Baccara Spezial Band 19

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BESCHÜTZE MICH IN DUNKLER NACHT von CYNTHIA EDEN
„Elizabeth …“ Leise flüstert jemand in der dunklen Bücherei ihren Namen. Dann greift er an! In letzter Sekunde wird die hübsche Bibliothekarin von Mac McGuire gerettet. Der breitschultrige Security-Experte ist verboten sexy, aber kann er herausfinden, wer Elizabeth töten will?

DAS VERSCHWUNDENE SWAT-TEAM von LENA DIAZ
In ihrem Elite-Team muss man sich aufeinander verlassen können. Donna ist wütend auf ihren Kollegen Blake, der sich als Einzelkämpfer aufspielt – auch wenn er unwiderstehlich ist. Aber als ihr Team in Gefahr gerät, braucht sie ihn dringend: seine Expertise und seine Küsse …

RISKANTE FRAGEN IN DALLAS von JANIE CROUCH
Wie gern würde Tanner Dempsey der schönen Bree endlich die große Frage stellen! Aber nicht jetzt. Denn das Know-how der jungen IT-Spezialistin wird in einem schrecklichen Fall gebraucht: Irgendwer überträgt live im Netz, wie eine Frau langsam in einer gefluteten Box ertrinkt …


  • Erscheinungstag 12.08.2022
  • Bandnummer 19
  • ISBN / Artikelnummer 8062220019
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Cynthia Eden, Lena Diaz, Janie Crouch

BACCARA SPEZIAL BAND 19

CYNTHIA EDEN

Beschütze mich in dunkler Nacht

Für Mac McGuire war es Leidenschaft auf den ersten Blick. Aber von seinen verführerischen Gedanken, die sich um die Bibliothekarin Elizabeth Snow drehen, darf er sich auf keinen Fall ablenken lassen, solange die Schönheit in Lebensgefahr schwebt. Ein Killer bedroht sie! Mac muss sie beschützen und ihren Verfolger aufspüren …

LENA DIAZ

Das verschwundene SWAT-Team

Wo ist ihr SWAT-Team geblieben? Auf mysteriöse Weise sind all ihre Kollegen spurlos in den Wäldern von Tennessee verschwunden. Für Donna und Blake beginnt eine fieberhafte Suche nach der entführten Elitetruppe. Bei der sie sich sehr viel näherkommen, als sie es während ihres konfliktreichen Trainings für möglich gehalten hätten …

JANIE CROUCH

Riskante Fragen in Dallas

Ihr Erzfeind Michael Jeter ist im Gefängnis. Also kann Bree unbesorgt mit Deputy Tanner Dempsey wegen eines neuen Falls nach Dallas fahren, richtig? Falsch. Denn während sie und Tanner gegen einen Serienkiller ermitteln, hat der Transportbus mit Michael Jeter einen Unfall. Er kommt frei – und plötzlich werden aus den Jägern Gejagte …

1. KAPITEL

Eigentlich hätte Elizabeth Snow allein sein sollen.

Sie beendete gerade die Spätschicht in der kleinen Bibliothek in Austin, Texas, und brauchte nur noch abzuschließen und die Alarmanlage einzuschalten, als sie Schritte im hinteren Bereich hörte.

Die Bibliothek hätte leer sein sollen.

Kurz vor dem Ausgang blieb Elizabeth stehen, die Handtasche, die sie über die Schulter geworfen hatte, fest umklammert.

Normalerweise war die Bücherei ein sicherer Rückzugsort für sie, aber jetzt schienen die Schatten der vollen Bücherregale tiefer und dunkler …

Es war spät. Die meisten Lichter waren ausgeschaltet.

Plötzlich hörte sie einen dumpfen Knall. Den Aufprall eines Buchs, das aus einem Regal gefallen oder gestoßen worden war. Elizabeth schluckte verunsichert und rief: „Ist da jemand? Die Bücherei schließt jetzt. Sie müssen gehen.“ Dabei versuchte sie, so streng wie möglich zu klingen.

Doch niemand antwortete.

Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, dachte sie. Am vergangenen Wochenende hatte sie einen Horrorfilm-Marathon im Fernsehen angeschaut.

Wieder hörte sie einen Aufprall. Diesmal war sie sich sicher, dass es ein Buch war. Spielte ihr jemand einen Streich?

Sie hatte noch nie Probleme in der Bücherei gehabt. Manchmal schliefen Besucher an den Lesetischen zwischen den Regalen ein und verpassten den letzten Aufruf, dass die Bücherei schließen musste, aber spätestens bei ihrer Kontrollrunde fand Elizabeth sie, weckte sie sanft und schickte sie nach Hause.

Bei der Runde vor ein paar Minuten hatte sie allerdings niemanden gefunden.

„Die Bücherei ist nun geschlossen!“ Zögernd trat sie hinter ihren Schreibtisch.

„Elizabeth …“

Ein Flüstern, dunkel und kratzig. Ein Mann. Sie erstarrte. „Wer ist da? Das ist nicht lustig. Ich rufe die Security!“, log sie, denn es gab keinen Sicherheitsdienst für die Bücherei.

„Ich habe … auf dich gewartet …“

Die Stimme klang näher.

Nein, das ist unmöglich. „Hör auf damit!“, rief sie. „Hör einfach …“

In diesem Moment hämmerte jemand an die gläserne Eingangstür. Elizabeth schrie auf und fuhr herum.

Draußen im Eingang stand ein großer Mann. An seinen beeindruckend breiten Schultern erkannte sie ihn sofort – es war schwer, einen solchen Mann zu vergessen. In jeder anderen Situation hätte Elizabeth den Anblick von MacKenzie McGuires durchtrainiertem Körper genossen, aber in diesem Augenblick …

Sie rannte zur Tür. Außer Atem und mit hämmerndem Herzen rutschten ihr fast die Schlüssel aus der Hand, als sie aufschloss.

Mac hielt einen Thriller hoch, den Elizabeth ihm empfohlen hatte. „Tut mir leid, dass ich so spät noch komme“, sagte er mit seiner dunklen, rauchigen Stimme, die sie so gern hörte. „Aber ich habe das Licht gesehen und dachte mir …“

Sie zog ihn zu sich. Das Buch fiel zu Boden. „Irgendjemand ist hier.“

Fragend sah Mac sie an. Manchmal, aber nur manchmal mochte sie von diesen grünen Augen und dem gefährlich attraktiven Gesicht träumen, aber nun sah sie, wie sich seine Miene verdunkelte. „Was?“

Sie drückte seinen Arm und deutete hinter sich. „Ich habe jemanden gehört. Ein Mann ist hier und hat meinen Namen gerufen. Ich weiß nicht …“

Sofort zog Mac Elizabeth hinter sich und ging auf die Regale zu. Sie wusste, dass Mac – und seine Brüder – beim Militär gewesen waren. Gerüchten zufolge war Mac sogar bei der Delta Force gewesen. Als er sich wie ein Jäger voranschlich, sah sie die Anspannung in seinem Gesicht.

In geduckter Haltung folgte sie ihm und versuchte, so leise wie möglich zu sein, aber die Schlüssel in ihrer Handtasche klimperten bei jedem Schritt. Mac hielt inne und sah sie fragend an.

Sie deutete nach links. „Da“, flüsterte sie. „Er kam von …“

Glas zersplitterte. Nicht aus der Richtung des Geräuschs, sondern rechts von ihnen. Mac sprintete los, Elizabeth rannte zu ihrem Schreibtisch, griff sich den erstbesten Gegenstand und folgte ihm. Ihre High Heels behinderten sie, also schlüpfte sie schnell heraus. Sie rannte um ein Regal, dann um einen Bücherwagen und …

… direkt in Mac hinein.

Sie fiel, prallte aber nicht auf den Boden. Mac hatte sie aufgefangen und hielt sie ohne Probleme fest. Sie war ihm noch nie so nahe gewesen und hatte nicht gewusst, wie gut er roch oder …

„Er haut ab.“

Ach ja, richtig, der Mann. Sie fing sich und trat einen Schritt zurück.

„Ein Tacker?“, fragte Mac. „Was, zum Teufel, willst du damit?“

Elizabeth sah auf ihre linke Hand. Sie hatte wahllos nach dem Tacker gegriffen, der so schwer war, dass sie sich damit hätte verteidigen können.

Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, rannte Mac zum Fenster. Der Unbekannte hatte die Scheibe eingeschlagen, als er geflohen war, und ohne zu zögern, sprang Mac hinterher. Den Tacker noch immer fest umklammert, folgte Elizabeth ihm bis zum Fenster. Gerade als sie ihn nicht mehr sah, piepte es laut los. Es war der Alarm, der schon beim Einschlagen des Fensters hätte losgehen müssen.

Elizabeth lehnte sich aus dem Fenster und versuchte, Mac in der Dunkelheit auszumachen. Geht es ihm gut? Was ist, wenn er in einen Hinterhalt gerät? Mit der freien Hand wischte sie ein paar Scherben zur Seite.

Sie hörte einen Motor aufheulen. Scheinwerferlicht flammte in der Dunkelheit auf. Kurz wurde das Motorengeräusch lauter, als ein Auto vorbeifuhr.

Jemand war in der Bücherei gewesen und hatte ihren Namen gerufen. Jemand war hinter ihr her.

Ich habe auf dich … gewartet. Dieses Flüstern. Sie hasste die Angst, die damit einherging. Es erinnerte sie daran, dass sie manchen Dingen nicht entkommen konnte, egal, wie weit sie weglief.

„Mac?“, rief sie über den Alarm hinweg. Bald würde die Polizei kommen. Elizabeth fragte sich, was die Beamten tun würden, denn das Auto – und der Mann – wären dann schon lange verschwunden.

„Mac?“, rief sie noch lauter in die Nacht. Wo bist du? Bist du verletzt? Er mochte den Körperbau eines Superhelden haben, aber selbst er wäre gegen ein fahrendes Auto machtlos. Wenn er angefahren worden war oder sogar …

„Elizabeth.“

Sie schnellte herum und schlug mit dem Tacker zu.

