Baccara Extra Band 27

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  • Erscheinungstag 01.03.2022
  • Bandnummer 27
  • ISBN / Artikelnummer 8095220027
  • Seitenanzahl 496

Leseprobe

Robyn Grady, Dani Wade, Jules Bennett, Janice Maynard

BACCARA EXTRA BAND 27

1. KAPITEL

Cool. Gelassen.

Zack Harrison ließ sich nicht so leicht erschüttern.

Für ihn war der verspätete Wintereinbruch in Denver an diesem Nachmittag kein Problem, sondern einfach nur ein malerisches Naturschauspiel. Genau wie er den geschäftlichen Rückschlag von heute lediglich als Herausforderung und nicht als Misserfolg betrachtete. Es war ohnehin reizvoller, ein Ziel zu erreichen, wenn es eine gewisse Anstrengung erforderte, befand er, als er seinen Mantel überzog und nach seiner Aktentasche griff. Dann musste er eben … einfallsreicher sein.

Was die Presse anging, war er genauso entspannt. Die Schlagzeilen des letzten Monats waren mehr als lächerlich gewesen. Danach war er nichts weiter als ein Unmensch, der bedürftige Familien aus ihren Wohnungen vertrieb, um sein finsteres Imperium zu vergrößern. Und dann dieser Artikel darüber, wie schlecht er die junge Schauspielerin behandelt hätte, mit der er eine Weile ausgegangen war. Dabei waren Ally und er sich von Anfang an einig gewesen, dass ihre Beziehung völlig zwanglos war. Und jetzt zog sie in den Medien schamlos über ihn her, bloß weil er ihr keinen Diamantring an den Finger stecken wollte. Als ob er sich erpressen ließe!

Doch als er aus dem Hotel trat, die Tür eines wartenden Taxis öffnete und sich auf der Rückbank niederließ, verflog seine Gelassenheit, und er wich erschrocken zurück. Er brauchte ein paar Sekunden, um die unerwartete Gesellschaft in Augenschein zu nehmen, bevor er sich vorbeugte und dem Fahrer auf die Schulter tippte.

„Ihr letzter Fahrgast hat etwas vergessen.“

Der Fahrer drehte sich um. „Eine Brieftasche?“

„Nein“, antwortete Zack. „Ein Baby.“

Die andere Wagentür wurde geöffnet. Ein kalter Luftzug wehte herein, zusammen mit einer Frau in einem kirschroten Kapuzenmantel. Sie platzierte ein Reiseköfferchen auf ihrem Schoß und zog die Tür hinter sich zu, um dem heulenden Schneegestöber zu entkommen. Erst dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung. Unter ihrer Kapuze blickte sie überrascht zwischen der Babytrage und Zack hin und her.

„Ich war so in Eile, dass ich Sie nicht habe einsteigen sehen“, sagte sie. „Eigentlich habe ich fast gar nichts sehen können. Verrückt, dieser Schnee, nicht wahr?“

Zack sah sie aufmerksam an. „Ja“, erwiderte er lächelnd. „Verrückt.“

„Mir kam es ewig lange vor, seit ich das Taxi bestellt hatte. Ich dachte schon, es würde nie eins kommen.“

Zacks Lächeln erstarb. Hatte er ihr das Taxi weggenommen? Als er vor wenigen Minuten ausgecheckt hatte, hatte man ihm am Empfang ein Taxi gerufen. Und als er beim Verlassen des Hotels das Fahrzeug dort stehen sah, hatte er einfach angenommen, dass es seins war.

Dieses Problem ließ sich leicht lösen. Er beugte sich wieder vor, um mit dem Fahrer zu sprechen.

„Hat man Sie herbestellt?“

„Nein, ich komme gerade vom Flughafen.“ Der Mann hinter dem Lenkrad schob sein Basecap aus der Stirn und stellte das Taxameter an. „Da dachte ich, ich fahre mal hier vorbei und versuche mein Glück.“

„Zum Flughafen.“ Rotkäppchen beugte sich ebenfalls nach vorn. „Genau da muss ich hin. Ich muss zurück nach New York zu einem Interview gleich morgen früh. Ich bin Reporterin für Story Magazine“, fügte sie erklärend hinzu.

Trotz seines Widerwillens bemühte sich Zack, angemessen beeindruckt zu wirken.

Dann zog sie die Kapuze zurück. Der Schatten, der ihr Gesicht bedeckt hatte, verschwand, und Zack stockte der Atem.

Abgesehen von den rosigen Wangen, war ihre Haut makellos weiß – wie Porzellan. Langes schwarzes Haar fiel ihr über die Schultern. Und ihre funkelnden Augen strahlten in einem faszinierenden Violett, wie er es noch nie gesehen hatte.

Zack war in seinem Leben schon mit vielen schönen Frauen ausgegangen. Frauen, die sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zogen, sobald sie einen Raum betraten, und die gern ihre Macht über das andere Geschlecht ausspielten. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, je einer Frau begegnet zu sein, deren Gegenwart ihm buchstäblich den Atem raubte. Und das nicht bloß wegen ihres Aussehens. Diese Klarheit in ihren Augen, diese selbstsichere und zugleich arglose Art zu sprechen …

Irgendwie leuchtete diese Frau von innen heraus.

Nach den erfolglosen Gesprächen mit dem Besitzer des Hotels wollte er eigentlich schnell nach Hause in seine komfortable Hütte, in der er sich immer entspannte, wenn er in Colorado war. Aber die reizende Frau in Rot hatte es offensichtlich ebenso eilig und wollte Denver und sein ungastliches Wetter schleunigst hinter sich lassen. Daher würde er als Gentleman gern auf das nächste Taxi warten.

Außerdem konnten sie und der Fahrer dann unter sich ausmachen, was sie mit dem Baby zu tun gedachten, das glücklicherweise immer noch fest schlief.

Die Frau blickte auf das Kind. „Wie ich sehe, müssen Sie sich um Ihr Töchterchen kümmern. Sie ist wirklich entzückend.“ Seufzend wandte sie sich ab. „Ich werde mal nachfragen, wo mein Taxi bleibt.“

Als sie sich umdrehte, um die Tür zu öffnen, griff Zack hastig nach ihrem Ärmel. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Außerdem irrte sie sich.

„Das ist nicht mein Baby.“

Der Fahrer schnaubte. „Und es ist ganz sicher auch nicht meins.“

Die Frau blinzelte irritiert. „Nun, sie sieht ein bisschen zu jung aus, um allein zu reisen“, bemerkte sie lächelnd.

„Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass es ein Mädchen ist?“, hakte Zack nach.

„Schauen Sie, wie hübsch sie ist.“ Lächelnd betrachtete sie das Baby, das im Schlaf die winzigen rosafarbenen Lippen schürzte. „Es ist ganz sicher ein Mädchen.“

Der Fahrer klopfte mit dem Daumen aufs Lenkrad. „Das Taxameter läuft, Leute.“

„Natürlich überlasse ich Ihnen das Taxi“, sagte die Frau in Rot.

Zum zweiten Mal an diesem Tag schwand Zacks Gelassenheit. Er spürte, wie sein Mund trocken wurde. Eigentlich hatte er vorgehabt, diesen Nachmittag mit einem Brandy vor einem behaglichen Kaminfeuer zu beenden. Stattdessen war er nun in diese heikle Situation geraten.

„Was sollen wir mit ihr machen?“, fragte Zack.

„Wieso wir, Kumpel?“, hakte der Fahrer nach.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das nicht mein Baby ist“, stellte Zack ein wenig verärgert klar. „Wen haben Sie denn zuletzt gefahren?“

„Einen achtzigjährigen Mann mit einem Stock.“ Der Fahrer legte den Gang ein. „Er wollte nach Jersey fliegen, um seine Familie zu besuchen. Und er hatte ganz sicher kein Baby bei sich.“

Die Miene des Mannes schien zu sagen: Ich weiß ja nicht, was für ein Spiel du hier spielst, Freundchen, aber versuch bloß nicht, deine Probleme auf mich abzuwälzen.

Zack fluchte leise. Wie oft musste er es noch sagen? Das war nicht sein Baby! Wenigstens schien die Frau ihm zu glauben.

„Ob jemand das Baby ausgesetzt hat?“, fragte sie erschrocken. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.

„Ich schätze, das wird die Polizei herausfinden müssen.“

Zack gefiel die Situation überhaupt nicht. Warum sollte er sich jetzt darum kümmern? Er hatte nicht die geringste Ahnung von Babys. Aber die Frau war berechtigterweise in Eile, und der Typ am Steuer war entweder ein besserer Schauspieler als Tom Hanks, oder er hatte tatsächlich keinen Schimmer. Nur der Himmel wusste, wie ein Baby allein auf den Rücksitz eines Taxis kommen konnte. Doch er war es gewesen, der das Kind gefunden hatte. Daran war nicht zu rütteln.

Er streckte die Hand nach dem Griff der Babytrage aus.

„Na gut, ich werde sie zur Polizeiwache bringen“, sagte er leise. Er wollte nicht, dass sie aufwachte und weinte. „Die können dann das Jugendamt verständigen.“

„Aber es könnte Stunden dauern, bis die sie abholen.“

„Alles, was ich weiß, ist, dass ein Baby nicht ewig schläft, und ich trage keine Windeln in meiner Brusttasche mit mir herum.“

Die Frau hob die Decke an und durchsuchte die Babytrage. „Hier ist ein Fläschchen, etwas Milchpulver und ein paar Windeln“, sagte sie ruhig.

„Die Beamten auf der Wache werden das sehr zu schätzen wissen.“

„Ich bin sicher, dass sie unendlich dankbar sein werden“, erwiderte sie spöttisch.

Worauf wollte sie hinaus? Er war Geschäftsmann, du liebe Güte, und kein Babysitter – ganz egal, wie niedlich das Baby auch war.

Der Fahrer stellte den Rückspiegel ein. „Soll ich euch zwei Turteltäubchen an irgendeinem Café rauslassen, damit ihr das unter euch ausmachen könnt?“

„Wir sind keine Turteltäubchen.“ Zack umklammerte den Tragegriff fester, während die Frau ihm herausfordernd in die Augen blickte. Dann überraschte sie ihn erneut. Sie streckte den Arm aus und schloss ihre Hand um seine.

Er spürte die Berührung ihrer Finger, und ein heißer Schauer jagte durch seinen Körper. Im gleichen Augenblick nahm er ihren Duft wahr, ein dezenter Hauch von Zitrone. Und er bemerkte, dass sie keinen Ring an ihrer linken Hand trug. Seine außer Kontrolle geratenen Gedanken spielten mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie dieser Tag weitergehen könnte.

„Fahren Sie ruhig“, sagte sie. Ihre Finger hielten den Griff fest, während er seine Hand widerwillig zurückzog. „Ich werde sie wieder mit ins Hotel nehmen. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass sie auf einer Polizeiwache warten muss. Wer weiß, was da für Typen herumlungern.“

Zack wollte widersprechen, doch im Grunde musste er ihr recht geben. Ein Polizeirevier war nicht gerade die passende Umgebung für einen Säugling. Außerdem wirkte die Frau absolut vertrauenswürdig. Das Baby wäre bei ihr sicher in guten Händen, bis die zuständigen Behörden es in Obhut nehmen würden.

Doch jetzt musste er der Frau in Rot erst einmal helfen, das Kind durch den Schnee ins Warme zu bringen.

„Ich begleite Sie hinein.“

„Das ist nicht nötig.“

Sie öffnete die Tür und winkte in Richtung des Hoteleingangs. Zack warf einen Blick durch das Autofenster. Ein uniformierter Page kam mit einem riesigen Regenschirm durch das Schneegestöber herbeigelaufen.

James Dirkins, der aktuelle Hotelbesitzer, hatte das erste Angebot der Harrison-Hotelkette abgelehnt, doch in diesem Augenblick war Zack entschlossener als je zuvor. Wenn er den Deal erst abgeschlossen und das Hotel gekauft hatte, würde er als Allererstes die Zufahrt überdachen lassen. Kein Wunder, dass das Hotel nicht ausgelastet war.

Die Frau reichte dem Hotelangestellten ihr Gepäck und hob die Babytrage vom Rücksitz. Der Page schlug die Tür zu, und Zack sah ihnen nach, wie sie im dichten Schnee verschwanden.

„Wollen Sie auch zum Flughafen, Kumpel?“

Zack starrte immer noch in die Flocken. „Zu einer Privatadresse“, murmelte er.

„Soll ich etwa raten?“

Doch Zack hörte gar nicht zu.

Die Frau in Rot … Er kannte nicht einmal ihren Namen.

„Sie könnten sich auch ein eigenes Taxi kaufen, so wie Sie die Uhr hier laufen lassen“, meinte der Fahrer. „Nicht dass ich mich beklagen möchte.“

Zack lauschte. War das der Wind, der da draußen heulte, oder weinte ein Baby?

Er schloss die Augen und zählte bis drei. Es kam nicht oft vor, dass Zack Harrison sich in die Ecke gedrängt fühlte. Doch jetzt zog er seufzend seine Brieftasche hervor und ließ einen Geldschein auf den Vordersitz fallen. „Warten Sie hier. Ich komme gleich wieder.“

Trinity Matthews wusste genau, worauf sie sich eingelassen hatte. Stundenlanges Warten in einer Stadt, in der sie keine Menschenseele kannte. Dennoch konnte sie ihre Entscheidung jetzt, da sie mit der Babytrage im Arm über den polierten Marmorboden auf den Empfangstresen zuging, nicht bereuen.

Die Leute vom Jugendamt taten ihr Bestes, aber die Wartelisten waren lang und gute Pflegefamilien knapp. Das wusste sie aus schmerzhafter Erfahrung. Sie hatte selbst einmal überlegt, in der Familienfürsorge zu arbeiten, doch dann hatte sie entschieden, dass sie nicht die Richtige dafür war. So viele vernachlässigte und verlassene Kinder … sie hätte jedes Einzelne mit nach Hause nehmen wollen. Trinity blickte auf das schlafende Baby, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Niemand verdiente es, einfach weggeworfen zu werden. Schon gar nicht dieser kleine Engel.

Sie hörte Schritte hinter sich und drehte sich um. Der Mann aus dem Taxi – der mit diesen unglaublichen mitternachtsblauen Augen, der samtigen Baritonstimme und dem Lächeln, das ihr so seltsam vertraut schien – kam hinter ihr hergelaufen. Eine Locke seines schwarzen Haares war ihm in die Stirn gefallen. Als er näher kam, fühlte sich Trinity für einen Augenblick ein wenig atemlos. Erst jetzt konnte sie sehen, wie groß und athletisch er war. Was für ein gut aussehender Mann!

Wieder befiel sie das leise Gefühl, dass sie ihn kannte … und ihm besser nicht trauen sollte.

