MTB Thriller Collection 2

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RAUSCH DER SINNE
Dem Zauber der Frauen ist Weingutbesitzer Alexandre Dupree schon oft erlegen. Aber keine hat ihn je so gefesselt wie die schöne Charlotte - und keine ihn je so abblitzen lassen. Bis er zufällig ihr Tagebuch findet. Jetzt weiß er, was er tun muss ...


ZEIG GEFÜHL, DARLING
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LASS DICH UNTER STERNEN LIEBEN
Was für ein Mann! Sein Blick verspricht heiße Nächte, als Kyra auf der Karibikinsel dem geheimnisvollen Michael begegnet. Soll sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben auf ein Abenteuer einlassen?


SEXY, SÜß UND NAMENLOS
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DYING FOR YOU - GEFANGEN IM ALBTRAUM
Es ist ihr Traumjob. Bis er in der grünen Hölle Südamerikas plötzlich zum Albtraum wird … Der neue Thriller von Beverly Barton.
Bodyguard bei der Milliardenerbin Cara Bedell, mit ihr zu einem Geschäftsdeal nach Südamerika reisen - genau der richtige Job für die Sicherheitsexpertin Lucie Evans. Denn je weiter sie von ihrem Exboss Sawyer McNamara wegkommt, desto besser: Diese emotionale Hölle aus Anziehung, Schuld und Ablehnung hält sie keinen Tag länger aus. Doch in Südamerika kommt es zu einer verhängnisvollen Verwechslung: Lucie wird für Cara gehalten und gekidnappt. Ihr Leben scheint nichts mehr wert. Es sei denn, Sawyer rettet sie. Doch das ist das Letzte, was Sawyer für die Frau tun möchte, der er die Schuld am Tod seines Bruders gibt. Die Frau, die er liebt - und niemals lieben darf.


DER TOD TRÄGT DEIN GESICHT
Gefesselt, vergewaltigt, durch den Wald gehetzt und erschossen - drei Frauen sind grausam ermordet worden. Kommissarin Casey O'Toole leitet die Ermittlung und macht eine verstörende Entdeckung: Die Opfer sahen ihr verblüffend ähnlich - rotes Haar, blaue Augen - und alle drei waren bei dem Schönheitschirurgen Dr. Mark Adams in Behandlung. Kommt er als Serienkiller in Frage? Für Casey eine Frage auf Leben und Tod: Während die Angst unter der Bevölkerung vor einem neuen Frauenmord wächst, zeigt ihr der prominente Arzt, dass sie für ihn die Schönste ist. Zwischen Misstrauen und Sehnsucht lässt Casey sich zu einer Affäre hinreißen - und beschwört damit eine Katastrophe herauf ...
  • Erscheinungstag 17.09.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783955764883
  • Seitenanzahl 528
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Beverly Barton, Ginna Gray

MTB Thriller Collection 2

PROLOG

Zum ersten Mal brachte Arturo Torres-Rios einen Mann um, als er vierzehn Jahre alt war. Mit siebzehn tötete er zum ersten Mal eine Frau und mit zwanzig zum ersten Mal ein Kind. Dennoch gefiel es ihm nicht, wenn man ihn Mörder nannte. Er selbst verstand sich als Vollstrecker.

Mittlerweile war er zweiunddreißig Jahre alt. Arturo hatte sich im Laufe der Zeit viele nützliche Fähigkeiten antrainiert -Fähigkeiten, mit denen er sein Geld verdiente. Manchmal setzte er sie allerdings auch zu seinem Vergnügen ein. Als Auftragskiller hatte er wenig Konkurrenz. Er bevorzugte Aufträge, bei denen er wenig oder gar keinen persönlichen Kontakt mit dem Opfer haben musste. Doch ab und zu, wenn die Bezahlung stimmte, ließ er sich durchaus auch als Folterer, Kidnapper oder Dieb engagieren.

Er mochte die US-Amerikaner nicht. Erst recht nicht, wenn sie Ölfirmen in Südamerika gründeten und mit der Regierung seines Heimatlandes Abkommen schlössen. Das kleine Land Ameca besaß große Ölvorkommen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebte jedoch in Armut, so wie auch Arturo als Kind in Armut gelebt hatte. Es war allgemein bekannt, dass er die Gringos nicht mochte, und dennoch wurde er immer wieder auch von Amerikanern angeheuert, um für sie ihre schmutzigen Geschäfte zu erledigen. Mit seinen Auftraggebern hatte er jedoch nie persönlich Kontakt. Dafür gab es Josue Soto. Er war Rechtsanwalt und ein langjähriger Freund von Arturo. Er fungierte als Mittelsmann und managte alle Jobs für ihn. Und Josue war die zehn Prozent Anteil wert, die Arturo an ihn abdrückte. Seinem Freund aus Kindertagen konnte er vertrauen.

Sie trafen sich nie in Josues Büro oder bei ihm zu Hause und auch nicht bei Arturo. Immer, wenn ein Geschäft anstand, trafen sie sich in der alten Missionskirche in Puerto Colima, ihrem Heimatdorf.

„Wenn du den Auftrag annimmst, bekommst du eine Viertelmillion Dollar sofort, eine weitere Viertelmillion gibt es nach Abschluss von Phase eins und die restlichen anderthalb Millionen, wenn der Auftrag erledigt ist“, erklärte Josue ihm.

„Zwei Millionen Dollar sind ein verlockendes Angebot.“

„Und du musst dir nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen. Du musst nur alles überwachen und dafür sorgen, dass nichts schiefgeht. Ich bin sicher, du kannst das richtige Team für einen solchen Auftrag zusammenstellen.“

„Ist der Auftraggeber aus den USA oder aus Ameca?“, wollte Arturo wissen.

Josue seufzte schwer. „Warum fragst du? Du weißt doch, dass es besser für dich und für den Kunden ist, wenn keine Fragen gestellt werden. Das ist für alle sicherer.“

Arturo lächelte. Josue hatte recht. Es spielte keine Rolle, wer seine Dienste in Anspruch nehmen wollte. Schließlich konnte jeder ihn buchen; Arturo war auf dem freien Markt verfügbar. „Vergiss einfach, dass ich gefragt habe.“

„Dir bleibt knapp ein Monat Zeit für die Vorbereitung. Alles muss am fünfzehnten September fertig sein. Den genauen Ort und Zeitpunkt kannst du wählen, aber die eigentliche Zeitspanne, die dir bleibt, ist nur kurz, maximal ein paar Tage.“

„Das ist kein Problem.“ Arturo betrachtete den dünnen Ordner, den Josue in der Hand hielt. „Und da drin finde ich alle Informationen und weitere Instruktionen?“

Josue nickte.

Arturo nahm den Ordner, öffnete ihn und las sich die drei Seiten mehrmals durch. Dann gab er den Ordner seinem Freund zurück. Er hatte es sich beigebracht, relevante Daten sofort abzuspeichern und die Information einzig in seinem Kopf aufzubewahren. Das war die sicherste Methode. Keine schriftlichen Beweise.