Seufzend hielt Mac ihren Arm fest. Die Bewegung war kaum zu sehen, so schnell reagierte er. Er nahm ihr den Tacker aus der Hand und warf ihn zur Seite. „Der Mann ist weg.“

„Du hast mich zu Tode erschreckt! Was hast du dir nur dabei gedacht?“

Er sah ihr direkt in die Augen. „Ich habe dich dreimal gerufen. Der Alarm ist wahrscheinlich zu laut.“

Sie blinzelte verwirrt. „Oh, kann sein.“

„Die Anlage alarmiert die Polizei, oder?“ Er hielt immer noch ihre Hand. Sie konnte die Wärme seiner Finger spüren.

„Ja, tut sie“, erwiderte sie und sah an ihm vorbei durch das Fenster.

„Sie können die Bibliothek untersuchen, aber der Eindringling ist schon weg. Ein Kennzeichen konnte ich leider nicht erkennen. Ich hab fast gar nichts gesehen, weil der Typ abgewartet und mich mit dem Scheinwerfer geblendet hat.“

„Geht es dir gut?“, fragte Mac.

Kurz strich er ihr über die Innenseite des Handgelenks. Das machte sie nervös. Sehr nervös sogar. Aber das tat Mac meistens.

Vor ein paar Wochen war er das erste Mal in die Bücherei gekommen. Als sie vom Schreibtisch hochgesehen und ihn angeschaut hatte, war sie sprachlos gewesen. Wow! Sexy. Das war das Einzige, was sie hatte denken können. Diese dunklen Haare, das markante Kinn, die weichen Lippen.

Heulende Sirenen rissen sie aus ihren Gedanken.

Die Polizei war vor der Tür. Sie waren schneller gekommen, als Elizabeth erwartet hatte.

„Elizabeth“, hörte sie Mac neben sich. „Bist du okay?“

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, alles in Ordnung. Ich bin froh, dass du da warst.“ Das war das Ehrlichste, was sie in den letzten Monaten gesagt hatte. Ohne ihn hätte sie nicht gewusst, was sie tun sollte.

Mac hielt immer noch ihre Hand. „Hast du Feinde, Elizabeth?“

Sie rang sich ein gequältes Lächeln ab. „Ich bin Bibliothekarin und gebe mir größte Mühe, niemanden zu verärgern.“

Der Witz brachte ihn nicht zum Lächeln. Stimmt, das hier ist eine ernste Sache.

Ihr Lächeln erstarb. „Ich danke dir“, sagte sie leise. Die Sirenen wurden lauter. „Ich schulde dir was.“

Er ließ ihre Hand los. „Darauf komme ich zurück.“

Was?

„Später. Lass uns erst mal zu den Beamten gehen, bevor sie noch hier reinstürmen.“ Er schob sie zur Tür. „Vorsicht mit den Scherben.“

„Der Mann hat das Messer fallen lassen, als er weggerannt ist.“ Mac hatte es Elizabeth nicht sagen wollen, weil er ihr keine Angst machen wollte, aber die Polizisten hatten die Bücherei durchsucht und wollten nun die Stelle inspizieren, an der der Mann aus dem Gebäude geflohen war.

„Da.“ Mac deutete auf das Messer am Boden. „Ich habe es nicht angefasst, falls Fingerabdrücke darauf sind.“

„Ein Messer?“, rief Elizabeth schrill. „Was? Er hatte ein Messer?“

Mac kochte vor Wut. Die Polizisten schienen wegen der Geschehnisse nicht sonderlich besorgt, deshalb mussten sie unbedingt erfahren, dass der Eindringling bewaffnet gewesen war.

Ein Beamter beugte sich hinunter. „Ein Klappmesser“, stellte er fest und sah zu Mac hoch. „Sind Sie sicher, dass der Mann es fallen gelassen hat? Es ist nicht sehr hell hier, und vielleicht haben Sie …“

„Er hat es fallen lassen“, antwortete Mac. „Untersuchen Sie die Fingerabdrücke.“ Wenn jemand sich mit einem Messer in einer leeren Bücherei versteckte, bedeutete das Ärger. Das sollten die Polizisten eigentlich wissen.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Elizabeth einen Schritt zurücktrat. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, und er war sich sicher, dass er die Angst in ihren warmen braunen Augen hätte sehen können, wenn es nicht so dunkel gewesen wäre.

Elizabeth Snow.

Er erinnerte sich noch genau an den Moment, in dem er sie das erste Mal gesehen hatte. Er war in die Bücherei gekommen, um Zeitungsartikel im Archiv durchzuschauen und nach seiner Mutter zu suchen, die vor Jahren in Austin gelebt hatte. Damals waren die Artikel noch nicht digitalisiert worden, aber die Bücherei bewahrte einige Microfiches auf. Also musste er auf die altmodische Weise recherchieren und hatte dabei Elizabeth getroffen.

Sie hatte das Haar offen getragen, und die braunen Locken hatten ihr herzförmiges Gesicht eingerahmt. Lachend hatte sie sich zu ihm umgedreht, aber als sie ihn angesehen hatte, war sie verstummt.

Nein, nicht aufhören, hatte er gedacht. Er mochte ihr Lachen sehr.

Sie war rot angelaufen und hatte gelächelt, als sie ihn gefragt hatte, ob sie ihm helfen könne.

Auf so viele verschiedene Weisen.

Um sie herum nahm die Untersuchung ihren Lauf. Mac sah, wie Elizabeth sich mit zitternden Fingern eine Haarsträhne hinter das Ohr strich. „Er wollte mich mit einem Messer angreifen?“

Die Beamten tauschten einen Blick aus. „Ma’am, wir wissen nicht, was der Mann hier wollte“, erklärte einer freundlich. „Vielleicht hatte er es auf das Geld in der Kasse abgesehen.“

„Hier gibt es kein Geld. Gebühren berechnen wir nur für überschrittene Leihfristen, und das ist nicht genug, als dass sich ein Einbruch lohnen würde.“ Sie schlang sich die Arme um den Körper. „Außerdem hat er meinen Namen gesagt.“

Das war eine persönliche Angelegenheit, genau wie Mac bereits geahnt hatte. Er trat zu Elizabeth. Irgendetwas ging hier vor sich. Er verstand es nicht und musste wieder an ihre Reaktion denken, als er sie gefragt hatte, ob sie Feinde hatte.

Sie lügt.

Mac konnte nicht anders, als sich zu fragen, was für Feinde diese süße Bibliothekarin haben könnte. Denn Elizabeth war süß und roch immer leicht nach Zimt. Zu gern hätte er sie einfach vernascht. Er hatte ihr oft zugesehen, wie sie Kindern Geschichten vorlas. Viel zu oft.

Verdammt … Ich werde noch zu einem Stalker.

„Und wieso waren Sie hier, Mr. McGuire?“, fragte ihn einer der Polizisten, als hätte er Macs Gedanken gelesen.

„Ich …“

„Er hat ein Buch zurückgebracht“, sagte Elizabeth schnell. „Und ich bin ihm so dankbar, dass er da war.“

Mac zuckte mit den Schultern. „Die Frist war abgelaufen.“ Eine Lüge. Er hatte Elizabeth sehen wollen.

„Die Gebühr vergessen wir“, meinte Elizabeth und strich ihm über die Schulter. Sofort verspannte er sich – er konnte nicht anders. Allein durch die leichte Berührung fühlte er sich, als stünde er unter Strom. Elizabeth hatte etwas an sich …

Sie ließ die Hand sinken und trat einen Schritt zurück.

Diese Frau fasziniert mich, dachte Mac. Aber ausgehen wollte sie leider nicht mit ihm. Er hatte es schon ein- oder zweimal versucht. Oder vielleicht auch viermal. Sie hatte ihn jedes Mal abgewiesen.

Er vermutete, dass seine Vergangenheit als Ex-Soldat der Delta Force nicht ihrer Vorstellung eines vernünftigen Dates entsprach.

Schade. Sie sollte wissen, dass Gegensätze sich anziehen.

„Ich habe die Leiterin der Bücherei angerufen“, sagte Elizabeth und riss ihn aus seinen Gedanken. „Sie kommt, um die Reparaturen zu beaufsichtigen. Und sie meinte, die Sicherheitsfirma ist auch auf dem Weg.“

Und schon sah Mac, wie ein blauer SUV um die Ecke auf den Parkplatz fuhr. Als er anhielt und das Licht im Wagen anging, erkannte er die Frau darin – Cathy Waite, die Leiterin der Bücherei.

„Ich muss mit ihr sprechen“, sagte Elizabeth und huschte davon.

Mac ging zu den Polizisten. „Wenn ein Mann sich mit einem Messer an eine Frau anschleicht, ist das eine ernst zu nehmende Sache.“

„Wir kümmern uns ja schon um das Messer.“

„Er hat sich erst vom Acker gemacht, als er mich gehört hat. Der Typ hatte etwas vor. Er wollte ihr schaden.“ Mac ballte die Hände zu Fäusten. „Ihr müsst ihn finden, bevor er noch einmal zuschlägt.“ Oder ich ihn zuerst finde.

Er sah über die Schulter zu Elizabeth. Sie unterhielt sich mit Cathy, und neben ihnen fuhr der Wagen einer Reparaturfirma auf den Parkplatz.

„Das Fenster ist noch nicht freigegeben“, rief einer der Polizisten, als er den Wagen sah. „Wir haben noch nicht alles untersucht!“ Schnell lief er über den Parkplatz davon.

Mac sah zu Elizabeth. Sie rieb sich die Arme, als wenn ihr kalt wäre. Sofort zog er seine Jacke aus, ging zu ihr und legte sie ihr über die Schultern. Sie zuckte zusammen. Verdammt. Er durfte ihr nicht immer Angst einjagen. Sich leise zu bewegen war ihm zur Gewohnheit geworden, und dabei vergaß er manchmal, dass er andere Leute damit erschreckte.

„Danke“, sagte sie, als sie die Jacke fester um sich zog. Mac sah an ihr hinunter. Elizabeth ertrank fast in seiner Jacke, so groß war sie an ihr. Außerdem mussten die Polizisten ihr die Schuhe zurückgegeben haben. Der knallrote Nagellack auf ihren Zehen, den er gesehen hatte, als sie ihre Schuhe abgestreift hatte, war wieder versteckt.

