Julia Extra Band 520

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SÜSSE VERSÖHNUNG AUF MALTA von RUBY BASU
Mit einem Traummann ein Luxus-Urlaub auf Malta – das klingt verführerisch! Aber Saira ist gewarnt. Denn schon einmal war sie mit dem Hotelier Nathan zusammen. Damals scheiterten sie schrecklich, und Sairas Herz brach. Ist die Zeit jetzt wirklich reif für einen Neuanfang?

FÜR DIE LIEBE EINES PRINZEN von REBECCA WINTERS
Wenn die junge Tierärztin Francesca mit Prinz Vincenzo Ausflüge in die herrliche Schweizer Bergwelt macht, träumt sie heimlich davon, Vincenzos Prinzessin zu werden. Doch dafür müssten sie beide die erbitterte Fehde überwinden, die ihre Familien seit Jahrhunderten trennt.

RUCHLOS – UND UNWIDERSTEHLICH von LUCY KING
Wer sind die Eltern des ruchlosen Milliardärs? Die schöne Privatdetektivin Alex soll alles über Max Kentalas mysteriöse Herkunft herausfinden. Sich dabei auf eine Affäre mit ihm einzulassen, ist für sie undenkbar! Bis sie mit Max auf seiner karibischen Privatinsel strandet …

TAUSEND STERNE ÜBER DER WEISSEN JACHT von LUCY MONROE
Glaubt Dimitri wirklich, sie hat Informationen über die königliche Familie von Mirrus an die Presse gegeben? Jenna ist verzweifelt. Denn auf seiner weißen Jacht beschert ihr königlicher Liebhaber ihr den Himmel auf Erden – sein Misstrauen dagegen ist für sie die Hölle!


  • Erscheinungstag 19.07.2022
  • Bandnummer 520
  • ISBN / Artikelnummer 0820220520
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Ruby Basu, Rebecca Winters, Lucy King, Lucy Monroe

JULIA EXTRA BAND 520

RUBY BASU

Süße Versöhnung auf Malta

Er erinnert sich noch an jeden Kuss, an jede Nacht mit ihr: Als Nathan die wunderschöne Saira wiedersieht, spürt er sofort, dass er sie immer noch liebt! Er will eine zweite, allerletzte Chance …

REBECCA WINTERS

Für die Liebe eines Prinzen

Endlich hat er die Richtige fürs Leben gefunden! Doch Prinz Vincenzo ahnt nicht, dass die vermeintlich Bürgerliche Francesca aus einem Königshaus stammt, das mit seinem verfeindet ist …

LUCY KING

Ruchlos – und unwiderstehlich

Milliardär Max Kentala lässt keine emotionale Schwäche zu. Aber als er die schöne Alex verführen will, stellt sie eine Bedingung: Wenn sie eine Nacht lang schwach wird, erwartet sie es von ihm auch …

LUCY MONROE

Tausend Sterne über der weißen Jacht

Die aparte Jenna ist für Prinz Dimitri eine nie gekannte Herausforderung. Mal ist sie sinnlich, dann wieder kühl. Aber immer schaut sie ihn an, als sei er der Einzige für sie – kann er ihr trauen?

1. KAPITEL

„Wie ich sehe, ist die verlorene beste Freundin zurückgekehrt!“

Saira Dey straffte die Schultern. Die volle, tiefe Stimme hinter ihr war unverkennbar.

Nathan Haynes.

Natürlich hatte Saira gewusst, dass sie ihm auf der Verlobungsfeier seiner Schwester Miranda begegnen würde. Aber in ihrer Fantasie war sie bei diesem Wiedersehen ruhig und selbstbewusst rübergekommen, nicht hilflos und nervös, so wie jetzt gerade im lauten Gedränge vor der Bar!

Konnte sie vielleicht so tun, als hätte sie ihn nicht gehört?

Als sie endlich ihren Sauvignon bekam, trank sie erst einmal einen großen Schluck, bevor sie sich umdrehte und Nathan breit anlächelte.

„Nathan, wie schön, dich wiederzusehen. Es ist aber auch wirklich schon zu lange her. Wie geht es dir, wie läuft’s bei dir?“

Er runzelte die Stirn. „Bist du okay? Warum sprichst du so überdeutlich? Ich hatte gedacht, du würdest mit einem breiten texanischen Akzent zurückkommen.“

„Mir geht’s super.“ Sie lachte verlegen. Immer wenn Saira nervös war, verfiel sie in eine überdeutliche Sprechweise, aber sie hätte nicht erwartet, dass ihm das auffallen würde. Nicht nach all diesen Jahren.

Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. Das hier war Nathan Haynes, den sie seit Jahren kannte. Kein Grund, nervös zu sein.

„Du siehst gut aus“, sagte sie.

Das war absolut untertrieben. Er sah fantastisch aus. Die Jahre waren gut zu ihm gewesen, bis jetzt zeigte sich noch kein einziges graues Haar in seiner lockigen braunen Mähne. Er trug sein Haar jetzt ein bisschen kürzer als damals, was zu seinem Outfit passte, das ihn als einen erfolgreichen Geschäftsmann auswies. Ein bisschen vermisste Saira seine langen Haare und den lässigen Look von früher, als sie jung gewesen waren. Doch das war nicht die einzige Veränderung. Nathan wirkte jetzt viel reifer, seine Züge waren markanter. Nur seine blauen Augen waren unverändert. In diesem Moment sah er allerdings ziemlich ernst aus, und das sorglose Lachen, das ihn in seiner Jugend ausgezeichnet hatte, war verschwunden.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei fiel ihr auf, wie breit seine Schultern waren. Für einen flüchtigen Moment hatte sie ein Bild davon, wie sie ihren Kopf an seiner Brust geborgen und er sie in seine Arme geschlossen hatten.

Nathan nahm sie sanft beim Ellenbogen und führte sie weg von dem Gedränge an der Bar.

„Miranda hat mir erzählt, dass du wieder zurück nach England gezogen bist“, sagte er, als sie sich in einer ruhigeren Ecke niederließen.

Sie nickte. „Ja, stimmt. Vor ein paar Wochen.“

„Das mit deinem Mann tut mir wirklich leid. Miranda hat mir erzählt, was passiert ist.“

Saira nickte erneut und trank schnell einen Schluck Wein, um nicht gleich antworten zu müssen. Der Unfall ihres Mannes war jetzt zwei Jahre her, aber sie wusste immer noch nicht, wie sie auf Beileidsbezeugungen reagieren sollte. Einer der Vorteile ihrer Rückkehr nach England war der, dass hier kaum einer ihrer alten Freunde oder Bekannten ihren verstorbenen Mann gekannt hatte, wodurch die Mitleidsbekundungen viel leichter zu ertragen waren.

„Das ist eine tolle Location, Nathan“, sagte sie, um das Thema zu wechseln und sah sich auf der Dachterrasse um.

Von hier aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die Themse, die jetzt von der untergehenden Sonne in ein tiefrotes Licht gehüllt wurde. Das Zentrum der Terrasse bildete ein großer Pool, um den Loungemöbel platziert waren.

„Ist das hier nicht das Vorzeigehotel deiner Kette?“, fragte sie ihn.

Er hob die Brauen. „Ich bin überrascht, dass du dich daran erinnerst. Als ich es damals gekauft habe, hast du dich nicht besonders dafür interessiert.“

„Das stimmt nicht“, erwiderte sie überrascht. „Wie kommst du denn darauf?“ Sie hatte immer versucht, ihn bei der Umsetzung seiner Träume zu unterstützen, und vor neun Jahren hatte Nathan von kaum etwas anderem geredet als von diesem Hotel.

Da er nicht sofort antwortete, konzentrierte sich Saira auf die Aussicht, als gäbe es nichts Faszinierenderes als die Skyline von London. Tatsächlich hatte sie sich noch immer nicht davon erholt, Nathan nach all diesen Jahren wiederzusehen. Ein Teil von ihr war neugierig darauf, wie er sich verändert haben mochte, aber ein noch größerer Teil fürchtete sich auch vor der Spannung, die ihre gemeinsame Vergangenheit mit sich brachte.

Sein Vorwurf, dass sie sich damals nicht für seine Unternehmungen interessiert hatte, war nicht ganz aus der Luft gegriffen. Als sie sich kennengelernt hatten, hatte sie im ersten Semester Ingenieurswissenschaften studiert und von Ökotourismus keine Ahnung gehabt.

Aber für ihn war es eine große Sache gewesen, denn er hatte damals sein erstes Unternehmen in diesem Bereich gegründet, ohne zu wissen, wie es ausgehen würde. Es gab nicht viele einundzwanzigjährige junge Männer, die einen solchen Schritt gewagt hätten.

Saira war nicht überrascht gewesen, dass es ihm gelungen war, aus der Haynes Group einen Multimillionen-Dollar-Konzern zu machen. Auf den Finanzmärkten dieser Welt eilte Nathan der Ruf voraus, ein geradezu unheimliches Gespür dafür zu haben, was die Konsumenten als Nächstes wollten …

In diesem Moment traten ein paar Gäste auf ihn zu, und Saira hatte die Chance, Nathan in aller Ruhe zu studieren. Er war der perfekte Gastgeber, charismatisch und charmant. In seinem perfekt geschnittenen Smoking sah der große, athletisch gebaute Mann wirklich sündhaft attraktiv aus! Sie hatte das Gefühl, von ihm geradezu magnetisch angezogen zu werden und konnte nur hoffen, dass die vielen Jahre der Trennung und die Erfahrung ihrer Ehe genügen würden, um auf Abstand zu bleiben. Denn ein Wiederaufflammen ihrer sexuellen Anziehungskraft war das Letzte, was sie jetzt brauchte.

Und auf eine neue Beziehung war Saira auch nicht scharf. Noch immer litt sie unter den Folgen ihres Verlusts. So etwas wollte sie nie wieder erleben.

Jetzt war sie eine unabhängige Frau, die ihr Leben fest im Griff hatte und sich voll und ganz auf ihre Karriere konzentrieren wollte. Das Aufflackern einer längst vergangenen Leidenschaft passte einfach nicht in diese Lebensphase.

Mit einem höflichen Nicken zog Saira sich zurück und machte sich auf die Suche nach Miranda, die sie bisher noch gar nicht gesehen hatte. Als sie ihre beste Freundin schließlich fand, umarmten sich die beiden Frauen wortlos, unfähig zu sprechen.

Die beiden kannten sich schon seit Kindertagen, als sie mit fünf Jahren auf die Grundschule gegangen waren. Ihre Freundschaft hatte gehalten, obwohl sie später auf unterschiedliche Schulen und Universitäten gegangen waren. Dann war Saira in die Staaten gezogen, und jetzt war es zwei Jahre her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten. Das letzte Mal war es bei Dilips Beerdigung gewesen, zu der Miranda gekommen war, um ihre beste Freundin zu unterstützen und ihr Trost zu spenden.

„Ich freue mich so sehr, dass du gekommen bist“, sagte Miranda mit leuchtenden Augen zu ihr. „Das ist das Beste, was ich seit langer Zeit erlebt habe!“

„Ähem …“, räusperte sich ihr Verlobter Steven in gespielter Empörung.

Lachend stellte Miranda die beiden einander vor.

„So, und jetzt müssen wir uns unbedingt auf den letzten Stand bringen“, sagte sie zu Saira. „Entschuldige uns bitte kurz, Steven! Hast du schon etwas gegessen, Saira?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin gerade erst gekommen.“

Arm in Arm gingen sie zu dem ausladenden Buffet, das drinnen aufgebaut worden war. Sie nahmen sich reichlich davon und ließen sich dann auf einem der Loungesofas nieder.

„Wirst du jetzt in London bleiben?“, erkundigte Miranda sich.

„Also, erst einmal schon. Das hängt davon ab, wie schnell ich hier einen Job finde.“

„Und wo wohnst du jetzt? Bei deinen Eltern?“

Sie zog ein Gesicht. „Ja, noch, aber ich werde bald ausziehen. Meine Eltern sind für sechs Monate nach Indien geflogen.“

„Warum musst du dann ausziehen?“

„Weil Ravi noch dort ist, und um ehrlich zu sein, geht er mir ein bisschen auf den Wecker mit seiner Überfürsorge. Schließlich bin ich schon achtundzwanzig, aber das scheint meine Familie nicht zu merken. Deshalb dachte ich, ich ziehe demnächst in ein Bed and Breakfast und suche mir dann eine passende Wohnung.“

Miranda nickte und sah sie beifällig an. „Du hast dich ganz schön verändert, oder? Früher hast du immer getan, was deine Familie von dir wollte. Aber du musst doch nicht in ein Bed and Breakfast ziehen, bestimmt hat Nathan ein Zimmer für dich in einem seiner Hotels. Habt ihr euch schon getroffen? Er wird dir bestimmt gern helfen.“ Miranda sah sich suchend in der Menge nach ihrem Bruder um.

