Julia Extra Band 558

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SCHEINVERLOBUNG MIT DEM GRIECHISCHEN REEDER von JACKIE ASHENDEN

Andie kann nicht fassen, was der erfolgsverwöhnte, sexy Tycoon Poseidon Teras verlangt: Damit er ihr Herzensprojekt vor dem Ruin rettet, muss sie ihn heiraten! Angeblich nur, weil er dann sein Erbe erhält. Aber warum küsst er sie dann so unerwartet feurig zur Besiegelung ihres Deals?

URLAUBSFLIRT MIT SÜSSEN FOLGEN von CAITLIN CREWS

Kurz vor Weihnachten findet Lillie heraus, wer ihr geheimnisvoller Urlaubsflirt war: der Milliardär Tiago Villela! Als sie ihm die süßen Folgen ihrer berauschenden Affäre gesteht, entführt er sie auf sein Luxusanwesen in Portugal. Gibt es doch noch ein Fest der Liebe für sie?

WEIHNACHTSMÄRCHEN FÜR EINE PRINZESSIN von JENNIFER FAYE

Bei einer Gala im winterlichen New York funkt es sofort zwischen Kronprinzessin Gisella und Unternehmer Silas Cabot. Nach heimlichen Küssen auf dem Empire State Building lässt sie sich zu einer Nacht der Leidenschaft verführen – mehr nicht! Bald muss sie standesgemäß heiraten …

WEIL ICH DIR NICHT WIDERSTEHEN KANN von SOPHIE PEMBROKE

Diese großen blauen Augen, dieses betörende Lächeln: Supermodel Willow macht den erfolgreichen Musiker Gwyn schwach. Aber nur, weil es seinen Beschützerinstinkt weckt, dass sie sich in einem Cottage in Cornwall vor den Paparazzi verstecken muss. Verlieben will er sich nie wieder!


  • Erscheinungstag 08.10.2024
  • Bandnummer 558
  • ISBN / Artikelnummer 0820240558
  • Seitenanzahl 432

Leseprobe

Jackie Ashenden, Caitlin Crews, Jennifer Faye, Sophie Pembroke

JULIA EXTRA BAND 558

1. KAPITEL

„Was für ein Lärm!“ Dimitra Teras warf einen missbilligenden Blick auf die Straße vor dem Londoner Büro ihres Enkelsohns. „Was ist denn da los?“

Poseidon Teras, einer der beiden mächtigen Teras-Zwillinge, lehnte sich entspannt in seinem Ledersessel zurück und betrachtete seine Großmutter amüsiert. „Demonstranten, Yia Yia. Vollkommen uninteressant.“

Lautes Rufen war zu hören. Es klang fast so, als benutze jemand ein Megafon.

Die Leute waren schon die ganze Woche da und Poseidon war sie inzwischen leid. Aus irgendeinem Grund hatte sich die kleine Gruppe auf ihn eingeschossen. Für sie schien er der Quell allen Übels zu sein. Ein Frauenhasser und Monster. Jemand, der seine Angestellten aussaugte und so weiter und so fort.

Natürlich war das alles Unsinn. Er mochte Frauen – nein, er liebte sie – und keine hatte sich je über ihn beklagt. Und was seine Angestellten betraf, so waren Stellen in seinem Unternehmen heiß begehrt. Hydra Shipping, die Reederei, die er von seinem Vater geerbt und über die Jahre zu einem global agierenden Unternehmen ausgebaut hatte, war ein fairer Arbeitgeber. Nicht weil ihm die Menschen am Herzen lagen, sondern weil er wusste, dass ein Unternehmen mit glücklichen und zufriedenen Mitarbeitern produktiver war. Falls ihn das zu einem Monster machte, musste er damit leben. Es war ihm einerlei, was die Medien über ihn sagten, und die Meinung der Demonstranten interessierte ihn schon gar nicht.

„Worum geht es bei dem Protest?“ Stirnrunzelnd musterte Dimitra die Demonstranten.

„Um mich. Ich bin für sie wohl der Leibhaftige.“

Er machte sich deswegen keine Gedanken. Ihn interessierten nur drei Dinge auf der Welt: sein Zwillingsbruder Asterion, seine Großmutter und Hydra Shipping.

Dimitra sah ihn durchdringend an. „Glaub nur nicht, ich hätte dich vergessen.“

Ach ja, ihr Ultimatum. Er und sein Bruder sollten heiraten, notfalls eine Frau ihrer Wahl. Taten sie es nicht, wollte sie ihren Anteil am Unternehmen an einen Außenstehenden verkaufen. Eine grauenvolle Vorstellung!

Asterion war es gelungen, selbst eine Braut zu finden – eine ehemalige Nonne mit einem großen Herzen für wilde Tiere. Er war glücklich verliebt. Poseidon jedoch ging der Liebe aus dem Weg und hatte nicht vor, daran etwas zu ändern.

Das Problem war allerdings, dass seine Großmutter sich Urenkel wünschte, und ihre Wünsche waren ihm wichtig. Allerdings hatte er nicht die Absicht, Asterions Fehler zu wiederholen und sich wirklich zu verlieben – schon gar nicht in eine Frau, die Dimitra für ihn ausgesucht hatte. Zu heiraten und für Nachkommen zu sorgen, das sollte aber kein Problem sein. Welche Frau würde ihn schon ablehnen? Er war attraktiv, reich und hatte Macht. Seiner Erfahrung nach war das eine unwiderstehliche Kombination.

„Ich weiß, dass du mich nicht vergessen hast“, gab er gelassen zurück. „Ich warte mit angehaltenem Atem auf deine Wahl.“

Dimitra kniff die Augen zusammen. „Du tust immer so, als hättest du keine Gefühle! Dabei solltest auch du jemanden haben, der sich um dich kümmert.“

Poseidon hatte durchaus einmal Gefühle gehabt. Er hatte seine Eltern geliebt, aber dann waren sie zusammen mit seinem Großvater bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er gerade einmal zwölf gewesen war.

Er hatte versucht, die Leere zu füllen, die ihr Tod hinterlassen hatte. Hatte einen Mentor gefunden, einen Freund seines Vaters. Und dann …

Gefühle waren eine Schwäche. Damit wollte er sich nie wieder belasten.

„Was für eine Märtyrerin sollte das sein?“, fragte er spöttisch. „Hast du schon eine im Sinn? Vielleicht eine Jungfrau, die geopfert werden muss?“

Dimitra rollte nur mit den Augen und wandte sich wieder der Szene auf dem Platz zu. Plötzlich erhellte ein Lächeln ihre Züge.

Ein Lächeln, das bei Poseidon alle Alarmsirenen schrillen ließ.

„Die da.“ Dimitra deutete auf die Gruppe der Demonstranten. „Die Frau in der Mitte.“

Er seufzte stumm und erhob sich, um zu ihr ans Fenster zu treten.

Die Gruppe bestand aus gerade einmal vier Personen. Heute waren sie wesentlich lauter als sonst. Den Grund erkannte er sofort: Eine Frau hatte sich an die Statue gekettet, die direkt unter seinem Fenster stand. Sie schien … nun ja, sie schien nichts weiter zu tragen als einen Tanga und … eine Körperbemalung. Das lange rotgoldene Haar fiel ihr in einer lockigen Mähne über den Rücken, und auf ihren üppigen Brüsten war zu lesen: Poseidon Teras, fahr zur Hölle!

Er runzelte die Stirn. „Die Frau? Das ist doch wohl ein Witz!“

Dimitra lächelte zufrieden. „Nein, die oder keine.“

Sie wusste, dass er keiner Herausforderung widerstehen konnte. Er liebte es, zu gewinnen. Sein Vater hatte zu sagen gepflegt, es läge daran, dass Asterion eine Minute älter war als er. Poseidon sei ständig darum bemüht, den Rückstand aufzuholen.

„Du glaubst, ich könnte sie nicht dazu bringen, mich zu heiraten.“ Er formulierte es nicht als Frage.

Seine Großmutter musterte ihn abschätzend. „Nicht wenn sie dich für den Teufel persönlich hält. Damit ist sie die perfekte Wahl. Wenn du sie dazu bringst, mit dir vor den Altar zu treten, hast du die Aufgabe erfüllt.“

Diese ganze Ehe-Farce – anders konnte er es nicht sehen – sollte zu ihrem eigenen Besten sein. Zumindest hatte Dimitra das gesagt, als sie Asterion und ihm vor einigen Monaten ihr Ultimatum gestellt hatte. Sie wollte, dass sie gute Männer waren, nicht die Monster, als die die Medien sie bezeichneten. Offenbar war die Ehe der Schlüssel dazu.

Er fand die ganze Idee lächerlich, aber Dimitra blieb unerbittlich. Und da Asterion ihr zugestimmt hatte, konnte er nicht gut Nein sagen.

Verdrossen betrachtete er die Frau, die sie ihm zur Braut bestimmt hatte. Sie sollte offenbar eine Meerjungfrau darstellen, denn der untere Teil ihres Körpers war ganz mit blauen, grünen und goldenen Schuppen bedeckt. Über die Brüste waren Muscheln gemalt, die einen BH imitieren sollten. Der Rest ihrer Haut war blau. Das Design war nicht schlecht, aber vollkommen unangemessen für einen öffentlichen Ort.

