Im verführerischen Bann des sexy Griechen

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Scharfsinnig, fleißig, diskret. Die sonst so kühle Rezeptionistin Roula fühlt sich seit der Ankunft von Selfmade-Milliardär Galen Pallas in dem exklusiven Luxusresort wie unter Strom. Gut, dass ihr faszinierender Freund aus Kindertagen bald wieder abreist. Schließlich will Roula zwischen ihr und Männern nur eins: Distanz! Bloß für einen Karrieresprung nimmt sie Galens Angebot an, als seine Assistentin einzuspringen. Doch dann verführt der sexy Grieche sie allein mit seinen Blicken. Gefährlich, denn Roula verfolgen Schatten der Vergangenheit …


  • Erscheinungstag 12.07.2022
  • Bandnummer 2552
  • ISBN / Artikelnummer 0800222552
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

PROLOG

„Was haben sie dir denn jetzt wieder angetan?“

Es war beinahe dreißig Jahre her, dass der sechsjährige Galen Pallas, der gerade sein Heim hoch oben auf einem Hügel der griechischen Insel Anapliró betrat, mit diesen Worten von seiner Yaya empfangen wurde.

Galens kurze schwarze Haare waren voller Schmutz, seine Kleidung zerrissen und sein Gesicht zerschrammt, was deutlich machte, dass es wieder einmal Ärger gegeben hatte. Und wieder schien es seine Schuld gewesen zu sein.

„Galen!“ Seine Großmutter war wütend, als sie herausfand, warum die Jungen sich wieder einmal gegen ihn zusammengerottet hatten – und sie gab ihm die Schuld daran. „Du hast deiner Lehrerin doch nicht wirklich gesagt, dass sie in den Sommerferien zugenommen hat?“

„Sie hat das auch zu mir gesagt. Aber …“ Galen runzelte die Stirn. Es war das Erste, was alle sagten, wenn sie ihn sahen.

Seine Yaya wandte sich vom Herd ab und breitete die Hände aus. „Ich wollte damit sagen, dass du dich nicht über das Aussehen eines Menschen auslassen sollst …“ Sie wandte ihren Blick zur Decke und murmelte ein Gebet. „Ich bin zu alt für so etwas …“

„Aber ich hab es nicht zu den Jungen gesagt“, erklärte er. „Nur zur Lehrerin.“

„Jungs sind eben Jungs, und du hast sie provoziert. Glaub mir“, bat Yaya, „manchmal ist es besser, nichts zu sagen – oder zu lügen. Galen, du stößt die Menschen vor den Kopf!“

Yaya stellte das Essen auf den gedeckten Tisch, doch als Galen die Augen schloss, während sie ihr Gebet sprachen, war er in Gedanken ganz woanders.

„Ich würde nie jemanden treten, anspucken oder beschimpfen, auch wenn man mich noch so sehr provoziert“, sagte er, während seine Großmutter seinen Teller befüllte.

Doch die anderen Jungen machten genau das jeden Tag. Sie nannten ihn Roboter, wegen seiner zurückhaltenden Art. Sie lachten, weil er oben auf den Hügeln lebte, bei seiner „verrückten Oma“, wie sie Yaya nannten. Sicher, sie war exzentrisch, weinte in der Kirche und manchmal auch auf offener Straße. Galen wusste, dass sie wahnsinnig war vor Trauer über den Verlust ihrer Familie. Sein Großvater war noch vor Galens Geburt gestorben, und als er zwei gewesen war, waren seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Daher war es die Aufgabe seiner Großmutter, ihn großzuziehen, was nicht einfach war, wie sie ihm häufig sagte.

„Galen, du bist anders …“ Er sah, dass das Glas zitterte, das seine Großmutter zum Mund führte, und er hasste es, dass er ihr solche Probleme bereitete. „Du musst immer erst nachdenken, bevor du sprichst. Du willst doch dazugehören, oder nicht?“

Als Kind war es Galen nicht gelungen, genauso wenig als Teenager.

Aber als erwachsener Mann …

Sein brillantes Gehirn war bald so gefragt, dass alle es für vernünftiger und sehr viel nützlicher hielten, wenn sie sich ihm anpassten.