„Du kannst ruhig gehen“, meinte sie. „Die Polizei ist hier, Cathy ist hier … Wir haben alles unter Kontrolle. Du … Du hast schon viel mehr getan als ein einfacher Bibliotheksbesucher.“

„Schon okay. Ich kann ruhig noch länger bleiben“, sagte er in einem hoffentlich nonchalanten Ton.

Um sie herum erhellten die rotblauen Lichter der Polizeiautos die Nacht. Sie trat zu ihm, und er nahm erneut den süßen Zimtgeruch wahr. „Du musst wirklich nicht bleiben“, sagte sie sanft. „Aber danke, dass du mein Held gewesen bist.“

Sie wollte seine Jacke von den Schultern streifen, aber er hob die Hand. „Nein, behalt sie. Ich brauche sie nicht.“ Er wollte nicht, dass ihr kalt war.

Sie lächelte. „Ich meinte, was ich gesagt habe. Ich schulde dir was.“

„Dann kannst du vielleicht als Wiedergutmachung mit mir ausgehen“, sagte er, und kurz herrschte Stille zwischen ihnen.

Elizabeth biss sich auf die Lippe. Eine ganz schlechte Idee, denn Mac fand es unglaublich sexy. Er wollte sofort über ihre Lippen streichen, darüber lecken. Vielleicht hineinbeißen. Natürlich nicht zu hart. Und was würdest du dann machen? fragte er sich.

„Ich glaube nicht, dass das mit uns beiden eine gute Idee ist, Mac“, sagte sie.

Das war seine fünfte Abfuhr. Er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. „Wieso nicht?“ Er strich ihr über die Wange. Überrascht atmete sie ein, und er spürte, wie sie leicht zitterte. „Ich weiß, dass du es auch spürst.“ Dieses Gefühl. Diese aufgeladene Spannung, die ihm zeigte, dass die Leidenschaft zwischen ihnen brennen würde.

„Stimmt.“ Sie sah zu ihm hoch. „Aber ich glaube, du erwartest mehr, als ich dir geben kann.“

„Das glaube ich nicht.“

„Ich habe die Gerüchte über dich gehört.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern. „Du liebst die Gefahr. Das Adrenalin.“ Elizabeth schüttelte den Kopf. „Das ist nichts für mich. Das kann ich nicht.“

Er nickte. „Ich habe dich auch nicht gebeten, mir auf eine Mission zu folgen. Ich wollte nur mit dir ausgehen.“

Sie lachte. Er hörte dieses Lachen so verdammt gern. Dass du nach alldem auch noch lachen kannst.

„Ich schulde dir wirklich was, Mac“, sagte sie. „Also nehme ich deine Einladung an.“ Sie zögerte. „Aber mehr als einen Drink kann ich dir nicht bieten. Das musst du verstehen.“

„Das tue ich.“ Er war ein Gentleman, auch wenn die meisten dem widersprechen würden. Die harten McGuire-Brüder hatten sich über die Jahre einen Ruf zugelegt, und es kursierten viele Gerüchte über sie.

Mac machte sich nicht viel daraus. Ihm ging es nur darum, was Elizabeth von ihm hielt.

Sie ging wieder zu Cathy, und er machte sich auf den Weg zu seinem Auto. Nach ein paar Schritten drehte er sich um und warf einen letzten Blick auf die nun hell erleuchtete Bücherei.

Was ist, wenn der Typ wiederkommt?

Mac war eine Versuchung, die Elizabeth nicht brauchte. Sie schlug die Autotür zu und ging schnell zur Haustür. Am besten wäre es, sich von Mac und allem, was er verkörperte, fernzuhalten und nicht mit ihm auszugehen.

Denn sie wollte mehr als nur das Date.

Zwischen ihnen prickelte es gewaltig, und sie verspürte Verlangen. Begierde. Auch wenn sie es vor ihm versteckt hielt, wollte sie ihn mehr als jemals einen Mann zuvor.

Nervös sah sie sich um, als sie in ihren High Heels über den Bürgersteig eilte. Ihre Nachbarschaft war sicher. Es gab genügend Hunde, genügend Nachbarn wie Ms. Lee, die aufpassten und hilfreich waren. Hier fühlte sie sich geborgen.

Sie schloss die Haustür auf. Vielleicht sollte sie das Date mit Mac einfach absagen. Wobei es nicht einmal ein richtiges Date war, sie würden sich nur auf einen Drink treffen. Irgendwann. Irgendwo. Und sie würde sich zurückhalten.

Auch wenn Mac tiefe Sehnsucht und große Leidenschaft in ihr weckte, würde sie auf keinen Fall ihre wilde Seite herauslassen, denn das wäre gefährlich.

Genauso gefährlich wie er.

Sie ging hinein und schaltete das Licht ein.

Ihr Handy klingelte.

Sie holte es aus der Tasche, sah stirnrunzelnd auf das Display, auf dem eine unbekannte Nummer stand.

Sie kannte niemanden, der sie um diese Uhrzeit anrufen würde, und gab kaum jemandem ihre Nummer. Nicht einmal Mac hatte sie ihre Nummer gegeben, sondern nur der Polizei. Vielleicht haben sie den Typen gefunden! Mit dem Fuß trat sie die Haustür hinter sich zu, schloss ab und nahm den Anruf entgegen. „Hallo, hier ist Elizabeth …“

„Beth.“

Sie erstarrte.

„Ich weiß, was er will, Beth. Ich kann dir helfen.“

„Wer ist da?“ Sie umklammerte das Handy und lehnte sich gegen die Tür.

„Er hat dich auch gefunden, aber zusammen können wir ihn aufhalten.“

„Wer ist da?“, fragte sie erneut. Sie hatte Angst. Erst wurde sie angegriffen, dann erhielt sie solch einen Anruf … Wieso passiert mir das?

„Wir müssen uns treffen, bevor es zu spät ist.“

„Zu spät wofür?“ Elizabeth drehte sich um und sah durch das Fenster in der Tür hinaus. Sie glaubte kurz, ein Auto vor Ms. Lees Haus vorfahren zu sehen, aber es war so dunkel, dass sie sich nicht sicher war. „Ich glaube, Sie sprechen mit der falschen Person.“

„Ich war da, Beth. In Colorado.“ Die Stimme klang vertraut. „Ich will dir helfen.“

Und der Typ in der Bücherei hatte sie angreifen wollen. „In erster Linie kannst du mich in Ruhe lassen“, sagte sie so resolut, wie sie konnte. „Ruf mich nie wieder an.“

„Du bist in Gefahr!“

„Willst du mir drohen?“ Diesmal war sie sich sicher, dass sie unter einem Baum einen Schatten gesehen hatte. Ihre Knie zitterten.

„Nein. Ich will dir nur helfen.“

Und das soll ich dir glauben? Schließlich wollte der Anrufer ihr nicht einmal sagen, wer er war.

„Hör mir zu, Beth! Ich konnte es nicht vergessen. Also habe ich nachgeforscht. Ich habe zu viel gefragt und verraten, was ich weiß.“

Jetzt verstand sie gar nichts mehr.

„Deshalb sind wir beide in Gefahr.“

Elizabeth trug immer noch Macs warme Jacke, aber ihr lief es kalt den Rücken hinunter.

„Ich weiß, dass jemand hinter mir her ist. Er muss auch hinter dir her sein. Wir müssen uns treffen.“ Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sie noch immer nicht zuordnen. „Jetzt sofort. Ich stehe neben der Bar Rustic in der Avers Street und warte in der Seitenstraße auf dich.“

Aber natürlich. Sie konnte kaum glauben, dass der Anrufer sie aufforderte, sich in einer dunklen Gasse mit ihm zu treffen.

„Ich weiß, dass du ihn aufhalten kannst.“ Die Stimme wurde tiefer. „Ich weiß, was passiert ist. Ich war da. Ich habe darüber berichtet.“

Darüber berichtet. Auf einmal wusste sie es wieder und hatte einen Mann vor Augen: groß, eher dünn, mit blondem Haar und blauen Augen, die sie mitfühlend ansahen.

Es war eine Ewigkeit her, dass sie den Mann gesehen hatte. Damals war sie ein anderer Mensch gewesen.

„Du musst mich mit jemandem verwechseln“, sagte sie.

„Nein, Beth, leg nicht auf.“ Er seufzte hörbar. „Du bist aus einem bestimmen Grund nach Texas gezogen, habe ich recht? Weil er aus Texas kam. Du willst es auch immer noch wissen, und mir geht es genauso. Aber ich habe die Lösung gefunden. Wenn du kommst, kann ich dir alles sagen, und wir können … Ah!“

Er hatte aufgeschrien. Hat er sich wehgetan?

„Hallo?“, fragte sie. „Alles in Ordnung?“

Der Anruf wurde beendet.

„Hallo?“ Sie rief die Nummer zurück. Es klingelte und klingelte. Dann sprang die Mailbox an.

Hier ist Steve Yeldon. Wenn Sie eine Story haben oder etwas Interessantes wissen, schreiben Sie mir eine Nachricht. Wenn nicht … Wieso rufen Sie an?

Steve Yeldon. Der Name katapultierte sie tief in die Vergangenheit zurück. Erneut sah sie auf das Handydisplay. Sie erinnerte sich an den Reporter. Er war jung gewesen, nur ein paar Jahre älter als sie, und hatte sie nicht wie so viele andere belästigt, sondern sie nach ihrer Sichtweise der Ereignisse gefragt.

Aber sie hatte damals nicht darüber reden wollen.

Es war so viele Jahre her.

Sie tippte auf das Display. Sein Aufschrei war verstörend gewesen. Sie hatte ein ungutes Gefühl im Magen. Wieder wählte sie die Nummer, musste sich vergewissern, dass der Anruf nur unterbrochen worden war und es Yeldon gut ging.

Jemand nahm ab. Sie konnte den Atem hören.

„Hallo? Ist da Steve Yeldon?“

Schweigen.

„Steve, ich wollte dir noch sagen …“

„Steve ist gerade verhindert.“

Eine Gänsehaut breitete sich auf Elizabeths Armen aus, als sie die kratzige Stimme hörte. „Wer ist da?“

„Wir sehen uns bald, Elizabeth.“

Wieder wurde der Anruf beendet. Elizabeth gefror das Blut in den Adern.