„Dann kann ich heute noch mit dem Auftraggeber Kontakt aufnehmen und ihm bestätigen, dass wir den Auftrag angenommen haben?“

„Ja. Und sag ihnen, sie sollen das Geld sofort auf unser Konto überweisen. Sobald das geschehen ist, werde ich einen todsicheren Plan entwerfen und mir ein perfektes Team zusammenstellen.“

„Es soll niemand sterben“, erinnerte Josue ihn. „Erst, wenn explizit die Anweisung dazu gegeben wird.“

Arturo und Josue erhoben sich aus der hölzernen Kirchenbank und schüttelten sich die Hände. Josue ging als Erster und verließ die Kirche durch die vordere Tür. Arturo benutzte den Seitenausgang. Draußen setzte er seine Sonnenbrille auf und ging, nachdem er sich auf der mit Müll übersäten Straße mehrfach umgesehen hatte, rasch zu seinem Wagen, den er zwei Häuserblocks entfernt abgestellt hatte.

1. KAPITEL

Daisy Holbrook bildete sich etwas darauf ein, ihre Aufgabe als Büroleiterin der Dundee Private Security and Investigation Agency mit Kompetenz und Raffinesse zu erledigen. Sie war immer bei allen Fällen gleichzeitig auf dem Laufenden. Zurzeit koordinierte sie zwanzig Agenten, mehrere freie Mitarbeiter und sechs Büroangestellte. Dundee Private Security and Investigation Agency wickelte Aufträge innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten ab und galt als eine der besten in der Branche. Der Inhaber der Sicherheitsagentur, Sam Dundee, schaute zwar nur einmal im Jahr in der Zentrale in Atlanta vorbei; in besonders dringenden Fällen jedoch war er telefonisch jederzeit erreichbar. Als sein Geschäftsführer fungierte Sawyer McNamara. Er kümmerte sich um Personalentscheidungen und die Auftragsvergabe. Man konnte sagen: Er regierte Dundee mit eiserner Faust. Sein Wort war Gesetz. Viele der Agenten waren gut miteinander befreundet und trafen sich auch in ihrer Freizeit. Sawyer tat das nicht; er hielt professionelle Distanz zu seinen Angestellten. Keiner der Agenten mochte Sawyer wirklich, doch respektiert wurde er von allen. Bis auf Daisy zitterte das ganze Büro vor dem großen Boss, und alle weiblichen Angestellten waren heimlich in ihn verliebt. Daisy verstand, wieso. Sawyer wirkte nicht nur durch seine einschüchternde Art Respekt einflößend. Er besaß aufgrund seines guten Aussehens – er war groß und dunkelhaarig – einen gewissen Sex-Appeal, der dadurch noch gesteigert wurde, dass er sich kleidete wie ein Model aus der GQ. Als Daisy direkt nach dem College ihren Job bei Dundee antrat, war auch sie ein bisschen in ihn verliebt gewesen, das musste sie zugeben.

Aber das war lange vorbei.

Jetzt schaltete sie das Licht an, vergewisserte sich, dass das Reinigungspersonal die einzelnen Büros in perfektem Zustand hinterlassen hatte, und stellte zwei Kannen Kaffee in den Konferenzraum. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an ihren ersten Tag im Büro, damals, vor acht Jahren. Nervös war sie gewesen und unsicher, doch entschlossen, ihr Bestes zu geben. Zwei Jahre darauf war die damalige Büroleiterin dann in Ruhestand gegangen und ihre Stelle frei geworden. Für Daisy war es eine absolute Überraschung gewesen, als ihr diese Position anvertraut worden war.

„Sie sind intelligent, arbeiten effizient und können einen kühlen Kopf bewahren“, hatte Sawyer zu ihr gesagt. „Noch dazu können Sie in hochhackigen Schuhen anständig laufen und geraten auch nicht in teenagerhafte Verzückung, wenn ich mit Ihnen spreche.“

Nach acht Jahren bei Dundee kannte man Daisy unter dem Spitznamen „Miss Multitasking“ – und darauf war sie stolz. Inzwischen war sie den meisten Agenten freundschaftlich verbunden, mit einigen sogar eng befreundet, und ein ganz bestimmter Agent hatte schon vor Jahren ihr Herz gestohlen. Bis auf den Mann selbst wusste jeder bei Dundee, dass Daisy in Geoff Monday verliebt war. Geoff war ehemaliger Offizier des Special Air Service, kurz SAS, einer britischen Spezialeinheit. Er galt als Casanova und überzeugter Junggeselle. Zudem war er noch fünfzehn Jahre älter als Daisy und behandelte sie gern wie seine kleine Schwester. Sie schien nichts anderes für ihn zu sein als ein guter Kumpel. Unerwiderte Liebe war einfach etwas Schreckliches!

Auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz sah Daisy auf die Uhr. Zehn nach acht. Sie war jeden Morgen pünktlich um acht Uhr da, eine Stunde vor allen anderen. Falls kein besonders dringender Fall vorlag, erschien ihr Chef normalerweise zwischen neun und zehn. Die Agenten, die keinen aktuellen Auftrag hatten, tauchten zu den unterschiedlichsten Zeiten auf. Gerade als Daisy bei ihrem Schreibtisch angekommen war, hörte sie, wie der Fahrstuhl stoppte. Offensichtlich kam da noch jemand früh zur Arbeit, entweder ihr Chef oder einer der Agenten.

Die Büroangestellten tauchten meist erst auf die letzte Minute auf.

Daisy sah den kurzen Gang hinunter und stellte fest, dass die Agentin Lucie Evans regelrecht aus dem Aufzug herausplatzte. Ihre lange, rotbraune Lockenmähne wippte bedrohlich auf und ab, während sie wütend in Daisys Richtung stapfte.

Oh-oh. Diesen Blick kannte Daisy. Lucie war stinksauer. Blitze schössen aus ihren dunklen Augen, ihre Wangen waren gerötet, ihr Schritt entschlossen. Diese Frau war wütend, total wütend – und es gab nur eine einzige Person, die sie in diesen Zustand versetzen konnte.

„Ist er schon da?“, knurrte sie, als sie vor Daisys Schreibtisch stand.

„Leider nicht.“

„Dann ruf ihn an und richte ihm von mir aus, dass er seinen Hintern hierherbewegen soll, und zwar so schnell, wie sein scheißteurer Mercedes fahren kann!“

„Handelt es sich um einen Notfall?“ Daisy wusste, dass sie Sawyer ohne triftigen Grund besser nicht zu Hause stören sollte.

„Oh ja, es handelt sich um einen Notfall!“, fauchte Lucie. „Der Notfall bin ich! Sag diesem Mistkerl, er soll innerhalb von zwanzig Minuten hier antanzen, denn sonst fange ich an, all die hübschen Bilder und Skulpturen in seinem Büro auseinanderzunehmen!“

„Lucie, du willst doch nicht wirklich ...“

„Doch, genau das.“ Lucie verzog den Mund zu einem boshaften Lächeln, an dem Daisy erkannte, dass sie es durchaus ernst meinte.

