Baccara Collection Band 453

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BESTER FREUND – BESSERER VERFÜHRER? von SHERI WHITEFEATHER
Als Bailey beim Ehemaligentreffen ihren Highschool-Freund Wade wiedertrifft, sprühen sofort sinnliche Funken. Doch kaum hat sie sich von dem blendend aussehenden Milliardär zu einer Nacht der Leidenschaft verführen lassen, zeigt er ihr jäh die kalte Schulter …

EIN STARKOCH ZUM ANBEISSEN von ZURI DAY
Ein verwöhnter Promi! Journalistin Rosalyn hat eine feste Meinung zu sexy Starkoch Pierre LeBlanc. Bis sie ihn bei ihrer Recherche kennenlernt – und Pierre sich als so charmant und nett entpuppt, dass sie sich Hals über Kopf verliebt. Sie ahnt nicht, was er verbirgt …

ERST DIE HEIRAT, DANN DIE LIEBE? von FIONA BRAND
Um sein Erbe nicht zu verlieren, muss Damon Wyatt bis Mitternacht heiraten. Dumm nur, dass seine Scheinverlobte ihn im letzten Moment sitzenlässt! Die einzige Frau, die jetzt infrage kommt, ist seine betörende Ex-Affäre Jenna. Doch anders als er träumt sie von Liebe …


  • Erscheinungstag 27.12.2022
  • Bandnummer 453
  • ISBN / Artikelnummer 0855220453
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Sheri WhiteFeather, Zuri Day, Fiona Brand

BACCARA COLLECTION BAND 453

SHERI WHITEFEATHER

Bester Freund – besserer Verführer?

Milliardär Wade stockt der Atem, als er beim Ehemaligentreffen der Highschool seine gute Freundin Bailey erblickt. Der schüchterne Teenager ist zu einer bildschönen Frau geworden, die verführerisch mit ihm flirtet. Doch auch wenn er Bailey leidenschaftlich begehrt, kann er ihr nicht mehr als eine unverbindliche Affäre bieten …

ZURI DAY

Ein Starkoch zum Anbeißen

Die Liebe hat nach einer schweren Enttäuschung keinen Platz im Leben von Starkoch Pierre LeBlanc. Bis er in New Orleans der faszinierenden Journalistin Rosalyn begegnet. Was als prickelnd erotisches Abenteuer beginnt, wird bald mehr. Aber kaum kommt sein Herz ins Spiel, muss er fürchten, dass er auf eine raffinierte Betrügerin hereingefallen ist …

FIONA BRAND

Erst die Heirat, dann die Liebe?

Ein One-Night-Stand, eine Sommerliebe, eine kurze Affäre: Dreimal ist Jenna bei Damon Wyatt schwach geworden, dreimal hat er sie abserviert. Und jetzt verlangt er, dass sie ihn heiratet! Natürlich nur für eine Ehe auf dem Papier, um sein Erbe zu retten! Trotzdem ist Jenna hin- und hergerissen, denn Damons Anziehungskraft ist immer noch unwiderstehlich …

1. KAPITEL

Bailey Mitchell ließ den Blick durch den Kristallballsaal des berühmten Beverly Hills Hotels schweifen, dessen Interieur und Architektur das Zeitalter des Art déco perfekt widerspiegelten.

Viele Angehörige ihres Jahrgangs tummelten sich im Ballsaal. Äußerlich wirkte die blonde Bailey in ihrem schicken kleinen Schwarzen und der eleganten Hochsteckfrisur cool und selbstbewusst, dabei konnte sie vor Aufregung kaum atmen.

Sie hatten sich in diesem vornehmen Ambiente versammelt, um das fünfzehnjährige Jubiläum ihres gemeinsamen Highschoolabschlusses zu feiern. Die dreiunddreißigjährige Bailey war eine erfolgreiche Drehbuchautorin geworden. Trotzdem fühlte sie sich heute wie der unsichere Teenager von damals, der sicher gleich wieder gemobbt wurde. Das Namensschild mit dem verhassten Foto aus der Abschlussklasse, das sie am Ausschnitt trug, machte alles nur noch schlimmer.

War sie als einzige Ehemalige allein hier? Oder fühlte sie sich nur so allein? Ihre beste Freundin Margot konnte leider erst am nächsten Tag dazukommen. Ein Picknick im Griffith Park stand auf dem Programm.

Heute Abend musste Bailey sich allein durchschlagen. Sie hatte sich fest vorgenommen, sich der Vergangenheit zu stellen und den Mitschülerinnen, die sie damals gemobbt hatten, die Stirn zu bieten. Momentan stand sie allerdings allein in einer Ecke und nippte an einem Glas Chardonnay. Aber sie war ja auch gerade erst eingetroffen. Würde sie sich überwinden, sich unters Volk zu mischen, das festliche Dinner zu genießen und sogar zu tanzen?

Klar! Etwas anderes kam nicht infrage. Hoffentlich fing sie nicht an zu stottern. Das passierte ihr manchmal, wenn sie nervös war. Angefangen hatte es, als man sie damals gemobbt hatte. Sie war lange in Therapie gewesen, und die hatte geholfen. Nur wenn sie sehr gestresst und verunsichert war, trat das Problem wieder auf.

Erneut ließ sie den Blick über die Menschenmenge wandern, auf der Suche nach Wade Butler. Sein Name stand auf der Teilnehmerliste. Außer Margot war Wade ihr einziger Lichtblick in der Highschool gewesen. Auch ihn hatte man gemobbt. Er war ein ziemlicher Einzelgänger gewesen und ein absolutes Computergenie. Wenn er mitbekommen hatte, dass Bailey mal wieder tyrannisiert wurde, war er ihr zur Seite gesprungen.

Er war nicht der typische Nerd, trug meistens einen langen schwarzen Mantel und Springerstiefel. Im letzten Schuljahr war er dann verhaftet worden, weil er sich in das Computersystem des FBI gehackt hatte. Eigentlich hatte er ihnen damit sogar einen Gefallen getan, denn er hatte einige Fälle von Cyberkriminalität gelöst. Das hatte das FBI damals allerdings ganz anders gesehen. Wade war damals bereits achtzehn Jahre alt gewesen, daher konnte er nicht mehr nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden und musste eine fünfjährige Gefängnisstrafe verbüßen.

Inzwischen arbeitete er als Softwareentwickler, Berater für Computersicherheit und hielt Vorträge. Wade Butler hatte damit ein Milliardenvermögen verdient. Er hatte sein Leben vollkommen umgekrempelt. Sogar das FBI ließ sich von ihm beraten.

Bailey hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er damals in Handschellen abgeführt worden war. Vor einigen Wochen hatte sie im Internet nach ihm gesucht, weil sie wissen wollte, was aus ihm geworden war. Sie würden sich ja hoffentlich auf dem Jahrgangstreffen wiedersehen. Ihr waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie Fotos von ihm entdeckte. Wade Butler sah in Designeranzügen einfach umwerfend aus.

Erneut versuchte sie, ihn im Saal zu erspähen. Viele elegant gekleidete Männer hatten sich eingefunden. Die Beverly West Academy, oder Bev West, wie die Schule allgemein genannt wurde, gehörte zu den elitärsten Privatschulen in Los Angeles. In Baileys Klasse hatten sich fast nur Kinder reicher Eltern getummelt, ausgenommen Wade, dessen Familie Mühe gehabt hatte, das Schulgeld aufzubringen. Seine Mutter war gestorben, bevor er auf die Bev West gekommen war. Er lebte bei seinem Stiefvater.

Viel hatte Wade nicht von sich erzählt. Manchmal setzte er sich beim Mittagessen zu ihr und Margot an den Tisch. Meistens saß er jedoch allein auf dem Rasen und war in seinen Laptop vertieft. Außerhalb der Schule war sie ihm nie begegnet.

Plötzlich spürte Bailey hinter sich die Präsenz eines Mannes. Handelte es sich um einen der Typen, die sie damals nur um ein Date gebeten hatten, damit sie einen Blick auf ihre Mutter erhaschen konnten, die als berühmtes Sexsymbol galt?

Bailey wirbelte herum, entschlossen, sich nie mehr unterkriegen zu lassen, und sah sich Wade gegenüber.

Sein Lächeln haute sie fast um. Der schlaksige Teenager hatte sich zu einem blendend aussehenden Mann entwickelt. Das perfekt geschnittene hellbraune Haar trug er aus der Stirn gekämmt. Am faszinierendsten waren seine graugrünen Augen. Manchmal wirkten sie grau, dann wieder grün.

„Hi, Bailey. Lange nicht gesehen.“

„Hi, Wade“, hauchte sie atemlos und sehr beeindruckt vom maßgeschneiderten schwarzen Anzug und der mit Brillanten besetzten Armbanduhr. Wade hielt ein Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in der Hand. Wodka? Tequila? „Freut mich, dich zu sehen.“

„Dito.“ Er musterte sie von oben bis unten. Offenbar gefiel ihm, was er sah. „Du siehst übrigens fantastisch aus.“

„Danke. Du hast dich auch gemacht.“ Sie war schon damals verknallt in ihn gewesen. „Wie ist es dir denn so ergangen?“

„Du meinst, nachdem sie mich wieder auf den rechten Weg gebracht haben?“ Er zuckte die Schultern. „Ziemlich gut, würde ich sagen. Ich hoffe nur, dass sie nachher nicht das blöde Foto von mir zeigen.“

„Die Aufnahme, die Shayla Lewis von mir gemacht und per E-Mail an ihre Clique verschickt hat, um es in Umlauf zu bringen, ist auch grässlich.“ Das Foto war im Umkleideraum geschossen worden, als Bailey sich gerade vorgebeugt hatte und ihre Poritze durchs Höschen blitzte. „Shayla hat dafür gesorgt, dass jeder wusste, wen sie geknipst hat.“ Bis heute hatte Bailey an dieser Gemeinheit zu knapsen. „Warum erzähle ich dir das eigentlich? Du hast es damals ja sicher gesehen.“

Wade runzelte die Stirn. „Nein. Niemand hat es mir geschickt.“

„Du hättest dich nur in Shaylas Computer hacken müssen, um einen Blick draufzuwerfen.“ Das wäre kein Problem für jemanden gewesen, der sich ins FBI-Computersystem hacken konnte.

„Ich hätte mich niemals an etwas beteiligt, was dich erniedrigt hätte.“

Bailey wurde es warm ums Herz. Wie sanftmütig er sie anschaute. „Danke. Du hast auch nichts versäumt. Ich bin ja kein Pin-up wie meine Mutter.“ Genau das war aber das Problem gewesen. Bailey war terrorisiert worden, weil ihre Mutter eine weltberühmte Schauspielerin war und zu den Frauen mit dem weltweit größten Sex-Appeal gehörte. Bailey war eher schüchtern, sie fand den Rummel um ihre Mutter ziemlich peinlich.