Sie musste die Polizei informieren. Jemand musste zu Yeldon. Nur …

Nur haben sie mir das letzte Mal auch nicht geglaubt. Als sie Steve Yeldon das erste Mal getroffen hatte, waren ihre Erfahrungen mit der Polizei nicht gut gewesen. Die Polizei hatten ihr letztes Mal nicht geglaubt, und sie war sich sicher, dass sich das nicht geändert hatte.

Aber Steve braucht Hilfe.

Sie war die Einzige, die ihm helfen konnte.

Elizabeth drückte den Rücken durch. Die Autoschlüssel hatte sie immer noch in der Hand.

2. KAPITEL

Mac hatte nicht die geringste Ahnung, was er tat. Er hätte Elizabeth nicht nach Hause folgen sollen.

Zwar hatte er sich Sorgen um sie gemacht, aber das machte sein Verhalten nicht besser. Mit der Hand fuhr er sich durch das Haar. Sie war sicher. Er sollte nach Hause fahren. Nur … war da etwas, das ihn abhielt …

Sie hat Feinde und verschweigt mir irgendetwas.

Mac drehte sich zum Auto. Sie würden sich morgen unterhalten.

Da rannte Elizabeth aus dem Haus.

„Hey …“, rief er.

Sie sprang ins Auto und fuhr mit quietschenden Reifen rückwärts von der Auffahrt, wobei sie fast einen Briefkasten rammte. Sofort stieg Mac wieder in sein Auto. Irgendetwas lief hier falsch. Grundlos fuhr niemand so schnell.

Er raste ihr nach. Elizabeth fuhr in das Partyviertel von Austin und hielt an einem öffentlichen Parkplatz. Sie schien nicht bemerkt zu haben, dass ihr jemand folgte. Langsam fuhr er neben dem Parkplatz entlang und ließ das Fenster hinunter. Über die Straße hallten Gelächter und Tanzmusik.

Ich darf nicht überall Gefahren sehen. Sie will nur feiern gehen. Sie gönnt sich bloß einen Drink.

Nur war sie dafür ungewöhnlich schnell gefahren.

Elizabeth schien in einen Club namens Rustic zu wollen, ging dann aber daran vorbei und bog in eine Gasse ab. Interessiert richtete Mac sich auf.

Nein, fahr nach Hause. Bild dir nichts ein.

Er versuchte, sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war, konnte jedoch nur die Häuserecke anstarren, um die Elizabeth verschwunden war.

Manchmal wusste man sofort, dass man eine schlechte Entscheidung traf, und als Elizabeth in die Gasse neben der Bar trat, war ihr klar, dass sie besser hätte umdrehen sollen.

Aber die Angst um Steve Yeldon wuchs mit jeder Sekunde und ließ sie weitergehen. Immer wieder musste sie an das Stöhnen denken, das sie am Telefon gehört hatte.

Die Seitenstraße war nicht ganz so dreckig wie erwartet. Der Gestank war auszuhalten, es roch nach Müll und billigem Alkohol. An einer Wand standen große grüne Müllcontainer. Alles lag im Zwielicht, die einzige Beleuchtung kam von den umliegenden Gebäuden.

Langsam ging Elizabeth an den Containern vorbei. „Steve? Steve, äh, Yeldon? Bis du hier?“ Sie lief weiter, bekam aber keine Antwort, deshalb holte sie ihr Handy aus der Tasche und rief ihn an.

Kurz hörte sie nichts, dann …

Ein Klingeln direkt hinter einem Container links von ihr.

Sie senkte die Hand mit dem Handy. „Steve?“

Es raschelte leise.

„Steve? Geht es dir gut?“ Sie traute sich noch einen Schritt näher. Vielleicht fand sie Steve … oder den angsteinflößenden Typen, der am Telefon gewesen war.

Um sicherzugehen, holte sie ihr Pfefferspray aus der Handtasche. Dann erst sprang sie um die Ecke eines Containers.

Sofort erkannte sie, dass der Mann vor ihr nicht mehr lebte. Er lag zusammengesunken in einem seltsamen Winkel da, regte sich nicht, und unter ihm konnte sie einen dunklen Fleck sehen. Sie schaltete die Taschenlampe in ihrem Handy ein. Im Licht sah sie Steve Yeldons Gesicht. Er war definitiv tot.

Überall war Blut. Erschrocken wich Elizabeth zurück, das Handy in der einen und das Pfefferspray in der anderen Hand.

Plötzlich sprang etwas aus dem Müllcontainer und krabbelte über Steves Körper. Elizabeth schrie auf.

„Jetzt hab ich dich.“

Abrupt wurde sie nach hinten gerissen. Das Handy fiel ihr aus der Hand. Sie trat aus, traf aber nichts. Soweit sie konnte, wandte sie sich herum und hob die Hand mit dem Pfefferspray. Schnell kniff sie die Augen zusammen und drückte ab.

Ein Schrei. Ein lauter Schrei. Elizabeth fiel zu Boden und landete neben der Blutlache.

„Elizabeth!“, rief jemand vom Eingang der Gasse. Sie hob den Kopf und konnte den Umriss einer breitgebauten Person erkennen. Mac.

Der Angreifer floh, und Mac kam auf sie zu und zog sie an sich. „Elizabeth! Geht’s dir gut?“

Ja. Nein. Doch. Ich bin nicht tot. „Er hat Steve umgebracht.“

„Was? Wer ist Steve?“

Sie deutete auf den Toten.

Mac fluchte laut.

Elizabeth wand sich aus der Umarmung und rannte los. „Wir müssen ihn aufhalten.“

Die Gasse endete in einer scharfen Kurve. Elizabeth wurde zurückgehalten, als ein Arm um ihre Hüfte gelegt wurde. Direkt vor ihr raste ein Auto vorbei. Es hupte laut.

„Du kannst nicht einfach losrennen.“

Erneut riss sie sich los. „Wir müssen ihn finden!“ Sie sah sich um. Autos fuhren vorbei, sie sah andere Menschen vor den Clubs stehen, aber keinen Mann auf der Flucht.

„Wo ist er?“ Er durfte nicht entkommen. Er hatte Steve getötet. Und wenn sie ihn nicht fanden …

Dann wird er mich töten.

Die Sonne ging langsam auf. Während andere Leute in Austin zur Arbeit aufbrachen, saß Mac im Büro von McGuire Securities und ließ die Geschehnisse der letzten Nacht Revue passieren.

Er sah über den Schreibtisch hinweg zu Elizabeth. Sie war bleich, ließ die Schultern hängen und sagte kaum ein Wort.

Er war bei ihr geblieben, als sie mit der Polizei gesprochen hatte.

Ja, ich habe den Toten gefunden. Nein, er … er lag schon da. Sein Mörder hat mich angegriffen. Nein, ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Nein, ich weiß nichts über das Opfer.

„Elizabeth.“ Sie schien meilenweit entfernt. Seit sie ins Büro gefahren waren, hatte sie nur dagesessen. Selbst als er sie direkt ansprach, reagierte sie nicht.

Mac stand auf, ging um den Schreibtisch und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Elizabeth.“

Sie zuckte zusammen und sah zu ihm hoch. Mac war sich nicht sicher, ob sie unter Schock stand.

„Ich sollte nach Hause fahren“, sagte sie heiser. „Ich weiß nicht, wieso ich überhaupt hier bin.“

„Weil du meine Hilfe brauchst.“

Sie runzelte die Stirn.

„Ich habe nichts gesagt, als du mit der Polizei gesprochen hast“, fuhr er sanft fort, „aber ich weiß, dass du gelogen hast.“

Sofort versuchte sie aufzustehen, aber Mac drückte sie vorsichtig zurück auf den Stuhl.

„Keine Ahnung, wovon du sprichst.“ Böse funkelte sie ihn an. „Lass mich los.“

Er ließ ihre Schultern los, blieb aber neben ihr stehen. „Du kanntest den Mann. Ich hab gehört, was du gesagt hast: ‚Er hat Steve umgebracht.‘ Außerdem bist du zu ihm gefahren. Du wusstest, wo er war.“

Sie stand auf. Er hielt sie nicht ab, trat aber auch nicht zurück. Jetzt standen sie direkt voreinander. „Du bist mir gefolgt.“

„Stimmt.“ Mac zuckte mit den Schultern.

„Wieso? Du … Du kannst nicht einfach jemandem folgen.“

„Ich bin Privatdetektiv. Ich folge, wem ich will.“

Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, und Mac ließ sich beinahe davon ablenken.

„Wieso bist du mir gefolgt?“ Sie trat einen Schritt zurück.

„Weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Ich wollte dich beschützen.“

„Du kennst mich doch gar nicht.“ Sie ging zur Tür. „Ich muss zu meinem Auto. Was habe ich mir nur dabei gedacht herzukommen …“

„Du hast darüber nachgedacht, was noch alles passieren könnte, und wolltest nicht allein sein.“ Was er auch nicht wollte.

„Irgendjemand ist hinter dir her, Elizabeth.“

Sie schwieg.

„Verdammt, ich will dir helfen! Genau das tun wir hier. Wir beschatten Leute, beschützen andere. Du kanntest den Typen in der Gasse und wusstest, dass er tot war …!“

„Ich hatte gehofft, er würde noch leben.“ Sie drehte sich zu ihm um und fuhr sich durch die Haare. „Ich vertraue dir nicht.“

Fast erlaubte er sich ein Lächeln. „Ich dir auch nicht.“ Zweifelsfrei fand er sie heiß, aber trauen konnte er ihr nicht. Immerhin hatte sie die Polizei angelogen.

„Ich habe seit Jahren nichts mehr von Steve Yeldon gehört, aber als ich heute nach Hause gekommen bin, hat er mich angerufen. Er wollte sich mit mir treffen. Dort, in der Gasse. Er meinte, wir müssten reden.“

Mac wartete, ob sie weitersprach. Dann seufzte er. „Worüber wollte er mit dir sprechen?“

„Woher soll ich das wissen?“ Sie sah zur Seite. „Ich wohne erst seit drei Monaten hier. Ich führe ein einfaches Leben, tue nichts Gefährliches …“

Mac lachte auf. Er konnte nicht anders.

Sofort wurde sie rot.

„Du bist in der Bibliothek angegriffen worden, in eine dunkle Gasse gerannt und hast einen toten Mann gefunden. All das ist gefährlich.“

Sie wich seinem Blick aus und sah aus dem Fenster.