„Nein, nein, das ist nicht nötig“, protestierte Saira schnell. „Jetzt erzähl mir mal ein bisschen mehr über dich und Steve. Ist er wirklich der Märchenprinz, nach dem du dich immer gesehnt hast?“

„O ja, das ist er.“ Plötzlich hatte ihre Freundin Tränen in den Augen. „Bevor ich ihn getroffen habe, habe ich daran gezweifelt, dass es so etwas wie Liebe überhaupt gibt. Die Scheidung meiner Eltern damals war doch so schrecklich für mich! Aber er hat mich eines Besseren belehrt.“

Saira griff nach der Hand ihrer Freundin und drückte sie. „Das klingt wunderbar romantisch. Also los, erzähl mir alles über ihn, und zwar von Anfang an!“

Eigentlich liebte Nathan seine Schwester, aber in diesem Moment hätte er ihr am liebsten den Hals umgedreht. Seitdem sie verlobt war, lebte Miranda in einer Fantasiewelt und wollte, dass alle unbedingt genauso glücklich waren wie sie selbst. Natürlich würde er ihr jederzeit gern einen Gefallen tun und Saira eine Unterkunft besorgen. Aber wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den Kontakt zu Saira am liebsten auf ein Minimum beschränkt.

Schließlich hatte er seine Pflicht als Gastgeber bereits erfüllt, als er sie auf der Party willkommen geheißen hatte. Dann war ihr Gespräch jäh unterbrochen worden, was ihm gar nicht so unlieb gewesen war, denn eigentlich wollte er nicht mir ihr sprechen.

Sein Leben war gerade genau so, wie er es sich wünschte. Seiner Familie ging es gut, und wenn ihm danach zumute war, konnte er sich jederzeit mit schönen Frauen treffen, ohne sich dabei auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen. Sein Business wurde immer erfolgreicher, und wenn er sein neuestes Projekt noch vor Weihnachten beenden könnte, würde die Haynes Gruppe das größte Bauunternehmen für ökologische Luxusresorts weltweit sein.

Saira war der einzige kleine Fleck am Horizont.

Er hatte seinen Assistenten sofort gebeten, ihr eine Suite in seinem Hotel in Mayfair zu reservieren. Jetzt musste er sie nur noch suchen, um es ihr mitzuteilen, und zwar am besten persönlich.

In diesem Moment kehrte Saira auf die Dachterrasse zurück, und sein Blick wurde wie magnetisch von ihr angezogen. Das schwarze Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt, aus dem einige lockigen Strähnen sanft ihr Gesicht umrahmten. Sie war dezent, aber sehr gekonnt geschminkt, was neu für sie war. Aber schließlich war es ja auch Jahre her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten.

Ihr Cocktailkleid zeigte jene verführerischen Rundungen, die es ihm schon immer angetan hatten. Dafür, dass sie so zierlich wirkte, waren ihre Beine ganz schön lang. Das Rot des Kleids war genau ihre Farbe, sie ließ ihren goldbraunen Hautton vorzüglich zur Geltung kommen.

Nathan sah, dass sie stehenblieb, sich auf die Unterlippe biss und unschlüssig umschaute. Eigentlich war sie ja nicht schüchtern, aber es konnte gut sein, dass sie hier niemanden kannte und sich daher ein bisschen unsicher fühlte.

Kurz entschlossen schnappte er sich zwei Gläser Champagner vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners und ging damit auf sie zu.

Er reichte ihr eins der Gläser und sagte ohne Umschweife: „Ich habe mir erlaubt, dir eine Suite in unserem Hotel in Mayfair zu reservieren. Wenn du möchtest, kannst du dort gleich einziehen.“

„Wie bitte?“, fragte sie entgeistert und sah ihn aus ihren braunen Augen erstaunt an.

„Miranda hat mich gebeten, eine Unterkunft für dich zu organisieren. Die Suite ist jetzt auf deinen Namen gebucht.“

Saira seufzte. „Deine Schwester meint es bestimmt gut, aber das ist nicht nötig. Ich habe schon etwas zum Wohnen.“

„Ach ja?“

Sie erklärte ihm die Situation mit ihren Eltern.

„Fliegen sie immer noch regelmäßig nach Kalkutta, zum Fest der Durga Puja?“, erkundigte er sich.

Sie lächelte ihn überrascht an. „Daran erinnerst du dich?“

„Na klar, was glaubst du denn?“ Dann wechselte er das Thema. „So, was ist jetzt mit der Suite? Ich helfe dir wirklich gern.“

„Das ist nett von dir“, erwiderte sie nun etwas kühl. „Aber das ist nicht nötig, wie ich Miranda bereits gesagt habe. Ich komme sehr gut allein zurecht.“

Verdammt, wie hatte er nur vergessen können, wie stur sie war?

„Es würde sie bestimmt sehr glücklich machen, wenn du mein Angebot annehmen würdest“, erwiderte er.

Diese Taktik schien zu funktionieren, denn nach kurzem Zögern nickte Saira schließlich ergeben.

„Na gut, wie du meinst. Okay, ich nehme dein Angebot an.“

Lächelnd reichte er ihr seine Visitenkarte. „Ruf bitte diese Nummer an, dann wirst du alles Weitere von meinem Assistenten erfahren.“

Sie standen ein paar Augenblicke wortlos voreinander und vermieden es, sich anzuschauen. Schließlich blickte Nathan zu einer Gruppe hinüber, in der seine Schwester mit ihrem Verlobten stand. Alle lachten und unterhielten sich angeregt.

„Die beiden scheinen sehr glücklich miteinander zu sein“, bemerkte Saira ein bisschen wehmütig.

Er nickte. „O ja, Steve ist ein toller Typ. Trotzdem überrascht es mich ein bisschen, dass Miranda unbedingt heiraten will.“

Saira atmete tief durch. „Das wundert mich nicht. Deine Ansichten in Bezug auf die Ehe haben sich also nicht geändert?“

„Bestimmt nicht“, erwiderte er mit Nachdruck. „Und eigentlich waren das auch ihre Ansichten.“

„Vielleicht ist sie ja ein bisschen reifer geworden“, erwiderte sie spitz.

Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, denn das war wieder die Frau, die er kannte und die ihn oft durch ihre direkten Bemerkungen verstört hatte.

„Ich denke, das ist allein dem Prinzip Hoffnung zu verdanken“, entgegnete er anzüglich. „Die Hoffnung siegt immer über die Erfahrung.“

„Erfahrung? Redest du von deinen Eltern?“

„Nicht nur. Ich nehme an, du weißt, wie hoch die Scheidungsrate in England ist, oder?“

Sie schüttelte den Kopf. „Aber das wirst du Miranda doch hoffentlich nicht gesagt haben, oder? Sonst würde sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr mit dir sprechen.“

„Natürlich nicht, was denkst du von mir?“

Er würde sich nie in das Leben seiner Schwester einmischen, das war einer seiner eisernen Grundsätze. Aber nach der Scheidung seiner Eltern war er immer zynischer geworden, was Beziehungen betraf. Er wünschte Miranda alles Glück der Welt, aber selbstverständlich würde er für sie da sein, falls ihre Ehe mit Steve nicht funktionieren sollte. So wie er auch stets für seine Mutter dagewesen war, wenn ihr Ehemann sie wieder einmal verlassen hatte.

Nie würde er den Tag vergessen, als er mit zwölf Jahren aus der Schule nach Hause kam und seine Mutter im Bett vorfand. Sie hatte nicht einmal die Kraft gehabt, sich umzuziehen. Ihre Depressionen waren für ihn ein großer Schock gewesen. Trotzdem hatte er sich rührend um sie gekümmert, hatte sogar Essen für alle gekocht, bis seine Mutter langsam wieder in die Normalität zurückkehrte. Alles schien perfekt zu sein, bis sein Vater wieder in ihr Leben trat, als wäre nichts passiert.

Danach hatte sich eine Art Muster etabliert, das die nächsten zehn Jahre andauern sollte. Ihr Vater kehrte so lange wieder nach Hause zurück, bis er sich dort langweilte. Dann war er weg, und Nathan musste sich erneut um seine Mutter und Miranda sowie die beiden jüngeren Schwestern kümmern. Schließlich hatte er sich sogar dazu entschieden, in Oxford zu studieren, um immer in der Nähe seiner Familie sein zu können.

Als ihr Vater dann endgültig mit seiner neuesten Freundin nach Australien zog, war Nathan Anfang zwanzig gewesen. Mit großer Erleichterung hatte er miterlebt, wie seine Mutter die Scheidungspapiere unterzeichnet hatte. Und damit endete dieser ewige Zyklus des Missbrauchs.

Doch er selbst hatte daraus den Schluss gezogen, nie zu heiraten und sich auch nie auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen! Wenn andere sich vorgaukeln wollten, dass so etwas wie eine glückliche Ehe existierte, dann sollten sie das tun. Nathan blieb bei seiner Entscheidung!

„Aber trotz deiner pessimistischen Haltung hast du diese Feier für Miranda ausgerichtet“, sagte Saira in diesem Moment und brach damit in seine Gedanken ein.

„Natürlich, ich würde alles für meine Schwester tun“, erwiderte er.

Saira war die beste Freundin seiner Schwester, daher würde Miranda sie auch bestimmt in die Hochzeitsvorbereitungen mit einbeziehen. Wahrscheinlich würde es sich daher gar nicht vermeiden lassen, dass sie sich auch in Zukunft über den Weg laufen würden.

„Sag mal, was hältst du davon, wenn wir demnächst mal einen Kaffee trinken würden?“, schlug er vor. „Vielleicht können wir ja über ein paar Themen der Vergangenheit hinwegkommen.“

„Ach, du denkst also, wir hätten Themen, die wir lösen müssen?“

„Was denkst du denn? Wir sind praktisch miteinander aufgewachsen, trotzdem sind wir beide total verkrampft bei dieser Unterhaltung. Hältst du das etwa für normal?“

Saira hob die Brauen, als sie seinen sarkastischen Ton hörte. Bis jetzt war Nathan ihr gegenüber höflich, wenn auch ein bisschen distanziert gewesen. Was wohl bedeutete, dass er nichts mehr für sie empfand. Doch jetzt klang es fast so, als wäre er wütend.

Das war ja verrückt – wenn jemand Grund hatte, wütend zu sein, war wohl sie es. Aber vielleicht hatte er recht, und es gab tatsächlich Themen von früher, die sie lösen mussten.

In diesem Moment erschien Miranda, die ihre Arme um beide legte. „Hey, meine beiden Lieblingsmenschen, wie schön, dass ihr da seid. Nathan, kannst du es fassen, dass wir unsere Saira zurückhaben?“

„Ja, das ist toll“, erwiderte er mit einem spürbaren Mangel an Begeisterung. „Kann es sein, dass du ein bisschen beschwipst bist?“

„Nein“, erwiderte sie lachend und schüttelte den Kopf. „Ich bin nur so unglaublich glücklich. Denn ich werde den besten Mann der Welt heiraten, ich habe den besten aller Brüder, und meine beste Freundin ist zurück in London. Kann man sich überhaupt noch mehr wünschen?“

Plötzlich stutzte sie und riss die Augen auf. Saira sah sie misstrauisch an, denn sie kannte ihre Freundin und deren spontane Ideen.

„Sag mal, wie fändest du es, wenn du mit Steve und mir auf Tauchurlaub gehen würdest? Wir werden in einem von Nathans Resorts wohnen, ein paar von Steves Freunden kommen auch mit. Das wird bestimmt super.“

Saira schüttelte den Kopf. „Wirklich nett von dir, mich einzuladen, Miranda. Aber ihr habt das doch bestimmt schon länger geplant. Und übrigens kann ich gar nicht tauchen.“

„Ich auch nicht“, erwiderte ihre Freundin. „Wir könnten es doch lernen. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wirklich. Wir hätten endlich Zeit und könnten stundenlang miteinander klönen.“

„Aber … gibt es denn überhaupt noch Flüge? Und Zimmer?“ Hilfesuchend sah sie Nathan an.

„Das Resort ist tatsächlich ausgebucht, tut mir echt leid“, sagte er schnell.

„Dann kann Saira in unserer Hütte wohnen“, beharrte Miranda.

„Wie bitte? In einer Hütte mit einem verliebten Paar? Ganz bestimmt nicht!“, erwiderte sie bestimmt. Ihre Freundin wusste nie, wann sie zu weit ging.

Doch so schnell gab Miranda nicht auf. „Was ist mit dir?“, fragte sie ihren Bruder herausfordernd. „Du wolltest doch auch mitkommen, und soweit ich weiß, hast du im Moment keine feste Freundin. Na, was sagst du dazu?“

Saira und Nathan tauschten besorgte Blicke.