Dann streckte er ihr die Hand entgegen, und mit einem Mal fügten sich alle Puzzleteilchen zusammen. „Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen“, sagte er. „Zackery Harrison.“

Natürlich! Hier im hellen Licht ließen die eindrucksvolle Statur, das umwerfende Aussehen und die erfolgsgewohnte Ausstrahlung keinen Zweifel. Im wahren Leben war Zack Harrison geradezu unverschämt sexy. Und von dem, was sie über ihn gelesen hatte, wusste sie, dass er außerdem ein gieriger, egoistischer Schuft war.

Doch dies war weder der passende Ort noch der richtige Zeitpunkt, Mr Harrison zur Rechenschaft zu ziehen und ihm die Meinung zu sagen. Sie holte tief Luft und stellte sich ebenfalls vor.

„Ich bin Trinity Matthews.“

„Miss Matthews.“ Er blickte souverän und siegessicher, genau wie auf den zahlreichen Fotos in den Klatschmagazinen. Egal ob er im eleganten Maßanzug mit Krawatte abgelichtet wurde oder mit nacktem Oberkörper auf seiner Yacht. „Ich habe über das Ganze noch einmal nachgedacht, und ich möchte helfen.“

Sie musterte prüfend seine freundliche Miene.

„Warum?“, fragte sie schließlich.

Seine Augen blitzten wachsam. „Weil ich etwas Zeit habe und Sie zurück nach New York müssen.“

Trinity bemerkte sein atemberaubend strahlendes Lächeln – das gleiche Lächeln, das sie vorhin im Taxi bereits fasziniert hatte. Der gleiche Blick, mit dem er schon ein paar der schönsten Frauen des Landes verführt und einige wichtige Leute dazu gebracht hatte, zu seinem wirtschaftlichen Profit Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Sie kochte vor Wut, wenn sie an selbstsüchtige, geldgierige Typen wie Zack Harrison dachte.

Was sie wiederum an das Baby erinnerte, das gerade jetzt ihre Hilfe benötigte. Wem gehörte dieses Baby? Was war mit der Kleinen geschehen? Trinity konnte sich nicht vorstellen, wie irgendjemand sie weggeben konnte. Sie war so vollkommen. So wunderschön.

„Ich werde einen späteren Flug nehmen“, erwiderte sie. „Vielleicht bin ich nicht gerade ein Experte, wenn es um die Versorgung eines Säuglings geht, aber ich vermute, dass ich immer noch mehr Ahnung habe als Sie.“

Hieß es nicht immer, dass Babys in Frauen mütterliche Instinkte weckten? Natürlich wusste Trinity besser als die meisten anderen, dass es Ausnahmen gab.

Zack Harrison verschränkte die Arme vor der Brust. Sie verstand seine Geste als dezente Aufforderung, nachzugeben und sich auf den Weg nach New York zu machen. Trinity stellte die Babytrage auf den Boden und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust.

„Ich werde nicht abreisen“, verkündete sie. „Nicht bevor ich weiß, dass es ihr gut geht.“

„Ich habe ein Haus nicht weit von hier …“

„Ich sagte Nein.“

Babys brauchten ununterbrochene Fürsorge und Aufmerksamkeit. Und Liebe. Sie bezweifelte, dass Harrison überhaupt ein Herz hatte.

„Meine Nachbarin Mr. Dale kümmert sich um das Haus, wenn ich nicht da bin. Eine rüstige Großmutter von zehn Enkelkindern. Sie liebt Babys und hatte früher sogar Pflegekinder.“

Trinity unterdrückte einen Schauer. Sicher gab es unzählige fabelhafte Pflegemütter. Dennoch konnte sie ihre reflexartige Reaktion nicht verhindern. Für viele Jahre war der Begriff „Pflegemutter“ für sie gleichbedeutend mit der entsetzlichen Nora Earnshaw gewesen, ihrer eigenen Pflegemutter.

„Mr. Dale hat bestimmt immer noch die ganze Ausrüstung – Hochstühle, Spielzeug und so. Und ich weiß, dass sie gern helfen würde“, drängte er weiter. „Sie wollen doch sicher nicht Ihr Interview verpassen.“

Trinity schluckte.

Ihr Beruf bedeutete ihr mehr als irgendetwas sonst. Er gab ihr die Gelegenheit, zu reisen und viele interessante Menschen kennenzulernen. Nachdem sie in einer Kleinstadt in Ohio aufgewachsen war, liebte sie es, jetzt in New York zu leben. Sie hatte dort Freunde gefunden. Sie hatte ein tolles Leben dort.

Doch in ihrer Branche gab es viel Konkurrenz. In diesen Zeiten waren Jobs hart umkämpft. Erst letzte Woche waren drei ihrer Kollegen infolge von Einsparungsmaßnahmen entlassen worden. Sie konnte sich keinen Ärger leisten.

Aber da war nun einmal dieses Baby. Inmitten des Gewimmels von Gästen und Hotelpersonal blickte Trinity wieder auf das kleine Bündel, und es schnürte ihr das Herz ab.

Konnte man Zack Harrison trauen? Und was wusste er wirklich über seine Nachbarin, diese Mr. Dale? Trinitys Pflegemutter hatte nach außen hin auch immer fürsorglich und liebevoll gewirkt.

Sie schüttelte den Kopf. „Wir bleiben hier. Dies ist ein gutes Hotel mit sehr hilfsbereitem Personal.“

„Dieses Baby ist besser bei jemandem aufgehoben, der sich mit Kindern auskennt.“ Seine tiefe Stimme klang entschlossen.

Verdammt, hatte er etwa recht? Sie hatten keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis das Jugendamt auftauchen würde. Und wenn sie einmal ihre eigenen Erfahrungen aus der Vergangenheit und ihr Misstrauen beiseiteließ, konnte es durchaus sein, dass diese Mr. Dale für das Baby genau die Richtige war. Und sie musste sich ehrlich fragen, ob es bei ihrem Misstrauen wirklich um das Wohl des Kindes ging oder um ihre persönliche Abneigung gegen Mr Harrison.

Trinity blickte auf das Baby, das immer noch tief und fest schlief, und gab schließlich nach.

„Na gut“, entschied sie. „Fahren wir.“

„Wir?“

„Ich muss sichergehen, dass sie gut untergebracht ist, bevor ich abreise.“

Zack Harrisons starke Gesichtszüge waren klassisch geschnitten. Seine klaren dunklen Augen wirkten aufmerksam und zugleich gelassen. Ein Mann, der Macht ausübte und dem es gefiel zu wissen, welche Kraft er besaß.

Doch jetzt lag in seinem selbstsicheren Blick noch etwas anderes.

War es Respekt?

„In diesem Fall sollten wir besser gehen, bevor unser Taxifahrer doch noch mit einem anderen Fahrgast verschwindet“, erklärte er.

Sie streckten im gleichen Moment die Hand nach der Babytrage aus. Und ihre Hände berührten sich, und Trinity spürte, wie sie rot wurde. Sie zwang sich, ihre wild gewordenen Hormone unter Kontrolle zu bringen, und richtete sich auf.

„Bevor wir gehen, ist es wohl nur fair, Ihnen zu sagen, dass ich weiß, wer Sie sind.“

Er lächelte. „Ich habe Ihnen gesagt, wer ich bin.“

„Wie jeder andere lese ich Zeitung, Mr Harrison. Sie leiten die Hotelkette Ihrer Familie. Sie sind bekannt dafür, dass Sie alles tun, was nötig ist, um zu bekommen, was Sie wollen.“ Sie zögerte. „Und Sie schmücken sich damit, schöne Frauen zu verführen. Damit wir uns recht verstehen – ich stimme dieser Sache nur zu, weil ich glaube, dass es das Beste für das Baby ist.“

„Nicht etwa, weil ich so unwiderstehlich bin?“

Trinity reckte herausfordernd das Kinn. „Ganz sicher nicht.“

Er kam näher und blickte ihr direkt in die Augen. „Nun, da wir das geklärt haben, sollten wir gehen. Es sei denn, Sie wollten vorher noch etwas anderes erledigen?“

„Wovon reden Sie?“

„Ich dachte, Sie möchten mir vielleicht noch gegen das Schienbein treten, mir eine Ohrfeige geben oder die Ohren lang ziehen.“

Trinity schluckte. Für einen Moment hatte sie geglaubt … ach, das war doch lächerlich.

„Ich werde versuchen, mich zurückzuhalten“, erwiderte sie ein wenig atemlos.

Er warf ihr einen spöttischen Seitenblick zu. „Miss Matthews, Sie haben doch wohl nicht gedacht, dass ich vorhatte, irgendetwas Ungehöriges zu tun – wie Sie in meine Arme zu ziehen und zu küssen? Oder gar über Sie herzufallen?“

Ihre Wangen glühten. Dieser Mann war unverschämt! „Natürlich nicht.“

„Ich bin doch so eine Bestie. Wie können Sie da sicher sein?“

„Ich bin wohl kaum Ihr Typ“, bemerkte sie. „Und selbst wenn ich es wäre, würden Sie nach den wenig schmeichelhaften Medienberichten der letzten Wochen wohl kaum noch weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen.“ Sie blickte sich in der belebten Halle um. „Wir befinden uns an einem öffentlichen Ort. Jeder hier hat ein Handy, und beinahe jedes Handy ist mit einer Kamera ausgestattet.“

Das amüsierte Funkeln in Zack Harrisons Augen erlosch. „Glauben Sie etwa, ich mache mir etwas aus Klatsch und Tratsch?“

„Wohl nicht. Aber vielleicht sollten Sie sich etwas daraus machen.“

„Sie haben recht. Vielleicht sollte ich das.“ Er trat geradezu unverfroren nah an sie heran, und sein durchdringender Blick fesselte sie. „Und vielleicht sollte ich der Welt etwas geben, worüber es sich zu reden lohnt.“

2. KAPITEL

Zack beugte sich vor, blickte in Trinitys veilchenfarbene Augen und vergaß dabei fast, dass er sie nur aufziehen wollte. Er wollte es ihr heimzahlen.

Sie wusste nicht das Geringste über ihn, sondern verurteilte ihn nur auf Grundlage des Blödsinns, den die Klatschpresse über ihn verbreitete. Aber schließlich war sie selbst eine von ihnen – eine Reporterin für irgendein Schmierblatt, von dem er bis heute noch nie gehört hatte. Die meisten Zeitschriften arbeiteten mit dem gleichen Trick, indem sie eine reißerische Schlagzeile oder ein irreführendes Foto zur Sensation aufbauschten und dann einen Artikel dazu schrieben, bei dem es nicht im Mindesten um die Wahrheit ging, sondern einzig darum, die Auflage zu steigern und sich an anderen zu bereichern.

Dennoch wollte er fair sein und dies nicht gegen Miss Matthews verwenden. Zumal sie so verdammt süß war, wenn sie sich aufregte. Würde sie eine Szene machen, wenn er sie wirklich küsste? Oder würde sie sich seinem Kuss ergeben und es so womöglich selbst auf die Titelseiten schaffen?

Er war sehr versucht, es auszuprobieren, doch im letzten Moment änderte er seinen Plan, und seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Baby. Er nahm den Tragesitz und steuerte auf den Ausgang des Hotels zu. Zwei Sekunden später konnte er an dem Klackern ihrer Absätze hören, dass Trinity ihm folgte.

Draußen fiel der Schnee immer dichter aus dem grauen Himmel, der wie eine schwere Decke über den Berggipfeln Colorados lag. Nachdem sie wieder im Taxi saßen, rief Zack mit dem Handy beim Jugendamt an, während das Taxameter lief und lief. Endlich sprach er mit einer Dame, die sich nach seiner Telefonnummer und Adresse erkundigte und versprach, dass sich eine Mitarbeiterin der Behörde so schnell wie möglich mit ihm in Verbindung setzen würde.

„Was haben sie gesagt?“, fragte Trinity, nachdem er das Gespräch beendet hatte.

„Sie werden sich melden.“

„Wann?“

„Sobald sie können.“ Er steckte das Handy weg. „In der Zwischenzeit besorgen wir noch ein paar Windeln und machen uns auf den Weg zu Mr. Dale.“

Wenn das Jugendamt das Baby abgeholt hätte, würde er Trinity ein Taxi zum Flughafen bestellen. Und danach würde er endlich seinen Brandy vor dem Kamin genießen können. Zack überlegte kurz, ob er Trinity einladen sollte, ihm dabei Gesellschaft zu leisten. Nur um zu sehen, ob ihre Neugier über ihre Moral siegen und sie darauf eingehen würde.

Sie hielten an einer Drogerie. Das Baby schlief immer noch, als Zack schließlich zwei Pakete Windeln, Feuchttücher, einige Dosen Milchpulver, Fläschchen, drei kleine Unterhemdchen und Strampelanzüge in den Kofferraum lud. Wie er wusste, waren professionelles Material und gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg jedes Projekts. Außerdem hatte der rosafarbene Strampelanzug eine Kapuze mit kleinen Öhrchen dran. Wer konnte da schon widerstehen?

Als das Taxi eine halbe Stunde später in die lange Auffahrt der Dales einbog, war die Dämmerung bereits über die friedliche, spärlich besiedelte Gegend hereingebrochen. Die Straße war von großen Tannen gesäumt, deren Äste vom schweren Neuschnee niedergedrückt wurden. Eine einsame Straßenlaterne warf gespenstisches Licht über den Vorgarten, doch alle Fenster im Haus waren dunkel.

Trinity schaute aus dem beschlagenen Autofenster nach draußen.

„Niemand zu Hause.“ Sie blickte in Richtung der angrenzenden Wälder. „Wir hätten im Hotel bleiben sollen. Hat Ihr Handy hier draußen überhaupt Empfang?“

„Wenn Sie wieder in die Stadt zurückwollen, sollten Sie sich schnell entscheiden.“ Der Fahrer stellte die Scheibenwischer schneller. „Das entwickelt sich langsam zum Schneesturm.“

Zack dachte einen Augenblick nach, dann gab er dem Fahrer neue Anweisungen. „Fahren Sie weiter. Etwa hundert Meter und dann rechts.“

„Moment mal.“ Trinity umklammerte ihren Gurt wie einen Fallschirm beim Flugzeugabsturz. „Haben Sie gehört, was er gesagt hat? Wenn wir wieder in die Stadt möchten, müssen wir jetzt sofort fahren.“

„Das Jugendamt hat meine Adresse und Telefonnummer. Die wissen, wo wir sind. Wir bleiben einfach hier, bis sie sich bei uns melden.“

Sie schüttelte energisch den Kopf. „Wir fahren zurück.“

„Kommt nicht infrage.“

„Warum nicht?“

„Sie meinen, abgesehen davon, dass es klüger wäre, bei diesem Wetter zu Hause zu bleiben?“ Er schwieg ein paar Sekunden, um das bedrohliche Heulen des Windes draußen wirken zu lassen.