„Wieso wollte er mit dir sprechen?“, versuchte er es noch einmal.

„Ich weiß es nicht.“ Diesmal schien sie ehrlich zu antworten. „Steve hat gesagt, wir können ihn aufhalten. Aber ich weiß nicht, wen er damit meinte.“

„Wenn du nicht weißt, wovon er gesprochen hat, wieso bis du dann dort hingefahren?“

Sie sah zu Boden.

„Elizabeth?“

„Er hat ein seltsames Geräusch am Telefon gemacht.“ Sie schaute ihn an, und diesmal sah er die Traurigkeit in ihrem Blick. „Es klang, als hätte er Schmerzen. Und Angst. Und danach hat er nichts mehr gesagt. Das Gespräch wurde abgebrochen. Ich habe sofort zurückgerufen, aber jemand anders ist rangegangen. Er … hat gesagt: ‚Steve ist gerade verhindert.‘“

„Was?“, fragte Mac überrascht. „Du hast mit dem Mörder gesprochen? Wieso hast du das nicht der Polizei erzählt?“

Sie zuckte zusammen. „Er hat noch etwas gesagt: ‚Wir sehen uns bald, Elizabeth.‘“

Mac ging zu ihr. Er konnte nicht anders. Er hielt sie an der Schulter fest und drückte sie an die Tür. „Der Mistkerl hat dich verdammt noch mal bedroht, und du hast nichts davon der Polizei gesagt? Wieso?“

Verängstigt sah sie zu ihm hoch.

„Du weißt, dass das mit dem Angriff in der Bibliothek zu tun hat.“

Sie nickte.

„Wieso verschweigst du es dann der Polizei? Wieso sagst du ihnen nicht …“

„Weil sie mir früher auch nicht geglaubt haben. Ich habe keine guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht.“

Früher?

„Das hier ist nicht dein Problem.“ Sie schluckte. „Ich bin nicht dein Problem.“

Oh doch, das bist du. „Dann engagier mich.“

„D… das kann ich mir nicht leisten …“

„Da finden wir schon eine Lösung.“ Das Geld war ihm egal. „Du brauchst meinen Schutz und meine Hilfe. Baby, du brauchst mich.“

„Hast du … Hast du mich gerade Baby genannt?“

Mac räusperte sich. „Der Typ hat es auf dich abgesehen. Wenn du nichts mit der Polizei zu tun haben willst, dann lass mich dir helfen. Du kennst McGuire Securities.“

„Ja, ich habe von deiner Familie gehört“, gab sie zu.

Das konnte alles Mögliche heißen. Was die Leute über Mac und seine Familie erzählten, war nicht immer nur Gutes. „Nach dem, was passiert ist, möchtest du uns da nicht auf deiner Seite haben?“

Erneut sah sie zu Boden, und er wurde sich bewusst, wie nahe sie einander waren. Seine Hand lag auf ihrer Schulter. Seit Wochen hatte er nur an diese Frau denken können – und nun war sie hier, stand direkt vor ihm.

Tod und Gefahr hatten sie zusammengebracht.

„Einen Tag“, versuchte er es noch einmal. „Gib mir vierundzwanzig Stunden, um der Sache auf den Grund zu gehen und diesen Mistkerl zu finden.“

Sie sah zu ihm hoch. „Ich muss noch einmal zur Polizei, nicht wahr?“

Mac vertraute der Polizei auch nicht immer, aber er schätzte die Zusammenarbeit. „Ja. Du musst ihnen von dem Anruf erzählen, damit sie den Typen schneller finden können. Ich begleite dich. Und danach …“

„Danach bekommst du einen Tag.“

Mac nickte. „Und du wirst mir ein paar deiner Geheimnisse erzählen müssen, denn ich möchte, dass du mir und meiner Familie vertraust, damit wir dich vor diesem Mann beschützen können.“

Vierundzwanzig Stunden. Das war weniger, als er eigentlich wollte. Viel weniger. Aber es war zumindest ein Anfang.

„Einverstanden …“

Zufrieden nickte er.

„Aber ich möchte dich bezahlen“, sagte Elizabeth. „Irgendwie.“

„Darüber können wir später reden. Erst mal müssen wir mit einem Detective sprechen.“

„Und, war das jetzt alles?“, fragte Detective Melinda Chafer. „Wenn der Anrufer noch etwas zu Ihnen gesagt hat …“

„Hat er nicht“, erklärte Elizabeth schnell. Die letzte Stunde hatte sie damit verbracht, der blonden Polizistin mit den hellblauen Augen Fragen zu beantworten.

„In welchem Verhältnis stehen Sie zu Steve Yeldon?“, wollte Detective Chafer wissen. „Wieso hat er Sie angerufen?“

Elizabeth wusste, dass sie die Wahrheit sagen musste.

„Vor acht Jahren ist … Mein Freund wurde umgebracht. Nate Daniels.“ Sie wollte nicht daran denken. Es tat immer noch so weh. „Sein Mörder wurde nie gefasst.“ Und jetzt sag es. Es muss gesagt werden. „Und viele Leute haben geglaubt, dass ich es gewesen bin.“

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Mac sich verspannte.

„Haben Sie ihn denn umgebracht?“, fragte Chafer ruhig.

„Nein. Und Steve war einer der wenigen, der mir damals geglaubt hat. Ich weiß, dass er eine Zeit lang versucht hat, herauszufinden, wer wirklich dahintersteckte.“

„Und der Mörder wurde nie gefunden?“

„Nein. Zumindest …“ Eine Gänsehaut breitete sich auf Elizabeths Armen aus. „Zumindest wüsste ich nicht davon. Aber jetzt ist Steve tot, und der Typ am Telefon meinte, er würde mich finden …“

Detective Chafer nickte. „Sie glauben, Steve hat herausgefunden, wer es war.“

„Ja, das kann sein.“

Mac trat näher. „Vielleicht hat der Mörder geglaubt, dass du ihn irgendwie erkennst.“

„Das ist acht Jahre her. Wenn ich etwas wüsste, hätte ich es gesagt.“ Aber sie wusste nichts. Deshalb war sie gegangen und hatte ein neues Leben angefangen.

„Wenn der Mörder in Austin ist, dann sind Sie in Gefahr“, sagte Detective Chafer und stand auf.

Dessen war sich Elizabeth mehr als bewusst.

„Haben Sie deshalb nichts gesagt? Weil Sie Angst hatten, dass der Mörder hinter Ihnen her ist?“ Chafer schüttelte den Kopf, bevor Elizabeth antworten konnte. „Es wird Ihnen nicht helfen, wenn Sie uns nichts sagen. Im Gegenteil.“

Wie beruhigend.

Detective Chafer sah zu Mac. „Und jetzt ist McGuire Securities für Miss Snow verantwortlich? Ich glaube, das ist keine schlechte Idee. Halten Sie mich auf dem Laufenden, und ich versuche dasselbe.“

Mac reichte Detective Chafer eine Visitenkarte und brachte sie aus dem Büro.

Sobald die Tür hinter ihnen zuschlug, sprang Elizabeth auf und lief im Raum auf und ab. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen. Sie wollte nichts mehr, als nach Hause zu fahren und ins Bett zu fallen.

Innerhalb eines Tages war ihr gesamtes Leben zerstört worden. Ihre Vergangenheit hatte sie eingeholt, sosehr Elizabeth sie auch hatte verstecken wollen.

Das Mädchen bedeutet Ärger.

Sie macht immer nur Party… Die zieht Probleme an.

Sie ist schuld, dass er gestorben ist.

Elizabeth schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen loszuwerden, aber es gelang ihr nicht.

„Elizabeth?“

Mac war zurück. Sie hatte nicht einmal gehört, wie er die Tür geöffnet hatte. „Ich muss nach Hause.“

Er nickte. „Ich fahr dich.“

Keine Diskussion? Keine weiteren Fragen?

„Du siehst aus, als würdest du jeden Moment umfallen.“ Er lächelte leicht. „Versteh mich nicht falsch, du bist immer noch bildschön, aber ich kann dir ansehen, dass du dich kaum auf den Beinen halten kannst.“ Er nahm ihre Hand, und sie verschränkte instinktiv die Finger mit seinen. „Du kannst mir alles erzählen, sobald du geschlafen hast.“

Nein, kann ich nicht. Mac hatte nicht die geringste Vorstellung, wie kompliziert ihre Vergangenheit war. Sie hatte ihr altes Ich hinter sich gelassen.

Die Vergangenheit sollte ruhen und nicht ihr Leben gefährden.

Er hatte nicht mit dem Privatdetektiv gerechnet.

Elizabeth Snow hatte sich mit einem mächtigen Mann – oder eher einer mächtigen Familie – verbündet. Die McGuires waren für ihre hervorragende Arbeit bekannt und stellten ein Problem dar, das er nicht brauchte. Er hielt sich das Handy ans Ohr, als würde er einem Anrufer zuhören, den es nicht gab. Den Hut hatte er tief heruntergezogen und den Kragen hochgestellt. Er trug eine Sonnenbrille, nicht zuletzt, weil seine Augen immer noch rot und geschwollen waren, nachdem Elizabeth ihn mit dem Pfefferspray erwischt hatte.

Als Mac und Elizabeth die Straße entlanggingen, bemerkte er, dass Mac mehr auf Elizabeth als auf mögliche Gefahren achtete.

Das wird dein Schwachpunkt sein.

Mac öffnete Elizabeth die Autotür und sah sich um.

Schnell drehte er sich zur Seite und ging die Straße hinunter. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Yeldon zu erledigen war einfach gewesen, denn der hatte nicht gewusst, in welcher Gefahr er sich befunden hatte.

Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass Elizabeth kein Risiko für ihn darstellte, aber nach der Sache mit Yeldon zweifelte er daran. Es war gefährlich. Viel zu gefährlich.

Das Auto raste an ihm vorbei.

Elizabeth hatte mit dem weiblichen Detective gesprochen. Er musste also dringend herausfinden, was die Frau von Elizabeth erfahren hatte, bevor auch nur eine Spur in seine Richtung weisen konnte. Er könnte es mit Geld versuchen. Bestechung war oft der beste Weg.

Aber wenn die Frau nicht käuflich war, musste er zu anderen Mitteln greifen.