1. KAPITEL

„Galen.“ Seine persönliche Assistentin stellte ihm einen großen Pappbecher mit Kaffee auf den Schreibtisch, den er jedoch nicht beachtete, weil er in seine Arbeit vertieft war. „Tut mir leid, dass ich Sie stören muss, aber Costa hat schon ein paarmal angerufen. Er hat gesagt, dass Sie ihn und Leo zum Dinner bei V’s treffen sollten?“

Das Restaurant befand sich gegenüber von Galens Hauptbüro in Kolonaki, einem sehr exklusiven Viertel von Athen. Er und Costa hatten das einst baufällige Gebäude gekauft und arbeiteten nun von dort aus. Costa leitete ein Immobilienimperium, Galen ein Hightech-Unternehmen. Und im Moment war er außerordentlich beschäftigt.

„Nein“, sagte Galen. „Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht schaffe.“

„Sicher.“

„Kristina.“ Galen rief sie zurück. „Das Pflegeheim hat heute Morgen angerufen, wegen des Therapieplans.“

Sie nickte. „Das steht im Bericht.“

„Habe ich gerade gesehen.“ Galen atmete tief durch. Hätte sie ihm wegen seiner Großmutter Bescheid gegeben, wäre er heute zu ihr gegangen. Allerdings hatte er darauf bestanden, nicht gestört zu werden, und das Pflegeheim rief oft an. „Lassen Sie mich wissen, wenn etwas wegen der Behandlung ansteht.“

„Schon notiert.“

Er hörte die leichte Schärfe in ihrem Ton und erinnerte sich daran, dass sie hochschwanger war.

„Gehen Sie nach Hause“, schlug er vor.

„Ich brauche keine Vorzugsbehandlung.“

„Das ist auch keine. Wir haben ein hektisches Wochenende vor uns, und ich möchte, dass Sie fit sind.“

Galen war in vielen Bereichen brillant: in Mathematik, Technologie, Finanzen – und was sein Aussehen betraf. Er war groß und attraktiv, hatte haselnussbraune Augen und einen unglaublichen Körper. Seine dichten schwarzen Haare waren perfekt geschnitten, wenn er die Zeit fand, zum Friseur zu gehen. Und selbst gemessen an dem hohen Standard in Athen war er makellos gekleidet.

Nicht dass Mode ihn interessierte. Er hatte Wichtigeres im Kopf.

Zahlen. Essen. Sex. Oder Zahlen. Sex. Essen.

Meist waren es Zahlen. Börsenkurse. Codes. Programmieren …

Galen merkte nicht, dass die Lichter hinter der Glaswand seines Büros ausgingen. Er hatte die Scheiben abgedunkelt, und das blieb auch so, als die Putztruppe kam. Sie wussten, dass sie nicht in sein Büro durften, wenn er arbeitete.

Viele Satelliten umkreisten Galens Welt – Rechtsabteilung, Verwaltung, soziale Medien, Wartung … die Liste ging endlos weiter. Doch da Galen es hasste, von ihnen gestört zu werden, bewegten sie sich, wenn möglich, außerhalb seiner Welt.

Zum inneren Kreis gehörte neben den Programmierern und Analysten auch eine kleine, sehr wichtige Armee, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Tag und Nacht arbeitete, sodass Galen und sein Team sich ganz der Technologie widmen konnten. Aber alle waren im Grunde ihres Herzens sehr loyal gegenüber ihrem manchmal arroganten und sehr distanzierten Boss.

Als es kurz an seiner Tür klopfte, runzelte er die Stirn, arbeitete jedoch weiter, bis er seinen Namen hörte.

„Galen.“

„Was ist denn?“ Galen seufzte, als er sah, dass es Costa war. „Ich habe doch gesagt, dass ich nicht komme …“ Obwohl er jetzt ein wenig hungrig war. „Vielleicht auf einen Sprung, um schnell etwas zu essen.“

„Galen, es ist fast Mitternacht.“

„Oh.“ Ihm war die Zeit davongelaufen, ohne dass er es gemerkt hatte.

Bei V’s konnte man normalerweise nichts mitnehmen, aber es gab Ausnahmen, und Costa reichte ihm eine Styroporschachtel. „Hier.“

„Danke.“

Der Chefkoch würde sicher in Tränen ausbrechen, wenn er sehen könnte, wie seine sorgfältig zubereiteten Lammfilets mit seiner speziellen Soße, die kleinen Kartoffeln und der Beilagensalat auf ein Stück Fladenbrot gehäuft und aufgerollt wurden.

„Und, wie läuft’s?“, erkundigte sich Costa.