Wade verlagerte das Gewicht auf sein anderes Bein. „Ist Shayla Lewis heute Abend auch hier? Dann solltest du nämlich ein unvorteilhaftes Foto von ihr machen und posten.“

„Ich habe sie vorhin gesehen, als ich mein Namensschuld in Empfang genommen habe. Sie gehört zum Organisationskomitee.“

Wades Blick fiel auf eine Gruppe ehemaliger Klassenkameradinnen in der Mitte des Ballsaals. „Ich kann sie nirgends entdecken. Ist sie alt und hässlich und hat Warzen im Gesicht?“, fragte er mit todernster Miene.

Bailey lachte amüsiert. „Nein, leider ist sie immer noch sehr attraktiv. Mit ihrem Mann zusammen führt sie eine erfolgreiche Herrenmodefirma.“

„Ich werde einen weiten Bogen um das Label machen.“ Er fing Baileys vergnügten Blick auf. „Sag mal, wieso verstecken wir uns eigentlich hier, statt Cocktails zu trinken?“

„Das tun wir doch.“ Demonstrativ nippte sie an ihrem Wein.

„Stimmt. Dann haben wir eben ein Abschlussball-Date in dieser lauschigen Ecke.“

Und sie durfte ihm einen Gutenachtkuss geben? Sie hatte sich immer gewünscht, Wade zu küssen. „Allerdings ist dies nicht unser Abschlussball, sondern ein Fest zum fünfzehnten Jahrestag.“

„Den Abschlussball habe ich verpasst. Warst du da, Bailey?“

„Nein.“ Wade hatte damals schon im Gefängnis gesessen. „Niemand hat mich eingeladen. Aber ich wäre sowieso nicht hingegangen.“ Sie suchte seinen Blick. „Bevor wir uns ins Getümmel stürzen, würde ich gern etwas mit dir besprechen. Es geht um ein gemeinnütziges Projekt, an dem ich gerade arbeite.“

„Haust du mich um eine Spende an?“ Er zog die Augenbrauen hoch.

„Ja.“ Verlegen senkte sie kurz den Blick. „Dein Ruf als Philanthrop eilt dir voraus.“ Sie wusste, dass er schon viele wohltätige Zwecke unterstützt hatte. „Ich wollte dir davon erzählen, bevor wir auf die Leute treffen, die uns damals gemobbt haben“, erklärte sie.

„Wieso? Handelt es sich denn um ein Antimobbingprojekt?“

„Ganz genau. Die Stiftung trägt den Namen Erleichtere dein Herz. Ich richte eine Plattform ein, auf der Betroffene teilen können, was sie erlebt haben. Sie können sich mit anderen austauschen, die auch gemobbt werden. Wenn sie jemanden gemobbt haben, können sie sich entschuldigen. Ich will auch ein Bildungszentrum einrichten. Dort erhalten Kinder und Jugendliche, die unter Mobbing leiden, professionelle Hilfe.“

„Es versteht sich ja wohl von selbst, dass ich dein Projekt unterstütze. Wenn du willst, kümmere ich mich um weitere Spender.“

„Das wäre super, Wade. Vielen Dank für deine Unterstützung.“ Bailey strahlte. In Wades Nähe wurde sie ganz aufgekratzt. „Kommst du morgen mit zum Picknick? Dann könnten wir uns weiter über das Projekt unterhalten.“

„Klar, das können wir gern machen. Allerdings kann ich nicht lange bleiben. Ich wohne jetzt nämlich in der Bay Area und fliege morgen nach Hause.“

„Ich bin nach Laurel Canyon gezogen“, erzählte sie. „In deinem Onlineprofil wird San Francisco als dein Wohnort genannt.“ Sie wusste, dass er dort in einem Viertel wohnte, wo Milliardäre unter ihresgleichen waren. Wade hatte es wirklich nach ganz oben geschafft.

„Sag mal, Bailey, weiß das Organisationskomitee von deinem Projekt?“

„Nein, es ist ja noch nicht offiziell. Sowie die Stiftung am Start ist, will ich ein Essay über meine Erfahrungen schreiben. Jetzt bin ich erst mal froh, den Mut aufgebracht zu haben, herzukommen.

Übrigens bin ich nicht nur hier, um an deine Spendenbereitschaft zu appellieren, ich wollte dich auch unbedingt wiedersehen. Du warst der Held meiner Schulzeit, Wade. Du warst immer da, wenn ich dich brauchte, weil ich mal wieder gemobbt wurde.“ Weil er sie vor dem fiesen Randall Kincaid beschützen wollte, der sie einfach nicht in Ruhe gelassen hatte, war Wade sogar zwei Wochen lang vom Schulbesuch ausgeschlossen worden, denn er hatte den Mobber mit Karacho gegen einen Spind gestoßen. „Randall Kincaid hast du richtig fertiggemacht.“

„Er hatte es verdient. Allerdings war mein Stiefvater ziemlich wütend über meine Suspendierung und hat mir vorgehalten, ich hätte dadurch wahrscheinlich meine Zulassung zum Studium gefährdet. Mir war es ganz recht, zu Hause zu bleiben. So konnte ich in aller Ruhe den nächsten Streich des Outlaws planen.“

Bailey schwieg nachdenklich. Sie versuchte, sich Wade in der Rolle seines Alter Ego vorzustellen. Den Namen hatte er sich selbst gegeben, als er sich in das Computersystem des FBI gehackt und sich in seinem anonymen Blog damit gebrüstet hatte, Verbrechen aufzuklären.

„Wir waren alle ganz schön schockiert, als wir erfuhren, dass du der Outlaw warst. Dieselben Typen, die dich tyrannisiert hatten, konnten nicht fassen, dass du der Hacker warst, den sie so bewunderten.“

„Tja, leider ist mir das FBI dann auf die Schliche gekommen.“ Er schwenkte seinen Drink. „Na ja, das ist ja jetzt Geschichte.“

„Hast du noch das Computercodetattoo am Handgelenk?“

Er streckte einen Arm aus. Die Brillanten seiner Uhr funkelten im Lichtschein. „Die Uhr verdeckt es.“ Wade ließ den Blick über ihr kleines Schwarzes gleiten. „Hast du irgendwo verborgene Tattoos?“

Bedauernd schüttelte Bailey den Kopf. Plötzlich wünschte sie sich, am ganzen Körper tätowiert zu sein und Wade heute Nacht in ihr Bett einzuladen, damit er ihre Tattoos entdecken konnte.

Sie staunte über sich selbst. Solche Gedanken hatte sie noch nie gehabt. Sie wählte ihre Lover sorgfältig aus. Es waren nur wenige gewesen. Mit Wade konnte sie sich vorstellen, wilden, ungezügelten Sex zu haben.

„Wir sollten uns jetzt in die Höhle des Löwen wagen“, schlug Wade vor. „Bestimmt wird gleich das Büffet eröffnet. Der DJ baut auch schon seine Anlage auf. Musik aus unserer Jugend schätze ich.“

Nur widerstrebend verdrängte Bailey ihre Fantasien über wilden Sex mit Wade. „Eine Playlist, die Erinnerungen weckt.“

„Genau. Wollen wir dann?“

Willig hakte Bailey sich bei ihm ein.

Wade machte es Spaß, Bailey beim Essen zuzusehen. Sie hatte sich den Teller ziemlich vollgeladen. Ob sie das alles schaffen würde? Sie ließ sich jeden Bissen auf der Zunge zergehen, wie eine Restaurantkritikerin.

Am Tisch saßen sie mit einer Gruppe Ehemaliger zusammen, die ihnen keinen Ärger gemacht hatten, jeder Konfrontation aus dem Weg gegangen waren und sich voll und ganz auf den Lehrstoff konzentriert hatten.

Die Mobbinggang hatte sich am anderen Ende des Saals versammelt, war an Lautstärke kaum zu übertreffen und machte pausenlos Selfies. Bis heute wusste Wade nicht, warum sie ausgerechnet Bailey auf dem Kieker gehabt hatten. Was spielte es für eine Rolle, dass ihre Mutter eine Hollywood-Sexbombe war? In dieser Schule war es eher die Regel als die Ausnahme, Beziehungen zur Filmindustrie zu haben.

Bailey war immer sehr still und verträumt gewesen, entstammte aber auch einer reichen, privilegierten Familie, wie die meisten anderen Schüler. Und doch hatten Shayla Lewis und Randall Kincaid alles darangesetzt, sie fertigzumachen. Es war so schlimm, dass Bailey angefangen hatte zu stottern.

Wade hatte sich auf den ersten Blick in das bildhübsche Mädchen mit dem langen blonden Haar und den großen blauen Augen verknallt. Und jetzt würde er ihr Antimobbingprojekt unterstützen. Er bewunderte Bailey, denn ihr war es gelungen, aus den negativen Erfahrungen etwas Positives zu kreieren, das anderen Menschen half. Eigentlich tickte sie genau wie er selbst.

Es hatte ihn große Überwindung gekostet, nach L. A. zurückzukehren. Nicht nur wegen der Erinnerungen an seine Jugend, sondern auch wegen des Familiengeheimnisses, das ihn belastete.

Bis zum Tod seiner Mutter war er ein ganz normaler Junge gewesen. Dann hatte er die Wahrheit über seinen Vater erfahren und war in ein schwarzes Loch gefallen. Er war nicht mehr er selbst, zog sich zurück und wurde zum Einzelgänger. Bald wurde er wegen seines seltsamen Verhaltens von Mitschülern terrorisiert. Er hatte sich hinter seinem Laptop verschanzt und mutierte zum geheimnisumwitterten Outlaw.

Jetzt lehnte er sich etwas zur Seite und flüsterte Bailey zu: „Ich muss dir etwas gestehen: Ich habe Shaylas Computer gehackt.“

„Ja? Dann hast du das Foto von mir gesehen?“, fragte sie verlegen.

„Nein. Aber ich habe ihre Referate gelöscht und einige andere Dateien bearbeitet. Ich fand, das hatte sie verdient, nachdem sie dich so tyrannisiert hatte.“

„Oh Wade.“ Bailey legte die Gabel auf den Teller und strich Wade über die Wange. „Ich finde es toll, dass du das für mich getan hast. Andererseits war es aber der falsche Weg, weil du dich dadurch auch ins Unrecht gesetzt hast.“

„Ich weiß. Doch das war nicht ich, sondern der Outlaw.“ Sanft umfasste er ihre Hand. Die Berührung erregte ihn.

Sie sahen einander tief in die Augen. Alles um sie herum rückte weit weg. In diesem Moment gab es auf der Welt nur Bailey und Wade. Während der Schulzeit hatte er nie gewagt, Bailey um ein Date zu bitten. Sollte er es jetzt tun? Er wollte aber keine Beziehung, hatte immer nur kurze, diskrete Affären gehabt. Würde Bailey sich darauf einlassen? Eher nicht. Er zog die Hand zurück.