Das Baby bewegte sich. Eine winzige Faust umklammerte die Decke. Zack hielt den Atem an, als die Kleine gähnte und die Stirn in Falten zog.

Das reichte. Sein Entschluss stand fest.

„Meine Hütte ist nur eine Minute von hier entfernt“, sagte er. „Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber ich würde lieber nackt im Schnee tanzen, als im Taxi festzustecken, wenn sie wach wird und anfängt zu weinen.“

Das Baby gab ein leises Wimmern von sich und zog die Nase kraus. Trinity presste die Lippen aufeinander und dachte einen Augenblick nach, bevor sie widerstrebend nachgab.

„Na gut. Dann fahren wir eben zu Ihnen.“

Ohne weitere Zeit zu verschwenden, tippte Zack dem Fahrer auf die Schulter, und das Taxi rollte langsam aus der verschneiten Auffahrt der Dales. Wenn das Baby versorgt war und wieder schlief, bevor die Mitarbeiter des Jugendamtes eintrafen, konnten Miss Matthews und er ihre Entscheidung immer noch überdenken. Vielleicht bei einem Brandy vor einem prasselnden Kaminfeuer.

Trotz ihres Widerstandes verriet ihm sein Instinkt, dass sie sich ebenso zu ihm hingezogen fühlte wie er sich zu ihr. Es könnte interessant werden, sie etwas näher kennenzulernen.

Zack blickte aus dem Fenster und lächelte. Wem wollte er etwas vormachen? In Wahrheit wollte er Miss Matthews gern sehr viel näher kennenlernen.

Als sie kurz darauf aus dem Taxi stiegen, lugte der Mond aus der Wolkendecke hervor und tauchte die Landschaft in silbriges Licht. Trinity verschlug es fast den Atem.

Das hier nannte er eine Hütte?

Beladen mit der Babytrage und den Einkäufen, ging Zack bereits voran zum Eingang des spektakulären Gebäudes. Trinity zog sich die Kapuze über den Kopf und folgte ihm. Er öffnete die schwere Holztür, schaltete das Licht ein und führte Trinity in sein zentralbeheiztes Paradies. Staunend stellte sie das Gepäck auf dem Dielenboden ab.

Das offen geschnittene Untergeschoss war riesig. Es wirkte außergewöhnlich luxuriös und zugleich rustikal und einladend. Auf der rechten Seite befand sich eine offene Küche aus polierter Eiche und dunklem Granit. Im tiefer gelegenen Wohnbereich gab es eine Sitzecke mit ausladenden Ledersesseln, einem riesigen Flachbildfernseher und einer hochmodernen Hi-Fi-Anlage. Im Zentrum der massiven Schieferwand wartete ein großer, offener Kamin nur darauf, dass man ein Feuer in ihm entfachte. Vom Eingangsbereich führte ein Flur zu weiteren Zimmern. Trinity blickte eine offene Treppe hinauf zur Galerie, die von einem geschnitzten Holzgeländer eingefasst wurde.

„Da geht es zu meinem Schlafzimmer“, erklärte er leise.

Sie schluckte. Sein Schlafzimmer. Vor ihren Augen tauchte das Bild auf, wie Zack Harrison entspannt gegen das massive Kopfende seines Bettes lehnte. Eine zerwühlte Decke bedeckte seine schmalen Hüften, seine muskulöse Brust war nackt und sein selbstsicherer Blick herausfordernd und sexy.

Trinity rief sich zur Vernunft. Sie war nicht hier, um über einen Mann zu fantasieren, der sich die Verführung zahlloser Frauen zu seinem persönlichen Freizeitvergnügen auserkoren hatte. Träumereien über seinen unverhohlenen Sexappeal waren hier fehl am Platz, insbesondere nachdem sie sich vorhin im Hotel so zum Narren gemacht hatte. Sie errötete bei dem Gedanken daran, dass sie wirklich geglaubt hatte, er wolle sie küssen.

Während Zack die Babytrage und die Einkäufe abstellte, vertrieb Trinity die Schmetterlinge in ihrem Bauch und schlüpfte aus ihrem Mantel.

„Ihr Haus ist wunderschön“, bemerkte sie.

„Ich verbringe nicht viel Zeit hier“, sagte er. „Eigentlich lebe ich in New York, genau wie Sie. Aber das wissen Sie ja sicher bereits.“

Sie ignorierte seinen spöttischen Ton und sah sich weiter im Raum um. „Dann ist das hier so etwas wie ein Refugium?“

„Wir haben früher oft mit der Familie Winterurlaub in Colorado gemacht.“ Er zog sein Jackett aus. „Als ich dann älter wurde, bin ich weiter hergekommen und habe diese Gegend hier entdeckt. Eine wunderschöne Landschaft. Da dachte ich, dass ich hier ebenso gut ein eigenes Haus haben könnte.“

„Aber Sie haben kein Auto hier?“ Sonst hätte er wohl kein Taxi gebraucht.

„Normalerweise miete ich mir einen Jeep, wenn ich herkomme. Aber diesmal war irgendetwas mit der Reservierung schiefgelaufen. Und ich passe leider nicht in einen Kleinwagen.“ Ein Blick auf seine große, athletische Statur machte deutlich, was er meinte. „Ich setze uns einen Kaffee auf. Und dann kümmern wir uns um ihr Fläschchen.“

Trinity wusste, dass sie sich in Gefahr begab, doch als sie ihm in die Küche folgte, konnte sie den Blick nicht von seinen breiten Schultern in dem weißen Hemd wenden. In dieser intimen Umgebung war Zacks Nähe noch faszinierender. Als er den Tragesitz vorsichtig abstellte, seine Krawatte lockerte und mit besorgtem Blick das Baby betrachtete, war sich Trinity ihrer Reaktion auf seine Ausstrahlung überdeutlich bewusst. Seine offensichtliche Männlichkeit und Kraft ließen ihren Körper von Kopf bis Fuß erglühen.

Die Geschichten waren alle wahr. Zack Harrison war ohne Zweifel einer der aufregendsten Männer auf der Welt.

„Müssen wir irgendetwas sterilisieren?“

Trinity zwang sich, ihren Blick von ihm zu lösen.

„Ja, natürlich, das Fläschchen“, antwortete sie hastig. „Ich schaue mal, ob es eine Anleitung für das Milchpulver gibt.“

Zack pfiff eine leise Melodie, während er eine Kanne Kaffee aufsetzte. Er fühlte sich in dieser vertrauten Umgebung sichtlich wohl – obwohl er die meiste Zeit in New York lebte und vermutlich ein schickes Loft in Chelsea oder ein Penthouse am Central Park West bewohnte.

„Wie ist das?“, fragte Trinity unvermittelt.

Zack holte Kaffeebecher aus einem Hängeschrank. „Wie ist was?“

„Diese ganzen Immobilien zu besitzen?“ Um sie dann für reiche Leute aufzumotzen, die sich exorbitante Mieten leisten konnten.

„Ich besitze die Harrison Hotels nicht allein.“ Er lehnte sich an den Tresen. „Es ist ein Familienunternehmen.“

„Arbeiten Sie gern mit Ihren Geschwistern zusammen?“

Sie hatte sich immer Geschwister gewünscht – irgendjemanden, der bei ihr blieb und nicht gleich wieder zur nächsten Pflegefamilie weitergereicht wurde, sobald sie ihn lieb gewonnen hatte. Doch nach einer Weile hatte sie das Wünschen und Hoffen aufgegeben.

Eine Zeit lang, als sie schon etwas älter war, hatte sie davon geträumt, eine eigene Familie zu haben, mit einem liebevollen Ehemann und mindestens einem Baby, noch besser zwei. Sie hatte sogar Namen ausgesucht. Doch mit den Jahren hatte sie ihre Pläne geändert.

„Meistens schon“, beantwortete Zack ihre Frage. Er holte Milch aus dem riesigen Kühlschrank. „Obwohl meine Geschwister und ich in manchen Dingen sehr unterschiedlich sind. Und Sie? Haben Sie Familie?“

Trinity spürte einen Stich in der Brust. „Nein, nicht so etwas“, antwortete sie ausweichend.

„Nicht was?“

„Nicht so etwas wie Ihre Familie. Wie … Blutsverwandte.“

Keine sehr befriedigende Antwort, doch sie wollte nicht darüber nachdenken, geschweige denn darüber reden. Sie brauchte kein Mitleid, schon gar nicht von jemandem wie Zack Harrison. Außerdem lag das alles weit hinter ihr. Wozu sollte sie ihre Vergangenheit jetzt wieder hervorkramen?

Dann fiel ihr Blick wieder auf das Baby. Trinity war ein in sich gekehrter Mensch, der nicht viel von sich preisgab. Aber war dies nicht eine besondere Situation? Egal, was sie sonst von ihm dachte, Zack Harrison hatte sich Zeit genommen und sein Haus geöffnet. Nicht nur für dieses Baby, sondern auch für sie. Vielleicht konnte sie sich dieses eine Mal auch öffnen.

„Also, ich …“, begann sie mit klopfendem Herzen. „Ich war ein Pflegekind.“

Zack erstarrte. Sein Blick war so durchdringend, dass sie fast schon bereute, nicht den Mund gehalten zu haben.

„Deshalb …“, begann er, und sie nickte.

„Ja, das ist einer der Gründe, warum ich nicht einfach abreisen konnte.“

Er stieß einen langen Atemzug aus und schüttete dann den heißen Kaffee in zwei Becher. Das bittere Aroma war irgendwie tröstend. Dann trafen sich ihre Blicke wieder. Die Verblüffung in seinen Augen war fort, doch das Mitgefühl, das sie jetzt darin lesen konnte, machte es auch nicht besser.

„Hatten Sie eine schwere Kindheit?“

Sie lächelte matt. „Nicht jeder kann bei einer Mr. Dale landen.“

„Aber Sie haben es geschafft, Ihren Weg zu gehen. Heute arbeiten Sie immerhin für …“ Er versuchte vergeblich, sich an den Namen der Zeitung zu erinnern.

„Ich arbeite für Story Magazine.“

„Ach ja, natürlich. Story Magazine.“

Sie trank einen großen Schluck Kaffee. Während sie ihre Hände an der Tasse wärmte, spürte sie, wie er aufmerksam ihr Gesicht betrachtete.

„Haben Sie je einen erfolgreichen Hotelier interviewt, der ganz nebenbei Babys rettet?“, fragte er.

Sie blickte in seine dunklen Augen. „Nein, hab ich nicht.“

„Wenn Sie Ihre Karten richtig ausspielen, könnte es sein, dass ich später für Fragen zur Verfügung stehe.“

„Ich hätte aber jetzt sofort eine Frage.“

„Ich bin ganz Ohr.“

Sie lächelte. „Könnte ich etwas Zucker bekommen?“

Er erwiderte ihr Lächeln. „Sie können alles bekommen, was Sie wollen.“

Als er ihr die Zuckerdose reichte, streifte seine Hand ihren Arm. Augenblicklich ging ihr Puls schneller.

Er deutete auf das schlafende Baby. „Was schätzen Sie, wie alt sie ist?“

„Etwa drei Monate.“ Sie betrachtete die rosigen Pausbäckchen. „Sie sieht gesund und gut versorgt aus.“

„Es macht irgendwie keinen Sinn, dass man sie ausgesetzt hat. Es muss etwas anderes dahinterstecken.“

Trinity kam ein schrecklicher Gedanke. „Vielleicht ist sie entführt worden. Vielleicht wollten die Täter Lösegeld erpressen und haben in letzter Minute kalte Füße bekommen.“

„Ist es das, was Ihnen widerfahren ist?“, fragte er leise.

Sie schüttelte schweigend den Kopf. Ein Mann wie Zack konnte das unmöglich verstehen.

Das Baby wimmerte leise. Zack und Trinity beugten sich beide über den Tragesitz, als das Baby gähnte und die verschlafenen Äuglein öffnete.

Trinity wurde warm ums Herz. „Ihre Augen sind blau“, flüsterte sie.

„Glauben Sie, sie hat Hunger?“

Wie zur Antwort jammerte das Baby leise. Als Zack zögerte, ergriff Trinity die Initiative und schlug die Decke zurück. Sie löste die Gurte des Sitzes und nahm die Kleine in die Arme, die nun laut zu schluchzen begann. Trinitys Herz schlug heftig, als sie die Kleine fest an sich drückte.

„Armer Liebling“, murmelte sie und rieb ihr Gesicht an dem weichen Bäckchen. „Sie ist bestimmt nass. Ich werde mich darum kümmern. Kommen Sie mit dem Fläschchen allein klar?“

„Sicher. Kein Problem.“ Er warf einen skeptischen Blick auf die Milchpulverdose. „Sie … äh … Sie sagten doch, es gäbe eine Anleitung.“

„Auf der Rückseite der Verpackung. Oder wollen Sie lieber den ersten Windelwechsel übernehmen?“

Er wich erschrocken zurück. „Das Fläschchen ist so gut wie fertig.“

Zack zeigte ihr ein Gästezimmer mit angrenzendem Bad im Untergeschoss und holte ihr die Einkaufstüte mit den Sachen aus der Drogerie. Trinity legte das Baby aufs Bett und ging ins Bad, um ein Handtuch zu holen. Windeln wechseln konnte eine heikle Angelegenheit sein, und sie wollte nicht, dass die Bettdecke etwas abbekam. Als sie wiederkam, bemerkte sie, dass Zack immer noch im Türrahmen stand.

„Ich wollte nur sichergehen, dass das Baby sich nicht vom Bett rollt“, erklärte er.

„Mit drei Monaten kann sie sich noch nicht drehen.“

Das hatte sie gelernt, als Nora Earnshaw einmal für kurze Zeit einen kleinen Jungen im Säuglingsalter aufgenommen hatte. Obwohl sie erst sieben gewesen war, hatte sich Trinity jede freie Minute um das Baby gekümmert. Und als der Kleine dann eines Tages ohne Vorwarnung wieder weggeholt wurde, hatte es ihr beinahe das Herz zerrissen. Wochenlang hatte sie kaum etwas gegessen. Ihr einziger Trost war die Hoffnung, dass es der Kleine in seiner neuen Pflegefamilie sicher besser hatte als bei Nora.

„Dann werde ich mich jetzt mal um das Fläschchen kümmern.“

Lächelnd blickte Trinity ihm nach. Nicht zu fassen, dass ein großer, erfolgreicher Mann wie Zack Harrison nicht wagte, näher zu kommen. Man könnte fast meinen, er habe Angst vor dem Baby.

