Wer bist du, süße Lady

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Erst ein Hurrikan und jetzt Quinn McGrath, der ihr alles nehmen will! Nicole hasst den Immobilienmakler, schon bevor sie ihn gesehen hat. Aber als sie ihm schließlich gegenübersteht, ist die Anziehung zwischen ihnen stärker und gefährlicher als jeder Herbststurm …


  • Erscheinungstag 09.01.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783956499340
  • Seitenanzahl 149
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Roxanne St. Claire

Wer bist du, süße Lady?

Roman

Aus dem Amerikanischen von Christiane Bowien-Böll

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MIRA® TASCHENBUCH

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Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Like a Hurricane

Copyright © 2004 by Roxanne St. Claire

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises, Toronto

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Laura Oehlke

Titelabbildung: Harlequin Books S.A.

ISBN eBook 978-3-95649-934-0

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. Kapitel

Quinn McGrath lehnte sich lässig an den Stamm einer Palme, inhalierte tief die salzige Seeluft und blickte über das saphirblaue Wasser. Die Sonne, die einen weiteren Sommertag lang den Touristen am Strand eingeheizt hatte, war im Begriff, als rot glühender Ball in den Golf von Mexiko einzutauchen. Ein paar verlorene Schleierwolken am Himmel wurden rosa angehaucht, und die ganze Welt sah aus wie mit einem Weichzeichner fotografiert.

Doch Quinn hatte im Moment keinen Sinn für die Schönheit dieses Postkartenmotivs. In Gedanken war er damit beschäftigt, weshalb er überhaupt hier war, auf St. Joseph’s Island, Florida.

Er krempelte die Hemdsärmel hoch – zum Glück war er so schlau gewesen, Jackett und Krawatte in seinem Mietwagen zurückzulassen – und richtete den Blick auf das reparaturbedürftige Ziegeldach, die baufällig wirkenden Balkone und die offenbar mit Klappläden aus den fünfziger Jahren bestückten Fenster des Hotels Mar Brisas.

Kein Wunder, dass der Besitzer das für den späten Nachmittag angesetzte Meeting kurzfristig per E-Mail abgesagt hatte. Quinn kannte Nick Whitaker zwar nicht, doch er wusste bereits alles, was er über ihn wissen musste, wenn er sich nur die windschiefen Balkongeländer, die rissigen Ziegel und die brüchigen Bögen über den einstmals eleganten Fenstern ansah. Der Besitzer des Hotels hatte offenbar eine bessere Verwendung für das von der Versicherung gezahlte Geld gefunden, als Sturmschäden zu reparieren.

Die kurzfristige Absage machte Quinn nichts aus. Im Gegenteil, so hatte er Zeit, anonym eine Besichtigung der Immobilie durchzuführen, ohne dass Nick Whitaker um ihn herumscharwenzelte und zu beschönigen versuchte, wo es nichts zu beschönigen gab.

Jorgensen Development Corp. wird diese Immobilie für einen Apfel und ein Ei erwerben können, dachte Quinn, als er um den verlassenen Swimmingpool herum spazierte. Alles, was er zu tun hatte, war, Dan Jorgensen einmal mehr zu beweisen, wie kompetent er war. Sein Boss hatte klar zum Ausdruck gebracht, dass er ihn nach erfolgreicher Beendigung dieses Projektes zum gleichberechtigten Partner machen würde.

Im Foyer war es auch kein bisschen kühler als draußen. Dieser Whitaker schien wirklich jeden Cent einzusparen, indem er nicht einmal eine Klimaanlage benutzte. Quinns Schritte hallten auf den Terrakottafliesen wider. Der eigentlich sehr gemütlich gestaltete Raum war menschenleer. Anscheinend gab es weder Gäste noch Personal. Es war alles makellos sauber, das musste er zugeben, aber er würde schon noch genügend Ansatzpunkte für Kritik finden.