Der Zauber war verflogen.

Bailey wandte sich wieder dem Essen zu, dann sah sie auf. „Magst du Pilze?“

„Wieso?“ Misstrauisch betrachtete er die mit Spinat gefüllten Riesenchampigons auf ihrem Teller. „Halluziniert man davon?“

Sie lachte. „Das will ich nicht hoffen. Ich habe schon zwei gegessen. Wenn du Pilze magst, solltest du diese hier probieren.“

„Pilze sind okay“, antwortete Wade.

„Dann probier mal.“ Sie spießte einen Happen auf die Gabel und hielt sie vor Wades Mund. „Vorsicht, das ist noch sehr heiß.“

Nicht so heiß wie Bailey, die ihn fütterte. Wade konnte kaum genug davon bekommen. Als er auch den letzten Champignonhappen verspeist hatte, fühlte Wade sich, als hätte er gerade heißen Sex mit dem Mädchen seiner Jugendträume gehabt.

„Gut?“

„Ja, richtig gut.“ Entschlossen verbannte er die Fantasien aus seinem Kopf und griff nach der Serviette. Der DJ hatte gerade Boulevard of Broken Dreams von Green Days aufgelegt. Ein Lied über Einsamkeit. War das ein Omen?

„Das Lied habe ich damals rauf und runter gespielt“, verriet Bailey.

„Ich auch.“ In seinem verdunkelten Zimmer. Immer wieder hatte sein Stiefvater Carl, ein Betriebsleiter, darauf bestanden, die Sonne ins Zimmer zu lassen. Carl hatte ihm auch die Wahrheit über seinen Vater erzählt.

„Wir hatten damals viel gemeinsam“, sagte Bailey wehmütig.

So viel nun auch wieder nicht, dachte Wade. Es sei denn, sie hatte auch Leichen im Keller. Wade hatte die Tür zur Vergangenheit zugeknallt. Er hatte alles getan, um sein Geheimnis zu bewahren. Es kam nicht infrage, sich davon wieder hinunterziehen zu lassen. Viel lieber wollte er Bailey endlich näher kennenlernen. Vielleicht kämen sie sich beim Tanzen näher.

Er trank einen Schluck Wasser und sah sie von der Seite an. „Wieso bist du eigentlich allein hier – ohne Margot Jensen? Ihr habt doch ständig zusammengesteckt. Und auf deiner Instagram-Seite habe ich gelesen, dass Margot mit deinem Bruder verlobt ist oder ihn wieder heiratet oder was auch immer.“

„Du hast mich und meine Familie online gestalkt?“

„Quatsch. Ich habe mir nur die Fotos angesehen. Schließlich wollte ich wissen, was dich in den letzten Jahren so umgetrieben hat. Betrachte es als Vorbereitung auf unser Wiedersehen. Du hast dich ja in den sozialen Netzwerken auch über mich informiert. Heutzutage ist das normal.“

„Du hast recht. Wahrscheinlich zählen die Erfinder dieser sozialen Medien zu deinen Bekannten. Leider stehe ich jedes Mal auf dem Schlauch, wenn sie mal wieder das Format ändern.“

Wade lachte. „Dann kannst du mich ja in Zukunft anrufen, dann gehen wir die Änderungen gemeinsam durch“, schlug er vor und freute sich über seine Idee, denn so hatte er einen guten Grund, Bailey seine Handynummer zu geben.

„Perfekt.“ Erfreut zückte sie ihr Handy und tippte seine Nummer ein, bevor sie Wade ihre gab.

Nachdenklich sagte er plötzlich: „Ich überlege gerade, ob ich Shayla stecken sollte, dass ich ihren Computer gehackt habe, als ich noch der Outlaw war. Du hast ja vorhin gesagt, ich hätte mich dadurch auch ins Unrecht gesetzt. Das stimmt leider, aber ich wollte doch deine Würde retten. Deshalb habe ich mich auf Shaylas Niveau hinabbegeben.“

„Nein, das lässt du lieber“, entgegnete Bailey. „Ich glaube nämlich nicht, dass es ihr leidtut, was sie mir angetan hat. In der letzten Zeit habe ich mich intensiv mit den Beweggründen für Mobbing beschäftigt. Irgendetwas in ihrer Umgebung muss Shaylas Verhalten ausgelöst haben.“

„Ja, von selbst wäre sie sicher nicht so grausam geworden. Ich habe mich damals als Gutmensch betrachtet, dachte, ich würde für Gerechtigkeit sorgen und sogar dem FBI bei der Aufklärung von Cyberkriminalität helfen. Das FBI hat das leider anders gesehen.“

„Inzwischen haben sie ihre Meinung geändert“, gab Bailey lächelnd zu bedenken. „Du zählst zu den besten Beratern auf dem Gebiet. Vielleicht sollte ich ein Drehbuch über dein Leben schreiben.“

Niemals! Es hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn Bailey in seiner Vergangenheit herumstocherte. „Das wäre reine Zeitverschwendung. Niemand interessiert sich für mein Leben“, behauptete er daher.

„Das sehe ich anders. Aber ohne deine Zustimmung würde ich natürlich kein Drehbuch verfassen.“

Dem Himmel sei Dank, dachte Wade. Es war schon schlimm genug, dass eine Dokumentation über die Opfer seines Vaters gesendet worden war. Das Geheimnis, wer die Opfer entschädigt hatte, war jedoch nicht gelüftet worden.

Bailey betrachtete ihren Teller. „Ich habe mir zu viel aufgefüllt. Möchtest du etwas abhaben?“

„Nein, danke. Ich habe ja selbst noch genug.“

Schweigend aßen sie weiter, bis die Musik verstummte. Bailey wurde sofort nervös.

„Was ist los?“, fragte Wade beunruhigt.

Sie zeigte auf die Bühne. „Jetzt kommt die Diashow.“

Wade sah auf. „Und wer kündigt sie an? Shayla. Typisch. Sie war ja immer die Zeremonienmeisterin. Ich werde nachher mit ihr reden. Sie soll wissen, wer ihren PC gehackt hat, aber auch, dass ich nie vergessen werde, was sie dir angetan hat.“

„Du willst für mich sprechen, Wade?“

„Ich hoffe, du kommst mit. Vielleicht entschuldigt sie sich ja endlich bei dir.“

„Interessanter Ansatz, sie gemeinsam zur Rede zu stellen.“

„Genau! Schließlich sind wir nicht hergekommen, um uns im Hintergrund zu halten.“ Wade sah ihr tief in die Augen. „Gemeinsam sind wir beide stark, schlau und sexy … und sehr erwachsen.“

2. KAPITEL

Wades Beschreibung gefiel Bailey ausgesprochen gut. Sie betrachtete sein Profil im flackernden Kerzenschein. „Das hast du schön gesagt, Wade. An diese Worte werde ich mich immer erinnern.“ Sexy … bei diesem Adjektiv wurde ihr fast ein wenig schwindlig. Es klang, als wären sie ein Liebespaar.

Sie fing sein Lächeln auf. In diesen graugrünen Augen hätte sie sich verlieren können. Schnell wandte sie den Blick wieder ab. Auf der Bühne bat Shayla gerade den Schulsprecher zu sich. Dann stellten sich die Cheerleader des Jahrgangs in einer Reihe auf und performten in Partykleidung einen ihrer alten Anfeuerungsrufe unter frenetischem Beifall und Pfiffen der Ehemaligen.

Danach stand Shayla wieder im Scheinwerferlicht.

Wade hat recht, dachte Bailey. Wir müssen uns nachher mal ernsthaft mit ihr unterhalten. Shayla war nicht die Einzige, die sie tyrannisiert hatte, aber sie war die Anführerin gewesen, die andere auch zum Mobbing angestiftet hatte. Noch immer benahm sie sich, als könnte ihr niemand das Wasser reichen. Bailey fühlte sich sofort wieder in ihre Leidenszeit zurückversetzt.

Schließlich war es Zeit für die Diashow. Angespannt sah Bailey zu. Wade hielt schützend ihre Hand, bis der Spaß eine Viertelstunde später vorbei war. Bailey war nicht zu sehen gewesen, aber Wade, der in seinem übergroßen schwarzen Mantel fast bedrohlich hinter einer Schülergruppe aufragte.

„Hast du dich entdeckt?“, fragte Bailey. „Du sahst aus wie ein Superheld.“

„Ja, der wollte ich immer sein“, gestand Wade. „Der Mantel war mein Umhang, der mich unsichtbar machte.“

Der Outlaw war mitten unter ihnen gewesen, und niemand hatte ihn wahrgenommen.

„Komm, wir knöpfen uns jetzt Shayla vor. Bist du bereit?“ Fragend schaute er Bailey an. „Sie sitzt wieder am Tisch.“

Sofort lief Bailey ein eiskalter Schauer über den Rücken. Vielleicht war sie ja gar nicht so stark, schlau, sexy und erwachsen, wie Wade ihr eingeredet hatte. Womöglich fing sie in Shaylas Nähe wieder an zu stottern.

Nein, das wird nicht passieren, redete sie sich energisch ein. Sie war eine erfolgreiche Drehbuchautorin, kein eingeschüchterter Teenager. Trotzdem war sie nervös.

„Du eröffnest das Gespräch, Wade?“

„Aber sicher. Wir schaffen das, Bailey“, fügte er aufmunternd hinzu.

Seite an Seite durchquerten sie den Ballsaal. Die meisten Gäste saßen noch an den Tischen, einige holten sich ein Dessert vom Büfett, die Raucher hatten sich nach draußen verzogen. Die Tanzfläche war verlassen, der DJ machte Pause.

Shayla sah auf und wusste sofort, auf wen sie zusteuerten. Sie setzte eine hochmütige Miene auf. Die hochgewachsene, schlanke Brünette hatte immer zu den stets nach der neuesten Mode gekleideten Schülerinnen gezählt. Sie hatte damit angegeben, die Erbin einer Kette von Luxuskaufhäusern zu sein. Inzwischen stand die Kette kurz vorm Konkurs. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. Sie hatte reich geheiratet und ihre eigene – erfolgreiche – Firma gegründet. Bailey wünschte niemandem etwas Böses, trotzdem ärgerte es sie, dass es Shayla gelungen war, ihre gesellschaftliche Stellung zu wahren.

Shayla erhob sich, als Wade direkt vor ihr stand. Bailey stand an Wades Seite und achtete auf ihre Atmung.

„Wir wollten kurz Hallo sagen“, erklärte er. „Und dir und dem Organisationskomitee zu der großartigen Jubiläumsfeier gratulieren.“

„Danke.“ Shayla wirkte überrascht. Mit einem Kompliment aus Wades Mund hatte sie offensichtlich nicht gerechnet. Missgünstig streifte sie Wades klassischen Haarschnitt, den Maßanzug, die Luxusuhr mit einem Blick. Es passte ihr wohl nicht, dass der vorbestrafte Nerd es zum Milliardär gebracht hatte.

