Das Phantom, der Opa

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Karrieren ab 60 - wie Männer und Frauen im Ruhestand nochmal so richtig aufdrehen!

Ruhige Kugel war gestern - willkommen im neuen Un-Ruhestand!

  • Erscheinungstag 10.01.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783956493881
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

Anleitung statt Einleitung

Beste Kur fürs Fernweh: Freiwillig im Einsatz für andere

Schicksal ist nichts für Feiglinge

Immer mit Tiefgang – Vom Kapitän zum Rentner-Rocker

Das Phantom, der Opa

Marathon mit achtundsechzig – die Entdeckung der Langsamkeit

Totholz

Schenken und schenken lassen: Eine Idee macht Schule

Gambenmord

Runter vom Sofa: Wenn Senioren Experten werden

Es begann mit einem Schreibblock …

Leichtes Spiel: Von einem, der auszog, um Kinder zu begeistern

Lukrative Rahmenhandlung

Tage der offenen Tür: Vom Mut, neue Wege zu gehen

„Heiße Würstchen, heiße Nicole“

ANLEITUNG STATT EINLEITUNG

Mein Freund Lothar sammelt Blätter.

Herabgefallene Blätter von den Bäumen seines Gartens.

Kein Blatt in seinem Garten bekommt jemals die Chance, sich mit anderen Blättern zu vereinen, um Laub zu bilden.

Fällt ein Blatt des Nachts, so wird es mit den ersten Sonnenstrahlen zunächst von meinem Freund per Hand aufgehoben und in einen Pappkarton befördert, um dann in eine Biotonne entsorgt zu werden. Die selbstverständlich am hintersten Ende des Gartens und vom Haus aus nicht einsehbar platziert ist.

Blätter, die tagsüber fallen, haben in Lothars Garten eine durchschnittliche Bodenhaftung von gut einer Stunde, denn er sammelt immerzu, es sei denn, er liest seine Zeitung, isst, sieht Nachrichten, drangsaliert seine Frau oder erledigt Einkäufe für den täglichen Bedarf.

Dieser absurden und vollkommen nutzlosen Tätigkeit des Sammelns von Blättern geht Lothar seit nunmehr zehn Jahren nach.

Mit 56 Jahren wurde der erfolgreiche Groß- und Außenhandelskaufmann, vielbeschäftigte Außendienstrepräsentant und ständig Reisende eines deutschen Großunternehmens in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, und eine wahrhaft stattliche Abfindung landete auf seinem Konto. Alles in allem die besten Voraussetzungen, sich fortan seinen Hobbys und Leidenschaften zu widmen, seiner Familie. Endlich hatte er Zeit, alles zu tun, wonach ihm der Sinn stand, nach Herzenslust die Sau rauszulassen.

Nur, Lothar wollte nichts immer schon einmal tun.

Bis auf eines: Blätter sammeln.

Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird er weiter Blätter sammeln. Er weiß, dass er zum Zwangsneurotiker geworden ist. Er weiß, dass seine Frau und seine erwachsenen Kinder darunter leiden, und er leidet selber am stärksten darunter.

Natürlich bleibt Lothar mein Freund, auch wenn er Blätter sammelt, während meine Frau und ich ihn zu Hause besuchen. Neuerdings schüttelt er seine Bäume, damit welke Blätter nicht heimlich fallen und sich heimtückisch vor ihm verstecken können.

Leider beschränkt sich Lothars Sammlerleidenschaft auf seinen eigenen Garten. Sobald er uns besucht, sind ihm die vielen welken Blätter in unserem Garten vollkommen egal. Eigentlich schade, denn wir könnten seine Sammelleidenschaft besonders im Herbst gut gebrauchen. Doch bei uns befindet er sich im „Außendienst“, und da gelten natürlich andere Maßstäbe.

Um eines klarzustellen: Lothar ist ein liebenswerter Mensch, humorvoll, gebildet, äußerst charmant, nicht aufdringlich, er verfügt über ein beneidenswertes Erinnerungsvermögen, hat einen ausgeprägten Hang zum Zynismus, ist so etwas wie ein Schwiegermutter-Schwarm. Nur leider hat er seinem Leben nach dem unfreiwilligen Abschied aus der Arbeitswelt bislang keinerlei Impulse gegeben.

Nichts, was ihn motiviert, keine Initiative, die er ergreift. Dies alles wäre nicht weiter erwähnenswert, entspräche dieses permanente Nichtstun seinem innersten Wunsch, hätte er Freude am Aussitzen seines Lebensherbstes. Ich würde Lothar einen wortwörtlichen Ruhestand von ganzem Herzen gönnen. Er könnte sich treiben und alle Fünfe gerade sein lassen, kein Problem für mich. Doch das ist es nicht, was ihm sein Lebensglück beschert. Im Gegenteil: Lothar hasst das Nichtstun und kompensiert das mit dem ständigen Sammeln von Blättern.

Allerdings glaube ich fest daran, dass der letzte Akt dieses Rentnerdramas noch nicht geschrieben ist und hoffe – um sprachlich im Thema zu bleiben –, dass sich das Blatt für ihn noch wendet.

Die raue Wirklichkeit zeigt: Sehr viele Menschen können mit dem sogenannten Ruhestand herzlich wenig anfangen. Sie sind oft unglücklich, depressiv, werden krank, beklagen ihr Schicksal, fallen ihren Mitmenschen durch permanentes Jammern auf die Nerven und schließlich in das berühmte Loch, aus dem zu entkommen vielen ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint.