„Bitte, Nathan!“

Er seufzte resigniert. „Also, von mir aus kann Saira meine Hütte haben. Und ich kann bei einem von Steves Freunden unterkommen. Schließlich haben wir ja nur für vier Nächte gebucht.“

„Wunderbar!“, jauchzte Miranda und klatschte in die Hände. „Dann werde ich gleich Steve Bescheid sagen.“ Sie schenkte den beiden noch ein strahlendes Lächeln und setzte sich dann in Bewegung.

Saira sah ihr kopfschüttelnd nach. „Wie ich sehe, ist deine Schwester immer noch ein Bulldozer.“

Er nickte. „Ja, sie ist ein richtiger Kontrollfreak.“

„Das scheint in eurer Familie ja keine Seltenheit zu sein.“

Er runzelte die Stirn. „Was willst du damit sagen?“

Sie seufzte, denn eigentlich hatte sie ihn nicht provozieren wollen. „Wie hoch sind die Chancen, dass Miranda sich diese verrückte Idee aus dem Kopf schlägt?“

„Sie liegen bei null. Am besten, du fängst gleich an zu packen.“

Saira lachte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so knapp noch ein Flugticket bekomme.“

„Das ist kein Problem. Hast du einen gültigen Pass?“

„Na klar.“

„Gut, dann sind die Würfel gefallen. Du wirst auf jeden Fall mitkommen. Kontaktiere bitte meinen Assistenten, er wird dir alle Details mitteilen, die du wissen musst.“

Skeptisch schüttelte sie den Kopf. „Also, ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass deine Schwester uns verkuppeln will.“

„Kann sein. Aber wenn, dann nur, weil sie keine Ahnung hat.“

„Ahnung wovon?“

„Dass wir es schon versucht haben – und krachend gescheitert sind.“

2. KAPITEL

Eine Hütte?!

Saira konnte es kaum fassen, dass Nathan ihre Unterkunft als eine solche bezeichnet hatte. Denn die einzige Übereinstimmung zwischen ihrer Definition einer Hütte und dem traumhaften Bungalow des Haynes Beach Resorts war ihrer Einschätzung nach das Baumaterial.

Denn zur genauen Beschreibung gab es nur ein Wort: luxuriös. Das Resort war ein kleines Paradies auf einer Privatinsel in der Nähe von Gozo. Ihre Unterkünfte, die Beach Huts, bestanden aus einer Gruppe von sechs Bungalows, die sich unweit des Hotels befanden und mit allem versehen waren, was man sich als Gast nur wünschen konnte.

Fast kam es ihr ein bisschen surreal vor, dass sie dort war. Aber natürlich gab es im Leben keinerlei Grenzen, wenn man reich war und über unbeschränkte Mittel verfügte. Und selbst Flugtickets waren kein Problem, wenn man ein eigenes Flugzeug hatte.

Im Bungalow selbst gab es ein geräumiges Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Der Wohnbereich bestand aus einer gemütlichen Loungeecke, einem kleinen Esstisch und einer Bar. Direkt daneben lag die kleine Küche, in der man sich Essen in der Mikrowelle zubereiten oder auch einen Tee machen konnte. Staunend trat sie ans Fenster und betrachtete den Außenbereich mit einer hölzernen Terrasse, Outdoormöbeln und einem Whirlpool.

Bei der Aussicht, darin zu liegen, an einem kühlen Glas Wein zu nippen und das türkisfarbene Wasser des Meeres zu betrachten, entspannte sie sich sofort.

„Ich nehme an, du erwartest von mir als Gentleman, dass ich dir das Bett anbiete, oder?“

Nathans Stimme brach in ihre Gedanken ein, und ihre gute Laune verschwand schlagartig. Die einzige Wolke am Himmel bestand für Saira nämlich darin, dass sie den Bungalow nun doch mit ihm teilen musste, da in jedem der anderen Bungalows Pärchen untergebracht waren. Andererseits war sie durchaus neugierig darauf, herauszufinden, wie Nathan sich in den letzten Jahren verändert hatte. Außerdem konnte man das Sofa im Loungebereich ausziehen, das hatte sie bereits überprüft.

„Nein, ich erwarte gar nichts von dir, Nathan“, sagte sie daher leicht frostig und zwang sich zu einem Lächeln. „Mir reicht das Sofa. Ansonsten kann ich natürlich auch gern ins Hotel ziehen, wenn dir das lieber ist.“

Er schüttelte den Kopf. „Miranda wird das nicht zulassen. Es ist für alle viel entspannter, wenn du hierbleibst.“

Saira ließ sich wortlos aufs Sofa fallen und schloss die Augen. Einen Moment lang bedauerte sie ihren Entschluss, sich auf diesen Kurzurlaub eingelassen zu haben. Aber Miranda hatte darauf bestanden. Sie wusste ja nichts von der gemeinsamen Vergangenheit von Saira und Nathan.

Er sah sie an und seufzte. „Lass uns doch versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, okay?“

Sie zögerte kurz und nickte dann.

„Für mich ist es schließlich auch nicht leicht“, setzte er hinzu. „Oder denkst du, es macht mir Spaß, den Bungalow mit meiner Ex-Freundin zu teilen?“

Saira riss die Augen auf. „Ex-Freundin? So siehst du mich also?“

„Natürlich, was denn sonst? Seit du damals nach Amerika abgehauen bist, hast du für mich diesen Stempel weg.“

Sie biss sich auf die Lippen. Das war ja eine interessante Deutung der Ereignisse von damals. Schließlich hatte sie immer vorgehabt, in den Staaten zu studieren und war nach dem Beziehungsaus nur etwas früher abgeflogen als ursprünglich geplant.

„Das ist doch schon ewig her“, sagte sie verärgert.

Vielleicht hätte sie ihrer Freundin erzählen sollen, was damals passiert war. Denn ihre gemeinsame Geschichte stand jetzt zwischen ihnen, das ließ sich nicht leugnen.

Sie gab sich einen Ruck. „Hör zu, du hast doch gesagt, wir sollten unsere Themen angehen und über alles sprechen. Vielleicht ist das ja eine gute Idee.“

„Jetzt gleich?“, fragte er verwundert.

„Warum nicht?“

„Na gut, wenn du möchtest.“

Sie schloss die Augen, zählte bis zehn und dachte kurz nach. Die ganze Zeit, in der sie zusammen gewesen waren, war es nie um ihre Bedürfnisse gegangen. Sie atmete ein paarmal tief durch.

„Saira“, brach Nathan in ihre Gedanken ein, „das braucht keine große Selbstanalyse. Wir müssen nicht jedes Detail unserer Vergangenheit wieder aufwärmen. Im Gegenteil, ich finde, wir sollten einen Schlussstrich ziehen und mit unserem Leben voranschreiten. Außerdem will ich Miranda auf keinen Fall ihre Hochzeit verderben, das hat für mich oberste Priorität.“

Sie nickte. „Für mich auch. Aber wir können nicht so tun, als wäre die Vergangenheit nicht passiert. Ja, wir waren damals noch jung, aber wir waren eine Weile zusammen und keiner von uns beiden kann behaupten, dass es gut zu Ende gegangen ist.“

„Stimmt. Aber ich sehe auch keine Notwendigkeit, das Ganze über Gebühr aufzublasen. Schließlich ist die Sache schon lange vorbei, und du warst in der Zwischenzeit ja auch verheiratet.“

„Ich war verheiratet, und du hast eine Freundin nach der anderen gehabt“, gab sie hitzig zurück.

Ihre Blicke trafen sich und fochten einen stummen Kampf aus. Es war klar, dass keiner von beiden so schnell nachgeben würde.

Ausgerechnet in diesem Moment klingelte Nathans Handy. Er sah auf das Display, entschuldigte sich und wechselte ein paar Worte mit dem Anrufer. Saira atmete erleichtert auf, sie hatte also noch eine kleine Verschnaufpause gewonnen.

Er beendete das Gespräch und strich sich nervös durchs Haar. „Leider sieht es so aus, als müsste ich bis mittags arbeiten. Wir sehen uns also zum Lunch mit den anderen. Wir müssten unser Gespräch dann später weiterführen.“

Saira zuckte die Schultern. Es wunderte sie nicht, dass Nathans Leben von der Arbeit diktiert wurde, auch wenn sie darüber ein bisschen enttäuscht war. Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie er sich damals bei ihr beschwert hatte, weil sein Vater aus genau demselben Grund nie Zeit für seine Familie gehabt hatte.

Sie nickte. „Gut, so machen wir es. Und bis dahin lass uns doch um Mirandas willen so tun, als wären wir wieder Freunde, okay?“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, und nach kurzem Zögern ergriff Nathan sie und drückte sie.

„Abgemacht.“

Bei der Berührung durchzuckte es sie wie ein elektrischer Schlag. Sie zog ihre Hand schnell wieder zurück, stand auf und trat hinaus auf die Terrasse. Nach der klimatisierten kühlen Luft im Raum schlug ihr die mediterrane Nachmittagswärme ins Gesicht.

Glücklicherweise würde sie in den nächsten Tagen nicht mehr Zeit mit Nathan allein verbringen, als unbedingt nötig war. Und das war auch gut so, denn ihr Treffen hatte unweigerlich Erinnerungen an die Vergangenheit wachgerufen.

Was keinen Sinn hatte, darin gab sie ihm recht. Sie hatten nie eine Zukunft gehabt, so viel stand fest, auch wenn sie es sich anders gewünscht hätte.

In diesem Moment klopfte es an der Tür, und ihr Gepäck wurde gebracht. Sie nahm ihren Koffer und ging damit ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen, während Nathan bereits an seinem Laptop saß.

Saira sah auf ihre Armbanduhr und zog einen Bikini und ein leichtes Sommerkleid aus ihrem Koffer. Sie war zwar mit Miranda zum Lunch verabredet, doch bis dahin war noch eine Stunde Zeit. Zeit, die sie mit einem E-Book am Pool verbringen konnte, und vielleicht würde sie auch eine Runde schwimmen.

Nathan war immer noch am Arbeiten, diktierte Anweisungen ins Telefon und bemerkte gar nicht, dass sie den Raum verließ.

Nachdem Saira es sich draußen auf einer Sonnenliege bequem gemacht hatte, erschien ein Hotelangestellter, der ihr ein frisches Badetuch reichte, den Sonnenschirm für sie zurechtrückte und ihr eine kleine Speisekarte in die Hand drückte, von der sie sich Cocktails oder Snacks bestellen konnte.

Sie wusste nicht, ob dieser Service ihr allein galt, weil sie die Einzige am Pool war, merkte aber, dass sie sich schon darauf freute, Nathans Freunde kennenzulernen. Sie hatten sich im Flugzeug zwar kurz begrüßt, aber bis jetzt hatte sie noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich eingehender mit ihnen auszutauschen.

Nathans Freunde waren allesamt attraktive Männer Anfang dreißig. Alle vier waren unverheiratet und sehr vermögend, und sie hatte inzwischen erfahren, dass Nathan sich regelmäßig mit ihnen traf. Einmal im September, um miteinander Urlaub zu machen, und dann wieder im März, zum berühmten Frühlingsball der Familie Talbot. Und jedes Mal hatte jeder der Männer eine andere weibliche Begleitung dabei. Deshalb wurden sie von der Presse, die diese Treffen stets kommentierte, auch „Die Sechs-Monate-Männer“ genannt.

Kurz dachte sie über die Möglichkeit nach, mit einem von Nathans Freunden zu flirten, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Warum sollte sie etwas mit jemandem anfangen, der sich nur für sechs Monate auf eine Beziehung einließ? Viel wichtiger als ein Flirt war für sie, ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Alles andere musste warten.

Nathan sah auf seine Uhr. Vier Uhr nachmittags. Er hatte nach dem Lunch doch wieder länger arbeiten müssen, als er erwartet hatte, was ihn ziemlich frustrierte.

Er zog ein Gesicht. Im Gegensatz zu seinem Vater, der ein richtiger Workaholic gewesen war, zeigte der jährliche Urlaub mit seinen Freunden, dass seine Work-Life-Balance in Ordnung war und dass man immer Pausen von der Arbeit machen konnte, wenn man das auch wirklich wollte.

Er verließ den Businessbereich des Hotels und machte sich in einem Golfwagen auf den Rückweg zu den Bungalows. Doch der Anblick, der ihn dort erwartete, ließ ihn innehalten.

Saira lag auf einer Sonnenliege, umgeben von seinen vier Freunden, die alle angeregt auf sie einredeten. Die Partnerinnen seiner Freunde waren zwar auch am Pool, aber Nathan nahm sie nur am Rande wahr. In diesem Moment machte offensichtlich einer seiner Freunde eine witzige Bemerkung. Saira lachte laut, und sein Atem stockte.