„Wenn du anfängst, in Mr. McNamaras Büro zu wüten, muss ich den Sicherheitsdienst rufen.“

„Ruf lieber Sawyer an“, sagte Lucie, während sie den Gang entlangrauschte. „Ich verspreche auch, dass ich innerhalb der nächsten zwanzig Minuten nichts anfassen werde.“

„Wo willst du hin?“

„Erst hole ich mir eine Tasse Kaffee, und dann warte ich im Büro des Big Boss.“

Daisy folgte Lucie in den Aufenthaltsraum. „Willst du mir nicht sagen, worum es geht? Sag mir doch erst mal, was los ist, und dann versuche ich ...“

Lucie sah sie an. „Was? Und dann versuchst du, mich zu beruhigen? Zwischen mir und Sawyer zu vermitteln? Sorry, Süße – aber diesmal nicht. Das übersteigt alles, was du zur Vermittlung tun oder sagen könntest.“

„In Ordnung. Dann rufe ich jetzt Mr. McNamara an und sage ihm, dass du hier bist und ganz außer dir vor Wut.“

„Sag ihm, er hat zwanzig Minuten.“

Daisy blieb in der Tür noch einmal stehen. „Bitte versprich mir, dass du so lange nichts kaputt machst!“

Lucie malte mit ihrem Zeigefinger ein X auf ihre Brust und sagte: „Ich schwöre.“

Auf dem Weg zurück zu ihrem Schreibtisch seufzte Daisy besorgt. Es war nicht das erste Mal, dass sich Lucie Evans so über Sawyer aufregte. Und sie hatte durchaus auch schon etwas kaputt gemacht, nämlich Sawyers kostbaren Waterford-Crystal-Briefbeschwerer. Was auch immer sie jetzt derart aufregte, musste schlimmer sein als alles bisher Dagewesene. In den acht Jahren, die sie jetzt bei Dundee arbeitete, hatte Daisy den Kampf zwischen Lucie und Sawyer mit derselben Faszination verfolgt wie alle ihre Kollegen auch. Keiner kannte die Gründe dafür, doch die Feindschaft zwischen den beiden war offenbar dazu ausgelegt, einen Dritten Weltkrieg auszulösen. Und trotzdem hatte bisher weder Sawyer Lucie gefeuert, noch hatte Lucie ihrerseits gekündigt. Daisy wusste, dass alle beide störrisch wie Maultiere sein konnten und keiner von beiden jemals freiwillig nachgeben oder auch nur einen Millimeter von seiner Position abrücken würde. Sawyer für seinen Teil schien regelrecht darauf zu warten, dass Lucie endlich ihre Kündigung einreichte, Lucie dagegen wartete offensichtlich darauf, dass Sawyer sie endlich rauswarf. Eine Pattsituation.

Wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz, wählte Daisy Sawyers Privatnummer. Nach dem dritten Klingeln hob er ab.

„Guten Morgen, Daisy. Gibt es ein Problem?“

„Ja, Sir, bedauerlicherweise.“ Es grauste ihr davor, ihm zu sagen, worum es sich handelte. Üblicherweise reichte die Erwähnung von Lucies Namen aus, um Sawyers gute Laune in das genaue Gegenteil zu verkehren.

„Ich höre“, sagte er ungeduldig.

„Lucie Evans ist hier.“ Daisy wartete auf eine Reaktion.

„Miss Evans hat derzeit einen Auftrag. Hat sie Ihnen eine Erklärung dafür geliefert, warum sie den Kunden im Stich gelassen hat?“

„Nein, Sir. Sie hat den Kunden nicht erwähnt. Aber sie bat mich, Sie anzurufen und Ihnen auszurichten ...“ – hier räusperte sich Daisy – „... wenn Sie nicht binnen zwanzig Minuten im Büro wären, würde sie anfangen, es auseinanderzunehmen.“

„Rufen Sie sofort den Sicherheitsdienst und lassen Sie sie ... Nein, warten Sie. Sagen Sie ihr, ich komme. Und wenn sie auch nur eine Büroklammer angefasst hat, werde ich dafür sorgen, dass sie auf dem Polizeirevier landet.“

„Ja, Sir. Ich werde Miss Evans sofort informieren.“

Lucie saß in Sawyers Büro auf seinem vornehmen Ledersessel am Schreibtisch. Als Daisy hereinkam, drehte Lucie sich um und lächelte sie an.

„Und?“

„Mr. McNamara ist in zwanzig Minuten hier.“

Lucie nahm einen gläsernen Briefbeschwerer in die Hand, den Ersatz für das Original, das sie vor ein paar Jahren zerstört hatte.

„Versprich mir, dass du dich benimmst“, bat Daisy sie noch einmal und sah sie flehentlich an.

Lucie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, tippte auf das Zifferblatt und erwiderte: „In den nächsten zwanzig Minuten werde ich ganz brav sein.“

Sawyer schüttete den Inhalt seiner Tasse in den Ausguss, ließ kurz Wasser laufen und stellte die Tasse in den Geschirrspüler. Die Kaffeemaschine schaltete sich automatisch ab, also ließ er die halbvolle Kanne auf der Wärmeplatte stehen. Seine Haushälterin Mrs. Terrance würde gegen zehn Uhr kommen und saubermachen.

Er ging ins Schlafzimmer, zog eine Jacke über, nahm seine Aktentasche und ging raus zur Garage. Normalerweise brauchte er für die Strecke von zu Hause bis zur Dundee-Zentrale etwa dreißig Minuten. Heute Morgen musste er zehn Minuten schneller sein. Er kannte Lucie Evans lange genug, um zu wissen, dass sie nicht bluffte. Und er kannte auch Daisy Holbrook gut genug, um zu wissen, dass sie erst im allerletzten Moment den Sicherheitsdienst rufen würde. Das bedeutete, Lucie würde unter Umständen tatsächlich sein Büro auseinandernehmen, ohne dass die Security sie aufhalten konnte.

Er stieg in seinen Mercedes McLaren, eines seiner wertvollsten Besitztümer, aktivierte die Freisprechanlage und fuhr los. Als er im morgendlichen Berufsverkehr stand, wählte er eine Nummer, wurde aber nach dem sechsten Klingeln auf die Mailbox des Teilnehmers umgeleitet.

„Das ist die Mailbox von Lucie Evans. Ich kann Ihren Anruf im Augenblick nicht persönlich entgegennehmen. Wenn Sie mir Ihre Nummer hinterlassen, melde ich mich schnellstmöglich bei Ihnen.“

„Verdammt!“, stieß Sawyer hervor.

Natürlich. War ja klar, dass sie nicht ranging. Sie wollte, dass er litt.

Er versuchte es noch einmal. Wieder antwortete nur die Mailbox.

Als die Ansage endete, sagte er nur: „Fassen Sie irgendetwas in meinem Büro an, und ich informiere die Polizei!“

Lucie war gemeingefährlich. Er hätte sie schon vor sechs Jahren feuern sollen, als er die Geschäftsführung von Ellen Denby übernommen hatte. Eigentlich hatte er ja damit gerechnet, dass Lucie von sich aus kündigen würde. Aber – typisch Lucie: Sie hatte auf stur geschaltet und war bei Dundee geblieben. Sechs Jahre lang hatte sie alles nur Menschenmögliche getan, um von ihm gefeuert zu werden. Und er hatte im Gegenzug jede Gelegenheit genutzt, damit sie endlich die Kündigung einreichte.

Dabei war Lucie nicht einmal für diesen Job geeignet, weder jetzt noch damals. Warum sie angenommen hatte, sie würde eine gute FBI-Agentin abgeben, war ihm schleierhaft. Gut, sie war intelligent, mutig und entschlossen, aber es mangelte ihr am geeigneten Naturell. Sie war unberechenbar. Schon als Kind war sie nervös gewesen und gefühlsbetont.