Es gab so viele Probleme zu bewältigen. Zum Glück war das seine Spezialität.

3. KAPITEL

Elizabeth war sehr spät dran. Ihre Schicht begann um ein Uhr mittags, aber es war bereits kurz vor zwei, als sie aus dem Haus rannte.

Erst nach ein paar Schritten fiel ihr ein, dass sie ihr Auto in der Stadt stehen gelassen hatte und …

Sie stutzte. Ihr Auto parkte in der Einfahrt.

Mac musste es zurückgefahren haben, nachdem er sie nach Hause gebracht hatte. Sie war direkt ins Bett gefallen und die ganze Nacht von Albträumen geplagt worden.

Ein großer, breitgebauter Mann stieg aus einem SUV, der vor Ms. Lees Haus stand, und lief auf sie zu. Er hatte dunkles Haar und trug eine Sonnenbrille.

Elizabeth trat ein paar Schritte zurück. „Komm nicht näher!“

„Ich bin Sullivan.“

Der Name kam ihr bekannt vor.

„Macs Bruder.“ Er nahm die Sonnenbrille ab, und Elizabeth sah, dass er wie Mac grüne Augen hatte. „Heute bin ich für deinen Schutz zuständig.“

„Ich dachte, das wäre Macs Aufgabe.“

„Wenn du die McGuires engagierst, ist es die Aufgabe der gesamten Familie.“

Die Worte beruhigten sie etwas.

Sullivan hielt ihr die Autoschlüssel hin. „Sieht aus, als würdest du die brauchen.“

„Hast du mein Auto zurückgebracht?“

„Nein. Das war Mac.“

Sie nahm die Schlüssel. „Danke. I…ich muss zur Arbeit. Bin spät dran.“

Er nickte. „Ich folge dir.“

„Du willst mir hinterherfahren?“

„Nur bis Mac wieder da ist.“

„Und wo ist er?“

„In der Leichenhalle.“

Erneut wich sie einen Schritt zurück.

„Er schaut, ob er mehr über den Reporter rausfinden und Informationen von der Polizei erhalten kann.“

Es ist wirklich passiert. Da draußen ist jemand, der mich umbringen will.

„Und wie gut kennst du meinen Bruder?“ Sullivan betrachtete sie genauer.

„Nicht so gut. Er kommt nur häufiger zu mir in die Bücherei.“

Sullivan zog eine Augenbraue hoch und lächelte. „Ach so.“

„Das ist die Wahrheit.“ Sie drückte den Rücken durch. „Und jetzt muss ich wirklich los.“ Bevor sie die Autotür schloss, sagte sie noch: „Ich danke dir. Wirklich. Danke für deinen Schutz.“

Sullivan nickte ihr zu. „Ich habe das Gefühl, dass Mac mir die Hölle heißmacht, wenn dir etwas passiert. Ich glaube, er mag seine Bibliothekarin.“

Kopfschüttelnd machte sie die Autotür zu und fuhr los. Im Rückspiegel sah sie Sullivan.

Mein Schutz für den Tag.

Der Gedanke ließ sie erschaudern.

Stunden später klingelte das Telefon auf Elizabeths Schreibtisch, und sie nahm ab: „Hier ist Elizabeth Snow. Wie kann ich weiterhelfen?“

„Indem du stirbst, Elizabeth.“

„Was?“

„Du hättest schon vor Jahren krepieren und mit deinem Freund ausbluten sollen“, erklärte der Unbekannte heiser. „Die jungen Verliebten hätten zusammen sterben sollen.“

Elizabeth sprang auf die Füße. Sullivan stand bei den Zeitschriften und blätterte in einer. Panisch winkte Elizabeth in seine Richtung.

„Hör auf damit“, hörte sie die Stimme. „Ich kann dich sehen.“ Der Unbekannte lachte. „Glaubst du wirklich, dass die McGuires ein Hindernis für mich sind?“

Sie ließ die Hand sinken. Ihr Herz raste.

„So ist es gut. Aber er hat dich gesehen, nicht wahr?“

Sullivan kam auf sie zu.

„Dafür wirst du bezahlen. Du wirst für alles bezahlen.“

Klick.

„Elizabeth?“ Sullivan stand vor ihrem Schreibtisch. „Was ist passiert?“

„Er war wieder am Telefon.“ Sie sah sich um und flüsterte: „Er ist hier. Er konnte uns beide sehen.“

Sullivans Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Wir gehen. Sofort.“

„Ich kann nicht! Meine Schicht ist noch nicht zu Ende…“

„Da war gerade ein Mörder am Telefon, der dir gedroht hat.“

„Und dir“, sagte sie leise. „Er hat auch von dir gesprochen.“ Kann man den Anruf nachverfolgen?

„Komm mit“, forderte Sullivan sie auf. „Sofort.“ Er lief um den Tisch herum und zog sie am Ellbogen hinter sich her. „Und sag mir sofort Bescheid, wenn du jemand Verdächtiges siehst.“

Doch sie konnte nichts Auffälliges entdecken. In der Bibliothek waren nur Mütter mit Kindern und die Seniorenversammlung. Sie sah ein paar bekannte Gesichter. Aber keinen Mörder.

Aber der Mann am Telefon musste irgendwo sein. Er hatte Sullivan gesehen.

Nein, das hat er nicht gesagt.

Elizabeth löste sich von Sullivan und hielt an. „Er hat mich gesehen.“ Sie rannte wieder hinter ihren Schreibtisch. Der stand neben einem Fenster, das auf eine befahrene Straße hinausführte. Ihr Auto war in Sichtweite unter einem Baum geparkt. Sie rannte zum Ausgang.

„Elizabeth!“

„Er ist draußen.“ Sie drückte die Tür auf.

Sullivan griff nach ihr und zog sie zu sich. Sie fühlte … Es fühlte sich nicht an wie bei Mac. Ihr Atem ging nicht schneller. Sie …

„Was, zum Teufel, tust du da, Sully?“, hörte sie Macs Stimme.

Mac stand auf der Treppe, die zur Bücherei führte, und sah seinen Bruder fragend an.

„Ich versuche, deine Bibliothekarin davon abzuhalten, sich selbst in Gefahr zu bringen. Der Mörder hat angerufen, und sie rennt einfach los. Ich wollte gerade den Anruf nachverfolgen lassen.“

Elizabeth befreite sich aus Sullivans Griff. „Er war da draußen, ich bin mir sicher.“ Sie schnappte sich Macs Hand und zog ihn mit sich. „Komm mit. Ich glaube, er war hier um die Ecke.“

Mac lief vor.

Jemand hatte ihre Reifen zerstochen.

Sullivan fluchte.

Elizabeth drehte sich zur Bücherei. Durch das Fenster konnte sie ihren Schreibtisch sehen.

„Kümmere dich darum, dass der Anruf nachverfolgt wird, Sullivan“, sagte Mac. „Sofort.“

Mit verschränkten Armen beobachtete Mac, wie Elizabeth packte. Sie standen in ihrem Schlafzimmer, und Elizabeth warf Kleidung in einen kleinen schwarzen Koffer.

„Du kannst nicht abhauen.“

Sie packte weiter, und er sah ein mit Spitze besetztes Kleidungsstück in ihrem Koffer verschwinden. „Du tust so, als wüsste ich nicht, womit ich es zu tun habe.“

„Wurdest du schon mal verfolgt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich will nicht, dass jemand in die Sache mit reingezogen wird. Weder du noch dein Bruder. Ich schaff das schon.“

Ich schaff das schon? Mac stellte sich zwischen sie und ihren Kleiderschrank. „Jemand will dich umbringen.“

„Und ich werde ihn aufhalten. Ich renne nicht weg, aber das hier wird nie enden, wenn ich mich hinter euch verstecke.“

„Wir schützen dich, wir verstecken dich nicht.“ Und sie brauchte ihn. Der Anruf in der Bücherei hatte nicht nachverfolgt werden können.

„Er hat euch gedroht“, sagte sie. „Du kennst mich nicht, Mac. Du darfst dein Leben – oder das deiner Familie – nicht für mich aufs Spiel setzen.“ Ihre Stimme brach. „Du wirst merken, dass ich es nicht wert bin.“

Das glaube ich nicht. „Du hast mir einen ganzen Tag versprochen.“

„Weil ich erschöpft war! Weil ich nicht klar denken konnte. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass du dich einmischst.“ Sie runzelte die Stirn. „Woher wusstest du eigentlich, dass ich in der Gasse bin?“

Mac trat näher an sie heran. Wieder roch er einen Hauch von Zimt. „Ich bin dir gefolgt.“

Sie wich zurück. „Warum?“

„Ich bin dir von der Bücherei nach Hause gefolgt, und als du in die Stadt gefahren bist, wusste ich, dass etwas passiert ist. Ich wollte dich nicht alleinlassen.“

„Du kennst mich nicht mal“, sagte sie wieder. „Erst seit …“

„Aber ich will dich kennenlernen.“

Ihr blieb der Mund offen stehen.

„Ich finde dich sexy. Ich mag, wie schlau du bist. Ich komme nur deinetwegen in die Bücherei und hoffe immer, dass du mir ein süßes Lächeln schenkst, wenn ich vor dir stehe. Und jedes Mal versuche ich, ein wenig mehr mit dir zu sprechen.“

„Aber du … Warum?“

War das nicht direkt genug?

„Ich will dich, Elizabeth. Seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Und du magst denken, dass ich zu gefährlich für dich bin, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen.“ Ich will dich nackt in meinem Bett. Ich will derjenige sein, der dich all das vergessen lässt. Mac würde sein Leben darauf verwetten, dass eine wilde Seite in Elizabeth schlummerte. Er hatte es gespürt.

„Du bist in Gefahr“, sagte er und wünschte sich, dass sie ihm vertraute. „Keiner kann dir besser helfen als ich. Mich kann der Typ nicht verschrecken, und wenn er meiner Familie droht, ist das nur ein weiterer Grund, ihn schnell zu finden. Er muss aufgehalten werden.“

Noch immer zweifelnd, sah sie ihn an. „Ich will niemanden in die Sache mit reinziehen“, flüsterte sie.

