Big Rock - Teil 1-3

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BIG ROCK - SIEBEN TAGE GEHÖRST DU MIR!

Die Frauen denken, ich bin ein arrogantes Arschloch und ein unverbesserlicher Playboy. Und das war ich auch. Bis eine Woche mein Leben für immer veränderte …

Meiner Familie zuliebe soll ich mich eine Weile zusammenreißen: Keine Sexskandale mehr! Und als perfekter braver Sohn brauche ich eine Schein-Verlobte für sieben Tage. Was läge da näher als meine beste Freundin Charlotte zu fragen? Mit so einer scharfen Frau fällt es mir nicht schwer, den verliebten Softie zu mimen. Leider kann ich seit wir im Bett gelandet an nichts anderes mehr denken als an ihren heißen Körper. Charlotte spielt ihre Rolle als meine Zukünftige perfekt - doch bei mir ist es längst viel mehr als ein Spiel …

MR. O - ICH DARF DICH NICHT VERFÜHREN!

Mein Name ist Nick Hammer. Aber nennt mich einfach Mr. O - denn ich kann jeder Frau den ersehnten Höhepunkt bescheren. Wieso sollte ich also ablehnen, wenn die süße, total scharfe Harper Holiday mich bittet, ihr Nachhilfe in Liebesdingen zu geben? Das Problem: Sie ist die kleine Schwester meines besten Freundes Spencer und damit für mich absolut tabu. Flirttipps geben: erlaubt. Flirttipps mit Harper ausprobieren: strengstens verboten. Doch je mehr Zeit wir miteinander verbringen - und je mehr schmutzige SMS wir uns schreiben - desto weniger kann ich mich zusammenreißen …

HOT ? HEUTE NACHT GEHÖRST DU MIR!

Mein Name ist Wyatt Hammer. Ich habe alles, was Frauen wollen. Ich bin wohlhabend, verdammt attraktiv und extrem humorvoll. Das Komplettpaket sozusagen. Leider habe ich aber auch diese eine schreckliche Schwachstelle - ich bin viel zu anständig. Denn Natalie, meine neue Assistentin, ist süß, heiß, furchtbar intelligent, eine Traumfrau. Wäre ich irgendein Dreckskerl, wäre es mir natürlich egal, dass ich ihr Boss bin. Aber das ist es eben nicht. Sex und Privatleben werden bei mir streng getrennt. Bis zu dieser verhängnisvoll sinnlichen Nacht in Las Vegas zumindest …

»Sexy, köstlich, dieser Roman macht einfach Spaß!«
SPIEGEL-Bestsellerautorin Marie Force

»Lauren Blakely ist eine meiner Lieblingsautorinnen.«
New-York-Times-Bestsellerautorin Christina Lauren

"Spencer ist der perfekte Alpha-Held , mit tonnenweise Charme. Ich habe lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Roman gehabt. Bei jeder Seite musste ich grinsen."
USA Today-Bestsellerautorin CD Reiss

"Verdammt noch mal, ich liebe es! Mal musste ich lachen, dann mir wieder Luft zufächeln. Spencer ist superheiß."
New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett

"So viel Spaß, so viel Sex und eine wunderbar arrogante männliche Erzählperspektive. Ihr werdet Wachs in Spencers geschickten Händen sein."
The Rock Stars Of Romance

"Unglaublich sexy. Ein absoluter Buchgasmus! Eines der besten Bücher des
Jahres!"
USA Today-Bestsellerautorin Adriana Locke."

"Sexy, köstlich, dieser Roman macht einfach Spaß!" Marie Force, New York Times-Bestsellerautorin

"Es könnte sehr gut sein, dass Nick Hammer mein absolut liebster Lauren Blakely-Held überhaupt ist. Witzig, verführerisch und unglaublich heiß!"
Lacey Black, Bestsellerautorin

"F**k, f**k, f**k! Sie werden jetzt noch nicht wissen, warum ich das sage - aber sie werden es wissen, wenn Sie "Mr O - Ich darf dich nicht verführen!" gelesen haben. Nick und Harper sind der Inbegriff eines himmlisch perfekten, witzigen Paares!"
TM Frazier, USA Today Bestsellerautorin

"Pures Vergnügen. Schmutzig! Dekadent! Göttlich! Fünf orgasmische Sterne." Bookalicious Babes


  • Erscheinungstag 22.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783745750829
  • Seitenanzahl 912
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lauren Blakely

Big Rock - Teil 1-3

MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Big Rock
Copyright © 2016 by Lauren Blakely

Covergestaltung: büropecher, Köln
Coverabbildung: alxpin / Getty Images
Redaktion: Maya Gause

ISBN E-Book 9783955766474

www.harpercollins.de
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E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Widmung

Dieses Buch widme ich Helen Williams, weil ich Dir eines Tages eine Nachricht sandte, in der ich Dich fragte, ob Du es schaffst, ein R wie ein C aussehen zu lassen. Du hast es perfekt hinbekommen, Helen, und aus diesem Grund existiert jetzt dieses Buch, das ich außerdem, wie immer, meiner lieben Freundin Cynthia widme.

Prolog

Mein Schwanz ist verdammt eindrucksvoll.

Aber verlasst euch nicht auf mein Wort. Bedenkt zunächst alle Vorteile, die er bietet.

Lasst uns mit dem Offensichtlichsten beginnen.

Mit der Größe.

Natürlich werden bestimmte Leute behaupten, die Größe spiele keine Rolle. Wisst ihr, was ich dazu zu sagen habe? Sie lügen.

Ihr wollt keinen winzigen Diamanten am Finger tragen, wenn ihr einen Dreikaräter haben könnt. Ihr wollt keine armselige Dollarnote, wenn ihr einen Hunderter haben könnt. Und ihr wollt nicht auf einem Mini-Pony reiten, wenn ihr auf einem prachtvollen Hengst dem ultimativen Vergnügen entgegengaloppieren könnt.

Warum? Je größer, desto besser. Es macht mehr Spaß. Da könnt ihr jede Frau fragen, die schon mal die schrecklichen Worte aussprechen musste: „Ist er schon drin?“

Das musste mich noch keine Frau fragen.

Inzwischen überlegt ihr wahrscheinlich, wie groß er denn nun eigentlich ist. Ich bitte euch! Über so etwas spricht ein Gentleman nicht. Selbst wenn ich vögle wie ein Gott, bin ich doch immer noch ein Gentleman. Ich werde ihr die Tür aufhalten, bevor ich ihre Schenkel spreize. Ich werde ihr in den Mantel helfen, ich werde im Restaurant die Rechnung übernehmen, und ich werde sie wie eine Königin behandeln – innerhalb und außerhalb des Betts.

Aber ich verstehe schon. Ihr möchtet eine genaue Vorstellung haben. Ein exaktes Maß, das euch Appetit macht. Na schön. Malt euch Folgendes aus: einen Schwanz, der so groß ist, wie ihr ihn euch in euren kühnsten Träumen wünscht; meiner ist deutlich größer.

Was das Aussehen betrifft – seien wir bitte mal ehrlich. Es gibt Schwänze, die sind einfach nur verdammt hässlich. Ich will mich hier nicht in Einzelheiten ergehen und eine genauere Beschreibung liefern. Ihr wisst, wie so was aussieht, und wenn es um die Vorzüge meiner Ausstattung geht, möchte ich, dass ihr bloß an folgende Begriffe denkt: lang, dick, seidenglatt, hart. Hätten die Bildhauer der Renaissance Skulpturen von Penissen geschaffen, hätten sie alle meinen als Modell gewählt.

Doch ganz im Ernst: All das würde nicht die geringste Rolle spielen, besäße mein Schwanz nicht die wichtigste Eigenschaft von allen.

Leistungsfähigkeit.

Letztendlich sollte der Schwanz eines Mannes nach der Anzahl der Orgasmen bewertet werden, die er abliefert. Dabei rede ich nicht von Solodarbietungen. Das ist Mogelei. Ich rede von den großen Ohs, die dafür sorgen, dass eine Frau sich aufbäumt, ihre Zehen krümmt und die Fensterscheiben zum Klirren bringt … dass ihre Welt für einen Moment aus den Fugen gerät.

Wie viel Vergnügen mein Schwanz auf diese Weise den Frauen schon verschafft hat? Der Gentleman genießt und schweigt, aber ich sage dazu Folgendes: Er hat eine äußerst beeindruckende Erfolgsbilanz vorzuweisen.

Deshalb ist es auch so verdammt schade, dass er sich nun eine Auszeit nehmen muss.

1. Kapitel

Männer verstehen Frauen nicht.

Das ist eine Tatsache.

Wie dieser Kerl da.

Der Typ dort am Ende meiner Bar. Die Ellbogen auf den Metalltresen gestützt, soll seine Haltung so viel ausdrücken wie: Bin ich nicht unglaublich lässig und cool? Er streicht über seinen Schnauzbart und tut, als sei er der beste Zuhörer auf Erden, während er mit der heißen Brünetten spricht, die eine viereckige Brille mit rot getönten Gläsern trägt. Doch in Wirklichkeit starrt er die ganze Zeit nur ihren Vorbau an.

Na gut, die Brünette hat nette Titten. Und ich meine „nett“ in dem Sinne, dass sie eigentlich eine eigene Postleitzahl in Anspruch nehmen könnten.

Aber mal ehrlich, Leute!

Ihre Augen sind viel weiter oben. Und genau dorthin muss ein Mann seinen Blick richten, sonst wird die Lady aufstehen und gehen.

Ich schenke einem unserer Stammgäste, einem Geschäftsmann, der einmal in der Woche hereinschneit, ein helles Ale ein. In seinem Gesicht ist deutlich zu lesen: Mein Boss nervt total, weil er mich ständig auf Reisen schickt. Wenigstens kann ich ihm an der Getränkefront helfen.

„Geht aufs Haus. Zum Wohl.“ Ich schiebe ihm das Glas hin.

„Das ist die beste Nachricht des Tages“, erwidert er mit einem winzigen Zucken um die Mundwinkel, bevor er das halbe Glas hinunterstürzt und mir drei Dollar Trinkgeld hinschiebt. Die Barkeeper, die vom Trinkgeld abhängig sind, werden es zu schätzen wissen. Jenny musste früher gehen, weil bei ihrer Schwester irgendeine Krise ausgebrochen ist. Deshalb kümmere ich mich um die letzten Gäste, während meine Geschäftspartnerin Charlotte die Buchhaltung macht.

Als Schnauzbart Roter Brille dichter auf die Pelle rückt, lehnt die sich mit einem Ruck nach hinten, schüttelt den Knopf, schnappt sich ihre Handtasche und eilt zum Ausgang.

Na bitte! Ich könnte mein Geld als Wahrsager verdienen, wenn ich mich darauf spezialisieren würde, vorherzusagen, wann ein Mann einen Stich bekommt und wann nicht. Meistens stehen die Chancen für den Typen an der Bar schlecht, weil er die üblichen Fehler macht. Indem er zum Beispiel die Unterhaltung mit einem dieser dummen Anmachsprüche beginnt. „Du sorgst dafür, dass meine Software sich in Hardware verwandelt.“ Oder: „Als Hotdog-Verkäuferin hättest du eine große Karriere vor dir, denn du weißt offenbar, wie man mit einem Würstchen umgeht.“ Genau! Ich habe meinen Ohren auch nicht getraut, als ich das gehört habe.

Oder dieses Unding: Manche Kerle lassen ihre Blicke ständig auf Wanderschaft gehen und können nicht aufhören, andere Attraktionen abzuchecken. Welche Frau soll das denn bitte schmeichelhaft finden?

Der schlimmste Fehler bei der Anmache an der Bar ist es allerdings, Dinge vorauszusetzen.

Vorauszusetzen, dass sie mit dir reden will.

Vorauszusetzen, dass sie mit dir nach Hause gehen wird.

Vorauszusetzen, dass du sie ohne ihre Einwilligung küssen darfst.

Die Leute sagen: Wenn man ganz fest an etwas glaubt, wird es geschehen.

Und was ist meine Meinung dazu?

Seht euch einfach mal meine Universitätsabschlüsse an. Ich besitze einen Master in Finanzwissenschaft und einen in Frauensprache – und beide Fächer habe ich summa cum laude abgeschlossen. Ich verfüge über ein enzyklopädisches Wissen darüber, was Frauen wollen … und ich weiß, wie ich es ihnen geben kann. Ich spreche fließend die weibliche Körpersprache, kann die kleinsten Hinweise und alle Gesten entschlüsseln.

Wie in diesem Moment.

Charlotte hämmert auf den Tasten ihres Laptops herum und kaut dabei konzentriert auf ihrer Unterlippe herum. Will heißen: Ich komme gerade richtig gut vorwärts, also stör mich nicht, sonst gehe ich dir an die Kehle.

Na gut. Sie ist nicht wirklich jemand, der Leuten an die Kehle geht. Was ich sagen will, ist, dass sie deutliche Auf keinen Fall stören-Signale sendet.

Schnauzbart kann allerdings Frauensprache weder lesen noch sprechen noch schreiben. Er schlendert an der Bar entlang und hat anscheinend die Absicht, sie anzumachen. Bildet sich ein, er hätte eine Chance bei ihr.

Von meinem Platz hinter der Bar aus, wo ich gerade Gläser poliere, kann ich praktisch hören, wie er sich räuspert, um Charlotte anzusprechen.

Ich kann verstehen, warum der Mann meine beste Freundin ins Fadenkreuz genommen hat. Charlotte ist zweifellos eine anbetungswürdige Göttin. Zuerst einmal besitzt sie wellige blonde Haare und dunkelbraune Augen. Die meisten Blondinen haben blaue Augen, also bekommt sie Extrapunkte für diese reizvolle Kombination, die wegen des Überraschungseffekts absolut heiß ist.

Außerdem verfügt sie über einen fantastisch trockenen Humor.

Und sie hat einen messerscharfen Verstand.

Aber Schnauzbart hat von den beiden letzten Punkten keine Ahnung. Er weiß nur, dass sie wunderschön ist, und geht darum zum Angriff über. Er zieht den Stuhl direkt neben ihr hervor und grinst sie breit an. Sie zuckt zusammen, vollkommen überrascht, dass der Kerl in die hermetisch abgeschlossene Welt eingedrungen ist, in der es bloß sie und ihre Arbeit gab.

Charlotte kann wunderbar auf sich selbst aufpassen. Doch wir haben vor langer Zeit einen Pakt geschlossen und ihn erneuert, als wir gemeinsam diese Bar eröffneten: Wenn einer von uns einen Pseudopartner oder eine Pseudopartnerin braucht, um elegant aus einer unangenehmen Situation herauszukommen, dann springen wir ein und übernehmen diese Rolle.

Dieses Spiel spielen wir seit dem College, und es klappt hervorragend.

Es funktioniert auch deshalb so gut, weil Charlotte und ich niemals wirklich ein Paar sein werden. Dazu brauche ich sie viel zu sehr als Freundin. Und wenn man bedenkt, wie oft sie mit mir gelacht oder sich an meiner Schulter ausgeweint hat, geht es ihr genauso. Auch aus diesem Grund ist die Taktik eine brillante Idee – wir wissen beide, dass wir niemals mehr als Freunde sein werden.

Ich eile hinter der Bar hervor und bin in dem Moment bei Charlotte, in dem Schnauzbart sie erreicht und ihr seinen Namen nennt, um sie gleich darauf zu fragen, wie sie heißt.

Sofort schiebe ich mich neben sie und platziere meine Hand auf dem unteren Teil ihres Rückens, so als würde diese Frau mir gehören. Als wäre ich derjenige, der diesen Körper berühren darf, der seine Finger durch ihre Haare gleiten lässt und ihr in die Augen sieht. Ich lege den Kopf schräg und werfe ihm ein triumphierendes Lächeln zu, weil ich angeblich der Glückspilz bin, der später mit ihr nach Hause gehen wird. „Der Name meiner Verlobten ist Charlotte. Nett, Sie kennenzulernen. Ich bin Spencer.“ Mit diesen Worten strecke ich ihm die Hand hin.

Der Typ kräuselt seine Nase wie ein Kaninchen, als er begreift, dass er zum zweiten Mal an diesem Abend den Kürzeren gezogen hat.

„Gute Nacht allerseits“, murmelt er und verlässt hastig die Bar.

Charlotte salutiert scherzhaft in meine Richtung und nickt anerkennend. „Sieh an, Captain Sunshine eilt zu meiner Rettung herbei.“ Sie streicht über meinen Arm und kneift in meinen Bizeps. „Ich habe den Typen nicht mal kommen sehen.“

„Dafür hast du ja mich. Ich habe meine Augen überall“, erkläre ich ihr, während ich die Tür abschließe. Die Bar ist jetzt leer. Nur wir zwei sind noch hier, wie so oft abends um diese Zeit.

„Dabei bist du normalerweise damit beschäftigt, dich nach verfügbaren Frauen umzusehen. Deine Blicke sind ständig auf der Wanderschaft.“ Sie mustert mich mit einer Ich kenne dich-Miene.

„Was soll ich sagen? Es gefällt mir, wenn meine Augen ein anständiges Work-out bekommen – genau wie der Rest meines Körpers.“ Bei diesen Worten tätschele ich meinen Waschbrettbauch.

Sie gähnt.

„Geh ins Bett“, rate ich ihr.

„Das solltest du auch tun. Nein, warte. Du hast wahrscheinlich noch ein Date.“

Damit liegt sie nicht so falsch. Sehr oft habe ich tatsächlich nach Feierabend eins.

Zum Beispiel habe ich Anfang des Monats im Fitnessstudio eine echte Sexbombe kennengelernt. Sie trainierte hart, und ihr Training wurde noch härter, als ich sie über die Lehne der Couch in meinem Apartment warf und dort nahm. Am nächsten Tag schickte sie mir eine Nachricht auf mein Handy, in der sie schrieb, wie sehr ihre Schenkel schmerzten und dass sie es unglaublich genossen habe. Sie fügte hinzu, ich solle mich bei ihr melden, falls ich irgendwann nach Los Angeles käme. Sie wolle gern noch einmal einen solchen Ritt erleben.

Selbstverständlich wollte sie das. Wer erst einmal Filet mignon probiert hat, möchte seinen Hunger nicht wieder notdürftig mit Hamburgern stillen.

Ich habe ihre Nummer gespeichert. Schließlich weiß man ja nie, oder? Es ist nichts falsch daran, wenn sich zwei Erwachsene eine Nacht lang vergnügen und anschließend beschwingten Schrittes getrennte Wege gehen, nachdem sie sich gegenseitig mehrere Orgasmen beschert haben.

Genau so sollte es sein. Meine erste Dating-Regel lautet: Verschaffe immer zuerst der Frau ihr Vergnügen, idealerweise zweimal, bevor du auch nur in sie eindringst. Die anderen beiden Regeln sind ebenso einfach: Verliebe dich nicht. Und: Benimm dich auf keinen Fall wie ein Arschloch. Ich lebe nach diesen Regeln und bin damit bisher sehr gut gefahren. Ich bin achtundzwanzig, single, ein heißer Typ und ein Gentleman. Daher ist es nicht besonders überraschend, dass ich oft Sex habe.

Aber heute hat mein Schwanz dienstfrei. Ich werde früh schlafen gehen.

Charlottes Frage beantworte ich daher mit einem Kopfschütteln und fahre fort, die Theke zu putzen. „Nein. Ich bin morgen früh um halb acht mit meinem Vater und einem Typen, dem er seinen Laden verkaufen will, zum Frühstück verabredet. Da muss ich ausgeschlafen sein und einen guten Eindruck machen.“

Sie deutet auf die Tür. „Geh und hol dir deinen Schönheitsschlaf, Spencer. Ich schließe hier ab.“

„Auf keinen Fall. Ich bin gekommen, um Jenny zu vertreten. Du fährst nach Hause. Ich rufe dir ein Taxi.“

„Dir ist doch wohl klar, dass ich seit fünf Jahren in New York lebe? Ich weiß sehr wohl, wie man sich spätabends ein Taxi besorgt.“

„Klar. Ich kenne deinen Hang zur Unabhängigkeit. Doch das interessiert mich nicht – ich schicke dich jetzt nach Hause. Was auch immer du hier machst, kannst du auch in deinem Apartment erledigen“, erwidere ich und werfe den Putzlappen ins Spülbecken. „Warte mal! Hast du etwa Angst, Bradley könnte um diese Zeit noch in der Lobby herumlungern und versuchen, dir Blumen zu schenken?“

„Nein. Normalerweise finden seine Entschuldigungs-Überfälle tagsüber statt. Gestern hat er mir einen fast einen Meter großen Teddy geschickt, der ein Seidenherz in den Tatzen hält, auf dem Verzeih mir steht. Was zum Teufel soll ich mit dem Ding anfangen?“

„Schick ihn zurück. In sein Büro. Und schreibe mit rotem Lippenstift NEIN auf das Herz.“ Charlottes Exfreund ist ein Arschloch der Spitzenklasse. Er wird sie nie zurückbekommen. „Oder warte. Kann es sein, dass dieser Teddy einen Mittelfinger an seiner Pfote hat?“

Sie lacht. „Das ist eine wirklich gute Idee. Ich wünschte, es wüssten nicht alle Leute im Haus, was ich beruflich mache.“

„Ich weiß. Und ich wünschte, du müsstest ihm bis ans Ende der Zeit nie wieder begegnen.“

Ich rufe ihr ein Taxi, hauche ihr einen Kuss auf die Wange und schicke sie nach Hause. Nachdem ich die Bar geschlossen habe, fahre ich in meine Wohnung im West Village. Sie liegt im sechsten Stock eines tollen Sandsteingebäudes. Von der Terrasse habe ich einen Blick über ganz Lower Manhattan. Absolut ideal in einer Juninacht wie dieser.