Denn dieses Lachen würde er nie vergessen. Es war tief und herzlich, schien direkt aus ihrem Bauch zu kommen. Schon so lange hatte er es nicht mehr gehört, und erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr er diesen Klang vermisst hatte.

Es wunderte ihn auch nicht, dass es ihr gelungen war, seine Freunde in ihren Bann zu ziehen. Was ihm allerdings gar nicht gefiel, obwohl er ihnen blind vertraute.

Als er auf die vergnügte Gruppe zuging, zogen sich seine Freunde mit wissendem Lächeln von Saira zurück und widmeten sich wieder ihren Begleiterinnen. Nathan runzelte die Stirn. Hoffentlich gab es hier keine Missverständnisse. Schon beim Lunch vorhin hatte er peinlich darauf geachtet, dass zwischen ihnen keine Vertrautheit entstand. Saira war Mirandas beste Freundin, nicht mehr und nicht weniger.

Allerdings hatte er sie wohl die ganze Zeit angestarrt, bis sein Freund Bastien Talbot, der neben ihm saß, ihn darauf aufmerksam gemacht hatte …

„Na, alles in Ordnung?“, fragte er Saira, als er vor ihr stand.

„O ja, ich fühle mich schon total entspannt“, gab sie lächelnd zurück.

Nathan konnte den Blick nicht von ihr wenden, denn in ihrem kurzen Sommerkleid sah sie einfach hinreißend aus.

„Und bei dir? Hast du deine Arbeit erledigt?“

Er nickte. „Ja, fürs Erste schon. Ich hoffe, heute noch ein paar Deals abzuschließen, aber das wird mich nicht von unserem Tauchgang abhalten können. Allerdings kann es sein, dass ich vor und nach dem Dinner noch einmal telefonieren muss. Sag mal, wo sind denn Miranda und Steve?“ Er sah sich suchend um.

„Sie machen einen Spaziergang rund um das Resort. Ich glaube, sie wollten mal allein sein.“

Saira zwinkerte ihm zu. Plötzlich musste er wieder an die Zeit denken, als sie beide noch jung gewesen waren. Inzwischen war sie zu einer wunderschönen Frau geworden, und er musste sich gestehen, dass ihre Nähe ihn nicht unberührt ließ. Aber das war normal, er war schließlich ein Mann.

Um ihrer Schwester willen musste es ihnen gelingen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Was bedeutete, sie mussten sich wie Bekannte verhalten, und niemand durfte ahnen, dass einmal mehr zwischen ihnen gewesen war.

„Bist du okay?“ Ihre Frage riss Nathan aus seinen Gedanken, und er merkte erst jetzt, dass er verstummt war.

„Ja, mir geht’s gut. Aber ich finde, dass wir unser Gespräch bald hinter uns bringen sollten, und dafür brauchen wir ein bisschen Zeit.“

„Was das Gespräch betrifft … Ich habe darüber nachgedacht und ich glaube, du hast recht.“

Er hob die Brauen und sah sie erstaunt an. „Das ist ja eine Seltenheit, dass du mir mal recht gibst! Und womit genau habe ich recht?“

„Wegen unseres Gesprächs. Man muss das Ganze auch nicht zu sehr aufbauschen. Du meintest doch, wir könnten einfach einen Schlussstrich unter das ziehen, was gewesen ist. Ich bin deiner Meinung.“

„Prima, dann haben wir das geklärt. Wir sind beide erwachsen und können zivilisiert miteinander umgehen.“

„Zivilisiert?“ Sie klang amüsiert. „Nun ja, vielleicht hilft uns dieser Kurzurlaub ja, wieder Freunde zu sein.“

Freunde? Er dachte kurz darüber nach, ob eine Freundschaft mit Saira für ihn möglich wäre. Auf jeden Fall würde es schwierig werden, so viel war ihm klar. Außerdem gehörte sie ja zu der Sorte von Frauen, die unbedingt heiraten oder wenigstens eine lange Beziehung haben wollte, im Gegensatz zu ihm. Für sie beide hatte es nie eine Zukunft gegeben, und eine Freundschaft würde nicht leicht sein.

„Hör zu, Saira, ob wir Freunde werden können, weiß ich nicht. Aber wir können es auf jeden Fall vermeiden, Feinde zu sein. Ein Spaziergang am Strand wäre ein guter Anfang.“

Sie runzelte die Stirn, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Okay. Gib mir ein bisschen Zeit, damit ich mich umziehen kann. Mein Badeanzug ist immer noch feucht.“

Das ließ ihn sofort wieder an ihre herrlichen Kurven denken, und sein Mund wurde ganz trocken.

„Nathan?“, fragte sie verwirrt.

Er räusperte sich und war froh darüber, als Bastien in diesem Moment erschien und ihnen verkündete, dass sie Beachvolleyball spielen wollten.

„Saira und ich möchten ein bisschen spazieren gehen“, erwiderte Nathan. „Aber wir können uns nachher alle zum Nachmittagstee am Strand treffen. Ich kümmere mich darum.“

„Ja, und ich komm gleich nach“, sagte sie und ging in Richtung ihres Bungalows. Die beiden Männer sahen ihr nach.

„Das ist also die geheimnisvolle Saira“, bemerkte Bastien.

„Also, geheimnisvoll würde ich sie nicht nennen.“

„Ach nein? Du hast mir damals doch immer von ihr erzählt. Aber vorgestellt hast du sie mir nie.“

„Weil wir nicht mehr zusammen waren, als ich meinen Abschluss an der Uni gemacht habe. Deshalb hatte ich auch nicht die Gelegenheit, sie euch vorzustellen.“ Nathan sah seinen Freund an. „Und ich habe nicht immer von ihr erzählt.“

„Nein?“ Bastien zwinkerte ihm zu.

„Ist doch auch egal, das Ganze ist lange vorbei.“

„Interessant. Dann ist sie also solo? Wir haben uns nämlich darüber unterhalten und …“

Obwohl Nathan wusste, dass sein Freund ihn nur auf den Arm nehmen wollte, gefiel ihm das gar nicht.

„Du hast doch eine Freundin“, entgegnete er heftig.

Bastien zuckte die Schultern. „Ja, noch. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird.“

„Was auch immer das sein wird, Saira ist tabu. Für dich und für die anderen auch.“

Er setzte sich in Bewegung, bekam Bastiens Grinsen aber noch mit. Verdammt, was war nur mit ihm los? Er war bestimmt nicht eifersüchtig, das wäre ja lächerlich. Saira war die beste Freundin seiner Schwester, er wollte sie nur beschützen. Das war alles.

Er hatte keine anderen Gefühle für Saira.

Auf gar keinen Fall!

3. KAPITEL

Eigentlich war ein Spaziergang am Meer ja sehr romantisch. Vor ihnen ging die Sonne unter, und die Wellen klatschten an ihre nackten Füße. Aber Saira war alles andere als entspannt. Sie betrachtete die anderen in der Ferne beim Volleyballspiel und wünschte sich, dabei sein zu können.

Sie war mit Nathans Vorschlag, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, durchaus einverstanden. Denn was würde es schon bringen, darüber zu sprechen? Sie hatte kein Verlangen danach, den ganzen Kummer ihres gebrochenen Herzens wieder aufleben zu lassen.

Und auch wenn sie sich bei den Vorbereitungen zu Mirandas Hochzeit gewiss hin und wieder über den Weg laufen würden, brauchten sie nur sporadisch Kontakt zu haben. Denn nachdem Nathan ihr vorgeworfen hatte, damals abgehauen zu sein, ging sie davon aus, dass ihre Erinnerungen an die Vergangenheit sehr unterschiedlich waren. Und das Wiederaufleben dieser Erinnerungen würde jede ihrer Begegnungen unangenehm machen.

Miranda war ein bisschen überrascht gewesen, als sie ihr angekündigt hatten, dass sie einen Spaziergang am Strand machen wollten. Denn natürlich klang das wie etwas, was sonst nur Paare taten. Und sie mussten den Eindruck, dass sie so etwas wie eine Beziehung haben könnten, unbedingt vermeiden.

Vorhin hatte Bastien sie bereits damit aufgezogen, dass es eine merkwürdige, fast schon sexuelle Spannung zwischen ihnen zu geben schien. Aber das ergab keinen Sinn. Ihres Wissens nach hatte Nathan sie während des Essens kein einziges Mal angeschaut.

Eine sexuelle Spannung bestand zwischen ihnen doch bestimmt nicht, oder? Spannung ja, sexuell nein. Natürlich, sie fand ihn weiterhin sehr attraktiv, doch das bedeutete schließlich nichts.

Verstohlen betrachtete sie Nathan von der Seite. Er trug ein Paar Shorts und ein T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper betonte. Plötzlich merkte sie, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, und sie atmete tief durch.

Dabei war ihre Reaktion auf ihn doch völlig normal, schließlich war sie eine Frau. Eigentlich sollte sie sich darüber freuen, dass er sie nicht unberührt ließ, denn eigentlich hatte sie geglaubt, dass ihr Interesse für Männer nach dem Tod ihres Ehemanns erloschen wäre.

Dass sie ihn attraktiv fand, bedeutete ja noch nicht, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Schließlich durfte sie seine Persönlichkeit nicht vergessen, die sie alles andere als anziehend fand.

Denn Nathan gehörte zu den Menschen, die immer alles kontrollieren wollten. Beim Essen hatte sie das wieder festgestellt. Er hatte alles organisiert und war sogar unter seinen Freunden derjenige, an den sich alle wandten. Eine geborene Führungsperson eben, obwohl es natürlich auch etwas damit zu tun haben konnte, dass sie in seinem Resort wohnten.

Wie dem auch sei, all dies konnte sie jedenfalls nicht gebrauchen.

Nathan war ein Teil ihrer Vergangenheit, er gehörte für sie zu einem anderen Leben, das sie hinter sich gelassen hatte. Nach ihrer Trennung hatte sie nach jemandem gesucht, dem sie auf Augenhöhe begegnen konnte. Jemand, der ihr gleichgestellt war und der sie als Partnerin behandelte. Jemand wie Dilip.

Sie blieb stehen und sah aufs Meer hinaus. Es war jetzt zwei Jahre her, dass ihr Ehemann von ihr gegangen war. Ja, sie vermisste ihn immer noch, aber der Schmerz wurde jeden Tag erträglicher. Sie musste nach vorne blicken, mit ihrem Leben voranschreiten. Und sie war bereit dazu.

„Gibt es etwas, worüber du reden willst?“, fragte sie Nathan, und er nickte.

„Ja. Lass uns doch zuerst mal über das sprechen, worin wir übereinstimmen. Unsere erste Priorität ist Miranda, oder?“

„Natürlich.“

„Es gibt nur wenige Leute, die wissen, dass wir einmal zusammen waren. Daher sollten wir es auch für uns behalten, denke ich. Wir waren damals sehr jung, und in diesem Alter einen Fehler zu machen, ist ganz natürlich.“

Sie sagte darauf nichts und hörte ihm weiter zu.

„Andererseits … Ich habe schon den Eindruck, dass du dich in meiner Gegenwart irgendwie unwohl fühlst. Das wird bestimmt auch den anderen auffallen.“

„Ich fühle mich bei dir nicht unwohl“, widersprach sie, obwohl ihr klar war, dass es eine Lüge war. „Ob du’s glaubst oder nicht, ich bin schon lange über das Ganze hinweg. Bitte vergiss nicht, dass ich verheiratet war. Und du hattest seitdem offensichtlich auch eine Menge Freundinnen. Warum sollte ich mich also in deiner Gegenwart nicht wohlfühlen?“

Er blieb stehen und sah sie eindringlich an. „Keine Ahnung, aber immer, wenn du über meine angeblich so zahlreichen Freundinnen sprichst, habe ich das Gefühl, als würde es dich stören.“

Sie lachte. „Du täuschst dich, das ist mir total egal. Bitte glaub mir, für mich bist du nur noch der Bruder meiner besten Freundin. Nicht mehr und nicht weniger.“

Es wirkte so, als wollte er noch etwas sagen. Doch dann entschied er sich anders, nickte knapp und setzte sich wieder in Bewegung. „Gut, dann haben wir das ja geklärt.“

Saira atmete tief aus und merkte erst jetzt, wie angespannt sie gewesen war. Doch sie war erleichtert darüber, dass sie jetzt das Thema wechseln konnte.

„Es ist wunderschön hier“, sagte sie und sah sich am Strand um. „Und dein Resort kann sich wirklich sehen lassen. Bestimmt ist deine Familie sehr stolz auf dich.“

Nathan sah sie verblüfft an, als ob er selbst nie auf diesen Gedanken gekommen wäre. „Also, wenn du’s genau wissen willst … Nur Miranda hat sich bisher Hotels von mir angeschaut, die nicht in England sind. Meine Mutter verreist nicht mehr viel, und Beatrice und Juliet ziehen es vor, mit ihren Freundinnen woanders Urlaub zu machen. Ich habe ihnen natürlich kostenlose Unterkunft angeboten, aber sie wollen lieber unabhängig sein.“

Saira lächelte über diesen Widerspruch in ihm. Nathan war zwar einerseits ein knallharter Geschäftsmann, aber andererseits ging ihm seine Familie über alles, was sie immer an ihm bewundert hatte.