Er fand das Treppenhaus und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, in den dritten Stock. Die Etagentür fiel hinter ihm ins Schloss. Verflixt! Quinn blickte sich in dem langen Flur um. An einem Ende stand eine Leiter schief an die Wand gelehnt und daneben eine angebrochene Rolle Dachpappe.

Quinn ging in die andere Richtung und fand einen Aufzug. Er schien aus einem anderen Jahrhundert zu stammen und bot kaum genug Platz für zwei Personen mit Gepäck. Die hölzernen Kabinentüren waren nicht ganz geschlossen. Er schob eine Hand in den Spalt und gab den Türen einen leichten Schubs. Sie öffneten sich mit einem leisen Klacken.

Im selben Moment erlitt Quinns Gehirn einen dramatischen Blutverlust, denn all sein Lebenssaft versammelte sich innerhalb von Sekunden in der unteren Mitte seines Körpers.

Er konnte nur wortlos nach oben starren. Dorthin, wo zwei fantastisch geformte weibliche Beine von der geöffneten Ausstiegsluke herabbaumelten. Lang, schlank, gebräunt und nackt – und im Anschluss daran ein kurzer blauer Rock, den Quinn erst wahrnahm, als er sich vorbeugte und neugierig nach oben spähte. Der Rock war hoch genug gerutscht, um Quinn freie Aussicht auf die wundervollen straffen Schenkel zu gewähren. Und auf einen Slip aus Spitze, ebenfalls blau.

„Verdammt noch mal!“

Quinn zuckte zurück, als ein Schraubenzieher von oben herabgeschossen kam. Das Ding landete krachend auf dem Boden, direkt neben einem Paar hochhackiger Riemchensandaletten, einer blauen Kostümjacke und einer Aktenmappe.

Der Rock und die dazugehörigen Dessous hatten also eine Stimme. Und offenbar auch Werkzeug.

Quinn räusperte sich. „Entschuldigen Sie?“

Es folgte ein erschreckter Aufschrei, und der Rock samt Inhalt bewegte sich heftig. Quinn wurde es abwechselnd heiß und kalt. So einem aufregenden Aufzugstechniker war er noch nie begegnet.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

Eine Hand mit pinkfarben lackierten Nägeln erschien, und dann wurde hektisch an dem Rock herumgezupft, sodass der Rand des Slips verdeckt wurde, nicht jedoch die herrlichen Schenkel. Der niedlich gerundete Po rutschte hin und her, begleitet von einem weiteren entsetzten Aufschrei, als der Rock – ja, ja, weiter so! dachte Quinn – erneut hochrutschte.

„Oh, oh! Ich stecke fest!“

Quinn musste erneut ausweichen, diesmal der unwillkürlichen Bewegung eines dieser langen, wohlgeformten Beine. Und dann beobachtete er nur noch fasziniert, wie sich der blau gewandete Po vergeblich bemühte, durch die Öffnung zu gelangen. Instinktiv wollte er die Arme ausstrecken und helfen, aber gleichzeitig war er wie gelähmt. Wie sollte er helfen, ohne mit den Händen nackte Haut zu berühren?

Das war’s dann.

Er war – es ließ sich nicht leugnen – sexuell erregt. Ohne zu überlegen, packte er zu, achtete jedoch sorgfältig darauf, dass zwischen seinen Händen und den Hüften noch ein Stück blauer Stoff blieb.

Die Frau kreischte. „He! Was erlauben Sie sich?“

Er hielt sie unbeirrt fest. „Ich versuche, etwas Rundes durch eine eckige Öffnung zu bringen.“ Er packte noch fester zu, und dabei verrutschte der Rock, sodass Quinn plötzlich einen seidig glatten Schenkel unter seinen Fingern spürte. Oh, Mann. „Wenn Sie einfach mal locker sein könnten, Ma’am, hole ich Sie runter.“

„Locker sein?“ Die Muskeln, die er unter seinen Fingern spürte, verweigerten den Gehorsam.

„Ja, seien Sie einfach locker“, wiederholte er und platzierte seine Hand an einer etwas weniger verfänglichen Stelle. Er hörte ein leises Stöhnen und dann ein „Okay“.