Und doch gab es eine Zeit, als sie noch keine Feinde gewesen waren. Als Teenager hatte er genauso oft auf Lucie aufgepasst wie auf Brenden, seinen kleinen Bruder. Aber das war lange her. Eine Ewigkeit.

Sawyer rief kurz den Sicherheitsdienst des Gebäudes an, in dem die Agentur untergebracht war. Als einer der Diensthabenden abnahm, sagte Sawyer: „Sawyer McNamara am Apparat. Schicken Sie bitte jemanden hoch auf die sechste Etage zu Dundee. Er soll in mein Büro gehen und dort mit der Agentin Lucie Evans warten, bis ich da bin.“

„Wird gemacht, Sir. Gibt es Probleme?“

„Miss Evans hat damit gedroht, mein Büro kurz und klein zu schlagen, wenn ich nicht innerhalb der nächsten Viertelstunde eintreffe. Ich würde diese interne Angelegenheit ungern der Polizei übergeben, sondern mich lieber selbst darum kümmern.“

„Ist gut, Sir. Ich schicke sofort jemanden hoch.“

„Danke.“

Als Nächstes rief Sawyer den Kunden an, den Lucie ganz offensichtlich sitzen gelassen hatte: Taylor Lawson. Er hatte bei Dundee einen Bodyguard gebucht. Taylor Lawson war ein ehemaliger Fernsehstar, der seine Berühmtheit der Rolle des frechen jungen Weltraumkadetten in einem Science-Fiction-Drama verdankte, von dem vor zwanzig Jahren vier Staffeln gesendet worden waren. Nun hatte man ihn als Moderator für die diesjährige Science-Fiction-Convention der TV-Branche in Las Vegas engagiert.

„Ich will einen fähigen Bodyguard“, hatte Lawson gesagt. „Aber es muss eine Frau sein. Eine gut aussehende Frau, die ich als meine Freundin ausgeben kann.“

„Da habe ich genau die Richtige für Sie.“ Sawyer hatte sofort gewusst, dass Lucie diesen Auftrag verabscheuen würde. Und er übergab ihr, wenn möglich, immer nur Aufträge, die sie verabscheute.

„Wer ist denn da?“, bellte der Mann in diesem Moment ins Telefon. Sawyer war sofort klar, dass er Taylor Lawson geweckt hatte.

„Mr. Lawson, hier spricht Sawyer McNamara von Dundee Private Security and Investigation. Ich rufe Sie an bezüglich ...“

„Diese durchgeknallte Tante, die Sie mir geschickt haben, hat versucht, mich umzubringen“, knurrte Lawson. „Ich hätte guten Grund, Dundee und Sie und die Tussi zu verklagen!“

„Was genau ist denn passiert?“, erkundigte Sawyer sich.

„Wie gesagt: Sie hat versucht, mich umzubringen.“

„Und warum sollte Miss Evans das tun? Ihr Job war es, Sie zu beschützen.“

Lawson hustete mehrmals, dann murmelte er ein paar Unflätigkeiten. „Sie sollte sich als meine Freundin ausgeben. Unter dieser Voraussetzung habe ich sie engagiert, oder etwa nicht?“

„Ja, Sir, das ist korrekt.“

„Offensichtlich haben Sie ihr diesen Teil des Einsatzes nicht richtig vermittelt, denn sie weigerte sich strikt, diesen Part zu übernehmen.“

Sawyer überkam ein gewisser Verdacht. „Und was genau hat Miss Evans sich zu tun geweigert?“

„Sie hat sich geweigert, mit mir zu schlafen. Dabei lasse ich mir Ihre Dienste verdammt viel Geld kosten! Da will ich jeden Cent ja wohl ausnutzen! Aber als ich ihr sagte, sie solle sich ausziehen und sich ins Bett legen, hat sie sich einfach geweigert! Also hab ich die Sache selbst in die Hand genommen.“

Sawyer musste schlucken. „Und was heißt das genau?“

„Ich habe ihr eine geknallt, und da hat die blöde Schlampe mir einen Kinnhaken verpasst! Ich bin umgefallen und ...“

„Mr. Lawson. Dundee vermittelt Bodyguards, nichts anderes, verstehen Sie? Ich dachte, das hätte ich Ihnen bereits im Vorfeld klargemacht. Wenn Miss Evans sich gegen Übergriffe von Ihnen verteidigen musste, können Sie froh sein, dass Sie noch am Leben sind. Glauben Sie mir, die Lady ist durchaus in der Lage dazu, jemanden umzubringen.“

„Ich hätte gedacht, sie steht vielleicht darauf, von Lieutenant Jack Starr durchgevögelt zu werden – wie die meisten Frauen!“

„Das ist Ihr Problem. Und Lucie Evans ist nicht wie die meisten Frauen.“

„Wahrscheinlich eine von diesen Lesben, obwohl sie gar nicht so aussieht. Jedenfalls hätten Sie mich warnen müssen! Sie werden von meinen Anwälten hören, darauf können Sie sich verlassen. Die Schlampe hat mir die Nase und mehrere Rippen gebrochen. Und ein blaues Auge hat sie mir auch verpasst!“

„Falls Sie nicht möchten, dass Miss Evans Sie wegen versuchter Vergewaltigung anzeigt, würde ich mir an Ihrer Stelle das mit den Anwälten noch mal überlegen. Ich wünsche einen guten Tag, Mr. Lawson.“

Was für ein Scheißkerl! Dieser Expromi hatte doch tatsächlich versucht, Lucie zu vergewaltigen! Kein Wunder, dass sie so sauer war. Er hatte zwar geahnt, dass dieser Lawson ein widerlicher Typ war, aber er hatte auch gewusst, dass Lucie mit ihm fertig werden würde. War sie ja auch. Aber er hätte nie gedacht, dass der Mann versuchen würde, sie zu vergewaltigen.

Lucie beobachtete den Sicherheitsbeamten misstrauisch. Der Mann kann nichts dafür. Er macht nur seinen Job, tut das, was Sawyer ihm aufgetragen hat. Er soll auf mich aufpassen und dafür sorgen, dass ich meine Drohung nicht wahr mache und sein Büro in Kleinholz verwandle.

Im Grunde hatte sie gar kein Interesse daran, Sawyers teure Skulpturen und Gemälde zu zerstören, dazu liebte und schätzte sie gute Kunst selbst viel zu sehr. Aber das brauchte Sawyer ja nicht zu wissen. Gut, sie hatte ja auch schon mal in einer ihrer vielen Auseinandersetzungen seinen kostbaren Briefbeschwerer kaputt gemacht, aber der war ja auch kein Unikat. Jetzt stand exakt an derselben Stelle der gleiche Briefbeschwerer. Auf keinen Fall würde sie eins seiner Salvatore-Fiume- oder Marino-Marini-Stücke beschädigen oder eins seiner Charles-Ginneroder Clare-Avery-Bilder zerstören. Das war schon etwas, das sie an Sawyer schätzte: seinen guten Geschmack, ganz egal, ob es um Kunst, Musik, Essen oder Sport ging. Er war ein Mann, der die schönen Dinge des Lebens zu schätzen wusste und so gut es ging auch genoss. Er besaß eine gewisse weltmännische Raffinesse und tarnte den urzeitlichen Krieger in ihm mit edlen Reuben-Alexander-Anzügen.