Ich werfe meine Schlüssel auf das Tischchen im Eingangsbereich, während ich auf meinem Handy durch die neuesten Nachrichten scrolle. Das Foto aus einem Klatschmagazin, das meine Schwester Harper mir geschickt hat, bringt mich zum Lachen. Es zeigt mich zusammen mit der heißen Frau aus dem Fitnessstudio. Offenbar handelt es sich um die Trainerin der Stars einer Realityshow. Und ich bin der bekannte New Yorker Playboy – so wurde ich in dieser Zeitschrift schon mal genannt. Da wurde ich mit der neuen sexy Chefköchin eines Restaurants gesehen, das vergangenen Monat in Miami eröffnet wurde.

Heute Abend bin ich jedoch ein braver Junge.

Für das, was morgen sein wird, übernehme ich keine Garantie.

2. Kapitel

Hemd mit Button-down-Kragen. Krawatte. Anthrazitfarbene Hose. Dunkelbraune Haare, grüne Augen, kantiges Kinn.

Jepp, es funktioniert bestens.

An diesem Freitagmorgen bin ich vollkommen einverstanden mit meinem Aussehen. Wäre ich einer dieser albernen Kerle in einem kitschigen Film, würde ich meine beiden Daumen in die Luft recken.

Aber ehrlich, so ein Typ bin ich nicht. Ich meine, wer macht denn so was?

Stattdessen frage ich meinen Kater Fido nach seiner Meinung. Seine Antwort ist schlicht: Er dreht sich um und geht weg, den Schwanz hoch in die Luft gereckt.

Fido und ich haben eine Abmachung. Ich füttere ihn, und er stört mich niemals beim Sex. Vor einem Jahr tauchte er auf meiner Terrasse auf und mauzte klagend die gläserne Schiebetür an. Er trug einen Anhänger mit der Aufschrift Princess Poppy. Mithilfe seines Halsbands fand ich heraus, dass er zu der kleinen, süßen, alten Dame aus meinem Wohngebäude gehörte, die vor Kurzem ins Jenseits umgezogen war. Diese kleine, süße, alte Dame hatte ihn offenbar irrtümlich für ein Katzenmädchen gehalten. Es gab keine Hinterbliebenen, und sie hatte auch keine Anweisungen zum Verbleib der Katze hinterlassen. Ich ließ ihn herein, warf das funkelnde pinkfarbene Halsband weg und gab ihm einen Namen, der zu seinem Geschlecht passt.

Es ist eine Win-win-Beziehung.

Zum Beispiel morgen Abend. Fido wird nicht meckern und klagen, wenn ich spät nach Hause komme. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich erst in den frühen Morgenstunden durch die Tür torkeln werde. Heute Abend muss ich arbeiten, aber morgen übernimmt Jenny wieder ihre Schicht, und ich habe mit meinem besten Freund Nick etwas zu feiern. Seine erfolgreiche TV-Show auf Comedy Nation wurde gerade für ein Jahr verlängert. Wir haben vor, darauf viele, viele Male an einer Wasserstelle in Gramercy Park anzustoßen. Nebenbei bemerkt haben sie dort eine sexy Barkeeperin, mit der ich schon einige Male gesprochen habe. Sie heißt Lena und mixt einen klasse Harvey Wallbanger. Ihre Nummer hat sie unter dem Namen des Drinks in meiner Kontaktliste gespeichert. Nun, unter einem Teil des Namens. BangBang.

Klingt vielversprechend. Und mit vielversprechend meine ich, es ist eine sichere Sache.

Ich mache mich auf den Weg in die Vorstadt, indem ich die U-Bahn zur Upper East Side nehme, wo meine Eltern leben. Ja, sie sind sehr wohlhabend; dennoch sind sie – so schockierend das klingen mag – keine Arschlöcher. So ist es wirklich. Dies ist nicht die Geschichte eines Typen mit einem reichen Scheißkerl von Vater und einer eiskalten, boshaften Mutter. Hier geht es um einen Typen, der seine Eltern gernhat und der von ihnen ebenso gemocht wird. Und raten Sie mal, was noch? Meine Eltern mögen sich sogar gegenseitig.

Woher ich das wissen will?

Weil ich verdammt noch mal nicht taub bin. Nein, das habe ich als Kind nicht gehört. Vielmehr habe ich meine Mom jeden Morgen nach dem Erwachen ein fröhliches Liedchen pfeifen gehört. Ich habe eine wichtige Lektion von den beiden gelernt: Happy wife = happy life. Und eine Methode, eine Frau glücklich zu machen, ist, sie im Schlafzimmer zufriedenzustellen.

Heute aber ist es mein Job, meinen Dad glücklich zu machen, und Dad möchte seinen Sprössling bei dem Frühstücks-Meeting dabeihaben, ebenso wie meine kleine Schwester Harper.

Sie kommt mir auf der 82. Straße entgegen, und ihre roten Haare leuchten wie Feuer. Als sie mir gegenübersteht, tut sie, als wolle sie eine Münze hinter meinem Ohr hervorholen.

„Sieh mal, was ich gefunden habe. Was ist das?“ Sie wedelt mit der Hand herum und hält plötzlich einen Tampon zwischen den Fingern. Dann formt sie mit den Lippen ein schockiertes O. „Spencer Holiday! Du hast Tampons bei dir. Wann hast du denn deine Periode bekommen?“

Ich muss lachen.

Sie fasst hinter mein anderes Ohr und zeigt mir eine kleine Pille. „Oh, guck mal. Hier ist eine Tablette, falls du Unterleibsschmerzen bekommst.“

„Guter Trick“, lobe ich sie lächelnd. „Führst du den auf Kindergeburtstagen vor?“

„Nein.“ Harper zwinkert mir zu. „Aber Tricks wie dieser sorgen bei den Müttern dafür, dass ich schon sechs Monate im Voraus ausgebucht bin.“

Seite an Seite gehen wir auf das Restaurant in der Third Avenue zu und spazieren an diesen perfekten New Yorker Wohnblocks entlang – den roten Backsteinhäusern mit großzügigen offenen Veranden, vor denen alle paar Meter ein Baum mit üppigem Laub wächst. Es sieht hier aus wie am Set einer romantischen Komödie.

„Wie läuft es in der Stadt, Playboy? Ich habe gehört, Cassidy Winters hätte behauptet, so gut wie mit dir habe sie sich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr amüsiert.“

Ich runzle die Stirn. „Wer soll das sein?“

„Die sexy Trainerin, mit der du in den Zeitschriften zu sehen warst“, erwidert sie und rollt mit den Augen. „Ich habe dir gestern Abend das Foto geschickt. Hast du die Bildunterschrift nicht gelesen?“

Ich schüttle den Kopf. „Nee. Übrigens ist das schon eine Ewigkeit her.“ Jedenfalls fühlen sich in der Dating-Welt ein paar Wochen so an.

„Ich nehme an, sie singt immer noch Loblieder auf dich.“

„Sieht so aus, als würde ich demnächst ihre Nummer löschen.“ Wer die Klappe nicht halten kann, darf nicht mehr mitspielen.

„Pass besser auf, wie du dich Mr. Offerman gegenüber verhältst. Schließlich ist er der Mann, dem Dad sein Geschäft verkaufen will“, rät sie mir, während eine ältere Dame mit blau getönten Haaren mit ihrem Spitz an der Leine auf uns zukommt.

„Willst du damit sagen, ich soll ihn nicht anbaggern?“, witzle ich und bleibe mitten auf dem Gehweg stehen. Ich lasse meine Hüften kreisen und gebe mein Bestes, verführerisch wie ein Stripper in die Gegend zu starren. „Kein netter kleiner Tanz?“ Ich klatsche mir aufs Hinterteil. „Um die Sache voranzutreiben?“

Harper wird knallrot. Sie deutet mit dem Kopf in Richtung der alten Dame. „Du lieber Himmel! Hör auf damit!“

„Ich soll also nicht wie üblich so tun, als wäre ich einer der Chippendales?“

Meine Schwester packt mich am Arm und zieht mich hastig an der Hundebesitzerin vorbei. Die Lady sieht mich an, wackelt fröhlich mit den Brauen und formt mit den Lippen die Worte: „Netter Tanz.“

Seht ihr? Frauen stehen auf mich.

„Was ich meine, ist, dass Offerman sehr konservativ ist. Er steht auf Werte, Familie und diese Dinge. Genau aus diesem Grund sind wir heute hier.“

„Sicher. Es geht darum, die glückliche Familie zu spielen und so zu tun, als würden wir einander mögen. Ist es das, was ich machen soll?“ Ich verpasse ihr einen ordentlichen Nasenstüber. Weil sie es verdient hat.

„Autsch. Bring meine Frisur nicht durcheinander.“

„Ist ja schon gut. Ich habe kapiert. Du willst, dass ich den Chorknaben gebe, und du spielst den Engel.“

Sie legt ihre Handflächen zusammen, als wollte sie beten. „Ich bin ein Engel.“

Wir betreten das Restaurant, wo unser Dad uns in der Eingangshalle begrüßt. Harper entschuldigt sich und verschwindet in Richtung Damentoilette. Mein Dad klopft mir auf die Schulter. „Danke, dass du gekommen bist. Du hast das Memo erhalten, ja?“

„Natürlich. Sehe ich nicht genau aus wie der erfolgreiche, blaublütige Sohn?“ Ich streiche meine Krawatte glatt. Was immer der einfachste Weg ist, seriös zu wirken.

Er tut, als wolle er mir einen Kinnhaken verpassen. „So siehst du doch immer aus.“ Dann legt er den Arm um meine Schultern. „Ich bin sehr froh, dass du da bist. Was ich dir noch sagen wollte …“ Mit gesenkter Stimme fährt er fort: „Du weißt, es ist mir egal, was du nach Feierabend machst. Aber Mr. Offerman hat vier Töchter im Alter zwischen elf und siebzehn Jahren. Deshalb bevorzugt er …“

„… Männer mit Gutmenschen-Image?“, vollende ich seinen Satz und lächle ihn an wie ein äußerst braver Junge.

Mein Dad schnippt mit den Fingern und nickt.

„Sind sie auch zum Frühstück hier? Seine Töchter?“

Er schüttelt den Kopf. „Nur du und deine Schwester, er und ich. Er wollte euch beide kennenlernen. Und ich wollte nur eins deutlich machen: Je weniger dein Ruf als bekannter New Yorker Playboy zur Sprache kommt, umso glücklicher wird er sein, und je glücklicher er ist, desto glücklicher bin ich. Kannst du das für mich tun?“

Ich seufze und reiße die Augen auf. „Ich weiß nicht, Dad. Das schränkt die Zahl meiner Gesprächsthemen ziemlich ein. Normalerweise rede ich ausschließlich von Frauen und Sex. Verdammt“, stoße ich in frustriertem Tonfall hervor. Dann tue ich so, als würde ich mich mühsam zusammennehmen, und zähle an meinen Fingern ab. „Politik, Religion, Waffengesetz. Ich werde mich hauptsächlich an diese Themen halten, okay?“

„Pass auf, dass ich dir keinen Maulkorb verpasse“, gibt er scherzhaft zurück.

„Ich habe verstanden, Dad. Ich werde dir nicht deinen Traum zerstören. Versprochen. Während der nächsten Stunde werde ich ganz der pflichtbewusste Sohn und der aufstrebende New Yorker Geschäftsmann sein. Ich werde kein Wort über Frauen oder die Boyfriend Material-App verlieren“, erkläre ich ihm, denn ich bin ein Chamäleon. Ich kann ebenso gut den Playboy geben wie den seriösen Geschäftsmann. Ich kann den Yale-Absolventen spielen oder das Lästermaul. Heute werde ich meine Ivy-League-Vergangenheit zur Schau stellen und nicht den Kerl, der eine höchst erfolgreiche Dating-App erfunden und verkauft hat.

„Danke, dass du dich in dieser Hinsicht zurückhaltend zeigen wirst. Ich habe jahrelang nach einem geeigneten Käufer gesucht, und endlich habe ich ihn gefunden. Wenn auf den letzten Metern nichts schiefgeht, werden wir Ende nächster Woche die Verträge unterzeichnen.“

Mein Dad ist ein echter Rockstar im Schmuckgeschäft. Kaum jemand kennt seinen Namen, aber fast jeder kennt sein Geschäft. Vor dreißig Jahren hat er auf der Fifth Avenue Katharine’s eröffnet, und heute ist dieser Name gleichbedeutend mit hochwertigem Schmuck. Die himmelblauen Schachteln, die in dem Laden als Verpackung benutzt werden, haben echten Kultcharakter erlangt. Sie gelten als untrügliches Zeichen dafür, dass soeben ein hinreißendes Geschenk überreicht wird. Perlen, Diamanten, Rubine, Silber, Gold – ganz gleich, um was es geht. Benannt nach meiner Mutter, ist Katharine’s ein Ort der Vollkommenheit, und mein Dad hat die Filiale an der Fifth Avenue zum Flagship-Store einer Kette mit Niederlassungen in zwölf Städten rund um den Globus gemacht. Katharine’s hat meiner Schwester und mir die Privatschule und anschließend das College finanziert und darüber hinaus dafür gesorgt, dass wir ein wunderbares Leben führen konnten.

Nun möchte Dad sich zur Ruhe setzen und mit Mom um die Welt segeln. Das war schon lange sein Traum, und jetzt hat er den richtigen Käufer gefunden. Jemanden, der die kultivierte Eleganz versteht, die Dad mit seiner Ladenkette erschaffen hat, und der außerdem den nötigen finanziellen Hintergrund mitbringt, um den Preis zu zahlen, den Dad verlangt.

Es stand nie zur Debatte, Harper oder mir die Firma zu überlassen. Ich habe nicht das geringste Interesse daran, eine internationale Kette von Juweliergeschäften zu führen. Und genauso geht es meiner Schwester. Ich habe meinen Traumjob bereits gefunden: die Leitung der drei Lucky-Spot-Bars in Manhattan, die ich gemeinsam mit Charlotte besitze. Abgesehen davon habe ich den Grundstein für mein eigenes Vermögen gelegt, als ich kurz nach dem College Boyfriend Material auf den Markt brachte.

Die Grundidee war einfach, aber genial.

Bilder von Schwänzen sind nicht erlaubt.

Denn – Achtung, jetzt kommt’s! – Frauen mögen keine Fotos von Schwänzen. Zu Beginn einer Bekanntschaft gibt es kaum etwas, das aggressiver und abstoßender wirkt, als einer Frau, für die man sich interessiert, ein Foto seines besten Stücks zu schicken. Es spielt keine Rolle, ob du wie ein Hengst ausgestattet bist: Dieses Bild wird sie zusammenzucken lassen. Meine App bot Frauen Sicherheit, nämlich die Garantie, nicht mit unwillkommenen Schwanz-Bildern belästigt zu werden.

Die App kam auf den Markt, meine Investoren machten richtig Kasse, und ich räumte ebenfalls ab, weil ich nun mal ein echter Glückspilz bin.

Für die eine Stunde oder so, die ich nun mit Mr. Offerman reden werde, bin ich aber bloß ein Typ, der in der Nahrungsmittelbranche arbeitet. Bühne frei!

3. Kapitel

Dad führt Harper und mich zu einem großen, runden Tisch mit einer frisch gestärkten, blütenweißen Tischdecke ganz hinten im Restaurant.

„Erlauben Sie mir, Ihnen meine Kinder vorzustellen, Mr. Offerman. Das ist meine Tochter Harper, das mein Sohn Spencer.“

Der hochgewachsene Mr. Offerman mit seinen dunklen Augen und den pechschwarzen Haaren wirkt äußerst imposant. Sein Körper ähnelt einem Baumstamm, und genauso aufrecht ist seine Haltung. Ich würde wetten, er war bei der Armee. Sein Auftreten ist das eines Generals.

„Es freut mich, Sie beide kennenzulernen“, erklärt er mit einer tiefen Baritonstimme. Aha, dieser Mann ist es gewohnt, Befehle zu erteilen.

Wir tauschen einige Höflichkeiten aus und lassen uns am Tisch nieder. Nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben haben, wendet Offerman sich an Harper: „Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Es ist fantastisch, dass Sie Zauberkünstlerin sind …“ Während er sie mit Fragen überschüttet, kommt mir die Erleuchtung: Harpers Beruf passt perfekt zu seiner Vorliebe für „familienfreundliches“ Verhalten. Sie arbeitet meistens auf Kindergeburtstagen, und er ist begeistert. Dann zeigt sie ihm einige ihrer Tricks. Sie lässt seine Gabel verschwinden, anschließend seine Serviette und sein Wasserglas.

„Herrlich! Ich wette, sämtliche Kinder sind einfach fasziniert, wenn sie das sehen. Meine Töchter wären begeistert.“

Du hast zu Hause ein paar Teenager, du Schwachkopf. Ich bezweifle sehr, dass sie auf Taschenspielertricks stehen.

„Ich führe es ihnen mit Vergnügen vor“, sagt Harper und schenkt Mr. Offerman ihr strahlendes Lächeln, mit dem sie ihn endgültig für sich gewinnt.

„Wunderbar. Ich würde Sie alle gern für morgen zum Dinner einladen. Meine Frau und meine Töchter werden auch dabei sein.“

„Ich komme sehr gern“, erwidert Harper.

Er sieht mich an. „Und wie läuft Boyfriend Material?“

Na bitte, da kommt es also. Offensichtlich hat er seine Hausaufgaben gemacht. „Von der Firma, die die App gekauft hat, weiß ich, dass sie weiterhin erfolgreich ist. Aber ich habe nichts mehr damit zu tun“, erläutere ich und komme damit der entsprechenden Frage zuvor.

„Nach allem, was ich darüber gelesen habe, ist die App ein großer Erfolg. Sie scheinen zu wissen, was Frauen wollen.“

Ich schlucke und werfe meinem Dad von der Seite einen heimlichen Blick zu. Das künstliche Lächeln auf seinem Gesicht wirkt nun starr. Er möchte nicht, dass Mr. Offerman weiter über dieses Thema nachdenkt. „Ich weiß bloß, dass Frauen respektvoll behandelt werden wollen. Und wenn es an der Zeit ist, vor einer von ihnen niederzuknien, sollte ein Mann bei Katharine’s mehr als ein Karat erstehen.“ Ich gratuliere mir im Stillen selbst zu diesem Juwelen-Witz.

Mr. Offerman lächelt und nickt, bevor er sich räuspert. „Ich stehe in Kontakt mit einem Reporter vom Magazin Metropolis Life and Times. Er will über den Verkauf des Juwelen-Franchise-Unternehmens berichten. Es soll ein Feature aus der Geschäftswelt werden – und nebenbei wohl auch so etwas wie ein Lifestyle-Bericht. Ich hoffe, es ist nicht zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte, dass wir uns während der nächsten paar Wochen, in denen die Verhandlungen laufen, auf die Firma konzentrieren. Nicht auf Dating-Apps und ähnliche Dinge, die die Presse zu lieben scheint. Wie ganz besondere Eroberungen.“ Er macht eine Pause, um die Serviette auf seinem Schoß auszubreiten. „Verstehen Sie, was ich sagen will?“

Wir wissen alle, was du sagen willst, Mann.