„Gut. Ich halte Sie fest.“ Es kostete nicht allzu viel Kraft, aber Quinn war doch froh um seine Körpergröße von über eins achtzig und um die vielen Trainingsstunden in der Sporthalle, als er sie langsam herabließ. Jede einzelne seiner Nervenzellen geriet in höchste Alarmbereitschaft, als er den betörend weiblichen Duft in sich aufnahm und ihre herrlichen Kurven spürte.

Zentimeter für Zentimeter brachte er die Frau dem Boden näher. Sie gab ihrem Unbehagen mit mehreren kleinen Seufzern Ausdruck. Sein Impuls, sie einfach an sich zu drücken, wurde dadurch erheblich verstärkt. Eine schmale Taille erschien und dann ein geschmeidiger Rücken, bedeckt von einem dünnen Tanktop in derselben Farbe wie der Rock und die Dessous.

Als ihr Kopf erschien, sah Quinn nur eine Masse dichten schwarzen Haars, das zu einem Knoten geschlungen war und mit einem gelben Kugelschreiber zusammengehalten wurde.

Als die Frau endlich mit beiden Füßen auf dem Boden stand, blieb sie mit dem Rücken zu ihm stehen und zupfte an ihrem Rock herum. Schade. Er würde den Anblick ihrer Schenkel vermissen.

„Danke.“ Ihre Stimme zitterte, das fand er irgendwie rührend.

„Keine Ursache.“ Nein, wirklich nicht. Er würde es sofort wieder tun.

Die Frau drehte sich immer noch nicht um. Am liebsten hätte er sie sanft an der Schulter gepackt. Er wollte sie endlich anschauen. Er musste wissen, was für ein Gesicht zu dem traumhaften Körper gehörte.

Sie blieb regungslos stehen. Schmale, gerade Schultern und darüber diese verrückte Frisur mit dem gelben Kugelschreiber.

Er räusperte sich erneut. „Tja, also … welchen Knopf soll ich drücken? Erste Etage? Oder Dessousabteilung?“

Die Schultern zuckten leicht, als ob sie ein Lachen unterdrückte. Gut. Wäre ja auch zu schade, wenn diese Hüften und Beine nicht mit Humor ausgestattet wären.

„Alles in Ordnung“, versicherte er. „Ich habe nichts gesehen, was ich nicht schon einmal gesehen hätte.“ Er zögerte. „Nun ja, höchstens vielleicht aus einem neuen Blickwinkel.“

Wieder schien sie zu schmunzeln.

„Das könnte einen fast in Versuchung führen, für immer hier einzuziehen.“

Sie fuhr herum. „Tatsächlich?“

Und wieder war Quinn McGrath wie vom Donner gerührt.

Ihre Augen hatten das schönste Blau, mit einem Stich ins Grüne, das er je gesehen hatte. Genau wie das Meer, hier am Golf von Mexiko. Sie lagen ziemlich weit auseinander und waren von einem Kranz dichter, schwarzer Wimpern umrahmt. Ihr Teint war makellos, und am Kinn hatte sie ein absolut entzückendes Grübchen.

„Tatsächlich“, sagte er heiser. Wenigstens glaubte er, das gesagt zu haben. Aber so, wie sie ihn anstrahlte, begann er sich zu fragen, ob er nicht ausgesprochen hatte, was eine Stimme in ihm schrie, etwas, das so klang wie: Lass es uns tun, jetzt sofort!

Na, prima. Ein ultrakurzer Blick auf heiße Unterwäsche, und schon wurde aus einem völlig normalen, erwachsenen Dreiunddreißigjährigen ein Teenager.

Die umwerfend blauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Was haben Sie eigentlich auf dieser Etage zu suchen?“

Er machte schnell einen Schritt rückwärts. Wenn er nicht aufpasste, würde er noch die Beherrschung verlieren und sich tatsächlich wie ein Teenager benehmen. „Ich – ich habe mich nur ein bisschen umgeschaut.“

Verlegen strich sie sich den Rock glatt. „Der Aufzug ist stecken geblieben.“

„Das habe ich bemerkt.“ Er zwang sich, den Blick von ihrem Gesicht loszureißen.