Vielleicht gibt es doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit, dachte Bailey schadenfroh.

„Wo steckt denn Randall Kincaid?“, fragte Wade.

„Er konnte es nicht einrichten“, antwortete Shayla.

„Er erholt sich wohl noch von der dicken Lippe, die ich ihm verpasst habe“, meinte Wade trocken.

Shayla lachte gepresst. „Ich glaube, Randall ist auf Geschäftsreise. Aber so genau weiß man das ja nie.“

„Stimmt. Ich muss etwas loswerden“, fuhr Wade dann kühl fort. „Während der Schulzeit habe ich mich mal in deinen Computer gehackt, Shayla. Ich habe einige Dateien bearbeitet und deine Referate gelöscht.“

„Du warst das?“ Völlig konsterniert starrte sie ihn an. Ich dachte, ich hätte mir einen Virus heruntergeladen. Auf die Idee, dass jemand … dass du …“

„Ja, tut mir leid, das war ich. Natürlich war das nicht in Ordnung. Aber auch andere haben damals Dinge getan, für die sie sich entschuldigen sollten.“

Er nimmt kein Blatt vor den Mund, dachte Bailey bewundernd. Doch an Shayla prallte das ab. Sie stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Keine Reaktion, kein Bedauern – nichts. Sie tat, als hätte sie nie etwas Unrechtes getan.

So leicht wollte Bailey sie nicht davonkommen lassen. „Ich bin gerade dabei, eine Antimobbing-Stiftung zu gründen, Shayla. Dieses gemeinnützige Projekt liegt mir sehr am Herzen. Ich lasse dir gern nähere Informationen darüber zukommen.“

Shayla spielte mit ihren Rubinohrringen. „Aha. Wenn es dir um eine Spende geht, kannst du mich über die Kontaktadresse auf der Homepage des Jahrgangstreffens erreichen.“ Sie umfasste die Lehne des Stuhls, auf dem ein dunkelhaariger Mann mit dem Rücken zu ihnen saß. Fraglos handelte es sich um ihren Ehemann. Der nahm jedoch keine Notiz von dem Gespräch.

„Okay, ich melde mich dann. Die Entscheidung, wie du dann vorgehst, liegt bei dir.“ Mit einem Blick bedeutete sie Wade, für sie wäre das Gespräch mit der Frau, die sie als Teenager ständig schikaniert hatte, beendet.

Er nickte. Hand in Hand machten sie sich auf den Rückweg. „Das lief doch sehr gut. Wir haben gesagt, was wir zu sagen hatten. Nun ist es an ihr, darüber nachzudenken.“

„Meinst du, sie überweist eine Spende? Oder hat sie das nur gesagt, um uns loszuwerden?“

„Schwer zu sagen. Sieh mal, der DJ ist wieder da. Jetzt können wir tanzen. Du tanzt doch mit mir, oder?“

„Klar. Aber wenn wir jetzt gleich zur Tanzfläche gehen, sind wir die Ersten“, gab Bailey zu bedenken.

„Genau, das wäre dann ein Statement. Aber wenn du lieber warten möchtest, setzen wir uns wieder an unseren Tisch.“

Bailey überlegte blitzschnell. Sie hatte gerade Shayla konfrontiert, jetzt wollte sie der ganzen Abschlussklasse von 2007 zeigen, wie selbstbewusst Wade und sie waren. „Gute Idee“, sagte sie daher strahlend. „Wir eröffnen den Tanz.“

Der DJ spielte eine langsame Nummer. Wade zog Bailey an sich, und sie tanzten miteinander, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Zwischen ihnen knisterte es heftig. Ihre Blicke verschmolzen. Auf diesem Planeten gab es nur noch Wade und sie.

„Ich habe mir immer vorgestellt, mit dir zu tanzen“, gestand Wade leise. „Leider habe ich nie den Mut aufgebracht, dich um ein Date zu bitten.“

„Mir ging es genauso.“ Sie stellte sich vor, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen und wilden Sex mit ihm zu haben.

Als Nächstes tanzten sie eng umschlungen zu einer Ballade. Die Tanzfläche füllte sich langsam. Der Beat wurde schneller. Ausgelassen wirbelten Wade und Bailey übers Parkett. Baileys Bewegungen wurden immer gewagter. Es war ein Riesenspaß, zur Musik ihrer Jugend zu tanzen. Der DJ machte einen fantastischen Job.

Schließlich hatten sie genug und mussten sich erst einmal erfrischen. Wade organisierte zwei Gläser mit eiskaltem Mineralwasser, das sie durstig hinunterstürzten.

Sie verließen den Saal und setzten sich draußen auf eine Bank. Bailey war froh über ihre Hochsteckfrisur. Hätte sie das lange Haar offen getragen, würde es jetzt an ihrer feuchten Haut kleben.

„Das hat richtig Spaß gemacht“, sagte sie und lehnte sich entspannt zurück. „Aber mir tun die Füße weh. Normalerweise trage ich nur selten High Heels, ich bin eher der Typ für Sneakers.“

„Dann zieh sie doch aus.“ Er grinste unverschämt. „Du kannst alles ausziehen, was du willst.“

„Was wir da tun, könnte gefährlich werden, oder?“

„Wie meinst du das?“, fragte Wade verwirrt.

„Na ja, du und ich flirten und tun so, als läge uns die Welt zu Füßen.“

„Gefährlich wird es nur, wenn es uns zu Kopf steigt. Beim Picknick morgen benehmen wir uns gesitteter.“

Bailey schaute hinauf zum Sternenhimmel. Die sommerliche Nachtluft war mild und klar. „Ich benehme mich immer gesittet. Bei meinem ersten Mal war ich schon über zwanzig.“

„Wirklich? Ich auch.“ Wade verzog das Gesicht. „Aber bis dahin war ich ja auch im Knast.“

„Ist dir im Gefängnis nichts passiert?“ Bailey hatte Horrorgeschichten gehört, was Häftlingen angetan wurde.

„Nein. In dem Gefängnis waren keine Gewaltverbrecher untergebracht. Aber ich habe sowieso schnell gelernt, wie man hinter Gittern überlebt und sich schützt. Ich bin kein Risiko eingegangen.“

„Ich habe viel an dich gedacht“, sagte Bailey leise. Ihr Herz klopfte schneller. „Wahrscheinlich sollte ich es lieber für mich behalten, aber ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn du heute Abend mit zu mir kommen würdest.“

Wade musterte sie eindringlich. „Ist das eine Einladung?“

„So genau weiß ich das auch nicht.“

„Vielleicht ist es nur eine Fantasterei, so wie damals, als wir jung waren.“

„Definitiv. Aber ich sollte es dabei belassen, egal, wie aufregend es sein könnte.“

„Fühlst du dich besser, nachdem du es ausgesprochen hast?“, fragte Wade heiser.

„Schwer zu sagen. Hättest du meine Einladung denn angenommen?“

„Im Eifer des Gefechts hätte ich das definitiv spontan getan.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Aber eigentlich sind wir uns über den langen Zeitraum hinweg ja praktisch wieder fremd geworden. Das könnte zu Komplikationen führen.“

„Deshalb überlege ich mir genau, mit wem ich ins Bett gehe.“ In ihren Drehbüchern kreierte sie hingegen schon mal ausgesprochen heißblütige Charaktere. Im wahren Leben ging es bei ihr weit weniger provokant zu.

Wade schob sich das Haar zurück, das ihm beim wilden Tanzen in die Stirn gefallen war. „Was meinst du, sollen wir uns aufs Dessert stürzen?“

„Als Sexersatz?“, fragte Bailey frech.

„Genau.“

„Okay.“

Also kehrten sie in den Ballsaal zurück und inspizierten die kunstvoll aufgebauten Desserts. Bei all den süßen Köstlichkeiten fiel die Auswahl schwer.

Sie füllten ihre Teller und setzten sich an einen freien Tisch in der Nähe des Ausgangs. Fast schien es, als wären sie beide bereit für einen baldigen Aufbruch.

„Ich hole mir was zu trinken. Kann ich dir was mitbringen, Bailey?“

„Kaffee mit Sahne, bitte.“

Wade stand mit dem Rücken zur Tanzfläche. Die Bässe wummerten. „Mit oder ohne Koffein?“

„Mit.“ Sie probierte eine italienische Cremespeise. „Das passt zum Zuckerschock.“

Auf dem Weg zur Bar stellte Wade sich vor, wie es sein würde, mit Bailey zu schlafen. Heiß und ungezügelt malte er sich aus und fluchte unterdrückt. Schnell konzentrierte er sich darauf, Kaffee für Bailey einzuschenken, eine Handvoll Sahneportionspackungen zu greifen und einen eingeschweißten Stab zum Umrühren. Nachdem er alles vor ihr auf dem Tisch platziert hatte, schlenderte er zurück zur Bar und orderte einen Baileys Irish Cream. Wenn er Bailey schon nicht schmecken konnte, dann musste er sich eben mit einem Whiskylikör gleichen Namens begnügen.

Er probierte den Drink und stellte sich vor, Bailey zu schmecken. Seine Libido spielte jetzt wohl völlig verrückt. Er benutzte Alkohol als Ersatz. Aber Desserts waren ja auch nur ein Ersatz.

Bailey machte sich gerade über ein rosa Macaron her. „Was hast du dir geholt?“, fragte sie neugierig.

„Etwas, wonach mir gerade der Sinn stand“, antwortete er ausweichend und griff nach einer Zitronenschnitte, die er ausgiebig betrachtete, um Zeit zu gewinnen. Dann fand er seine Feigheit albern und sah auf. „Es ist Baileys Irish Cream.“

„Sollte ich mich geehrt fühlen?“

„Klar, du hast mich inspiriert.“

Nachdenklich widmeten sie sich wieder dem Gebäck.

Fasziniert beobachtete Wade, wie sie sich einige Krümel von der Unterlippe leckte. „Wusstest du, dass es einen Unterschied zwischen Macaron und Makronen gibt?“, fragte er, um sich schnell abzulenken. „Makronen werden mit Kokosnuss gemacht, Macarons mit Mandeln. Das hat mir mein Koch mal erklärt.“

„Du hast einen eigenen Koch? Hatten wir früher auch. Meine Mutter beschäftigt ihn heute noch, aber ich koche lieber selbst.“

„Machst du ein gutes Frühstück? Ich liebe es, wenn eine Frau mir Frühstück ans Bett bringt.“

„Dann solltest du eine Köchin einstellen“, schlug Bailey amüsiert vor.