Mein Vater schaltet sich ein: „Sie sprechen mir aus der Seele. Es ist völlig überflüssig, dass in dem Artikel irgendetwas anderes als Juwelen behandelt wird.“

„Gut.“ Mr. Offerman richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Die Inquisition ist noch nicht vorüber. „Und Ihr neues Geschäft ist erfolgreich?“

„Es ist wunderbar, in der Nahrungsmittelbranche zu arbeiten. Charlotte und ich haben The Lucky Spot vor drei Jahren eröffnet, und der Laden läuft hervorragend. Die Lage ist toll, wir bekommen die allerbesten Kritiken, und unsere Gäste sind glücklich.“

Er überschüttet mich mit weiteren Fragen zu unserer Bar, und mir ist klar, dass es ihm wichtig ist, mich persönlich zu überprüfen. Um herauszufinden, ob mein neues Projekt ebenso „schmierig“ ist, wie er mein altes einschätzt. Aber ich kann mit Typen wie ihm umgehen. Ich habe mein eigenes Geschäft nicht gegründet, weil ich mich leicht einschüchtern lasse. Ich habe es getan, weil ich verdammt furchtlos bin und die Mechanismen des Marktes durchschaue, so wie ich Offerman durchschauen kann. Ich weiß, wie ich ihm das liefern kann, was er möchte, und genau das tue ich mit jeder meiner Antworten, weil es gut für meinen Dad ist, dass er bekommt, was er will.

„Was macht Ihnen daran am meisten Spaß?“

„Ich finde es toll, mit Charlotte zusammenzuarbeiten“, erkläre ich, denn an dieser Antwort kann einfach nichts falsch sein. „Wir sind dafür bestimmt, diese Bar gemeinsam zu führen. Wir sind uns praktisch in allen wichtigen Punkten einig.“

Ein leichtes Lächeln umspielt seine Mundwinkel. „Das klingt fantastisch. Wie lange sind Sie schon …?“ Er bricht ab, als der Kellner unsere Teller bringt, aber ich weiß, worauf er hinauswollte. Wie lange sind Sie schon befreundet?

„Seit dem College“, antworte ich.

„Wie schön“, sagt er, während der Kellner seine Eier Benedict vor ihm abstellt. „Ich hoffe, Sie sind morgen Abend ebenfalls bei unserer Dinnerparty dabei.“

Oh. Ich habe also seinen Test bestanden. Im Stillen gratuliere ich mir selbst.

„Mit dem größten Vergnügen“, entgegne ich.

So viel zu meinen Ausgehplänen mit Nick. Aber er wird Verständnis für meine Lage haben. Verstohlen mustere ich meinen Dad. Er wirkt zufrieden, weil dieses Frühstück bis jetzt gut gelaufen ist.

Mr. Offerman greift nach seiner Gabel. „Ich hoffe, Ihre Freundin hat auch Zeit.“

Ich ersticke fast an meinem Orangensaft.

Mein Dad will ihn korrigieren, doch Mr. Offerman redet weiter, und es scheint keine Möglichkeit zu geben, diesen volltönenden Bariton zu unterbrechen. „Meine Frau würde Charlotte sehr gern kennenlernen. Alle meine Mädchen möchten sie gern treffen. Bei unserem Geschäft geht es schließlich vor allem um Familienangelegenheiten, und es ist unglaublich wichtig, dieses Image besonders während der Verkaufsverhandlungen zu pflegen, wenn man das Medieninteresse und all das bedenkt. Mir gefällt der Gedanke, dass die Welt diese ernsthafte Seite Ihres Wesens bald zu sehen bekommt.“

Ich öffne den Mund, um das Missverständnis aufzuklären. Um ihm zu sagen, dass Charlotte nur eine Freundin, aber nicht meine Freundin ist. Dass wir nur Geschäftspartner sind.

Das Lächeln auf seinem Gesicht wirkt in diesem Moment jedoch wie seine Unterschrift unter dem Kaufvertrag. Ich fasse einen spontanen Entschluss.

Mr. Offerman glaubt, Charlotte sei seit einer Ewigkeit die Frau an meiner Seite, und das macht ihn fast verrückt vor Freude. Was, wenn unsere Beziehung noch ernsthafter wäre? Ganz oder gar nicht, lautet die Devise.

„Eigentlich ist es so, dass Charlotte und ich seit dem College bloß Freunde waren“, erkläre ich und mache eine kurze Pause, bevor ich ihm gebe, was er sich wünscht. „Aber seit einem Monat sind wir ein Paar, und gestern Abend haben wir uns verlobt. Es macht mich so glücklich, die Neuigkeit hier verkünden zu können. Charlotte ist jetzt meine Verlobte.“

Harper fällt die Gabel aus der Hand, mein Vater blinzelt verwirrt, und Mr. Offermans Miene hellt sich auf. Wir sprechen von einem Leuchten wie das des Weihnachtsbaums im Rockefeller Center. Er ist außer sich vor Freude über die Entwicklung der Familie, die er gerade kennenlernt. Anstelle eines Playboys hat er einen künftigen Bräutigam an Land gezogen.

„Und ich bringe mit dem größten Vergnügen morgen meine wunderschöne und geistreiche Verlobte zu Ihrem Dinner mit“, füge ich hinzu und schenke meinem Dad ein breites Grinsen, bevor ich mich meinem Rührei widme. Meine Schwester starrt mich an, als wolle sie im nächsten Moment ein Kreuzverhör beginnen. Ganz sicher wird sie das später auch tun. Aber ich habe an diesem Tag noch viel zu erledigen.

Vor allem muss ich Charlotte davon überzeugen, dass Situationen wie diese ebenfalls Teil unserer Abmachung sind.

4. Kapitel

Als wir später vor dem Restaurant auf der Straße stehen, fährt Dad sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. Eine steile Falte hat sich zwischen seinen Brauen gebildet, und er sieht irritiert aus. Kurz zuvor hat er Mr. Offerman mit dem Taxi in sein Geschäft in der Fifth Avenue vorausgeschickt und ihm versprochen, sehr bald nachzukommen.

Aber erst einmal muss er mich in die Mangel nehmen. Verständlicherweise.

„Wann wolltest du es mir sagen?“

Das ist das Problem. Ich kann ihm nicht erklären, dass ich Mr. Offerman etwas vorgemacht habe.

Wenn mein Dad erfährt, dass ich die Verlobung nur wegen seines Geschäfts erfunden habe, wird er glauben, er müsse sich auf der Stelle bei Offerman entschuldigen. Er wird seine Büßermiene aufsetzen, schnurstracks zu ihm gehen und ihm erklären, es täte ihm schrecklich leid, sein Sohn habe bloß einen Scherz gemacht. So ein Mann ist mein Dad, und so führt er auch seine Geschäfte. Und wenn er mit eingeklemmtem Schwanz zu seinem sorgfältig ausgewählten Käufer gehen und ihm gestehen muss, dass sein Partylöwe von einem Sohn sich einen derart schlechten Scherz erlaubt hat, wird sein großer Deal innerhalb einer Sekunde geplatzt sein.

Das darf ich auf keinen Fall zulassen.

Ich werde meinen Dad nicht in eine Lage bringen, in der er wegen meiner vorgegebenen Verlobung selbst schwindeln muss. Doch es ist eine Tatsache, dass es ihm sehr hilft, wenn ich angeblich verlobt bin. Ich habe den Ausdruck in Mr. Offermans Augen gesehen, als ich das V-Wort fallen ließ. Als Single-Spencer, als Typ, der rumkommt, bin ich der Risikofaktor in diesem Geschäft, das noch nicht vollständig unter Dach und Fach ist. Wenn Charlotte einen goldenen Ring trägt, werde ich zum Goldkind.

Deshalb tue ich etwas, das ich nicht tun möchte, aber tun muss.

Ich schmücke die Lüge aus. Sorge dafür, dass sie wasserdicht wird.

„Es ist praktisch gerade erst passiert. Ich habe sie gestern Abend gefragt.“

„Ich wusste nicht mal, dass ihr ein Paar seid.“

Eine Frau in einem engen, pinkfarbenen Rock und High Heels kommt uns auf dem Gehweg entgegen. Sie wirft mir einen verführerischen Blick zu, und ich bin drauf und dran, zurückzulächeln, als mir klar wird, dass ich mich ab sofort zurückhalten muss.

Autsch. Ich habe soeben meinem liebsten Körperteil für die nächsten paar Wochen Ausgehverbot erteilt.

Aber das ist in Ordnung. Ich kann damit umgehen. Ich kann den Verlobten spielen. Ich kann meinen Schwanz auf Eis legen. Sozusagen.

„Ich wollte es dir sofort sagen, und bei ‚sofort‘ dachte ich an heute Morgen.“

„Wie lange seid ihr denn schon zusammen?“

Mach es nicht zu kompliziert. Schmück die Geschichte nicht zu sehr aus.

„Es ging alles so schnell, Pops“, gebe ich zurück und bemühe mich um einen Ausdruck der Verwunderung und der hoffnungsvollen Zuneigung, während ich von meiner künftigen Frau spreche. „Wir haben uns immer gut verstanden, wie du weißt, und sind eng befreundet gewesen. Ich glaube, es war eine dieser Geschichten, bei denen derjenige, der für dich bestimmt ist, die ganze Zeit direkt vor dir steht, und wir haben es all die Jahre nicht bemerkt. Vor ein paar Wochen haben wir uns dann eines Abends eingestanden, dass wir Gefühle füreinander haben und … bumm. Der Rest ist Geschichte.“

Wow. Das wirkt doch wohl überzeugend, oder etwa nicht? Ich bin echt gut.

Dad hebt eine Hand. „Nicht so schnell. Was soll das heißen? Der Rest ist Geschichte? Wie hast du ihr den Antrag gemacht? Und wo um Himmels willen hast du den Ring gekauft? Wenn du jetzt Shane Company sagst, enterbe ich dich.“ Seine Worte klingen heiter, doch ein ernster Unterton schwingt mit.

Ich brauche einen Ring, sofort. Einen verdammt großen, teuren Ring. Der Sohn eines Juwelen-Königs würde für die Frau seines Herzens nichts anderes auswählen.

„Wir haben uns sehr schnell ineinander verliebt, Dad. Wir sind erst seit ein paar Wochen zusammen.“ Das hört sich einigermaßen plausibel an. Aber es geht noch ein bisschen besser. „Das war das Einzige, was uns zu unserem Glück fehlte, denn unsere Beziehung steht auf dem Fundament einer jahrelangen Freundschaft. Du weißt ja, was man sagt: ‚Heirate deine beste Freundin‘“, behaupte ich, obwohl ich keine Ahnung habe, ob irgendjemand das sagt. Aber ganz egal, ich kann den Basketball wunderbar mit diesem Satz ins Netz befördern, weil er sich verdammt gut anhört. Mein Dad nickt verständnisvoll, während ich meine Ode über meine erfundene Liebesgeschichte beende. „Wenn einem plötzlich klar wird, dass man keinen einzigen Tag mehr ohne die Frau sein kann, die man anbetet, muss man sie sofort um ihre Hand bitten. Dann spielt es keine Rolle, ob man seit einigen Wochen verliebt ist oder seit vielen Jahren. Wenn man genau weiß, dass etwas richtig ist, muss man sofort dafür sorgen, dass man es bekommt, nicht wahr?“

Entzückt seufzt er, während ein Taxi an uns vorbeifährt. „Das hätte ich selber nicht besser ausdrücken können.“

Er sollte seine Werbesprüche von mir schreiben lassen. Ich habe es wirklich drauf.

„Aber nein, ich habe noch keinen Ring“, erkläre ich und zwinkere ihm zu. „Weißt du zufällig, wo ich auf der Stelle einen bekommen könnte?“

Dad reibt sich das Kinn und gibt vor, scharf nachzudenken. „Ah, es könnte sein, dass ich den richtigen Laden kenne.“ Er nimmt meinen Arm und muss über seine eigene Gewitztheit lachen. „Komm um zwei, dann wird Nina mit einem wunderschönen Stein in einer wunderschönen Fassung auf dich warten. Ohne einen Ring von Katharine’s kannst du unmöglich verlobt sein.“

„Wahre Worte …“

In meiner Tasche vibriert das Smartphone. Charlottes Rufton erklingt – die Auftrittsmusik von Darth Vader. Sie hat die Melodie als kleinen Scherz selbst eingestellt.

„Charlotte“, sage ich zu meinem Vater und deute auf das Handy.

„Da sie bald deine Frau ist, solltest du den Klingelton vielleicht ändern“, schlägt mein Dad vor. Dann verzieht er das Gesicht zu einem Lächeln und zeigt auf mich. „Hey! Das war mein erster offizieller Rat an dich als künftigen Ehemann.“

In meiner Brust krampfen sich für einen kurzen Moment ein paar Muskeln zusammen. Was, wenn Charlotte bei dem Plan nicht mitspielt? Was, wenn sie mich auslacht – was sie verdammt noch mal tun sollte – und mir erklärt, das sei die verrückteste Idee, von der sie jemals gehört habe, und sie werde da auf keinen Fall mitmachen?

Ich beschließe, mich nicht voreilig aufzuregen. Freunde tun solche Dinge füreinander. Sie tun so, als würden sie dich heiraten, wenn es nötig ist. Stimmt’s?

Wieder erklingt die Melodie. Darth Vader nähert sich unaufhaltsam.

„Du solltest rangehen. Frauen legen Wert darauf“, sagt mein Dad. „Hey. Das war mein zweiter großartiger Ratschlag.“

Ich wappne mich für das, was jetzt kommen wird, lasse meinen Daumen übers Display gleiten und tauche in meine neue Rolle ein. „Guten Morgen, meine wunderschöne künftige Frau“, säusle ich mit sanfter Stimme.

Sie lacht laut los. „Warum redest du schon so früh am Tag so einen Blödsinn? Sag nicht, du hast bereits am Freitagmorgen mit dem Saufen angefangen! Bist du betrunken, Spencer?“

„Betrunken bin ich nur von dir! Wo bist du gerade?“

„Ich habe gerade mit einem unserer Lieferanten gesprochen und bessere Bedingungen für uns ausgehandelt, vielen Dank der Nachfrage. Wenn es demnächst um die Nachos geht, bist du dran. Aber warum führst du dich wie ein liebeskranker Idiot auf?“

„Sehr gut, Sweetheart“, sage ich und sehe meinen Dad an, der die Daumen in die Luft reckt, während ich seinetwegen extra dick auftrage. „Ich komme gleich zu dir, dann kannst du mir alles persönlich erzählen.“

„Okay“, erwidert sie langsam. „Aber mit dem Vertrag ist alles in Ordnung, deshalb muss ich dir gegenüber nicht persönlich oder sogar am Telefon jede Kleinigkeit wiederholen. Ich muss jetzt erst mal schnell unter die Dusche springen. Und nein, sag es nicht. Ich werde nicht buchstäblich springen.“

Ich lache. „Natürlich. Ich bin in zwanzig Minuten da. Und ich kann es auch kaum erwarten, dich zu sehen.“

Fast hätte ich sie zum Abschied Schnucki genannt, doch dann wird mir klar, dass ich in diesem Fall in Zukunft auf meine Eier verzichten müsste. Ich hänge jedoch an meinen Eiern und möchte sie lieber behalten.

Bevor sie widersprechen kann, beende ich das Gespräch und werfe meinem Dad einen wissenden Blick zu. „Diese Frau braucht mich.“

Mein Dad lässt seine Brauen tanzen. „In dem Fall musst du so schnell wie möglich zu ihr fahren.“ Er reibt sich die Hände. „Das sind die besten Neuigkeiten, die ich mir hätte wünschen können. Ich bin überglücklich. Ich mochte Charlotte schon immer.“

Und ich hätte mich nicht schuldiger fühlen können. Schon als Kind habe ich meinen Dad so gut wie nie belogen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es als Erwachsener nie getan habe. Das schlechte Gewissen quält mich, und die Schuld liegt mir im Magen. Aber es wird sich auszahlen. Der Vertrag ist bereits vorbereitet und wird in ein paar Tagen unterschrieben werden. Meine kleine Lüge wird dazu beitragen, dass die Sache problemlos über die Bühne geht.

Dad schließt mich fest in die Arme. „Ruf später noch deine Mutter an. Sie wird es von dir selbst hören wollen.“

„Ich werde ihr jede noch so kleine Kleinigkeit erzählen“, verspreche ich, und bei der Aussicht darauf, Mom ebenfalls anzulügen, krampft sich in mir alles zusammen.

Ich nehme mir ein Taxi zu Charlottes Wohnung. Von unterwegs schicke ich Nick eine Nachricht. Wichtige Familienangelegenheit dieses Wochenende. Muss für morgen absagen. Feiern wir ein andermal?

Es wird Stunden dauern, bis er mir antwortet. Er ist einer der ganz seltenen jungen Männer, die man manchmal in freier Wildbahn antrifft, ohne dass sie einen Bildschirm vor dem Gesicht haben. Er ist ein Papier-und-Bleistift-Typ, wobei in dem Zusammenhang die Tatsache, dass er ein international erfolgreicher Cartoonist ist, eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Während das Taxi die Lexington Avenue entlangfährt, suche ich in meinen Kontakten nach BangBang, der heißen Barkeeperin, und tippe in Windeseile: Sorry, Babe. Mir ist was dazwischengekommen. Wichtiges Familientreffen. Melde mich.

Ihre Antwort trifft dreißig Sekunden später ein. Meine Tür steht dir jederzeit offen. :)

Ihr Satz enthält zwei meiner Lieblingswörter: „jederzeit“ und „offen“.

Aber sie ist nicht diejenige, an die ich denke, als ich in Murray Hill ankomme. Es ist die Frau hinter dem riesigen Strauß aus … Luftballons?

5. Kapitel

Es müssen gut und gern drei Dutzend von diesen Dingern sein. Sie haben alle die Größe von Wassermelonen, und es ist jeder Pastellton vertreten, den man in einer albernen Gartenshow zu sehen bekommen würde.

In der Mitte des Bündels erhebt sich stolz ein Ballon, der höher als die anderen fliegt. Er hat als Einziger eine leuchtende Farbe, denn er ist blutrot, und ich gehe davon aus, dass er ein Herz darstellen soll. Für mich sieht er allerdings eher wie ein Hintern aus.

Ich gebe dem Taxifahrer einen Zwanziger, sage ihm, er soll den Rest behalten, und werfe die Tür hinter mir zu. Mit quietschenden Reifen macht der Mann sich auf die Suche nach dem nächsten Fahrgast.

Ich kann nicht mal ihr Gesicht sehen. Oder ihre Brust. Oder ihre Taille. Ihre obere Hälfte wird komplett von den Ballons verdeckt, aber ihre Beine würde ich überall erkennen. In der Highschool war Charlotte Kurzstreckenläuferin. Sie hat kräftige, wohlgeformte Beine mit muskulösen Waden – die fleischgewordene Sünde, sobald sie High Heels trägt. Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind sie auch in diesem Moment in weißen Socken und Sneakers verdammt heiß. Sie muss heute Morgen schon gelaufen sein.

Während ich mit langen Schritten über den Gehweg stürme, schaue ich direkt zu ihr, und mir wird klar, was dort vor sich geht. Sie versucht gerade, einer Mutter, die einen Kinderwagen vor sich herschiebt, das Ballonbündel zu geben. Die Mutter schüttelt den Kopf und schnaubt empört. Als ich mich auf wenige Meter genähert habe, bietet Charlotte die Luftballons einem ungefähr zehn Jahre alten Mädchen an.

„Nein, nein!“, ruft das Kind und rennt weg.

Hinter den Ballons höre ich Charlotte frustriert seufzen.

„Lass mich raten“, sage ich, als ich neben ihr stehe. „Entweder hast du The Lucky Spot verhökert, um eine Karriere als Ballonverkäuferin zu starten, oder Bradley Arschgeige hat wieder mal zugeschlagen.“

„Zum dritten Mal in dieser Woche. Offenbar kapiert er nicht, was die Worte ‚Wir werden nie wieder ein Paar‘ bedeuten.“ Sie schiebt die Ballons von ihrem Gesicht weg, aber sie kleben an ihren Haaren. Noch einmal will sie sie zur Seite befördern, doch die statische Aufladung arbeitet gegen sie. Die pastellfarbenen Dinger sind gnadenlos, und die leichte Brise bläst sie immer wieder gegen Charlottes Haare. „Das sind die widerlichsten Ballons der Welt, und ich schwöre, die anderen Hausbewohner tratschen ununterbrochen über seinen Plan, mich zurückzugewinnen. Vor allem, weil sie alle ganz genau wissen, was er getan hat.“

„Ich nehme an, er hat dir die Dinger schicken lassen?“

„Genau“, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie die Bänder der Ballons umklammert hält. „Ungefähr zwei Minuten nachdem du angerufen hattest, war ich auf dem Weg nach draußen, weil ich noch schnell einen Kaffee trinken wollte. Da klingelte der Portier, um mir mitzuteilen, dass diese Ballons für mich gekommen waren. Aber sie wären so groß, dass sie nicht in den Fahrstuhl passten, ob ich also bitte nach unten kommen könnte, um sie in Empfang zu nehmen? Selbst wenn ich sie behalten wollte, könnte ich sie nicht in mein Apartment schaffen.“

„Und jetzt versuchst du, sie zu verschenken?“, erkundige ich mich und strecke als Zeichen, dass sie sie mir geben soll, eine Hand vor.