Zehn Minuten später kam Trinity aus dem Schlafzimmer. Sie war sehr zufrieden mit sich. Das frisch gewickelte Baby in ihrem Arm sah sie neugierig an, als ob es sich bei der fremden Frau bedanken wollte und nicht wusste wie. Zack stand mit hochgekrempelten Hemdsärmeln in der Küche und schüttelte eifrig das volle Milchfläschchen. Dabei war er so auf seine Aufgabe konzentriert, dass er nicht einmal bemerkte, wie er die Milch über das Parkett verschüttete. Der Anblick war unglaublich sexy und zugleich ziemlich komisch. Trinity spürte ein seltsames Kribbeln im Magen. Sahen alle Männer so ungeschickt und trotzdem so heiß aus, wenn sie dieser Art von häuslicher Tätigkeit nachgingen?

„Achtung, das gibt Flecken!“, warnte sie.

Er sah hinunter auf die Milch, die er über den Küchenboden und seine Schuhe gekleckert hatte. Leise fluchend ließ er ein Küchentuch fallen und wischte die nassen Flecken mit dem Fuß trocken.

„Ich musste doch die Temperatur überprüfen.“

„Wenn Sie so weitermachen, ist bald nichts mehr in der Flasche“, zog sie ihn auf.

Mit einem Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ, hielt er die Flasche hoch.

„Ich freue mich, melden zu können, dass das Getränk perfekt gemixt und wohltemperiert ist.“

„In diesem Falle …“ Sie hielt ihm das Baby entgegen. „Möchten Sie vielleicht die Aufgabe übernehmen?“

Sein selbstsicheres Lächeln verschwand augenblicklich. „Lieber nicht.“

„Sie wird Sie schon nicht beißen.“ Was hätte er wohl getan, wenn sie auf ihn gehört hätte und nach New York zurückgeflogen wäre?

Trinity sah sich um. „Ich brauche einen Platz zum Sitzen.“

Als er sie in den offenen Wohnbereich begleitete, spürte sie seine warme Hand auf ihrem Rücken, und wohlige Hitze breitete sich in ihrem Innern aus. Für einen kurzen Moment genoss sie das Gefühl, doch dann riss sie sich wieder zusammen. Angesichts Zacks offensichtlicher Unsicherheit in dieser Situation sollte wenigstens sie einen klaren Kopf bewahren.

Das gäbe eine tolle Schlagzeile: Hotelmagnat räumt Schwächen ein.

Er führte sie zu einem der ausladenden weißen Ledersessel. Trinity setzte sich. Zack betätigte einen Hebel an der Seite, und das Fußteil des Sessels fuhr langsam nach oben, bis sie beinahe eine liegende Position erreichte. Er sah dabei so selbstzufrieden aus, als hätte er gerade mal wieder eigenhändig ein Gemeindezentrum geschlossen, um einen weiteren Wolkenkratzer zu bauen – wie er es erst im vergangenen Monat getan hatte.

Trinity kam dieser ganze Abend vollkommen unwirklich vor. Sie hatte ein Baby gefunden und war Zack Harrison mitten ins Niemandsland gefolgt. Hier im Sessel zu liegen, während er immer näher an sie heranrückte, machte sie mehr als nur ein bisschen nervös. Und neugierig. Tausend Fragen kamen ihr in den Sinn. Die Presse war voll von Schnappschüssen seiner jüngsten Verflossenen, dem Starlet Ally Monroe. Wer war seine aktuelle Flamme? Hatte er gar keine Schuldgefühle gegenüber den Menschen, die er mit seinen ehrgeizigen Bauprojekten aus ihren Wohnungen vertrieben hatte? War er im Bett tatsächlich so gut, wie alle Welt glaubte?

Nachdem sie ihn kennengelernt hatte, vermutete sie, dass er sogar noch besser war. Jede Frau würde in seiner Gegenwart schwach werden.

„Brauchen Sie noch irgendetwas?“, fragte er.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Baby. „Vielleicht irgendetwas zum Aufwischen, falls sie spuckt.“

Sie beobachtete seine langen, kraftvollen Schritte, als er ins Bad ging. Kurz darauf kam er mit einem Handtuch zurück.

„Viel Glück“, wünschte er in gespieltem Ernst.

„Ich gebe Bescheid, wenn es Verletzte gibt“, erwiderte sie lächelnd.

Das Baby öffnete seine blauen Augen noch weiter, als es den Sauger näher kommen sah. Eine Sekunde später begann es zu trinken, als hätte es seit Tagen nichts mehr bekommen. Wann war die Kleine wohl das letzte Mal gefüttert worden?

Natürlich war es möglich, dass die Mutter gerade in diesem Moment nach ihr suchte. Wenn das der Fall war, mochte sich Trinity gar nicht vorstellen, welche Qualen diese Frau litt. So wie ihre Mutter, bevor …

Trinitys Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. „Ich frage mich, wann die Leute vom Jugendamt kommen werden.“

„Vermutlich werden sie vom Wetter aufgehalten.“ Zack zog einen Stuhl heran, setzte sich neben sie und schaute zu. „Sie sehen aus, als wären Sie ein alter Hase auf diesem Gebiet.“

„Sie ist diejenige, die die ganze Arbeit macht.“

Draußen heulte der Wind, und Trinity beobachtete durch die bodentiefen Fenster, wie es immer heftiger schneite, während das Baby begierig die Flasche leerte.

„Sollte sie nicht mal ein Bäuerchen machen?“, fragte Zack nach einer Weile. Als er ihren Blick sah, hob er entschuldigend die Hände. „Ich wollte Sie nicht kritisieren.“

„Für einen knallharten Geschäftsmann sind Sie ein ziemlicher Feigling.“

„Wenn Sie meinen.“

Trotzdem hatte er womöglich recht. Trinity zog die fast leere Flasche zurück und wartete. Doch das Baby seufzte nur zufrieden und blinzelte schläfrig.

Trinity legte sich die Kleine über die Schulter und klopfte ihr sanft auf den Rücken.

Minuten vergingen. Trinity rieb und klopfte immer noch. Nichts passierte. Langsam wurde sie ein wenig nervös. Machte sie irgendetwas falsch?

Zack sah die Unsicherheit in ihren Augen. „Haben Sie ein bisschen Geduld mit ihr. Ihr Verdauungssystem arbeitet noch nicht so gut“, ermutigte er sie.

„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte sie skeptisch.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe viele Nichten und Neffen.“

Zwei Minuten später saß er auf der Stuhlkante und rieb sich mit besorgter Miene das Kinn. „Vielleicht sollten Sie etwas fester klopfen.“

„Vielleicht sollten Sie sich lieber um die nächste große Firmenübernahme kümmern.“

„Ich habe mir ein paar Tage freigenommen.“

„Dann gehen Sie eben in die Küche und machen uns etwas zu essen.“ Das wäre besser, als dazusitzen, sie anzustarren und sie ganz kribbelig zu machen.

Er rührte sich nicht von der Stelle. „Woher wissen Sie, dass ich kochen kann?“

„Und woher wussten Sie, dass ich Windeln wechseln kann?“

Er lachte leise. Dann richtete er sich in seiner ganzen beeindruckenden Größe auf. „Machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst.“

Sie verdrehte die Augen und klopfte weiter. „Lassen Sie mich raten. Makkaroni mit Käse?“

„Ist Ihnen klar, dass Sie sich inmitten der Wildnis befinden? Ich bin der Einzige hier, der Sie vor dem Verhungern retten kann.“

Das Baby antwortete an ihrer Stelle mit einem lauten, wenig damenhaften Rülpser.

„Anscheinend arbeitet ihr Verdauungssystem tadellos“, bemerkte Zack überrascht.

Erleichtert stand Trinity aus dem Sessel auf und hielt das Baby vor sich in die Höhe. „Hey, das hast du gut gemacht.“

In diesem Augenblick stieß das Baby erneut auf. Doch diesmal kam der halbe Inhalt des Fläschchens mit.

3. KAPITEL

Zunächst einmal musste das brüllende Baby gesäubert werden. Hastig bereiteten sie ein Bad in einer kleinen Plastikwanne, die sie in der Waschküche fanden. Das war zwar eine etwas glitschige Angelegenheit, doch nachdem sich die Kleine von ihrem ersten Schreck erholt hatte, schien sie sich im warmen Wasser sehr wohlzufühlen.

Danach trocknete Trinity sie ab, legte ihr eine frische Windel um und zog ihr einen der Strampelanzüge an, die Zack in der Stadt gekauft hatte. Erst dann wechselte sie ihre eigene bespuckte Bluse gegen eine saubere.

Es folgten mehrere Stunden, in denen sie das Baby geduldig umhertrug, tröstete, Schlaflieder sang und vorsichtig eine weitere Flasche gab. Zack bereitete in der Zwischenzeit Steak und Salat für das Abendessen vor, doch leider aßen sie keinen Bissen davon. Trinity war zu beschäftigt mit dem Baby, und er wollte nicht allein essen.

Schließlich schob er zwei Sessel zusammen und richtete zwischen den hohen Lehnen eine Art Babybettchen ein. Als die Kleine endlich mit einem letzten verschlafenen Seufzer einschlummerte, legte Trinity sie sanft hin und betrachtete für einen langen, dankbaren Moment den friedlichen Anblick. Sie fühlte sich so erschöpft, als hätte sie Steine geschleppt. Dann ging sie ins Bad, um sich eine lange heiße Dusche zu gönnen.

Danach fühlte sie sich frisch und sauber. Sie schlüpfte in ihren roten Seidenpyjama, viel zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen, ob dies die passende Bekleidung in Gesellschaft eines Mannes war, den sie eigentlich nur aus der Presse kannte – und dessen Ruf mehr als berüchtigt war. Wenn Zack nur halb so erschöpft war wie sie, würde er nicht einmal bemerken, wenn sie in Reizwäsche daherkäme.

Sie band das feuchte Haar zu einem lockeren Knoten hoch und ging zurück ins Wohnzimmer. Am Fuß der Treppe hielt sie inne.

Das Haus war gespenstisch leise. Außer dem heulenden Wind draußen war nichts zu hören. Das Zimmer war vollständig dunkel, bis auf die flackernden Flammen im Kamin. Ihr Gastgeber hockte neben dem offenen Kamin und schürte das Feuer. Dunkle Schatten huschten über seinen Körper und sein Gesicht – ein Anblick, der Trinity den Atem verschlug.

Zack schien ihre Nähe zu spüren. Er drehte sich zu ihr um, und sein durchdringender Blick wanderte von ihrem feuchten Haar bis hinunter zu den Füßen. Er betrachtete sie so ungeniert und mit so offensichtlichem Gefallen, dass sie seinen Blick fast wie eine Berührung auf ihrem Körper zu spüren glaubte. Sie hatte sich noch nie so sinnlich, so begehrt gefühlt wie in diesen Sekunden.

Er lehnte den Schürhaken neben den Kamin und trat auf sie zu. „Sie sehen aus, als wollten Sie zu Bett gehen.“

Als er unmittelbar vor ihr stehen blieb, atmete Trinity seinen Duft ein und erbebte innerlich. Die verführerischen Schatten, seine unverhohlen kraftvolle Gegenwart … Wenn Zack sie jetzt berührte, würde sie womöglich alles vergessen, was sie an ihm so verabscheute.

Er senkte seinen Blick auf ihre Lippen. „Sie müssen völlig erschöpft sein.“

Trinitys Mund fühlte sich auf einmal trocken an. „Irgendwann musste sie ja einschlafen“, erwiderte sie.

„Ich hatte zwischendurch so meine Zweifel.“ Er sah zum provisorischen Bettchen hinüber, in dem das Baby friedlich schlief. „Aber jetzt wacht sie sicher so schnell nicht wieder auf.“

„Hoffentlich.“

Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Kamins. Auf dem Boden war eine große Decke ausgebreitet, auf der ein paar Kissen lagen.

„Seit vier Uhr heute Nachmittag habe ich mich auf einen Brandy am Kamin gefreut. Möchten Sie mir Gesellschaft leisten?“

Trinitys Puls ging schneller. Ihre Feindseligkeit hatte zwar nachgelassen, dennoch war es sicher nicht klug, mit ihm vor einem prasselnden Kaminfeuer zu liegen und hochprozentige Getränke zu schlürfen. Doch bevor sie noch ablehnen konnte, hob Zack beschwichtigend die Hände.

„Ja, ich weiß, Sie halten mich für eine gefährliche Bestie …“

„Wie jeder andere, der Zeitung liest.“

„Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich meine offensichtlich weltberühmten Verführungskünste nicht einsetzen werde, um die Situation auszunutzen.“

„Und warum sollte ich Ihnen das glauben?“

„Weil Sie nicht mein Typ sind. Erinnern Sie sich?“

Trinity hatte es selbst gesagt, und es stimmte. Sie hatte nichts mit den aufregenden Frauen gemeinsam, mit denen er sich sonst umgab. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass Zack Harrison heiß und unwiderstehlich war. Und das Flirten lag eben in seiner Natur. Sie sollte also besser kein Risiko eingehen.

„Vielleicht mache ich mir eine Tasse Kakao.“

„Wie wäre es mit einem Glas Rotwein als Kompromiss?“

„Sie geben sich nicht gern geschlagen, nicht wahr?“

Er lächelte. „Nun kommen Sie schon, Trin. Es ist spät. Wir sind beide völlig erledigt. Lassen Sie uns zur Entspannung etwas zusammen trinken, bevor wir schlafen gehen.“

War dieser harmlose Hundeblick nur einer von vielen Tricks aus seinem Repertoire? Oder überschätzte sie bloß ihre eigene Attraktivität? Er ging mit Models aus, mit Filmstars und reichen Erbinnen und nicht mit Mädchen, die in Einzimmerwohnungen in Brooklyn lebten. Vielleicht wollte sie insgeheim sogar, dass er mit ihr flirtete. Sie fragte sich, was ihre Freundinnen wohl dazu sagen würden.

Aber er hatte recht. Es war spät. Sie waren müde. Sie konnte ihre Deckung ruhig ein wenig aufgeben. „Ein Glas Rotwein wäre nett.“

Während er zum Barschrank ging, betrachtete sie ihn vom Kopf bis zu den nackten Füßen. Er hatte sich umgezogen. Das weiße T-Shirt und die schwarze Jogginghose, die er jetzt trug, ließen seine Figur noch athletischer wirken. Das T-Shirt spannte leicht über seinen breiten Schultern. Sie konnte kaum den Blick von ihm wenden. Seine Beine waren lang und schlank, seine Bewegungen geschmeidig. Trinity machte es sich auf der Decke bequem und lehnte sich gegen eins der weichen Kissen. Sie spürte, wie sich jede Faser ihres Körpers entspannte und zugleich auf unerhörte Art zu kribbeln begann. Es war wahrscheinlich alles andere als klug, doch in diesem Augenblick fühlte es sich einfach himmlisch an.