Mit einem Ruck setzte sich plötzlich der Aufzug in Bewegung. Die Frau verlor das Gleichgewicht und fiel gegen Quinn, der dabei gegen die Wand mit den Knöpfen gedrückt wurde. Im selben Moment blieb der Aufzug wieder ruckartig stehen, und die Türen begannen, sich zu schließen.

„Nein!“, rief sie. „Gleich sitzen wir fest!“

Quinn riss die Hand hoch und hielt sie zwischen die Türen. Diese Frau hatte einen Körper … Sie fühlte sich einfach himmlisch an, und sie waren ganz allein hier in diesem winzigen Aufzug. Wenn das nicht Himmel und Hölle zugleich war! Er fluchte leise, sie etwas lauter.

„Ich kann sie aufmachen“, sagte sie und schob eine Hand durch den Spalt, den er mit seinem Arm offen hielt.

Sie presste die Lippen zusammen und machte eine Grimasse. Die Ader an ihrem schlanken Hals pulsierte. Quinn ließ den Blick tiefer wandern, und diesmal hatte er einen hübschen Einblick in den Ausschnitt ihres knappen Tops. Du lieber Himmel, war denn gar nichts an dieser Frau einfach nur durchschnittlich?

Sie stöhnte vor Anstrengung und schob dabei unwillkürlich ihren Schenkel zwischen Quinns Beine. Dabei murmelte sie etwas über irgendein Kabel vor sich hin.

Er sagte kein Wort, konnte eine gewisse Reaktion seines Körpers jedoch nicht verhindern. Sofort wich die Frau zurück.

Quinn stieß sich von der Wand ab. Er winkelte den Arm an und drückte die Türen so weit auf, dass sie offen blieben. Der Aufzug war einen knappen Meter tiefer gerutscht. „Ich kann da rausklettern, und dann helfe ich Ihnen hoch“, sagte er. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, noch eine Weile mit ihr eingesperrt zu bleiben, aber wahrscheinlich hätte der Sauerstoff nicht ausgereicht. Oder seine Selbstbeherrschung.

„Ich denke, Sie haben mir heute schon genug geholfen.“ Ihre Stimme klang angespannt, aber in ihren Augen war ein gewisses Funkeln. Sehr sympathisch. „Gehen Sie nur, ich sehe noch mal nach dem kaputten Kabel.“

„Auf keinen Fall.“ Mit einer kraftvollen Bewegung zog er sich hoch und drehte sich dann zu ihr um. „Es ist nicht sicher da drinnen.“

„Wahrscheinlich haben Sie recht.“ Mit einem resignierten Seufzer ließ sie sich von ihm nach oben ziehen.

Sie blickte ihn an. Dieses Lächeln … einfach großartig. „Der Aufzug ist ein bisschen unberechenbar“, sagte sie. „Aber das gehört zum Charme dieses Hotels.“

Das einzig Charmante an diesem Hotel war seiner Meinung nach ein etwa eins vierundsechzig großer blauer Engel mit einem Schreibutensil im Haar und einem Körper, der einen Mann dazu bringen konnte, auf die Knie zu fallen.

Quinn stemmte die Hände in die Hosentaschen und riskierte einen weiteren Blick in die zauberhaften Augen der Fahrstuhlsirene. „Hat man Sie zur Nachtschicht hierher verdonnert, oder sind Sie regulär für diese Bruchbude zuständig?“

Sie wurde auf entzückende Weise rot. „Das ist keine Bruchbude.“

„Na, es ist nicht gerade das Taj Mahal.“

Irgendwie schien sie das nicht witzig zu finden. Sie wandte den Blick ab. „Es hat seine Stärken, glauben Sie mir.“

„Zum Beispiel?“

„Es ist authentisch und historisch.“

Er lachte nicht, sondern blickte nur vielsagend zum Aufzug. „Um nicht zu sagen uralt und unzumutbar.“

„Die Zimmer sind wunderschön.“

„Das Gebäude ist heruntergekommen.“

Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten, eine Geste, die per Gesetz verboten werden sollte. „Die Badewannen haben Löwenklauen.“

„Und die Armaturen sind noch dieselben wie vor fünfzig Jahren“, fügte er hinzu.