Lucie wusste, wie knallhart und rücksichtslos er sein konnte. Sie hatte ihn mehrfach in Aktion erlebt und in den vergangenen neun Jahren seine kalte, unbarmherzige Rachsucht am eigenen Leib erfahren. Zunächst hatte sie noch gehofft, die Zeit würde seine inneren Dämonen irgendwann zum Schweigen bringen – doch sie hatte sich geirrt. Wie Jane Austens Mr. Darcy gab auch Sawyer einem keine zweite Chance, wenn man sich seine Sympathien verspielt hatte. Doch trotz allem und obwohl sie ihn dafür hasste, wie er sie behandelt hatte – und wie sie sich von ihm hatte behandeln lassen –, trug sie noch ein kleines Funkchen Hoffnung in sich. Eines Tages würde Sawyer McNamara ihr verzeihen. Doch bevor er dazu bereit sein konnte, müsste er erst einmal sich selbst verzeihen.

Nein, sie würde seinen teuren Kunstwerken nichts antun. Wäre da nicht dieser Mann vom Sicherheitsdienst, wäre ihr jedoch sicher etwas eingefallen, um Schaden anzurichten. Vielleicht hätte sie einfach alle Sachen, die auf dem Schreibtisch lagen, auf den Fußboden gefegt? Sie hätte auch sein Laptop aus dem Fenster werfen können. So ein Sturz aus dem sechsten Stock auf Beton ...

„Er muss gleich hier sein“, unterbrach Daisy Holbrook ihre Gedanken und die angespannte Stille. „Möchte vielleicht jemand einen Kaffee? Oder einen Muffin?“

„Nein, danke, Ma’am“, antwortete der pflichtbewusste junge Mann vom Sicherheitsdienst.

„Für mich auch nicht, danke.“ Lucie warf Daisy ein „Keine Sorge“-Lächeln zu.

„Dann gehe ich mal wieder.“ Daisy sah Lucie an. „Falls du nachher jemanden zum Reden brauchst: Ich gehe heute früher in die Pause.“

„Okay. Ich komme bei dir vorbei, bevor ich gehe.“

Daisy versuchte zu lächeln, doch es misslang. Lucie mochte sie wirklich sehr, und zwischen den beiden hatte sich im Lauf der Jahre eine enge Freundschaft entwickelt, obwohl sie sieben Jahre älter war als Daisy. Aber das machte bei Frauen über einundzwanzig nicht wirklich etwas aus. Mit zehn und siebzehn wäre das etwas anderes. Aber mit neunundzwanzig und sechsunddreißig waren sie im Prinzip gleich alt.

Die Minuten verstrichen. Lucie saß an Sawyers massivem Schreibtisch und wippte ungeduldig mit dem Fuß oder trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Sie sah auf die Uhr. Mittlerweile war es einundzwanzig Minuten her, dass Daisy ihn angerufen hatte. Falls sie nicht völlig danebenlag mit ihrer Einschätzung, müsste er jetzt bald auftauchen.

Mach dich bereit, Luciel Es war klar, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Wenn du dieses Büro ohne den Verlust deiner Würde verlassen willst, halte deine Gefühle unter Kontrolle. Und egal, was du tust: Fang nicht an zu heulen! Fang um alles in der Welt nicht an zu heulen!

Dreiundzwanzig Minuten, nachdem Daisys Anruf ihn erreicht hatte, betrat Sawyer die Räumlichkeiten von Dundee. Daisy sprang auf und lief ihm entgegen, während er den Weg zu seinem Büro einschlug.

„Sie hat nichts angerührt“, versicherte Daisy ihm. „Der Wachmann lässt sie nicht aus den Augen.“

Sawyer blieb stehen, tätschelte Daisys Arm und sagte beruhigend zu ihr: „Alles in Ordnung. Ich habe gerade persönlich mit dem Kunden gesprochen und weiß, warum Lucie ihren Auftrag sofort abgebrochen hat. Ich werde jetzt in Ruhe mit ihr sprechen.“

„Sie war supersauer, als sie hier ankam. Aber jetzt ist sie ganz ruhig. Viel zu ruhig.“

„Ich denke, wir müssen uns keine Sorgen machen, solange Lucie nicht bewaffnet ist.“

Daisy schluckte. „Ich befürchte nur, das ist sie.“

Sawyer musste ein Grinsen unterdrücken. „Sie wird mich schon nicht erschießen! Wenn sie das vorhätte, hätte sie das schon längst getan.“

„Ja, Sir. Da haben Sie sicher recht.“

Die Tür zu seinem Büro war offen, der Sicherheitsmann stand ein paar Schritte im Raum. Sawyer räusperte sich. Der junge Mann drehte sich um, sah ihn und schien sich sofort zu entspannen. Sawyer betrat das Büro, schüttelte dem Mann die Hand und sagte ihm, er könne jetzt gehen.

„Vielen Dank“, fügte er hinzu, während er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ und feststellte, dass alles noch an seinem Platz war. „Ab jetzt übernehme ich.“

Sobald sie allein waren, schloss Sawyer die Tür und wandte sich der Frau zu, die ihm seit neun Jahren das Leben zur Hölle machte.

Lucie erhob sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter achtzig und sah ihn voller Verachtung an. Ihr langes lockiges Haar hing ihr unordentlich über die Schulter. Offensichtlich hatte sie darauf verzichtet, ihr Make-up zu erneuern und war sich nur mal kurz mit den Fingern durch die Haare gegangen. Von ihrem Eyeliner war fast nichts mehr zu sehen, und was man sah, war verschmiert. Ihre Lippen waren nicht geschminkt.

Jetzt ging sie um den Schreibtisch herum und funkelte Sawyer wütend an. Sie war beinahe genauso groß wie er. Er bemerkte die Ausbeulung ihrer Waffe unter ihrem grauen Baumwollblazer, den sie zu einem weißen T-Shirt und einer ausgebleichten Jeans trug.

„Ich weiß Ihre Warnung wirklich zu schätzen“, setzte Sawyer an. „Sie hätten auch einfach hier reinstürmen und ein Chaos veranstalten können, noch bevor Daisy Sie davon hätte abhalten können.“

„Glauben Sie mir, ich habe kurz daran gedacht. Auf dem Flug von Vegas hierher habe ich mir nicht nur vorgestellt, wie ich Ihr Büro auseinandernehme, sondern ich habe auch diverse Pläne entworfen, wie ich Sie ermorden und damit davonkommen kann.“

„Ich verstehe Ihre Wut voll und ganz.“

Sie sah ihn überrascht an. „Ach ja?“

„Ich habe gerade mit Taylor Lawson gesprochen. Er hat mir erzählt, was passiert ist. Es tut mir leid, Lucie. Ich konnte ja nicht ahnen ...“

„Papperlapapp! Jetzt sagen Sie bloß, Sie hätten nicht gewusst, welchen Ruf dieser Typ hat, als Sie mich ihm als Bodyguard zugeteilt haben! Nein, es war Ihnen einfach vollkommen egal, welchen Zumutungen mich das aussetzen würde! Das ist Ihnen ja immer vollkommen egal! Ihnen geht es darum, mir möglichst miese Aufträge zuzuteilen. Je mieser, desto besser. Aber diesmal haben Sie sich selbst übertroffen, Mr. McNamara!“

