Einbahnstraßen gibt.”

“Sie haben niemals sechs Stunden von Rosslare bis hierher gebraucht!”, rief er ungläubig aus.

“Nun, das nicht”, gab sie verlegen zu. “Ich wurde in Wexford ein bisschen aufgehalten. Dort gab es einen Markt”, fügte sie hinzu, als würde das sofort alles erklären.

Donal lachte und schüttelte den Kopf. “Maura hat mich ja gleich gewarnt, dass es Schwierigkeiten geben würde, sobald Sie hier aufkreuzen.” Mit einem Blick auf ihre neu gewonnenen Freunde, die dem Gespräch eifrig zuhörten, fuhr er fort: “Und dass Ihnen spätestens fünf Minuten nach Ihrer Ankunft, egal wo, alle Menschen zu Füßen liegen und Sie deren Lebensgeschichte und Probleme kennen würden.”

“Oh, was für eine maßlose Übertreibung.”

Donal lachte leise in sich hinein, setzte sich langsam auf den Platz neben ihr und bestellte, nachdem er die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich gezogen hatte, ihre Drinks.

Ellie sah auf, und ihr Blick fiel auf den Spiegel hinter der Bar. Ein Blick aus blauen Augen begegnete ihrem und ließ ihn nicht mehr los. Da brach sie in Lachen aus.

Feargal tippte Donal leicht auf die Schulter. “Für mich Whiskey.”

Donal fuhr herum und rief überrascht aus: “Was um Himmels willen tust du hier? Solltest du nicht in der Galerie sein? Aber ich hätte wissen müssen, dass du genau dann auftauchst, wenn die Drinks bestellt werden. Du hast schon ein unverschämtes Glück, Feargal.”

“Ja”, stimmte er zu, ohne dass man ihn gefragt hatte.

“Und das hier”, fuhr Donal offensichtlich amüsiert fort, nachdem er bemerkt hatte, dass Feargal den Blick kein einziges Mal von seiner Begleiterin abgewendet hatte, “ist Ellie.”

“Ja”, sagte er, “das ist Ellie.”

“Du kennst sie schon?”

“Ja.”

Donal sah Feargal an, dann Ellie, und sein Lächeln vertiefte sich. “Du bist doch nicht extra nach Rosslare gefahren, um sie dort zu treffen. Das sollte wohl ein Witz sein.”

“Ich weiß”, gab er zu, ohne Ellie aus den Augen zu lassen. “Aber ich habe mich gelangweilt.”

“Gelangweilt?”, wiederholte sie. Sie sah von einem zum andern und fragte langsam: “Sie sind mir von der Fähre gefolgt?”

“Ja.”

“Sie wussten, wer ich bin?”

“Ja.”

“Aber am Empfang haben Sie nach meinem Namen gefragt.”

“Ja.”

“Warum?”

“Wie ich Ihnen schon sagte, ich habe mich gelangweilt, und Sie haben mich amüsiert.”

Sollte sie sich darüber freuen, dass sie einen Mann amüsierte oder ihm über seine Langeweile hinweghalf? Sie wusste es nicht. “Mit Ihrer blonden Begleiterin haben Sie sich dann wohl auch gelangweilt, wie?”, fragte sie.

“Oh, mit Dolores langweile ich mich schon immer.”

Nun, dazu gab es nicht viel zu sagen.

“Warum”, fragte Donal, “hast du sie dann mit hierher geschleppt?”

Feargal sah Donal an und lächelte. In diesem Lächeln lag eine Bedeutung, die Ellie nicht ganz verstand.

Donal schüttelte amüsiert den Kopf, wandte sich dem Barkeeper zu, und Ellie fühlte sich mit ihrem Drink allein gelassen, oder vielmehr mit Feargal, der sie wieder anschaute.

“Man hätte Ihnen den Namen Helen geben sollen”, bemerkte er ruhig.

“Wirklich? Warum?”

“Diese dunkelbraunen Augen”, sagte er leise. “Und ein Gesicht, auf das jede Fee stolz wäre. Nein, nicht Fee – Elfe. Sie sehen aus wie eine Elfe. Haben Sie das Haar jemals lang getragen?”, fragte er.

Sie hätte nicht sagen können, wie viele Leute ihr diese Frage schon gestellt und wie viele Antworten sie schon darauf gegeben hatte. Während sie sich durch das dichte dunkle Haar fuhr, antwortete sie lächelnd: “Ich muss es schneiden lassen.”

Er hob langsam die Hand, ließ die Finger über ihre dunklen Strähnen gleiten, und sie spürte ein Prickeln vom Kopf bis in die Zehen. “Wunderschön”, sagte er, bevor seine Aufmerksamkeit plötzlich auf die Tür gelenkt wurde. Enttäuscht zog er die Hand zurück, nahm sein Glas und ging auf Dolores zu, die ihm zuwinkte.

Lachend stieß Donal mit Ellie an. “Sláinte.”

Sláinte”, wiederholte sie.

“Wann werden Sie morgen aufbrechen? Maura sagte, sie wollten weiter in den Norden hinauf.”

“Ja, nach Slane.”

“Richtig. Nach Slane.” Wieder lachte Donal.

“Was ist daran so komisch?”, fragte sie etwas verwundert.

“Oh, gar nichts. Wo werden Sie wohnen?”

“Ich habe eine Liste mit Adressen für Zimmer mit Frühstück. Im Touristenbüro meinte man, ich dürfte keine Schwierigkeiten haben, etwas zu finden.”

“Nein, sicher nicht”, stimmte er zu. “Trotzdem sollten Sie morgen gleich nach dem Mittagessen losfahren, damit Ihnen Zeit genug bleibt für den Fall, dass Sie erneut auf Abwege geraten”, fügte er witzelnd hinzu.

“Ha, ha.” Ellie blickte wieder zu dem Mann mit dem dunklen Haar und den breiten Schultern und fragte: “Was meinten Sie damit, es sollte wohl ein Witz sein, dass Feargal mich in Rosslare getroffen habe? Ich dachte, es sei Zufall, als ich ihn zunächst in Wexford traf und dann feststellte, dass er in demselben Hotel wie ich wohnt. Aber das war es offensichtlich nicht.”

“Nein. Und er wohnt auch nicht in demselben Hotel.”

“Nein?”

“Nein.”

“Also?”, beharrte sie auf ihrer Frage.

Donal lächelte breit und erklärte: “Nun, ich habe neulich mit ihm geredet und dabei zufällig erwähnt, dass eine alte Freundin meiner Schwester nach Irland kommt und dass ich ihr Dublin zeigen werde, dass wir uns für hier verabredet hätten und wie schusselig Sie seien …”

“Ich bin nicht schusselig”, verteidigte sie sich.

“O doch, das sind Sie – und ich erwähnte weiter, wie außergewöhnlich schön Sie sind …, ja, das sind Sie! Sie wissen, dass Sie es sind, also streiten Sie es gar nicht erst ab. Und ich sagte, dass Sie mit der Fähre in Rosslare ankommen würden und …”

“Und dass ich hoffentlich genug Verstand hätte, um Dublin tatsächlich zu finden”, beendete sie für ihn den Satz. “Vielen Dank!”

Autor

Emma Richmond

Emma Richmond beschreibt ihre Kindheit als wunderbar idyllisch. In den 50er Jahren war eben die Welt noch in Ordnung: Es gab weite Felder, viel Natur und nur wenige Autos auf den Straßen. Natürlich war Emma damals viel draußen und später als junge Frau in den örtlichen Tanzlokalen unterwegs. Dort lernte...

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