„Willst du die lange oder die kurze Antwort?“, fragte Galen, der wusste, wie die Leute die Augen verdrehten, wenn er über seine Arbeit sprach.

„Ich würde beide nicht verstehen“, gestand Costa. „Die Tendenz …“

„Nun ja, das erste ICO ist gut gelaufen.“

„Ich kapier schon jetzt nichts mehr“, gestand Costa grinsend.

„Initial Coin Offering. Obwohl immer noch …“

Galen merkte, dass Costa abgeschaltet hatte, also nahm er einen großen Bissen von seinem Wrap, runzelte dann jedoch die Stirn, als Costa eine Flasche Champagner und zwei Gläser aus seiner Tasche holte.

„Was soll das denn?“ fragte Galen, als Costa den Korken knallen ließ. „Willst du mir jetzt sagen, dass du mich liebst?“, witzelte er. „Wenn ja, dann muss das warten. Ich brauche bei der Arbeit einen klaren Kopf …“

„Galen, es gibt Neuigkeiten“, sagte Costa, reichte ihm ein Glas und setzte sich.

„Und …“

„Gute Neuigkeiten“, fügte Costa hinzu, und Galen wurde klar, dass er ihm damit ein Zeichen geben wollte, wie er zu reagieren hatte. „Mary und ich werden heiraten.“

„Mary?“ Galen runzelte die Stirn. Ehrlich gesagt hatte er bei Costas Liebesleben den Überblick verloren, aber Mary war seine neueste Flamme. „Im Ernst?“, hakte er nach. „Aber ihr habt euch doch erst vor Kurzem kennengelernt …“

Er war mehr als nur ein bisschen verblüfft. Das hatte nichts mit seiner eigenen Meinung in Bezug auf Beziehungen und die Ehe zu tun, sondern viel mehr damit, dass Costa nicht der Typ war, der sich häuslich niederließ. Obwohl es Galen in den Fingern juckte weiterzuarbeiten, war das wirklich eine gute Nachricht. Deshalb erinnerte er sich an seine guten Manieren, schluckte seine Ungeduld herunter und hob sein Glas.

„Jámas …“

„Jámas.“ Costa prostete ihm ebenfalls zu, ehe er sein Glas abstellte. „Galen, ich möchte, dass du mein koumbaros wirst.“

„Ich?“ Costa bat ihn, sein Trauzeuge zu sein. „Muss man da nicht eine Rede halten und …“

Costa nickte. „Eine Rede, tanzen und Mr. Gesellig spielen … all das, was du verabscheust.“ Costa lächelte. „Hör zu, wir kennen uns schon ewig. Wir kannten uns schon lange, bevor …“ Er deutete auf die äußerst luxuriöse Umgebung. „Natürlich musst du es sein.“

Galen zuckte zusammen. „Danke.“ Er war verblüfft, fühlte sich aber auch geschmeichelt. Trotzdem war er ein wenig verunsichert, ob das vielleicht … nun ja … eine Falle war. Schließlich hatte er es hier mit Costa zu tun. „Und …“ Er überlegte, was er über die zukünftige Braut wusste, was nicht viel war. „Mary ist Engländerin?“

„Ja.“

„Wirst du dort heiraten?“

„Das ist noch nicht ganz klar …“ Costa spielte mit dem Champagnerkorken. „Ich hoffe, die Trauung wird in meinem Hotel in London stattfinden.“ Costa gab sonst nicht viel preis, doch jetzt vertraute er Galen etwas an: „Marys Vater sitzt dort im Gefängnis. Ich versuche, dafür zu sorgen, dass er Ausgang bekommt, und will Mary damit überraschen.“

„Ich habe einen guten Anwalt im Vereinigten Königreich“, bot Galen an.

„Den habe ich mir bereits unter den Nagel gerissen“, gestand Costa freimütig. „Der Plan ist jedenfalls der, dass wir dort heiraten, so viel Zeit wie möglich mit ihrem Vater verbringen und dann für den kirchlichen Segen und den Empfang zurück nach Anapliró fliegen.“

Galen spürte, dass sich sein Magen ein wenig zusammenzog, als Costa die Insel erwähnte. Als Teenager war er von dort weggegangen, aber natürlich hin und wieder zurückgekehrt, um seine Yaya zu besuchen. Doch da sie jetzt hier in seiner Nähe in einem Pflegeheim wohnte, war er schon seit Jahren nicht mehr auf der Insel gewesen.