Sie hatte das verdammte Megafon gehoben und schrie etwas hinein. Inzwischen hatte sich eine kleine Menge um die Skulptur versammelt und starrte sie an. Das war wahrscheinlich eher ihrer Aufmachung zuzuschreiben als dem, was sie schrie. Aber vielleicht war das gerade der Sinn des Ganzen: Sie wollte Aufmerksamkeit und sie bekam sie.

Poseidon hatte kein Problem mit Frauen, die ihre Meinung sagten und ungewöhnliche Positionen vertraten. Was ihn abstieß, war Intensität. Und diese Frau war der Inbegriff von Intensität.

„Wirklich, Yia Yia?“, fragte er. „Ich hätte eine größere Herausforderung erwartet.“

„Sie wird dir nicht gleich um den Hals fallen wie alle anderen“, prophezeite Dimitra.

Ein neuer Ruf erscholl. Die Meerjungfrau sah an der Fensterfront hinauf, das Megafon in seine Richtung erhoben, als könne sie ihn sehen. Er wusste, dass das unmöglich war. Nicht in der obersten Etage.

Er allerdings konnte sie sehr gut sehen und registrierte unwillkürlich die von der Farbe nur schlecht verhohlenen weiblichen Kurven. Das rotgoldene Haar leuchtete in der Sonne. Ihr Gesicht konnte er nicht genau erkennen, aber er verspürte ein gewisses … Prickeln, als sie in seine Richtung schaute und etwas in das Megafon schrie. Er wusste, was dieses Prickeln bedeutete: Die Frau faszinierte ihn und hatte sein Interesse geweckt.

Na bestens. Es war gut, dass er sich zu der Frau hingezogen fühlte, die Dimitra für ihn bestimmt hatte. Das würde die Sache noch einfacher machen.

„Sie mag dich wirklich nicht“, bemerkte seine Großmutter voller Genugtuung. „Das ist gut. Ich möchte nicht, dass es zu leicht für dich wird.“

Das wollte Poseidon auch nicht. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er angefangen hatte, sich ein wenig zu langweilen. Hydra Shipping lief sehr gut, und er verdiente mehr, als er in einem Leben je würde ausgeben können. Er genoss es, sich mit seinem Zwillingsbruder zu messen – die Medien machten mehr daraus, als es wirklich war –, und natürlich genoss er die Frauen, die gern sein Bett teilten.

Es fiel ihm alles sehr leicht zu und er war es leid.

Vielleicht wusste seine Großmutter, was sie tat.

„Sie ist sehr … schrill“, bemerkte er.

„Leidenschaftlich“, korrigierte sie ihn. „Sie hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Ich glaube, sie wird mir gefallen.“

„Leidenschaftlich“ konnte man das Schreien wohl nennen, das auf dem Platz zu hören war. Ob sie auch in anderen Bereichen leidenschaftlich war? Im Bett vielleicht?

Die Frau warf sich die herrliche Mähne über eine Schulter und senkte das Megafon, bevor sie die Hand hob und ihm den ausgestreckten Mittelfinger zeigte.

Das Prickeln wurde stärker.

Poseidon lächelte.

Ja. Vielleicht hatte Dimitra recht. Die Frau war perfekt.

Andromeda Lane senkte den Kopf. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass jemand in dem großen Gebäude sie beobachtete. Genau erkennen konnte sie es nicht, denn die Scheiben waren leicht getönt. Vielleicht war es der eiskalte Bastard selbst gewesen – Poseidon Teras. In dem Fall hoffte sie, dass er ihre obszöne Geste auch gesehen hatte.

Poseidon und sein ebenfalls steinreicher Bruder Asterion waren ständig in der Klatschpresse vertreten, aber es war Poseidons letzter Missgriff gewesen, der das Fass für sie endgültig zum Überlaufen gebracht hatte.

Vor zwei Wochen war er in einem Nachtclub mit zwei sehr jungen Frauen fotografiert worden, die sich sichtlich angetrunken an ihn geschmiegt hatten. Das hatte sie so stark an Chrissy erinnert, dass ihr ganz übel geworden war.

Wegen seiner Reederei und all der „Jungfrauen“, die er „verschlang“, nannte ihn die Presse das „Monster des Mittelmeers“. So oder so ähnlich lautete die alberne Begründung. Eigentlich hätte ihn das zu einer Unperson machen sollen, aber das genaue Gegenteil schien der Fall zu sein. Die Menschen mochten ihn. Sie hielten ihn für einen charmanten Bad Boy.

Nur Andromeda kannte die Wahrheit. Also musste sie etwas tun.

Vor einem Jahr war sie mit der Gründung von Chrissy’s Hope, einem Hilfszentrum für Frauen mit Suchtproblemen, aktiv geworden. Es war benannt nach ihrer älteren Schwester, die vor fünf Jahren an einer Überdosis gestorben war. Das Zentrum hatte schon vielen Frauen geholfen, aber der Unterhalt war teuer und es brauchte ständig Geld. Daher verbrachte sie viel Zeit mit Aktionen, um neue Sponsoren zu finden.

Nachdem sie das Foto von Poseidon und den beiden jungen Frauen gesehen hatte, hatte sie beschlossen, ihn und seinen schlechten Ruf zu nutzen, um die Aufmerksamkeit auf Chrissy’s Hope zu lenken.

Daher hatte sie den kleinen Kreis ihrer Freunde zusammengetrommelt – Tom, Ayesha und Jo – und eine Protestaktion vor dem Büro von Hydra Shipping organisiert. Nun waren sie schon eine Woche hier und das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit wurde allmählich frustrierend.

Jo kümmerte sich um die sozialen Medien, während Tom für die Videoaufnahmen zuständig war. Ayesha hatte die Schilder entworfen. Als Andie gemeint hatte, sie bräuchten etwas Neues, hatte Ayesha ihre Farben geholt und ihr das Outfit einer Meerjungfrau verpasst.

Das Motiv hatte sich angeboten, da Hydra Shipping mit dem Meer zu tun hatte. Doch Andie wollte keine stumme Arielle sein, sondern eine Meerjungfrau, die ihre Stimme erhob.

Die Security-Leute von Hydra Shipping hatten sie ein paarmal vom Gebäude abgedrängt, und Tom war zur Stelle gewesen, um ihr brutales Vorgehen auf Video festzuhalten. Die Security war sehr bestimmt gewesen, gleichzeitig aber auch sehr behutsam vorgegangen. Von Brutalität keine Spur.

Andie war frustriert. Ihr blieb nichts weiter übrig, als halb nackt mit ihrer Meerjungfrauen-Bemalung zu provozieren, um etwas Aufmerksamkeit zu bekommen.

Ein paar Leute hatten sich inzwischen um sie versammelt – es war eine gute Idee gewesen, sich an die Statue zu ketten –, aber das Gros der Passanten schien desinteressiert. Das machte Andie wütend. Die wussten einfach nicht, wie Männer wie Poseidon Teras wirklich tickten. Sie waren wie Raubtiere, die sich auf die Schwachen und die Verletzlichen stürzten. Auf Menschen wie ihre ältere Schwester.

Ayesha verteilte Flyer von Chrissy’s Hope. Die meisten Menschen schüttelten abwehrend den Kopf. Einige nahmen die Flyer zwar an, warfen sie aber gleich in den nächsten Papierkorb.

Es war empörend. Glaubten sie etwa, sie könnten das Problem einfach ignorieren? Glaubten sie, dass die Notlagen, in die die Menschen durch Alkohol und Drogen kamen, einfach so wieder verschwanden? Dass Männer wie Poseidon Teras aufhören würden, die Menschen auszunutzen?

Das würde nie passieren, und sie würde nicht aufhören, sich für die Sache starkzumachen, bis man ihr endlich zuhörte.

„Hey, Andie!“ Tom deutete auf die Eingangstür des Hydra-Gebäudes. „Ich glaube, es passiert endlich was.“

Andie senkte das Megafon und sah hinüber. Ein paar Leute von der Security hatten sich versammelt. Plötzlich ging die Tür auf und ein Mann kam heraus.

Poseidon Teras höchstpersönlich. Groß. Gut gebaut. Kurzes schwarzes Haar. Selbstbewusst, arrogant und weltweit bekannt für seine brutalen Geschäftspraktiken. Er war der Inbegriff des reichen, mächtigen Milliardärs. Andie verabscheute ihn und alles, wofür er stand.

Ihr Zorn war stärker als jede Vernunft, denn es war die Yacht dieses Mannes gewesen, auf der die Party stattgefunden hatte, bei der ihre Schwester umgekommen war. Andie hielt ihn für ganz persönlich dafür verantwortlich.

Hätte sie nicht etwas gegen Gewalt, hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen. Da das keine Option war, beschränkte sie sich darauf, ihm ein paar Schimpfwörter entgegenzuschleudern, die ihn persönlich beleidigten, seine Herkunft, sein Verhalten im Allgemeinen und gegenüber Frauen im Besonderen. Alles sehr offen und an der Grenze zum Obszönen.