Ein prominentes, wenngleich doch fiktives Beispiel bringt der wundervoll pointierte Loriot-Spielfilm „Pappa ante Portas“. Hier erfahren wir auf amüsanteste Weise, wie sich der Alltag durch den nunmehr ständig im Hause anwesenden ehemaligen Einkaufs-Direktor der „Deutschen Röhren AG“ zum Desaster entwickelt. Die vielen Wahrheiten in dem Film nehmen wir gelassen lächelnd hin. So lange, bis wir selber in eine ähnliche Situation geraten wie Heinrich Lohse und feststellen, wie unzulänglich und unerträglich das Leben nach dem Job sein kann …

Die meisten Menschen – wie in verschiedenen Internet-Diskussionsforen nachzulesen ist – meinen, es gäbe drei aufeinanderfolgende Lebensabschnitte:

1. Kindheit, Jugend und Ausbildung,

2. Familie, Beruf und Karriere,

3. Ruhestand und Altersheim.

Wie einfältig diese Kategorisierung besonders Punkt drei betreffend ist, wissen nicht nur diejenigen, die das Gaspedal im fortgeschrittenen Alter voll durchgedrückt haben, sondern selbstverständlich auch alle, die sich mit der Situation der Senioren in unserem Land beschäftigen. Die haben längst erkannt, welches riesige Potenzial rund dreißig Prozent unserer Bevölkerung haben und vor allem, welche Ressourcen brachliegen, wenn Millionen Ruheständler ruhen.

Und in der Tat handelt es sich dabei um Millionen: Allein die Anzahl der in Deutschland lebenden Sechzig- bis Fünfundsechzigjährigen entspricht der Gesamtbevölkerung Dänemarks. 21,3 Millionen über Sechzigjährige sind in Deutschland wahlberechtigt. Was für eine Power!

Während vor rund hundert Jahren Menschen ab sechzig im herkömmlichen Sinne alt waren, also sowohl optisch als auch mental, sieht man den Senioren von heute ihr Alter oft nicht annähernd an. Sie fühlen sich fit und leistungsstark, sind agil, innovativ und zuweilen äußerst kreativ. Und gerade Kreativität ist keine Frage des Alters. Eine erkleckliche Anzahl berühmter Persönlichkeiten aus Bühne, Musik, Literatur und Malerei entwickelte ihr schöpferisches Potenzial maßgeblich im fortgeschrittenen Alter; man denke nur an Leute wie Picasso, Horowitz oder an die unvergessenen Mimen Inge Meysel und Heinz Rühmann. Dass sich diese Aufzählung seitenlang fortsetzen ließe, steht wohl außer Frage.

Doch während man noch arbeitet, bleibt meist keine Zeit für Überlegungen, die in diese Richtung gehen. Kaum jemand stellt sich die Frage: Was mache ich, wenn ich in Rente bin? Welche Träume kann ich verwirklichen, welche lange gehegten Pläne?

Stattdessen gönnt man sich erst mal eine drei- bis vierwöchige Auszeit, unmittelbar nach der Verabschiedung aus dem bisherigen Job. Die berühmte Weltreise zum Beispiel oder auch eine mehrwöchige Kreuzfahrt.

Das ist ja auch schön und gut: erst einige Wochen lang nichts tun, relaxen, sich verwöhnen lassen.

Doch was kommt dann?

Das statistische Bundesamt hat im Jahr 2008 festgestellt, dass fünfundsechzigjährige Frauen durchschnittlich weitere einundzwanzig Jahre leben und Männer gleichen Alters immerhin noch siebzehneinhalb Jahre vor sich haben. Was also sind einige Wochen Urlaub gegen einundzwanzig Jahre, die bisher unausgefüllt darauf warten, gelebt zu werden?

Weil eben sehr viele Menschen unvorbereitet in den sogenannten Ruhestand eintreten, sind sie nach der ersten Auszeit ratlos. Das ist durchaus verständlich, denn nichts ist schwieriger, als aus dem Nichts etwas zu erschaffen, etwas anzufangen. Man wartet, überlegt ein wenig, schiebt Pläne auf die lange Bank.

Genau diese Ratlosigkeit hält so viele Senioren davon ab, im Alter aktiv zu sein. Sie könnten Neues wagen, die Initiative ergreifen, Impulse geben oder gar Firmen gründen.

Doch der Gedanke ist ihnen fremd. Macht ja sonst keiner was aus dem Bekanntenkreis. Sie haben im günstigsten Fall einen vagen Plan, eine kleine Idee im Hinterkopf. Doch wie packt man so etwas an? Sie haben keine Ahnung. Und finden sich einfach damit ab.

Dieses Buch will Mut machen. Lassen Sie sich nicht durch Zweifel ins Bockshorn jagen! Wollten Sie nicht schon immer einmal ihren grandiosen Sopran im Chor zur Entfaltung bringen? Mit ihrem schauspielerischen Talent auf Laienbühnen glänzen? Ihr Abitur nachholen und Medizin studieren? Einen mobilen Wurst-Imbiss eröffnen?

Ihnen bleiben Jahrzehnte, um Dinge zu tun, die Sie schon immer einmal machen wollten. Egal, was Sie anfangen wollen – es lohnt sich, den Mut dazu aufzubringen. Egal, ob es soziale Aufgaben sind, künstlerische Betätigungen oder natürlich kommerzielle Unternehmungen, die Ihnen neben Spaß und Freude auch entsprechende Kohle bringen.