Er begutachtete sie vom Scheitel bis zur Sohle. „Sie sehen mir aber nicht besonders mitgenommen aus.“

„Ach nein?“ Sie lüftete ihr T-Shirt so weit, dass er ihren weißen Spitzen-BH und die blauen Flecken auf ihren Brüsten sehen konnte. „Hübsch, nicht wahr?“

„Lucie ...“

„Wollen Sie die anderen auch noch sehen? Die auf meinem Hintern und auf meinen Hüften?“

„Es tut mir leid, dass die Sache aus dem Ruder gelaufen ist. Aber ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass Sie dem Typen gewachsen sind. Schließlich sind Sie ein ausgebildeter Profi.“

Sie zischte wie eine Schlange kurz vor dem Angriff. „Scheißkerl! Sie herzloser, gleichgültiger, unversöhnlicher Scheißkerl!“

Dann holte sie aus und knallte ihm eine. Die Wucht ihrer flachen Hand ließ ihn kurz nach hinten taumeln. Die Lady hatte wirklich Feuer. Er starrte sie an, merkwürdig überrascht von ihrer körperlichen Attacke.

„Ich habe mir diesen Mist neun Jahre lang gefallen lassen“, fuhr sie mit trügerisch ruhiger Stimme fort. „Ich habe alles für Sie getan. Ich habe jeden Auftrag angenommen, ganz egal, wie unangenehm, dumm oder erniedrigend er für mich war. Ich habe angenommen ... Ich hatte die Hoffnung, Sie würden mir eines Tages die Chance geben, alles zu erklären. Dass Sie sich eines Tages meine Seite der ...“

„Es gibt nichts zu erklären. Es gibt nicht Ihre Seite oder meine Seite. Wir wissen beide, was geschehen ist und warum. Und meinen Sie im Ernst, Sie wären die Einzige, die hier seit neun Jahren die Hölle durchmacht? Oh nein, meine Liebe. Das geht mir ganz genauso!“

„Das freut mich zu hören!“

Der Abstand zwischen ihnen betrug gerade mal einen halben Meter. Sie starrten einander wütend und misstrauisch an.

„Aber heute ist Ihr Glückstag!“, fuhr sie fort. „Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, worauf Sie schon lange warten.“

Er sah sie zweifelnd an. „Was soll das bedeuten?“

„Mr. McNamara, ich kündige. Ich reiche es schriftlich nach, aber bitte betrachten Sie das hier als meine offizielle Kündigung.“

2. KAPITEL

„Cara, Schatz, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Grayson Perkins.

„Wie bitte?“ Sie hatte gar nicht auf Gray geachtet. Zu sehr war sie damit beschäftigt, Bain Desmond zu beobachten, der drei Tische weiter saß. Sie hasste es, wie er seine Begleiterin anstrahlte. Am liebsten würde sie der hübschen Brünetten die Augen auskratzen.

„Ich sagte, wir müssen deine Reise nach Ameca jetzt endlich in trockene Tücher packen.“

„Ameca?“

„Geht es dir gut? Du scheinst heute Nachmittag irgendwie nicht ganz du selbst zu sein.“

Cara Bedell zwang sich dazu, den Blick von dem gut aussehenden Lieutenant vom Chattanooga Police Department und seinem Flittchen abzuwenden und ihrem Schwager zuzuhören. Exschwager, um genau zu sein. Grayson Perkins war mit ihrer Halbschwester Audrey verheiratet gewesen.

„Alles bestens. Ich habe nur gerade so viel um die Ohren.“ Und das bedeutete im Klartext: Lieutenant Desmond im Auge zu behalten. Sie ging nur deshalb jeden Freitag zum Lunch ins Hair of the Dog, weil sie wusste, dass Bain auch da sein würde. Und das war ihre einzige Chance, ihn zu sehen, wenn auch nur aus der Entfernung.

„Wenn du Probleme oder Sorgen hast und darüber sprechen willst: Du weißt, ich habe immer ein offenes Ohr für dich.“ Grayson nahm ihre Hand. „Du weißt doch, wie gern ich dich habe.“

Sie zog ihre Hand weg. „Ich habe nichts. Wirklich.“ Jetzt sah sie Gray direkt an. Der Mann sah zu gut aus, war zu sonnengebräunt, zu hübsch, zu elegant – fast wie ein Filmstar aus längst vergangenen Zeiten. Aus den Zeiten, als die Generation ihrer Großmutter bei Matineen von ihren Leinwandidolen schwärmte. „Aber du hast recht. Wir sollten über meine Reise nach Ameca sprechen.“

„Gut, gut. Dir ist ja klar: Wenn es dir gelingt, entweder mit Senor Delgado oder mit Senor Castillo ins Geschäft zu kommen, wirst du ein für alle Mal allen beweisen, dass du Edward Bedells Tochter bist.“

Cara bedachte ihn mit einem halbherzigen Lächeln. Sie wusste, dass er das als Kompliment gemeint hatte. Ihr Vater Edward Bedell war ein Genie gewesen, wenn es darum ging, Geld zu machen – genau wie die Generationen von Bedells vor ihm. Doch die männliche Linie der Bedells hatte mit ihrem Vater geendet. Sie war die letzte Bedell. Und seit sie vor ein paar Jahren die Leitung von Bedell, Inc. übernommen hatte, versuchte sie, nicht nur Geld zu machen, wie es ihre Familie seit über hundert Jahren getan hatte. Sondern auch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

Der bevorstehende Geschäftsabschluss versprach den Vereinigten Staaten die Erschließung einer neuen Ölquelle und Bedell, Inc. sowie der noch zu wählenden Ölfirma aus Ameca ein Riesengeschäft in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar. Wenn es allein nach Cara ginge, würde sie ein Viertel des Gewinns wieder in Ameca investieren. Das Land war sozusagen zweigeteilt: in Gewinner, die alles hatten, und Verlierer, die nichts besaßen. Die, die alles hatten, machten gerade einmal drei Prozent der Bevölkerung aus, gaben aber in dem kleinen südamerikanischen Land den Ton an. In Ameca gab es zwei große Erdölproduzenten: Delgado Oil und Castillo, Inc. Beide waren darauf aus, mit Bedell, Inc. ins Geschäft zu kommen. Doch Cara tendierte zu Delgado, weil Felipe Delgado sein Land und die einheimische Bevölkerung nicht egal waren. Sämtliche Informationen, die sie über beide Firmen hatte, verdankte sie übrigens Lexie Murrough-Bronson, der Vorsitzenden der internationalen Wohltätigkeitsorganisation Helping Hands, einer Stiftung von Bedell, Inc. Lexie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und Cara schon vor ein paar Monaten alle relevanten Fakten mitgeteilt.