„Die Fenster gehen alle aufs Meer hinaus.“

„Zum Glück.“ Diesmal lachte er. Am liebsten hätte er das süße Grübchen an ihrem Kinn berührt. „Es gibt nämlich keine Klimaanlage.“

Sie sah ihn böse an. Wie sollte er ohne ihr Lächeln weiterleben?

„Sie mögen dieses Hotel wohl sehr“, sagte er schnell. „Oder Sie arbeiten hier.“

„Beides.“

Ah, daher diese Loyalität. Nun, als Angestellte könnte sie ihm vielleicht ein paar Hinweise auf weitere Schwächen geben, sowohl im Hinblick auf die Immobilie als auch auf den Eigentümer. Vielleicht könnte er sie ein bisschen becircen und mehr über Nick Whitakers Versicherungsschwindeleien herausfinden. Beim Abendessen.

Oder beim Frühstück.

„Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet“, sagte sie ernst. „Was haben Sie hier oben zu suchen? Diese Etage wird zurzeit nicht benutzt und ist ausschließlich für Personal reserviert.“

Er wollte sie nicht anlügen, aber wenn sie wüsste, dass er der Firma angehörte, die sich für den Kauf dieser Immobilie interessierte, wäre sie gegen ihn voreingenommen.

„Ich habe mich verirrt. Mein Zimmer ist in der zweiten Etage, ich bin einfach die Treppe zu weit hinaufgerannt.“

Sie betrachtete ihn kritisch. „Sie sind ein Gast?“

Er würde sich anmelden, sobald er wieder unten an der Rezeption wäre. Dann wäre es nicht wirklich eine Lüge. Er hatte ohnehin vorgehabt, irgendwo ganz in der Nähe in einem der firmeneigenen Häuser zu übernachten. Und morgen würde er noch vor Tagesanbruch aufstehen und zu einem anderen Meeting in Minneapolis fahren. „Ich fahre morgen weiter.“

„Nun, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt“, sagte sie. „Versäumen Sie nicht, einen Blick auf den Strand zu werfen, eine wundervolle Aussicht.“

Er dachte daran, wie ihre fantastischen Beine im Aufzug von der Decke gebaumelt hatten. „Oh, ich hatte schon eine wundervolle Aussicht.“

Ihre Blicke begegneten sich. Der Ausdruck in ihren Augen wirkte gleichzeitig fragend, empört und belustigt. Plötzlich schien die Zeit stillzustehen. Quinn verspürte ein merkwürdiges Prickeln. Sein Instinkt sagte ihm, das war die Frau seines Lebens. Und er hörte immer auf seinen Instinkt.

„Aber vielleicht möchten Sie mir ja den Strand zeigen“, sagte er leise. „Kann ich Sie zum Abendessen einladen?“

Sie lächelte, und das rief eine ganz merkwürdige Reaktion in seinem Herzen hervor und natürlich auch an anderen Stellen seines Körpers. Bevor die Frau antworten konnte, machte der Aufzug ein alarmierendes Geräusch, und die Türen begannen sich hinter ihr zu schließen.

„Meine Sachen!“ Sie wirbelte herum, aber die Türen waren schon zu. „Oh …“ Sie hieb mit der Faust dagegen. „Sie haben nicht zufällig die Tür zum Treppenhaus offen gelassen?“

Quinn schüttelte den Kopf. „Lassen Sie mich raten. Ihr Schlüsselbund liegt in Ihrer Aktenmappe.“

Sie ließ die Schultern hängen. „Sie haben es erfasst.“

„Gibt es keinen anderen Weg nach unten?“

„Können Sie an den Balkonen eines dreistöckigen Gebäudes hinunterklettern?“

Hm, er könnte es wohl. Aber die Aussicht, mit dieser barfüßigen Prinzessin auf einer menschenleeren Etage eingesperrt zu sein, erschien ihm viel verlockender.