Galen hatte weder das Bedürfnis noch den Wunsch, nach Anapliró zurückzukehren. Tatsächlich hasste er diese Insel.

Wobei er sich um das Haus seiner Familie dort kümmern sollte, weil es sonst verfallen würde. Es war eine seiner Aufgaben, die er immer wieder aufschob, aber diese Hochzeit wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, die Dinge in Gang zu bringen.

„Also eine große Feier auf Anapliró“, bemerkte Galen und versuchte, sich auf das Gespräch und die Hochzeitspläne und all das zu konzentrieren, was ihn eigentlich nicht interessierte. Doch wenn es um Freunde ging, hörte er zu, das hatte er inzwischen gelernt.

„Nein. Nachdem Marys Vater dort nicht dabei sein kann, wäre das nicht richtig. Deshalb beschränke ich den Empfang auf zwölf Personen.“ Er deutete auf Galen. „Wobei du und ich schon mitgerechnet sind.“

„Und die Braut“, fügte Galen hinzu.

„Sicher. Außerdem Leo und Deacon, Yolanda natürlich …“ Sie war Costas Mutter. „Und deine Begleitung.“

„Ich werde niemanden mitbringen“, sagte Galen, obwohl Costa gar nicht zuhörte.

Er konnte nicht glauben, dass er hier saß und über Costas Hochzeit sprach. Die beiden Männer waren eingefleischte Singles, jeder auf seine Weise. Costa traf sich mit Frauen und lieh sich dann Galens persönliche Assistentin aus, die Blumen schicken musste, wenn wieder einmal alles schiefging. Und Galen selbst … nun, es genügte wohl zu sagen, dass Blumen nicht erforderlich waren, weil es nur um Sex ging. Auch wenn das vielleicht kalt erscheinen mochte, würden Galen und seine Partnerinnen dem widersprechen, wobei beiden Seiten egal war, was andere dachten.

In diesem Moment klingelte sein Handy.

„Ich dachte, deine Anrufe werden zu Kristina umgeleitet.“ Costa runzelte die Stirn. „Ich habe nämlich den ganzen Abend versucht, dich zu erreichen …“

Galen gab keine Erklärung ab, während er auf die Nachricht blickte und sah, dass sie von einer seiner Partnerinnen war.

Treffen?

Schnell antwortete Galen.

Kann jetzt nicht.

Er fügte seiner Nachricht einen traurigen Smiley hinzu – und erhielt als Antwort ebenfalls einen traurigen Smiley.

Sein Sexleben war wirklich erfreulich unkompliziert.

Dann konzentrierte er sich wieder auf Costa, der schon alles geplant zu haben schien.

„Ich werde viele Leute vor den Kopf stoßen, wenn ich nur einen kleinen Empfang gebe“, gestand Costa. „Aber es wird noch eine große Party am Strand geben, für alle Inselbewohner …“

„Es ist nicht deine Aufgabe, allen zu gefallen“, meinte Galen. „Was, nebenbei bemerkt, auf Anapliró auch unmöglich ist.“

„Sicher, aber ich muss die Einheimischen bei der Stange halten. Schließlich habe ich nicht alle Verbindungen abgebrochen.“ Costa hatte auf Anapliró ein Resort gebaut, das er auch selbst entworfen hatte. „Du hast das Resort immer noch nicht gesehen.“

„Ich weiß.“ Costa hatte ihn schon vor einiger Zeit gedrängt, hinüberzufliegen, doch Galen hatte es irgendwie immer geschafft, beschäftigt zu sein. Sicher, ein Trip nach Anapliró war lange überfällig, und natürlich würde er Costas Hochzeit nicht verpassen, nur weil er die Insel hasste. „Für wann ist die Sache denn geplant? Ich werde dafür sorgen, dass ich keine Termine habe …“

„Galen …“ Costa tippte ungehalten mit dem Korken auf den Schreibtisch. „… die Hochzeit ist am Samstag.“

„Entschuldigung?“ Galen war vor langer Zeit beigebracht worden, nicht das zu sagen, was ihm als Erstes einfiel. Deshalb schüttelte er nicht den Kopf und sagte, dass das unmöglich war.

„Ja.“ Costa nickte. „Wir fliegen morgen nach London, die standesamtliche Trauung ist am Morgen darauf, und nachmittags fliegen wir nach Anapliró.“ Costa atmete durch. „Ich weiß, es ist kurzfristig …“

Kurzfristig?