Einige mögen jetzt sagen: „Ich kümmere mich um meine Familie, meine Kinder, meine Enkelkinder. Für die bin ich da, und für alles andere habe ich keine Zeit.“

Die Oma bringt die kleinen Mäuse in den Kindergarten, stellt danach Nudeln mit Tomatensoße auf den Tisch, der Opa zeigt den Enkeln wie man angelt und Vogelhäuschen baut. Oma hier, Opa da, alles muss organisiert werden, Schularbeiten werden beaufsichtigt, dann singen alle gemeinsam „Alle meine Entchen“.

Die eigenen Kinder kommen nach harter Arbeit zu Hause an und freuen sich, dass die Großeltern alles so wunderschön geregelt haben, und am nächsten Tag geht das Ganze wieder von vorn los.

Der kleine Haken an dieser wundervollen Idylle ist dieser: Es ist nahezu unmöglich, die Kinder und Enkelkinder in dieser Häufigkeit und Intensität zu sehen. Auf ein Enkelkind kommen rein rechnerisch zwei Eltern und vier Großeltern. Da die alle zu ihrem Recht kommen wollen, bleibt jedem nur ein wenig Zeit mit den Enkeln.

So bleibt in der Praxis genügend Zeit, anderen Dingen nachzugehen, etwas für sich selbst zu tun.

Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären. Dieses Buch bringt Beispiele, wie andere ihr Sechzig-Plus-Senioren-Dasein bravourös und gewinnbringend meistern. Und „Gewinn“ meint hier keinesfalls nur finanzielle Bereicherung. Gerade ein Gewinn an Freude, an Wissen, an Gemeinsamkeiten, an künstlerischer, kreativer Betätigung bedeutet doch viel mehr als der schnöde Mammon.

Vierzehn Menschen, die ihr Leben in der Rente wesentlich bereichert haben, stellen wir Ihnen in diesem Buch vor. Einige bleiben anonym, weil sie entweder sehr private Dinge von sich preisgeben, andererseits mögliche persönliche oder wirtschaftliche Nachteile vermeiden wollen oder auch erwähnte Personen in deren Privatsphäre schützen wollen.

So unterschiedlich die Protagonisten der einzelnen Episoden dieses Buches auch sind, sie alle haben eines gemeinsam: Keinem von ihnen wurde auch nur ansatzweise etwas geschenkt, ganz im Gegenteil: Von schwerster Krankheit im Kindesalter über den frühen Verlust der Eltern, einer unerträglich strengen Erziehung bis zur Schwangerschaft im zarten Alter von fünfzehn ist hier so ziemlich alles vertreten, was das Schicksal an Überraschungen zu bieten hat.

Vieles von dem, was die hier beschriebenen Personen heute unternehmen und was sie bewogen hat, im fortgeschrittenen Alter kräftig durchzustarten, ergibt sich aus ihren Werdegängen, die deshalb zum Teil recht ausführlich dargestellt sind.

Dass alle Episoden in diesem Buch ein Happy End haben, ist gewiss tröstlich und ermunternd, und schon deshalb wird hier alles ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen.

Dass dieses Buch allerdings kein Ratgeber für Existenzgründer ist, mag einleuchten. Die wenigsten Leser werden nach der Lektüre einen mobilen Imbiss-Stand erwerben, PCs nach Somalia liefern oder mit der Rockband touren. Vielmehr sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man sich seinen Fähigkeiten entsprechend betätigen kann, seine Erfahrungen einbringt, Ehre, Anerkennung und – wenn’s sich nicht vermeiden lässt – gern auch eine Menge Geld verdient. Hauptsache, sie sind oder werden damit glücklich und führen ein ausgefülltes Leben. Die Episoden in diesem Buch sollen also Ihre Fantasie anregen und Sie zu eigenen Initiativen bewegen.

Übrigens: Auch die beliebte Ausrede des mangelnden Kleingelds zählt nicht mehr. Die Kreditinstitute verfügen mittlerweile fast ausnahmslos über sogenannte Senioren-Beauftragte. Dies sind meist ältere, entsprechend erfahrene Berater. Wer über ein regelmäßiges, festes Einkommen verfügt – und dazu gehört in jedem Fall die Rente beziehungsweise die Pension –, ist allemal kreditwürdig.

Sollten Sie sich also mit dem Gedanken befassen, eine Eisbude zu eröffnen, ein Gewächshaus zu errichten, ein IT-Unternehmen aufzubauen, Nichtraucherkurse abzuhalten oder gar eine komplette Foto- und Filmausrüstung für Ihren Spielfilm oder Ihre YouTube-Beiträge zu erwerben, dann sprechen Sie mit Ihrer Bank. Sie glauben gar nicht, wie gern man Ihnen Geld dafür leiht, dass Sie dieses brav zurückzahlen.

Also, füllen Sie die vor Ihnen liegenden Jahre und Jahrzehnte nach Lust und Laune aus. Ein Abo aufs Glück lässt sich nicht abschließen, aber vorbeugende Maßnahmen gegen Langeweile, Gleichgültigkeit und Eintönigkeit sind schnell getroffen. Steigen Sie ein in Richtung Zukunft, fahren Sie ab auf alles, was Spaß und Freude macht, sammeln Sie neue Erfahrungen und großartige Eindrücke … aber bitte keine Blätter in Ihrem Garten.