Falls es ihn kränkte, ließ er es sich nicht anmerken. Er blieb vor der Statue stehen, an die sie sich gekettet hatte, und betrachtete sie mit halb amüsiertem Blick, während sie fortfuhr mit ihrer Schimpftirade. Als sie einhalten musste, um Luft zu holen, erkundigte er sich freundlich interessiert: „Sind Sie jetzt fertig?“

„Nein!“ Andie hatte noch zu viel Zorn in sich, aufgestaut in fünf langen Jahren. Diese Gelegenheit konnte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Wollte sie seine Aufmerksamkeit in diesem Moment wirklich? Sie war fast nackt und er war ein bekannter Frauenheld. Der Gedanke ließ ihr ganz heiß werden. Das steigerte ihren Zorn nur noch.

„Machen Sie ruhig weiter.“ Poseidon steckte die Hände in die Hosentaschen. „Ich bin ganz Ohr.“

Seine Augen waren von einem unglaublichen Blau mit einem Hauch von Grün. Wie das Meer selbst.

Verdrossen registrierte Andie, dass sie nicht nur den Atem verhielt, sondern auch noch rot geworden war. Ihr Körper schien sie schmählich im Stich zu lassen. Entschlossen hob sie das Megafon, um dem Mann noch eine Salve zu verpassen.

Poseidon räusperte sich. „Ehe Sie fortfahren, sollten Sie überlegen, ob es in meinem Büro nicht etwas angenehmer für Sie wäre. Es ist Regen vorhergesagt und der würde Ihrer Bemalung sicher nicht guttun.“

Die Statue, an die sie sich gekettet hatte, stand auf einem kleinen Sockel, sodass sie Poseidon überragte. Diesen Umstand nutzte sie, um verächtlich auf ihn herabzusehen.

„Was, um alles in der Welt, soll ich in Ihrem Büro?“

„Sie haben mir ja offensichtlich etwas zu sagen“, bemerkte er gelassen. „Ich bitte meine Sekretärin, uns einen Tee zu bringen, und dann können wir uns ganz zivilisiert unterhalten. Ohne Megafon.“

Andie wollte gerade erklären, dass sie mit dem Megafon ganz zufrieden war, als Poseidon eine kaum merkliche Geste machte und plötzlich alle Security-Leute zu ihnen kamen. Einer hatte eine Art Bolzenschneider dabei, mit dem er ihre Kette löste, während ein anderer ihr das Megafon abnahm. Andere sprachen mit Tom, Jo und Ayesha und gingen mit ihnen fort.

„Ich will nicht in Ihr Büro kommen“, erklärte Andie hitzig und löste sich von dem Security-Mann, der keinerlei Anstalten machte, sie festzuhalten. „Und wagen Sie es ja nicht, mich anzurühren.“

„Das würde mir nicht im Traum einfallen.“ Poseidon streifte seine Anzugjacke ab. „Ich bin sicher, Sie könnten einen Tee vertragen, und Ihre Freunde haben nichts gegen das Essen einzuwenden, zu dem mein Team sie gerade einlädt.“ Er legte ihr die Jacke um die Schultern. Vage registrierte sie, dass sie noch warm war von seinem Körper. Der dunkle Wollstoff verströmte einen unbestimmten herb-männlichen und sehr angenehmen Duft. Der Gedanke brachte sie auf. Sie wollte nichts an ihm mögen. Absolut gar nichts.

Ehe sie es sich versah, wurde sie in das Gebäude geleitet.

Andie hatte nichts dagegen, ihren Stolz für eine gute Sache zu opfern, schon gar nicht, wenn es um Chrissy’s Hope ging. Sie erwog, sich gegen die Security-Leute zu stellen und in der Lobby eine Szene zu machen. Das würde ihr mit Sicherheit einige Aufmerksamkeit bringen.

Andererseits hatte Poseidon vorgeschlagen, in seinem Büro mit ihr zu reden, und das konnte ja durchaus etwas Gutes sein. Sie würde über Chrissy sprechen und ihren Tod. Konnte Gerechtigkeit verlangen. Vielleicht sogar eine finanzielle Entschädigung in Form einer Spende für Chrissy’s Hope. Wenn sie nicht bald einen Sponsor fanden, mussten sie schließen, das war die traurige Wahrheit.

Also schwieg sie und ließ sich von den Security-Leuten in den Fahrstuhl führen, der sie zur obersten Etage brachte. Schweigend ging sie mit ihnen einen langen, mit dicken Teppichen ausgelegten Korridor hinunter in ein großes, elegant eingerichtetes Büro, das offensichtlich Poseidon gehörte.

Eine Wand wurde ganz von deckenhohen Scheiben eingenommen, die einen Blick hinunter auf den Platz gewährten. Die gegenüberliegende Wand wurde von Regalen aus demselben hellen Holz wie der riesige Schreibtisch dominiert. Eine breite, mit weißem Leder bezogene Couch mit dazu passenden Sesseln lud zum Sitzen ein.

Voller Verachtung ließ Andie den Blick umherschweifen. Wie nicht anders zu erwarten, war alles sehr geschmackvoll und roch förmlich nach Geld. Sie kannte die Teras-Brüder aus der Presse. Poseidon und sein Bruder Asterion, dem die Minotaur-Gruppe gehörte, waren die Lieblinge der Medien.

Asterion hatte kürzlich geheiratet, was seinem bisherigen gesellschaftlichen Treiben ein Ende gesetzt hatte, aber Poseidon war so aktiv wie eh und je.

Das konnte sie sich zunutze machen. Wenn er wissen wollte, wieso sie vor seinem Büro demonstrierte, dann sollte er alles hören. Mit etwas Glück beschämte es ihn so sehr, dass er ihr eine große Spende oder einen längerfristigen Sponsorenvertrag für Chrissy’s Hope bewilligte.

Er war nicht mit im Fahrstuhl nach oben gekommen. Gerade fing sie an, daran zu zweifeln, dass sein Gesprächsangebot echt gewesen war, als er hereinkam und die Tür hinter sich schloss. Wortlos deutete er auf die weiße Ledercouch.

Andie lag nichts daran, sich zu setzen, da sie, verglichen mit ihm, größenmäßig ohnehin im Nachteil war, aber die Vorstellung, das weiße Leder mit ihrer Farbe zu verunstalten, war zu verlockend. Also nahm sie Platz, legte die Jacke aber nicht ab – sollte er doch versuchen, die Farbe wieder aus der edlen italienischen Merinowolle herauszubekommen …

Poseidon zog sich einen Sessel heran. Seine dunkle Hose war offensichtlich maßgeschneidert. Dazu trug er ein schwarzes Hemd und eine Seidenkrawatte vom selben Blau wie die Farbe seiner Augen. Unter der Manschette lugte eine teure Platinuhr hervor.

Ein attraktiver, charismatischer Mann. Es ärgerte sie, dass ihr Mund plötzlich wie ausgedörrt war. Wie konnte sie so dumm sein, derart auf Äußerlichkeiten zu reagieren?!

Sie hasste ihn. Punkt.

Er wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht. „Könnten Sie mir nicht Ihren Namen sagen?“, bat er mit dieser tiefen, warmen Stimme.

Das war nicht das, was sie erwartet hatte. Zwar hatte er ein „zivilisiertes Gespräch“ in Aussicht gestellt, aber sie war dennoch davon ausgegangen, dass er ihr Vorwürfe wegen ihrer öffentlichen Beschimpfungen machen und dabei ungeniert ihren so gut wie nackten Körper anstarren würde. Sie hatte sogar damit gerechnet, dass er ihr drohen würde, die Polizei einzuschalten, falls sie ihre Demonstration nicht einstellte, nicht aber damit, dass er sie schlicht nach ihrem Namen fragte.

Sie hob das Kinn. „Das geht Sie nichts an.“

Er lächelte – und die Welt schien für einen Moment stillzustehen. Seine Lippen waren ebenso attraktiv wie der ganze Rest von ihm.

Sie durfte Chrissy nicht vergessen. Durfte nicht vergessen, was mit ihr passiert war!

Nein, das würde sie nie vergessen. Ihre Mutter war alleinerziehend gewesen und hatte zwei Jobs gehabt, um sie über die Runden zu bringen. Daher war ihr nicht aufgefallen, wie sehr sich die siebzehnjährige Chrissy langweilte und wie sehr sie sich ein besseres Leben ersehnte. Andie bemerkte es ebenfalls nicht, weil sie zu sehr mit der Schule beschäftigt war. Jedenfalls anfangs nicht. Sie wurde erst hellhörig, als Chrissy begann, Nachtclubs zu besuchen. Dort lernte sie Simon kennen. Auf seinen Vorschlag hin begann sie, als Escort-Girl zu arbeiten, um sich den Lebensstil leisten zu können, der ihr gefiel. Alarmiert hatte Andie mit ihrer Mutter gesprochen, die aber nichts dazu sagte.