Er reichte ihr ein Glas und ließ sich mit seinem Brandy in angemessenem Abstand von ihr nieder. Trinity atmete das Bouquet des Weins ein, trank einen kleinen Schluck und lächelte, als die Flüssigkeit warm und sanft ihre Kehle hinabrann.

„Gut?“, fragte er.

„Mmm. Sehr gut.“

Zufrieden lehnte er sich gegen ein Kissen, nahm auch einen Schluck und genoss sichtlich das heiße Brennen seines Brandys.

„Wir sollten wirklich etwas essen“, sagte er schließlich.

Sie sank tiefer in ihr Kissen. „Lassen Sie uns einfach hier sitzen und nichts tun. Nur für fünf Minuten.“

„Wollen Sie Ihrem Boss nicht lieber eine SMS schicken? Ihnen ist doch klar, dass Sie es nicht zum Frühstück nach New York schaffen werden.“

Trinity war nicht wohl bei dem Gedanken, erklären zu müssen, warum sie einen Tag frei haben musste, während eine ganze Menge Leute darauf brannten, sich ihren Job zu schnappen. Doch dann schloss sie seufzend die Augen. Sie war zu müde, um jetzt darüber nachzudenken.

„Nur fünf Minuten“, murmelte sie.

Einige Zeit später schreckte sie auf, als Zack ihr eine Decke über die Beine legte.

„Wenn die Kleine in der Nacht wach wird, werde ich mich um sie kümmern“, versprach er.

Trinity ließ sich lächelnd zurücksinken. Wie wollte er denn mit einem Windelwechsel klarkommen? Aber das Angebot war lieb gemeint. Und wahrscheinlich nicht alltäglich. Zack Harrison delegierte lästige Aufgaben vermutlich sonst gern, ob es nun darum ging, auf eine Einladung zu einer mondänen Party zu antworten, Anzüge aus der Reinigung zu holen oder einer hübschen jungen Dame Rosen zu schicken.

Draußen heulte der Wind immer lauter, und Trinity kuschelte sich noch tiefer unter die Decke. Dieser Schneesturm entwickelte sich langsam zu einem ausgewachsenen Blizzard. Sie betrachteten das sanfte Flackern der Flammen. Die Atmosphäre war … hypnotisch. Nach einer Weile unterbrach Zack die Stille.

„Sie schlafen ja ein.“

Trinity gähnte. „Sicher werde ich von Babys träumen. Und von zahllosen Fläschchen.“

„Klingt nicht, als würde es Ihnen etwas ausmachen.“

War es so offensichtlich? „Die Kleine ist wirklich sehr süß“, gestand sie. „Es wird mir sicher schwerfallen, sie wieder herzugeben.“

„Stellen Sie sich vor, wie glücklich ihre Eltern sein werden“, erinnerte er sie.

„Ja, sicher.“ Sie versuchte, ihre Zweifel beiseitezuschieben.

Zack betrachtete sie aufmerksam. Von Anfang an hatte Trinity Matthews seinen sonst so klaren Kopf durcheinandergebracht, sogar als sie wütend die Krallen ausgefahren und mit ihm gestritten hatte. Obwohl sie seine Art zu leben ablehnte, fühlte er sich sehr zu ihr hingezogen. Er wollte sie in die Arme nehmen. Verdammt, er wollte sie küssen. Und zwar auf eine Art, die sie davon überzeugen würde, den Rest der Woche mit ihm im Bett zu verbringen.

Was wäre, wenn er einen Finger über ihre Wange gleiten ließ, wenn er seinen Kopf über sie beugen würde? Was wäre, wenn er sie in seine Arme ziehen und in sein Schlafzimmer tragen würde?

Die Versuchung war groß, doch etwas hielt ihn zurück.

Nicht etwa weil ihm Sex in irgendeiner Weise unangenehm gewesen wäre. Schon gar nicht, wenn die Frau, die er begehrte, so intelligent und eigenwillig war. Er bewunderte Menschen, die eine eigene Meinung vertraten – sogar wenn sie falsch lagen. Doch die Art, wie er sich zu Trinity Matthews hingezogen fühlte, die Intensität seiner Gefühle, hatte etwas Beunruhigendes.

Sicher lag das nur an den seltsamen Begleitumständen ihrer Begegnung. Und daran, dass sie völlig von der Außenwelt abgeschnitten waren. Ja, das musste der Grund für dieses unablässige Verlangen sein.

Er ließ seinen Drink im Glas kreisen und starrte eine Weile ins Feuer. Dann stand er auf. „Ich gehe mal kurz duschen.“

Trinity lächelte schläfrig. „Ich halte hier solange die Stellung.“

Bevor er noch irgendwelche Dummheiten begehen konnte, schnappte sich Zack sein Handy von der Küchentheke, stieg die Treppe hinauf und ging in sein Schlafzimmer. Er war nicht sicher, ob er so viel Selbstbeherrschung aufgebracht hätte, wenn das Baby nicht wäre, doch hier und jetzt stand das Kind an erster Stelle.

Zwei Minuten später stand Zack in der Dusche und ließ das heiße Wasser auf seinen Körper herabprasseln. Er hatte sich gerade eingeseift, als plötzlich sein Handy klingelte. Triefnass griff er nach dem Telefon. Cressida Cassidy, eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, meldete sich.

„Tut mir leid, dass ich nicht früher angerufen habe“, sagte Mr. Cassidy. „Ich wollte Ihnen nur bestätigen, dass wir die Polizei und alle zuständigen Stellen informiert haben. Wir werden das Baby so bald wie möglich bei Ihnen abholen, aber das Wetter ist entsetzlich. Kein Durchkommen. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, sich über Nacht um die Kleine zu kümmern.“

„Nein.“ Zack wischte sich Schaum aus dem Gesicht. „Das ist schon in Ordnung.“

„Kommen Sie mit ihr zurecht?“

„Ja, ja, kein Problem.“ Mr. Cassidy musste ja nicht unbedingt erfahren, wie das Baby gespuckt und geschrien hatte. Es hieß, dass Eltern den schwierigsten Job der Welt hätten. Nach dem heutigen Abend glaubte er es.

„Mr Harrison, was ich Ihnen noch sa …“

Verflixt. Kein Signal mehr.

Eilig lief er zum Telefon im Schlafzimmer. Es funktionierte. Mr. Cassidy hatte seine Festnetznummer. Sie würde sicher wieder anrufen, um einen Termin zu vereinbaren.

Während der Wind draußen in den Baumwipfeln heulte, durchsuchte Zack seine Kommode nach etwas Passendem zum Anziehen.

Im nächsten Augenblick krachte ein Ast mit lautem Getöse aufs Dach. Zack blickte zur Zimmerdecke hoch. Mit angehaltenem Atem wartete er darauf, was passieren würde. Das Licht flackerte kurz, und der Abend nahm eine weitere unerwartete Wendung.

In der unteren Etage hörte der Kühlschrank auf zu brummen, die sanfte elektrische Beleuchtung in der Bar erlosch. Ohne das Feuer im Kamin wäre der ganze Raum in undurchdringliche Dunkelheit getaucht gewesen.

Trinity stockte der Atem.

Offensichtlich hatte der Sturm die Stromversorgung unterbrochen. Nur gut, dass das Baby schlief und dass die Küche über einen Gasherd verfügte, mit dem man bei Bedarf trotzdem Milch erwärmen konnte.

Dennoch zog sich Trinity die warme Decke bis zum Kinn hoch. Schon als Kind war ihr im Dunkeln immer ein wenig unheimlich gewesen, und der Raum war auf einmal in gespenstische Schatten getaucht.

Auf der Treppe waren hastige Schritte zu hören. Trinity blickte sich um und konnte gerade noch eine undeutliche Gestalt ausmachen, die neben der Tür stehen blieb. Ein Klicken und ein Rütteln waren zu hören, dann bewegte sich die Gestalt wieder.

Trinitys Herz hämmerte in ihrer Brust.

Einen Augenblick später berührte etwas ihren Arm. Sie fuhr erschrocken zusammen und riss den Kopf herum. Dann erkannte sie das Gesicht neben sich und atmete tief aus. Natürlich gab es keinen Grund, sich zu fürchten. Wer in aller Welt sollte es sonst sein?

Zacks tiefe Stimme drang aus den dunklen Schatten heraus. „Sind Sie okay?“

Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Alles in Ordnung.“

„Sie sehen ein bisschen erschrocken aus.“

„Ach, warum nur? Ich sitze hier im Dunkeln, während draußen ein Jahrhundertsturm tost. Der perfekte Augenblick, um sich so an mich heranzuschleichen.“

„Soll ich Ihre Hand halten?“

Trinity reckte trotzig das Kinn. „Ich brauche niemanden, der mir die Hand hält.“

Erst jetzt ließ sie ihren Blick tiefer wandern. Ihr stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, was sie sah.

„Was haben Sie da an?“, fragte sie ein wenig heiser.

Er blickte an sich herunter. „Ein Handtuch.“

Sie versuchte, so zu tun, als sei es nichts Besonderes, dass dieser dunkelhaarige Adonis fast nackt hier neben ihr hockte. Nur eine kleine Bewegung seiner athletischen Oberschenkel und das Licht des Feuers würde nichts mehr der Fantasie überlassen. Allerdings schien ihn seine Bekleidung … oder eher sein Mangel an Bekleidung nicht im Mindesten zu stören. Gütiger Himmel, er war es vermutlich gewohnt, sich so vor Frauen zu zeigen, die er kaum kannte. Und diese Arme …

Trinitys Blick fiel auf seinen angespannten Bizeps, und sie musste schlucken.

Sein Körper sah aus wie aus Bronze geschmiedet. Und er duftete so frisch, eine Mischung aus Moos und Moschus. Am liebsten hätte sie ihre Finger über seinen muskulösen Bauch wandern lassen.

Als er sich aufrichtete, hing ihm das Handtuch gefährlich locker um die Hüften.

„Möchten Sie noch mehr?“, fragte er.

Sie hob ihren Blick von seinem Oberkörper zu seinem Gesicht.

Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Wie bitte?“

Er lächelte amüsiert. „Wein. Möchten Sie noch etwas Wein?“

Sie stellte ihr Glas beiseite. „Ich sollte lieber nicht noch mehr sündigen.“

„Gelegentliches Sündigen tut gut, Trinity.“

„Ich bleibe lieber auf dem Pfad der Tugend.“

„Der Pfad der Tugend … aha.“ Er sah ihr einen endlos langen Moment in die Augen. Dann ging er zur Bar und schenkte sich einen zweiten Brandy ein. „War es so schlimm?“, fragte er schließlich.

„War was schlimm?“

„Die Trennung.“ Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Ich vermute, es war schlimm. Und es ist noch nicht lange her.“

Glücklicherweise konnte er im Dunkeln nicht sehen, wie sie errötete. „Wie um alles in der Welt kommen Sie darauf, dass ich eine Trennung hinter mir habe?“

„Das verrät mir meine Erfahrung.“

„Mit Frauen?“

„Allerdings.“

„Tja, tut mir leid, Herr Doktor, aber ich habe keine Zeit für Beziehungen.“

„Nun, das ist in der Tat ein Problem.“

„Was auch immer das ist, Mr Harrison, es ist ganz sicher nicht Ihre Angelegenheit.“

Er nahm einen Schluck Brandy und betrachtete sie wieder so eindringlich, dass ihr gesamter Körper zu glühen begann. Trotzig setzte sie sich auf.

„Ist das auch einer Ihrer Tricks? Sich über andere zu erheben, damit die sich klein fühlen?“

Sie konnte den Blick kaum von dem Handtuch wenden, als er lange und geräuschvoll ausatmete. „Dann war es also sehr schlimm.“

Am liebsten hätte sie ihn ausgelacht und ihm gesagt, er solle sich zum Teufel scheren. Aber dies war sein Haus, … und er hatte recht. Das Ende ihrer letzten Beziehung konnte man durchaus als schlimm bezeichnen. Sie ließ sich ins Kissen zurückfallen.

„Er war nett und aufmerksam und ein guter Zuhörer. Und er mochte keine Kinder“, sagte sie leise.

„So weit waren Sie also schon?“

„Er hatte mir noch keinen Antrag gemacht, falls Sie das meinen. Doch ich finde, es verrät so einiges über einen Menschen, wenn er sagt, dass ihm Kinder ein Graus sind.“

„Auch auf die Gefahr hin, dass ich den Falschen verteidige, aber Männer reagieren auf dieses spezielle Thema oft ein bisschen allergisch.“

„Und warum ist das so?“, fragte sie ernst.

„Weil wir befürchten, dass Frauen, wenn wir uns zu sehr für Kinder begeistern, sofort glauben, wir wollten uns … na ja …“

„Binden?“

„Genau.“ Er deutete auf die Decke. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste? Natürlich erst, wenn ich mein Handtuch losgeworden bin.“

Es dauerte einen Moment, bis sie begriff. „Sie meinen, dass Sie erst etwas anziehen.“

Er grinste. „Natürlich. Was denn sonst?“

Erst nachdem er wieder nach oben gegangen war, entspannte sich Trinity ein wenig. Sie war so dankbar für das Licht und die Wärme des Feuers.

Natürlich könnte sie sich auch von Zack Harrison wärmen lassen … Ihr Herz schlug schneller. Denk nicht einmal darüber nach.

Als Zack wiederkam, trug er eine Pyjamahose und ein T-Shirt.

„Ich habe mich mal draußen umgesehen“, sagte er. „Der Schnee liegt ziemlich hoch.“

„Schneit es immer noch?“

„Es hat etwas nachgelassen, aber das ist keine Nacht, um das Haus zu verlassen. Hoffentlich wird es morgen besser. Aber keine Sorge. Der Ofen, die Heizung und die Warmwasserversorgung sind gasbetrieben. Wir müssen also nicht frieren, und die Fläschchen fürs Baby sind gesichert.“ Er blickte ins Feuer. „Die Frau vom Jugendamt hatte gerade angerufen, als der Strom ausgefallen ist.“

Zack erklärte, dass Mr. Cassidy versprochen hatte, sich so schnell wie möglich um die Versorgung des Kindes zu kümmern. Trinity hätte erleichtert sein sollen. Schließlich konnte sie dann endlich wieder zurück nach New York. Dennoch sorgte sie sich um die Zukunft der Kleinen. Wo waren bloß ihre Eltern?

Zack ließ sich neben ihr nieder und wickelte sich ebenfalls in eine Decke.

„Es ist verdammt eisig da draußen“, sagte er. „Und tiefschwarz. Ich kann mich nicht erinnern, wann zuletzt das Licht ausgefallen ist.“

„Ja, wirklich ärgerlich“, bemerkte Trinity.

Und ein wenig gruselig, dachte sie im Stillen.