„Das Treffen mit Senor Delgado ist für Mitte September geplant“, rief Gray ihr in Erinnerung. „Das heißt, du hast nur drei Wochen Zeit, um dich mit sämtlichen Zahlen und Fakten vertraut zu machen und mich einzuarbeiten für die Zeit, in der du nicht da sein wirst. Außerdem musst du noch entscheiden, ob du dich vor Ort vielleicht nicht doch noch mit Senor Castillo treffen möchtest.“

„Du findest also immer noch, ich soll auch Tomas Castillo treffen.“

Gray nickte. „Du könntest dir wenigstens anhören, was er anzubieten hat. Du bist es unseren Gesellschaftern schuldig, den bestmöglichen Deal für Bedell, Inc. herauszuholen.“

Cara seufzte resigniert. „Ich weiß ja, dass du recht hast. Nur ... wenn stimmt, was man so über Castillo sagt, kann ich das nicht einfach ignorieren. Aber falls es zu einem Treffen kommt, kann ich unserem Vorstand wenigstens mitteilen, dass ich mit den Chefs beider Ölfirmen Gespräche geführt habe. Das sollte sie hinreichend zufriedenstellen.“

Gray nahm wieder ihre Hand, führte sie an die Lippen und küsste sie. „Ich werde dich schrecklich vermissen, wenn du weg bist. Aber einer muss ja hierbleiben und dafür sorgen, dass Bedell nicht untergeht!“

Sie zappelte mit ihrer Hand, um sie Grays festem Griff zu entziehen. Er drückte sie sanft und sah ihr dabei sehnsüchtig in die Augen.

„Du weißt, dass ich dich anbete, Cara. Wann wirst du mich von meinem Elend erlösen und mich heiraten?“

Oh Gott! Nicht schon wieder! Seit Monaten verfolgte Gray sie und flehte sie an, ihn zu heiraten. Ein Jahr nach Audreys Tod hatte er damit angefangen und sie mindestens ein Mal im Monat gebeten, seine Frau zu werden. Im zweiten Jahr hatte er sich zurückgezogen und die Situation neu überdacht – und ihr nur drei Anträge gemacht. Im Laufe der Zeit war seine Strategie feiner geworden, und er fragte sie nur noch drei Mal pro Jahr. Eigentlich hatte Cara gehofft, er würde irgendwann ganz aufgeben und ihr Verhältnis endlich als das akzeptieren, was es war: eine auf Familienbanden basierende Freundschaft und Geschäftsbeziehung. Doch vor ein paar Monaten hatte er ihr erneut seine unsterbliche Liebe geschworen und sie seitdem keinen Moment in Ruhe gelassen.

Endlich gelang es Cara, ihre Hand loszumachen. Sie mochte Gray, und merkwürdigerweise tat er ihr leid. Sie wusste, dass er sie nicht liebte. Er hatte ihre Halbschwester zu Anfang ihrer Ehe sicher geliebt, aber tatsächlich existierte für Grayson Perkins nur eine Person, die er wirklich liebte: er selbst. Seine Liebe zu den Bedell-Schwestern gründete sich auf seine Liebe zu ihrem Vermögen. Trotzdem: Er war Teil der Familie. Für ihren Vater war er wie ein Sohn gewesen, und vor langer Zeit, als sie noch jung und dumm gewesen war, hatte Cara einmal geglaubt, in Gray verliebt zu sein. Und deshalb hatte sie trotz allem, was sie an ihm störte, etwas übrig für ihn, und daran würde sich auch nichts ändern. Außerdem war er ein hervorragender Geschäftsmann und daher ein absoluter Gewinn für ihr Unternehmen. Aber er hatte ja auch bei ihrem Vater gelernt.

Warum konnte das Bedellsche Vermögen nur Bain Desmond nicht locken? Warum würde sie vermutlich jeden Mann haben können – oder eher: kaufen können –, nur nicht den, den sie liebte?

Sie sah sich um. Bain und seine Verabredung waren im Begriff zu gehen. Ihr entging kein Detail von seiner Begleiterin. Sie war etwa eins sechzig groß, schlank, zart und absolut weiblich.

„Cara, Schatz.“ Gray wartete auf eine Antwort.

Wie oft musste sie noch Nein sagen? Oder sollte sie ihm direkt ins Gesicht sagen, dass sie ihn niemals heiraten würde, auch wenn er der letzte Mann auf der Welt wäre? Sie wollte ihm ja nicht wehtun.

Ihr lag der Satz Nein, Gray. Ich mag dich, aber ich werde dich nicht heiraten schon auf der Zunge. Doch bevor sie etwas sagen konnte, näherte sich jemand ihrem Tisch. Als sie den Blick von Gray abwandte, stellte sie fest, dass es Bain und seine Begleiterin waren. Ihr Herz tat einen Sprung, weil er plötzlich so nah war. Würde sie jetzt die Hand ausstrecken, könnte sie ihn berühren.

„Guten Tag“, sagte Bain. Mit völlig emotionsloser Miene sah er von Cara zu Gray und wieder zurück zu Cara. „Wie geht es Ihnen, Miss Bedell?“

„Sehr gut, Lieutenant. Und Ihnen?“

„Kann mich nicht beschweren.“ Er fasste seine Begleitung am Ellbogen. „Miss Bedell, Mr. Perkins. Wenn ich Ihnen meine Schwester vorstellen darf, Mary Ann Nelson.“

Seine Schwester! Cara konnte ihre Freude kaum verbergen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und Mary Ann um den Hals gefallen!

Gray erhob sich und nickte Bains Schwester höflich zu. „Sehr erfreut, Miss Nelson.“

„Ganz meinerseits“, erwiderte Mary Ann.

Cara lächelte die Frau warmherzig an. „Schön, Sie kennenzulernen.“

Mary Ann erwiderte das Lächeln. „Bain spricht in den höchsten Tönen von Ihnen, Miss Bedell. Deshalb freue ich mich, dass ich Sie endlich mal persönlich kennenlerne.“

Offensichtlich hatte Bain seiner Schwester etwas erzählt. Aber was genau? Da ist diese Milliardärserbin, auf die ich scharf bin. Aber weil ich so ein altmodischer Machotyp bin, könnte ich mich niemals ernsthaft auf sie einlassen. Gott bewahre, am Ende würde ich sie heiraten und ihren luxuriösen Lebensstil ertragen müssen! Oh nein, ich finde, in einer Beziehung sollte der Mann die Brötchen verdienen und die Hosen anhaben.

„Bleiben Sie lange in Chattanooga?“, erkundigte sich Cara.

„Nur übers Wochenende. Keith und ich sind mit den Kindem da, und wir wollen uns die Sehenswürdigkeiten ansehen. Im Moment ist Keith mit ihnen im Aquarium, sodass ich mich mit meinem Bruder mal in Ruhe austauschen kann. Und morgen wollen wir nach Rock City und mit der Bergbahn fahren.“

Wäre sie mit Bain zusammen, würde Cara seine Schwester samt Familie zum Abendessen bei ihr zu Hause einladen. Ach was, sie würde sie einladen, bei ihr zu wohnen! Auf dem Anwesen der Bedells war wirklich Platz genug.

„Ich muss in einer Viertelstunde wieder im Präsidium sein“, erinnerte Bain seine Schwester.

Mary Ann lächelte Cara noch einmal mit einem Blick an, der ihr sagte: Ich weiß, wie viel Sie Bain bedeuten.

Bain und Cara sahen sich nur für eine Millisekunde in die Augen, und doch war das lang genug, um ein angenehmes Prickeln entstehen zu lassen. Dann war der Moment vorbei, und Bain und seine Schwester verließen das Lokal. Als Gray wieder Platz nahm, sah er, wie Cara Bain hinterherblickte.