Miranda hatte ihr erzählt, dass ihre Mutter sich von allem zurückgezogen hatte, nachdem ihr Mann sie zum letzten Mal verlassen hatte, obwohl das bereits vor acht Jahren gewesen war. Wie schade, dass sie sich am Erfolg ihres Sohns nicht erfreuen konnte.

Instinktiv streckte sie die Hand aus und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. Er zuckte zusammen.

„Was?“

„Äh, nichts. Sorry.“ Sie errötete und zog sie schnell zurück.

Dann wandte sie sich schnell ab, um seinem intensiven Blick zu entgehen. Doch es geschah so überhastet, dass sie im Sand stolperte und hinfiel. Im nächsten Augenblick beugte er sich über sie und strich ihr das Haar aus der Stirn.

„Hey, alles okay? Hast du dir wehgetan?“, fragte er besorgt.

Sie schüttelte den Kopf und richtete sich langsam auf. „Nein, mir ist nichts passiert.“

„Vielleicht solltest du dich ein bisschen ausruhen“, schlug er vor, streckte seine Hand aus und zog sie langsam hoch. Ganz in der Nähe spielten ihre Freunde noch immer Volleyball, und er führte sie zu dem angrenzenden Sitzbereich, wo bereits Tee und ein paar leichte Snacks für sie serviert waren.

Saira ließ sich auf eine Liege fallen, und er holte ihr einen Teller mit Obst und ein Glas Wasser.

„Hast du dich ein bisschen von deinem Schock erholt?“, erkundigte er sich.

„Na klar. Es ist ja nicht passiert, nur meine Würde ist ein bisschen angeknackst.“

Er verzog das Gesicht. „Eine Sportlerin bist du immer noch nicht, was?“

Sie musste lachen. „Nein, ich habe anscheinend zwei linke Füße.“

„Ach, das würde ich so nicht sagen.“

„Nein?“

„Nein, schließlich habe ich dich tanzen gesehen.“

Ihre Wangen brannten, denn sie musste sofort an das letzte Mal denken, als sie miteinander getanzt hatten. Es war in ihrem zweiten Semester gewesen, und sie waren seit ein paar Monaten wieder zusammen. Nathan hatte einen wichtigen Deal abgeschlossen und wollte mit ihr in einem exklusiven Club feiern. In einem Club, zu dem Saira unter normalen Umständen nie Zugang gehabt hätte.

Nie würde sie die Musik und die sinnlichen Momente vergessen, die sie in seinen Armen erlebt hatte. Danach waren sie zu ihm gefahren und hatten zum ersten Mal miteinander geschlafen.

Erinnerte er sich auch noch daran?

„Ich … ich habe schon seit Jahren nicht mehr getanzt“, stotterte sie.

„Das ist wirklich schade. Ganz in der Nähe des Hotels gibt es übrigens einen wirklich tollen Nachtclub. Vielleicht sollten wir ja mal zusammen hingehen.“

Saira räusperte sich. Das schien ihr keine gute Idee. „Du hast wunderbare Freunde“, sagte sie, um das Thema zu wechseln.

„Stimmt.“

„Und ich finde es toll, dass ihr immer noch in Kontakt seid.“

Er nickte. „Ja, das ist vor allem Bastiens Verdienst. Aber ich finde es auch sehr wichtig, Zeit mit Menschen zu verbringen, die einem am Herzen liegen.“

Einen kurzen Moment lang fragte sie sich, ob er an seinen Vater dachte, der genau das offensichtlich nicht getan hatte.

„Hast du eigentlich noch mit Leuten von der Uni Kontakt?“, erkundigte sie sich.

„Ja, mit ein paar.“

„Und wie geht es ihnen?“

Saira lauschte amüsiert den Anekdoten, die Nathan zum Besten gab, denn natürlich hatten sie viele gemeinsame Bekannte aus dieser Zeit. Das war der Mann, in den sie sich damals verliebt hatte, dieser entspannte und witzige Mann, dem sie endlos hätte zuhören können.

Als sie sich zuerst getroffen hatten, war er ein kleiner achtjähriger Junge gewesen, dem sie weiter keine Beachtung geschenkt hatte. Doch als sie älter wurde und ihre beste Freundin Miranda nicht mehr so oft besucht hatte, weil sie auf unterschiedliche Schulen gingen, rückte Nathan für sie immer mehr in den Hintergrund. Erst als er achtzehn war und sie sechzehn, hatte sie angefangen, ihn in einem anderen Licht zu sehen. Damals hatten sie sich häufiger getroffen, bis sie sich dann irgendwann in ihn verliebt hatte.

Aber als Paar hatten sie irgendwie nicht funktioniert, und Nathan hatte ihr schließlich klipp und klar verkündet, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten.

Danach hatte sie eine Auszeit gebraucht und war nach Amerika geflogen. Sie hatte den Kontakt zu ihm abgebrochen, aber an ihrer Freundschaft mit Miranda hatte die räumliche Distanz nichts verändert.

Erst jetzt, da sie ihn wiedergetroffen hatte, fiel ihr schmerzlich auf, wie intelligent, lustig und charmant er war, und ihr Herz wurde schwer wegen des Verlusts, den sie erlitten hatte.

Plötzlich merkte sie, wie drückend das Schweigen zwischen ihnen war.

„Übrigens habe ich ein paar Jetskis für uns organisiert“, sagte er unvermittelt. „Hast du das schon mal probiert?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Hättest du Lust darauf?“

„Ja, eigentlich schon. Aber ich weiß nicht, ob ich es riskieren kann“, lachte sie verlegen.

„Ach, das kriegst du schon hin. Du kannst auch hinter mir sitzen, wenn dir das lieber ist.“

Sie holte tief Luft, als sie sich vorstellte, wie es sein mochte, an Nathans Rücken gedrückt auf dem Jetski übers Wasser zu brausen. Bestimmt würde sie die Arme um ihn schlingen und …

Um sich abzukühlen, trank sie schnell einen Schluck und rieb sich die Stirn, die von dem Sturz in den Sand am meisten abbekommen hatte.

„Glaubst du, ich bekomme eine Beule?“, fragte sie besorgt.

„Nein, das denke ich nicht.“ Er beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Damit es schneller heilt.“

Sie riss den Mund auf, denn obwohl es nur eine rasche Berührung gewesen war, fing ihr Herz wie wild zu klopfen an. Es verschlug ihr die Sprache, und als sie ihn anschaute, wurde ihr klar, dass er selbst schockiert über die Geste war.

Dann wurden sie unterbrochen, weil seine Freunde ihm zuriefen, dass er kommen und mitspielen sollte.

„Wäre das in Ordnung für dich?“, fragte er, und sie nickte.

„Na klar, geh nur!“

Sie sah ihm nach, wie er sich den anderen anschloss und zu spielen begann. Er war richtig gut, es war eine Freude ihm zuzuschauen.

Doch dann erwachte erneut das Verlangen in ihr, und sie erhob sich. Ein kühlendes Bad im Meer war jetzt genau das Richtige.

Nach dem Dinner gingen sie in ihren Bungalow und Nathan schenkte ihnen zwei Gläser Limonade ein. Da das Hausmädchen das Sofa bereits in ein Bett verwandelt hatte, traten sie damit raus auf die Terrasse und ließen sich dort nieder.

Alles in allem war es ein richtig guter Tag gewesen. Er war froh über ihr Gespräch und hoffte, dass es ihnen wirklich noch gelingen würde, Freunde zu werden.

Nur dass er sie nach ihrem Sturz auf die Stirn geküsst hatte, passte nicht ganz zu diesem friedlichen Szenario. Und um ehrlich zu sein, war er selbst erstaunt gewesen über seine Spontaneität. Am besten, sie vergaßen den Zwischenfall so schnell wie möglich und sprachen nicht mehr darüber.

Das Dinner war eine laute, lustige Angelegenheit gewesen, bei der alle sich angeregt unterhalten hatten. Zu Anfang hatte Saira sich noch ein wenig zurückgehalten, aber als Nathans Freunde ein paar gut gemeinte Scherze über ihn gerissen hatten, hatte sie mitgemacht.

Das hatte er schon immer an ihr geliebt, ihre Schlagfertigkeit und ihren scharfen Witz. Offensichtlich hatte sie sich in dieser Hinsicht nicht verändert.

In diesem Moment gähnte sie laut und vernehmlich und streckte sich.

„Tut mir leid, aber ich bin ziemlich erledigt“, sagte sie und lehnte sich im Stuhl zurück. „Wahrscheinlich könnte ich jetzt eine Woche lang durchschlafen. Andererseits bin ich total aufgedreht. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt bei einem Dinner so viel gelacht habe.“ Sie sah ihn an. „Ich weiß, du musst morgen früh aufstehen. Bitte bleib nicht meinetwegen auf, okay?“

Nathan schüttelte den Kopf. „Es ist doch erst zehn Uhr. Ich sollte noch mal meine Mails checken, bevor ich schlafen gehe. Aber ich bestehe darauf, dass du heute das Bett nimmst.“ Als sie protestieren wollte, hob er die Hand. „Darüber werden wir nicht diskutieren.“

Sie nickte. „Gut, wie du meinst.“

Er sah sie überrascht an. „Was, keine Gegenwehr?“

Da lachte Saira. „Ich werde nicht kämpfen, wenn jemand mir ein so bequemes Bett anbietet.“

Lächelnd streckte Nathan seine langen Beine aus. Er hatte sich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt und verspürte nicht einmal das Bedürfnis, wie sonst noch ein wenig zu arbeiten. Das war wirklich merkwürdig.

„Weißt du schon, was du morgen machen willst, wenn wir tauchen gehen?“, fragte er.

„Also, am liebsten gar nichts“, gab sie zurück. „Vielleicht werde ich eine Massage buchen. Die letzten Monate waren ziemlich hektisch, und obwohl ich anfangs nicht so begeistert von Mirandas Idee war, muss ich jetzt doch sagen, dass ich sehr froh über die Einladung bin. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich nur mit Bewerbungen beschäftigt gewesen.“

„Heißt das, du suchst einen neuen Job als Ingenieurin? Wenn du magst, könnte ich deswegen mal mit Kent sprechen. Eine seiner Firmen heißt Calthorpe Engineering, und soweit ich weiß, suchen sie gerade Leute.“

Sie blieb einen Moment lang still, ihre Züge verschlossen sich. Dann sagte sie eine Spur kühler: „Ach, weißt du, bei meiner letzten Beschäftigung hatte ich nur am Rande mit dem Ingenieurswesen zu tun. Aber ich denke gern drüber nach.“

Komisch! Warum hatte er plötzlich das Gefühl, sie verletzt zu haben? Irgendwie bewegten sie sich immer noch auf vermintem Gebiet, und bei jedem falschen Satz konnte die Stimmung sofort umschlagen.

„Du hast nur am Rande als Ingenieurin gearbeitet? Was meinst du damit?“, hakte Nathan nach.

„Nun, nachdem wir geheiratet haben, hat Dilip mich gebeten, für Shah Toys zu arbeiten, dem Familienbetrieb. Dort habe ich dann vor allem Entwürfe gemacht und mich auch um den Vertrieb gekümmert, aber das alles hatte nicht viel mit dem zu tun, was ich studiert habe. Ich bin zwar durchaus in der Lage, die Einzelteile für Kinderspielzeuge herzustellen, aber eigentlich habe ich keine Ahnung davon, welche Spiele Kinder wirklich mögen.“

Sie klang ein bisschen traurig, als sie das sagte, und obwohl Nathan gern noch mehr gehört hätte, wollte er sie nicht bedrängen. Und er wollte auch nichts über ihre Ehe mit einem anderen Mann hören, wenn er ehrlich war.

Je mehr er von Saira erfuhr, desto mehr fühlte er sich zu ihr hingezogen, und er fragte sich, ob es ihr genauso ging. Doch selbst wenn – nachgehen konnten sie dieser Anziehung nicht, so viel stand fest. Dafür war das Risiko, wieder verletzt zu werden, für beide viel zu groß.

Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, seufzte Saira und betrachtete versonnen den Horizont, an dem das Licht langsam erlosch.

„Diese Aussicht ist einfach umwerfend“, sagte sie.

„Allerdings“, erwiderte Nathan, den Blick fest auf sie gerichtet.