„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn ich gedenke, in ihr zu leben.“ Albert Einstein

BESTE KUR FÜRS FERNWEH: FREIWILLIG IM EINSATZ FÜR ANDERE

Hamburg, 18.7.2009

Lieber Marc,

schade, dass ich dich gestern am Telefon nicht erreicht habe! Ich wollte dir doch unbedingt von meinem letzten Tag an der Schule erzählen. Die Schüler, Eltern und Kollegen haben mir einen ganz wunderbaren Abschied bereitet. Das hat das Ganze leider noch schlimmer gemacht. Du weißt ja, dass ich sehr ungern aufgehört habe. Vierzig Jahre Lehrerin – und jetzt plötzlich Pensionärin?! Auch wenn ich Zeit hatte, mich darauf vorzubereiten, habe ich doch das Gefühl, erst einmal in ein Loch zu fallen.

Einiges habe ich mir aber schon vorgenommen: viel Sport zu treiben – gut, dass du mir die Mitgliedschaft in dem Fitnessclub geschenkt hast! –, endlich die Berge von Büchern zu lesen, die sich hier stapeln, und den Chor gibt’s ja auch noch. Und reisen! Ach, eigentlich freue ich mich auf mein „neues“ Leben. Es ist ja auch ein Geschenk, noch so gesund in den Ruhestand zu gehen und alles machen zu können, was man will. Liebe Grüße

Mama

Hanoi, 17.10.2009

Liebe Helga,

viele Grüße von meiner Indochina-Reise! Vietnam, Laos, Kambodscha – es ist herrlich hier: die Landschaft überwältigend, die Menschen nett, der Himmel strahlend blau. Entschleunigen, so wie ich es mir vorgenommen hatte, geht bei diesem anderen Lebensrhythmus ganz von selbst. Das Pensionärsleben hat doch auch Vorteile! Ich freue mich auf die verbleibenden zwei Wochen und melde mich, wenn ich wieder in Hamburg bin. Grüß bitte die anderen von mir!

Sonnige Grüße

Ute

Hamburg, 4.9.2010

Liebe Daggi,

wie geht es euch? Ist die Familie gesund? Ich kann eigentlich auch nicht klagen, körperlich geht’s mir gut. Aber dieses Pensionärsleben … Ich kann mich immer noch schlecht daran gewöhnen, nicht mehr zu arbeiten. Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich die Schüler – und sogar manche meiner Kollegen. Auch wenn meine Tage ausgefüllt sind mit Sport, Chor, Freunden, Theater- und Kinobesuchen etc., ist es irgendwie nicht dasselbe. Weil ich nicht mehr gefordert werde!

Insgeheim habe ich Angst, dass ich langsam, aber sicher verblöde. Ich habe versucht, meinen Frust vor Marc zu verbergen, damit er sich keine Sorgen macht, aber ich fürchte, er kennt mich zu gut. Neulich hat er mir schon geraten, mir doch ein Ehrenamt zu suchen. Aber ich merke immer mehr, dass ich mich nicht festlegen will. Von diesen strukturierten Tagen wegzukommen, ist für mich das größte Privileg als Pensionärin. Und wenn ich ein Ehrenamt übernehme, dann bin ich wieder so gebunden! Nein, da muss mir irgendetwas anderes einfallen …

Viele Grüße an alle

Ute

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 19. Oktober 2010, 10:29 Uhr

Betreff: Guck mal!

Lieber Marc,

ich sitze bei Tante Daggi am PC und schreibe meine erste E-Mail – natürlich an dich! Das was du mir über Projects Abroad geschrieben hast, fand ich so interessant, dass ich mir das hier am Computer mal angesehen habe. Ich werde mir gleich den Katalog bestellen. Vielen Dank für den Tipp!

Liebe Grüße

Mama

Von: Ute Berger

An: Projects Abroad

Gesendet: 21. Oktober 2010, 11:17 Uhr

Betreff: Südindien

Liebes Team von Projects Abroad,

vielen Dank für die Zusendung Ihres Katalogs und für das darauf folgende nette Gespräch. Ich habe nicht lange gebraucht, um mich zu entscheiden – die Chance, ein neues Land ganz anders kennenzulernen und dabei meine Erfahrung einzubringen, ist sehr reizvoll! Ich würde gern vom 5.1. bis 5.3.2011 am Care and Teaching Hilfsprojekt in Südindien teilnehmen. Alles Weitere klären wir am besten telefonisch.

Freundliche Grüße

Ute Berger

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 26. Dezember 2010, 15:17 Uhr

Betreff: Danke!

Lieber Marc,

in dem ganzen Weihnachtsstress bin ich gar nicht dazu gekommen, mich richtig bei dir zu bedanken! Nicht nur für den PC, an dem ich jetzt gerade sitze, sondern auch dafür, dass du mich auf Projects Abroad aufmerksam gemacht hast. In zehn Tagen geht es los, und ich bin ziemlich aufgeregt! Ich hoffe, ich habe nichts vergessen, denn da sind ja wirklich viele Dinge und Formalitäten zu erledigen. Außerdem habe ich im Freundeskreis viele Unterrichtsmaterialien, Geld und Spenden wie Stifte und Blöcke gesammelt, die ich den Schülern mitnehmen möchte. Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass mich Helga am Ende meines Freiwilligendienstes in Südindien besucht? Wir haben direkt im Anschluss noch eine vierwöchige Rundreise gebucht. Da sehe ich das Land und die Sehenswürdigkeiten (von denen es laut Reiseführer in Tamil Nadu und Kerala jede Menge gibt!) noch einmal mit anderen, „touristischen“ Augen.