Anscheinend konnte er Gedanken lesen. „Eine gute Gelegenheit für ein paar Gespenstergeschichten.“

„Lieber nicht“, erwiderte sie gequält.

„Ich erinnere mich, als ich etwa zehn war“, fuhr er fort, als hätte er sie nicht gehört. „Mein Dad hatte sich im Büro ein paar Tage freigenommen, um mit uns raus nach Colorado zu fahren, aber unser übliches Ferienhaus war schon belegt, und das einzige, was noch frei war, war ein heruntergekommenes Gebäude, das früher einmal eine Scheune gewesen war.“ Er senkte die Stimme. „Das sagte man uns jedenfalls.“

„Ich glaube nicht an Gespenster, falls Sie darauf hinauswollen.“

„Genau wie ich. Bis zu jener Nacht.“ Er machte eine kurze, wirkungsvolle Pause. „Die Scheune, in der wir übernachteten, war Jahre zuvor eher notdürftig umgebaut worden. Der Strom ist damals nicht ausgefallen, aber nur ein paar Glühbirnen funktionierten. Der Kamin war voller Spinnweben, die Wände und das Dach knarrten so laut, dass meine Schwester Sienna sich vor Angst die Nägel abkaute.“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Wie auch immer. Das Licht im Jungenschlafzimmer ging kaputt.“

„Wie viele Brüder haben Sie?“

„Drei. Mason, Dylan und Thomas. Natürlich hatten wir keine Angst“, sagte er mit gespieltem Ernst.

„Natürlich nicht.“ Sie unterdrückte ein Lächeln.

„Aber der Wind heulte wie heute Nacht, und als diese Glühbirne explodierte, waren wir alle plötzlich sehr durstig. Mein jüngster Bruder Thomas ist zuerst rausgerannt, wir anderen hinterher. Meine Eltern lagen im Wohnzimmer auf einem muffigen Schlafsofa, das längst auf den Sperrmüll gehört hätte. Mein Vater kochte vor Wut. Er sagte, dass der Schuppen bei der nächsten starken Windböe auseinanderfallen würde.“

„Wo war Ihre Schwester?“

„Sienna hatte sich wie immer zwischen meine Eltern gekuschelt. Sie ist das Nesthäkchen der Familie.“

„Also haben Sie die Nacht alle im gleichen Zimmer verbracht?“, fragte sie.

„Ja, so war es. Bis dann …“ Er beugte sich in ihre Richtung und senkte die Stimme. „Bis dann gegen Mitternacht die Geräusche begannen.“

„Was für Geräusche?“

„Seltsame Geräusche. Schrill, kreischend. Ein Kratzen auf Holz. Zunächst noch leise, aber es wurde lauter. Und irgendwo in der Ferne krähte ein Hahn.“

„Um Mitternacht?“

„Da haben wir unseren Vater geweckt. Zuerst schimpfte er mit uns, doch dann, als er es auch hörte … ich schwöre, ihm standen die Haare zu Berge.“

Trinity schauderte. „Was hat er getan?“

„Was jeder Vater und Ehemann in so einer Situation tun würde. Er ging nachsehen, was los war. Er schien eine Ewigkeit fort zu sein, und jede Minute wurden die Geräusche lauter. Der Hahn krähte erneut, und das Kratzen klang, als sei es direkt über uns. Man hörte Flügel schlagen. Es roch nach Stall. Ich hatte mir gerade die Decke über den Kopf gezogen, als ein gespenstisches Gackern begann.“

„Ein Gackern?“

„In diesem Moment kam mein Vater zurück. Er sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen, er habe das Problem gefunden. Es war nur eine Horde Poltergeister, die ihr Unwesen trieben … äh, ich meinte natürlich Putengeister.“

Sie erstarrte. Da konnte Zack nicht länger ernst bleiben. Als Trinity sein Grinsen sah, schlug sie ihm wütend gegen den Arm. „Das ist überhaupt nicht komisch.“

„Ach, ich hab Sie doch nur aufgezogen.“

„Putengeister … also wirklich.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Wenn ich meine Nichten und Neffen besuche, muss ich die Geschichte immer wieder erzählen. In solchen Dingen bin ich gut. Aber Windeln wechseln und so überlasse ich lieber den Experten.“

„Als Vater ungeeignet?“

„Das haben Sie sicher längst bemerkt.“

Trinity drehte sich auf die Seite und schaute ihn an. Sie wollte gern mehr über seine Familie erfahren.

„Wie häufig sehen Sie sie?“

„Abgesehen von Weihnachten, Ostern, Geburtstagen und unzähligen Familienfesten? Andauernd. Das macht mir nichts aus. Es sind nette Kinder. Das Einzige, was mir auf die Nerven geht, ist, dass mir alle andauernd sagen, ich müsse endlich selbst eine Familie gründen.“

„Vielleicht wollen sie nur, dass Sie glücklich sind.“

„Sehe ich etwa unglücklich aus?“, fragte er. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben, so wie es ist. Und was ist mit Ihnen?“

„Ich bin sehr glücklich mit meinem Beruf.“

„Und seit der Trennung ungebunden.“

„Allerdings.“

„Aber irgendwann wollen Sie doch sicher heiraten und Kinder haben. Sie haben ein Händchen für Babys.“

Trinity sah ins Feuer, um seinem durchdringenden Blick auszuweichen.

„Ich mag Kinder“, erklärte sie. „Und ich mag Babys.“

„Das ist offensichtlich.“

Ihre Wangen brannten, obwohl sie keinen Grund hatte, sich unbehaglich zu fühlen. Zack hatte sein Leben, und sie hatte ihres.

„Es ist so“, erklärte sie zögernd. „Ich habe keine Familie wie Sie. Ich habe Freunde. Gute Freunde. Aber niemanden, dem ich so nahestehe, dass ich ihm mein Kind anvertrauen würde, falls … Sie wissen schon, … mir etwas zustoßen würde.“ Sie atmete tief ein. „Im Leben muss man Entscheidungen treffen. Und ich habe entschieden, dass ich keine eigenen Kinder haben werde.“

Zack blickte sie ernst an. „Aber haben Sie Ihren Freund nicht genau deswegen verlassen? Weil er keine Kinder mochte?“

„Stimmt. Er konnte Kinder nicht ausstehen. Ich meine, auch wenn Sie vielleicht selbst kein Vater sein möchten, mögen Sie doch trotzdem Ihre Nichten und Neffen? Und Sie mögen dieses Baby, oder?“

„Sie kann ziemlich laut sein, und manchmal riecht sie etwas streng. Aber natürlich mag ich sie. Wer würde das nicht tun?“

„Sehen Sie. Auch wenn ich nicht plane, eigene Kinder zu haben, könnte ich nicht mein Leben mit jemandem verbringen, der Kinder für eine reine Platzverschwendung hält.“ Sie verzog das Gesicht. „Und kleine Hunde mochte er auch nicht.“

Zack lächelte. „Sie hatten recht, ihn in die Wüste zu schicken.“ Dann wechselte er das Thema. „Und welche beruflichen Ziele haben Sie?“

„Eines Tages wäre ich gern Chefredakteurin einer angesehenen Zeitung“, antwortete sie ehrlich. „Und in der Zwischenzeit halte ich mich von Männern fern, die blöde Hühnerwitze erzählen.“

„Heute Nacht können Sie sich aber nicht von mir fernhalten.“

Sie seufzte. „Das ist wohl ein Opfer, das ich für die gute Sache bringen muss.“

Als er sie jetzt ansah, lächelte er nicht mehr. Die Spannung zwischen ihnen war mit einem Mal überdeutlich. Das Knistern des Kaminfeuers klang plötzlich viel lauter. Trinity bemerkte, dass Zacks Atem schneller ging, und ihr Körper reagierte unmittelbar darauf.

Sie spürte ein wohliges Kribbeln in ihrer Brust, als sie sah, wie sich sein Blick verdunkelte. Dann streckte er die Hand aus und strich sanft mit den Fingerspitzen über ihre Schläfe. Seine Berührung entfachte eine süße, verzehrende Glut tief in ihrem Inneren.

Als er ihr eine Locke aus dem Gesicht strich und mit der Handfläche ihre Wange umschloss, stockte ihr der Atem. Hier im Dunkeln mit diesem außergewöhnlichen Mann, den sie kaum kannte, fühlte sich alles so unwirklich an. Und so … unausweichlich. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie er in Wirklichkeit war. Denn in diesem Augenblick war er einfach nur unwiderstehlich. Trinity schloss die Augen und neigte ihm ihr Gesicht entgegen.

„Dein Haar“, sagte er leise. „Eine Strähne hat sich gelöst.“

„Oh, und ich habe gedacht, du wolltest mich küssen“, sagte sie ein wenig enttäuscht. Sofort biss sie sich auf die Lippe. Das war ihr einfach herausgerutscht.

Doch er sah sie nur an. „Ehrlich gesagt, will ich das schon den ganzen Abend.“ Er strich sanft mit den Fingerspitzen über ihren Mund. „Ich fürchte nur, wenn ich dich jetzt küsse, will ich bestimmt nicht mehr damit aufhören.“

Das Kribbeln in ihrem Körper breitete sich bis in die Zehenspitzen aus.

Wer hatte irgendetwas von aufhören gesagt?

Doch dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie eigentlich hier war. „Was ist mit dem Baby?“

„Du hast recht.“ Er beugte sich zu ihr, und seine Lippen streiften ihren Mund so sacht wie eine Feder. „Wir dürfen unsere Pflicht nicht vergessen.“

Trinity atmete seinen Duft ein. Am liebsten hätte sie sich ganz nah an ihn geschmiegt. Er küsste ihre Mundwinkel. Das Verlangen in ihrem Inneren loderte erneut auf, und ihr letztes bisschen klarer Menschenverstand war dahin.

Mit der Zungenspitze fuhr er langsam über die Kontur ihrer Lippen. „Und wenn wir einfach nur kuscheln?“, fragte er. „Du weißt schon, nur um uns warm zu halten.“

Als er mit seinem rauen Kinn über ihr Gesicht strich und ihr Ohrläppchen küsste, wurde ihr beinahe schwindelig vor Lust.

„Ich glaube, Kuscheln wäre okay“, antwortete sie mit erstickter Stimme.

Er ließ seine Hand an ihrer Seite tiefer gleiten, und dann küsste er sie endlich richtig. Er küsste sie so leidenschaftlich, dass alles um sie herum verblasste.

Als er seine Zunge in ihren Mund tauchte und genüsslich ihre umspielte, nahm sie nichts anderes mehr wahr. Nichts außer purer Ekstase. Sein Kuss war heiß, fordernd und aufregend. Und sie ergab sich seiner sinnlichen Verlockung. Mit dem Gewicht seines Körpers drückte Zack sie nach hinten, bis sie flach auf dem Boden lag.

Ein erregtes Stöhnen drang aus seiner Brust, als sie mit nackten Zehen seine kräftigen Beine entlangstrich und ihm verlangend die Hüften entgegendrängte.

Er vertiefte den Kuss, und als er sich gegen sie rieb, spürte sie seine Erregung an ihrem Bauch. Sie streckte ihre Hand nach ihm aus.

In diesem Augenblick fiel im Kamin ein großes Holzscheit krachend in sich zusammen. Das laute Zischen brachte Trinity wieder zu sich, und sie beendete den Kuss.

Zack atmete schwer. In seinen dunklen Augen lag keinerlei Scheu oder Zurückhaltung. Sie sah nichts als Entschlossenheit. Sein verlangender Blick wanderte zu ihren Lippen, und er beugte sich erneut zu ihr herab. Trinity erstarrte. Wollte sie wirklich mit einem Mann schlafen, den sie eigentlich verabscheute – erst recht wenn nur wenige Meter entfernt ein Baby schlummerte?

Zack spürte offenbar ihre Verunsicherung. Nur Zentimeter von ihrem Mund entfernt hielt er inne. Trinity schluckte. Es war, als würde der Boden unter ihr nachgeben. Zack biss die Zähne zusammen und rollte sich mit einem Stöhnen von ihr fort.

Sicher war er enttäuscht. Frustriert. Trinitys Kehle war wie zugeschnürt vor. Es tat ihr leid, wenn sie falsche Hoffnungen in ihm geweckt hatte, aber er musste eine Zurückweisung genauso hinnehmen wie alle anderen Menschen auch.

Trinity begehrte ihn immer noch, doch ihr Entschluss stand fest. Auch wenn sie sich körperlich mehr von ihm angezogen fühlte, als je von einem anderen Mann, sie war nicht hergekommen, um Sex zu haben.

Im nächsten Moment legte er seinen starken Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Sie wollte sich gerade aus seiner Umarmung lösen, als die Spannung des Augenblicks nachließ. Zack versuchte nicht, sie ein weiteres Mal zu küssen. Er lag einfach nur da, hielt sie in seinem Arm und strich mit den Fingerspitzen sanft über den Ärmel ihres Seidenpyjamas.

„Gilt das als Kuscheln?“, fragte er.

„Lass mich ein wenig los, dann kann ich es dir sagen.“

Er lockerte seinen Griff. „Wir sollten versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.“

„Ja, du hast recht.“

Wieder zog er sie sanft an sich, und sie wies ihn nicht zurück. Mit ihm zu schlafen, kam nicht infrage, aber sie war auch nicht aus Stein. Was konnte es schon schaden, sich in einer eisigen Nacht an einen starken Mann zu schmiegen?

Trinity legte ihre Wange auf seine Brust und seufzte tief. Dann schloss sie die Augen und lauschte seinem Herzschlag. Sie war schon fast eingeschlafen, als ein Gedanke sie abrupt aus ihrem Schlummer riss.

Verdammt, sie hatte ganz vergessen, in New York anzurufen!

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen erwachte Zack lange vor seinen beiden Gästen.

Jenseits der großen Glasfront auf der Südseite der Hütte fielen immer noch dichte Flocken, und die Landschaft draußen versank im Schnee. Sie würden eine Schaufel brauchen, um aus der Tür zu kommen. Er ging jede Wette ein, dass die Straßen unpassierbar waren. Die Leute vom Jugendamt würden heute ganz sicher nicht herkommen.

Das bedeutete, dass das Baby noch einen Tag hierbleiben musste. Genau wie Trinity, die trotz aller Bedenken die ganze Nacht an seiner Seite geschlafen hatte. Zack lauschte ihrem ruhigen Atem. Vorsichtig drehte er sich zu ihr um und betrachtete sie im Schlaf.

Mit beiden Händen hielt sie die Decke umklammert. Ihr Haar fiel ihr über die Schultern wie glänzende schwarze Seide. Ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre rosigen Wangen, und ihre vollen Lippen waren leicht geöffnet.