„Wieso sollte ich aufhören?“, fragte Chrissy, als Andie sie anflehte, zu Hause zu bleiben. „Es macht Spaß und bringt gutes Geld. Ich meine, willst du den Rest deines Lebens als Bedienung jobben?“

Ihre schöne, intelligente und mutige Schwester! Sie verfiel der Welt der Reichen und Schönen. Wurde von ihr aufgesogen wie ein Sterblicher von der Traumwelt der Feen. Und dann starb sie während einer Party auf Poseidons Yacht an einer Überdosis.

Er und Simon hatten sie vernichtet. Während Simon jedoch längst von der Bildfläche verschwunden war, saß Poseidon jetzt vor ihr und ihn würde sie nicht so einfach davonkommen lassen. Unter gar keinen Umständen wollte sie ihm selbst verfallen. Also ignorierte sie sein verführerisches Lächeln und die Tatsache, dass es ihren Puls beschleunigte. Sie starrte ihn an, als sei er nicht mehr als der Schmutz unter ihren Schuhen.

Leider schien das keinerlei Wirkung auf ihn zu haben.

„Sie mögen mich nicht“, bemerkte er bedauernd. „Das verstehe ich. Wenn Sie mir Ihren Namen verschweigen, muss ich mir selbst etwas ausdenken. ‚Kleine Sirene‘ vielleicht, da Sie klein sind und sich die ganze Woche über sehr lautstark bemerkbar gemacht haben.“

Der leichte Akzent und die Belustigung, die aus seinem Ton sprach, gingen Andie unter die Haut. Das brachte sie auf.

„Sie hingegen sind der privilegierteste, arroganteste, frauenfeindlichste Bastard, der mir je untergekommen ist“, erklärte sie hitzig.

Sein Lächeln wurde breiter, als hätte sie soeben etwas sehr Amüsantes von sich gegeben. „Zwei Ihrer Vorwürfe treffen zu, zwei nicht“, versicherte er ihr. „Ich bin privilegiert und arrogant, aber ich bin kein Bastard. Meine Eltern waren verheiratet. Außerdem bin ich kein Feind der Frauen, ich liebe sie.“

„Sie finden es offenbar zum Lachen, Frauen auszunutzen. Ich nicht!“

Er kniff die Augen zusammen. „Wie bitte? Ich nutze niemanden aus, kleine Sirene, am wenigsten Frauen.“

„Und wie erklären Sie dann das Foto aus dem Nachtclub?“

Es war nicht ihre Absicht gewesen, ihre Karten so schnell aufzudecken, aber wieso nicht? Sie machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube.

„Was für ein Foto meinen Sie?“

„Das aus der vergangenen Woche.“ Wie konnte er sich daran nicht erinnern? „Mit zwei Frauen, die offensichtlich noch sehr jung waren und eindeutig betrunken.“

„Ach das! Sie waren in der Bar und machten Theater, weil der Barkeeper herausgefunden hatte, dass sie noch minderjährig waren. Er hat ein Taxi für sie gerufen, und ich habe mit ihnen zusammen gewartet, um sicherzugehen, dass sie nicht in noch mehr Schwierigkeiten geraten.“

„Die Presse sah das offenbar anders“, bemerkte sie spitz.

„Natürlich. Die Wahrheit hätte ja auch keine gute Schlagzeile gegeben.“ Er sah sie forschend an. „Was ist? Dachten Sie etwa, ich stehe darauf, minderjährige Frauen zu verführen?“

Andie war rot geworden, aber sie weigerte sich, den Blick abzuwenden. „Und? Ist es so?“

Er antwortete nicht sofort, sondern fuhr fort, sie durchdringend anzusehen.

„Sie sind sehr wütend auf mich“, bemerkte er schließlich. „Das kann nicht nur mit diesem Foto zu tun haben. Bitte erklären Sie mir, was ich getan habe.“

„Sie sind für den Tod meiner Schwester verantwortlich.“

2. KAPITEL

Als Poseidon der kleinen Sirene gegenübersaß, wurde ihm schnell klar, dass Dimitra sich geirrt hatte. Sie war nicht perfekt, sie war atemberaubend. Es gab kein anderes Wort für sie. Stolz in ihrer Nacktheit und mit seinem Namen auf ihren vollen Brüsten sah sie ihn durchdringend an – mit Augen, die von einem unglaublichen Grün waren. Hell und klar wie frische, junge Blätter in der Morgensonne.

Sie hatte Feuer in sich. Eine unglaubliche Intensität. Das Prickeln, das er bei ihrem ersten Anblick aus dem Fenster verspürt hatte, verwandelte sich in etwas, das so stark war, dass es ihn überraschte.

Das gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht. Jedes Gefühl, das ihn so heftig packen konnte, war alles andere als gut. Er gönnte sich Sex, wann auch immer ihm danach war. Die Frauen liefen ihm ja förmlich nach und machten es ihm sehr leicht. Aber diese Frau schien das personifizierte Problem zu sein und war damit für ihn tabu.

Er wollte keine Frau so sehr begehren, dass es ihn um den Verstand brachte. Verlangen musste kontrollierbar bleiben.

Davon abgesehen ahnte er, dass sie einen Heiratsantrag von ihm nicht einfach so annehmen würde.

Dimitra erwartete, dass ihre Enkel die Frauen, die sie heiraten wollten, zuerst umwarben – quasi als Beweis, dass sie keine Monster waren. Bevor Brita seinen Bruder gezähmt hatte, war auch Asterion von der Presse als „Monster des Mittelmeers“ bezeichnet worden.

Doch Poseidon hatte weder die Absicht, sich zähmen zu lassen, noch wollte er sein bequemes Leben aufgeben. Er liebte sein Leben, so wie es war, und er würde sein Verhalten nicht wegen einer Frau ändern.

Dimitra mochte eine Phase des Werbens erwarten, aber er hatte eine bessere Idee gehabt, als er die kleine Sirene in sein Büro bringen ließ. Eine Idee, die ihm eine größere Sicherheit gab und die diese Frau vielleicht dazu brachte, ihn wenigstens anzuhören.

Nun saß sie ihm auf der Couch gegenüber und hatte noch immer seine Jacke um die Schultern gelegt. Er hatte sie ihr überlassen, damit sie sich nicht so entblößt fühlte und er sich etwas vor dem Anblick dieser herrlichen Kurven schützen konnte.

Ihre Miene verriet deutlicher als viele Worte: Fahr zur Hölle, Poseidon Teras! Aus ihren grünen Augen schienen Funken zu sprühen. Sie sprach mit einer Offenheit, als sei er nichts weiter als Schmutz unter ihren Schuhen.

Eine rundum faszinierende Frau, die ihn in ihren Bann geschlagen hatte.

Die Frauen, mit denen er sich sonst umgab, waren genauso abgeklärt wie er – ebenso gelangweilt und zynisch. Sie erwarteten nichts weiter von ihm als Lust, also war es das, was er ihnen gab. Ob sie ihn mochten, wusste er nicht, aber es war ihm auch einerlei.

Das war bei dieser Frau anders. Sie hasste ihn, und jetzt wusste er auch, warum. Aber auch wenn er ein Playboy sein mochte, hatte er doch noch nie den Tod eines Menschen verschuldet.

Er runzelte die Stirn. „Ich soll schuld am Tod Ihrer Schwester sein? Inwiefern?“

„Ihnen gehört die Yacht Thetis“, gab sie zurück. „Und Sie nutzen sie für Partys.“

Das stimmte. Die Thetis war eine seiner vielen Yachten und gelegentlich gab es dort Partys. Er nickte.

„Vor fünf Jahren ist bei einer dieser Partys eine Frau ums Leben gekommen. Das war meine Schwester.“

Er erinnerte sich an den tragischen Vorfall. Er hatte die Thetis damals einem Bekannten geliehen, der sie wiederum einem Freund überlassen hatte. Der hatte eine Party an Bord organisiert. Er, Poseidon, hatte damit nichts zu tun gehabt. Erst nach seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise hatte er vom Tod der Frau erfahren. Es hatte eine polizeiliche Untersuchung gegeben und mit einer Verurteilung des Mannes geendet, der die Party organisiert hatte. Poseidon hatte der Familie der Frau Geld geschickt, um die Kosten für die Beerdigung zu übernehmen. Seine Yachten hatte er fortan nicht mehr verliehen.

Nun war klar, woher der Zorn rührte, mit dem die Frau ihn ansah.

„Es tut mir wirklich leid.“ Das war keine Floskel, denn er wusste, wie es war, geliebte Menschen zu verlieren. „Ich hoffe, Sie haben das Geld erhalten, das ich für die Beisetzung geschickt habe.“

Aus Funken in ihrem Blick wurden Flammen. „Geld! Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt!“, giftete sie. „Als ob das den Verlust von Chrissy wettmachen könnte.“

„Wie schon gesagt, es tut mir leid, dass Sie Ihre Schwester verloren haben“, sagte er leise. „Ich war zu der Zeit nicht an Bord und hatte auch nichts mit der Party zu tun.“

Das schien sie nicht zu beschwichtigen. „Es spielt keine Rolle, ob Sie dabei waren oder nicht – die Yacht gehört Ihnen, damit hatten Sie die Verantwortung.“

Eindeutig suchte sie nach einem Schuldigen. Seine Reaktion hatte vielleicht zu sehr nach einer Ausflucht geklungen. Er erinnerte sich nicht genau, was der Veranstalter der Party für eine Strafe erhalten hatte, wusste nur, dass er ins Gefängnis gekommen war. Aber sie hatte natürlich recht, wenn sie sagte, dass ihr das die Schwester nicht zurückbrachte.

„Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun?“, fragte er vorsichtig.

Ihre Antwort erfolgte prompt und mit kompromissloser Härte: „Sie können Chrissy’s Hope unterstützen – das Zentrum für Frauen mit Suchtproblemen, das ich nach meiner Schwester benannt habe.“ Nach kurzem Zögern setzte sie hinzu: „Für die nächsten fünf Jahre.“

Poseidon war überrascht. Er hatte irgendeine persönliche Entschädigung erwartet. Das war es, was die meisten Menschen in einer solchen Situation wollten. Der Wunsch nach der Sponsorenschaft für einen wohltätigen Zweck war eher ungewöhnlich.

„Sie wollen kein Geld für sich?“, hakte er nach, um sicher zu sein, dass er sie richtig verstanden hatte.

Ich brauche kein Geld.“ Sie sah ihn an, als habe er sie persönlich beleidigt. „Chrissy’s Hope braucht Unterstützung.“

Er war immer noch überrascht, aber die Forderung schien nachvollziehbar. Er hatte mehr als genug Geld und konnte es sich leisten, es für diesen Zweck auszugeben. Letztlich war er aber auch Geschäftsmann. Vielleicht konnten sie beide bekommen, was sie wollten.

Er brauchte ihre Einwilligung zur Hochzeit, sie brauchte Geld für ihr Zentrum. Er verlangte nichts weiter als ihr Erscheinen am Altar und ihre Unterschrift unter der Heiratsurkunde. Und natürlich musste sie Dimitra überzeugen, dass sie es aus freiem Willen tat. Er musste weder mit ihr schlafen noch sonst etwas tun. Im Gegenzug bot er ihr an, ihr Zentrum zu unterstützen, solange sie es wollte. Ganz simpel.

Sie saß sehr aufrecht auf seiner Couch und machte nicht einmal den Versuch, sich zu bedecken. Ihre Meinung von ihm stand unübersehbar auf ihren Brüsten. Ihr Blick war sehr direkt und fast vernichtend in seiner Offenheit. Erneut spürte er Hitze in sich aufsteigen. Unwillkürlich wünschte er sich, ein feuchtes Tuch zur Hand zu haben, um die Farbe fortzuwischen und ihren Körper zu erkunden.

Nein, er wollte diesem Verlangen nicht nachgeben. Nicht mit ihr und mit Sicherheit nicht jetzt, da er gerade von der Sache mit ihrer Schwester erfahren hatte. In der Regel interessierten ihn die Gefühle anderer nicht, denn wenn er sich darauf einließ, begab er sich auf gefährliches Terrain. Dann war er manipulierbar. Konnte ausgenutzt werden. Gefühle waren eine Schwäche. Etwas, das er sich nicht leisten wollte.

Am einfachsten war es, von vornherein überhaupt keine Gefühle zu entwickeln. Genau darum bemühte er sich. Natürlich hatte er auch seine Grundsätze, gegen die er nicht verstieß. Er manipulierte niemanden und nutzte niemanden aus. Weder im geschäftlichen Bereich noch privat. Das hieß allerdings nicht, dass er seine Interessen nicht gnadenlos durchsetzte. Er ging nur offen damit um.

Er konnte mit dieser Frau flirten. Wahrscheinlich konnte er sie irgendwann dazu bringen, die Dinge mit seinen Augen zu sehen. Konnte sie mit seinem Charme oder seinem Aussehen dazu bringen, zu tun, was er wollte. Aber sie war wütend und sie trauerte. Das machte sie unantastbar.

Allerdings würde er sich die Tatsache zunutze machen, dass ihre Organisation Geld brauchte. In der Hinsicht hatte er keinerlei Gewissensbisse.

„Und?“ Sie sah ihn herausfordernd an, als er weiter schwieg.

Sie hatte also nicht nur ein heißes Temperament, sondern war obendrein ungeduldig. Sie hielt beide Hände in ihrem Schoß und tippte nervös mit einem Finger auf dem Rücken der anderen Hand herum. Ansonsten blieb sie regungslos, aber es wirkte erzwungen. Als hielte sie sich bewusst zurück und offenbarte ihre Leidenschaft nur in ihrem Blick.

Er musste sich zusammenreißen und aufhören, sie anzustarren.

Verdrossen beugte er sich vor, die Ellenbogen auf seine Knie gestützt, die Hände aneinandergepresst. „Also gut“, erklärte er. „Ich werde das Zentrum unterstützen. Aber nur unter einer Bedingung.“

Irgendwie gelang es ihr, von oben auf ihn herabzusehen, obwohl er auch im Sitzen noch größer war als sie. „Natürlich gibt es eine Bedingung. Wie kämen Sie auch dazu, einfach so Geld zu spenden!“

„Ich bin Geschäftsmann, kleine Sirene, und Ihre Meinung von mir ist mir ziemlich einerlei – genau wie die aller anderen. Ich brauche etwas von Ihnen.“

Ihm entging nicht, dass sie sich verspannte. Es war offensichtlich, dass sie irgendeine geschmacklose Forderung von ihm erwartete. Wahrscheinlich etwas Sexuelles.

„Natürlich“, sagte sie höhnisch. „Männer wie Sie tun nie etwas ohne Gegenleistung, oder?“

„Ich weiß nicht, was andere Männer tun, aber es stimmt – ich erwarte eine Gegenleistung.“

„Ich nehme an, dass ich mit Ihnen schlafen soll.“ Es klang gleichzeitig herausfordernd wie verächtlich. „In dem Fall lautet die Antwort Nein. Falls Sie es wagen, mich anzurühren, rufe ich die Polizei.“

Fasziniert betrachtete er sie. Sie war klein, nahezu nackt und befand sich in Gegenwart eines der mächtigsten Männer Europas. Trotzdem benahm sie sich so, als stünde sie in voller Rüstung vor ihm, bewaffnet mit einem Schwert und einer ganzen Armee hinter sich.

Sie war entweder sehr mutig oder sehr naiv.

„Womit würden Sie die Polizei rufen?“, erkundigte er sich interessiert. „Sie haben eindeutig kein Handy dabei. Es sei denn, Sie hätten ein sehr gutes Versteck dafür.“

Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Auf Ihrem Tisch liegt ein Telefon.“

„Stimmt. Aber Sie müssten an mir vorbei, um es zu erreichen.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Ich kenne Taktiken der Selbstverteidigung. Ich würde Ihnen die Nase brechen.“

„Natürlich.“ Er nickte ernst, obwohl er Mühe hatte, ein Lächeln zu unterdrücken. „Sie können ganz beruhigt sein, Sie sind sicher vor mir. Ich rühre keine Frauen an, die das nicht wollen.“

Sie musterte ihn zweifelnd, während er ihren Blick ausdruckslos erwiderte. „Vielleicht sollten Sie mich einfach fragen, was meine Bedingung ist, statt Vermutungen anzustellen“, schlug er vor.

„Vielleicht sollten Sie es einfach sagen, statt hier alberne Spielchen zu spielen.“

Sie war wirklich herrlich!

In ihm regte sich etwas, das er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Fast so etwas wie … Vorfreude. Aber nein, er konnte sich nicht erlauben, so zu denken. Was er vorzuschlagen hatte, war ein Geschäft, nichts weiter.

„Also gut“, sagte er. „Ich unterstütze Ihr Zentrum auf unbestimmte Zeit, vorausgesetzt, Sie heiraten mich.“

Anfangs verstand Andie nicht richtig. Was er gesagt hatte, ergab keinen Sinn. „Ich soll Sie heiraten?“, wiederholte sie verblüfft. „Wieso?“

Poseidons Miene wirkte fast so, als wolle er um Entschuldigung bitten. Sie war sicher, dass es nicht echt war. So wie das meiste an ihm nicht echt zu sein schien – einschließlich seiner Beteuerung, nicht für Chrissys Tod verantwortlich zu sein.

Schließlich hatte er tatsächlich Geld für die Beerdigung ihrer Schwester geschickt und um Entschuldigung gebeten. Daran erinnerte sie sich. Aber Miranda, ihre Mutter, hatte sich nicht weiter dazu geäußert, ebenso wenig wie sie über die Summe gesprochen hatte, um die es ging. Und sie, Andie, hatte nicht gefragt. Beide waren sie am Boden zerstört gewesen über den Verlust ihrer Tochter und Schwester und das Loch, das der Tod in ihrem Leben hinterlassen hatte.

Chrissy war auf der Yacht dieses Mannes gestorben. Und auch wenn er behauptete, nicht verantwortlich für ihren Tod zu sein, so blieb es doch eine Tatsache: Hätte er seinem Freund die Yacht nicht geliehen, hätte es die verhängnisvolle Party nie gegeben.