„Ich bin Privatdetektiv. Das ist mein Job.“

Er wünschte sich so sehr, dass sie lächeln würde, anstatt so besorgt auszusehen. „Der Typ ist ein Profi, Elizabeth. Er verwischt seine Spuren. Lass mich dir helfen und dich beschützen. Bitte.“

„Ich weiß, was mit deiner Familie passiert ist. Ich weiß von deinen Eltern“, sagte sie plötzlich.

Mac zeigte keine Reaktion. Die meisten wussten davon. Ein Doppelmord blieb nicht geheim. Eines Nachts, als Mac und seine Brüder am anderen Ende der Welt in den Krieg gezogen waren, hatte jemand seine Eltern umgebracht. Der Täter wurde nie gefunden, und aus diesem Grund hatten sie McGuire Securities gegründet. Sie wollten anderen Opfern helfen, denen es ähnlich ging. Besonders wenn die Polizei die Fälle nicht weiter verfolgte.

„Deine Familie hat schon genug gelitten.“

„Wenn es etwas gibt, womit sich meine Familie auskennt, dann sind es Situationen wie diese hier.“

„Steve dachte auch, er würde mir helfen.“

„Das stimmt“, gab Mac zu, „aber dem gerichtsmedizinischen Befund nach hat sich Steve nicht gewehrt. Er ist durch einen einzigen Stich ins Herz gestorben.“

Elizabeth erbleichte.

„Wenn Steve seinen Angreifer gesehen hätte“, erklärte Mac weiter, „hätte er ihn angegriffen.“

„Er wurde abgelenkt“, sagte sie leise. „Er hat mit mir gesprochen. Ich will nicht, dass dir das Gleiche passiert.“

„Willst du etwa abgestochen werden?“ Seine Worte waren mehr als hart, aber er musste es sagen. „Als du in die Gasse gerannt bist, war der Mann noch da. Er hatte dich in der Falle.“

„Ich habe mich verteidigen können.“

„Er war noch nicht fertig mit dir, Baby.“ Wieder rutschte ihm der Kosename heraus. „Wenn ich nur Sekunden später gekommen wäre, hätte er dich umgebracht.“

Sie wandte sich ab.

Der Gedanke an den Angriff machte Mac Angst, und als ehemaliges Mitglied der Delta Force wollte er keine Angst haben.

Er ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Langsam drehte er sie zu sich. „Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“

„Ich sollte dir nichts bedeuten“, sagte sie. „Ich bin nicht …“

Er küsste sie. Vielleicht war das eine schlechte Idee. Vielleicht hätte er sich länger wie ein Gentleman verhalten sollen, aber er musste sie einfach schmecken, musste herausfinden, ob in ihr die Leidenschaft brannte, dir er sich erhoffte.

Und er hatte recht. Mehr als das.

Elizabeth erwiderte seinen Kuss, hielt ihn an der Schulter fest und drängte sich ihm entgegen. Sie hielt sich nicht zurück und küsste ihn, als wenn etwas in ihr erwachte.

Mac war, als würde ein Damm in seinem Inneren brechen. Beide Arme um ihre Hüfte geschlungen, zog er sie an sich. Ihre Brüste drückten gegen seinen Oberkörper, und er konnte ihre Nippel fühlen. Sie musste spüren, wie sehr er sie begehrte. Er hatte sich so lange zurückgehalten. Jeden verdammten Besuch in der Bücherei lang, so viele Bücher, die er immer wieder gelesen hatte …

Nun nahm er sich, was er wollte.

Am liebsten wäre sie vor der Gefahr geflohen, stattdessen rannte sie geradewegs darauf zu. Er durfte sie nicht gehen lassen. Er brauchte sie.

Fordernd ließ er die Zunge über ihre Lippen gleiten und vertiefte den Kuss. Sie schmeckte so süß. Ihm wurde fast schwindelig, als sie ihn so küsste, an ihm knabberte und ihn reizte. Er wollte nichts mehr, als sie auf das Bett zu ziehen. Er wollte sie ausziehen, wollte, dass sie ihre Angst verlor und nur noch an ihn dachte.

Plötzlich spürte er, wie sie ihn von sich schob.

Mit hämmerndem Herzen sah er sie an und stieß rau hervor: „Ich wusste, dass es so sein würde.“

„Und ich hatte es befürchtet“, gab sie zu. Ihre Lippen waren vom Kuss geschwollen. „Ich muss diesen Typen aufhalten.“

„Du hast mir vierundzwanzig Stunden versprochen.“

Sie nickte.

„Dann halte dich an dein Versprechen.“ Er versuchte, nicht so verzweifelt zu klingen, wie er sich fühlte. „Das war kein ganzer Tag. Ich will dir helfen.“

„Wie?“

„Indem ich dich auf einen illegalen nächtlichen Besuch mitnehme.“

„Illegaler nächtlicher Besuch?“ Ihr Griff an seiner Schulter wurde etwas fester. „Das klingt gefährlich.“

„Da wir in das Haus eines toten Mannes einbrechen werden, wird es kein Problem sein.“

„Du glaubst, wir finden Hinweise in Steves Haus?“

Mac nickte. „Hältst du dich an dein Versprechen und rennst mir nicht weg?“

„Ich will nur nicht, dass du verletzt wirst.“

„Werde ich nicht.“ Und du auch nicht. Was auch immer passierte, er würde Elizabeth beschützen.

Elizabeth brach nicht zum ersten Mal in ein Haus ein. Vor langer Zeit war sie in eine Hütte eingestiegen. Sie war mit ihrem Freund Nate in Colorado unterwegs gewesen, und sie waren mit dem Auto liegen geblieben. Da es heftig geschneit hatte, hatten sie einen Unterschlupf gebraucht.

Elizabeth hätte nie erwartet, dass der Tag so enden würde. Sie hatte nicht gewusst, dass nur einer von ihnen die Hütte lebend verlassen würde.

„Bist du bereit?“, fragte Mac.

Sie zwang sich zu einem Nicken. Das hier war keine verlassene Hütte, sie standen vor einem Haus in einer sicheren Gegend von Austin.

Mac hantierte am Schloss herum – offensichtlich war er vorbereitet –, und sie hörte ein leises Klicken. Schnell huschten sie hinein, und er schloss die Tür hinter ihnen.

Sie fand es gruselig, ins Haus eines toten Mannes einzudringen. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Neben der Spüle entdeckte sie eine Tasse, in der noch Kaffee war, und auf dem Küchentisch lag eine gefaltete Zeitung.

„Du hast nicht gewusst, dass er in Austin ist?“, fragte Mac.

Sie schüttelte den Kopf. „Komisch, oder? Dass er … dass wir beide hier waren.“

„Ich habe ein bisschen recherchiert.“ Mac zog Schubladen auf, und sie bemerkte, dass er Handschuhe trug. „Anscheinend hat er in den letzten Jahren ein paar Bücher geschrieben.“

Sie stand vor Steves Bücherregal und sah sich die Titel an. „‚Ein Messer im Dunklen‘. ‚Mord in der Vorstadt‘.“ Elizabeth sah zurück zu Mac. „S. R. Yeldon … Ich kenne die Bücher. Das sind alles True-Crime-Titel.“

„Der Mann hat sein Geld damit verdient, alte Fälle zu lösen.“

Elizabeths Herz schlug schneller. „Dann muss er an einem Buch über Nate gearbeitet haben.“

„Sein Computer wurde von der Polizei beschlagnahmt.“ Sie folgte Mac in das Schlafzimmer. „Aber ich wette, dass er noch mehr Notizen hat. Ein Back-up …“

Er öffnete die Tür zum begehbaren Kleiderschrank, und Elizabeth ging zu ihm. „Was passiert, wenn wir erwischt werden?“

„Dann werden wir festgenommen.“

Überrascht sah sie ihn an. „Aber du hast mich dazu gebracht, Detective Chafer alles zu erzählen …“

Mac lachte. „Das war nur ein Scherz. Ich kenn wen bei der Polizei.“

Das beruhigte sie nicht.

„Na, was haben wir denn hier?“ Er streckte sich und zog eine große braune Tüte aus einem Regal im Schrank. Dann holte er einen Koffer heraus und öffnete ihn. Der Koffer war randvoll mit Notizbüchern und Fotos.

„Okay, das ist beeindruckend.“ Sie kniete sich hin. „Woher wusstest du, dass wir hier was finden?“

„Weil es das Einzige war, das nicht verstaubt ist.“ Er ging die Fotos durch. „Das hier bist du.“

Sie sah über seine Schultern. Das Bild zeigte sie, direkt nachdem Nate gefunden worden war. Sie wurde in ein Polizeiauto geschoben.

Sie erinnerte sich daran.

„Miss … was ist letzte Nacht hier geschehen?“ Der Polizist war freundlich gewesen.

Zumindest am Anfang.

„Da war so viel Blut.“ Elizabeth lehnte sich vor und nahm ein weiteres Foto in die Hand. Es war eines der Bilder vom Tatort. Darauf war Nate zu sehen, unter ihm eine riesige Blutlache.

„Du hattest kein Blut an dir“, stellte Mac fest.

„Nein … I…ich habe ihn nur einmal berührt. Ich habe nach seinem Puls gesucht.“ Aber sie hatte gewusst, dass es schon zu spät war.

Fragend sah Mac sie an. „Elizabeth, ich muss wissen, was passiert ist.“

„Ich kann dir nichts sagen, was ich nicht weiß.“ Sie sah sich ein anderes Foto an. Es zeigte die Hütte von außen. Es war so kalt gewesen. Stundenlang hatte sie in dem Schrank gesessen und gezittert, bis sie endlich die Polizisten gehört hatte.

„Elizabeth …“

„Was steht in den Notizbüchern?“ Sie nahm eins und schlug es auf. Ihr Name stand als Erstes auf der Seite, darunter las sie: Mögliche Komplizin?

Ihr Handy klingelte. Vor Schreck ließ sie das Notizbuch fallen.

Unbekannter Anrufer.

„Stell es auf Lautsprecher“, forderte Mac sie auf.

Sie nahm ab.

„Ich weiß, wo du bist“, hörten sie die dunkle Stimme.

„Und ich will keine Anrufe mehr von dir“, entgegnete sie.

Beeindruckt sah Mac sie an.

„Mach dir darüber keine Sorgen, Elizabeth. Das hier wird mein letzter Anruf sein.“

Plötzlich hatte sie eine Gänsehaut.