4. KAPITEL

Den nächsten Tag verbrachte Saira am Pool und merkte dabei, wie gut ihr die Entspannung tat. Jetzt war sie in ihrem Zimmer, betrachtete die Kleider, die sie sich geborgt hatte und fragte sich, ob sich darunter etwas Passendes zum Tanzen befand.

Offenbar war der Nachtclub in der Nähe des Hotels ziemlich glamourös, und die schwarze Hose und weiße Bluse, die sie zum Dinner getragen hatte, würde nicht genügen. Das hatten anscheinend auch die anderen Frauen aus der Gruppe gedacht, deshalb hatten sie ihr netterweise ein paar Kleider von sich angeboten.

Aber eigentlich war ihr Problem nicht ein passendes Cocktailkleid, sondern die Vorstellung, mit Nathan zu tanzen.

Heute Morgen, als er mit den anderen tauchen gegangen war, hatte sie noch geschlafen. Genauer gesagt, sie war erst aufgestanden, nachdem sie gehört hatte, wie er den Bungalow verließ.

Als die Gruppe dann später zurückgekehrt war, saß sie mit Miranda an der Bar, weil sie unbedingt vermeiden wollte, allein mit Nathan im Bungalow zu sein. Beim Dinner hatte sie sich so weit weg von ihm wie nur möglich gesetzt. Zwar hatte sie ein paarmal zu ihm hinübergesehen, aber als er ihren Blick bemerkt hatte, hatte sie schnell die Augen niedergeschlagen.

Bestimmt war ihm längst aufgefallen, dass sie ihm aus dem Weg ging.

Was natürlich mit der sexuellen Spannung zusammenhing, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte und die immer da war. Kein Wunder, dachte sie, denn schließlich handelte es sich ja nicht um irgendeinen Mann, sondern um Nathan.

Er und seine Freunde waren alle ausnahmslos attraktiv. Aber ihr Körper reagierte nicht auf die anderen Männer. Er reagierte nur auf Nathan – den Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte. Den Mann, der ihr gesagt hatte, dass es für sie keine Zukunft gab.

Was an sich kein Problem war, denn eigentlich wünschte Saira sich im Augenblick mit niemandem eine Zukunft. Sondern nur ein unabhängiges Leben mit einem Beruf, der sie erfüllte.

„Hey, bist du schon angezogen?“, rief er ihr in diesem Moment aus dem Wohnzimmer zu.

„Eine Sekunde!“, rief sie zurück.

Saira atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen und strich rasch mit den Händen über das Minikleid, für das sie sich entschieden hatte.

Verhalte dich einfach ganz normal, sagte sie sich. Er ist der Bruder deiner besten Freundin und nicht mehr.

Sie verließ das Schlafzimmer. „Hi, Nathan. Wartet ihr etwa schon auf mich?“ Sie zuckte zusammen, als sie erkannte, wie intensiv er sie anstarrte und lachte nervös. „Was ist los? Gefällt dir mein Kleid nicht?“ Sie machte eine kleine Pirouette, und der Rock bauschte sich auf.

„Das Kleid ist perfekt“, sagte er und schluckte. „Du siehst wunderschön aus.“

Sie riss die Augen auf. Ihr Herz machte einen Satz. Damals, als sie sich noch gedatet hatten, hatte er sie auch wunderschön genannt. Wahrscheinlich war er der Einzige auf der ganzen Welt, der dieses Adjektiv für sie gewählt hätte. Na klar, sie sah nicht schlecht aus, war vielleicht auch attraktiv. Aber wunderschön? Es hatte sie immer so glücklich gemacht, denn sie hatte es als Zeichen gedeutet, dass er etwas für sie empfand.

Wie naiv sie doch gewesen war! Diesen Fehler würde sie nie wieder machen. Schließlich hatte Nathan keinen Zweifel daran gelassen, dass er ihr wider Liebe noch Ehe anbieten konnte. Sie wunderschön zu nennen, war einfach nur ein Kompliment, das nichts zu bedeuten hatte und mit dem er wahrscheinlich jede Frau bedachte.

Sie schlug einen leichten Ton an. „Danke für die Blumen. Du kannst dich aber auch sehen lassen, muss ich sagen.“

Das war in der Tat noch untertrieben. Sein hellblaues Hemd, das am Hals offenstand, gab den Blick auf seine muskulöse Brust frei. Nervös ergriff Saira ihre Schlüsselkarte, nur um etwas in der Hand zu haben und ihn nicht zu berühren.

Sie strich über ihr Kleid und seufzte. „Leider hat es keine Taschen. Was denkst du, sollte ich nicht doch lieber eine Hose anziehen? Und brauche ich Bargeld?“ Sie merkte selbst, dass sie zu viel redete. „Teilen wir uns die Rechnung? Oder soll ich …“

„Saira“, unterbrach er sie. „Mach dir bitte keine Sorgen. Der Club gehört mir. Niemand muss dort zahlen, ihr seid alle eingeladen.“

„Wirklich? Aber das …“

Er hob die Hand. „Ich habe meine Schlüsselkarte, du brauchst deine nicht mitzunehmen. So, und jetzt sollten wir los, die anderen warten schon auf uns.“

In mehreren Golfwagen fuhren sie zum Nachtclub. Davor stand eine lange Schlange, doch die Gruppe betrat das Gebäude durch einen Seiteneingang und wurde zu einer separaten Lounge mit einem großen Fenster geführt, von wo aus man einen guten Blick auf die Tanzfläche hatte. Die Bässe wummerten laut, trotzdem konnten sie sich hier gut unterhalten.

Ihre Freunde fingen bald an zu tanzen, bis nur noch Saira und Nathan in der Lounge übrig blieben. Sie sah ihn unsicher an, und um ihre Verlegenheit zu überspielen, fragte sie ihn nach seinen Tauchplänen für den nächsten Tag.

Er rückte näher an sie heran und beugte den Kopf, sodass sie seinen Atem an ihrer Wange spüren konnte. Sofort wurde ihr ganz heiß, seine Nähe war ihr einfach zu viel.

Ohne etwas von seiner Antwort mitbekommen zu haben, erklärte Saira abrupt: „Ich glaube, ich werde ein bisschen tanzen!“

Nathan sah ihr nach, wie sie die Lounge verließ und sich einen Weg durch die Menge der Tanzenden bahnte, bis sie Miranda und Steve erreichte. Sie fing an, sich zu bewegen, zuerst noch ein bisschen steif. Doch als die Musik mehr und mehr Besitz von ihr ergriff, entspannte sich Saira und tanzte geschmeidig zu den heißen Rhythmen. Sie bewegte sich genauso sinnlich wie früher, als sie noch zusammen gewesen waren.

Nathan beobachtete, wie sich ein Mann ihr näherte und versuchte, sie anzumachen. Saira lachte nur und wehrte seine Avancen gekonnt ab.

Nathan verließ die Lounge in Richtung der Tanzfläche, wo er am Rand stehenblieb und sie immer im Blick hatte. Rahul und Bastien winkten ihm zu, dass er sich ihnen anschließen sollte. Doch er tanzte normalerweise nicht und wollte eigentlich nur dafür sorgen, dass Saira sich sicher fühlte.

Als er seine Schwester erblickte, lächelte er, denn Miranda wirkte sehr glücklich. Jeder konnte sehen, dass Steve und sie bis über beide Ohren verliebt ineinander waren.

Nachdenklich betrachtete er seine Freunde, die alle mit ihren Freundinnen tanzten. Von außen gesehen hätte man meinen können, sie wären Paare, doch er wusste genau, dass sie in sechs Monaten andere Partnerinnen im Arm halten würden.

Instinktiv wandte er seinen Blick wieder Saira zu. Sie sah einfach göttlich aus!

Er gab sich einen Ruck und betrat die Tanzfläche, hielt sich jedoch von ihr fern.

Denn auch wenn er sie begehrte, war ihm klar, dass er auf keinen Fall etwas mit ihr anfangen durfte. Sie wollte Liebe, wahrscheinlich eine Ehe, aber er wollte nur Sex und Spaß ohne Verpflichtungen. Selbst eine Frau wie sie würde daran nichts ändern können, deshalb würde er ihr nur das Herz brechen.

Immer wieder kamen Frauen auf ihn zu, doch er war nicht interessiert und kehrte schließlich in die Lounge zurück.

Wenig später erschien auch Saira und bat ihn um die Schlüsselkarte.

„Ich kann mit dir zurückfahren“, bot er ihr an.

„Nein, das ist nicht nötig. Bleib ruhig noch ein bisschen und feiere mit deinen Freunden.“

Doch davon wollte Nathan nichts wissen. Er machte einen kurzen Anruf, um den Golfwagen zu bestellen, dann verließen sie gemeinsam den Club.

Saira betrachtete die Lichter, die das Hotelgelände vom Strand trennten.

„Es ist so schön hier, Nathan. Und mir ist noch ganz heiß vom Tanzen. Ein bisschen frische Luft würde mir jetzt guttun, glaube ich. Ich würde gern einen kurzen Spaziergang am Strand machen.“

„Das ist eine gute Idee“, stimmte er ihr zu und arrangierte es, dass der Golfwagen weiter unten am Strand auf sie wartete.

Am Strand zog Saira sofort ihre Schuhe aus.

„Ich liebe es, den Sand unter meinen Füßen zu spüren“, erklärte sie.

„Toll, dass du noch so viel Energie hast, nachdem du dich auf der Tanzfläche ausgetobt hast.“

Sie lächelte ihn an. „Es hat mir Riesenspaß gemacht!“

„Ja, das hat man gemerkt.“

„Ach wirklich? Hast du mich etwa beobachtet?“

Nathan fluchte innerlich. „Ich habe gesehen, wie jemand versucht hat, dich anzumachen.“

Sie blieb stehen und runzelte die Stirn. „Nun, ich war wahrscheinlich der einzige Single heute Abend. Ich mag vielleicht niemals wieder eine ernsthafte Beziehung haben wollen, aber ich habe auch keine Lust, mich auf einer Party mit irgendeinem Fremden einzulassen.“

„Wie bitte? Du willst keine Beziehung mehr? Ich dachte immer, du wolltest unbedingt heiraten.“ Sie war erst achtundzwanzig, es war höchst unwahrscheinlich, dass sie Single bleiben würde.

„Früher ja. Aber jetzt will ich nur noch Karriere machen und mein Leben in den Griff bekommen. Aus eigener Kraft, ohne einen Mann.“

Darauf sagte Nathan erst mal nichts, aber als sie wenig später im Golfwagen saßen und wieder zurück zum Bungalow fuhren, dachte er angestrengt über ihre Worte nach. Hatte Saira es ernst gemeint, dass sie keine ernsthafte Beziehung mehr wollte? Das würde alles verändern …

Zurück im Bungalow trat Saira hinaus auf die Terrasse. Nathans Nähe überwältigte sie, war ihr zu intensiv. Sie stützte sich aufs Geländer auf und atmete tief durch. Im nächsten Moment stand er neben ihr, und ihr Puls fing an zu rasen.

Ihr Mund wurde ganz trocken, sie schluckte.

Was wollte er von ihr?

Dann spürte sie, wie er ihr mit dem Finger leicht über den Nacken strich. Ein Zittern ging durch ihren ganzen Körper. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drehte sie sanft zu sich um.

Sie starrte in seine Augen, war wie hypnotisiert. „Was machst du da?“, flüsterte sie.

„Was denkst du denn?“, gab er leise zurück. „Ich will dich küssen. Ist das für dich okay?“

Dieselben Worte hatte er zu ihr als Teenager gesagt. Erinnerte er sich daran?

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wollte gerade Ja sagen, als sein Mund auch schon auf ihrem lag. Sein Kuss war weich und zärtlich, und all ihre Widerstände schmolzen dahin.

Ob es Sekunden oder Minuten gewesen waren, hätte Saira nicht zu sagen vermocht. Irgendwann machte sie sich von ihm los und barg den Kopf an seiner Brust. Obwohl ihr Körper so sehr nach ihm verlangte, zwang sie sich zur Vernunft.

Sie gab ihm noch einen leichten Kuss auf den Hals und sagte: „Ich glaube, ich sollte jetzt besser ins Bett gehen.“

Nathan griff nach ihrer Hand und küsste sie. „Ja, mach das. Wir reden morgen.“

5. KAPITEL

Am nächsten Tag entschied Saira, sich im Haupthaus des Hotels umzusehen, statt mit Miranda am Pool des Resorts zu liegen. Sie wollte Miranda nicht direkt aus dem Weg gehen, wusste aber, dass sie erst einmal allein mit dem klarkommen musste, was gestern passiert war.

Immer wieder musste sie an Nathan und an seinen Kuss denken.

Ob sich Schneewittchen vielleicht auch so gefühlt hatte, als sie mit einem Kuss aus ihrem jahrelangen Schlaf geweckt wurde?