Natürlich erwartete er eine Gegenleistung, wenn er Chrissy’s Hope unterstützte. Er tat es schließlich nicht einfach aus christlicher Nächstenliebe. Das taten Männer wie er nie. Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, was Nächstenliebe überhaupt bedeutete. Er war, wie er selbst gesagt hatte, Geschäftsmann. Mit denen kannte Andie sich aus. Simon war ebenfalls Geschäftsmann gewesen, so wie auch alle seine Freunde. Chrissy hatte ihr viele Geschichten von ihnen erzählt, als sie als Escort-Girl angefangen hatte – von ihrer Arroganz, ihrem Geld und ihren Privilegien. Chrissy fand das alles sehr aufregend. Auf jeden Fall aufregender als die Jungen in der Schule oder in der Gegend, in der sie aufgewachsen waren.

Andie hatte ihr zugestimmt.

Erst nach Chrissys Tod war die Wahrheit ans Licht gekommen.

Diese Männer waren nicht aufregend, sie waren Aasgeier. Und Poseidon Teras war einer von ihnen. Das hieß, sie musste sich vor ihm in Acht nehmen.

Er seufzte theatralisch. „Wieso? Weil meine Großmutter ein alter Drachen ist. In ihrer unendlichen Weisheit hat sie beschlossen, dass mein Bruder und ich eine Frau ihrer Wahl heiraten sollen. Zu Ihrem und meinem Pech hat Ihr kleiner Auftritt bei der Statue ihre Aufmerksamkeit geweckt und sie zu der Überzeugung gebracht, dass Sie die richtige Frau für mich sind.“

Vor Verblüffung vergaß Andie für einen Moment, den Mund zu schließen. „Ich?“, fragte sie fassungslos. „Wieso ich?“

„Ich glaube, Ihre Flüche haben sie beeindruckt. Ich gebe zu, ich habe schon viele Flüche zu hören bekommen, aber niemand war bisher so kreativ wie Sie.“

Andie hatte sich noch nicht wieder gefangen. „Ich verstehe es dennoch nicht.“

Er zuckte die Schultern. „Die Wege meiner Großmutter sind unergründlich. Wer kann schon sagen, wieso sie auf Sie verfallen ist? Wahrscheinlich weil Sie mich nicht mögen und kein Geheimnis daraus machen.“

„Sie hat sich für mich entschieden, weil ich Sie nicht mag?“

„Genau.“ Poseidon schenkte ihr sein umwerfendes Lächeln. „Sie spielt gern.“

Andie versuchte verzweifelt, ihren Schock zu verbergen. Poseidon sollte nicht wissen, wie sehr er sie überrascht hatte. Ihr Antrieb – der Motor, der sie am Laufen hielt – war ihr Zorn. Damit konnte sie umgehen, er war ihr vertraut. Ein Schockzustand hingegen gab ihr das Gefühl, hilflos zu sein. So wie damals, als sie im Korridor hinter ihrer Mutter gestanden und gehört hatte, wie ein Polizist sie informierte, dass ihre Schwester gestorben sei.

Glücklicherweise gewann ihr Zorn erneut die Oberhand. „Sie können nicht allen Ernstes erwarten, dass ich dabei mitmache“, erklärte sie hitzig. „Was für eine irrwitzige Idee!“

„Das sehe ich genauso“, pflichtete er ihr bei. „Die Idee ist verrückt, aber meine Großmutter kann sehr beharrlich sein.“

Ihn heiraten! Poseidon Teras heiraten – den Mann, der vielleicht nicht ganz so viel Verantwortung am Tod ihrer Schwester trug, wie sie bisher angenommen hatte, aber dennoch. Der Mann war der Inbegriff all dessen, wogegen sie seit Jahren kämpfte.

Es war unmöglich. Total krank.

Plötzlich hatte sie einen Verdacht. „Ist dies irgendeine Art Spiel? Falls ja, dann …“

„Glauben Sie mir, es ist kein Spiel.“ Sein Lächeln wirkte jetzt etwas angespannt, so als gefiele ihm das Ganze ebenso wenig wie ihr.

„Ihnen liegt eigentlich gar nichts daran, mich zu heiraten, oder?“, fragte sie.

„Ich möchte überhaupt nicht heiraten, aber was soll ich machen?“ Er seufzte. „Dimitra ist eine Naturgewalt und lässt sich nicht einfach abwimmeln.“

„Das ist doch lächerlich.“

„Offenbar hatten Sie noch nie das Vergnügen, es mit einer griechischen Großmutter zu tun zu haben.“

„Na und? Tun Sie alles, was sie von Ihnen verlangt?“

„Nein, aber dies ist ein kritischer Fall. Sie droht, ihren Anteil am Familientrust an einen Außenstehenden zu verkaufen.“ Seine Miene sprach Bände. „Es ist wichtig für meinen Bruder und mich, dass ihr Anteil in der Familie bliebt.“

Das klang so vernünftig, dass Andie fast verständnisvoll genickt hätte.

„Keine Angst“, fuhr er fort. „Ich verlange keinen Sex von Ihnen, falls es das ist, was Ihnen Sorgen bereitet. Die Ehe würde nur auf dem Papier bestehen, um Dimitras Wunsch zu erfüllen – nichts weiter.“

Bei dem Wort Sex wurde Andie sich ihrer Nacktheit plötzlich peinlich bewusst. Gleichzeitig registrierte sie, dass er nicht ein einziges Mal ihren Körper betrachtet hatte. Poseidon Teras war bekannt für seine Frauengeschichten – wieso verschlang er sie dann nicht mit Blicken, wie sie es erwartet hatte? Wieso hatte er nicht versucht, sie irgendwie zu berühren? Wo blieben die bedeutungsschwangeren Doppeldeutigkeiten? Er wäre doch sicher der Erste, der bei diesem absurden Arrangement auf Sex bestehen würde.

„Kein Sex?“, fragte sie spontan. „Sie haben also vor, wie ein Mönch zu leben?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Für einen Moment blitzte in seinen faszinierenden blauen Augen etwas auf. Heiß und verführerisch. Unwillkürlich musste Andie an die Berichte denken, die sie zur Vorbereitung ihres Protests über ihn gelesen hatte. Dabei hatte sie erfahren, dass er den Ruf hatte, nicht nur ein sehr guter, sondern auch ein sehr großzügiger Liebhaber zu sein. Alle Verflossenen rühmten seine Fähigkeiten im Bett. Nun fragte sie sich, worin diese Fähigkeiten bestehen und wie sie sich anfühlen mochten …

Himmel! Was war denn los mit ihr? Nach Chrissys Tod war sie Männern und den mit ihnen verbundenen Komplikationen aus dem Weg gegangen. Bisher hatte sie allerdings auch noch nie jemanden getroffen, der sie in Versuchung geführt hätte, ihre Ansichten zu ändern.

Dieser Mann würde definitiv auch nicht der erste sein – insbesondere wenn er bereit war, eine Frau dafür zu bezahlen, dass sie ihn heiratete.

„Sie wären also nicht treu?“, fragte sie.

Er musterte sie durchdringend. „Wieso? Hätten Sie es gern?“

Sie wurde rot und ärgerte sich darüber, wandte den Blick aber nicht ab. Das hätte zu sehr den Eindruck eines Rückzugs gemacht. „Nein“, sagte sie. „Es ist mir einerlei, was Sie tun. Aber Sie haben gesagt, Sie sind bereit, Chrissy’s Hope zu unterstützen, richtig?“

„Ja, das stimmt.“

Wollte sie etwa ernsthaft über seinen Vorschlag nachdenken?

Nein, natürlich nicht. Das Ganze war absurd. Total verrückt. Andererseits: Chrissy’s Hope war ihr wirklich wichtig, und falls es eine Chance gab, auf unbegrenzte Zeit Unterstützung zu erhalten, dann sollte sie dieses Angebot zumindest in Betracht ziehen. Auch wenn er es vielleicht nicht ernst meinte.

„Sie würden Chrissy’s Hope sponsern, ganz gleich, wie lange wir verheiratet bleiben?“

„Ja, Hydra Shipping würde sich an den Deal gebunden fühlen, bis Sie ihn von sich aus beenden.“

Das hieße, sie müsste nie wieder um Spendengelder betteln. All diese verzweifelten Frauen würden die Hilfe bekommen, die sie brauchten. Und nie wieder müsste sie jemanden abweisen.

Es war ein ziemlicher Kampf gewesen, das Zentrum am Leben zu halten. Die Nachfrage wurde von Tag zu Tag größer. Sie brauchte Geld – viel Geld –, um auch nur die nötigste Hilfe zu geben, ganz zu schweigen von der weitergehenden Unterstützung, die sie den Bedürftigen zukommen lassen wollte.

„Was bieten Sie?“, fragte sie schroff und nannte dann die Summe, die für den täglichen Betrieb nötig war.

Er zuckte nicht mit der Wimper. „Ich gebe Ihnen das Doppelte.“

Andie schluckte. Das Doppelte? Himmel, es gab so vieles, was sie damit tun könnte. So vieles, was sie anbieten könnte. Vielleicht konnte sie den Service um Programme erweitern, die über die reine Suchttherapie hinausgingen. Bessere Möglichkeiten …

Ihr wurde bewusst, dass sie ihn anstarrte und dass ihr Schock wahrscheinlich offensichtlich war. Das war nicht gut. Poseidon sollte nicht wissen, wie nötig sie das Geld brauchte, denn sie hatte nicht die Absicht zu betteln. Das war sie sich selbst – und Chrissy – schuldig.