„Hast du schon meine Überraschung gefunden? Tick, tack …

Mac fluchte und zog sie auf die Füße.

„Warte!“, rief Elizabeth. „Ich weiß nicht, was du …“

„Auf Nimmerwiedersehen, Elizabeth“, sagte der Unbekannte. „Du kannst dich nicht ewig verstecken. Ich sehe dich. Und deinen neuen Geliebten. Ihr werdet in einem feurigen Tornado untergehen – gemeinsam.“

Einem feurigen … Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

Mac zog sie aus dem begehbaren Kleiderschrank. „Er hat eine Bombe platziert. Wir müssen sofort hier raus!“

Sie riss sich von ihm los. Die Beweise waren noch im Schrank. Sie rannte zurück.

„Nein, Elizabeth!“, schrie Mac.

Das gesamte Haus erzitterte, und eine Welle aus Feuer schoss durch alle Räume. Mac warf sich über Elizabeth, und sie landeten im Kleiderschrank, als die Welt in Flammen unterging.

Und so brennt es nieder, dachte er mit einem Lächeln. Zwei Probleme weniger.

Das war einfach gewesen.

Das Feuer brannte lichterloh. Wie lange würde es dauern, bis die Nachbarn die Polizei und die Feuerwehr riefen? Wie lange, bis sie die Körper fanden?

Die Explosion könnte nie zu ihm zurückverfolgt werden. Steves angebliche Beweise waren zerstört, und die letzte Verbindung zur Vergangenheit war gekappt.

Er musste sich keine Gedanken mehr darüber machen.

Jetzt konnte er sich auf die Zukunft konzentrieren und darüber nachdenken, in den Ruhestand zu gehen.

4. KAPITEL

Mac rang nach Atem. Sie hatten die verdammte Explosion überlebt. Aber wenn sie nicht bald aus dem Haus kamen, würden der Rauch und die Flammen sie töten.

„Elizabeth!“ Er raffte sich auf „Wie geht’s …“

Sie schubste ihn von sich. „Mach das nie wieder. Du kannst dich nicht einfach wie ein Superheld auf mich schmeißen.“

Elizabeth lebte. Sie war außer sich vor Wut, aber sie lebte.

Wahllos zog er zwei Mäntel von den Bügeln. Einen warf er über Elizabeth, den anderen über sich selbst.

„Mac!“

Er nahm ihre Hand. „Wir müssen hier raus. Geh geduckt. Der Mantel schützt dich. Wenn er Feuer fängt, musst du …“

Sie zog den Mantel zur Seite und küsste ihn. Ein schneller, leidenschaftlicher Kuss. Viel zu kurz für seinen Geschmack. „Wehe, du stirbst, Soldat.“ Er wusste nicht, ob ihre Augen vom Rauch tränten oder ob es einen anderen Grund dafür gab.

„Jawohl, Ma’am.“ Er zog den Mantel wieder über sich und trat die Tür ein. Das Schlafzimmer war ein Flammenmeer. Die Decke, die Wände, alles brannte. So tief geduckt, wie sie konnten, krochen sie voran, aber Mac wusste, dass sie nicht schnell genug waren.

Er hörte Elizabeth neben sich husten. Es wurde immer heißer.

„Zum Fenster“, rief er. „Los!“

Rechts und links griffen die Flammen nach ihnen. Sie rannten zum Fenster. Mac zerschlug die Scherben, die aus dem Fensterrahmen hervorstanden, und warf Elizabeth mehr aus dem Fenster, als dass er ihr hindurchhalf. Schnell sprang er hinterher und fiel zu Boden.

Sofort warf sie den Mantel von sich und zog seinen von ihm herunter. Beide hatten Feuer gefangen. Sie rannten, so schnell sie konnten, weg vom Haus. Gerade waren sie an der Straße angekommen, als eine zweite Explosion das Haus erschütterte.

Der Knall war ohrenbetäubend, und sie duckten sich hinter ein Auto. Alle Alarmanlagen der umstehenden Fahrzeuge gingen los.

Elizabeth hatte sich gegen Mac gelehnt, und er legte ihr die Hand an die Wange. „Das war so knapp“, flüsterte sie.

Viel zu knapp. Mac war mehr als dankbar, dass Elizabeth doch in den Schrank zurückgerannt war.

Er hob ihr Kinn an und sah ihr in die Augen. Sein Herz raste, aber seine Hand zitterte nicht. So war es immer. Der pure Adrenalinrausch. Jetzt war er auf alles gefasst. Später würde es nachlassen, und er würde abstürzen.

Aber das war jetzt nicht wichtig.

Jetzt … jetzt küsste er sie. Ohne Zögern. Fordernd. Er küsste sie im Rausch des Adrenalins und der Leidenschaft. Sie sollte wissen, wie sie auf ihn wirkte – und was er von ihr wollte.

Und was noch kommen wird.

Sie erwiderte den Kuss, küsste ihn mit der gleichen Wildheit wie zuvor.

Plötzlich hörte Mac Schritte. Sofort löste er sich von ihr und sah sich um.

„Hallo, alles in Ordnung?“ Ein älterer Mann in einem braunen Bademantel stand neben ihnen.

Auch die anderen Nachbarn strömten aus den umliegenden Häusern. Bald würden Feuerwehr und Polizei eintreffen, auch wenn beide nicht viel tun könnten.

„Uns geht es gut, danke“, sagte Mac und richtete sich auf.

Elizabeth erhob sich neben ihm, und er sah zum Haus. Es war nicht mehr da. Das Feuer brannte noch immer, aber was da stand, war kaum mehr als Gebäude zu erkennen. Kein Beweis würde das überlebt haben.

Gut, dass ich etwas eingesteckt habe. Unter seinem Hemd konnte er das Notizbuch und die Fotos spüren. Er hatte beides nur Augenblicke vor der Explosion eingesteckt.

Der Verrückte wollte Yeldons Beweise und Elizabeth vernichten. Aber es war ihm nicht gelungen.

Melinda Chafer sah auf die brennende Ruine, die einst Steve Yeldons Haus gewesen war, und wandte sich dann an Elizabeth. „Und Sie waren wieder mal rein … zufällig am Ort des Verbrechens?“

„Äh, also …“

„Wir dachten, dass der Mörder das Haus durchsuchen wollte“, log Mac, ohne mit der Wimper zu zucken. „Deshalb haben wir es beobachtet.“

„Beobachtet? So nennt man das also?“ Detective Chafer schüttelte den Kopf.

„Sie haben gehört, wo die Nachbarn uns vorgefunden haben. Hinter einem Auto, weil wir uns vor dem Feuer geschützt haben.“

Melinda Chafer holte ihr Handy aus der Tasche und las eine Nachricht. „Es kann auch nur ein Unfall gewesen sein“, sagte sie. „So was passiert. Alte Kabel vielleicht.“ Nachdenklich sah sie Mac an. „Ich möchte nur sichergehen, dass Sie sich nicht in die Untersuchung eines Mordfalls eimischen. Meines Mordfalls. Und Ihre Freundin hat mich schon einmal angelogen …“

„Ähm, ich bin nicht seine Freundin …“, warf Elizabeth ein. Mac runzelte die Stirn.

„Sie hatten beide verdammtes Glück“, sprach Detective Chafer weiter, „dass Sie nicht im Haus waren, als es explodiert ist.“ Sie straffte sich. „Ich verstehe, dass die Leute eine gute Meinung von der Arbeit der McGuires haben, aber das hier ist meine Untersuchung.“

Damit drehte sie sich um und ging.

Elizabeth wartete, bis sie außer Hörweite war. „Wieso hast du ihr nichts gesagt?“

„Was meinst du?“

„Von dem Notizbuch und den Fotos“, flüsterte sie.

Macs Lächeln machte ihr ein wenig Angst. „Gut, dass du es bemerkt hast.“

„Mac?“

„Sie könnten uns weiterhelfen“, sagte er. „Wir haben eine Mitarbeiterin, die wahre Wunder mit ihrem Computer anstellt. Denn wie der Zufall es will, wurden Melinda Chafer heute Morgen um neun Uhr zehntausend Dollar aufs Konto überwiesen.“

„Und das ist verdächtig?“

„Ja.“ Mac sah Detective Chafer hinterher. Sie sprach gerade mit dem Leiter der Feuerwehr. „Klingt fast so, als wäre sie bestochen worden, tatsächlich alte Kabel zu finden und das Ganze als Unfall darzustellen.“

Glaubte er etwa, dass sich eine Polizistin kaufen ließ?

„Bis ich nichts Genaueres darüber weiß, werde ich ihr nichts mehr verraten.“

Elizabeth nickte und trat näher an ihn heran.

Wenn sie der Polizei nicht mehr vertrauen konnte, wem konnte sie dann vertrauen?

Mac legte ihr den Arm um die Schulter. „Wir sollten gehen.“

„Sobald es einen Bericht gibt, möchte ich ihn haben. Und zwar vor allen anderen. Verstanden?“, sagte Melinda Chafer zum Einsatzleiter.

„Ja, Ma’am“, versicherte er ihr. „Aber es wird eine Weile dauern. Das Feuer brennt sicherlich noch bis morgen.“

„Sind andere Häuser in Gefahr?“

„Nein, ich denke, wir haben alles unter Kontrolle.“

„Also sind Sie sich nicht sicher? Dann holen Sie sich zusätzliche Kräfte. Ich will keine weiteren Verletzten.“ Ihr Handy klingelte. Nach einem Blick auf das Display ging sie ein paar Schritte zur Seite.

Als sie mit Mac McGuire und Elizabeth Snow gesprochen hatte, war ihr eine Nachricht geschickt worden: Bitte sehr. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete.

Aber jetzt hatte sie eine neue Nachricht erhalten:

Autor

Cynthia Eden
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Lena Diaz
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Janie Crouch

Janie Crouch ist USA Today Bestsellerautorin und mehrfach presigekrönt. Sie schreibt das, was sie selbst am liebsten liest: leidenschaftliche und spannende Romane. Sie kommt aus Virginia (USA), hat aber die letzten fünf Jahre in Deutschland verbracht, wo ihr Mann arbeitet. Janie mag es, sich in Abenteuer jeder Art zu stürzen...

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