Galen würde auf keinen Fall dort sein können. Er musste am Samstag eine wichtige Ankündigung in Bezug auf eine Handelspartnerschaft machen. Und es gab entscheidende System-Updates, die überprüft und ausgeführt werden mussten. Jede Stunde zwischen jetzt und dann war verplant. Selbst der Sex musste ausfallen.

Natürlich erwartete Galen nicht, dass Costa seine Hochzeit seinem Terminkalender anpasste. Doch umgekehrt wusste Costa auch, wie bedeutend die kommenden Tage für ihn waren.

„Galen“, durchbrach Costa das Schweigen, „auch wenn es ein verdammt schlechter Zeitpunkt für dich ist, glaub mir, wenn ich dir sage, dass es einen Grund dafür gibt, dass die Hochzeit schon so bald stattfindet. Aber es ist nicht der, an den du denkst. Mary ist nicht schwanger.“

„Warum sollte ich das denken?“

Costa lachte, ehe er einen Schluck trank. Als er sein Glas abstellte, stieß er einen Seufzer aus.

„Es ist etwas im Gange …“, raunte er.

Als Galen hörte, wie ernst Costa plötzlich klang, runzelte er die Stirn.

„Es ist ziemlich kompliziert. Aber ich kann nicht darüber sprechen …“

„Ist schon okay.“ Es gab keinen Menschen, der weniger neugierig war als Galen. Dramen und Klatsch irritierten ihn, und er würde sicher niemals nachfragen.

„Ich möchte dich wirklich bitten, zu kommen.“

Aus vielen Gründen konnte Galen nicht, trotzdem … Er kannte Costa schon zu lange. Und auch Leo Arati.

Sie hatten eine gemeinsame Vergangenheit, die nur die verstehen konnten, die von Anapliró kamen. Sich anpassen oder leiden – das war das unausgesprochene Motto auf der Insel.

Alle drei hatten sich auf unterschiedliche Weise geweigert, sich anzupassen, und hatten deshalb leiden müssen. Gehörte man nicht zu den Raufbolden oder denen, die beliebt waren, dann wurde einem das Leben zur Hölle gemacht.

Costas Vater war gegangen, als Yolanda krank geworden war, und seine Eltern waren die ersten auf der Insel gewesen, die sich scheiden ließen.

Leo hatte schrecklich gelitten, angeblich, weil er so klein war, aber tatsächlich wegen seines unmännlichen Verhaltens.

Und Galen, nun ja …

Sie waren Freunde, die irgendwie nicht zusammenpassten, aber trotzdem Freunde, und das zählte.

„Du weißt, dass ich da sein werde“, sagte Galen, und sie stießen erneut lächelnd an. Doch sein Gehirn fragte: Was zum Teufel soll das? „Ich werde Kristina jetzt eine Nachricht schicken, um das zu klären …“

Er stockte. Sonst schickte er seiner persönlichen Assistentin rund um die Uhr Nachrichten, doch obwohl es nicht den Anschein hatte, war er rücksichtsvoll genug, daran zu denken, dass ihr Geburtstermin immer näher rückte.

„Ist schon alles geregelt.“ Costa winkte ab. „Flüge und alles andere. London ist gebucht, und du bekommst die Temple Suite auf Anapliró. Das ist die schönste im Resort.“

„Steht die nicht der Braut und dem Bräutigam zu?“ Galen runzelte die Stirn.

„Meine Villa ist besser.“ Costa grinste und füllte Galens Glas auf.

„Natürlich.“

„Ich habe Leo und Deacon die Hochzeitssuite gegeben.“

„Das werden sie sicher zu schätzen wissen.“

„Hey, warum bleibst du nicht noch ein paar Tage länger?“

„Ich werde dir in deinen Flitterwochen sicher keine Gesellschaft leisten, Costa.“

„Dazu habe ich dich auch nicht eingeladen. Aber es ist Jahre her, dass du auf der Insel warst und …“

„Es gibt nichts, was mich dorthin zieht, und keinen Grund, zurückzukehren“, warf Galen ein. „Deine Hochzeit ist eine Ausnahme.“

Eine Ausnahme, die ihm sehr ungelegen kam.