„Gut.“ Sie bemühte sich, ihre Miene ausdruckslos zu halten. „Und all das nur dafür, dass ich Sie heirate? Was letztlich nicht mehr wäre als mein Name auf einem Stück Papier?“

Sie hielt nicht viel von der Institution der Ehe. Chrissy hatte ihr jede Menge haarsträubender Geschichten über die Männer erzählt, mit denen sie ausgegangen war und die ihre Frauen oder Freundinnen betrogen hatten. Dadurch sah Andie das Ganze mehr als skeptisch. Ihre Mutter hatte sich von ihrem Vater getrennt, als Andie noch ein Baby gewesen war, und sie hatte nie ein gutes Wort über ihn verloren.

Wie auch immer – Andie war nicht so naiv, zu glauben, dass sie nichts weiter dazu beizutragen hatte als ihren Namen auf dem Papier. Es musste noch mehr dahinterstecken.

Poseidon nickte. Die Frage schien ihm zu gefallen. „Es wird eine ganz legale Hochzeit sein. Mit einer großen Feier. Dimitra liebt Hochzeiten. Dabei müssten Sie natürlich so tun, als wären Sie verliebt in mich, sonst könnte sie Verdacht schöpfen.“

Andie runzelte die Stirn. „Ich soll so tun, als wäre ich verliebt in Sie?“ Sie musste einfach nachfragen, um sicherzugehen, dass sie ihn richtig verstanden hatte.

Poseidon schien tatsächlich eine Spur verlegen. „Na ja, wenigstens ein wenig. Dimitra wollte, dass Asterion und ich unseren Frauen den Hof machen, nicht, dass wir sie dafür bezahlen, bei uns zu sein. Sie wäre sehr unglücklich, wenn sie herausfinden würde, dass ich genau das getan habe.“ Ehe sie darauf etwas erwidern konnte, fuhr er fort: „Natürlich müssen wir auch Flitterwochen haben. Ich hoffe, das ist kein Problem?“

Er erwartete allen Ernstes eine Hochzeitszeremonie, bei der sie so tat, als liebe sie ihn, und dann auch noch Flitterwochen? Hatte er den Verstand verloren?

„Ja, doch, das ist ein Problem!“, fauchte sie ihn an.

Abwehrend hob er die Hand. „Keine Angst, wir werden getrennte Zimmer haben. Und natürlich erwarte ich nicht, dass Sie irgendwelchen … ehelichen Pflichten nachkommen. Die Flitterwochen sind reine Show. Sie können sie als wohlverdienten Urlaub betrachten.“

Ein Urlaub? Mit ihm?

Absurd. Aber sie konnte die finanzielle Unterstützung für Chrissy’s Hope nicht ausschlagen. Mit dem Geld ließe sich unglaublich viel Gutes tun. Unter den Umständen sollte sie über diesen Deal wenigstens nachdenken …

Sie musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Falls ich zustimme, werde ich nicht mit Ihnen zusammenleben. Und ich habe nicht die Absicht, irgendeinen Aspekt meines Lebens für Sie aufzugeben.“

„Natürlich nicht“, sagte er in besänftigendem Ton. „Das würde ich ja auch gar nicht erwarten. Mit den Details des Zusammenlebens können wir uns später befassen.“

„Ich möchte den Sponsorenvertrag schriftlich, bevor die Hochzeit stattfindet. Die Bedingungen der Ehe möchte ich auch schwarz auf weiß – mit Ihrer Unterschrift darunter.“

Er nickte. „Das kann ich veranlassen.“

Andie erwartete, dass noch irgendwelche Bedingungen kamen, aber er schwieg. Äußerst verdächtig! Er hatte allem so schnell zugestimmt und zu keinem Zeitpunkt protestiert. Hatte sie irgendetwas verpasst?

„Wie lange müssten wir verheiratet bleiben?“, erkundigte sie sich nach kurzem Nachdenken.

„Offiziell? Bis Dimitra stirbt, würde ich annehmen. Aber sie ist schon sehr alt, ich gehe also nicht davon aus, dass es sehr lange sein wird.“

Sein beiläufiger Ton gefiel ihr nicht. „Das ist eine schreckliche Art, von Ihrer Großmutter zu sprechen!“

Er sah sie überrascht an, und plötzlich wurde ihr klar, dass er nicht einfach irgendjemand war. Er war Poseidon Teras, ein mächtiger Milliardär. Sie hatte ihn in aller Öffentlichkeit wüst beschimpft und ihm unterstellt, mitverantwortlich am Tod ihrer Schwester zu sein. Und nun warf sie ihm auch noch vor, sich seiner Großmutter gegenüber ungebührlich zu verhalten. Als hätte sie das Recht dazu!

Andie konnte sich entschuldigen, wenn sie einen Fehler gemacht hatte – damit hatte sie kein Problem. Aber sie hatte etwas dagegen, sich bei Männern zu entschuldigen, die es nicht verdient hatten. Und er hatte es nicht verdient. Also starrte sie ihn nur kampflustig an. Sollte er es nur wagen, sie zu kritisieren!

Aber er musterte sie nur auf eine Art, die sie nervös machte. Sein Blick hatte nichts Lüsternes oder Aufdringliches. Er sah sie einfach an, als … als interessiere sie ihn.

„Sie sind sehr offen“, meinte er schließlich mit so etwas wie Bewunderung in der Stimme.

„Ich nenne die Dinge gern beim Namen“, tat sie seine Bemerkung mit einem Schulterzucken ab.

„Allerdings.“ Zu ihrer Überraschung lächelte er wieder. Diesmal war es ein warmes, natürliches Lächeln, das ihr noch mehr unter die Haut ging als zuvor. „Das gefällt mir.“

Das war noch etwas, das sie nicht wollte: dass ihm etwas an ihr gefiel. Oder dass er sie … überraschte. Sie hasste es. So wie sie sein Lächeln hasste.

„Schön für Sie“, bemerkte sie spitz. „Ihre Meinung interessiert mich nicht.“

„Das glaube ich nicht“, widersprach er. „Wäre ich Ihnen egal, hätten Sie mich nicht kritisiert, was den Ton gegenüber meiner Großmutter angeht. Und Sie haben natürlich recht. Was ich gesagt habe, war unmöglich.“

Ehe sie sich von ihrer Überraschung erholen konnte, fuhr er schon fort: „Also? Wie lautet die Entscheidung, kleine Sirene? Ist es ein Nein? Oder möchten Sie noch darüber nachdenken?“

„Was passiert, wenn ich Nein sage?“

„Nichts, sieht man mal davon ab, dass ich dann Ihr Zentrum nicht sponsern werde und Sie Dimitra enttäuschen, was vielleicht noch schlimmer wiegt.“

„Und wenn ich Ja sage?“

„Dann heiraten wir. Sie kommen in den Genuss von viel Geld und ernten das Wohlwollen meiner griechischen Großmutter. Außerdem bleibt ihr Firmenanteil in der Familie – wo er auch hingehört.“

Wollte sie das wirklich durchziehen?

Wahrscheinlich nicht. Sie musste darüber nachdenken. Die Chance für Chrissy’s Hope war einfach zu gut, als dass sie sie nicht ergreifen sollte.

„Ich denke darüber nach“, sagte sie schließlich.

Er hatte den Anstand, nicht zu zufrieden dreinzusehen. „Ausgezeichnet.“ Er zog eine Karte aus der Tasche und reichte sie ihr. „Das ist meine private Handynummer. Ich hätte Ihre Antwort gern innerhalb der nächsten Woche. Falls Sie mehr Zeit brauchen, lassen Sie es mich wissen.“

Andie griff nach der Karte. Ihre Finger berührten sich kurz, und ihr war, als träfe sie ein kleiner Stromschlag. Fast hätte sie die Karte fallen lassen. Überrascht erkannte sie an seinem Blick, dass er es auch gespürt hatte.

Es war ein Fehler, ihn angeschaut zu haben.

Sie sah es in den Tiefen seiner blauen Augen: männliches Interesse. Chemie.

Das Blut stieg ihr in die Wangen. Hastig zog sie die Hand zurück.

Nun hatte sie sich verraten.

Andie ignorierte den Gedanken. Es war nichts weiter gewesen. Fakt war: Sie hasste ihn. Auf jeden Fall fühlte sie sich nicht zu ihm hingezogen. Auf keiner Ebene.

Kurz entschlossen erhob sie sich. „Eine Woche sollte reichen“, erklärte sie knapp und ging zur Tür.

Nach ein paar Schritten merkte sie, dass sie noch immer seine Jacke um die Schultern trug. Sie blieb stehen und ließ sie zu Boden gleiten. Dann warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu. „Übrigens … Mein Name ist Andromeda.“

Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.