„Für mich arbeiten nur Männer – Koch, PA, Hubschrauberpilot.“

„Hast du gar keine Frauen eingestellt?“

„Nein, aber ich habe eine Kunsthändlerin, eine Schneiderin und eine Friseurin.“ Er rückte näher an Bailey heran. „Dein Haar ist wunderschön. Ist es noch so lang wie damals?“

„Länger. Es reicht mir bis zum Steißbein.“

Er nippte an seinem Likör und spürte die Wirkung. „Würdest du es morgen zum Picknick offen tragen? Ich würde es gern bewundern.“

„Ich trage es nur selten offen.“ Sie atmete hörbar aus. „Unser Gesprächsthema ist ganz schön gewagt – offenes Haar, Frühstück im Bett … wir sollten damit aufhören.“

„Du hast recht.“ Da waren wohl die Pferde mit ihm durchgegangen. „Wir sollten den Appetit aufeinander unterdrücken, statt ihn zu verstärken.“

Bailey verzog das Gesicht. „Ich bin ja selbst schuld. Wieso musste ich damit herausrücken, dass ich auf dich stehe?“

„Wenn du es nicht getan hättest, würden wir wohl erst recht dagegen ankämpfen, oder? Wirken Zucker und Koffein schon?“

„Eigentlich nicht.“ Sie lächelte verlegen. „Und wie sieht es mit dem Baileys aus?“

„Das kann ich dir erst sagen, wenn ich heute Nacht einsam in meinem Bett liege.“ Er trank das Glas aus. „Ich habe mir hier eine Suite genommen.“

„Super, dann kann ich mir vorstellen, wo du schläfst. Das wird ja wohl erlaubt sein.“

Ob seine Fantasien über Bailey allerdings erlaubt waren, stand auf einem anderen Blatt. Um sich abzulenken, ließ er den Blick durch den Saal wandern. „Die ersten Gäste gehen bereits.“

„Ich will noch bleiben. Es ist schön hier mit dir, Wade. Fast zu schön.“

Lächelnd fragte er: „Wollen wir noch mal tanzen? Es ist eine langsame Nummer.“ Die Beleuchtung war gedämpfter.

„Okay, aber ich ziehe erst die Schuhe aus.“

Barfuß wirkte Bailey noch natürlicher. „Du bist wirklich ein kleines Ding, Bailey.“

„Du meinst wohl petite.“ Sie lächelte frech.

„He, pass bloß auf, sonst hebe ich dich hoch und trag dich zur Tanzfläche, du kleines Ding“, drohte er gut gelaunt.

Sie reckte das Kinn. „Das traust du dich nicht.“

„Sei dir nicht zu sicher. Bei dir werde ich zum Steinzeitmenschen, Bailey.“

Lachend rannte sie zum Tanzparkett. Wade folgte ihr und zog sie an sich. Verträumt bewegten sie sich im Takt. Hingerissen streichelte Wade ihren Rücken. Nur mit Mühe bezwang er den Impuls, Bailey zu küssen. Am Ende landeten sie doch noch zusammen im Bett. Aber er wollte nichts überstürzen.

„Lass uns bis zum letzten Lied bleiben“, raunte er ihr zu.

„Hast du auf den Text geachtet? Es geht um die Irrungen und Wirrungen der Liebe“, sagte Bailey verstört.

„Darum geht es ja meistens. Ich habe aber noch nie so empfunden.“

„Ich auch nicht“, gestand sie. „Ich glaube, sich zu verlieben tut weh.“

„Das glaube ich auch.“ Seine Mutter hatte seinen Vater geliebt, und das Ergebnis war ein Trümmerfeld gewesen. „Ich möchte das nicht erleben.“

Bailey barg den Kopf an seiner Schulter. „Ich auch nicht.“

Schweigend tanzten sie eng umschlungen, bis auch der letzte Akkord verklungen war. Dann kehrten sie an den Tisch zurück, wo Bailey wieder in die High Heels schlüpfte.

„Ich bringe dich noch zum Wagen“, schlug Wade vor.

„Gern.“

Kurz darauf hatten sie das richtige Parkdeck erreicht. „Was für einen Wagen fährst du?“, erkundigte er sich interessiert.

„Einen F.100, Baujahr 1956. Mein Dad hat ihn mir vererbt.“

Wade bewunderte den schwarz lackierten Oldtimer mit dem auf Hochglanz polierten Chrom. „Das ist ja ein Schmuckstück.“

„Ich fahre ihn nur zu besonderen Gelegenheiten. Mein anderes Auto ist weniger spektakulär.“ Sie suchte nach dem Schlüssel. „Was für einen Wagen fährst du?“

„Kommt darauf an, wonach mir der Sinn steht. Ich habe eine große Auswahl.“

„Gilt das auch bei Frauen?“, fragte Bailey neugierig.

Wade zog die Augenbrauen hoch. „Unterstellst du mir, es wäre nur ein Spiel für mich?“

„Nein.“ Sie hatte die Schlüssel gefunden. „Aber vielleicht wechselst du die Frauen wie deine Autos.“

„Ganz bestimmt nicht. Ich bin sehr vorsichtig, Bailey.“

„Gut zu wissen.“ Irritiert schüttelte sie den Kopf. „Jetzt bin ich schon wieder bei diesem Thema.“

Wade lächelte frech. „Du findest mich eben unwiderstehlich“, witzelte er.

„Ich kann dir ganz gut widerstehen“, widersprach sie, allerdings nicht sehr überzeugend. „Sonst würde ich wohl nicht allein nach Hause fahren.“

Am liebsten hätte Wade sie gegen den glänzenden Ford gedrückt und sie halb um den Verstand geküsst. Stattdessen schob er die Hände in die Hosentaschen und hielt Abstand. „Schickst du mir eine SMS, wenn du morgen im Park ankommst? Dann treffen wir uns.“

„Klar, mach ich. Margot, mein Bruder und ihr Sohn werden auch da sein.“ Sie schloss die Fahrertür auf, setzte sich ans Steuer und kurbelte die Scheibe hinunter. Dann ließ sie den Motor an, der laut dröhnte. „Schlaf gut, Wade.“

„Du auch.“ Er wich zurück. An Schlaf war wohl nicht zu denken. Dazu war er viel zu erregt.

3. KAPITEL

Bailey stand früh auf und fuhr zum Strandhaus, wo Margot mit Zeke, Baileys Bruder und ihrem Adoptivsohn Liam wohnte.

Margots und Zekes Beziehung war kompliziert. Ihre Ehe war geschieden worden, aber nun hatten sie sich wieder verlobt, nachdem sie eine heiße Affäre miteinander begonnen hatten. Die Hochzeitsplanungen für den zweiten Versuch liefen.

Die Liebe geht seltsame Wege, dachte Bailey. Jedenfalls freute sie sich für Margot und Zeke und natürlich auch für Liam.

Nun stand sie vor dem großartigen Haus mit der Glasfront, die einen unverstellten Blick auf den Pazifik bot. Die kleine Familie wohnte erst seit gut einem Monat hier. Zuvor hatten Margot und Zeke getrennt gewohnt und waren ständig zwischen den beiden Wohnsitzen gependelt.

Margot wartete bereits auf der vorderen Veranda und winkte. Zeke und Liam waren im Wasser. Zeke surfte, der achtjährige Liam lag auf einem Bodyboard und paddelte. Später wollten sie alle zusammen im Park picknicken.

Baileys Vater war früher Margots Agent gewesen, als sie als Kinderstar in einer sehr erfolgreichen Sitcom mitgewirkt hatte. Später hatte sie eine Rolle in der Fortsetzung der ursprünglichen Show übernommen. Inzwischen arbeitete sie beim Film.

„Morgen“, begrüßte Margot sie. Ihr welliges rotes Haar wehte in der Brise. „Möchtest du Kaffee oder lieber Orangensaft?“

„O-Saft, bitte.“ Bailey setzte sich, schenkte sich ein Glas ein und griff nach einem Bagel, den sie sich mit Frischkäse schmecken ließ. „Wie war’s in New York?“

Margot hatte sich in Manhattan mit einem Filmregisseur getroffen.

„Super. Es ist zwar nur eine kleine Rolle, die aber sehr wichtig für die Handlung ist. Ich freue mich schon auf das Projekt.“ Sie warf Bailey einen forschenden Blick zu. „Wie ist es denn gestern beim Jahrgangstreffen gelaufen? Tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe.“

„Ich war gar nicht allein, Margot. Wade Butler und ich haben den ganzen Abend zusammengesteckt, uns unterhalten, gemeinsam gegessen und getanzt.“ Kaum dachte sie an ihn, beschleunigte sich auch schon ihr Puls. „Wir haben sogar Shayla Lewis konfrontiert. Ich schicke ihr Informationen zu meiner Stiftung.“

„Wow. Dann hattest du ja einen sehr interessanten Abend. Spendet Wade für die Stiftung?“

„Ja. Näheres wollen wir heute besprechen. Er hat angeboten, weitere Sponsoren für mein Projekt zu gewinnen.“ Sie biss wieder in den Bagel. „Wade ist wahnsinnig sexy. Ich war drauf und dran, ihn abzuschleppen. Aber du weißt ja, dass ich mir sehr genau überlege, mit wem ich etwas anfange. In der Beziehung tickt er übrigens genauso.“

Margot beobachtete, wie Zeke und Liam sich im Meer vergnügten. Dann sagte sie: „Du solltest die Suche nach dem Richtigen nicht auf die leichte Schulter nehmen, Bailey.“

„Du hast gut reden, Margot. Weißt du, ich glaube, ich sollte lieber allein bleiben. Wade scheint das auch für sich beschlossen zu haben. Er meint, die Liebe verursacht nur Kummer und Schmerz, und das wäre es ihm nicht wert.“

„Ich habt euch über die Liebe unterhalten?“, fragte Margot erstaunt.

„Ja, aber eigentlich eher über Sex. Keine Ahnung, was mich geritten hat, das Thema immer wieder anzuschneiden. Aber irgendwie habe ich in Wades Nähe so ein sehnsüchtiges Prickeln gespürt.“

„So wie ich bei deinem Bruder. Du weißt ja, was ich alles angestellt habe, um dieses Gefühl zu ersticken.“

Bailey lachte. „Und jetzt heiratet ihr zum zweiten Mal.“ Sie konnte das nicht nachvollziehen. Für sie kam eine Ehe sowieso nicht infrage.

„Sag mal, hat Wade seine Haft erwähnt?“ Margot wollte schnell das Thema wechseln.

„Ja, wir haben uns kurz darüber unterhalten. Für mich ist er immer noch ein Buch mit sieben Siegeln“, fügte sie nachdenklich hinzu.

„In der Schule war er ein richtiger Eigenbrötler. Und wir hatten unsere eigenen Probleme, Bailey.“

„Stimmt.“ Auch Margot war gemobbt worden. Die Mitschülerinnen hatten sie als gescheiterten Kinderstar gehänselt. Inzwischen hatte Margot sich zu einer gefragten Schauspielerin entwickelt. „Aber das ist lange vorbei. So glücklich wie jetzt habe ich dich noch nie erlebt, Margot.“

„Ich will, dass du auch glücklich bist, Bailey.“ Freundschaftlich umfasste sie Baileys Hand.