Gestern Nacht hatten diese Lippen im Licht des Feuers so verführerisch geschimmert, dass er nicht widerstehen konnte, sie zu küssen.

Und er begehrte sie immer noch.

Zack atmete tief ein. Sein Blut rauschte schnell und heiß durch seine Adern, und je länger er sie ansah, umso erregter wurde er. Er wollte seine Finger in ihr Haar tauchen. Er sehnte sich danach, sie an sich zu ziehen und noch einmal zu küssen. Sie war so warm, so honigsüß. Und er konnte sie immer noch schmecken. Doch statt der Versuchung nachzugeben, zwang er sich aufzustehen.

Das Feuer im Kamin war erloschen. Zack überlegte, ob er es neu anzünden sollte, aber er wollte keinen Lärm machen. Strom hatten sie auch noch keinen. Auf Zehenspitzen schlich Zack zum Küchentresen, auf dem sein Handy lag. Kein Empfang. Als er das leere Display sah, fiel ihm plötzlich ein, dass Trinity noch nicht in New York angerufen hatte. Aus „fünf Minuten“ war die ganze Nacht geworden.

Jetzt, da er Trinitys Geschichte kannte, konnte er ihre Entscheidung zu bleiben, bis die Versorgung des Babys geregelt war, besser verstehen. Und er war froh, dass sie darauf bestanden hatte. Ohne ihre Hilfe hätte er das alles niemals geschafft. Wenn es darum ging, Säuglinge zu versorgen, war er völlig unbrauchbar. Er war Junggeselle, und auf absehbare Zeit hatte er nicht vor, irgendetwas daran zu ändern.

Seine Familie machte sich über ihn lustig. Sie behaupteten, er werde seine Meinung schon noch ändern, wenn er erst der richtigen Frau begegnen würde. Aber Zack genoss seine Freiheit einfach viel zu sehr. Und dass er kein Interesse an einer eigenen Familie hatte, hatte auch etwas Gutes. Seine Brüder waren gute Geschäftsleute, aber für sie stand ihre Familie immer an erster Stelle. Somit blieben alle wichtigen Entscheidungen, die die Firma betrafen, ihm überlassen.

Jeder hatte seine Aufgabe im Leben. Und seine bestand ganz offensichtlich darin, seinen Vater eines Tages als Vorstandsvorsitzender von Harrison Hotels zu beerben. Das war ein verantwortungsvoller Job, auch wenn die Leute glaubten, er sei nichts weiter als ein selbstsüchtiger Playboy.

Zack bemerkte, dass das Baby mittlerweile zehn Stunden am Stück geschlafen hatte. Langsam schlich er zu der Kleinen hinüber und beugte sich über sie. Sie hatte beide Arme aus der Decke gestreckt. Ihre Bäckchen waren rosig. Nie zuvor hatte er ein so engelhaftes Gesicht gesehen. Trinity hatte gesagt, dass ihr der Abschied schwerfallen würde.

Ja, das Baby war wirklich süß.

Zack ging zur Küche hinüber und überlegte, ob er wohl einigermaßen geräuschlos Kaffeewasser aufsetzen konnte, als plötzlich sein Handy surrte. Sie hatten also wieder Empfang. Schnell griff er nach dem Telefon und lief dann durch den Flur in sein Arbeitszimmer, bevor er antwortete.

„Na, was macht der Schneesturm?“

Zack entspannte sich, als er die Stimme erkannte. Es war nicht das Jugendamt, sondern sein jüngster Bruder Thomas.

„Ich wollte gerade den Schneepflug aus dem Schuppen holen.“

„Klingt, als hättest du jede Menge Spaß.“

Zack trat ans Fenster und blickte auf die verschneite Winterlandschaft hinaus. „Ach, so schlimm ist es auch wieder nicht.“

„Mitten in der Wildnis? Abgeschnitten von der Zivilisation? Danke, da ist mir das Großstadtleben samt Verkehrschaos und Cafés aber lieber.“

„Bitte sprich nicht von Kaffee. Ich habe heute Morgen noch keinen gehabt.“

„Dann mache ich es kurz. Dad möchte wissen, wie es gestern mit James Dirkins gelaufen ist. Wann können wir mit dem Vertragsabschluss rechnen?“

„Ich brauche noch etwas Zeit.“ Der Empfang wurde schwächer. Thomas Stimme war nur schwer zu verstehen. „Was hast du gesagt?“

„Ich sagte, dass Dad froh ist, dass du die Verhandlungen übernommen hast. Du bist so überzeugend, dass du Beduinen eine Ladung Regenschirme andrehen könntest.“

Zugegeben, er war ein guter Verhandlungsführer. Der Trick bestand darin, Gefühle komplett aus Geschäften herauszuhalten. Ein kühler Kopf war der Schlüssel zum Erfolg. Dennoch …

Zack erinnerte sich an Dirkins’ Gesichtsausdruck – nachdenklich, in sich versunken. Es widerstrebte ihm, das Erbe seines verstorbenen Sohnes aus den Händen zu geben.

„James Dirkins hat eine starke persönliche Bindung zu dem Hotel.“

„Wie bitte? Seit wann interessiert dich denn so etwas, wenn’s ums Geschäft geht?“

„Das war nur eine Feststellung“, erwiderte Zack schroff.

Für einen Moment war es still in der Leitung.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Zack? Du klingst so … anders.“

„Mir geht es gut. Sogar besser als gut.“ Er durchquerte den Raum und öffnete die Tür einen Spalt breit, weil er glaubte, er hätte das Baby gehört. „Sag Dad, ich besorge uns die Unterschrift unter dem Vertrag noch in dieser Woche“, sagte er, während er in den Flur lauschte.

Aus dem Wohnzimmer war ein fröhliches Glucksen zu hören.

„Zack, ist da jemand bei dir?“

„Äh … ja.“

„Eine Frau?“

„Eigentlich zwei.“ Es hörte sich, als wäre Thomas das Telefon aus der Hand gefallen. „Das ist eine lange Geschichte“, erklärte Zack, bevor sein Bruder nachfragen konnte.

„Dafür hätte ich ein paar Minuten Zeit.“

Zack trat aus dem Arbeitszimmer. „Tut mir leid, Kumpel, aber ich muss jetzt Schluss machen.“

Als es wieder ins Wohnzimmer kam, lag die Kleine geduldig da, als warte sie darauf, dass jemand bemerkte, dass sie endlich aufgewacht war. Zack beugte sich über sie, und sie blickte ihn mit ihren leuchtend blauen Augen aufmerksam an. Er versuchte ein Lächeln.

Sie lächelte nicht zurück. Aber wenigstens brach sie bei seinem Anblick auch nicht in Tränen aus, obwohl sie ein wenig skeptisch das Gesicht verzog. Zack rieb sich das Kinn. Vielleicht sollte er sie hochnehmen. Beherzt schob er eine Hand unter ihren Rücken und zog sie gleich wieder erschrocken zurück. Du lieber Himmel, sie war ja klatschnass. Ihr ganzer Strampelanzug war durchnässt. Er blickte sich um. Trinity schlief immer noch tief und fest.

„Und was soll ich jetzt mit dir machen?“, flüsterte er verzweifelt.

Zack konnte den Gedanken nicht ertragen, die Kleine in den nassen Sachen liegen zu lassen, doch er konnte ihr auch nicht die Windeln wechseln. Jeder Mann hatte seine Grenzen.

Er räusperte sich. Dann noch einmal, ein wenig lauter. Trinity wurde langsam wach. Sie setzte sich auf und sah sich irritiert um. Dann trafen sich ihre Blicke.

„Es war also kein Traum“, stellte sie verschlafen fest und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„Nein. Wir sind wirklich hier.“ Verlegen kratzte er sich am Kopf. „Und sie ist nass.“

Trinity stand sofort auf und kam zu ihnen. „Oh, mein armer Liebling. Sie muss entsetzlichen Hunger haben.“

„Ja, aber da wäre noch dieses dringendere Problem.“

„Ich weiß, sie braucht eine frische Windel. Möchtest du’s mal versuchen?“

„Lieber nicht.“

„Wirklich nicht?“ Sie tat überrascht.

„Ich bin ein Mann, der seine Schwächen kennt.“

Trinity grinste kopfschüttelnd.

Er hatte sie gestern Abend schon in diesem Pyjama gesehen, doch erst jetzt bei Tageslicht konnte er sehen, wie riesig der Schlafanzug war. Dieses Ungetüm ließ ihre Kurven nicht einmal andeutungsweise erkennen, und das Oberteil war bis zum Hals zugeknöpft. Und doch war es das aufregendste Kleidungsstück, das Zack je an einer Frau gesehen hatte.

Er betrachtete ihr ausgeruhtes, fröhliches Gesicht, als sie sich mit strahlendem Lächeln dem Baby zuwandte, und besann sich wieder seiner Aufgabe.

„Ich kümmere mich um das Fläschchen.“

Trinity rieb ihre Nase an der des Babys. „Ich denke, ich werde sie besser zuerst baden. Willst du helfen?“

„Äh, klar … sobald ich die Milch fertig habe.“

Zack lauschte dem fröhlichen Planschen in der Waschküche, während er das Milchpulver anrührte. So vergnügt, wie Trinity mit der Kleinen plauderte, hatte sie ihre Erschöpfung von gestern anscheinend völlig überwunden und war bereit, von vorn anzufangen. Sie genoss es offensichtlich, sich um das Baby zu kümmern. Das bedeutete immerhin, dass er aus dem Schneider war.

Ein paar Minuten später hatte er das Fläschchen fertig. Neugierig schlenderte er in die Waschküche. Trinity hob die Kleine gerade aus dem Wasser und legte sie auf ein weiches Handtuch, das sie auf dem Wäschetisch ausgebreitet hatte. Die Vorderseite ihres Pyjamas war nass. Ein paar Haarsträhnen ebenso. Doch Trinity schien es entweder nicht zu bemerken, oder es machte ihr nicht aus.

Zack fragte sich, was sie wohl sonst im Leben glücklich machte. Wer waren ihre Freunde? Wo in New York lebte sie? Waren sie sich womöglich schon einmal auf der Straße begegnet?

Doch die wichtigste Frage war, was der kommende Abend für sie bereithielt. Er hatte gestern Nacht übermenschliche Beherrschung aufgebracht. Als er sie in seine Arme gezogen hatte, hatte sie fast auf ihm gelegen. Er hatte ihre Brüste durch den dünnen Stoff hindurch gespürt. Ihre leicht geöffneten Lippen waren so nah gewesen. Er war immer noch überrascht, dass es ihm gelungen war, sich zurückzuhalten.

Noch nie hatte er eine Frau zu irgendetwas gedrängt. Das hatte er auch nicht nötig. Doch jetzt stand sein Entschluss fest. Bis jetzt war er rücksichtsvoll mit Miss Matthews umgegangen, aber heute Abend würde er ihr zeigen, wie überzeugend er sein konnte.

Zack sah zu, wie Trinity das Baby behutsam abtrocknete. Dann griff sie nach einem Unterhemdchen. Staunend beobachtete er, wie gekonnt sie die Kleine anzog. Sie hob ihre Beinchen an und schob ihr die Windel unter den Po. Nach dem Wickeln zog sie ihr einen sauberen Strampelanzug an.

Langsam wurde das Baby ungeduldig und fing an zu weinen. Zack konnte es kaum mit ansehen, wie sich die hübschen blauen Augen mit Tränen füllten.

Nachdem die unzähligen kleinen Druckknöpfchen endlich verschlossen waren, hob Trinity das Baby in ihren Arm. „Ist das Fläschchen fertig?“

„Ich schau mal nach, ob es noch warm genug ist“, antwortete er und ging voran ins Wohnzimmer. Trinity folgte ihm.

Nachdem sie sich in einen Sessel gesetzt hatte, reichte er ihr die Flasche, und eine Sekunde später erfüllte zufriedenes Schmatzen den Raum.

Zack setzte sich auf einen Stuhl am Esstisch und sah aus sicherer Entfernung zu. Als die Flasche bereits halb leer war, wollte er gerade eine Pause für ein Bäuerchen vorschlagen, als Trinity den Sauger zurückzog und das Baby über ihre Schulter legte. Sofort eilte er mit einem Handtuch herbei. Bitte, lieber Gott, nicht noch einmal, dachte er. Doch nach ein paar Sekunden machte die Kleine ohne weitere Zwischenfälle ihr Bäuerchen. Zack atmete erleichtert aus. Braves Mädchen!

Trinity lehnte sich wieder zurück und gab ihr wieder die Flasche. „Hey, ich glaube, langsam haben wir den Dreh raus.“

Zack lächelte selbstzufrieden, bis ihm klar wurde, dass sie mit dem Baby gesprochen hatte. Die beiden waren ein Team. Er war höchstens der Laufbursche. Das war neu für ihn. Normalerweise war er derjenige, der die Anweisungen gab, und die anderen befolgten sie. Auch in Beziehungen war er es, der den Ton angab. Er mochte eine Frau an seiner Seite, aber nur zu seinen Bedingungen. Wenn eine Frau das nicht akzeptierte, rief er sie einfach nicht mehr an. Auf diese Weise schaffte er es, sowohl erfolgreich zu sein als auch Single zu bleiben. Eine Kombination, die ihm sehr gut gefiel.

„Ich habe nachgedacht“, unterbrach Trinity seine Gedanken.

„Worüber?“

„Ob es wohl in Ordnung wäre, wenn wir ihr einen Namen geben, solange wir uns um sie kümmern? Ich finde es irgendwie seltsam, sie immer nur ‚das Baby‘ zu nennen.“

„Und an welchen Namen hattest du gedacht?“

„Welche Mädchennamen gefallen dir denn?“

„Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“ Doch dann kam ihm eine Idee. „Mir gefällt Bonnie.“

„Bonnie?“

„Du kennst doch das Lied ‚Bonnie Blue Eyes‘ . Ich finde, das passt zu ihr.“

Trinity betrachtete das Baby lächelnd. „Bonnie gefällt mir auch.“

Und ihm gefiel, wie Trinity auf ihre Unterlippe biss, wenn sie zufrieden war. Und wie ihre violetten Augen strahlten. Und das leise Summen, mit dem sie die Kleine beruhigte. Zur Hölle, ihm gefiel sogar, wie sie ihn wegen Affären und Geschäftsentscheidungen zurechtstutzte, über die sie nicht das Geringste wusste.

Zack verzog das Gesicht. Was für Gedanken! Vielleicht litt er schon unter Hüttenkoller.

Er ging zum Kamin hinüber und schichtete ein paar große Holzscheite auf.

„Hat dein Handy heute Morgen Empfang?“

„Ja, ich hatte einen Anruf, kurz bevor du aufgewacht bist“, antwortete er, während er ein Streichholz anzündete.