Liebe Grüße

Mama

Lieber Marc, nur eine SMS, damit du weißt, dass ich gut angekommen bin. Alles ist sehr spannend und chaotisch hier. Wenn Zeit ist, schreibe ich eine Mail. Über dieses Handy erreichst du mich. LG Mama

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 18. Januar 2011, 20:01 Uhr

Betreff: Lebenszeichen

Lieber Marc,

endlich komme ich dazu, mich bei dir zu melden! Hier strömt so viel Neues auf mich ein, dass es schwierig ist, das in Worte zu fassen. Vielleicht gibt es dir einen Eindruck, wenn ich dir einfach beschreibe, wo ich gerade sitze. Das Internet-Café ist sehr einfach. Die Computer sind uralt, und die Tastatur besteht natürlich aus lauter fremden Schriftzeichen. Unsere Buchstaben sind darübergeklebt und schon ziemlich abgegriffen – wundere dich also nicht, falls ich etwas Komisches schreibe! Neben mir sitzt ein junger Mann, der scheinbar ein „Ballerspiel“ spielt. Ich habe mir eine Stirnlampe gekauft, weil das Licht hier sehr schlecht ist. Das sieht bestimmt lustig aus, aber es hilft! Ja, du merkst, das Leben ist sehr anders. Ich lebe in einem Waisenhaus mit hundertzwanzig sehr freundlichen Kindern und bringe ihnen Englisch bei. Wusstest du, dass es in Indien vierundzwanzig Nationalsprachen gibt? Deshalb brauchen alle Englisch, um sich zu verständigen. Und sie lernen es so gern! Unsere Schüler müssten einmal für einen Tag das Leben hier kennenlernen, dann würden sie über vieles anders denken! Die indischen Kinder müssen unglaublich viel lernen, und eigentlich ist der ganze Tag verplant. Nur am späten Nachmittag nach der Schule haben sie eine Stunde Freizeit, in der wir Tee trinken und plaudern. Danach geht’s wieder an die Hausaufgaben, von denen sie eine Riesenmenge zu erledigen haben. Sie haben kein Spielzeug und sind trotzdem fröhlich, freundlich und ausgeglichen. Ich sage dir, hier merkt man, wie wenig der Mensch eigentlich braucht. Ich glaube, wenn ich nach Hause komme, sehe ich den ganzen Luxus dort mit anderen Augen. Allein das Essen: Seit ich in Tamil Nadu bin, esse ich Reis und Gemüse. Fleisch und Fisch sind zu teuer, das können sich die Menschen nur selten leisten. Aber es geht mir sehr gut damit, ich habe keinerlei Beschwerden. So, jetzt muss ich Schluss machen – in einigen Minuten beginnt der Power Cut. Das bedeutet, es gibt für zwei bis drei Stunden keinen Strom. Jeden Tag! Ich melde mich wieder!

Liebe Grüße

Mama

Von: Ute Berger

An: Dagmar Heinz

Gesendet: 16. Februar 2011, 17:17 Uhr

Betreff: Neuigkeiten

Liebe Daggi,

ich bin umgezogen! Natürlich nicht zu Hause, sondern hier in Tamil Nadu. Die ersten vier Wochen im Waisenhaus mit den kleinen Kindern waren eine unvergessliche Erfahrung, und ich habe so viele schöne Erinnerungen mitgenommen. Aber jetzt hatte ich Lust, größere Schüler zu unterrichten. Zum Glück hat Projects Abroad etwas gefunden. Seit ein paar Tagen bin ich als Volunteer in einer Schule an der Südspitze Indiens. Ich muss sagen, es macht großen Spaß! Das Unterrichten ist ganz anders als zu Hause. Hier wird reiner Frontalunterricht gemacht, etwas anderes kennt man nicht. Ich beginne wie in meiner deutschen Schule jede Stunde mit etwas Musikalischem, zum Beispiel einem Lied oder einem Gedicht, zu dem man sich bewegen muss. Davon sind die Schüler sehr begeistert! Und gut, dass ich eigene Unterrichtsmaterialien mitgebracht habe, so kann ich meinen Stoff mit ihrem mischen. Für die Dauer des neuen Hilfsprojekts wohne ich bei einer sehr netten indischen Frau in einem uralten Haus mit schöner Holzverzierung. Ich bin die einzige Weiße hier mitten im Dorf und falle natürlich auf, aber alle Tamilen sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Jeden Morgen laufe ich drei bis vier Kilometer zur Schule durch Reisfelder – so etwas Schönes hast du noch nicht gesehen! –, und abends gehe ich zusammen mit meiner Wirtin einkaufen, bevor wir uns etwas sehr Einfaches, aber immer Schmackhaftes kochen. Und in drei Wochen kommt ja auch schon Helga …

Viele Grüße aus Indien

Ute

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 22. März 2011, 10:29 Uhr

Betreff: Reisebericht

Lieber Marc,

seltsam, wie anders man ein Land auf einer organisierten Rundreise erlebt. Es ist ein wirkliches Kontrastprogramm: Schöne Hotels mit warmem Wasser, Duschen und weißer Bettwäsche, abwechslungsreiches Essen … Wir haben schon unglaublich viel gesehen, es gibt so wunderschöne Tempel, prunkvolle Paläste, Moscheen und Stupas, wie die Pagoden hier heißen. Und erst das Meer! Die Farbe kann man gar nicht beschreiben. In unserer Reisegruppe sind außer uns noch zwölf andere Deutsche. Mit einer beinahe buddhistischen Gelassenheit, die ich mir inzwischen zugelegt habe und zu bewahren versuche, sehe ich verblüfft, wie komplex bei uns die Menschen und ihre Beziehungen sind. Wir jammern wirklich auf höchstem Niveau! Trotzdem: Ich werde die letzten Tage genießen, bevor ich mich dann sehr auf zu Hause freue!