„Ich dachte, vielleicht hat ein Kind mehr Freude daran als eine erwachsene Frau. Es mag schockierend sein, aber ich bin inzwischen zu alt für Ballons, auch wenn ich sie früher geliebt habe.“

Ein Bus rattert heran und hält direkt vor uns. Die Abgaswolke bläst die Ballons sofort wieder in Charlottes Gesicht.

„Umpf“, stöhnt sie, als ein scheußlicher Ballon, dessen Farbe an rosa Zuckerwatte erinnert, ihr gegen die Nase klatscht.

Ich greife nach den wirren Fäden und zerre die Ballons weg von ihr, bevor ich sie so halte, dass sie hoch über meinem Kopf in der Luft stehen. „Wir können sie nicht einfach hinauf in den Himmel fliegen lassen? Sie als ein Rudel geschmacklos gefärbter Ostereier über Manhattan dahingleiten lassen?“

Sie schüttelt den Kopf. „Nein. Ballons verlieren irgendwann ihr Helium, und dann kommen sie runter. Sie bleiben in den Bäumen hängen oder fallen auf den Boden, und Tiere fressen sie und werden krank, und das ist nicht in Ordnung.“

Charlotte ist ein Softie. Sie liebt Tiere.

„Ich verstehe“, erwidere ich kopfnickend. „Dann ist mir klar, was geschehen muss. Bist du bereit, auf der Stelle ein Massaker mitzuerleben, dem drei Dutzend scheußliche Luftballons zum Opfer fallen werden?“

Energisch nickt sie. „Möglicherweise bekomme ich ein bisschen Angst, doch ich bin sicher, ich stehe das durch.“

„Halt dir die Ohren zu“, weise ich sie an, packe anschließend mit der freien Hand meine Schlüssel und steche damit auf die Ballons ein, die jeweils einen lauten Knall von sich geben – auch der hinternförmige –, bis ich nur noch ein schlappes Sträußchen zerrissenes Gummi festhalte, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Bradley hat.

An dieser Stelle möchte ich eine kurze Zusammenfassung dessen liefern, was man wissen muss, um zu begreifen, wie Bradley sich als das ultimative Arschloch qualifiziert hat. Er und Charlotte haben sich vor zwei Jahren kennengelernt, da sie beide im selben Apartmenthaus leben. Sie gingen miteinander aus, sie verstanden sich gut, und es funkte für eine Weile gewaltig zwischen ihnen. Sie redeten davon, zusammenzuziehen. Aus diesem Grund beschlossen sie, sich im zehnten Stock eine größere Wohnung zu kaufen und sich zu verloben. Alles lief wunderbar. Bis zu dem Tag, an dem sie den Vertrag für eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern unterschreiben wollten und Bradley schon früher nach unten ging, um – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – ‚die Leitungen zu überprüfen‘. Ja, das war tatsächlich seine Begründung.

Als Charlotte mit gezücktem Kugelschreiber eintraf, vögelte Bradley die Maklerin, die sich über die Arbeitsfläche in der Küche beugte.

„Ich mochte diesen Stahltresen nie“, erklärte Charlotte, und ich war schrecklich stolz auf sie, weil sie in der Hitze des Gefechts diese geistreiche Bemerkung gemacht hatte.

Natürlich war sie in Wirklichkeit am Boden zerstört. Sie hatte den Kerl geliebt. Während sie mir die Geschichte mitsamt ihrer Bemerkung erzählte, hat sie an meiner Schulter geweint. Das ist jetzt zehn Monate her, und als Bradley schließlich der Maklerin den Laufpass gab, startete er eine Kampagne, um Charlotte zurückzugewinnen.

Mit Geschenken.

Abscheulichen Geschenken.

Ich stopfe die schlaffen Ballons in den Mülleimer an der Ecke. „Jetzt sind die Tiere vor seinem Schreckensregiment sicher.“

„Vielen Dank“, sagt sie erleichtert, während sie ein Band von ihrem Handgelenk löst, sich die Haare aus dem Gesicht streicht und sie schnell und geschickt zu einem Pferdeschwanz bindet. „Diese Dinger waren echt erbärmlich, ein pastellfarbener Albtraum. Und nachdem du sie zerstört hast, sind sie auch noch ziemlich schlaff.“

„Wie Bradley?“, erkundige ich mich mit hochgezogenen Brauen.

Sie verzieht die Lippen zu einem winzigen Lächeln, während sie sich ganz offensichtlich das Lachen verkneift. Dann bedeckt sie ihren Mund mit der Hand. Charlotte hat nie zu den Menschen gehört, die sich über ihr Liebesleben auslassen. Nie hat sie Einzelheiten über den Sex mit Bradley verraten – nicht dass ich irgendetwas darüber hätte wissen wollen. Aber sie war stets verschwiegen wie ein Grab.

Deshalb ist die Tatsache, dass sie Daumen und Zeigefinger hebt und mit den Lippen die Worte „ein wenig“ formt, eine ziemlich große Sache für sie.

Und für mich, wie sich herausstellen sollte.

Ich bin ein Mann und befinde mich darum zu jeder Zeit mit jedem anderen Mann im Wettstreit, deshalb durchläuft mich gerade zwangläufig eine Welle des Triumphs.

Aber das sehe ich nicht als Problem an.

„Komm, wir besorgen dir jetzt diesen Kaffee, und dann erzähle ich dir, warum ich mich am Telefon wie ein liebeskranker Idiot benommen habe.“

6. Kapitel

Während sie Zucker in ihre Tasse schüttet, weiten sich ihre Augen. Während sie einen Tropfen Sahne hinzufügt, verwandeln sie sich in Untertassen. Und während sie die Kaffeetasse an die Lippen führt, treten ihre Augäpfel hervor, als wollten sie ihr aus dem Kopf springen.

Als ich schließlich das Dinner morgen Abend erwähne, spuckt sie das heiße Getränk fast wieder aus.

Dann presst sie sich eine Hand auf den Bauch, hält sich die andere vor den Mund und bebt nur so vor Lachen. „Wie schaffst du es bloß, immer wieder in solche Situationen zu geraten?“

„Für gewöhnlich liegt das ja daran, dass ich so charmant und so geistreich bin, doch in diesem Fall ist wohl eher meine große Klappe dafür verantwortlich“, gebe ich mit einem Was soll ich machen?-Schulterzucken zurück. Und diesmal gibt es lediglich einen Weg aus dem Schlamassel: Ich muss mit einer Verlobten auftauchen. Was wiederum bedeutet, sie muss zustimmen. Also werde ich wieder ernst. „Machst du es? Bist du bereit, eine Woche lang so zu tun, als wärst du mit mir verlobt?“

Sie kommt aus dem Lachen nicht heraus. „Das ist deine brillante Idee? Das ist die einzige Lösung, die dir für die absurde Lage einfällt, in die du dich hineingeritten hast?“

„Ja“, erwidere ich nickend und weiche innerlich kein bisschen von meinen Plan ab. „Es ist eine tolle Idee.“

„Oh, Spencer! Das ist fantastisch! Zweifellos eine der besten Ideen, die du je gehabt hast.“ Sie lehnt sich an den Tresen mit den Sahnekännchen in diesem hippen kleinen Coffeeshop bei ihrer Wohnung. „Und wenn ich ‚beste‘ sage, meine ich ‚schlechteste‘.“

„Warum? Erklär mir mal, warum das so eine schlechte Idee ist?“

Sie nimmt sich einen Moment Zeit zum Nachdenken, streckt dann einen Finger in die Luft, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, und setzt an: „Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber du willst, dass diese vorgetäuschte Verlobung funktioniert, richtig? Du willst die Sache durchziehen?“

„Ja. Offensichtlich.“

Sie drückt den Finger gegen ihr Brustbein. „Und deine tolle Idee ist also, ausgerechnet mich zu fragen?“

„Wen sollte ich sonst fragen?“

Sie rollt mit den Augen. „Dir ist doch wohl klar, dass ich so ungefähr die schlechteste Lügnerin auf Erden bin?“

„Ich würde dich nicht als die schlechteste bezeichnen.“

Nun starrt sie mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Muss ich dich an unser erstes Jahr im College erinnern, als du und deine Freunde uns den Streich im Mädchenwohnheim gespielt habt? Wenn mich nicht alles trügt, habe ich euch dabei überrascht, weil ich mich vor dem Ende aus dem Film Wie ein einziger Tag geschlichen habe. Meine Zimmergenossinnen haben ungefähr fünf Sekunden gebraucht, um die Namen der Täter aus mir herauszubekommen.“

„Auf keinen Fall hast du so schnell ausgepackt“, widerspreche ich und trinke einen Schluck Kaffee, während ich mich an unsere gemeinsame Collegezeit erinnere. Einer meiner Kumpel ging damals mit einer von Charlottes Freundinnen. Die Kleine hatte die Fernbedienung aus einem Fenster im vierten Stock geworfen, weil sie der Meinung war, er würde zu oft vor dem Fernseher hocken. Daraufhin trommelte er ein paar von uns zusammen, um sich zu rächen und im Mädchenwohnheim einen kleinen Möbeltausch zu veranstalten. Dummerweise überraschte Charlotte uns mitten in der Aktion, deshalb verpflichtete ich sie zum Stillschweigen und versprach, dass wir nach Mitternacht alles wieder an Ort und Stelle bringen würden.

„Doch, das habe ich getan. Das habe ich zweifellos getan. Es war nicht schwer, mich zum Auspacken zu bewegen“, beharrt sie mit Nachdruck und sieht mir dabei fest in die Augen. „Sie mussten nicht mehr tun, als mich zu fragen, wer sämtliche Möbel aus dem Gemeinschaftsraum in den Waschraum gebracht hatte, und die Wahrheit dann aus mir herauszukitzeln. Hätte ich durchgehalten und mir den Film bis zum Schluss angesehen, wäre ich nicht mitten in euren Streich hineingeplatzt. Ich bin immer noch sauer auf Nicholas Sparks. Schließlich ist er schuld daran, dass ich euch verraten habe.“

„Ich verspreche dir, du musst auf keinen Fall einen Nicholas-Sparks-Film ertragen, wenn du meine Verlobte spielst. Und ich schwöre, es wird auch keine Kitzel-Folter geben, um die Wahrheit aus dir herauszukriegen.“

„Sieh mal, ich glaube nicht nur, dass die Idee vollkommen irrsinnig ist; du wirst auch mit großer Wahrscheinlichkeit auffliegen.“ Ihre Stimme wird weicher. „Du bist mir nicht egal, Spencer. Ich weiß, dass du dir die Sache mit der Verlobung ausgedacht hast, um deinem Dad zu helfen, aber warum um alles in der Welt hast du dir von allen Frauen, die du in New York kennst, ausgerechnet mich ausgesucht? Es wäre sogar klüger gewesen, sich an einen Escortservice zu wenden. Diese Frauen wissen, wie man glaubwürdig eine Verlobte spielt.“

Angesichts dieser Idee lächle ich spöttisch und lege die Hand auf ihre Schulter, wie ein Trainer, der einen unentschlossenen Spieler überreden will, sich seinem Team anzuschließen. Ich muss sie davon überzeugen, dass sie es kann. Sie kennt mich besser als irgendjemand sonst. Außerdem kann ich nicht einfach bei einem Escortservice anrufen und eine Verlobte für eine Woche bestellen. Hallo, einmal den kompletten Girlfriend-Service mit Pommes zum Mitnehmen, bitte. Erstens kenne ich keinen Escortservice. Zweitens kann nur Charlotte die Rolle der Verlobten spielen. Ich habe sie an diesem Morgen als meine Braut eingeführt. Also ist es entweder Charlotte oder niemand.

„Es würde dich nicht mal sonderlich viel Zeit kosten. Wir würden bloß gemeinsam ein paar Dinge tun – heute einen Ring aussuchen und dann morgen dieses Dinner. Du schaffst das. Wir beide gemeinsam, Babe“, sage ich, und bei meinem letzten Wort runzelt sie die Stirn.

„Nennst du mich so als deine Verlobte? Babe? Oder eher Süße? Oder ganz anders? Schnuffel? Honigbärchen? Mäuschen? Zuckersüße Zwiebelschnute?“

„Ich versichere dir, zuckersüße Zwiebelschnute wird es nicht.“

„Irgendwie mag ich zuckersüße Zwiebelschnute“, behauptet sie. Sie will mich offenbar auf den Arm nehmen … oder vermeiden, mir eine Antwort zu geben.

„Dann wird es wahrscheinlich Babe“, erkläre ich und verfolge stur mein Ziel, während sie ihren Kaffee trinkt. „Ich habe keine Ahnung, warum ich dich so genannt habe. Abgesehen von den Gründen, die klar auf der Hand liegen: Du bist einfach ein Babe.“

Sie lächelt und sagt mit ihrer sanftesten Stimme: „Vielen Dank. Du auch.“

Seht ihr? Charlotte und ich wissen einander in jeder Situation zu schätzen. Das ist eines der wichtigsten Merkmale unserer Freundschaft. Ich kann sie Babe nennen, und sie kann dasselbe mit mir tun, und wir sind einander dennoch nicht böse. Genau aus diesem Grund muss sie meine Verlobte spielen.

Ich zeige zuerst auf sie und danach auf mich, während meine Zuversicht wächst. Möglicherweise mache ich mir etwas vor. Vielleicht trügt mich mein Gefühl aber auch nicht. Die Uhr tickt unaufhaltsam dem Zwei-Uhr-Termin bei Katharine’s entgegen, wo sich für uns als Verlobte zum ersten Mal der Vorhang heben soll. „Ich sehe es so: Wir haben das schon so oft getan. Es ist unser Spiel.“ Ich höre mich an, als wollte ich sie überreden, sich der Bande anzuschließen, mit der ich in Las Vegas ein Kasino ausrauben will. „Wir sind in Übung. Ich spiele andauernd deinen Verlobten, und du tust dasselbe für mich.“

Sie kaut auf ihrer Unterlippe herum. Das wirkt geradezu lächerlich süß. Wenn sie tatsächlich meine Verlobte wäre, würde ich diese Angewohnheit vermutlich anbetungswürdig finden und sie dafür schnell zwischendurch küssen.

„Das ist höchstens mal für drei Minuten in der Bar“, stellt sie fest. „Das ist bloß wie ein Quickie zwischendurch, um uns gegenseitig vor einer unerwünschten Anmache zu schützen. Dieses Mal soll ich es allerdings eine volle Woche machen, oder? Vor kritischem Publikum? Für die Presse, für deine Eltern, für den Käufer deines Dads und für die ganze Welt? Ich denke einfach, das schreit geradezu nach Ärger.“

„Ja, aber wer kennt mich besser als du? Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch, der das durchziehen kann“, beschwöre ich sie, und während eine Gruppe neuer Gäste in den kleinen Coffeeshop strömt, verlassen wir den Laden und gehen mit unseren Bechern in der Hand zu Charlottes Wohnhaus.

„Ich würde dir gern helfen. Das weißt du. Ich glaube nur, jeder wird sofort erkennen, dass wir nicht wirklich verlobt sind, und das hilft dir nicht im Geringsten.“

Ihre Worte überzeugen mich nicht, und ich dränge weiter. „Lass uns probeweise eine Einsatzbesprechung abhalten. Immerhin soll ich dir um vierzehn Uhr einen Ring kaufen.“ Ihre Augen weiten sich, und ich rede beruhigend auf sie ein. „Wir sprechen vorher über jede Kleinigkeit, die wir wissen sollten.“

„Zum Beispiel darüber, welche Zahnpasta ich verwende und ob du die Laken zerwühlst?“

„Ich zerwühle die Laken nicht“, erkläre ich, während wir einem Ehemann und seiner Frau ausweichen, die jeweils ein Baby in einem Tragetuch herumschleppen und sich darüber streiten, wohin sie zum Brunch gehen wollen.

„Und ich benutze Crest-Zahnpasta, mit Pfefferminzgeschmack. Das Zeug, das die Zähne weiß macht“, sagt sie. „Aber ernsthaft. Niemand wird uns solche Sachen fragen. Hast du außerdem schon mal darüber nachgedacht, wie du eine ganze Woche ohne deine liebste Freizeitbeschäftigung überleben willst?“ Ihre braunen Augen funkeln boshaft.

„Ich kann durchaus enthaltsam leben.“

Sie nickt. „Rede dir das nur immer wieder ein.“ Ruckartig bleibt sie stehen und deutet mit dem Finger auf mich. „Ich meine es ernst. Wenn ich mich tatsächlich auf die Sache einlasse, machst du nach Feierabend besser nicht mit irgendeiner anderen Frau herum.“

Die Hoffnung hüpft wie wild in meiner Brust auf und ab. „Heißt das, du sagst Ja?“

Sie schüttelt den Kopf. „Noch nicht. Ich weise dich bloß auf eine andere große Hürde hin, die du überwinden musst. Die sieben Tage werden sehr laaaang für dich sein.“ Ihr Ellbogen trifft mich in die Rippen. „Wie willst du eigentlich mit der Tatsache umgehen, dass du dich noch vor ein paar Wochen praktisch in aller Öffentlichkeit mit einer anderen getroffen hast? Wie willst du das deinem Dad und seinem Käufer erklären? Und was ist mit der Frau, die du vor einem Monat in Miami bei der Restauranteröffnung getroffen hast?“

Mit einer lässigen Handbewegung mache ich klar, dass ich der Meister der Ausreden bin. „Überlass das dem Experten. Falls das Gespräch auf die Promi-Trainerin kommt, werde ich einfach alles abstreiten. Was in den Klatschmagazinen steht, glaubt sowieso niemand. Und die Sache in Miami war nur ein gestelltes Foto in aller Freundschaft. Abgesehen davon habe ich schon eine perfekte Geschichte dazu erfunden, wie wir uns ineinander verliebt haben. Ich habe meinem Dad erzählt, es sei sehr schnell gegangen. Innerhalb weniger Wochen, und dann hätte ich dir gestern Abend einen Antrag gemacht, weil ich nach all den Jahren plötzlich begriffen habe, dass ich schon die ganze Zeit in dich verliebt gewesen bin.“

„Die ganze Zeit?“ Sie zieht eine Braue hoch.

Lässig zucke ich mit den Schultern. „Die ganze verdammte Zeit. Es ist Hals über Kopf passiert. Auf einmal dämmerte mir, was ich wirklich empfinde, und ich fiel auf die Knie, um dich zu der Meinen zu machen.“

Für eine Weile bleibt sie stumm, öffnet nur ihre Lippen, und ich starre ihren Mund länger als sonst an. Sie hat echt schöne Lippen. Ich meine, wenn man sie mit denen anderer Frauen vergleicht. Als ihr falscher Verlobter ist es gut, wenn ich über all ihre besonderen Merkmale im Bilde bin, und ihre Lippen gehören dazu.

Vorausgesetzt, sie stimmt zu. Noch hat sie nicht Ja gesagt.

„Das ist eine süße Geschichte“, entgegnet sie mit fester Stimme, während wir an der Ecke ihres Wohnblocks stehen und uns unverwandt ansehen. „Eine echte Aus Freunden werden Geliebte-Romanze?“

„Ja“, stimme ich rasch zu und wende den Blick ab, weil Augenkontakt in diesem Moment etwas schwierig für mich ist. Ich habe keine Ahnung, warum es sich so seltsam anfühlt, ob es an unseren Worten liegt oder an der Art, wie sie mich anschaut.

Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt seltsam fühle.

Wir gehen weiter, und sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Kaffee. Dann richtet sie sich kerzengerade auf und atmet tief durch. Ich drücke fest die Daumen, dass sie sich darauf vorbereitet, zuzustimmen.

„Ich würde dir gern helfen, aber …“, beginnt sie, und ihre Stimme erstirbt.

Mir zieht sich der Magen zusammen. Schlimmer als die verschrumpelten Luftballons. Und ich bekomme keine Luft mehr. Ich werde meinem Dad sagen müssen, dass unsere Verlobungszeit vorbei ist, bevor sie richtig begonnen hat. Ich werde den Kopf hängen lassen und die eine oder andere Träne verdrücken und behaupten müssen, Charlotte habe mich verlassen und mir das Herz gebrochen.