„Das Jugendamt?“ Ihre Stimme klang hoffungsvoll und besorgt zugleich.

„Nein, mein Bruder Thomas hat angerufen.“

„Wollte er wissen, wie du in diesem Wetter überlebst?“

„Das und wie ich geschäftlich vorankomme. Wir verhandeln gerade über den Kauf vom Dirkins Hotel.“

Jetzt verstand sie. „Ach, deshalb warst du gestern Nachmittag dort“, sagte sie. „Um den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen.“

„So weit sind wir noch nicht. Der Besitzer versucht, einen höheren Preis herauszuholen.“

„Das ist wohl sein gutes Recht.“

„Schon, aber das Hotel ist einfach nicht mehr wert. Da sind jede Menge Renovierungsarbeiten nötig. Die Wasserleitungen müssen komplett erneuert werden. Und ein überdachter Eingangsbereich wäre auch dringend nötig.“

„Vielleicht will er nicht verkaufen.“

„Er wird. Er braucht nur noch etwas Zeit. Im Moment denkt er mehr mit seinem Herzen als mit seinem Kopf.“

„Und was ist daran falsch?“

„Nichts. Es sei denn, man will erfolgreich Geschäfte machen.“ Zack stocherte im Feuer. „James Dirkins hat dieses Hotel in den Siebzigerjahren selbst gebaut. Er wollte es eigentlich seinem Sohn vererben.“

„Und warum hat er seine Meinung geändert?“

Zack stellte den Schürhaken beiseite. „Sein Sohn ist vor Kurzem ums Leben gekommen.“

„Der arme Mann“, sagte sie erschrocken. „Natürlich denkt er mit dem Herzen. Du solltest ihn in Frieden lassen. Was bedeutet dir schon eine Immobilie mehr oder weniger?“

„Es war Dirkins, der an uns herangetreten ist, nicht umgekehrt. Ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes möchte er wohl einen Neubeginn wagen. Und ich will derjenige sein, der das Hotel kauft.“

Sie grübelte einen Moment. „Weil du dich an diese Gegend hier gebunden fühlst?“

„Teilweise.“

„Denkst du dann nicht auch mit dem Herzen?“

„Cleveres Argument. Aber das ist nicht das Gleiche.“ Er zuckte mit den Schultern. „Natürlich mag ich die Gegend hier. Aber ich interessiere mich nur für ein Projekt, wenn ich auch von seiner Rentabilität überzeugt bin.“

Und wenn er am Ende doch bereit war, das Hotel ein wenig über Wert zu kaufen, dann nicht aus Gefühlsduseligkeit, sondern nur, weil er sich zukünftigen Gewinn versprach. Sentimentalität in geschäftlichen Angelegenheiten brachte nichts als Ärger.

Das Feuer brannte jetzt lichterloh, und Zack richtete sich wieder auf. Er warf noch einen Blick auf Trinity und das Baby, dann ging er in sein Arbeitszimmer.

Sachlich. Vernünftig. So war er schon immer gewesen. Er war bloß froh, dass Sex so unkompliziert sein konnte. Sollte sich doch jemand anderer das Herz brechen lassen.

5. KAPITEL

Eine Stunde später, nachdem Trinity Bonnie gerade wieder frisch gewickelt hatte, hielt sie auf ihrem Weg ins Wohnzimmer plötzlich inne.

Anscheinend war es Zack mittlerweile leid, allein im Arbeitszimmer zu sitzen, wo er sich nach ihrem Gespräch über James Dirkins vergraben hatte. Jetzt saß er jedenfalls am Esstisch und schaute ein paar Papiere durch.

Er sah auf und begegnete ihrem Blick. Eine Strähne war ihm in die Stirn gefallen, und mit seinen dunklen Augen und den Bartstoppeln sah er so sexy und verführerisch aus, dass Trinity sich augenblicklich an das Verlangen erinnerte, das er vergangene Nacht in ihr entfacht hatte.

Sie sehnte sich nach mehr, auch wenn in seinen Armen zu schlafen, seine Erregung an ihrem Körper zu spüren, beinahe schon Erfüllung genug gewesen war. Dabei hatte sie sich verletzlich und zugleich auf eine unerklärliche Art beschützt gefühlt. Das allein war schon ein Kunststück. Vertrauen gehörte nicht gerade zu ihren Stärken, erst recht nicht, wenn es um einen Playboy wie Zack ging.

„Brauchst du irgendetwas?“, fragte er.

„Ich denke, ich sollte endlich mal im Büro anrufen.“

Kate Illis war eine gerechte, aber strenge Chefin. Sie spornte Trinity immerzu an, ihre Grenzen zu überschreiten. Ihr Motto lautete: Geht nicht gibt’s nicht.

„Du solltest gleich sagen, dass du frühestens morgen kommen wirst.“

„Glaubst du wirklich, dass niemand herkommen kann?“, fragte sie besorgt.

„Allerdings. Und wir können auch nicht von hier weg.“

Trinity sah aus dem Fenster. Es schneite immer noch. Die Schneedecke wurde von Minute zu Minute dicker. Keinen Augenblick wäre sie auf die Idee gekommen, mehr als ein paar Stunden mit Zack Harrison zu verbringen, und jetzt mussten sie noch einen weiteren Tag miteinander auskommen.

Doch egal, was sie sonst von ihm dachte, sie musste zugeben, dass er geduldig und auf seine Art hilfsbereit gewesen war. Allerdings fürchtete sie, dass seine Geduld langsam zu Ende ging.

„Es tut mir leid, dass du es so lange mit mir aushalten musst“, sagte sie, während sie das Baby in den Armen wiegte.

Er sah sie einen Moment lang ernst an. „Trinity, ich bin froh, dass du hier bist.“

„Wirklich?“, fragte sie erleichtert.

„Ohne dich würde ich niemals mit all den Windeln, Bäuerchen und Schlafliedern klarkommen.“

Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Letzte Nacht hatte er sich ihr wohl nur aus Gewohnheit genähert. Schließlich war er ein berüchtigter Don Juan. Doch sein wahres Interesse an ihr war klar. Solange Bonnie im Haus war, brauchte er sie als Babysitter. Aber wenn die Kleine erst weg war …

Sie zuckte ungerührt mit den Schultern. „Ich schätze, du bist mir was schuldig.“

In seinen Augen blitzte es verräterisch. „Und was schlägst du vor, wie ich es wiedergutmachen soll?“

Sie ließ ihrer Fantasie freien Lauf. „Oh, wie wäre es mit einem Luxusurlaub an einem warmen Sandstrand? Ganz ohne Schnee.“

„Mit bunten Cocktails den ganzen Tag lang?“ Er stand auf und kam näher.

„Und nur das Rauschen der Brandung zu hören.“

„Und wie würde dir eine Massage gefallen?“ Er stellte sich hinter sie.

Ihr Nacken war vom dauernden Herumtragen des Babys schon ganz verspannt. „Eine Massage wäre himmlisch“, gestand sie.

„Bekleidet oder nackt?“

Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Hals. Ein heißer Schauer durchströmte ihren Körper. Lag es an seiner verführerischen Stimme oder an der Vorstellung, wie seine großen, starken Hände über ihre eingeölte Haut glitten, dass ihr Körper plötzlich in Flammen stand?

„Wir haben ein Resorthotel auf den Bahamas“, flüsterte er ganz nahe an ihrem Ohr. „Was würdest du zu einem verlängerten Wochenende sagen?“

Sie versuchte zu lachen. „Ich habe doch nur Spaß gemacht.“

„Sag mir sofort Bescheid, wenn du deine Meinung änderst.“

Ihre Knie wurden weich, und sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu Zack umzudrehen, ihm die Arme um den Hals zu schlingen und ihn zu küssen.

Natürlich mussten sie Rücksicht auf das Baby nehmen, doch was wäre heute Nacht? Wenn Bonnie schlief, würde er sicher wieder versuchen, sie zu küssen. Und wenn seine Liebkosungen auch nur annähernd so verlockend waren wie am Abend zuvor …

Trinity mahnte sich zur Vernunft. Zack hatte Langeweile. Er versuchte nur, sich die Zeit zu versüßen, wie er es mit jeder halbwegs attraktiven Frau tun würde. Egal, was er sagte, was er tat oder versprach, sie durfte nicht vergessen, dass sie nichts weiter für ihn war als ein Zeitvertreib.

„Ich sollte jetzt den Anruf erledigen“, sagte sie und trat beiseite.

„Wenn dein Handy keinen Empfang hat, kannst du meins benutzen“, bot er an.

Trinity legte das Baby wieder in sein Bettchen im Sessel und ging ins Gästezimmer. Sie schloss die Tür hinter sich und wählte die Nummer des New Yorker Büros. Wie üblich nahm Kate schon nach dem zweiten Klingeln ab.

„Was ist los, Trin?“

„Es gibt ein kleines Problem. Ich kann heute nicht zur Arbeit kommen. Und morgen wahrscheinlich auch nicht.“

„Bist du krank?“

„Nein, ich stecke in Colorado fest.“

„Ach ja, der Schneesturm. Ich habe davon gehört. Verrücktes Wetter! Wurde dein Flug annulliert?“

Trinity konnte einfach nicht lügen. „Ich habe meinen Flug verpasst. Allerdings hatte ich einen wichtigen Grund.“ Sie erzählte ihrer Chefin von dem Taxi, und wie sie das Baby gefunden hatte und dass sie da bleiben musste, bis sie wusste, dass die Kleine in guten Händen war. „Aber es schneit immer noch, der Strom ist ausgefallen, und es sieht nicht so aus, als könne das Jugendamt Bonnie vor morgen abholen.“

„Warte mal. Wer ist Bonnie?“

„Das Baby.“

„Ich dachte, du kennst sie nicht.“

„Tu ich auch nicht. Aber sie hat diese wunderschönen blauen Augen, und wir fanden, dass der Name gut zu ihr passen würde.“

„Wir? Hast du im Hotel jemanden kennengelernt?“

„Also eigentlich bin ich in einem Privathaus. Eine Hütte etwas außerhalb der Stadt.“

„Aber du kennst doch niemanden in Colorado.“

„Zack saß auch in diesem Taxi, als wir das Baby fanden.“

„Du bist also mitten im Wald mit irgendeinem Kerl, den du erst gestern getroffen hast?“, fragte Kate entgeistert. „Ich hoffe, er benimmt sich wie ein Gentleman.“

„Natürlich.“ Trinity zögerte. „Meistens jedenfalls.“

„Okay. Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen.“

„Musst du nicht. Ich bin absolut freiwillig hier.“

„Verstehe.“ Kate schwieg kurz. „Kann es sein, dass es sich um einen attraktiven Mann handelt?“

„Das hat gar nichts damit zu tun, dass …“

„Ein heißer Typ?“

Trinity seufzte. „Ja, er ist heiß.“ Glühend heiß, um genau zu sein.

„Sag schon, wer ist der Kerl?“

Sie konnte es ebenso gut gleich zugeben. „Zack Harrison von Harrison Hotels.“

Schweigen in der Leitung. Gefolgt von einem lang gezogenen Pfiff. „New Yorks begehrtester Junggeselle. Gut aussehend, reich, charismatisch und …“

„Und einen Ruf als unmoralischer Weiberheld, der für ein gutes Geschäft seine Großmutter verkaufen würde.“

„Ein echter Wolf im Schafspelz“, bestätigte ihre Chefin. „Und die Mädchen stehen Schlange, um sich von ihm abschleppen zu lassen. Aber so dämlich bist du ja wohl nicht.“

Trinity schluckte. „Das alles hat nichts mit der Situation hier zu tun.“ Sie versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu behalten.

„Gütiger Himmel, natürlich nicht. Es muss entsetzlich für dich sein, dort mit einem Mann festzusitzen, dem sein eigener Profit über alles geht. Weißt du noch, wie er dieses Gemeindezentrum geschlossen hat, um auf dem Grundstück ein exklusives Einkaufszentrum bauen zu können? Hat er irgendetwas über seine Geschäfte in Colorado erzählt? Ich habe gehört, er will das Dirkins Hotel übernehmen.“

Trinity wusste, worauf ihre Chefin abzielte. „Kate, ich könnte niemals etwas schreiben, was ich hier vertraulich erfahre.“

„Du weißt, dass ich deine hohen moralischen Ansprüche sehr schätze. Ich würde nur zu gern wissen, wie jemand so ganz ohne Gewissen durchs Leben kommt. Ein viel zu niedriges Angebot zu unterbreiten, ist eine Sache. Aber dem armen Mann öffentlich die Schuld am Tod seines Sohnes zu geben, um ihn zu zermürben und den Preis noch weiter zu drücken, ist einfach nur schamlos.“

Trinity schnappte nach Luft. Hatte Zack das wirklich getan? Bis zu diesem Moment hatte sie nichts darüber gehört, und sie konnte es kaum glauben, nicht einmal von ihm. Aber war sie vielleicht zu naiv? Zack Harrison war berüchtigt für seine rücksichtslosen Verhandlungen. Nur weil er einen Hauch von Mitgefühl gezeigt und das Baby in sein Haus aufgenommen hatte, änderte das nichts an seinem Charakter.

Kate versprach, das für heute geplante Interview zu übernehmen. Da klingelte es auf der anderen Leitung, und sie musste sich verabschieden.

Trinity legte auf, doch sie konnte nicht sofort wieder ins Wohnzimmer zurückkehren. Sie brauchte etwas Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. So vieles war geschehen, seit sie gestern Nachmittag in dieses Taxi gestiegen war.

Ein Wolf im Schafspelz …

Zack strahlte ein unerschütterliches Selbstvertrauen aus, das Frauen anzog und Männer bewunderten. Und er hatte so viel Sexappeal. Vom ersten Moment an hatte sie erkannt, warum Frauen ihm nur so zu Füßen lagen. Bestimmt hatte er längst aufgegeben, seine Eroberungen zu zählen.

Sie musste verrückt gewesen sein, sich letzte Nacht in seinen Armen sicher zu fühlen.

Während Trinity im Gästezimmer telefonierte, sah Zack ein paar Geschäftspapiere durch, bis ein seltsames Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Ein lautes Knirschen und Kratzen, das immer lauter wurde.

Was zum Teufel war das?

Zack trat ans Fenster und blickte über die augenscheinliche Ruhe draußen. Der Wind wirbelte immer noch Flocken umher, die unablässig aus dem grau bewölkten Himmel fielen. Die Landschaft war von einer dicken weißen Schneedecke verhüllt. Nirgends ein Lebenszeichen. Doch das laute Kratzen hörte nicht auf.

Plötzlich sprang etwas aus dem Schnee auf das Fenster zu. Zack schlug das Herz bis zum Hals, als er eine Reihe spitzer Zähne, gelbe Augen und eine große haarige Schnauze erblickte.

Autor

Dani Wade

Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...

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