Kaum war Costa gegangen, schrieb Galen seinem Team und Joe sofort eine Nachricht und forderte sie auf, umgehend zu ihm zu kommen. Und obwohl es schon so spät war, schickte er auch schnell Kristina eine SMS, in der er sie bat, zu packen und seine übliche Kurzanweisung sowohl an das Londoner Hotel als auch zum Resort auf Anapliró zu mailen, damit sie sich auf seine besonderen Wünsche vorbereiten konnten.

Und ich brauche auf Anapliró eine gute Internetverbindung, schrieb er Kristina.

Costa hatte zwar gesagt, dass das Retreat über jeden Luxus verfügte, aber schließlich war Galen auf der sehr ärmlichen Insel aufgewachsen.

Verdammt! Seine Ankündigung am Samstag war nicht nur sehr wichtig, auch der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Er hatte alles mit einkalkuliert – nur nicht diese verflixte Hochzeit!

2. KAPITEL

Roula Drakos war sich sicher, dass sie das beste Büro der Welt hatte.

Oder besser gesagt: den besten Ausblick. Während der Arbeit hielt sie hin und wieder inne, um sich das endlose Schauspiel des Himmels über der Ägäis anzusehen. Auch nach den fünf Jahren, die sie nun schon im Resort arbeitete, war sie immer noch begeistert von dessen Schönheit und Pracht.

Doch an diesem Tag hatte sie keine Zeit für eine kurze Pause.

Eilig marschierte die Managerin des Gästeservice an der Rezeption vorbei in ihr Büro. Dort setzte sich Roula an den Schreibtisch – zum ersten Mal, seit sie heute zur Arbeit gekommen war – und griff nach der Aufgabenliste, die auf ihrem unordentlichen Tisch lag. Sie strich sich eine rote Locke aus den Augen, nahm sich ein Stück von ihrer dunklen Lieblingsschokolade und sah die Anfragen der Gäste durch, um sicherzustellen, dass alle Wünsche erfüllt worden waren. Als sie auf den Namen eines alten Freundes stieß, lächelte sie.

Galen Pallas mit Begleitung.

Bekannte Gesichter sah man unter den Gästen hier nicht besonders häufig, da Anapliró einmal sehr arm gewesen war. Obwohl frühere Inselbewohner oft nach Anapliró kamen, konnten sich nur sehr wenige einen Aufenthalt im Resort leisten.

Leo Arati, ein bekannter Modedesigner, war regelmäßig hier, aber Galen …

Nein.

Sie wusste, dass er mit Costa, dem Besitzer, befreundet war, doch Roula hatte ihren alten Freund seit … sie überlegte … seit neunzehn Jahren nicht mehr gesehen.

Na ja, richtige Freunde waren sie eigentlich nicht gewesen. Galen war ein paar Jahre älter als sie, aber er war immer sehr nett zu ihr gewesen.

Damals hieß sie allerdings noch Roula Kyrios.

Es war wirklich schon eine Ewigkeit her.

„Roula.“ Als die Rezeptionistin ziemlich laut an ihre Tür klopfte, sah Roula hoch. „Sie verlassen gerade Thira.“

„Danke.“ Roula nickte. „Ist alles in Ordnung drüben?“

„Mia wird langsam ein bisschen …“ Stephanie machte eine Geste mit der Hand, die andeutete, dass die Küchenchefin ihren üblichen Nervenzusammenbruch vor einer Veranstaltung hatte.

„Gibt es auch etwas Neues?“ Lässig zuckte Roula mit den Schultern. Die letzten sechsunddreißig Stunden, seit bekannt war, um wen es sich bei der Braut und vor allem beim Bräutigam handelte, hatte Roula ihr Bestes gegeben, um die Angestellten zu beruhigen. Der Bräutigam sei zwar ihr Boss, hatte sie gesagt, aber letztlich würde es nur um eine weitere Luxushochzeit gehen. Anapliró war inzwischen ein begehrtes Urlaubsziel, und in dem Resort hatten schon etliche Hochzeiten stattgefunden, darunter Mitglieder von Königshäusern, Milliardäre und Berühmtheiten.

„Lass mich das noch eben fertig machen, dann komme ich in die Küche.“

„Danke.“

Sonst musste Roula nicht alles allein machen, aber Yolanda, die Managerin des Resorts, war auch die Mutter des Bräutigams, und Beatrice, die Koordinatorin der Hochzeit, kümmerte sich um die Veranstaltung in London.