„Lieb von dir. Du musst dir aber keine Sorgen um mich machen. Ich liebe meinen Beruf, mein Haus und sogar meine Einsamkeit. Ich bin sehr dankbar für dieses Leben. Ob ich mit einem Mann glücklicher wäre, kann ich mir nicht so recht vorstellen.“

Wie verabredet schickte sie Wade eine SMS, damit er sie in dem weitläufigen Park finden konnte. Wenig später gesellte er sich auf der Anhöhe beim Karussell zu ihr, nachdem er sich ein Bild davon gemacht hatte, wo die anderen Cliquen sich befanden. Shayla hielt genau in der Mitte des Parks Hof und wandte schnell den Blick ab, als sie ihn entdeckt hatte.

Es ist ihr wohl unangenehm, mich zu sehen, dachte Wade und freute sich. Angesichts der vielen Familien, die sich hier versammelt hatten, wurde ihm allerdings schmerzlich bewusst, dass er selbst keine Familie hatte.

Bailey sah im blauen Top, Shorts und weißen Sneakers zum Anbeißen aus. Das Haar trug sie nicht offen, sondern zu einem langen Zopf geflochten.

Wade trug auch Freizeitkleidung und eine dunkle Sonnenbrille.

„Hi“, begrüßte ihn Bailey.

„Selber hi.“ Es juckte ihm in den Fingern, den Zopf zu lösen und die Hände durch das lange seidige Haar gleiten zu lassen. Bailey machte ihn ganz verrückt.

„Die meisten anderen Gruppen befinden sich dort.“ Er zeigte in die entsprechende Richtung. „Sollen sie doch. Oder möchtest du dich ins Getümmel stürzen?“

„Nein, ich fühle mich hier oben ganz wohl. Man hat einen guten Überblick. Außerdem bin ich als Kind mit meinem Dad zum Karussellfahren hergekommen. Das hat immer großen Spaß gemacht.“

Wade betrachtete die begeisterten Kinder auf den auf und ab wippenden Pferden, hörte die typischen Drehorgelklänge und sagte traurig: „Ich bin noch nie Karussell gefahren und war als Kind auch nie in diesem Park.“

„Wir machen das nachher zusammen mit Liam“, schlug Bailey vor. „Jetzt spielt er gerade mit meinem Bruder Frisbee. Eigentlich ist Zeke mein Halbbruder. Er ist fünf Jahre älter als ich. Sein Vater war ein Choctaw, hatte aber auch samoanische Wurzeln. Wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich. Du hast sicher Fotos von ihm und Margot auf meiner Instagram-Seite gesehen.“

„Stimmt.“ Er wusste auch, dass Zeke Inhaber einer Personenschutzfirma war. „Hat er auch die Bev West besucht?“ Bailey hatte so gut wie nie über ihren großen Bruder gesprochen.

„Ja. Aber als ich dort aufgenommen wurde, war er bereits auf dem College. Er ist gern zur Schule gegangen. Nur der Rummel um unsere berühmte Mutter hat ihn genervt. Besonders die Paparazzi. Ich fand das auch immer grässlich.“

Hoffentlich bleibt mir das erspart, dachte Wade. Wenn die Medien hinter seine Familiengeschichte kämen, würden sie sich wie die Geier darauf stürzen und er hätte keine ruhige Minute mehr. Diese verdammte Doku über die kriminellen Machenschaften seines Vaters hatte glücklicherweise nicht aufgedeckt, wer dessen Sohn war. Niemand wusste, wer Wades Vater war. Dieses Geheimnis hatte seine Mom bewahrt. Erst nach ihrem Tod hatte Wade die Wahrheit erfahren.

Bailey führte ihn zu ihrer Familie. Allerdings trafen sie nur Margot an, die auf einer Picknickdecke saß.

Bei der Begrüßung stellte Wade fest, dass sie noch immer der lebhafte Rotschopf war wie zu ihrer gemeinsamen Schulzeit. Allerdings hatte sie sich inzwischen zu einer geachteten Schauspielerin entwickelt.

Er war nur mit Margot befreundet gewesen, weil sie und Bailey ständig zusammengegluckt hatten. Für ihn hatte sich immer nur alles um Bailey gedreht.

Margot umarmte ihn herzlich. „Ich freu mich so, dich zu sehen. Du hast es ja zu einigem Erfolg gebracht.“

„Du auch.“ Er schaute ihr über die Schulter und sah Zeke und Liam näher kommen. Baileys Halbbruder war ein Schrank von einem Mann, hielt sich sehr gerade und strahlte Autorität aus.

„Krieg ich jetzt einen Tritt in den Hintern?“, fragte Wade. „Dein Verlobter findet es vielleicht nicht so toll, dass wir uns in den Armen liegen.“

Lachend entließ Margot Wade aus ihren Armen. „Keine Sorge. Zeke sieht das ganz locker.“

„Hoffentlich.“ Wade hatte seine Bemerkung zwar ironisch gemeint, wollte sich aber keinesfalls mit diesem Mann anlegen.

Zeke hob Liam hoch und trug ihn die restlichen Meter. Direkt vor Wade blieb er stehen. „Du musst Baileys Klassenkamerad von früher sein.“ Er stellte sich vor und schüttelte Wades Hand, bevor er Liam vorstellte. Der Junge grinste fröhlich und schüttelte Wade auch die Hand. Er ahmte Zeke nach. Der Kleine war ein niedliches Kerlchen mit dunkelblondem Haarschopf und unschuldigen braunen Augen.

Sie fanden alle auf der Picknickdecke Platz und tranken aromatisiertes Wasser, das Margot in einer Kühltasche mitgebracht hatte.

Liam redete ohne Punkt und Komma über die Spiele, die das Organisationskomitee vorbereitet hatte. Zunächst wurde aber das Mittagessen serviert. Der typische Grillduft wehte schon zu ihnen herüber.

Eine Viertelstunde später reihten sie sich in die Schlange der hungrigen Gäste und kehrten mit voll beladenen Tellern zurück zu ihrem Picknickplatz auf der Anhöhe.

Geduldig hörte Wade dem aufgeregt plappernden Liam zu und erfuhr, dass Zeke bald sein Adoptivvater sein würde.

„Ich sage aber erst Dad zu ihm, wenn alles unterschrieben ist“, erklärte der Junge. „Bei Margot habe ich auch so lange gewartet, bevor ich Mom zu ihr gesagt habe.“

Liam freute sich auch darüber, Bailey bald als Tante zu haben. Er hing sehr an ihr. Sie hatten sogar schon ein Buch zusammen geschrieben. Der Erlös war für eine Einrichtung bestimmt, die sich um Pflegekinder kümmerte. Liam war selbst ein Pflegekind gewesen, bevor Margot ihn adoptiert hatte.

Wade erinnerte sich an die Zeit in der Highschool, als er und Bailey an einem Kursus für kreatives Schreiben teilgenommen hatten. Schon damals hatte er ihr schriftstellerisches Talent bewundert. Ihre Erzählungen wurden immer vorgelesen. Er selbst hatte auch gute Noten bekommen, aber mit Bailey konnte niemand konkurrieren.

„Schmeckt es dir?“, fragte sie.

Er wandte sich ihr zu. „Ja, es ist wirklich gut.“ Er nahm die Sonnenbrille ab und hakte sie am Kragen seines T-Shirts fest. „Nimmst du mit Liam an den Spielen teil?“

„Aber sicher. Wir machen beim Sackhüpfen mit.“

Ihr Enthusiasmus war ansteckend. „Prima, ich werde euch anfeuern“, versprach er.

Liam hatte zugehört. „Wer siegt, bekommt einen Preis. Der Zweite auch. Wenn das Bailey und ich sind, gibt sie mir bestimmt ihren Preis.“

„Bist du sicher?“ Bailey musterte ihn gespielt ehrgeizig. „Warum sollte ich dir meinen Preis überlassen?“

Liam kicherte. Wade war sicher, dass Bailey dem Kind jeden Wunsch erfüllen würde. Die beiden gingen sehr vertraut miteinander um. Wade war so eine enge Bindung fremd. Er hatte nur seiner Mutter nahegestanden. Und die war schon lange tot. Es schmerzte ihn noch immer, dass sie ihm nie verraten hatte, wer sein Vater war.

Nun wurde der Beginn der Spiele angekündigt. Bailey und Liam liefen los, gefolgt von Wade. Das Sackhüpfen war sehr lustig. Liam hoppelte wie ein Kaninchen, Bailey stolperte mehrmals. Impulsiv wollte Wade ihr aufhelfen, doch Bailey war ja nun erwachsen und kam allein zurecht. Sie musste nicht mehr gerettet werden.

Mit dem Sieg hatten Bailey und Liam nichts zu tun.

Picknick und Spiele gingen weiter. Wade und Bailey holten sich Eis. Bailey schaffte ihre Portion nicht und hielt Wade ihre Eistüte hin. Ergeben schleckte er an der Erdbeereiskugel. Dabei fing er Zekes und Margots Blicke auf. In ihren Augen sah es sicher so aus, als würden Bailey und er miteinander flirten.

Als sie später mit Liam zum Karussell schlenderten, schob der Kleine seine Hand in Baileys. Wade musste den Impuls unterdrücken, Baileys andere Hand zu halten.

Während sie in der Schlange warteten, sagte Bailey: „Walt Disney war hier auch öfter mit seinen Töchtern. Dieses Karussell hat ihn zu Disneyland inspiriert.“

„Disneyland ist super“, rief Liam begeistert.

„Das finde ich auch.“ Wade lächelte ihm zu. „Hat dein Dad dir die Geschichte über Walt Disney erzählt?“, fragte er dann Bailey.

„Genau. Von ihm weiß ich auch, dass dieses Karussell immer wieder in Filmen und Fernsehshows auftauchte. Mein Dad war damals Talentscout. Wusstest du das?“

„Du hast es damals mal erwähnt.“ Es war offensichtlich, wie eng das Verhältnis zwischen Bailey und ihrem Dad gewesen sein musste. Er selbst hatte diese Erfahrung leider nicht machen können. Sein Stiefvater Carl hatte sich wirklich um ihn bemüht. Leider war Wade das erst aufgegangen, als es zu spät gewesen war. Er saß seine Gefängnisstrafe ab, als Carl gestorben war. Sein leiblicher Vater war ein Betrüger, der vielen Frauen das Herz gebrochen hatte.

Nach der Karussellfahrt wollte Wade seine Sonnenbrille wieder aufsetzen, doch er hatte sie verloren. Den Verlust konnte er verschmerzen. Zu Hause hatte er eine große Auswahl. Dabei fiel ihm ein, dass er sich bald auf den Heimweg machen musste.