Aber vielleicht war es ja auch gar nicht so überraschend, dass ausgerechnet Nathan diese starke körperliche Reaktion in ihr ausgelöst hatte. Denn er war ihr erster Liebhaber gewesen. Dilip war ihr zweiter Mann gewesen, und einen dritten hatte es bisher nicht gegeben.

Mit sechzehn hatte sie darauf bestanden, dass Nathan und sie ihre Beziehung vor allen anderen geheim hielten. Das galt besonders für ihre Eltern, aber auch für ihre Freundin Miranda.

Aber wenn sie diese Beziehung jetzt wieder aufnehmen würden, würde sie das vor ihrer Freundin nicht mehr verheimlichen können! Würde eine Affäre mit Mirandas Bruder nicht auch Konsequenzen für ihre Freundschaft mit Miranda haben? Eigentlich wollte Saira das nicht riskieren.

Aber dass eine starke sexuelle Anziehungskraft zwischen Nathan und ihr herrschte, ließ sich nicht leugnen. Sie fragte sich nur, ob es eine alte Flamme war, die plötzlich wieder aus der alten Asche aufloderte oder ein neues Feuer, das zwischen ihnen entbrannt war.

Damals hatte sie nichts gegen die Trennung tun können, doch jetzt sah es so aus, als wären sie noch nicht fertig miteinander. Es lag auf der Hand, dass sie unterschiedliche Ansichten hatten, warum das Ganze geendet hatte. Nathan hatte behauptet, sie wäre weggelaufen, dabei hatte er damals selbst verkündet, dass er nicht an die Liebe glaubte. Was für eine Beziehung hätten sie dann haben können?

Saira war damit einverstanden, dass sie einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zogen. Aber konnten sie diese Entscheidung aufrechterhalten, wenn sie ihrer Anziehung nachgaben?

Um sich abzulenken, machte sie einen Spaziergang über das Gelände des Resorts. Sie ging an einem der vier Pools vorbei und schlenderte durch den Garten, der voller Blumen und Pflanzen aus Afrika und dem Mittelmeerraum war.

Nathan hatte in kurzer Zeit unglaublich viel erreicht, schließlich hatte er seine Firma erst vor zehn Jahren gegründet. Ob er genauso erfolgreich gewesen wäre, wenn sie zusammengeblieben wären? Wohl kaum.

Saira hatte damals durchaus von einer Zukunft mit ihm geträumt – davon, dass sie heiraten, Kinder bekommen und zusammen alt werden würden. Doch das war nicht sein Traum gewesen, wie er ihr unmissverständlich klargemacht hatte.

Die Ironie des Schicksals bestand nur darin, dass sie jetzt vor genau demselben Dilemma stehen würden, wenn sie wieder etwas miteinander anfingen.

Doch vielleicht gab es ja noch eine dritte Möglichkeit. Schließlich war sie erst achtundzwanzig, und sie hatte nicht vor, für den Rest ihres Lebens im Zölibat zu leben. Vielleicht war eine kurze heiße Affäre mit Nathan ja genau das Richtige für sie. Und möglicherweise war dies auch der einzige Weg, wie sie ein für alle Mal über ihn hinwegkommen konnte.

Statt die sexuelle Anziehung zu bekämpfen, konnte sie ihr nachgeben, ohne sich Hoffnung auf so etwas wie Liebe zu machen. Oder zu viele Gefühle zu investieren.

Denn sie war frei, konnte tun und lassen, was sie wollte, konnte endlich ein bisschen Spaß haben. Eine flüchtige Affäre würde sie darin bestärken, dass sie ihr Schicksal selbst in der Hand hatte. Und Nathan und sie konnten den Kreis schließen.

Bisher hatte sie sich zwar nicht vorstellen können, mit jemandem ohne romantische Gefühle Sex zu haben. Aber versuchen konnte sie es doch. Und Nathan war dafür der geeignete Kandidat. Sie bewunderte ihn mehr als jeden anderen Mann.

Solange sie darauf achtete, ihr Herz nicht an ihn zu verlieren, war sie nicht in Gefahr. Schließlich blieben ihnen nur noch drei Tage auf der Insel, so rasch würde es gewiss nicht passieren.

Je mehr sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr der Plan. Ja, eine kurze leidenschaftliche Affäre war genau das, was sie jetzt brauchte.

Dieser Gedanke beflügelte Saira. Aufgeregt eilte sie zum Bungalow zurück.

Als Nathan vom Tauchen zurückkehrte, war der Bungalow leer. Saira hatte ihm auch keine Nachricht hinterlassen, und er konnte nur hoffen, dass sie ihm nicht wieder aus dem Weg ging.

Ihre Reaktion auf seinen Kuss hatte ihn davon überzeugt, dass zwischen ihnen noch immer etwas war. Auf jeden Fall herrschte eine starke sexuelle Spannung zwischen ihnen, das ließ sich nicht leugnen. Sie war schließlich kein junges Mädchen mehr. Wenn er ihr eine Affäre vorschlagen würde, konnte es gut sein, dass sie dafür offen war.

Er nahm sich vor, heute Nachmittag mit ihr darüber zu sprechen.

Die Voraussetzung dafür war allerdings, dass sie beide bereit waren, die Vergangenheit zu vergessen. Vielleicht würde sich der Kreis dann endlich schließen.

Als er geduscht und sich umgezogen hatte, kehrte Saira in den Bungalow zurück. Nathan war eigentlich davon ausgegangen, dass sie nach dem Kuss ein bisschen verlegen sein würde, doch das Gegenteil war der Fall. Bei seinem Anblick schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln, und etwas in seiner Brust zog sich schmerzlich zusammen.

Er gab ihr eine kurze Zusammenfassung von seinem Tauchgang und fragte dann: „Was ist mit dir? Was hast du gemacht?“

„Oh, ich hatte einen wunderbaren, total entspannten Tag“, sagte sie.

Sie hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, und ihr kurzes Sommerkleid hatte sich ein wenig hochgeschoben. Sein Blick ruhte auf ihren langen Beinen, und er schluckte. Wenn alles nach seinen Vorstellungen verlief, würde er bald nicht nur mit seinen Blicken ihre Beine berühren. Aber erst mussten sie miteinander reden.

Am besten, er legte all seine Karten offen auf den Tisch.

„Hast du jetzt irgendetwas vor, oder hättest du Lust auf eine kleine Fahrt mit dem Beach Buggy? Es gibt einen Ort, den ich dir gern zeigen möchte, ich hab schon alles vorbereitet.“

„Das klingt super. Ich hole nur schnell meine Tasche, dann können wir los.“

Er fuhr mit ihr im Buggy über das Gelände, zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten und brachte sie schließlich zu einer kleinen versteckten Bucht.

„Wow, das sieht ja paradiesisch aus!“, rief sie und blickte über den unberührten weißen Sand. „Von diesem Ort habe ich auf der Website nichts gelesen.“

„Ja, weil es mein Privatstrand ist. Gäste dürfen ihn normalerweise nicht betreten.“

Er holte ein großes Strandtuch, einen Sonnenschirm und einen Picknickkorb aus dem Buggy, den seine Mitarbeiter für ihn zubereitet hatten. Während Saira die Bucht erkundete, ging er zu einer kleinen schattigen, windgeschützten Stelle, breitete dort die Picknickdecke aus und stellte alles bereit. Die späte Nachmittagssonne warf bereits lange Schatten, was eine intime Stimmung erzeugte.

„Komm, lass uns etwas essen!“, rief Nathan und klopfte auf die Stelle neben sich.

Lächelnd kam Saira auf ihn zu. „Es ist wunderschön hier. Vielen Dank, dass du dir so viel Zeit für mich nimmst.“

„Ich wüsste nicht, was ich lieber täte“, gab er zurück, während sie auf der Decke Platz nahm.

Dann biss sie sich auf die Lippen. „Also, um ehrlich zu sein, bin ich ein bisschen nervös“, gab sie zu und nahm das Glas in Empfang, das er ihr reichte.

Nathan konnte sich an ihrem Anblick kaum sattsehen. Wie sie so dasaß, unter dem Sonnenschirm, wirkte sie wie auf einem Gemälde.

Wortlos beugte er sich vor und küsste sie. Saira zögerte einen kurzen Moment, dann erwiderte sie den Kuss mit einer solchen Leidenschaft, dass es ihm den Atem verschlug. Er legte ihr die Arme um den Hals und zog sie an sich.

Dann bedeckte er ihren Nacken und ihr Ohr mit kleinen brennenden Küssen. Endlich konnte er das tun, wonach es ihn schon so lange verlangt hatte! Mit bebenden Fingern schob Nathan ihr Kleid hoch und streichelte Sairas Oberschenkel, woraufhin sie erregt zu atmen begann.

Verdammt, die sexuelle Spannung zwischen ihnen drohte ihn zu überwältigen, doch ihm war klar, dass sie erst einmal sprechen mussten, bevor er ihr nachgab. Denn es war sehr wichtig, dass beide wussten, wo sie standen.

Daher löste er sich widerstrebend von ihr und sah sie an.

„Du weißt, dass ich dich begehre“, kam er gleich zum Punkt. „Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als mit dir zu schlafen. Doch du musst auch wissen, dass ich dir nicht mehr als eine kurze Affäre anbieten kann. Ich möchte, dass das von Anfang an klar ist, denn ich möchte auf keinen Fall falsche Erwartungen wecken.“

Sie sah ihn kühl an. „Du meinst, ich kann mir sparen, irgendwelche Brautmagazine zu kaufen? Nun, dann danke ich dir jetzt schon für deine Offenheit. Aber deswegen brauchst du dich nicht zu beunruhigen. Ich weiß, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben. In dieser Hinsicht mache ich mir keine Illusionen.“

Sie lehnte sich zurück, zog die Beine an und legte ihr Kinn auf die Knie.

Nathan runzelte die Stirn. Woher kam diese plötzliche Bitterkeit? Spielte sie etwa auf die Vergangenheit an? Aber das würde nur in eine Sackgasse führen. Sie mussten darüber sprechen, ob sie jetzt eine kurze Affäre haben wollten und nicht über das, was damals passiert war.

„Ich werde dich nicht verführen, wenn du das nicht willst“, erklärte er. „Ich möchte nur Missverständnisse vermeiden. Wie gesagt, ich kann dir eine Affäre anbieten, mehr nicht.“

Sie schwieg einen Moment lang und nickte dann. „Ja, du hast recht. Es ist gut, von Anfang an die Grenzen festzulegen, damit niemand falsche Erwartungen hat. Wie ich dir bereits gestern Abend gesagt habe, möchte ich keine feste Beziehung, und ich suche auch nicht nach Liebe. Aber schließlich bin ich erst achtundzwanzig, und es steht nirgendwo geschrieben, dass ich für den Rest meines Lebens abstinent bleiben muss. Ich kann mein Sexleben selbst bestimmen.“

Sie klang so, als würde sie sich selbst überzeugen wollen. Aber wenn es ihr half, ihre Überlegungen laut auszusprechen, würde Nathan sie ganz gewiss nicht unterbrechen.

„Und du bist der beste Kandidat für eine Affäre“, fuhr sie fort, „denn ich weiß, dass du auch von mir nichts anderes erwartest als Sex. Wir bewegen uns also auf Augenhöhe.“

Das waren genau die Worte, die er von ihr hören wollte. Warum zog sich seine Brust dann schon wieder schmerzhaft zusammen, als ob er etwas ganz Besonderes verloren hätte?

„Was ist schon ein Kurzurlaub am Meer ohne Sex?“, fügte sie noch hinzu und lachte.

Nathan neigte den Kopf. Um ehrlich zu sein, hatte er gar nicht darüber nachgedacht, wie lang ihre Affäre dauern würde. Denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass all seine Abenteuer nach ein paar Wochen oder höchstens ein paar Monaten zu Ende waren. Entweder weil er sich zu langweilen begann, oder weil er vermutete, dass die Frauen Gefühle für ihn entwickelten. Bestimmt war das auch der Grund dafür, warum er noch gar nicht an eine Zeitspanne für die Affäre mit Saira gedacht hatte. Aber vielleicht war es keine schlechte Idee, die Dauer zu begrenzen.

„Dann willst du also nur eine Ferienaffäre?“, hakte er nach.

Sie nickte. „Ja, ich finde es wichtig, dass wir ein Enddatum setzen, und sei es auch nur um Mirandas willen. Wir wollen ihre Hochzeitspläne schließlich nicht durcheinanderbringen, oder?“

Nathan runzelte die Stirn, während ihm verschiedene Szenarien durch den Kopf schossen, eines schlimmer als das andere. Saira hatte recht, eine Affäre mit offenem Ende kam nicht infrage. Aber das störte ihn nicht weiter, denn Sex war nun einmal Sex, und es passierte ihm so gut wie nie, dass er echte Gefühle für seine Partnerinnen entwickelte. Insgeheim vermutete er, dass er zur Liebe gar nicht fähig war. Sein Herz war geschützt, dafür sorgte er schon.