Liebe Grüße

Mama

Hamburg, 5. Mai 2011

Liebe Helga,

nach den ganzen E-Mails hatte ich Lust, mal wieder einen „richtigen“ Brief zu schreiben. Hast du dich gut zu Hause eingelebt? Ich muss sagen, mir fällt die Umstellung ziemlich schwer. Natürlich genieße ich es, alles einkaufen zu können, und freue mich über die guten Straßen und die saubere Luft. Aber was das Menschliche angeht … Mit der gewonnenen Distanz fällt mir besonders deutlich auf, wie viel die Leute hier jammern. Und dabei geht es ihnen so gut! Aber jeder ist natürlich in seinem Trott und sieht nur sein eigenes Leben. Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen, mir etwas mehr Toleranz zu bewahren. Diese hinduistisch-buddhistische Lebensweise hat mir sehr gut gefallen. Übrigens muss sich auch mein Körper erst wieder ans Hiersein gewöhnen: Das viele „gesunde“ Essen mit Rohkost und Körnern vertrage ich noch nicht wieder so gut. In Südindien war ja alles gekocht. Aber mein Arzt war sehr zufrieden mit mir – ich habe super Blutwerte und von Mangelernährung keine Spur!

Gestern habe ich den Bericht abgegeben, den Projects Abroad auf der Internetseite veröffentlichen will. Auch mein Fotoalbum ist endlich fertig. Deshalb wollte ich euch zu einem kleinen Südindien-Abend einladen. Fotos angucken, klönen, eine Kleinigkeit essen … Ich hatte an den 13. Mai gedacht. Passt euch das?

Liebe Grüße

Ute

Von: Ute Berger

An: Projects Abroad

Gesendet: 28. Oktober 2011, 10:10 Uhr

Betreff: Neues Hilfsprojekt

Hallo, liebes Projects Abroad-Team,

das Fernweh hat mich wieder gepackt! Dieses Mal habe ich mir den Teaching-Freiwilligendienst in Nepal ausgesucht. Zeitraum soll der 1.3. bis 31.3. nächsten Jahres sein. Alles Weitere telefonisch.

Viele Grüße

Ute Berger

Hallo Helga, nächstes Jahr geht’s nach Nepal! 1.3. bis 31.3. Wollen wir uns hinterher wieder das Land ansehen? Dann lass uns demnächst treffen. LG Ute

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 15. März 2012, 16:43 Uhr

Betreff: Nepal

Lieber Marc,

nun bin ich schon wieder zwei Wochen in Kathmandu – höchste Zeit für einen kleinen Bericht! Die Stadt ist einfach unglaublich, und das in vielerlei Hinsicht. Durch den Smog sind im Hintergrund die schneebedeckten Achttausender des Himalaya-Gebirges schemenhaft zu erkennen. Die haben wir beim Landeanflug schon einmal von oben gesehen – ein beeindruckender Anblick! Kathmandu selbst ist wunderschön, mit vielen engen Gassen, bunten Fahrrad-Rikschas und Ochsenkarren auf den Straßen. Aber diese Straßen sind leider auch das größte Problem der Stadt. Sie sind immer voll und verstopft mit uralten LKWs, Fahrrädern, Tuk-Tuks und Vans. Nur Privatwagen sieht man kaum. Es herrscht ein Wahnsinnsverkehr, und die Abgase verpesten die Luft. So sehr, dass ich draußen den ganzen Tag einen Mundschutz tragen muss – und der ist abends schwarz! Ich wohne bei einer Hindu-Familie. Immer wenn ich durch „unseren“ Stadtteil gehe, werde ich von den Nachbarn erkannt und zum Tee eingeladen. Überhaupt Tee, der ist das Wichtigste! Auch wenn ich von der Schule nach Hause komme, trinken wir erst Tee, bevor ich dann meine staubigen Sachen von Hand mit kaltem Wasser wasche.

An der Schule läuft es gut. Ich unterrichte zehn- bis achtzehnjährige Schüler an einer normalen Staatsschule. Dieses Mal schule ich übrigens auch die Lehrer und erkläre ihnen die Materialien, die ich von zu Hause mitgebracht habe. Der Lebensrhythmus ist hier ein komplett anderer: Wir stehen zwischen fünf und sechs Uhr auf und liegen spätestens um 21 Uhr im Bett. Aber das brauche ich auch, denn das Leben in einer anderen Kultur strengt schon sehr an. Am Wochenende werde ich mit einem der älteren Schüler einen Ausflug machen. Das wird sicher spannend, wir fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln! Liebe Grüße

Mama

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 25. März 2012, 17:11 Uhr

Betreff: Deine SMS

Lieber Marc,

du brauchst dir doch um mich keine Sorgen zu machen! Damit du weißt, dass ich heil wieder angekommen bin, hier ein kurzer Bericht.