„Wird sich niemand wundern, wo Sie sind?“, fragte er.

Sie seufzte. „Heute Abend ist kaum jemand hier, aber es gibt immerhin die Hoffnung, dass jemand den Aufzug benutzt und zu uns hochschickt.“

„Aber woher soll er oder sie wissen, dass wir hier oben sind?“ „Haben Sie ein Handy dabei?“, fragte sie hoffnungsvoll.

Er sah es vor sich, wie es auf dem Beifahrersitz seines Mietwagens lag. „Tut mir leid.“

„Dann kommen Sie her.“ Sein Herz tat einen Sprung, als er ihrer Aufforderung folgte und neben sie trat. Sie duftete gut. Nach Rosen. „Wir müssen uns wohl auf die ganz altmodische Art behelfen …“, erklärte sie, „… und hoffen, dass der Schall durch den Schacht verstärkt wird.”

Mit geballten Fäusten hob sie die Arme. „Worauf warten Sie? Wir müssen so laut wie möglich gegen die Aufzugtüren schlagen.“

Fast hätte er sich verschluckt. „Ich hatte genau die gleiche Idee.“

2. Kapitel

„Hilfe! Wir stecken fest!“

Nicole Whitaker warf sich mit dem ganzen Körper gegen die Holztüren. Erstens hatte das vor drei Wochen, als ihr das Gleiche im ersten Stock passiert war, geholfen. Zweitens musste sie sich irgendwie abreagieren, denn die Anwesenheit dieses Mannes versetzte sie in einen Zustand, in dem sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Noch ein weiteres sexy Lächeln, und sie würde sich womöglich vergessen und ihm um den Hals fallen.

„Hilfe!“ Noch einmal warf sie sich gegen die Tür. Der Kugelschreiber fiel dabei aus ihrem Haar.

Sie erstarrte mitten in der Bewegung, als sie Quinn lachen hörte. „Was ist daran so komisch?“ Sie gab sich Mühe, ihn böse anzustarren.

„Ich kann mir nicht helfen.“ Seine dunklen Augen funkelten. „Sie sind wirklich amüsant.“

Amüsant. So, so. Tja, wenn sie daran dachte, wie hoch ihr Rock vorhin gerutscht war … Was für eine Art, einen Gast zu begrüßen!

Zum Glück hatte sie den Termin mit dem Immobilienmakler aus New York, den die Bank ihr aufgezwungen hatte, abgesagt. Das hätte noch gefehlt, dass der allmächtige Quinn McGrath von Jorgensen Development Corp. miterlebt hätte, wie der Aufzug den Geist aufgab und einer ihrer zwei – oder drei – zahlenden Gäste das auch noch mitbekam.

Aber wie hatte dieser Mann es eigentlich geschafft, sich bei Sally anzumelden, ohne dass diese mit fliegenden Fahnen zu ihr gerannt kam, um zu melden, dass sich soeben ein Sexgott bei ihnen einquartiert hatte?

Nicole kaute an ihrer Unterlippe, lehnte den Kopf an die Holztür und versuchte, ihr inneres Gleichgewicht wieder zu finden, das jedes Mal von Neuem bedroht war, wenn sie den Fremden nur ansah. Nein, sie konnte ihm nicht sagen, dass sie die Eigentümerin dieser „Bruchbude“ war, wie er es genannt hatte. Es wäre einfach zu peinlich.