Roula war vielseitig. Die professionelle Roula war unerschütterlich, schnell und effizient, und ihr Fokus lag immer auf den Gästen. Deshalb hatte sie es geschafft, sich nach dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren hochzuarbeiten, und war nun die Managerin des Gästeservice.

Ihre professionelle Rolle passte ihr wie angegossen, denn hier hatte sie alles unter Kontrolle. Die lockigen roten Haare hatte sie zurückgesteckt, sie war dezent geschminkt und trug einen unauffälligen Nagellack. Ihre Uniform bestand aus einem grauen Leinenrock, einem hellen Top und entweder High Heels oder Ballerinas, je nach Anlass. Mit den obligatorischen Perlenohrringen sah sie sehr elegant aus, und sie trug ihr Namensschild mit Stolz.

Obwohl sie nach außen hin sehr gepflegt und ihre Figur perfekt wirkte, konnte Roula es kaum ertragen, nackt zu sein. Deshalb duschte sie immer hastig und erledigte schnell das Wesentliche. Auch wenn sie allein in ihrem Badezimmer war, trug sie unter dem Handtuch ihre Unterwäsche und stellte sicher, dass ihre großen Brüste unter zwei Sport-BHs flach gedrückt waren, ehe sie das Bad verließ.

Niemand kannte Roula wirklich …

Während sie die Unterlagen durchsah, die zeigten, ob alle Suiten den Anforderungen entsprachen, fiel ihr Blick auf ihren Ehering. Im Resort war es nicht vorgeschrieben, dass sie ihn trug, es war eher eine unausgesprochene Regel auf Anapliró. Es kam nicht infrage, dass sie ihn abnahm. Man hatte bereits die Augenbrauen hochgezogen, als Roula ein Jahr nach Dimitrios’ Tod aufhörte, Schwarz zu tragen.

Als sie sah, dass das Pflaster an ihrem Daumen ausgefranst war, nahm sie ein neues aus der Schublade, um das alte zu ersetzen. Roula hatte geglaubt, ihre Gewohnheit, an den Nägeln zu kauen, überwunden zu haben. Doch bei der Feier zu ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag war die Unsitte wieder zurückgekehrt, wobei sie sich jetzt wenigstens nur auf den Daumen beschränkte.

„Roula!“

Sie sah hoch, als jemand mit besorgter Stimme ihren Namen rief.

Mia kam hereingefegt.

„Es ist eine Katastrophe.“

„Mia.“ Als Kinder und Jugendliche waren sie beste Freundinnen gewesen, doch zu Mias Verdruss standen sie sich jetzt nicht mehr so nahe. Dennoch schüttete Roula ihr, in ihrer professionellen Rolle, ein Glas Wasser ein und bedeutete ihr, sich zu setzen.

„Ich habe keine Zeit, mich hinzusetzen.“

„Deine Mitarbeiter haben sicher alles unter Kontrolle …“

„Wie soll denn alles unter Kontrolle sein, wenn in weniger als sechsunddreißig Stunden eine Hochzeit stattfinden soll?“

Roula verdrehte die Augen. „Verstehe. Komm, setz dich. Zwei Minuten hast du sicher Zeit.“

„Er ist unser Boss. Das ist das wichtigste Essen meiner Karriere …“

Roula hielt die Hand hoch. „Es ist Costa. Wir sind mit ihm zur Schule gegangen. Er mag Burger“, rief sie ihr in Erinnerung. „Er bestellt sich mitten in der Nacht Souvlaki, aber nicht aus deiner Küche, sondern bei den Imbissbuden am Touristenstrand.“

„Stimmt.“ Endlich setzte Mia sich und atmete jetzt regelmäßiger. „Aber seine Gäste sind alle Spitzenklasse und …“

„Leo?“ Roula verdrehte die Augen. „Also wirklich. Sicher, er ist jetzt berühmt, aber wir treffen uns zum Lunch mit ihm auf Santorini, und ihr beide geht zusammen aus. Er ist ein Freund, außerdem habe ich dafür gesorgt, dass er sein Lieblingsgetränk bekommt. Um wen machst du dir denn sonst noch Sorgen?“

„Galen Pallas und seinen Gast.“ Mia schluckte.