„Mist“, murmelt sie vor sich hin. „Idiot in Sicht.“

Es ist das totale Arschloch höchstpersönlich. Bradley - „Nimm sie gleich am Küchentresen“ Buckingham kommt auf uns zu. Er hasst mich. Nicht dass es mich auch nur im Geringsten interessiert, aber er verabscheut mich, weil ich die Frechheit besessen habe, Charlotte davon abzuraten, zusammen mit ihm ein Apartment zu kaufen. In finanzieller Hinsicht ergab es keinen Sinn, gemeinsam in dieses Gebäude zu investieren, während andere Objekte in der Gegend viel schneller an Wert gewannen.

Mit seinen etwa eins dreiundachtzig ist er fünf Zentimeter kleiner als ich. Er hat rotblonde Haare, ausladende Schultern und das breite Grinsen eines Staubsaugervertreters. Er ist stellvertretender Leiter für Unternehmenskommunikation bei einem großen Pharmaunternehmen, das ständig unter Beschuss steht. König der Wortverdreher. Meister der Lügner. Captain Abschaum.

„Charlotte!“, ruft er und winkt ihr zu. „Hast du die Ballons bekommen?“

Er bleibt neben uns stehen und beachtet mich nicht.

„Sie haben nicht in den Fahrstuhl gepasst, aber das ist im Grunde auch egal. Du musst endlich aufhören, mir Geschenke zu schicken. Es ist aus zwischen uns. Wirklich“, erklärt sie, nimmt meine freie Hand und verschränkt unsere Finger miteinander, was mich extrem verwundert, denn sie hält nicht gern Händchen. „Ich bin jetzt mit Spencer verlobt.“

Wow.

Die Überraschung, dass sie meine Hand hält, ist aber nichts verglichen mit der, die als Nächstes kommt.

Sie wirft mit ihrem Kaffeebecher nach Bradley. Und im nächsten Moment schlingt sie die Arme um meinen Nacken und presst die Lippen auf meinen Mund.

7. Kapitel

Charlotte küsst mich.

In New York, mitten auf der Straße.

Ihre Lippen liegen auf meinen.

Sie schmeckt fantastisch.

Nach Sahne und Zucker und Kaffee und Anmut. Wie alle guten Dinge dieser Erde. Genau, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Nicht dass ich tatsächlich darüber nachgedacht hätte, meine beste Freundin zu küssen.

Aber Männer können manchmal nichts dagegen tun, dass ihre Gedanken hierhin und dorthin schweifen. Denn seht mal, Leute: Jeder Mann, der mit einer Frau befreundet ist, hat sich schon vorgestellt, mit ihr erst über die Kuss-Allee zu spazieren, dann über die Straße der Liebenden und schließlich die Sex-Avenue.

Jene Orte, die ich in meinem Kopf besuchen werde, wenn sie noch länger mit ihren Lippen auf diese tastende, flirrende Art über meinen Mund streicht. Weil es immer schwieriger wird, an irgendetwas anderes zu denken als daran, die Vereinigung unserer Lippen zu vertiefen.

Viel schwieriger.

Sie stößt einen unendlich leisen Ton hervor – so etwas wie einen Seufzer oder ein Keuchen oder ein Stöhnen, das nur fast eines ist, aber nicht ganz. Wenn sie das noch einmal tut, werde ich sie gegen die schiefergraue Klinkerwand ihres Wohnhauses drängen, ihr mit meinem Körper jeden Ausweg versperren, mit meinen Händen über ihre Seiten streichen und das hier in einen Vollkörperkuss verwandeln.

Weil sie viel verführerischer ist, als es gut für sie ist.

Als es gut für mich ist.

Sie gibt meine Lippen frei.

Mein Ständer kapiert nicht, dass es Zeit ist, sich zu entspannen. Er zeigt immer noch in ihre Richtung und will mehr. Ich suche Zuflucht bei meinem bewährten Stimmungskiller und stelle mir verschwitzte Basketballspieler vor. Tatsächlich senkt sich meine Latte aber erst, als Charlotte ein teuflisch zufriedenes Grinsen in Bradleys Richtung schickt.

Während Charlotte damit beschäftigt war, mich mitten auf der Lexington Avenue halb zu verschlingen, hat Bradleys Kinnlade fast den Boden erreicht.

Sehr gut!

„Wir haben uns gestern Abend verlobt. Ich könnte nicht glücklicher sein“, erzählt sie, kuschelt sich an mich und schlingt einen Arm um meine Taille.

Er versucht, etwas zu sagen, doch es kommen nur Luftblasen aus seinem Mund.

Oh, das hier ist unbezahlbar. Ich starre hinunter auf meine Schuhe. Jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt zum Feixen. Ich schwöre, ich habe kein verdammt breites Grinsen im Gesicht. Ich bin bloß ein unbeteiligter Anwesender, der soeben die Lippen einer Göttin zu spüren bekommen hat.

„Und wie ich schon sagte: Es wäre großartig, wenn du aufhören könntest, mich mit Luftballons und Teddybären und Kirschen mit Schokoüberzug zu belästigen“, sagt Charlotte, und ich füge im Stillen ein verächtliches Schnauben hinzu. Charlotte hasst Kirschen in Schokolade. Wie ist es möglich, dass er das nicht weiß?

„Ich mag das Zeug nicht mal“, teilt sie Bradley mit, während sie ihren Arm noch ein wenig fester um meine Taille legt. So fest, dass es mir für den Bruchteil einer Sekunde erscheint, als … als wollte sie meine Bauchmuskeln ertasten.

Was nicht im Entferntesten ein Problem ist. Diese steinharten Muskeln sind einzig und allein zu Ihrem Vergnügen da, Mylady.

„Ich hatte keine Ahnung, dass zwischen euch beiden was läuft“, meint Bradley. Als ich aufblicke, sehe ich, wie es in seinem Kopf arbeitet. „War das die ganze Zeit so?“

Charlottes Miene verwandelt sich in einen Ausdruck vollkommenen Entsetzens, während sie ihn mit offenem Mund anstarrt. „Was hast du eben gesagt?“

Er hat promoviert. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber gerade eben hat er den Titel Dr. Arschloch errungen.

Es ist an der Zeit, mich einzumischen.

„Nein, Bradley. Es ist noch ganz frisch. Es ist gerade erst passiert“, erkläre ich und sehe ihn dabei fest an. „Um ehrlich zu sein, bin ich dir zu großem Dank verpflichtet. Wenn du den Küchentresen nicht diesem Qualitätstest unterzogen hättest, hätten wir vielleicht niemals die Chance bekommen, zusammen zu sein. Also vielen Dank dafür, dass du eine tolle Sache mit der wunderbarsten Frau der Welt in den Sand gesetzt hast. Denn nun gehört sie mir.“ Und um seine Kinnlade noch mal zum Runterklappen zu bringen, reiße ich Charlotte nach Höhlenmenschenart an mich, beuge sie nach hinten und küsse sie auf den Mund.

Sekunden später ziehe ich sie wieder hoch, winke ihrem Ex zum Abschied zu und führe sie ins Gebäude.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie schockierter über das ist, was er gerade gesagt hat, oder über das, was ich getan habe, oder über ihre eigene spontane Entscheidung. Sobald wir im Fahrstuhl stehen, wendet sie sich mir jedoch zu und zuckt fröhlich mit den Schultern. „Sieht so aus, als würde ich für nächste Woche deine Verlobte spielen. Die Phantom-Geliebte, die aus dem Nichts auftaucht. Wir müssen um zwei einen Ring kaufen, und ich erwarte eine umfassende Einsatzbesprechung von dir.“

Es gibt andere Einsätze, über die ich im Moment gern reden würde. Aber so wird es auch gehen.

Meine besten Leistungen vollbringe ich im Schlafzimmer. Das ist meine Domäne. Deshalb sollte es auch keine große Sache sein, dass Charlotte mich bittet, hier zu warten. Doch irgendetwas macht mich verrückt daran, in Charlottes Schlafzimmer zu sein.

Vor allem, weil ganz in der Nähe Nacktheit die Luft zum Vibrieren bringt.

Sie duscht. Und, ganz gleich wie sie geschnitten sind, Apartments in New York sind winzig. Um es deutlich auszusprechen: Höchstens drei Meter von mir entfernt befindet sich eine nasse, nackte, heiße Frau.

Versteht ihr? Okay. Wenden wir uns anderen Dingen zu.

Ich nehme einen Bilderrahmen mit einem Foto vom Hund ihrer Eltern von ihrer himmelblauen Kommode. Es ist ein flauschiger, brauner Mischlingshund – ein bisschen von dieser Rasse und ein bisschen von jener. Ich werde mich auf diesen Köter konzentrieren. Meine volle Aufmerksamkeit auf ihn richten. Seine Rute betrachten. Seine Ohren mustern. Hurra, das Foto leistet mir gute Dienste. Es hilft mir, nicht an die nackte Frau zu denken und daran, wie gut sie küssen kann.

Oder wie sehr es mir gefallen hat.

Warum hat es mir so gut gefallen, verdammt noch mal?

Natürlich hat es mir gefallen, was bin ich bloß für ein Idiot! Schließlich bin ich ein Mann – und wenn ein Mann von einer schönen Frau geküsst wird, wäre er blöd, wenn es ihm nicht gefiele. Punkt. Das hat nicht das Geringste zu bedeuten. Schluss mit der Grübelei.

Ganz besonders, weil sie gerade die Dusche abgedreht hat.

Vielleicht hat sie vergessen, ein Handtuch mitzunehmen. Vielleicht macht sie gleich die Tür einen Spaltbreit auf, um mich zu bitten, ihr eines zu reichen.

Ich schlage die Hand gegen meine Stirn. Reiß dich zusammen, Holiday!

Ich stelle das Bild zurück, atme tief ein und straffe meine Schultern. Die Tür öffnet sich mit einem Knarren. Sie kommt aus dem Bad, bekleidet mit nicht mehr als einem winzigen, weißen Handtuch, dessen Ecken sie über ihren Brüsten verschlungen hat.

„Wahrscheinlich wunderst du dich, dass ich dich hier in meinem Schlafzimmer warten lasse und nicht im Wohnzimmer“, sagt sie in einem höchst sachlichen Tonfall.

Ich kann nicht begreifen, wie sie reden kann, als ginge es zwischen uns um eine geschäftliche Vereinbarung, während Wassertropfen an ihren nackten Beinen herunterrinnen. Aber ich bin ein starker Mann. Ich kann damit umgehen. Meine beste Freundin kann mich nicht in Versuchung führen. Mein Schwanz allerdings ist da ganz anderer Meinung, dieser Verräter.

„Die Frage ist mir kurz durch den Kopf gehuscht“, gebe ich zu, während ich mich gegen die Kommode lehne, verzweifelt um eine lässige Haltung bemüht.

„Wenn du angeblich mit mir verlobt bist, sollte mein nackter Körper dir vertraut sein“, entgegnet sie mit einem knappen Nicken.

Verdammt, sie wird es tun. Gleich wird sie das Handtuch fallen lassen. Sie wird probeweise mit mir vögeln. Ich bin der glücklichste Mann auf Erden.

Stopp! Nein! Ich kann meine beste Freundin nicht vögeln. Auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen kann ich Charlotte ficken. Nicht mal, wenn sie das Handtuch auf den Boden wirft und mich darum bittet.

Ich verschränke die Finger hinter dem Rücken und presse meine zuckenden Hände fest zusammen.

„Okay, dann werde ich dich also gleich nackt sehen.“ Ich gebe mein Bestes, cool zu klingen, was mich große Mühe kostet.

„Nein. Es geht um die Vorstellung von meiner Nacktheit“, korrigiert sie mich.

Ich mustere sie genau. „Die Realität und die Fantasie scheinen mir identisch zu sein.“

„Sehr gut. Sie sind ein und dasselbe, und das gehört zu unseren Vorbereitungen.“

„Soll das hier der Prüfungsteil sein?“

Sie geht an mir vorbei, und ihr Arm streift meinen, bevor sie die oberste Schublade der Kommode aufzieht. „Ja. Es ist aber eher eine praktische Übung, so wie ein Experiment im Labor.“

„Und wir tun das, weil du aus irgendeinem Grund glaubst, dass wir uns zusammen nackt vor Mr. Offerman zeigen müssen, um die Sache durchzuziehen? Es handelt sich nicht um eine gespielte Verlobung in einer Realityshow, bei der wir auf einem Hindernisparcours zusammen Aufgaben lösen müssen. Das ist dir klar, oder?“

Sie nickt und wühlt weiter in der Schublade herum. „Das weiß ich. Ich betrachte es eher als eine Art Newlywed Game – du weißt schon, diese Show, in der Jungverheiratete beweisen müssen, wie gut sie einander kennen.“

„Und in unserer Version der Show werden wir darüber befragt, wie vertraut ich mit dem Gedanken an deine Nacktheit bin und umgekehrt?“

Als ich „und umgekehrt“ sage, schnappt sie kurz nach Luft.

Ich weiß nicht, was ich von diesem leisen, doch hörbaren Einatmen halten soll … ob es irgendeine Bedeutung in Bezug auf die Vorstellung von meinem nackten Körper hat.

Sie wirbelt herum und hält zwei Slips hoch, einen in jeder Hand. „Schnell. Stehst du darauf, wenn deine Verlobte einen schwarzen String trägt?“ Sie wedelt mit einem Stückchen seidig glänzendem Stoff herum, und mir schießt Hitze ins Gesicht. Kann es sein, dass mein Kopf in Flammen steht, weil Charlotte so etwas Heißes besitzt? „Oder siehst du sie lieber in einem weißen Side-String-Bikinihöschen?“ Nun schwenkt sie ein weißes Höschen vor meinem Gesicht herum, und ich sehe nicht viel mehr als ein winziges Stoffdreieck, das ziemlich durchsichtig ist.

Die Flammen waren noch gar nichts. Da ich nun weiß, dass sie auch so etwas in ihrer Schublade liegen hat, tobt in mir ein verdammtes Inferno. Weiße Höschen, die fast alles verraten.

Der Herr sei mir gnädig.

Würde ich mit einer Frau ausgehen, die solche Slips trägt, hätte sie sie nicht lange an. Ich würde sie ihr mit den Zähnen ausziehen. Ohne irgendetwas anderes tun zu können, starre ich ihre Dessous an, während mein Blut langsam den Siedepunkt erreicht.

Charlotte legt den Kopf schief und sieht mich erwartungsvoll an. „Welches Höschen gefällt dir an deiner Verlobten besser?“

Noch immer bin ich damit beschäftigt, mein Blut dazu zu bringen, aus anderen Körperteilen wieder in mein Gehirn zurückzufließen.

„Gar keins“, erwidere ich schließlich. Das war als witzige Bemerkung gedacht, aber meine Kehle ist trocken und kratzig, und deshalb kommen die Worte als raues Brummen aus meinem Mund.

Vollkommen unbeeindruckt zieht sie eine Braue hoch. „Gar keins? Wirklich? Na gut.“ Sie dreht sich um, stopft die Unterwäsche zurück in die Kommode, schnappt sich einen BH und lässt die Schublade sanft zugleiten. „Das macht die Dinge einfacher. Ich bin gleich wieder da.“

Spielerisch berührt sie meine Schulter mit dem Zeigefinger, reißt den Kleiderschrank auf, zieht irgendetwas von einem Bügel und geht damit ins Bad. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hat, sinke ich aufs Bett und atme tief aus. Dann stütze ich den Kopf in die Hände. Was für eine Art von Test sollte das sein, verdammt noch mal? Falls ich jemals heldenmütig einer Versuchung widerstanden habe, dann gerade eben.

Mir bleibt keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn schon zwanzig Sekunden später öffnet sie die Badezimmertür und fragt: „Nun, was denkst du?“

Zu einem schwarzen, seidigen Tanktop trägt sie einen knallroten Rock, der bis zu ihren Knien reicht und um ihre Beine schwingt, als sie sich umdreht. „Nimmst du mich so mit zum Ringekaufen?“

Ich deute auf die Mitte ihres Körpers, die untere Mitte. „Hast du wirklich keine Unterwäsche an?“

Ihre Augen funkeln übermütig. „Mein Verlobter hat mir gesagt, er bevorzugt mich in …“ Sie tritt näher an mich heran, legt eine Hand auf meine Schulter und bringt ihre Lippen ganz dicht an mein Ohr, um mir zuzuflüstern: „… nichts.“

Und jetzt, Ladies und Gentlemen, steht mein Schwanz ganz offiziell vor meiner besten Freundin stramm, der fleischgewordenen Versuchung ohne Unterwäsche. Sie verschwindet noch einmal in ihrem Wandschrank, taucht mit einem Paar schwarzer High Heels wieder auf und schlüpft hinein.

Ich glaube, ich muss sterben.

Ihre Beine sind unglaublich heiß, und das Wissen, dass all die Herrlichkeit dort, wo ihre Schenkel zusammentreffen, nackt ist, wird mich in den Wahnsinn treiben. Wie ein Schaufelbagger zerwühle ich mit den Händen meine Haare. „Okay, du hast den ersten Machtkampf gewonnen.“ Ich marschiere hinüber zur Kommode, öffne die oberste Schublade, greife nach dem Bikinihöschen und schwenke es wie eine weiße Flagge. „Ich ergebe mich.“

Sie runzelt die Stirn. „So leicht gibst du auf? Ich dachte, du brauchst mich und willst, dass ich deine Verlobte spiele.“

„Das tue ich auch. Auf jeden Fall tue ich das. Aber du kannst nicht ohne Unterwäsche das Haus verlassen. Du kannst nicht vollkommen nackt unter deinem Rock in New York herumlaufen. Zieh das hier an.“ Ich werfe ihr das Höschen zu.

Um ihre Lippen zuckt ein Grinsen. Ihre Mundwinkel scheinen auf und ab zu tanzen. Ich könnte schwören, ihre Augen sagen so etwas wie: Habe ich es dir nicht gesagt?

Ich zeige ihr meine Handflächen. „Okay, Cheshire-Katze. Welchen Kanarienvogel hast du gefressen?“

In einer Hand das Höschen, packt sie mich mit der anderen am Arm und zieht mich mit sich ins Bad. Dort deutet sie auf den Spiegel. Sie hat mit rotem Lippenstift etwas darauf geschrieben. Spencer wird wollen, dass ich das weiße Bikinihöschen trage.

Ich lache los – tiefe, laute Gluckser steigen von ganz weit unten in mir auf. Ich deute mit dem Finger auf sie. „Und du hast behauptet, du seist keine gute Lügnerin.“

Mit offenem Mund legt sie eine Hand auf die Brust. „Ich habe nicht gelogen. Es ist die Wahrheit, niedergeschrieben mit rotem Lippenstift vor zwei Minuten. Und ich hatte recht. Gib es zu.“

„Du hast mich manipuliert.“

„Nein, ich habe mir selbst bewiesen, dass ich es durchziehen kann, deine Verlobte zu spielen“, erklärt sie mit einem verschmitzten Lächeln und stößt mich mit der Seite an. In ihren Augen funkelt eine Mischung aus Stolz und Vergnügen. „Ich wollte herausfinden, ob wir einander gut kennen.“ Nach einer kleinen Pause fährt sie mit gesenkter Stimme fort: „Auch intim kennen.“

Dann steigt sie in ihr Höschen.

Vor meinen Augen.

In ihren High Heels.

Erst über eine Fessel, dann über die andere, danach gleitet es verführerisch an ihren glatten, kräftigen Beinen hinauf. Meine Blicke folgen ihm unablässig. Auch wenn ich es gewollt hätte: Ich hätte nicht wegsehen können. Allmählich sehe ich ein und akzeptiere, dass ich während der kommenden Woche noch häufiger als sonst mit einem Ständer in der Öffentlichkeit herumlaufen werde. Ich nehme an, das ist normal, nicht wahr? Welcher Mann aus Fleisch und Blut könnte direkt neben einer wunderschönen Frau stehen, die sich ein durchsichtiges …?

Mein Gehirn bringt keine Sätze mehr zustande. Ich schlucke trocken.

Inzwischen ist das Höschen über ihre Knie gerutscht und gleitet nun an ihren Schenkeln aufwärts. Auf dem Weg zu ihrem nackten …

„Schließ die Augen“, flüstert sie.