Der Ausflug war unglaublich erlebnisreich! Der sehr engagierte Schüler hatte mir angeboten, mir ein wenig die Gegend zu zeigen. Wie praktisch! Weil ich mit einem Einheimischen unterwegs war, habe ich in den wunderschön verzierten, uralten Tempeln weniger Eintritt gezahlt, durfte andere Teile des Gebäudes besichtigen, habe andere Dinge erfahren … Auch die Fahrt mit den klapprigen, bunten Bussen ist ein Erlebnis! Am Sonntagnachmittag bin ich dann allein unterwegs gewesen, um einen anderen Volunteer zu besuchen. Meine Gastfamilie hat mir den Bus genannt, mit dem ich fahren musste – ich kann ja die Schriftzeichen nicht lesen und laufe deshalb wie eine Analphabetin durch das Gewühl. Hier sind alle Busse immer überfüllt, aber weil ich eine weiße Hautfarbe habe und älter bin, habe ich sofort einen Platz bekommen. Ich war die Sensation! Alle haben mich freundlich-neugierig angesehen und wollten wissen, wohin ich fahren möchte. Sie waren sehr höflich und hilfsbereit und haben mich sogar zum nächsten Bus gebracht. Die Unterhaltungen sind abenteuerlich. Sie reden nepalesisch, ich antworte auf Deutsch, aber mit vielen Gesten hat alles irgendwie prima geklappt. Also – kein Grund zur Sorge! Hier wird jetzt wieder der Strom abgestellt, also bis bald!

Liebe Grüße

Mama

Von: Ute Berger

An: Dagmar Heinz

Gesendet: 13. April 2012, 20:15 Uhr

Betreff: Himalaya

Liebe Daggi,

heute hatte ich ein so atemberaubendes Erlebnis, dass ich dir sofort davon berichten muss. Ich bin in einem kleinen Flugzeug (hier nennen sie es Micro Flight) in das Annapurna-Massiv, einen Teilbereich des Himalaya-Gebirges, geflogen! Das geht nur ganz früh morgens, denn dann hat man klare Sicht auf die riesigen Berge, auf deren Gipfeln der Schnee in der Sonne glitzert. Man fühlt sich winzig klein, wenn man die Achttausender so nah sieht. Und man bekommt wirklich Respekt vor der Schöpfung. Ich bin auch schon ein Stück in den Himalaya hineingewandert, aber das Fliegen war noch beeindruckender. Meine Rundreise mit Helga durch Nordindien und Nepal ist wieder sehr interessant. Besonders angetan sind wir von der Herzlichkeit der Menschen. Egal wo wir sind, uns wird immer etwas zu essen angeboten. Diese Höflichkeit und Gastfreundlichkeit sind mir auch während des Hilfsprojekts ständig begegnet. Das hat mich sehr gerührt und mir viel gegeben. Aber ich merke auch, dass mir die schlechte Luft, der Verkehr, das Klima, aber vor allem der ständige Lärm in den Städten sehr zusetzen. Deshalb war es richtig, dieses Mal nur für vier Wochen in einem Hilfsprojekt zu arbeiten. Die waren dann ja auch sehr intensiv: auf der einen Seite die Schule – und auf der anderen das Heim für HIV-kranke Kinder, in dem ich während der Prüfungszeit viel Zeit verbracht habe. So viel Leid, aber auch so viel Freude – ich bin froh und dankbar, dass ich das erleben durfte!

Liebe Grüße

Ute

Von: Ute Berger

An: Michael Harms

Gesendet: 26. Juni 2012, 11:47 Uhr

Betreff: Vortrag

Lieber Herr Harms,

vielen Dank für Ihre Mail. So ein Informationsabend an der Uni ist sicher gerade für Eltern sehr interessant, deren Kind mit Projects Abroad verreisen möchte. Aber vielleicht gefällt nach meinem Bericht auch mehr Menschen in meinem Alter die Idee, Freiwilligendienst im Ausland zu leisten. Deshalb komme ich gern und werde einen kurzen Vortrag über meine Aufenthalte in Tamil Nadu und Kathmandu vorbereiten. Reichen circa fünfzehn Minuten aus? Soll ich Fotos mitbringen? Liebe Grüße

Ute Berger

Von: Ute Berger

An: Helga Loose

Gesendet: 1. August 2012, 19:22 Uhr

Betreff: Myanmar/Burma!

Liebe Helga,

es gibt Neuigkeiten: Halte dir den 4.2. bis 27.2. im nächsten Jahr frei – da erkunden wir Myanmar! Ich war doch letzte Woche bei dieser Projects-Abroad-Veranstaltung an der Uni und habe einen kurzen Vortrag gehalten. Das Publikum war sehr gemischt, genau wie die Leute, die mit Projects Abroad verreisen. Viele junge Leute, die meisten frisch von der Schule, mehr Frauen als Männer und ein paar „Mittelalte“, die einen Neuanfang wagen wollen. Und dazwischen ich als Exotin! Jedenfalls hat Herr Harms, der in Berlin das Projects Abroad-Büro leitet, auf dieser Veranstaltung von einem Hilfsprojekt in Myanmar berichtet. Ich wurde gleich hellhörig – das ehemalige Burma ist touristisch kaum erschlossen und deshalb bestimmt unglaublich interessant. Aber im Katalog stand nichts davon! Da hab ich natürlich nachgefragt, und Herr Harms sagte, dass dieses Angebot ganz neu wäre. „Ihr seid Pioniere!“ – Du kannst dir wohl vorstellen, dass ich mich gleich angemeldet habe! Ich fliege am 4. Januar für vier Wochen. Und hinterher kommst du, oder? Liebe Grüße

Ute

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 9. November 2012, 17:59 Uhr

Betreff: Endlich!