3. KAPITEL

Am Abend traf Poseidon sich mit Dimitra zu ihrem verabredeten Essen. Am nächsten Morgen wollte sie zurück zu der Insel im Mittelmeer fliegen, wo die Teras-Familie ihren Stammsitz hatte. Als sie ihn nach Andromeda fragte, gab er nur vage Antworten. Er wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Seine Großmutter war von Natur aus argwöhnisch, sodass er sehr vorsichtig sein musste.

Als er anschließend in sein Penthouse zurückkehrte, das ganz in der Nähe von Hydra Shipping lag und einen atemberaubenden Blick über die Themse bot, rief er seinen Bruder an, um die Situation zu besprechen.

„Hast du ihr gesagt, dass sie auf die Insel kommen muss?“, wollte Asterion wissen, nachdem Poseidon geendet hatte.

Er klang vage missbilligend, was Poseidon ärgerte.

Aber er war ohnehin schon gereizt, weil seine Gedanken immer wieder zu der kleinen Sirene zurückwanderten und er vor sich sah, wie sie sein Büro verließ. Immer wieder dachte er an den Moment, an dem sich ihre Finger berührt hatten, als er ihr seine Karte gegeben hatte. Es war von keinem von ihnen Absicht gewesen, da war er sich ganz sicher. Unvergessen war jedoch das Prickeln, das ihn wie ein leichter Stromschlag durchlaufen hatte – ein unverkennbares Zeichen dafür, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Er hätte problemlos damit umgehen können, hätte er nicht bemerkt, dass sie ebenso sehr auf ihn reagiert hatte wie er auf sie.

Vielleicht mochte sie ihn nicht, aber er ließ sie nicht kalt, da war er sich ganz sicher.

Das machte die Sache nicht einfacher.

Auf jeden Fall wurde die Situation … herausfordernder. Eine schöne Frau, die er begehrte – und sie ihn –, war schon immer eine Versuchung für ihn gewesen, der er nicht widerstehen konnte. Aber dies hier war ein geschäftlicher Deal, keine Liebesheirat, und er hatte beschlossen, sie nicht anzurühren. Daran wollte er sich halten. So einfach war das.

Er hatte sehr deutlich gemacht, was er von dieser Vereinbarung, so es denn dazu käme, erwartete. Ein paar Dinge hatte er in der Kürze der Zeit zu erwähnen vergessen, wie Asterion ihm schnell klarmachte. Zum Beispiel die Trauung in der alten Kirche, die Dimitra so liebte. Aber vielleicht war das ja auch kein Problem.

Die Familie Teras lebte bereits seit Generationen auf der Insel. Von dort aus hatte sie ihr Unternehmen aufgebaut. Asterion war jetzt zuständig für die Minotaur-Gruppe und Poseidon für Hydra Shipping.

Die Insel war ein kleines Juwel im blauen Mittelmeer unweit der Küste Griechenlands. Touristen fielen jedes Jahr in Schwärmen darüber her. Er war sicher, Andromeda würde sie lieben.

Wirklich? Bisher schien er so gut wie keine Sympathie-Punkte bei ihr gesammelt zu haben.

Doch das spielte keine Rolle. Sie musste sich nicht in ihn verlieben, nur zustimmen, seine Frau werden zu wollen, das war alles.

„Nein“, erklärte er seinem Bruder. „Ich habe es ihr noch nicht gesagt. Sie hat der Hochzeit ja auch noch nicht zugestimmt.“

Asterion murmelte etwas Missbilligendes und setzte zu einem Vortrag darüber an, dass eine gekaufte Braut nicht das war, was Dimitra im Sinn gehabt hatte. Irgendwann hörte Poseidon ihm nicht mehr zu – wie immer, wenn Asterion ihn belehren wollte. Sein Bruder tat manchmal so, als sei er ganze zehn Jahre älter als er und nicht nur eine Minute.

In erster Linie war seine mangelnde Aufmerksamkeit aber der Tatsache zuzuschreiben, dass seine Gedanken schon wieder um Andromeda kreisten. Im Geiste sah er vor sich, wie sie auf dem Weg zur Tür seine Jacke zu Boden gleiten ließ, nackt und nur bedeckt von einem Tanga und von Farbe. Sie blickte ihm direkt in die Augen.

Mein Name ist Andromeda. Es klang so, als mache sie ihm damit ein großzügiges Geschenk.

Und das Merkwürdige war: Es war ihm tatsächlich wie ein Geschenk vorgekommen.

Asterion redete immer weiter, während Poseidon daran dachte, dass sie eine schriftliche Vereinbarung gefordert hatte. Schwarz auf weiß und unterschrieben.

Bestimmt war sie eine gute Geschäftsfrau. In einem Punkt hatte Asterion allerdings recht: Es würde Dimitra nicht gefallen, wenn sie herausfände, dass seine Ehe ein geschäftlicher Deal war. Ihre Vorstellung war, dass er um die Frau, die sie für ihn ausgesucht hatte, warb, und nicht, dass er sie einfach dafür bezahlte, seine Braut zu sein.

Um den Schein zu wahren, müsste er also dabei gesehen werden, wie er Andromeda den Hof machte. Das war etwas, das er nicht gewohnt war, da die Frauen ihm für gewöhnlich hinterherliefen und nicht umgekehrt. Andromeda mochte sich zu ihm hingezogen fühlen, aber sie würde es nie zugeben.

Da er bereits beschlossen hatte, keinen Sex einzusetzen, um sein Ziel zu erreichen, musste er es anders anfangen. Aber wie sollte er eine Frau umwerben, von der er so gut wie nichts wusste, und es überzeugend aussehen lassen? Zumindest rein äußerlich?

Die üblichen Geschenke wie Juwelen oder Schmuck kamen nicht in Frage. Die Frau hätte für ihre Unterschrift unter der Heiratsurkunde alles von ihm fordern können, aber sie wollte lediglich, dass er ihr Zentrum zur Betreuung Suchtkranker unterstützte. Es schien unwahrscheinlich, dass sie sich über eine Kette oder ein Kleid freuen würde. Es musste etwas sein, das auch Dimitras Neugier befriedigte.

Aber war er nicht etwas zu voreilig mit seinen Überlegungen? Bisher hatte Andromeda schließlich noch nicht Ja gesagt.

Er hatte ihr eine Woche gegeben, sich zu entscheiden, und sie konnte ihm sehr wohl einen Korb geben, ganz gleich, was er ihr bot. Irgendwie musste er sie also dazu bringen, es nicht zu tun. Vielleicht konnte er die Sache irgendwie beeinflussen …

„Das ist keins deiner Spielchen, Poseidon“, meinte Asterion gerade, offenbar am Ende seines Vortrags. „Und du kannst es auch nicht so handhaben.“

Mit einiger Mühe zwang Poseidon sich dazu, sich wieder auf das Gespräch mit seinem Bruder zu konzentrieren. „Höre ich da eine gewisse Missbilligung, Bruderherz? Doch sicher nicht …“

„Du sollst sie umwerben, nicht dafür bezahlen, dass sie mit dir vor den Altar tritt.“

„Dimitra wird nicht herausfinden, dass ich sie bezahlt habe. Und ich habe Andromeda schon gesagt, dass sie so tun muss, als sei sie verliebt in mich. Sie fand es in Ordnung.“

Das war zwar eine sehr großzügige Auslegung der Wahrheit, aber Poseidon könnte ihr dabei etwas Hilfe leisten, bevor die Hochzeit stattfand. Vielleicht sollten sie ein wenig üben. Zum Beispiel musste sie sich daran gewöhnen, dass er sie berührte. Den Arm um ihre Taille geschlungen, ihre Hand in seiner, nahe beieinanderstehen …

Vielleicht musste er sie sogar küssen.

Eine Woge des Verlangens erfasste ihn bei dem Gedanken an ihre üppigen Lippen. Und ihre Kurven unter seinen Händen würden sich anfühlen wie …

Nein! Es würde zu nichts weiter kommen als zu einer gelegentlichen Berührung hier und da und vielleicht einem Kuss. Er würde sich jederzeit unter Kontrolle haben. Wenn es wirklich schon so weit war, dass eine kratzbürstige kleine Sirene ihn erregen konnte, dann sollte er sich eine andere Frau suchen. Eine Frau, die nett, nachgiebig und willig war, nicht abwehrend und voller Zorn. Andererseits: Wenn er sich jetzt eine andere Frau suchte, nachdem Dimitra Andromeda für ihn bestimmt hatte, zerstörte er die Illusion der Romantik, die er versuchte aufzubauen. Es war besser, zu warten, bis er seine Pflicht erfüllt hatte.

„Natürlich fand Andromeda das in Ordnung“, bemerkte Asterion trocken. „Und ich bin auch sicher, dass es genauso abläuft, wie du dir das vorstellst.“

Poseidon beschloss, die Skepsis im Ton seines Bruders zu ignorieren. „Ich muss wenigstens so tun, als ob ich um sie werbe. Aber sie ist nicht der Typ Frau, der auf Schmuck steht. Ich muss mir also irgendetwas anderes einfallen lassen.“

Einen Moment herrschte Schweigen.

„Moment mal …“ Asterion war sichtlich amüsiert. „Du willst jetzt nicht irgendwelche Tipps von mir hören, was du tun könntest, oder?“

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Autor

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