Und weil ich ein Gentleman bin, gehorche ich. Hinter meinen Lidern tanzen schwarze und silberne Sterne, aber ich stelle mir alles vor, was ich in diesem Moment nicht sehen kann. Ja! Eine Taschenrakete, vierundzwanzig Stunden am Tag. Ich finde mich mit dem Dauerständer ab. Dagegen kann man nichts tun. Es hat keinen Zweck, sich zu wehren.

„Du kannst sie wieder aufmachen“, sagt sie, und ich tue es. Sie deutet auf den Toilettendeckel. „Setz dich, Partner. Lass uns eine Einsatzbesprechung abhalten, während ich mich kämme und schminke.“

8. Kapitel

Wir besprechen die wichtigsten Punkte.

Sie zieht dem Partner die Decke weg, ich schlafe nackt. Sie benutzt nicht gern gleichzeitig mit jemandem das Waschbecken; mir ist es vollkommen egal, wenn der andere die Zahnpasta ausspuckt, während ich noch bürste. Sie besitzt mehr als zwei Dutzend verschiedene Lotionen vom Body Shop und benutzt an jedem Wochentag eine andere.

„Offensichtlich benutze ich keine Lotion“, erkläre ich und deute auf den silberfarbenen Korb, der bis zum Rand mit Orangenblüte, Honig-Vanille, Coconut Island und jeder anderen Körperpeeling-Sorte unter der Sonne gefüllt ist. „Und noch einmal: Ich glaube nicht, dass irgendjemand uns darüber befragen wird, ob ich weiß, welche Lotion du verwendest.“

„Das ist mir klar.“ Sie stöpselt den Föhn ein. „Es geht mir einfach um das Gefühl, dass wir all diese Dinge übereinander wissen, denn so ist es glaubwürdiger, dass wir verlobt sind. Zum Beispiel brauche ich fünf Minuten, um mir die Haare zu trocknen.“

Ich setze die Stoppuhr an meinem Handy in Gang und lese ein Kapitel in einem Thriller, während sie sich die Haare föhnt. Irgendetwas an dieser Situation fühlt sich sehr intim an. Als wären wir wirklich ein Paar und ich würde auf meine Frau warten, die sich zum Ausgehen fertig macht.

Hm.

Möglicherweise, weil genau das hier passiert.

Abgesehen von der Tatsache, dass wir kein echtes Paar sind.

Als der Summer ertönt, ist sie fertig, also schiebe ich das Handy in meine Tasche. Nachdem sie das Kabel des Föhns aufgewickelt hat, schnippt sie mit den Fingern. „Wir haben etwas Wichtiges vergessen.“

„Und was soll das sein?“

„Woher wussten wir es?“

„Woher wussten wir was?“

„Na, dass wir verliebt sind.“ Sie sagt es in einem so süßen, überzeugenden Ton, dass mein Kopf für eine Sekunde ganz leer ist. Ich vergesse, dass wir nur üben, gehe in Gedanken in der Zeit zurück und versuche, den Zeitpunkt zu bestimmen. Dann holt mich die Wirklichkeit ein, und ich muss über mich selbst lachen. Wir sind nicht verliebt. Wir tun bloß so. Während wir ihr Badezimmer verlassen, sage ich ihr, was ich meinem Dad an diesem Morgen dazu erzählt habe, wie wir zusammengekommen sind.

„Das ist nicht genug“, stellt sie fest. Auf dem kurzen Weg in die winzige Küche klappern ihre Absätze über den Hartholzboden.

„Warum nicht?“, erkundige ich mich. Während sie einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank holt, nehme ich zwei Gläser aus dem Schrank. Mit ihrem Eistee ist sie sehr eigen. Sie macht ihn selbst mit diesen Teebeuteln von Peets, die sie bei Amazon bestellt, weil es in New York keinen Peets-Laden gibt.

„Wir brauchen mehr Details“, sagt sie, nachdem sie einen Schluck genommen hat. „Ich wette, Mr. Offermans Töchter würden als Erste eine Lüge wittern. Mädchen sind in so etwas gut, und wenn seine Töchter etwas ahnen, berichten sie es garantiert ihrem Daddy. Wir müssen vollkommen sicher sein. Also, es passierte eines Abend in der Bar, als wir plötzlich bemerkten, dass wir aufeinander stehen, richtig?“

„Ja. Erst vor ein paar Wochen. Es ging alles sehr schnell.“

„Aber wie fing es an? Ganz genau? Was gab den Anstoß zu unserer Romanze?“

„Charlotte – es war mein Dad, dem ich die Geschichte erzählt habe. Er hat nicht gefragt.“

„Aber Frauen werden fragen.“ Sie hebt die Hand und wackelt mit ihrem nackten Finger. „Wenn ich erst einen Ring trage, werden alle Frauen ihn bewundern und in allen Einzelheiten wissen wollen, wie wir uns ineinander verliebt haben. Wahrscheinlich morgen beim Dinner. Wir brauchen eine Geschichte“, erklärt sie nachdrücklich und geht in der kleinen Küche auf und ab. Dann leuchten ihre Augen freudig auf. „Ich hab’s! Eines Donnerstagabends im Lucky Spot saßen wir nach Feierabend bei einem Glas Wein zusammen. Du hast einen Scherz darüber gemacht, dass alle denken, wir seien ein Paar, und ich habe gesagt: ‚Vielleicht sollten wir eins sein.‘ Und daraufhin entstand in unserer Unterhaltung eine peinliche Pause.“ Ihre Stimme wird immer weicher, während sie an jene schicksalhafte Nacht zurückdenkt, die es gar nicht gegeben hat.

Ich fahre fort und übernehme den nächsten Teil unserer erfundenen Liebesgeschichte. „Nur dass es gar nicht peinlich war. Es war schlicht und einfach richtig.“ Ich werfe ihr das liebestrunkenste Lächeln zu, das ich draufhabe. „Und wir haben endlich zugegeben, dass wir Gefühle füreinander haben.“

„Und der Kuss, der dann kam, war der heißeste aller Zeiten. Offensichtlich.“

„Nicht bloß der heißeste Kuss“, bemerke ich spöttisch. „Wir hatten den heißesten Sex auf Erden.“ Damit erhöhe ich den Einsatz um einiges.

Sie errötet und leert schweigend ihr Glas. Ich trinke ebenfalls meinen Eistee und stelle anschließend unsere beiden Gläser in die Geschirrspülmaschine. Dabei achte ich darauf, sie ordentlich nebeneinander im oberen Korb zu platzieren, so wie es ihr gefällt.

„Um es nicht zu kompliziert zu machen, sollten wir erzählen, dass du mir gestern Abend in der Bar einen Antrag gemacht hast, weil dort alles angefangen hat. Du hast es getan, nachdem alle anderen gegangen waren. Und zwar bist du auf ein Knie niedergesunken und hast gesagt, du könntest nicht mal warten, bis du mir einen Ring besorgt hast, weil du willst, dass ich auf der Stelle zu dir gehöre.“

„Perfekt. Das gefällt mir. Leicht zu merken.“ Ich schließe den Geschirrspüler und sehe sie an.

Der Ausdruck in ihren braunen Augen ist sanft und süß. „Spencer. Vielen Dank.“

Ich betrachte sie, als würde ich an ihrem Verstand zweifeln. „Weil ich die Gläser in die Maschine gestellt habe?“

„Nein. Weil du bei alldem hier mitspielst.“ Ihre Handbewegung umfasst den Rest des Apartments. „Ich habe dich regelrecht auf den Prüfstand gestellt. Es ging nicht anders, weil ich wissen musste, ob wir diese Sache wirklich gemeinsam durchziehen können.“

„Weißt du es jetzt? Denkst du, wir sind auf dem richtigen Weg, damit du demnächst Mrs. Holiday wirst?“

Sie lacht. „Das ist komisch. Diese beiden Worte werden wir nie wieder in einem Atemzug ausgesprochen hören“, meint sie und streicht mir geistesabwesend über den Arm, während wir die Küche verlassen. „Du bist der typische ewige Single.“

Ich nicke bestätigend. Der geborene Playboy. Zu hundert Prozent ein Single, der Abwechslung liebt. Ein freiheitsliebender Vogel, den man möglichst nicht versuchen sollte einzufangen. „Genau!“

Sie greift nach ihrer Handtasche, die auf dem Wohnzimmertisch liegt. „Warte. Nur noch ein einziger Test.“

„Du willst mich durch einen weiteren Reifen springen lassen? Nicht zu fassen! Du bist unglaublich.“

„Ich finde nicht, dass es so eine Herkulesarbeit war, mir ein Höschen auszusuchen“, erklärt sie verschnupft. „Aber wie auch immer, dieser Test ist für mich. Es geht mir darum, herauszufinden, ob ich tatsächlich bereit bin, den Laden deines Dads zu betreten und unseren ersten öffentlichen Auftritt als Mr. Holiday und seine zukünftige Frau hinzulegen.“

Ich verschränke die Arme vor der Brust und warte, was sie als Nächstes tun wird.

Sie schaut mir direkt in die Augen, die Lippen zu einem Strich zusammengekniffen, die Miene bitterernst. „Du musst versuchen, die Wahrheit aus mir herauszukitzeln.“

Skeptisch ziehe ich die Brauen hoch. „Im Ernst?“

Sie nickt. „Unbedingt. Du weißt, das ist meine Schwachstelle.“ Mit diesen Worten geht sie zu ihrer hellgrauen Couch und lässt sich mitten in das Meer aus blauen, roten und violetten Kissen fallen. Sie liebt die Farben von Edelsteinen. Als sie da so quer auf den Kissen liegt, breiten sich ihre goldblonden Haare wie ein Fächer auf königsblauem Untergrund aus. „Tu es“, befiehlt sie. „Ich muss wissen, ob ich nicht doch klein beigebe. Ich muss mir selbst beweisen, dass sogar die Kitzel-Folter mich nicht dazu bringt, die Geheimnisse meines besten Freundes preiszugeben.“

Ich öffne die Knöpfe an meinen Manschetten und krempele die Hemdsärmel bis zu den Unterarmen hoch.

„Mach es mir auf keinen Fall zu leicht“, mahnt sie mich.

„Das würde mir auch nicht ähnlich sehen.“

„Bring mich zum Schreien. Es muss eine echte Tortur sein. Sorge dafür, dass ich am liebsten aufgeben möchte. Nur so können wir herausfinden, ob ich wirklich in der Lage bin, diese Scharade die ganze nächste Woche durchzustehen.“

Ich hebe beide Hände und halte kurz inne. „Dazu kann ich nur eins sagen: Mach dich auf einiges gefasst, zuckersüße Zwiebelschnute!“

Die kurze Strecke bis zur Couch lege ich im Laufschritt zurück und gebe anschließend mein Bestes. Ich kann beim Kitzeln ziemlich grausam sein und bin sehr hartnäckig, wenn ich etwas erreichen will. Obwohl es Charlotte ist, habe ich nicht vor, es ihr leicht zu machen. Ich bohre meine Finger in ihr Fleisch und kitzle sie an der Taille. Innerhalb einer Nanosekunde fängt sie an, sich zu winden.

„Gib es zu: Du bist eigentlich nicht mit Spencer Holiday verlobt.“ Ich bemühe mich, so zu klingen, als würde ich sie einem strengen Kreuzverhör unterziehen.

„Ich schwöre, ich werde ihn heiraten!“, kreischt sie, als ich sie noch heftiger kitzle.

„Ich glaube dir nicht. Sag die Wahrheit. Es ist alles nur gespielt. Er hat dich dazu gezwungen.“

Während sie sich wie verrückt krümmt und versucht, mir zu entkommen, quietscht sie laut. Unkontrolliertes Lachen durchläuft ihren Körper. „Ich bin schon seit einer Ewigkeit verrückt nach ihm.“

„Ich glaube dir kein Wort“, belle ich, während ich ihre Hüften bearbeite. Sie windet sich wie ein Aal, um meinen Händen auszuweichen. Gleichzeitig gräbt sie sich tief in die Kissen ein, damit ich sie nicht mehr erreiche. Aber ich bin stark und halte sie mühelos fest. Jetzt kitzle ich an ihren Seiten aufwärts, und sie bäumt sich so wild auf, dass ihr Rücken fast zu einem umgedrehten U wird.

„O mein Gott, nein!“

Du lieber Himmel. Das kann man schon fast nicht mehr als kitzlig bezeichnen. Sie ist vollkommen außer sich. Ihr Gesicht ist verzerrt, ihre Nase gekräuselt und ihr Mund weit geöffnet, während sie hemmungslos lacht.

„Warum? Warum bist du verrückt nach ihm?“, will ich wissen und gebe alles, um sie zur Aufgabe zu zwingen, indem ich mich ihren Rippen widme. Reflexartig zieht sie ein Knie an und will mich dadurch stoppen, dass sie es mir in den Bauch rammt. Ich fange ihr Bein ab, und ihre Kniescheibe streift meine Hüfte. Es tut nicht mal weh.

„Weil …“, stößt sie atemlos hervor, während meine Finger sich rasch an ihren Seiten hinaufbewegen, „… er mich zum Lachen bringt.“

Jetzt bin ich in der Nähe ihrer Achselhöhlen. „Und warum noch?“

„Weil er mir die Tür aufhält.“ Beim letzten Wort überschlägt sich ihre Stimme, denn ich habe offenbar ihre kitzligste Stelle erreicht.

„Noch ein Grund“, fordere ich, während ich sie mit meinem ganzen Körper festhalte. Mein Unterleib drückt sie in die Kissen, und eines ihrer Beine ist zwischen meinen Schenkeln gefangen.

Ihr Lachen erstirbt abrupt, und ihre Augen weiten sich. „Er ist riesig“, flüstert sie.

Für ein paar Sekunden sind wir beide still. Dann nicke ich zufrieden und beende die Folter. „Du hast deine Loyalität bewiesen.“

Ich sehe zu ihr hinunter. Ihr wirres Haar kringelt sich um ihren Kopf, ihr schwarzes Tanktop hat sich nach oben geschoben und enthüllt einige Zentimeter weicher Haut, ihr Atem geht heftig. Dies ist der Moment, in dem ich sie freigeben sollte. Das sollte ich wirklich tun. Sie windet sich nicht mehr unter mir. Sie wehrt sich nicht gegen mich. Ich sollte sie loslassen, ihr beim Aufstehen helfen und mit ihr den Ring kaufen gehen.

Aber ihr Blick hat sich verändert. Noch nie habe ich sie so gesehen. Verletzlichkeit flackert in ihren Augen auf. „Wir sollten üben“, sagt sie mit sanfter Stimme, und ihre Worte tanzen wie Schneeflocken durch die Luft.

„Üben?“, wiederhole ich, denn obwohl ich mir ziemlich sicher bin, was sie meint, will ich nicht von irgendwelchen Annahmen ausgehen.

Ihre Lippen öffnen sich, und sie lässt ihre Zunge über die Oberlippe gleiten. „Das, was wir auf der Straße getan haben. Damit es überzeugend wirkt.“

„Gehört küssen zu unserer Darbietung?“

Sie nickt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Paar, das sich gerade verlobt hat, nicht während des Dinners morgen mindestens einmal küsst. Es würde glaubwürdiger wirken, findest du nicht? Es sollte nicht aussehen, als täten wir es zum ersten Mal.“

„Stimmt. Wie in den Filmen, in denen ein Mann und eine Frau sich ein Hotelzimmer teilen müssen, und sie tun so, als wären sie ein Paar, und dann sagt der Hotelbesitzer beim Dinner: ‚Küssen Sie das Mädchen!‘ So etwas meinst du, nicht wahr?“

Sie lächelt mich von unten an und knabbert auf ihrer Unterlippe herum, wie sie es im Coffeeshop getan hat. Zu jenem Zeitpunkt habe ich dem Impuls widerstanden, ihr einen schnellen Kuss zu geben. Jetzt leiste ich keinen Widerstand mehr. Ich presse meinen Mund auf diese Stelle und küsse sie.

Es ist ein sanfter Kuss.

Ich ziehe mich wieder zurück. Ihre Brust hebt und senkt sich. Der Ausdruck in ihren Augen ist wild und ungezügelt.

„Ist es das, was du wolltest?“, erkundige ich mich.

„Nein.“

„Was möchtest du dann?“

„Einen richtigen Kuss. Ich möchte wissen, wie mein Verlobter küsst. Nicht nur bei einem flüchtigen Kuss auf der Straße.“

„Einen richtigen Kuss. Bist du dir sicher?“

„Ja. Warum sollte ich mir nicht sicher sein? Du kannst doch gut küssen, oder?“ Sie schlägt die Hand vor den Mund. „O mein Gott. Das ist es. Du küsst auf irgendeine abartige Weise“, sagt sie, während sie die Hand sinken lässt.

„Jetzt hast du gerade dafür gesorgt, dass ich dir ausführlich das Gegenteil beweisen werde. Denn ich verspreche dir, ich werde dich auf genau die Art küssen, auf die du geküsst werden solltest.“

„Welche Art ist das?“

Ich sehe ihr ins Gesicht, schiebe mich gegen ihren Oberschenkel, sodass sie mich besser fühlen kann, und sage dann: „Bei einem richtigen Kuss solltest du feucht werden.“

Sie schnappt nach Luft, als ich ihren Mund verschließe und dadurch den leisen Ton von ihren Lippen küsse.

Bei unserem ersten Kuss hat sie bestimmt. Auf der Straße überfiel sie mich auf wunderbare Weise aus dem Hinterhalt, aber dieser Kuss ist meiner.

Ich kontrolliere, was geschieht. Ich übernehme die Führung. Und ich will sie reizen. Um sie wieder dazu zu bringen, sich unter mir zu winden, aber dieses Mal vor Verlangen. Es ist an der Zeit, dass sie sich unter mir bewegt, um sich fester an mich zu pressen, nicht, um sich zu befreien. Ich streiche mit der Zunge über ihre Lippen, und sie öffnet sie für mich, lädt mich ein, den Kuss zu vertiefen. Ich kümmere mich nicht um ihre Wünsche. Stattdessen lasse ich meinen Mund über ihr Kinn wandern, liebkose ihre weiche Haut, bevor ich mich zu ihrem Ohr bewege. Sie schmeckt wunderbar, nach Sonnenschein und Kirschen. Das ist vielleicht die Creme, die sie vor ein paar Minuten aufgetragen hat, vielleicht ist es aber auch ihr natürlicher Duft. Ganz egal, es treibt mich in den Wahnsinn. Während ich meinen Weg zu ihrer Ohrmuschel fortsetze, summt es in meinen Knochen vor lauter Begehren. Ich lasse meine Zunge gegen ihr Ohrläppchen schnalzen, und sie stöhnt auf.

„Ohhhh.“

Es ist nicht das Geräusch, das sie auf der Straße gemacht hat. Es ist lauter. Es klingt freier. Es ist ungezügelt.

Und es gefällt mir, verdammt noch mal.

Sie drückt ihre Hüften gegen mich, versucht, mir näher zu kommen.

Rasch streife ich sie mit einem Blick, sehe ihre geschlossenen Augen, ihre erhitzten Wangen, ihre tiefroten Lippen. Sie ist das Stück Schokoladentorte direkt vor meiner Nase, das ich aufessen muss. Jeden Krümel. Jetzt. Bis zum letzten Bissen.

Ich vergrabe meine Hände in ihrem Haar, und die Strähnen ergießen sich in einem goldenen Wirrwarr über meine Finger. Als ich diese fantastische Fülle spüre, kann ich nicht anders, als daran zu ziehen. Im gleichen Moment atmet sie tief und zischend ein, und ihr Atemzug endet in einem leisen Stöhnen. Ich umfasse ihren Kopf, halte ihn so, wie ich ihn brauche.

Als ich zu ihrem Mund zurückkehre, ist Schluss mit dem Necken und Spielen.

Stattdessen drehe ich richtig auf.

Werde viel intensiver.

Küsse sie hart.

Verschlinge sie.

Unsere Zungen wickeln sich umeinander, unsere Zähne stoßen gegeneinander, und ich schwöre, sie schmilzt dahin, unter mir, dicht bei mir, in mich hinein. In meinen Adern tanzt die Lust, mein Schwanz ist stahlhart, in mir dreht sich alles nur noch um eines – einen Kuss, der dafür sorgt, dass sie feucht wird.

Es kostet mich meine gesamte Selbstbeherrschung, meine Hand nicht über ihren Schenkel und unter ihren Rock zu schieben, sie nicht über das weiße, durchsichtige Bikinihöschen gleiten zu lassen. Aber ich muss sie nicht berühren, um festzustellen, dass sie über alle Maßen erregt ist. Ich weiß es wegen der leisen Töne, die sie hervorstößt, wegen der Art, wie sie die Arme um meinen Nacken schlingt und ihre Finger in meinen Haaren vergräbt. Vor allem aber ist die Art, wie sie versucht, mit mir zu verschmelzen, eine Bestätigung für mich. Ihre Hüften zucken, winden sich, suchen mich, und für einen kurzen Moment verliere ich die Beherrschung.