„Ich muss bald los, und wir haben uns noch nicht über deine Stiftung unterhalten“, sagte er.

„Okay, dann verabschieden wir uns von den anderen und suchen uns ein schattiges Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können“, schlug sie vor.

Wenig später saßen sie weit entfernt von den anderen im Schatten eines Baumes.

„Schickst du mir deinen Businessplan? Ich brauche mehr Informationen, bevor ich meine Freunde und Geschäftspartner anspreche.“

„Gern. Das kann ich sofort erledigen. Schick mir deine E-Mail-Adresse aufs Handy, dann bekommst du ein PDF von mir. Deine Unterstützung bedeutet mir sehr viel“, fügte sie lächelnd hinzu.

„Mich freut es, wenn ich helfen kann, Bailey.“ Zumal sie während der Schulzeit ja beide gemobbt worden waren. „Welches Modul deiner Stiftung verursacht die höchsten Kosten? Auch das muss ich wissen, wenn ich Geldmittel für dich einwerbe.“

„Das Bildungszentrum. Sobald ich über die Mittel verfügen kann, werde ich einen geeigneten Standort suchen. Man muss sich dort geborgen fühlen. Die Menschen sollen auf das Problem aufmerksam gemacht werden. Ich will dort auch Spendenaktionen veranstalten, um auch andere Antimobbing-Organisationen zu unterstützen. Es gibt schon einige gute Ansätze, die förderungswürdig sind.“

„Das klingt großartig. Vielleicht kannst du Shayla als Referentin gewinnen“, fügte er sardonisch hinzu.

Bailey lachte. „Genau! Und Randall Kincaid gleich mit. Ich werde mich sofort darum kümmern.“

Wade musste auch lachen. „Sehr gut. Sobald ich die Information von dir habe, werde ich meinen Beitrag überweisen.“ Er würde sich nicht lumpen lassen.

„Oh danke, Wade. Es macht mich so glücklich, dich mit im Boot zu haben.“

Er war auch froh. Schon in der Schule hatte Bailey in ihm den Wunsch geweckt, sie, wenn nicht sogar die ganze Welt zu retten.

„So, nun muss ich aber los. Wie wäre es, wenn wir uns in einigen Wochen zu einer Videokonferenz treffen? Ich könnte aber auch nach L. A. kommen.“ Er sehnte sich danach, wieder bei ihr zu sein. „Ich könnte mir wieder eine Hotelsuite nehmen.“

„Du könntest aber auch mein Hausgast sein. Das Haus ist groß genug. Wir hätten mehr Zeit zum Arbeiten und Entspannen.“

Wade zögerte. Bailey und er unter einem Dach. Wäre das nicht zu riskant? Dann gab er sich einen Ruck. „Danke, ich nehme deine Einladung gern an.“

„Dann ist das also abgemacht.“ Ordnend strich sie sich über den Zopf, der schon recht strapaziert aussah. „Sag einfach Bescheid, wann du Zeit hast.“

„Wahrscheinlich übernächstes Wochenende. Ich muss in meinen Terminplan gucken. Jetzt wird es aber Zeit für mich. Wenn ich mich jetzt nicht auf den Weg zum Flughafen mache, gibt mein Pilot eine Vermisstenmeldung auf.“ Er stand auf und klopfte sich den Staub von der Jeans.

Bailey stand auch auf. Sie sahen einander in die Augen. Sie senkte den Blick zuerst, und Wade atmete aus.

„Ich melde mich“, sagte er. Zwar wusste er nicht, was auf ihn zukäme, aber er wollte es herausfinden. Ein Wiedersehen mit Bailey war einfach zu verlockend.

4. KAPITEL

In den vergangenen beiden Wochen war Bailey damit beschäftigt gewesen, ein Drehbuch zu überarbeiten. Das hatte sie jetzt erledigt. Nun konzentrierte sie sich darauf, ihr Haus besuchsfertig zu machen – für Wade.

Bailey hatte viele Dinge, die sie sammelte: Bücher, Übertöpfe, antike Teekessel und Schreibmaschinen. Außerdem webte sie Wandteppiche, kreierte Kühlschrankmagneten, zog Kerzen und stellte Lotionen, Shampoos, Duschgels und Lippenbalsam her. Im Garten hinter dem Haus baute sie Gemüse und Kräuter an und hatte Obstbäume gepflanzt. Es machte ihr Spaß, sich selbst um Haushalt und Garten zu kümmern und über alles selbst zu entscheiden, statt Gärtnern und Hausangestellten die Arbeit zu überlassen, wie es in ihrem riesigen Elternhaus üblich gewesen war.

Ihr kleines Paradies lag auf dem Gipfel einer Serpentinenstraße. Das Haus umfasste drei Schlafzimmer, zwei Badezimmer, Küche, Wohnzimmer und andere Räume inmitten mächtiger Eichen, Weiden und Ahornbäume. Auch immergrüne Sträucher und Chaparral wuchsen hier reichlich.

Im Gästezimmer, wo Wade schlafen sollte, hatte sie das Bett dreimal neu bezogen. Nun strich sie andächtig über die Bettdecke und stellte sich vor, wie Wade sich darunter ausstreckte.

Schlief er nackt? War er Frühaufsteher? Duschte er ausgiebig unter dem heißen Wasserstrahl? Ob er wohl Shampoo und Duschgel benutzte, das sie extra für ihn komponiert hatte?

Sie öffnete die Jalousien etwas, um die Sonne hereinzulassen. In etwa einer Stunde müsste Wade eintreffen. Hoffentlich war es kein Fehler gewesen, ihn einzuladen. Aber sie wollte eben möglichst viel Zeit mit ihm verbringen.

Nachdenklich setzte sie sich auf die Bettkante. Wade führte ein ganz anderes Leben als sie, beschäftigte viel Personal, wie wohl jeder Milliardär. Im Gegensatz zu ihr selbst entstammte er jedoch keinem wohlhabenden Elternhaus, sondern war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Trotzdem waren sie beide gemobbt worden, und nun setzten sie sich gemeinsam für Baileys Stiftung ein. Wade war zum wichtigsten Verbündeten von Erleichtere dein Herz geworden.

Bailey stand wieder auf und strich verträumt die Bettdecke glatt. Gestern Abend hatte nicht viel gefehlt und sie wäre unter die Decke geschlüpft, um sich vorzustellen, neben Wade zu liegen. Doch sie hatte sich zusammengerissen. Sie war doch keine Stalkerin! Diese sexuelle Besessenheit erlebte sie zum ersten Mal. Margot war von Zeke besessen. Jedenfalls hatte Bailey ihr das mal vorgeworfen. Und nun passierte ihr genau dasselbe – mit Wade. Würde es ihr gelingen, ihre Beziehung aufs Geschäftliche zu beschränken? Bailey hatte da so ihre Zweifel. Sie müsste sich sehr zusammenreißen, sonst fiele sie ihm schon an der Tür um den Hals.

Um sich abzulenken, marschierte Bailey in die Küche und bereitete aus im Garten frisch geernteten Zitronen eine Limonade zu. Da sie nicht wusste, ob Wade überhaupt Limonade trank, hielt sie auch andere Getränke im Kühlschrank bereit und natürlich Lebensmittel. Sie wollte am Wochenende für Wade kochen. Das wäre wohl das Mindeste, um sich für seine großzügige Unterstützung zu revanchieren.

Plötzlich fiel Bailey auf, dass sie sich über all den Vorbereitungen noch gar nicht zurechtgemacht hatte. Schnell machte sie sich im Badezimmer frisch, legte ein leichtes Make-up auf und machte sich daran, einen Fischgrätenzopf zu flechten. Kritisch betrachtete sie ihr Outfit aus leicht zerrissenen Jeans und rückenfreiem Top aus den Siebzigern. Im Laurel Canyon war schließlich die Folk- und Rockszene der Hippiebewegung entstanden. Bailey gefiel der Stil. Wenn sie Zeit hatte, stöberte sie auf Flohmärkten und montags im Goodwill-Laden nach Vintage-Klamotten. Dort hatte sie auch das kleine Schwarze gefunden, das sie zur Jahresfeier getragen hatte. Insgeheim rebellierte sie wohl noch immer gegen ihre Beverly-Hills-Herkunft.

Welchen Frauentyp Wade wohl bevorzugte? Jedenfalls hatte es zwischen Wade und ihr ganz schön geknistert.

Als es klingelte, wirbelte Bailey so schnell herum, dass sie fast gegen die Badezimmertür geprallt wäre. War Wade schon da?

Sie atmete tief durch, lief zur Tür und sah zur Sicherheit erst mal durch den Spion. Da stand tatsächlich ihr alter Schulfreund, in den sie damals schon verschossen gewesen war und der es inzwischen zum Milliardär gebracht hatte.

Bailey öffnete die Tür. „Hallo“, sagte Wade so strahlend, dass Baileys Pulsfrequenz sich massiv erhöhte.

Als sie ihn hereingebeten hatte, ließ er begehrlich den Blick über sie gleiten. Sofort wurde ihr bewusst, dass sie keinen BH trug. Ihre Nippel zeichneten sich unter dem dünnen Stoff ab – ein deutliches Zeichen für Baileys Erregung.

Wade sah einfach unwiderstehlich aus: Das Haar aus der Stirn gestrichen, den Rucksack über eine Schulter geworfen, die Augen schimmerten sehr grün mit nur einem Hauch von Grau.

„Komm, ich zeige dir alles.“ Zuerst führte sie ihn ins Gästezimmer. „Hier bist du untergebracht.“

„Danke.“ Er setzte den Rucksack auf dem Bett ab und ging zum Fenster. „Das ist ja ein toller Ausblick auf den Canyon.“ Er wandte sich wieder um. „Und dein Haus liegt sehr geschützt.“

„Ja.“ Sie öffnete die Tür zum Badezimmer. „Ich habe Shampoo und Duschgel für dich gemacht. Aber du brauchst es natürlich nicht zu benutzen.“

„Du hast es selbst zusammengestellt?“ Wade staunte, griff nach den Flaschen und schnupperte daran. „Natürlich benutze ich es.“

„In das Duschgel habe ich etwas Zedernöl gemischt, damit es eine männliche Note erhält. Im Shampoo sind Minze und Teebaumöl.“

„Toll, dass du dir die Mühe gemacht hast. Ich finde es sexy, nach deinen Vorstellungen zu duften.“ Verlegen schraubte er die Flaschen wieder zu. „Entschuldige, das hätte ich nicht sagen sollen.“

„Kein Problem.“ Unsicher zupfte sie an ihrem Top. Sie hätte einen BH darunter tragen sollen. „Komm, ich führe dich weiter herum.“ Sie zeigte ihm das ganze Haus, mit Ausnahme ihres Schlaf- und Badezimmers. Er musste ja nicht unbedingt sehen, wo sie schlief und badete und von ihm träumte.