Oje, was für ein Tag! Nein, was für ein Jahr. Ihr Leben war völlig aus den Fugen geraten, nachdem vierzehn Monate zuvor der Hurrikan Dante St. Joseph’s Island für rund sechs Stunden mit seinem Besuch beehrt hatte. Die Windstärke war nicht gerade todbringend gewesen, hatte jedoch ausgereicht, um Mar Brisas so zu beschädigen, dass das von ihrem Urgroßvater erbaute Hotel kurz vor dem Ruin stand.

„Bestimmt wird jemand im Lauf des Abends hier hochkommen“, meinte der Fremde und blickte zum anderen Ende des Flurs. Wie konnte ein einziger Mann nur so viel Sexappeal verströmen? „Die Handwerker haben ja ihre Sachen hier gelassen.“

„Ich glaube kaum, dass jemand kommen wird. Handwerker? Ha, wenn er wüsste, dass „die Handwerker“ vor ihm standen. Nachdem die Versicherung nach dem Sturm nur einen winzigen Betrag ausgezahlt hatte, blieb der stolzen, aber mittellosen Eigentümerin nichts anderes übrig, als die Last der Reparaturarbeiten allein zu tragen. So pleite war sie mittlerweile, dass sie eingewilligt hatte, sich mit einem Kaufinteressenten zu treffen. Und so stolz, dass sie in letzter Minute gekniffen hatte. „Glauben Sie mir, Mac, hier kommt nicht oft jemand her. Kann sein, dass wir eine ganze Weile hier festsitzen.“

Die kleine Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich, als er sie neugierig anblickte. „Woher wissen Sie, wie ich heiße?“

Wie bitte? „Mac?“ Sie verdrehte die Augen. „So nenne ich jeden, der mich vom falschen Ende her kennenlernt.“

Quinn musste lachen. Ein melodisches Lachen, sexy, geradezu erotisch. Nicole verspürte ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend.

„Sie machen sich doch deswegen nicht etwa Gedanken? Vergessen Sie’s. So wie ich.“

Lügner. „Ich werde daran denken, solange ich lebe.“

„Wow.“ Er grinste. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Warum? Es wird immer nur dann passieren, wenn ich auf irgendeiner Party das Spiel ‚Was war der peinlichste Moment deines Lebens?‘ spiele.“

Quinn lehnte sich mit der Schulter an die Aufzugtür und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Erzählen Sie mir von Ihren anderen peinlichsten Momenten.“

Begierig lauschte sie seiner Stimme, ohne darauf zu achten, was er sagte.

Sein Anblick und der Klang seiner Stimme machten sie fast schwindlig.

„Sie zuerst.“

Er beugte sich vertraulich vor. „Dafür werde ich mich rächen.“

„Ich habe meinen Teil schon beigetragen“, erwiderte sie. „Sie haben meine Unterwäsche gesehen.“

„Nicht wirklich.“

Sie hob skeptisch eine Braue.

„Nur einen winzigen Streifen Spitze“, gab er zu.

Sie spürte, wie sie rot wurde. Dieser Kerl würde es ihr nicht leicht machen.

Jetzt machte er noch einen kleinen Schritt auf sie zu, sodass er sie fast berührte. Er sah ernst aus. Seine unergründlichen dunklen Augen glühten, als er den Blick über sie gleiten und ihn auf ihrem von dem knappen Top nur spärlich verhüllten Oberkörper verweilen ließ. Der Fremde öffnete den Mund. Für einen Sekundenbruchteil konnte sie seine Zungenspitze sehen.

Jetzt war ihr wirklich schwindlig.

„Blau ist eindeutig Ihre Farbe.“

Offenbar war ihr ein kleiner Seufzer entwichen, und offenbar hatte er das gehört, denn er senkte den Kopf, bis er mit den Lippen fast ihr Gesicht berührte. „Ihre Dessous haben die gleiche Farbe wie Ihre Augen. Sie könnten einen neuen Trend setzen.“

Nicole versuchte zu lächeln, doch ihre Lippen zitterten zu sehr. Er war ihr jetzt nahe genug, dass sie sich küssen konnten. Ihr Herz pochte wild, das Blut rauschte in ihren Ohren. Küssen, küssen, küssen, sang es.

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