„Glaubst du wirklich, dass Galen Probleme macht?“

„Er ist inzwischen megabedeutend.“

„Bitte …“ Roula zuckte mit den Schultern. „Galen hat dieses digitale Spiel erfunden, das meine Nichten spielen.“

„Er hat noch einiges mehr gemacht … er ist so ein Tech-Guru …“ Hilflos wedelte Mia mit der Hand in der Luft herum. „Er ist wirklich mächtig und …“

„Jetzt mach mal halblang“, wiegelte Roula ab. „Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als Galen geglaubt hat, Marmelade sei eine Delikatesse. Um ihn musst du dir am wenigsten Sorgen machen. Mia, du hast für Mitglieder aus Königshäusern und für Berühmtheiten gekocht, und du hast so viele Auszeichnungen und Sterne, dass es für dich absolut kein Problem ist, einen perfekten Hochzeitslunch für zwölf Personen zuzubereiten.“

Endlich atmete Mia durch.

„Zwölf“, wiederholte Roula.

„Warum will Costa dann nicht, dass ich die Speisen für die Strandparty mache?“, fragte Mia, die schnell beleidigt war. „Glaubt er, ich kann das nicht?“

„Es handelt sich um ein Barbecue am Strand. Die ganze Insel ist eingeladen, und sie wollen, dass du bei der Party als Gast dabei bist“, erklärte Roula. „Du musst nur einem der Küchenchefs aus Santorini deine Küche überlassen, und dann kannst du dich amüsieren. Konzentriere dich einfach auf den Lunch und ein paar Häppchen für die Privatgäste nach der Strandparty …“

„Gut.“ Wieder atmete Mia durch. „Gott, wie schaffst du das nur, Roula? Du hast immer alles unter Kontrolle.“

„Das ist mein Job“, entgegnete Roula. „Du schaffst das.“

Mia nickte, doch statt zurück in ihre geliebte Küche zu gehen, blieb sie sitzen und verengte leicht die Augen. „Du wusstest noch vor uns, dass es Costas Hochzeit ist, oder?“

„Ja, ich wusste es schon etwas eher“, gab Roula zu. „Aber mir wurde gesagt, ich solle es vertraulich behandeln.“

„Und du bist nicht auf die Idee gekommen, es mir zu sagen?“, meinte Mia herausfordernd. „Wir sind doch angeblich beste Freundinnen.“

„Wir sollten persönliche Konflikte nicht bei der Arbeit austragen.“

„Aber außerhalb der Arbeit bist du genauso.“ Mia wirkte verletzt und verärgert. „Du erzählst mir nichts mehr. Als wir aufgewachsen sind, haben wir uns alles anvertraut. Gott, Roula, deine Hochzeit war meine erste große Veranstaltung …“

„Ich weiß.“

„Es ist fünf Jahre her, dass Dimitrios gestorben ist.“ Jetzt stand Mia auf und schrie beinahe. „Ich habe versucht, geduldig zu sein, aber du schließt mich weiterhin aus …“

„Mia“, warf Roula ein. „Nicht jetzt.“

Doch Mia ließ sich nicht bremsen. „Ich sage ja nicht, dass ich nicht verstehe, was du durchgemacht hast, aber Dimitrios war mein Cousin, und ich habe ihn auch geliebt. Früher hast du immer mit mir gesprochen, Roula … wir haben uns alles erzählt.“

Nein, nicht alles – und ganz sicher nicht in Bezug auf ihren verstorbenen Ehemann.

Niemand kannte Roula.

Trotz ihres fröhlichen Lächelns bei der Arbeit und der Rolle als Witwe, die sie im Dorf spielte, fühlte Roula sich tief im Inneren wie tot. So war es schon lange vor Dimitrios’ Tod gewesen.

Roula hatte die Schule beenden und dann vielleicht in Athen studieren wollen. Doch als sie eines Tages nach Hause gekommen war, hatte man ihr mitgeteilt, dass sie den beliebten und charismatischen Dimitrios Drakos heiraten würde. Er besaß ein eigenes Fischerboot, und seine Eltern würden ihnen zur Hochzeit ein Cottage an der Küste schenken.

Als Roula geweint hatte, war ihre Mutter gekommen, um mit ihr zu sprechen. Papa sei krank, hatte sie gesagt, er würde nicht mehr lange leben. Sein größter Wunsch sei es, seine Tochter zum Altar zu führen. Und er wolle sicherstellen, dass für Roula gesorgt sei, wenn er nicht mehr da wäre.

Sie war so naiv, so unschuldig gewesen, dass sie nicht einmal gewusst hatte, welche Fragen sie stellen sollte.

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands.

Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester...
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