Mit einer raschen Bewegung schiebe ich mich zwischen ihre Schenkel und stoße einmal gegen sie. Ein erotischer Aufschrei entschlüpft ihren Lippen, ihre Hände suchen nach meinem Hintern. Mein Widerstand bricht erneut zusammen, als sie ihre Beine für mich öffnet, mir Platz schafft und mich einlädt, sie auf dieser Couch auf diese Weise bis zum Orgasmus zu bringen.

Zur Hölle, nur zu gern käme ich dieser Bitte nach. Wenn ich es tue, wird sie innerhalb weniger Sekunden die Beine um meine Hüften schlingen, und ich werde sie vögeln wollen. Ob Freunde oder Fremde, wie könnte ich sie nicht wollen? Sie ist heiß, sie ist bereit, und sie verzehrt sich danach.

Ich möchte ihr dieses Höschen ausziehen und in ihrer Hitze versinken.

Aber sie ist meine beste Freundin, und ich darf das nicht tun.

Aus irgendeinem Grund übernimmt meine Vernunft das Kommando und reißt auch die Kontrolle über meinen Schwanz an sich.

Ich unterbreche den Kuss, springe auf und stehe einen Augenblick später neben ihr. Ich brauche frische Luft. Ich brauche Platz. Wenn ich auch nur eine Sekunde länger bleibe, werde ich zu weit gehen, und ich will nicht, dass sie von dem Kampf erfährt, den ich eben mit mir selbst ausgefochten habe. Ich biete ein ziemlich überzeugendes, lässiges Schulterzucken dar und sage dann: „Ich muss dich nicht mal fragen, ob du dabei feucht geworden bist.“

Sie blinzelt.

Sie mustert mich mit spöttischem Blick.

Sie richtet sich kerzengerade auf, strafft ihre Schultern. „Das würdest du wohl gern wissen, du eingebildeter Bastard“, sagt sie, während sie ihren Rock glatt streicht und zurechtzupft und dann das Gleiche mit ihrem Oberteil tut.

Es ist ein peinlicher Moment. Wir waren dicht vor einem Trockenfick, doch nun werfen wir uns gegenseitig verletzende Bemerkungen an den Kopf, und ich bin immer noch so erregt, dass es wehtut. Das darf nicht wieder passieren. Wir haben den Test durchgeführt; sie wird sich nicht unbehaglich fühlen, wenn sie so tut, als wären wir ein Paar, und genau darum ging es. The show must go on.

Und es ist eine Familienshow. Kein verdammter Porno.

Sie steht auf und verschwindet um die Ecke in ihrem Schlafzimmer, während ich die Pause nutze, um mich zu beruhigen, tief durchzuatmen und mir einen Umkleideraum voller haariger Männer vorzustellen.

Verdammt, ich könnte kotzen.

Aber es funktioniert. Meine Erektion fällt in sich zusammen.

Sie kommt zurück, und als sie sich vorbeugt, um nach ihrer Handtasche zu greifen, stelle ich zwangsläufig fest, dass sie nun den schwarzen Seidenstring trägt.

Ich wende den Kopf ab, damit das Grinsen in meinem Gesicht nicht verrät, was für ein eingebildeter, dominanter Bastard ich bin.

9. Kapitel

„Wie steht es eigentlich für die Mets?“

Als sich in ihrem Stockwerk die Fahrstuhltür öffnet, gebe ich der Unterhaltung eine Richtung, die von unseren Übungen auf ihrer Couch wegführt. Von der definitiv letzten Übung. Keine Kuss-Proben mehr. Zu gefährlich.

„In dieser Saison läuft es gut“, bemerkt sie und schiebt den Trageriemen ihrer Tasche höher auf ihre Schulter. So ganz scheint sie sich noch nicht auf den Themenwechsel einlassen zu wollen.

„So ist es meistens, wenn man gute Werfer hat.“ Ich drücke den Knopf für die Lobby und überlege, wann wir uns zuletzt über Baseball unterhalten haben, um einen peinlichen Augenblick zu überspielen. Sie ist ein Hardcore-Fan, nicht zuletzt, weil sie am Computer in der Fantasy-Baseball-League alle Gegner ihrer Lieblingsmannschaft vernichtet. Ich habe ihr schon oft gesagt, sie könne ja Managerin der Mets werden, falls unsere Bar mal nicht mehr laufe, doch dann lacht sie immer nur und erklärt mir, Baseball sei ihre Liebe und die wolle sie reinhalten.

In diesem Moment ist diese Liebe nicht rein. Sie ist eine verdammte Metapher für eine unangenehme Situation. „Machst du immer noch alle anderen Mannschaften mit deiner Aufstellung platt?“

Sie wendet sich mir zu und sieht mich mit ihren braunen Augen sehr ernst an. „Als ich vorhin sagte, keine Dates in dieser Woche, meinte ich das ernst. Ich muss wissen, dass du dich daran hältst. Auch nach Feierabend.“

Das war es dann also mit dem Baseball-Quatsch.

„Natürlich“, erwidere ich hastig, ziehe an meiner Krawatte und tue beleidigt. „Ich kann nicht glauben, dass du denkst, ich könnte nicht eine Woche ohne Sex auskommen.“

Während sich der Fahrstuhl nach unten bewegt, schüttelt sie den Kopf. „Es mag dir blöd vorkommen, weil es bloß eine vorgetäuschte Beziehung ist. Aber nach der Sache mit Bradley …“

„Charlotte, ich schwöre es. Die nächste Woche werde ich keusch wie ein Mönch leben.“ Ich hebe drei Finger. „Großes Pfadfinderehrenwort.“

„Du warst nie bei den Pfadfindern.“

„Das stimmt. Trotzdem betrüge ich nicht – weder in falschen noch in echten Beziehungen.“

Sie zieht eine Braue hoch. „Hattest du jemals eine echte Beziehung?“

„Sicher. Mit ‚echt‘ meinst du die Art von Beziehung, bei der ich ihren Nachnamen kenne, richtig?“, scherze ich.

Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Lass mich die Sache genauer definieren. Hattest du jemals eine Beziehung, die länger als zwei Wochen dauerte?“

Ich schnaube verächtlich. „Vierzehn Tage! Was glaubst du denn?“

„Amanda aus dem College zählt nicht.“

„Warum nicht? Ich bin vier Monate mit ihr ausgegangen. Und ja, ich hatte solche Beziehungen“, behaupte ich, obwohl ich sehr sicher bin, dass das nicht der Fall war. Doch meine Fähigkeit, mich für längere Zeit auf etwas einzulassen, ist hier nicht das Thema. Es geht darum, ob mein Schwanz serielle Monogamie praktiziert. „Ich werde während der nächsten Woche meine Hosen geschlossen lassen, wie ich es gesagt habe. Und da wir schon beim Thema sind: Dasselbe gilt für dich.“

„Darüber musst du dir nun wirklich nicht die geringsten Gedanken machen.“

„Soll das heißen, du würdest dich dadurch kein bisschen eingeengt fühlen?“, erkundige ich mich, als der Fahrstuhl in der Lobby hält.

„Ich wüsste nicht, weshalb.“ Ihr Ton klingt spöttisch.

„Sind für die kommende Woche keine heißen Dates geplant?“

Sie hebt die Hände und streckt alle zehn Finger in die Luft. „Bei mir ist es zehn Monate her“, erklärt sie mit scharfer Stimme, während die Fahrstuhltüren auseinandergleiten.

Wir durchqueren die Halle und treten hinaus auf die Lexington, wo das Taxi, das ich bestellt habe, auf uns wartet. Ich öffne ihr die Tür, und sie rutscht auf dem Rücksitz zur anderen Seite. Nachdem ich ebenfalls eingestiegen bin, schnallen wir uns an. Jetzt fühlt sich zwischen uns alles ganz normal an, als hätten wir den Tunnel der Peinlichkeiten verlassen und wären nun einfach wieder wir selbst.

„Du meinst, zehn Monate ohne Beziehung.“ Ich weiß, dass sie seit ihrer Trennung keine Bindung eingegangen ist. Aber als ich nun darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sie auch keine Dates erwähnt hat. Obwohl sie nicht mit ihren Eroberungen zu prahlen pflegt, hätte sie es doch sicher erwähnt, wenn ein Date besonders gut gelaufen wäre.

Sie schüttelt den Kopf. „Keine Beziehung. Keine Dates. Kein Kuss. Nichts.“

Zehn Monate ohne Sex. Das ist eine Ewigkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals zehn Tage geschafft habe. Vielleicht im äußersten Fall vierzehn, doch das sind schlappe zwei Wochen. Dann muss sie ihr Sexspielzeug ja ziemlich malträtieren …

Verdammt. Jetzt stelle ich mir Charlotte mit einem violetten Vibrator vor, die Beine gespreizt, eine Hand am zehnstufigen Geschwindigkeitsregler, heftig atmend.

Einen herzlichen Dank an meine Fantasie, die mir dieses herrliche Bild in den Kopf gepflanzt hat, sodass ich zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig bin.

Es gibt Tage, an denen ich mich frage, wie Männer überhaupt irgendetwas geregelt bekommen, wo sie doch die ganze Zeit an Sex denken. Tatsächlich weiß ich nicht, wie Männer irgendwann und irgendwie auch nur eine einzige Sache tun können. Es ist ein Wunder, dass es uns gelingt, unsere Schuhe zuzubinden und uns zu kämmen.

Dann kommt mir die Erleuchtung. Dieser Kuss auf ihrer Couch. Der Kuss auf der Straße. Das waren für sie die ersten Küsse seit fast einem Jahr. Meine Küsse. Es macht mich irgendwie glücklich, dass ich der erste Mann bin, den sie nach einer so langen Zeit geküsst hat. Obwohl es Blödsinn ist, dass ich mich darüber freue. Es ergibt auch keinen Sinn, dass mich in Bezug auf Charlotte so etwas wie Eifersucht erfasst. Ich will nicht, dass jemand anders sie küsst.

Nicht während der nächsten Woche, meine ich natürlich.

Einzig und allein darum geht es bei meiner Eifersucht.

„Übrigens“, sagt sie, als der Wagen vor dem Laden anhält, „wie endet es?“

„Wir?“

Sie nickt. „Die falsche Verlobung.“

„Ich schätze, es wird zu einer falschen Trennung kommen“, antworte ich, obwohl ich über das Ende dieser Geschichte noch nicht nachgedacht habe. Wahrscheinlich, weil ich nicht mal den Anfang ausgearbeitet hatte. Das ist alles sehr spontan abgelaufen.

„Ende der Woche?“, erkundigt sie sich, als wir vor den schimmernden Glastüren der New Yorker Institution stehen, die zu meinem Leben gehören, seit ich denken kann.

„Genau, eine richtige falsche Trennung“, betone ich, bevor ich ihr den Ring kaufe, mit dem wir unsere Abmachung besiegeln werden. Einen Ring, der ein Verfallsdatum hat, ebenso wie die falsche Beziehung, deren Ende wir gerade geplant haben.

Das echte Ende.

Dinge, die ich in der nächsten Stunde bei Katharine’s über Charlotte lerne:

Sie hält gern Händchen.

Sie legt gern den Arm um meine Taille.

Sie fährt mir gern mit den Fingern durchs Haar.

Sie stellt sich ziemlich geschickt darin an, so zu tun, als ob. Es ist höchst beeindruckend, wie sie das Method-Acting beherrscht.

Sie beweist außerdem einen sehr guten Geschmack und sucht sich einen Zweikaräter mit Princess-Schliff und Platinfassung aus. „Das ist der Ring, den ich mir immer gewünscht habe“, erklärt sie Nina, der Assistentin meines Dads, und ich schwöre, Charlotte wird gleich in einer Wolke des Glücks davonschweben. Diese Frau klingt höchst überzeugend, genau wie eine errötende Braut.

Nina lächelt strahlend. Sie ist groß, trägt eine elegante Seidenbluse sowie einen grauen Rock und hat ihre braunen Haare zu einem Dutt hochgesteckt. „Dann wollen wir dafür sorgen, dass er Ihnen perfekt passt.“ Sie verschwindet mit dem Ring hinten im Laden, um die Größe anpassen zu lassen.

„Du bist ein Vollprofi“, sage ich, sobald Nina außer Hörweite ist. Charlotte wedelt lässig mit der Hand. „Nein, ernsthaft! Du wirst demnächst einen Oscar für die Rolle der glücklichen Verlobten bekommen.“

Sie streicht mit den Fingerspitzen über eine der Glasvitrinen und zuckt mit den Schultern, als wäre ihre Darbietung keine große Sache. „Ich mag Diamanten. Das macht es einfach für mich.“

„Aha. Das hier ist also die ehrliche Charlotte in Aktion? Und die ehrliche Charlotte liebt Schmuck?“

Sie nickt. „Die ehrliche Charlotte steht auf Princess-Schliff und Platin. Als meine Freundin Kristen sich vergangenes Jahr verlobte, habe ich mich schrecklich für sie gefreut und konnte nicht aufhören, ihren Princess-Schliff-Diamanten anzustarren. Er ist wunderschön, aber noch viel wichtiger finde ich, wie glücklich sie ist und wie verliebt. Die Begeisterung für einen Verlobungsring muss ich nicht spielen“, meint sie und sieht mich an. In ihren Augen erkenne ich Aufrichtigkeit – in diesem Moment sind diese braunen Augen vollkommen arglos.

Der Gedanke, verlobt zu sein, gefällt ihr. Vielleicht nicht mit mir. Aber grundsätzlich.

Diese Erkenntnis ist fast zu viel für mich. Ich muss mich mit einem Witz retten. „Wie wäre es denn mit einem Ring für den kleinen Finger? Was, wenn ich dir einen Goldring für den kleinen Finger mit einem riesigen Stein kaufen wollte? Würde das zu deinem Stil passen?“

Sie beugt sich zu mir herüber und wackelt mit den Brauen. „Danke für den Hinweis, Schnuffel. Jetzt weiß ich endlich, was ich dir zur Hochzeit schenken werde.“

Nina kommt zurück und erklärt uns, der Ring werde in fünfzehn Minuten fertig sein.

„Vielen Dank. Ich kann es kaum erwarten“, erwidert Charlotte, und jetzt weiß ich, dass sie es auch so meint. Sie sagt Nina fast die Wahrheit.

Aber ich lüge und fühle mich deshalb ziemlich mies. Ich kenne Nina seit Jahren; sie war sogar unser Babysitter, als Harper und ich noch klein waren. Mein Dad stellte sie als seine erste Verkäuferin ein, als Katharine’s als kleiner Laden abseits der Park Avenue eröffnet wurde. Über die Jahre arbeitete sie sich zur Vizepräsidentin der internationalen Ladenkette hoch, die inzwischen aus der einen Filiale entstanden ist. Mein Vater pflegt zu sagen, dass Nina und meine Mutter ihn in den vergangenen dreißig Jahren bei seinen bedeutendsten geschäftlichen Entscheidungen beraten haben. Sie sind seine wichtigsten Ratgeberinnen.

„Ich freue mich so für euch beide und bin besonders froh, dass Sie die Frau sind, die ihn dazu gebracht hat, endlich eine ernste Beziehung einzugehen“, meint Nina zu Charlotte, die den Blick abwendet. Nina lehnt sich seitlich gegen eine Vitrine mit diamantenen Tennisarmbändern, wendet sich mir zu und tätschelt sanft meinen Arm. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du heiraten willst.“

„Ich muss mich sogar selbst kneifen, um festzustellen, dass es tatsächlich wahr ist.“ Zum Beweis bohre ich die Nägel in meinen Unterarm und gebe mein Bestes, das nagende Schuldgefühl zu ignorieren. Ich darf nicht zulassen, dass die Lüge mich so belastet. Es ist für einen guten Zweck, und niemand wird verletzt. Davon abgesehen bin ich nicht der erste Typ in der Weltgeschichte, der eine Verlobte braucht. Punkt.

„Es kommt mir wie gestern vor, dass du ein fünfjähriger Wildfang warst.“ In Ninas Augen schimmert schwärmerische Nostalgie.

„Ich kann nicht glauben, dass mein Dad mir, dem fünfjährigen Wildfang, tatsächlich erlaubt hat, in den Laden zu kommen“, entgegne ich und denke an all die Stunden, die ich in diesem vornehmen Schuppen verbracht habe. Ich kenne diesen Ort in- und auswendig. Fünf Stockwerke voller Glanz, Glamour und Vollkommenheit. Hinter schimmernden Glastüren und auf Marmorsockeln funkeln Diamanten, und der burgunderfarbene Teppich ist so dick und weich, dass man sich darauf zusammenrollen und schlafen möchte.

Oder darauf im Kreis herumrennen, wie ich es als Kind getan habe.

„Du warst so aufgedreht“, sagt Nina und droht mir mit dem Finger. Sie lächelt, und dabei entstehen um ihre grauen Augen herum lauter Fältchen.

„Wie wild war er denn genau?“, erkundigt sich Charlotte. In ihrer Stimme schwingt belustigte Neugier mit. Sie wirft mir einen raschen Seitenblick zu, und mir ist klar, was sie tut: Sie sammelt Munition, um mich in einem unerwarteten Moment aufzuziehen.

Während sie antwortet, lacht Nina fröhlich vor sich hin. „Der kleine Spencer war ziemlich anstrengend. Einmal, als seine Mutter verreist war, um Verwandte zu besuchen, brachte sein Vater ihn eine Stunde vor der Öffnungszeit in den Laden, und dieser kleine Teufelsbraten fing sofort an, wie verrückt zwischen allen Vitrinen herumzurennen“, erzählt sie und zeigt den verschlungenen Weg mit der Hand.

Ich zucke zusammen, und Charlotte kichert. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen.“

„Ach, das war nur der Anfang der Verwüstung, die er hier angerichtet hat. Während einer seiner Marathonrunden durch den Laden hat er eine Vitrine mit Rubinen umgeworfen. Später zog er den Samtstoff aus einem der Schaukästen und legte ihn sich als Cape um die Schultern“, berichtet Nina weiter.

Charlottes Lippen zucken.

„Aber …“ Nina kneift die Augen zusammen und hebt einen Finger. „Ich fand eine Lösung.“

„Narkosemittel?“, fragt Charlotte scherzhaft und drückt meine Hand.

Ich stöhne lautlos, denn ich weiß, was jetzt kommt.

„Oh, es wäre toll gewesen, wenn er ein Nickerchen gemacht hätte, während sein Dad mit seinen Meetings beschäftigt war. Stattdessen ging ich zur Tierhandlung am Ende des Blocks, kaufte eine Hundeleine und befestigte sie an den Gürtelschlaufen seiner Cordhose.“

Charlottes Hand zuckt nach oben zu ihrem Mund, während ich die Stirn in meine Handfläche sinken lasse. Da ist sie wieder, die Geschichte, die mich wohl bis an mein Lebensende verfolgen wird. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Hundeleine oder die Cordhose.

„Sie haben ihn an einer Hundeleine durchs Geschäft geführt?“ Charlotte macht nach jedem Wort eine kleine Pause, und in ihrer Stimme schwingt Erstaunen mit.

Nina nickt, stolz auf ihre Lösung. Sie klopft auf die Seite ihres Schenkels, als würde sie einem Hund ein Kommando erteilen, dann pfeift sie leise. „Bei Fuß, Junge.“ Ein unterdrücktes Lachen lässt ihren Körper erbeben. „Es gefiel ihm. Er hat es hingenommen wie ein kleiner Cockerspaniel.“

„Erstaunlich. Fast so, als hätte er in sich ein bisschen was von einem Hund, das nur darauf wartet, zum Vorschein zu kommen.“ Amüsiert schüttelt Charlotte den Kopf.

Ich rolle mit den Augen, während die Frauen weiterhin ihre Scherze machen.

„Aber ist es nicht bei allen so? Bei Männern, meine ich“, sagt Nina.

Charlotte nickt. „Gut, dass ich Hunde mag.“

„Außerdem musste ich ihn entweder an die Leine legen oder riskieren, dass der kleine Teufelsbraten alle Schmuckvitrinen zerbricht. Im Laufe der Jahre hat er sich aber weiterentwickelt. Auf positive Weise.“ Nina tätschelt mir die Wange. „Und jetzt wird er noch reifer, nicht wahr?“, wendet sie sich an Charlotte, die schluckt und sich zu verspannen scheint. Ihre Augen weiten sich, und ich erstarre.