Lieber Marc,

heute kam Post: Ein riesiger Umschlag mit großen exotischen Briefmarken drauf! Er kommt vom Abt eines bekannten Meditationsklosters in Myanmar und enthält eine Einladung. Das ganze Dokument ist auf Burmesisch abgefasst und sieht mit drei großen Stempeln und den exotischen Schriftzeichen wunderschön aus. Zum Glück liegt ein kleiner Zettel auf Englisch bei. So weiß ich, dass der Abt mich einlädt, auf dem Gelände des Klosters in Yangon zu wohnen und zwei Monate im Land zu bleiben. Weil man in Myanmar ja nicht privat wohnen darf, bekomme ich nur mit dieser Einladung bei der Einreise am Flughafen ein zweimonatiges Visum! Ich habe in den letzten Wochen viel über Myanmar gelesen und bin schon sehr gespannt. Da scheint alles sehr ursprünglich und „echt“ zu sein. Liebe Grüße

Mama

Von: Ute Berger

An: Helga Loose

Gesendet: 6. Januar 2013, 10:18 Uhr

Betreff: Visum

Liebe Helga,

das war ein ganz schöner Schreck, als der Zollbeamte am Flughafen in Yangon die Einladung falsch gelesen hat und mir nur ein Visum für vier Wochen in den Pass stempelte! Auch nach zweistündigen Verhandlungen waren er und seine Vorgesetzten nicht bereit, es von vier auf acht Wochen zu verlängern. Zum Glück hat Projects Abroad jetzt eine schnelle und unbürokratische Lösung gefunden, damit ich für unsere Rundreise im Land bleiben kann. Auch wenn es sich schon ein bisschen komisch anfühlt, mit einem ungültigen Visum durch ein Militärregime zu reisen … Aber so ist das wohl als Pionierin! Liebe Grüße

Ute

Von: Ute Berger

An: Marc Berger

Gesendet: 13. Januar 2013, 15:17 Uhr

Betreff: Kurzer Bericht

Lieber Marc,

Myanmar ist ein wunderschönes Land, aber man macht uns das Helfen nicht leicht: Eigentlich sollte ich hier in der Klosterschule junge Mönche und Novizinnen in Englisch unterrichten. Dagegen wehren sich aber die Lehrer vor Ort. Sie sind so gefangen in ihrem System, dass sie jeden westlichen Einfluss auf ihre Schüler fürchten. Damit ich trotzdem in irgendeiner Form helfen kann, unterrichte ich kleine Schülergruppen direkt auf meiner Terrasse. Das wird natürlich auch nicht gern gesehen, und ich werde häufig kontrolliert. Ich mache das Beste daraus und fahre in meiner freien Zeit viel mit Bussen nach Yangon und Umgebung. Viele der Sehenswürdigkeiten sind bestens erhalten, vor allem die unglaublich prächtige Shwedagon-Pagode. In den Vororten ist der Tourismus noch nicht so stark angekommen, und ich fühle mich hier oft wie die erste Ausländerin, die die Einwohner zu sehen bekommen. Aber die Menschen nehmen mich immer sehr freundlich auf. Langsam habe ich mich auch an den Lebensrhythmus in der Klosteranlage gewöhnt: Frühstück gibt es um fünf, mittags isst man gegen elf Uhr dreißig. Und danach essen alle, die streng gläubig sind, nichts mehr, sondern trinken nur noch Wasser. Zum Glück gilt das nicht für uns Volunteers, das könnte ich nicht aushalten! Interessant ist auch, dass viele Menschen hier nach dem Mondkalender leben. Immer an Vollmond haben alle zwei Tage frei, und außerdem sind die Feiertage aller vier Religionen – Buddhisten, Christen, Muslime und Hindus – für alle frei. Da kommen ganz schön viele Feiertage zusammen!

Liebe Grüße

Mama

Hamburg, 6. April 2013

Liebe Daggi,

jetzt bin ich schon wieder ein paar Wochen aus Myanmar zurück, aber die Eindrücke wirken immer noch nach. Das war wirklich ein ganz anderes Leben. Es fühlte sich so etwas von fremd an! Darauf muss man sich wirklich einlassen wollen und seine strengen Maßstäbe fallen lassen. Gut, dass ich schon immer sehr flexibel war, anders könnte ich solche Reisen nicht angehen. Und gerade weil ich mich anpassen kann, nehme ich ganz viel mit. Deine Sorge um mich kann ich verstehen, aber ich passe gut auf mich auf: Ich lasse mich einmal im Jahr im Impfinstitut impfen, gehe mit Sonnenschutz und wenn möglich nur frühmorgens oder spätnachmittags in die Sonne und bin während der Projektarbeit immer drinnen. Deshalb bin ich während meiner Aufenthalte bisher nie krank gewesen – und auch meine Blutwerte sind top, wie mir mein Arzt gerade wieder einmal bestätigt hat. Aber jetzt bin ich trotzdem erst einmal froh, wieder zu Hause zu sein, und versuche, mich an das „Luxus-Leben“ zu gewöhnen. Sehen wir uns bald?

Liebe Grüße

Ute

Von: Ute Berger

An: Projects Abroad

Gesendet: 16. Juni 2013, 9:38 Uhr

Betreff: Fernweh

Liebes Projects Abroad-Team,

jetzt hat mich die Reiselust doch wieder gepackt. Ich habe mir ein Hilfsprojekt auf Sri Lanka ausgesucht und möchte vom 9.1. bis 9.2.2014 fahren. Ich melde mich demnächst.

Liebe Grüße

Ute Berger

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