„Das Haus ist eine alte Jagdhütte aus den Zwanzigern“, erzählte sie und führte ihn ins Arbeitszimmer. „Seitdem wurde es immer wieder umgebaut.“

„Es hat eine charmante Ausstrahlung und passt zu dir, Bailey.“ Interessiert betrachtete er ein Regal voller alter Schreibmaschinen. „Cool. Von diesen alten Geräten geht etwas Mystisches aus.“

„Das finde ich auch.“ Sie ließ den Blick zu Wades Tattoo am Handgelenk wandern. Eines Tages war er damit in der Schule aufgetaucht und hatte ihr stolz erzählt, es handelte sich um eine frühe Computercodierung. „Ich habe frische Limonade gemacht. Magst du ein Glas?“, fragte sie freundlich.

Wade kam näher. „Gern. Machst du alles selbst?“

„Nicht alles. Aber ich habe gern immer was zu tun.“

Sie stellte Karaffe und Gläser auf die Glasplatte des Tisches in der Mitte der kleinen Sitzgruppe im Innenhof. Die Bergluft war frisch und klar.

Interessiert ließ Wade den Blick schweifen, als sie am Tisch saßen. „Du hast es wirklich sehr hübsch hier. Und das Wetter spielt auch mit.“

Bailey nickte. Ob er mich auch hübsch findet?, überlegte sie. Immerhin hatte sein begehrlicher Blick ihre wie Kirschkerne harten Nippel gestreift. Entschlossen versuchte sie, den Fokus auf den eigentlichen Grund für Wades Besuch zu lenken. „Was hältst du von meinem Geschäftsplan?“

Wade blinzelte, hatte sich aber schnell gefangen. „Der ist großartig. Dir werden demnächst weitere Spenden zugehen. Dein Konzept stößt auf großes Interesse. Ich habe auch eine Immobilie für das Zentrum an der Hand. Es handelt sich um eine viktorianische Villa in Pasadena. Einer meiner Geschäftspartner vermietet sie an Stiftungen für Veranstaltungen, um Spendengelder einzuwerben. Er ist bereit, das Anwesen deiner Stiftung zu überschreiben, damit du dort das Bildungszentrum einrichten kannst.“ Wade beugte sich vor. „Allerdings gibt es einen Haken.“

So etwas hatte Bailey bereits vermutet. „Was erwartet er denn als Gegenleistung?“

„Er ist ein älterer Herr, dem auf der ganzen Welt Immobilien gehören. Und ihm bereitet es große Freude, sich mit Hollywoodstars zu umgeben. Er wünscht, dass deine Stiftung ein Galadiner in der Villa veranstaltet, um Gelder einzuwerben, und er möchte die Zusage von dir, dass deine Mutter an der Veranstaltung teilnimmt. Er würde sie furchtbar gern kennenlernen.“

Bailey umfasste ihr Glas fester. „Du hast ihm erzählt, dass ich Eva Mitchells Tochter bin?“

„Nein, das hat er selbst recherchiert. Es geht ihm nur um diese eine Veranstaltung. Danach wird die Immobilie ganz offiziell in deinen Besitz übergehen, Bailey.“

Es klang so simpel, doch für Bailey war es kompliziert. „Das ist ein fantastisches Angebot. Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für undankbar, aber mir ist nicht ganz wohl bei der Vorstellung, meine Mutter hineinzuziehen. Sie wusste zwar, dass ich in der Schule gemobbt wurde, hat aber keine Ahnung, dass sie der Grund dafür war. Ich habe nie den Mut aufgebracht, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Das müsste ich aber tun, wenn ich sie bitten würde, zu der Gala zu kommen.“

„Wenn dir das zu unangenehm ist, findet sich bestimmt auch eine andere Immobilie“, antwortete Wade behutsam. „Ich würde das Angebot dann für dich ablehnen.“

„Vielleicht brauche ich einfach noch etwas Zeit, darüber nachzudenken. Wie soll ich mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehen, wenn ich nicht einmal meiner Mutter reinen Wein einschenke?“

„Es ist wirklich nicht notwendig, jedes Detail publik zu machen, Bailey.“

„Ich weiß.“ Das hatte sie schon selbst für sich entschieden. „Aber ist es nicht scheinheilig, eine Antimobbingkampagne zu starten, wenn ich über meine eigenen Erfahrungen die Decke des Schweigens hülle?“

Als Wade den Blick abwandte, überlegte sie, ob er wohl auch peinliche Geheimnisse hütete. Doch das war seine Sache, sie hatte genug Probleme.

„Wie auch immer ich mich entscheide, eins steht fest: Du hast innerhalb der vergangenen zwei Wochen weit mehr erreicht als ich in Monaten.“

„Ach, ich habe eben viele Verbindungen.“

„Ich auch. Aber die meisten potenziellen Sponsoren, die ich kenne, kommen aus dem Dunstkreis meiner Familie. Also mache ich einen Bogen um sie. Selbst als Drehbuchautorin habe ich mich immer bemüht, unabhängig zu bleiben. Natürlich habe ich auch davon profitiert, erfolgreiche Eltern zu haben. Mein Dad hat mir nicht nur den Truck hinterlassen. Von dem Geld, das er mir vererbt hat, habe ich dieses Haus gekauft. Es ist mein Zufluchtsort. Hier kann ich ungestört arbeiten.“

„Das glaube ich dir aufs Wort. Mir gefällt, dass du das Grundstück nicht eingezäunt hast.“

„Ja, das ist auch für die Tierwelt wichtig. Nachts kann ich die Kojoten heulen hören. Nur im Garten habe ich einige Bereiche vor Wildfraß geschützt.“ Die rustikalen Holzeinfriedungen hatte sie selbst errichtet.

„Dann werde ich die Kojoten wohl heute Nacht auch hören“, meinte Wade.

„Vermutlich. Hast du einen leichten Schlaf?“

„Ja, ich wache beim geringsten Geräusch auf.“

„Ich auch.“ Dann lagen sie wahrscheinlich Wand an Wand wach und versuchten, ihre gegenseitige Anziehungskraft zu unterdrücken.

„Warum heulen Kojoten eigentlich nachts?“, fragte Wade. „Hat es was mit der Paarung zu tun?“, fügte er heiser hinzu.

Bailey wurde es heiß. „Ja, aber der Heulton klingt wie eine Aufforderung. Normalerweise heulen Kojoten, um zu kommunizieren und um Revierkonflikte zu vermeiden.“

„War ja klar, dass du darüber Bescheid weißt.“

„Ich gehe einer Sache eben gern auf den Grund.“ Sie sah, dass sein Glas fast leer war. „Möchtest du noch Limonade?“

„Nein, danke. Aber ich würde dich gern zum Abendessen ausführen.“

„Ich würde gern selbst kochen, wenn es dir nichts ausmacht. Quasi als Dankeschön für deine großartige Hilfe.“

„Wie könnte ich das ablehnen? Von dir würde ich alles annehmen.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Wirklich alles.“

Ihr Puls raste. „Bist du jetzt hungrig? Dann fange ich gleich mit der Zubereitung an.“

„Ich bin definitiv hungrig.“

Ich auch, dachte Bailey. Auf ihn. Und er offensichtlich auch auf mich. Aber es gibt nur Abendessen!

Also verschwand Bailey in der Küche. Wade ging in sein Zimmer, um den Rucksack auszupacken. Er musste einen Moment allein sein, um sein Verlangen nach Bailey in den Griff zu kriegen. Vielleicht würde eine Dusche helfen. Doch wenn er das Duschgel ausprobierte, das Bailey für ihn komponiert hatte, würde er sich erst recht nach ihr sehnen. Das war irgendwie animalisch. Direkt urwüchsig.

Schnell verstaute er seine Sachen, atmete tief durch und schlenderte Richtung Küche.

Bailey stand am Herd und kochte. Sie hatte sich eine Schürze umgebunden, die aber den nackten Rücken nicht verhüllen konnte.

„Kann ich helfen?“

Erschrocken wirbelte sie herum. „Ich habe dich gar nicht gehört. Du hast mich erschreckt, Wade.“

„Tut mir leid.“ Leider verdeckte die Schürze ihre Brustwarzen, die sich vorhin vorwitzig gegen den dünnen Stoff des Tops gedrängt hatten. „Ich wollte nur wissen, ob ich helfen kann.“

„Ach so. Du könntest die Gurken schneiden – für den Salat.“

„Geht klar. Was genau gibt es denn?“

„Hähnchenschnitzel, in Zitronenbutter geschwenkte Spaghetti, Spinat und geröstete Spargelstangen. Dazu ein Salat aus Gurke und Erdbeeren in Mohndressing.“

„Wow! Wo hast du gelernt, so zu kochen?“

„Ich habe unserem Koch zugesehen, als ich Kind war. Eigentlich habe ich damals alle beobachtet – den Gartenarchitekten, den Handwerkern, den Haushälterinnen. Ich wollte alles von ihnen lernen.“

Bailey flitzte in der Küche hin und her, während Wade die Gurke schnippelte, die Erdbeeren abspülte, klein schnitt und alles zusammen ins vorbereitete Dressing gab.

Sie aßen am Esszimmertisch, umgeben von einem wahren Sammelsurium an Möbeln und Ornamenten. Wade fühlte sich wohl in diesem hübschen Chaos und überlegte, ob Bailey auch im Bett unkonventionell wäre. Natürlich würde er keine Gelegenheit haben, das herauszufinden, denn Bailey hatte ihn ja nicht eingeladen, um eine Affäre mit ihm anzufangen.

Er lobte das köstliche Abendessen. Die Schürze hatte sie abgelegt, sich aber ein Sweatshirt übergezogen. Wade dachte sich seinen Teil.

„Hast du dir die Immobilie in Pasadena eigentlich selbst angesehen?“, fragte sie unvermittelt.

„Nein, aber ich kann jederzeit einen Besichtigungstermin vereinbaren, wenn du willst. Tut mir leid, dass das Angebot an eine Bedingung geknüpft ist.“

„Mir tut es leid, so zurückhaltend reagiert zu haben. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist schon immer schwierig gewesen.“ Sie wickelte Spaghetti auf ihre Gabel. „Schon seltsam, dass dein Geschäftspartner bereit ist, sich von dieser Immobilie zu trennen, wenn er dafür meine Mutter kennenlernen darf.“

Autor

Zuri Day
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Fiona Brand
Fiona Brand ist eine Autorin aus Neuseeland. Derzeit lebt Sie an der wunderschönen „Bay of Islands“, einem subtropischen Paradies zum Angeln und Tauchen. Dort genießt Sie die traumhafte Natur zusammen mit ihren beiden Söhnen, zwei Wellensittichen und einem Goldfisch.

Sie liebt Bücher seit sie alt genug ist Seiten umzublättern Mit...
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