Verdammt.

Jetzt passiert es.

Dies ist der Moment, in dem Charlotte droht, an unserer Lüge zu ersticken.

„Meinen Sie nicht?“ Nina drängt Charlotte, die immer noch vollkommen starr ist, zu einer Erwiderung.

Ihre Wangen röten sich, und sie ist offensichtlich dicht davor, die Wahrheit auszuspucken. Sie in einem riesigen, umfangreichen Geständnis herauszulassen verziert mit einer weißen Schleife der Lächerlichkeit. Sie mag bei der Juwelenwahl eine gute Darbietung abgeliefert haben, aber das war für ihr funkelndes, Diamanten liebendes Herz einfach. Das hier ist der schwierige Teil, und das merkt man. Oh Mist, man sieht es an der Panik in ihren Augen.

Ihre Lippen bewegen sich, doch aus ihrem Mund dringt kein Laut. Ich drücke ihre Hand, um sie daran zu erinnern, dass sie etwas sagen muss. Aber wenn sie nicht in der Lage ist, Worte zu formen, muss ich für sie einspringen. Irgendwie bringt sie ein nervöses Lächeln zustande, dann zwinkert sie Nina zu und antwortet schließlich: „Tatsächlich ist er immer noch ein Teufelsbraten. Falls bei Ihnen irgendwo noch diese Leine herumliegt: Ich könnte sie gut gebrauchen.“

Kichernd wirft Nina den Kopf in den Nacken. Sie legt die Hand auf Charlottes Arm und flüstert: „Oh, wie es mir gefällt, wenn frisch Verlobte sich gegenseitig aufziehen!“ Dann entschuldigt sie sich, um nach dem Ring zu sehen.

Charlotte wirft mir einen prüfenden Blick zu. „Du dachtest, ich würde uns auffliegen lassen, stimmt’s?“

Ich zeige einen winzigen Abstand mit Daumen und Zeigefinger. „Du warst so dicht davor, nicht wahr?“

Sie zieht eine Braue hoch. „Vielleicht wollte ich dir bloß einen Schreck einjagen.“

„Was für eine böse Frau du bist“, sage ich und starre sie mit zusammengekniffenen Augen an.

Sie lässt ihre Finger an meinem Arm nach oben tanzen. „Oder vielleicht wollte ich auch bloß noch etwas länger das fantastische Bild von dir an einer Leine vor mir sehen.“ Jetzt wirkt sie wie eine Katze, die nicht nur den Kanarienvogel verspeist hat, sondern die ganze verdammte Vogelfamilie. „Dir ist doch wohl klar, dass das die beste Munition war, die sie mir jemals hätte liefern können. Die Geschichte von Spencer an der Hundeleine. Aber es wurde noch besser, als sie dich als Cockerspaniel bezeichnet hat.“ Ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem Grinsen, das eindeutig sagen soll: Jetzt hab ich dich.

„Was soll ich dazu sagen? Ich nehme an, ich war schon damals ein Hund.“ Wenigstens kann ich wieder normal atmen.

„Gefällt dir das immer noch? An der Leine geführt zu werden?“, stachelt sie mich an.

„Ist das deine Art mich zu fragen, ob ich bei perversen, schmutzigen Spielen mitmache?“

„Nein. Es ist meine Art, zu fragen, über welchen Zeitraum sich diese Geschichte hingezogen hat. Wenn ich sie in der Bar erwähne oder Nick, Kristen oder deiner Schwester gegenüber, wenn wir mit ihnen ausgehen, möchte ich nichts Falsches behaupten.“ Sie tut, als würde sie einen Hund ausführen.

Aber so stelle ich mir die Sache nicht vor. Überhaupt nicht. Nur damit sie erfährt, wie ich derartige Szenen gern spiele, beuge ich mich zu ihr hinunter, streiche ihr die Haare von der Schulter und flüstere: „Wenn irgendjemand gefesselt wird, dann du. Und zwar nicht mit einer Hundeleine. Es wird ein Halstuch sein oder Strümpfe oder dieser schwarze, verdammt heiße String, den du angezogen hättest, weil ich dafür sorgen würde, dass du so feucht wirst, dass du dich umziehen musst. Ich würde ihn um deine Handgelenke wickeln, sehr schön fest, und sie anschließend hinter deinem Rücken festhalten, bis du mich anbettelst, dich zu berühren.“

Ihr Atem stockt.

Sie zittert, ein Schauer durchläuft ihren Körper. Schließlich packt sie die Vorderseite meines Hemds und zerrt mit den Fingerspitzen an einem Knopf. Verdammte Scheiße … Ihr gefällt der Gedanke, gefesselt zu werden. Ich spüre es in der Luft. An der Art, wie die Protonen und Elektronen summen. An der sexuellen Energie, die ihr Körper verströmt.

Ich atme tief ein.

Es riecht chemisch.

Und ich habe keinen Schimmer, was ich damit anfangen soll.

Ich weiß nicht mal, warum ich das eben gesagt habe, weil ich nicht daran denken darf, sie zu vögeln, ganz zu schweigen davon, sie zu fesseln.

Zum Glück taucht Nina wenige Momente später mit dem Ring auf. „Ein Eilauftrag für meine ganz besonderen Kunden“, sagt sie lächelnd. Charlotte streckt ihre Hand aus, und ich schiebe den Diamanten auf ihren Ringfinger. Dabei begegnen sich unsere Blicke für eine Sekunde. Ich versuche, in ihren Augen zu lesen, um herauszufinden, ob ihr das hier ebenso surreal vorkommt wie mir – mir, dem New Yorker Playboy, der einer Frau einen Ring ansteckt.

Selbst wenn es nur für kurze Zeit ist.

Vielleicht ist das für sie ebenso seltsam.

Während ich ihr Gesicht mustere, erkenne ich zunächst an ihrer ernsten Miene nicht, wie es sich für sie anfühlt, zum ersten Mal einen Verlobungsring zu tragen. Dann bemerke ich, wie ein Schleier der Traurigkeit sie einzuhüllen scheint. Mein Herz gerät ins Schlingern, und es wird mir klar: Sie erinnert sich daran, dass sie sich vor zehn Monaten beinahe mit einem Mann verlobt hätte, der ihr schließlich das Herz gebrochen hat.

Es ist gut, dass ich sie niemals dazu bringen werde, so dreinzublicken, denn ich habe nicht die Macht, sie derart zu verletzen.

Ich drücke ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, reiche meine Platin-Kreditkarte über den Tresen und bezahle fast zehntausend Dollar für einen Ring. Als wir an diesem Abend zur Arbeit gehen, trägt sie ihn nicht.

10. Kapitel

Am nächsten Nachmittag beobachte ich, wie ein kleiner weißer Ball hoch in die Luft steigt und dann mit einem Plopp etwa fünf Meter entfernt auf dem Kunstrasen landet.

„Du nervst, Mann“, teile ich Nick mit.

„Das ist mir klar.“

Er greift nach einem neuen Ball, legt ihn aufs Tee und schwingt den Schläger. Der Ball fliegt so verdammt hoch, dass er fast die obere Kante des schwarzen Netzes berührt, bevor er auf das lange, schmale Green klatscht, welches sich unter uns wie ein Kai am Hudson River erstreckt. Direkt neben der Driving Range liegen zwei weiße Kreuzfahrtschiffe vor Anker, und über uns ist nichts als der blaue Himmel. Wir sind am Chelsea Pier, wo Nick an seiner Technik arbeitet.

„Es tut mir leid, dir das mitteilen zu müssen, aber ich bezweifle, dass dein neuer Boss von deinem Abschlag furchtbar beeindruckt sein wird. Vielleicht kannst du ihn überreden, stattdessen mit uns Softball zu spielen.“

Er schnaubt. „Das ist höchst unwahrscheinlich. Der Mann ist besessen von Golf. Man erzählt sich, dass er unter den Drehbuchautoren und Produzenten seine Lieblinge hat und denen, die auf dem Golfplatz mit ihm mithalten, bessere Sendeplätze gibt.“

„Das ist verrückt. Wenn es stimmt, musst du die Schulter weniger einsetzen. Mehr Hüfte“, erkläre ich ihm. Ich spiele seit der Highschool Golf, rede aber nicht viel darüber. Das klingt mir zu versnobt. Oder zu alt. Doch wenn es meinem Freund hilft, krame ich für ihn das gute alte Golflehrbuch hervor.

Nick hebt den Kopf und starrt mich durch seine modische schwarze Sonnenbrille an, während ihm das braune Haar in die Stirn fällt. „Wage es nicht, mir die Hände auf die Hüften zu legen, um es mir zu zeigen.“

Ich pruste los und hebe ergeben die Hände. „Das wird nie passieren. Verlass dich darauf“, verspreche ich ihm und mache Platz für seinen nächsten Versuch.

Dieses Mal klappt es besser, und der Ball beschreibt einen schönen Bogen.

„Na bitte“, sage ich. „Schreib das in deine nächste Folge. Mr. Orgasms Freund bewahrt ihn davor, sich vor seinem Boss mit seinem Abschlag zum Deppen zu machen.“

Nick Hammer ist in der Fernsehwelt ein Rockstar. In der Highschool war er ein stummer Nerd, der ständig über seinem Notebook hing und schmutzige Comics zeichnete, die er im Internet veröffentlichte. Zehn Jahre später entstand mithilfe seines Talents und seines Konzepts eine animierte TV-Show: Die Abenteuer des Mr. Orgasm, eine urkomische und höchst anzügliche Sendung, die am späten Abend auf dem Kabelsender Comedy Nation läuft. Im Mittelpunkt steht eine Zeichentrickfigur, ein Held mit Umhang, der den Frauen dieser Welt orgasmische Freuden schenkt. Höchstwahrscheinlich hat sich Nick zu Highschool-Zeiten in einen solchen Typen hineingeträumt. Heute gleicht sein Leben seiner Kunst und umgekehrt. Er hat immer noch eine zurückhaltende Seite, doch die Frauen bemerken ihn. Seit unseren Tagen als Teenager trainiert er mit Gewichten, auf den Oberarmen trägt er selbst entworfene Tattoos, und inzwischen hat er auch den Mut gefunden, mit dem anderen Geschlecht zu reden. Das Ergebnis? Reine Magie. Der Mann hat stets mehrere Frauen gleichzeitig am Start, und ich vermute, seine Brille und sein bescheidenes Ich war mal ein Nerd jetzt bin ich ein Star-Auftreten sind sehr hilfreich im Umgang mit Frauen.

„Und wie genau kommen in der Handlung, die du vorschlägst, die Höhepunkt ins Spiel?“, erkundigt er sich trocken.

Achselzuckend klopfe ich ihm auf die Schulter. „Keine Ahnung. Aus ebendiesem Grund bist du der Autor, mein Freund. Es ist dein Job, dir auszudenken, wie die Ohs in die Sendung kommen. Da wir gerade von der Handlung sprechen: Ich brauche etwas Hilfe bei einer bestimmten Frage.“ Jetzt komme ich zu dem Grund für den Umweg, den ich an diesem Nachmittag auf mich genommen habe, um ihn zu treffen.

Er legt den Golfschläger weg und krümmt den Zeigefinger. „Man nennt es G-Punkt. Du findest ihn im Körper der Frau. Wenn du ihn im richtigen Winkel triffst, kommt sie heftiger als jemals zuvor. Sonst noch Fragen?“

Ich tue so, als würde ich als Soundtrack für seine Pointe einen Trommelwirbel veranstalten, dann erzähle ich ihm von meinem vorübergehenden Status als Verlobter.

Er bricht in schallendes Gelächter aus, und nachdem er genügend gelacht und gekichert hat, will er wissen: „Ist das deine Art, mich zu fragen, ob ich dein Trauzeuge sein will? Wird die Hochzeit auch nur gespielt sein?“

Ebenfalls lachend schüttle ich den Kopf. „Es wird keine Hochzeit geben. Niemals. Ich brauche eine andere Art von Hilfe. Wenn nächstes Wochenende unser Softballspiel stattfindet, wird mein Dad da sein. Sein Käufer auch. Es wäre gut, wenn du so tust, als hättest du schon lange gewusst, dass ich auf sie stehe. Falls die Sprache darauf kommt, darfst du nicht überrascht oder misstrauisch wirken.“ Mein Dad hat ein gemischtes Softballteam, das von Katharine’s gesponsert wird, und dieses Jahr hat er Nick und mich in seine Mannschaft berufen. Nicks Wurf im Softball ist um Welten besser als sein Abschlag im Golf.

Er nickt einige Male, als würde er über meine Anweisungen nachdenken, dann reibt er sein Kinn. „Um es in einfachen Worten auszudrücken: Du möchtest, dass ich mich verhalte, als würde ich voll und ganz hinter dem neusten Blödsinn stehen, den du veranstaltest. Okay, ich denke, das kann ich tun.“

Ich rolle mit den Augen. „Aus diesem Grund verlasse ich mich auf dich. Du bist ein unerschöpflicher Quell des Sarkasmus.“

„Genau wie du“, gibt er grinsend zurück.

„Ich muss los, da ist heute noch dieses Dinner. Wir sehen uns.“

Ich bin schon unterwegs zum Ausgang, als er mir hinterherruft: „Heißt das, ich muss jetzt erst mal die Finger von Charlotte lassen?“

Meine Schultern verspannen sich für einen Moment, und die Eifersucht kehrt mit einer Wucht zurück, die einem rotschwänzigen Adler gleicht, der, die riesigen Krallen gespreizt, vom Himmel niederstößt. Ich mache mir klar, dass Nick nur scherzt. Ja, das tut er. Und ich bin kein bisschen eifersüchtig oder besitzergreifend. Der Adler verwandelt sich in eine Taube. „Bloß für knapp eine Woche“, erwidere ich. „Danach gehört sie ganz dir.“

Es fühlt sich jedoch falsch an, als diese Worte meinen Mund verlassen. Selbst wenn sie mir nicht gehört, kann sie nicht mit ihm zusammen sein. Und ich bin kein gottverdammter Friedensvogel.

„Ich war schon immer der Meinung, ihr beide wärt ein hübsches Paar“, erklärt er in zuckersüßem Ton.

Während ich mich von ihm entferne, macht er schmatzende Kussgeräusche. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das alte Kinderlied vom K-I-S-S-I-N-G singt, in dem es ums Heiraten und Kinderkriegen geht. Da bleibt mir eindeutig nur, das Weite zu suchen.

Außerdem muss ich mich für den Abend auf meine Rolle vorbereiten.

Denn es ist nur ein Theaterstück.

Nicht mehr.

11. Kapitel

Das Steak ist hervorragend, der Caesar Salad köstlich und der Rotwein lieblich.

Ebenso wie die Unterhaltung.

So weit, so gut. Es ist um Juwelen gegangen, um Privatschulen, um die Softballliga und um das herrliche Wetter. Anscheinend sind wir mit unserer Geschichte davongekommen.

Oh, sofort nach unserer Ankunft im Restaurant überschütteten die Offermans uns mit den in solchen Fällen üblichen Glückwünschen für die künftige Braut und für mich. Und als Charlotte ihren Ring funkeln ließ, brachen die Frauen in Ahs und Ohs aus. Meine Schwester ebenfalls. Ihre Glückwünsche waren die herzlichsten von allen, ebenso ihre Umarmung. Während sie mich schwesterlich-liebevoll an sich zog, hauchte sie mir kaum hörbar ins Ohr: „Mich kannst du nicht hinters Licht führen. Aber ich spiele mit.“

Vermutlich kann man eine Magierin nicht hereinlegen. Sie ist geübt darin, Taschenspielertricks zu durchschauen, und meinen hat sie innerhalb von Sekunden als Schwindelei entlarvt.

„Danke. Ich schulde dir was.“

„Das tust du. Ganz besonders, da ich dir bis heute die Sache mit dem Weihnachtsmann, als ich zehn war, nicht verziehen habe“, zischte sie, bevor sie mich wieder losließ und strahlend in die Kamera lächelte.

Autor

Lauren Blakely
New York Times Bestsellerautorin Lauren Blakelys Markenzeichen sind sexy Liebesromane, voller Herz, Humor und heißer Bettszenen. Die Kuchen- und Hundeliebhaber hat die meisten ihrer Erfolgsromane beim Gassigehen mit ihren vierbeinigen Freunden geplottet. "Big Rock - Sieben Tage gehörst du mir!" stürmte direkt nach Erscheinen sämtliche amerikanische Bestsellerlisten.
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Big Rock

22.04.2019
Lauren Blakely

Big Rock - Teil 1-3

E-Book
19,99

BIG ROCK - SIEBEN TAGE GEHÖRST DU MIR!

Die Frauen denken, ich bin ein arrogantes Arschloch und ein unverbesserlicher Playboy. Und das war ich auch. Bis eine Woche mein Leben für immer veränderte …

Meiner Familie zuliebe soll ich mich eine Weile zusammenreißen: Keine Sexskandale mehr! Und als perfekter braver Sohn brauche ich eine Schein-Verlobte für sieben Tage. Was läge da näher als meine beste Freundin Charlotte zu fragen? Mit so einer scharfen Frau fällt es mir nicht schwer, den verliebten Softie zu mimen. Leider kann ich seit wir im Bett gelandet an nichts anderes mehr denken als an ihren heißen Körper. Charlotte spielt ihre Rolle als meine Zukünftige perfekt - doch bei mir ist es längst viel mehr als ein Spiel …

MR. O - ICH DARF DICH NICHT VERFÜHREN!

Mein Name ist Nick Hammer. Aber nennt mich einfach Mr. O - denn ich kann jeder Frau den ersehnten Höhepunkt bescheren. Wieso sollte ich also ablehnen, wenn die süße, total scharfe Harper Holiday mich bittet, ihr Nachhilfe in Liebesdingen zu geben? Das Problem: Sie ist die kleine Schwester meines besten Freundes Spencer und damit für mich absolut tabu. Flirttipps geben: erlaubt. Flirttipps mit Harper ausprobieren: strengstens verboten. Doch je mehr Zeit wir miteinander verbringen - und je mehr schmutzige SMS wir uns schreiben - desto weniger kann ich mich zusammenreißen …

HOT ? HEUTE NACHT GEHÖRST DU MIR!

Mein Name ist Wyatt Hammer. Ich habe alles, was Frauen wollen. Ich bin wohlhabend, verdammt attraktiv und extrem humorvoll. Das Komplettpaket sozusagen. Leider habe ich aber auch diese eine schreckliche Schwachstelle - ich bin viel zu anständig. Denn Natalie, meine neue Assistentin, ist süß, heiß, furchtbar intelligent, eine Traumfrau. Wäre ich irgendein Dreckskerl, wäre es mir natürlich egal, dass ich ihr Boss bin. Aber das ist es eben nicht. Sex und Privatleben werden bei mir streng getrennt. Bis zu dieser verhängnisvoll sinnlichen Nacht in Las Vegas zumindest …

»Sexy, köstlich, dieser Roman macht einfach Spaß!«
SPIEGEL-Bestsellerautorin Marie Force

»Lauren Blakely ist eine meiner Lieblingsautorinnen.«
New-York-Times-Bestsellerautorin Christina Lauren

"Spencer ist der perfekte Alpha-Held , mit tonnenweise Charme. Ich habe lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Roman gehabt. Bei jeder Seite musste ich grinsen."
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"Verdammt noch mal, ich liebe es! Mal musste ich lachen, dann mir wieder Luft zufächeln. Spencer ist superheiß."
New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett

"So viel Spaß, so viel Sex und eine wunderbar arrogante männliche Erzählperspektive. Ihr werdet Wachs in Spencers geschickten Händen sein."
The Rock Stars Of Romance

"Unglaublich sexy. Ein absoluter Buchgasmus! Eines der besten Bücher des
Jahres!"
USA Today-Bestsellerautorin Adriana Locke."

"Sexy, köstlich, dieser Roman macht einfach Spaß!" Marie Force, New York Times-Bestsellerautorin

"Es könnte sehr gut sein, dass Nick Hammer mein absolut liebster Lauren Blakely-Held überhaupt ist. Witzig, verführerisch und unglaublich heiß!"
Lacey Black, Bestsellerautorin

"F**k, f**k, f**k! Sie werden jetzt noch nicht wissen, warum ich das sage - aber sie werden es wissen, wenn Sie "Mr O - Ich darf dich nicht verführen!" gelesen haben. Nick und Harper sind der Inbegriff eines himmlisch perfekten, witzigen Paares!"
TM Frazier, USA Today Bestsellerautorin

"Pures Vergnügen. Schmutzig! Dekadent! Göttlich! Fünf orgasmische Sterne." Bookalicious Babes