Aber wie sah es in dieser Hinsicht mit Saira aus? Sie behauptete zwar, auch nur eine kurze Liaison zu wollen, aber in Wirklichkeit war ihm klar, dass sie sich immer sehr zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Würde eine Affäre, bei der sie sich unweigerlich näherkommen würden, diese Gefühle nicht erneut an die Oberfläche bringen? Und dann würde sie mehr von ihm wollen, als er zu geben bereit war. Dieses Risiko konnte er nicht eingehen, so viel stand fest.

Daher nickte er ebenfalls und sagte: „Ich gebe dir recht, wir sollten unsere Affäre auf die Dauer der Ferien beschränken.“

Das bedeutete im Klartext, sie hatten noch drei Tage. Aber er war ganz sicher, es würden drei Tage werden, die sie beide nicht so schnell vergessen würden.

„Okay“, erwiderte sie.

„Okay was?“

„Wir haben hier auf Malta eine kurze Affäre, und danach kehren wir beide in unser echtes Leben zurück. Lass es uns so machen.“

Sie starrten sich an. Nathan legte ihr die Hand unters Kinn. Dann streichelte er ihre Wange, fuhr ihr sanft über die Stirn, strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe und merkte, wie sie den Atem anhielt.

Er beugte sich vor und küsste sie. Doch dann zog er sich zurück, denn er wollte nicht hier am Strand mit ihr schlafen.

„Später“, versprach er. Sie nickte.

„Ja, später“, wiederholte sie.

Sie blickte hinaus aufs Meer, viele widerstreitende Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht. Dann wandte sie sich wieder zu ihm und lächelte ihn an.

„Was ist denn so alles in diesem Picknickkorb?“

Als Saira nach dem Dinner den Bungalow betrat, sah sie, dass die Schlafcouch nicht ausgezogen war und schluckte. Konnte es sein, dass Nathan dem Zimmermädchen gesagt hatte, dass sie sich darum nicht zu kümmern bräuchte? Bei diesem Gespräch wäre sie gern dabei gewesen.

Was sollte sie jetzt tun? Sich aufs Bett setzen und auf ihn warten? Oder sich ins Bett legen? Sie hatte bisher noch nie eine Affäre gehabt und daher auch keine Ahnung von den Regeln.

Unschlüssig sah sie auf ihre Armbanduhr. Es war erst zehn Uhr abends. Vielleicht war Nathan noch mit seinen Freunden zusammen. Sie trat hinaus auf die Terrasse, und ihr Blick fiel auf den Whirlpool.

Ja, das war eine gute Idee. Sie würde ihren Bikini anziehen, in den Pool steigen und bei einem guten Glas Wein den Sternenhimmel betrachten.

Wenig später lehnte sie entspannt den Kopf zurück und genoss das Bad im Whirlpool, während sie sich von dem Jetstream sanft massieren ließ. Ob es an der warmen Nacht lag oder mit ihrem Gespräch zusammenhing, jedenfalls wurde sie plötzlich von Bildern überflutet, die sie und Nathan beim Sex zeigten. Ihre Wangen röteten sich, ihre Atmung wurde schneller.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon so dagelegen hatte, als sie plötzlich ein lautes Räuspern hörte.

Sie riss die Augen auf und erblickte Nathan, der am Rande des Pools stand und sie anstarrte. Unter seinem intensiven Blick erwachte ihr ganzer Körper zum Leben. Sie schluckte und merkte plötzlich, wie eine Flamme des Begehrens in ihr hochschoss.

Als Nathan sich nicht rührte, erhob sie sich und stieg aus dem Pool, ohne den Blick von ihm zu wenden. Als sie vor ihm stand, schloss er sie schweigend in seine Arme und küsste sie.

Die Nachtluft war kühl, doch sie merkte es nicht, denn er fing an, sie am ganzen Körper zu streicheln, bis ihr die Luft wegblieb und ihre Knie weich wurden. Ohne den Kuss zu unterbrechen, schlang sie die Beine um seine Taille. Er trug sie hinüber zur Lounge, wo er sich mit ihr niederließ.

„Deine Kleider werden ja ganz nass“, stieß sie zwischen zwei heißen Küssen hervor.

„Dann hilf mir, sie auszuziehen“, erwiderte er, griff nach ihrer Hand und führte sie zu seinem Hemd, damit sie es aufknöpfen konnte.

Das tat sie, und er küsste ihre Fingerspitzen, bis Saira am ganzen Leib zu zittern begann. Sie lehnte sich zurück und betrachtete bewundernd seine breite Brust.

Nathan streckte die Hand aus und strich aufreizend mit dem Daumen über ihre harte Brustspitze. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass sie ihr Bikinitop abgelegt hatte. Es war so erregend, dass sie sofort die Hand nach seinem Hosenbund ausstreckte. Doch er stoppte sie.

„Warte!“, stieß er hervor.

„Warum denn?“

„Weil ich hier draußen keinen Schutz bei mir habe. Aber im Schlafzimmer habe ich Kondome.“

Sie löste sich schwer atmend von ihm und sah ihm tief in die Augen. „Okay, dann lass uns reingehen.“

6. KAPITEL

Es war jetzt schon über einen Monat her, dass Saira nach London zurückgekehrt war. Die Zeit war nur so dahingeflogen.

Ihr Kurzurlaub war perfekt gewesen. Sie hatte die Tage mit Miranda verbracht, und die beiden Freundinnen hatten sich endlich auf den letzten Stand gebracht. Am Abend hatte sie zusammen mit dem Rest der Gruppe gegessen, gelacht und viel geredet. Aber die Nächte waren für Nathan reserviert gewesen. Für Nathan – und heißen, unvergesslichen Sex.

Sie hatten sich an ihre Abmachung gehalten und die Affäre mit Ende des Urlaubs beendet. Doch nur eine Woche später hatte Saira zufällig Miranda und Steve in einer Bar getroffen. Sie waren mit Nathan verabredet gewesen, und er hatte angeboten, sie in ihre Hotelsuite zu bringen. Dann hatte sie ihn zu einem Drink zu sich eingeladen.

Er war erst am nächsten Morgen wieder gegangen.

Keiner von ihnen erwähnte diesen Tabubruch, doch eigentlich war Saira mit der Entwicklung sehr zufrieden. Sie brauchte nicht tagtäglich einen Mann in ihrem Leben, um sich glücklich und erfüllt zu fühlen! Sie war eine unabhängige junge Frau, die tat, wonach ihr der Sinn stand.

Bestimmt wird unsere Affäre sowieso bald enden, sagte sie sich und dachte nicht viel darüber nach, weil ihre Tage vor allem damit ausgefüllt waren, eine neue Wohnung zu finden. Schließlich wollte sie Nathans großzügiges Angebot, in einer Suite in einem seiner Hotels zu wohnen, nicht zu lange in Anspruch nehmen.

Eigentlich hatte Saira sich ja in einem Bed and Breakfast unterbringen wollen, doch sie liebte die grandiose Aussicht von ihrem Fenster auf den Green Park. Das Hotel lag in der Nähe des Buckingham Palastes, die Suite hatte neben einem großzügigen Wohnbereich ein eigenes Esszimmer, eine kleine Küche und zwei Schlafzimmer.

Die Unterkunft war wirklich sehr luxuriös und auch das Essen ließ keine Wünsche offen. Doch nach ein paar Wochen vermisste Saira ganz normale Hausmannskost. Da die Küche der Suite eher dafür ausgerichtet war, Essen zu erwärmen, als es zuzubereiten, hatte Saira damit begonnen, in der Wohnung ihrer Eltern zu kochen und das Essen dann in ihre Hotelsuite mitzunehmen, wo sie es aufwärmte.

Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und brachte das Curry, das sie heute Nachmittag zubereitet hatte, in die Küche. Sie würde jetzt ein schönes heißes Bad nehmen und später gemütlich zu Abend essen – und vielleicht noch ein Video anschauen.

Doch als sie das Curry in den Kühlschrank stellte, erhielt sie eine Textnachricht von Nathan.

Ich habe für heute Abend Theaterkarten. Das Theater ist in Victoria, mein Wagen wird dich um sechs Uhr abholen.

Sie schüttelte verärgert den Kopf. Das war nicht abgemacht gewesen. Erwartete er tatsächlich, dass sie jederzeit für ihn zur Verfügung stand?

Irgendwie erinnerte sie das an ihre Unizeit, nur war er es damals gewesen, der ihr meistens abgesagt hatte. Dieses Mal würde sie diejenige sein, die seine Pläne durchkreuzte. Wobei man in diesem Fall ja wohl kaum von einem Plan sprechen konnte. Es war eher ein Arrangement in letzter Minute.

Sie schrieb ihm zurück:

Tut mir leid, aber ich werde heute Abend zu Hause bleiben. Hoffentlich findest du noch jemand anderen für die Karte.

Sairas Tage waren von der Wohnungssuche schon ziemlich ausgefüllt, und ihr Privatleben war auch ziemlich turbulent. Die Zeit, die sie nicht mit Nathan verbrachte, ging dafür drauf, dass sie sich mit Miranda traf – oder mit ihrem älteren Bruder Ajay, seiner Frau und seinen Kindern. Oder mit alten Freunden, zu denen sie den Kontakt verloren hatte, als sie noch in den USA gelebt hatte.

Da Nathan beruflich viel reisen musste, sahen sie sich in der Woche eher selten. Und wenn, dann hatte er immer irgendetwas geplant – auswärts essen, ins Kino gehen oder Theater. Immer Gelegenheiten, die sich in der Öffentlichkeit abspielten. Allein miteinander waren sie eigentlich nur im Bett.

Wobei das immer wunderbar war. Ob sie sich hart oder zärtlich liebten, langsam oder schnell, ihre Körper waren stets perfekt aufeinander eingestimmt. Woher kam dann diese Unzufriedenheit, die sie so oft empfand?

Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass sie ihre Gespräche vermisste. Und die Gewissheit, dass sie mental genauso auf derselben Wellenlänge waren wie ihre Körper. Sie sprachen fast nie über wichtige Themen, und das fand Saira wirklich schade. Wobei sie ahnte, was der Grund dafür war. Wenn sie über ihre Beziehung sprechen würden, würde dies unweigerlich dazu führen, über die Vergangenheit zu reden.

Aber wenn sie dieses schwierige Thema nicht angingen, gab es keine Zukunft für sie, dessen war Saira sich sicher.

Bei diesem Gedanken schüttelte sie den Kopf. Sie hatten doch auch gar keine Zukunft! Was das betraf, war Nathan immer ganz eindeutig gewesen, und das Gleiche galt für sie. Am allerwichtigsten war ihr ihre Unabhängigkeit. Sie wollte keine Zukunft mit ihm oder mit irgendeinem anderen Mann.

Deshalb musste sie ihr Herz verschließen, denn niemals wollte sie wieder einen so schmerzhaften Verlust erleben wie damals, als sie in die Staaten geflogen war.

Seufzend ließ sie das Bad ein und schenkte sich ein Glas Wein ein.

Nach dem herrlich entspannenden Bad wollte sie gerade das Curry in die Mikrowelle stellen, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein? Der Butler, der ihre Suite betreute, hatte ihr keinen Besucher angekündigt. Skeptisch sah sie an ihrem Flanellschlafanzug mit den Eisbären herunter, den sie nach dem Bad angezogen hatte und zuckte die Achseln. Es war ihr egal, wie sie aussah, schließlich erwartete sie niemanden.

Doch als sie die Tür aufmachte und Nathan erblickte, riss Saira erstaunt die Augen auf.

„Hast du meine Nachricht nicht bekommen?“, fragte sie fassungslos.

Stattdessen warf er nur einen Blick auf ihren Pyjama und lächelte amüsiert. „Süß“, sagte er und setzte hinzu: „Doch, natürlich habe ich deine Textnachricht bekommen. Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Na klar, was sollte denn nicht in Ordnung sein? Ich wollte gerade zu Abend essen.“

Er schnüffelte. „Mhmm, das riecht lecker. Was ist das?“

„Hühnchencurry mit Reis.“

„Aus dem Restaurant? Oder hast du es dir liefern lassen?“

„Nein, ich habe es selbst gekocht.“

„Cool! Hast du genug für zwei? Ich habe noch nichts gegessen.“

„Ja, auf jeden Fall, aber was ist denn mit dem Theater?“

„Ich habe meinem Assistenten gesagt, dass er die Karten zurückbringen soll. Dafür habe ich aber Karten für diese Shakespeareaufführung, zu der du gehen wolltest.“

„Ach, wirklich?“ Bestimmt war es nicht leicht gewesen, Tickets dafür zu bekommen.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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