„Er ist der Grund dafür, warum wir jeden Freitag hier zu Mittag essen, hab ich recht?“ Gray klang leicht gereizt. „Seit er aufgetaucht ist, um das Verschwinden und den Mord an Audrey zu untersuchen, haben sich deine Gefühle für mich verändert.“

„Ich werde nicht mit dir über Bain Desmond sprechen.“

„Und wieso nicht? Es ist ja wohl mehr als sonnenklar, dass er der Grund dafür ist, warum du mich nicht heiraten willst!“ Gray schüttelte angewidert den Kopf. „Ich werde nie verstehen, was du an diesem ungehobelten Klotz findest! Noch dazu scheint er ganz offensichtlich deine Gefühle nicht zu erwidern. Ich finde es reichlich albern, wie du ihn anschmachtest. Ich hätte eigentlich erwartet, dass du ein bisschen mehr Stolz und Selbstachtung besitzt und ...“

„Es reicht, Gray.“

„Tut mir leid, wenn ich ...“

„Meine Gefühle für Lieutenant Desmond sind allein meine Sache, verstanden? Und ich will dich nicht heiraten, weil ich dich nicht liebe.“

„Ja, das weiß ich.“ Gray ließ ein tiefes, dramatisches Seufzen hören. „Aber wir könnten eine Ehe führen, die auf einer anderen Grundlage basiert. Liebe wird doch total überschätzt. Ich habe Audrey geliebt – und wie hat das geendet?“

Sie sah ihn direkt an. „Man muss sich mit dem zufriedengeben, was man hat. Du bist stellvertretender Geschäftsführer bei Bedell, Inc., verdienst ein sechsstelliges Jahresgehalt und kannst über ein beinahe unbegrenztes Spesenkonto verfügen. Nichts davon wird sich ändern, wenn du eine nette Frau findest, die du heiratest und die dich glücklich macht. Also bitte finde diese Frau! Finde die Frau, die gerne Mrs. Grayson Perkins sein möchte.“

„Vielleicht mache ich das.“ Gray schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Und wenn du dann eines Tages erkennst, dass du nicht die geringste Chance bei deinem geliebten Lieutenant Desmond hast, wirst du es vielleicht bereuen, dass ich jemand anderen gefunden habe.“

Sie seufzte. „Alles ist möglich.“ Alles bis auf die Tatsache, dass ich es niemals bedauern würde, dich nicht geheiratet zu haben.

„Lucie hat ihre Kündigung eingereicht?“ Geoff Monday schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hätte nie gedacht, dass es jemals so weit kommen würde.“

„Du kannst es mir glauben“, sagte Daisy. „Sie hat ihre Sachen gepackt. Dreimal musste sie zum Auto laufen, bis sie alles verstaut hatte. Dann händigte sie mir ihr Kündigungsschreiben aus, damit ich es Sawyer gebe.“

„Hat sie dir etwas über die genauen Gründe gesagt?“ „Nicht wirklich. Nur, dass dieser letzte Auftrag das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Als sie heute Morgen hier auftauchte, hätte man meinen können, sie will Sawyer umbringen. Doch als sie ging, war sie vollkommen ruhig. So ruhig habe ich Lucie noch nie gesehen.“

„Meinst du, der Boss braucht jemanden zum Reden? Er hat mich nämlich höchstpersönlich angerufen und mich gebeten zu kommen.“

Geoff blinzelte Daisy zu, die daraufhin entzückend errötete. Er sollte nicht mit ihr flirten, gerade weil er wusste, dass sie auf ihn stand. Andererseits wusste sie, dass er das alles nicht ernst meinte. Er war freundlich zu ihr, zeigte jedoch kein romantisches Interesse an ihr. Es lag nicht daran, dass er sie nicht attraktiv fand. Das tat er. Er fand sie sogar sehr attraktiv. Aber er war alt genug, um ihr Vater zu sein. Und eine hübsche junge Frau wie Daisy brauchte einen jungen, verlässlichen Burschen an ihrer Seite, keinen kampferprobten alten Krieger wie ihn.

„Ich würde die Höhle des Löwen aber erst betreten, wenn er dich hereinbittet. Er weiß ja, dass du da bist.“ Daisy schüttelte traurig den Kopf. „Er ist in keiner guten Verfassung. Als ich ihm Lucies Schreiben gebracht habe, hätte er mir fast den Kopf abgerissen. Vor ihm auf dem Schreibtisch stand eine Flasche Whiskey. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich so früh am Tag einen Drink genehmigt. Es ist nicht einmal drei Uhr!“

„Nun, der Allmächtige hat nach mir geschickt“, stellte Geoff fest. „Er sagte, er hätte einen eintägigen Auftrag für mich. Etwas, das genau meine Fähigkeiten erfordert.“

Daisy sah ihn fragend an. „Das höre ich gar nicht gern.“

„Vielleicht soll ich ja jemanden umlegen?“

Geoff kicherte, als er Daisys schockierten Gesichtsausdruck sah.

„Das war ein Witz, meine Liebe. Meine Glücksritter-Zeiten sind lange vorbei.“

Offensichtlich fiel ihr in diesem Moment selbst auf, dass sie ihn mit ihren großen braunen Augen sehnsüchtig anstarrte, denn sie schaute abrupt in eine andere Richtung. „Du kommst aber noch mal bei mir vorbei, bevor du gehst, und sagst mir, worum es geht, oder? Außerdem muss ich ja wissen, wohin er dich schickt, damit ich die Flug- und Hotelreservierungen vornehmen kann und ...“

„Monday, was hält Sie noch auf?“, hörte man Sawyer aus der geöffneten Tür seines Büros schreien.

„Siehst du, was ich meine?“, sagte Daisy leise. „Er ist wie ein Bär, dem ein Dorn in der Tatze steckt.“

„Offensichtlich vermisst er unsere liebe Lucie schon.“ Geoff kitzelte Daisy unter dem Kinn. „Bis gleich.“

Fröhlich pfeifend ging er den Gang hinunter. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es um etwas Privates ging, wenn ein Mann und eine Frau sich so spinnefeind waren wie Sawyer und Lucie. Sicher steckte was Sexuelles dahinter. Man musste kein hypersensibler Mensch sein, um zu sehen, wie es zwischen der hübschen rothaarigen Amazone und dem Dundee-Geschäftsführer knisterte. Und das nicht nur, weil die beiden sich zu hassen schienen.

Als er bei Sawyers Büro ankam, stand sein Chef nicht mehr in der Tür. Geoff blieb kurz stehen, spähte in das Zimmer und gab einen erstaunten Laut von sich. Er sah zu, wie Sawyer sein Glas Whiskey austrank und sich gleich darauf aus der knapp zweihundert Dollar teuren Flasche Johnnie Walker Blue noch einmal einschenkte.

„Monday meldet sich zum Dienst, Sir.“ Geoff schlug die Hacken aneinander und salutierte.

Sawyer sah ihn an, verärgert, seine haselnussbraunen Augen nicht viel größer als Schlitze. „Nehmen Sie sich einen Mann namens Taylor Lawson vor. Er hält sich momentan in Las Vegas auf. Wo er abgestiegen ist, wird Daisy Ihnen sagen.“ Er trank einen großen Schluck Whiskey und verzog das Gesicht, als der Alkohol brennend seine Kehle hinunterrann.

„Jawohl, Sir. Können Sie spezifizieren, was genau Sie mit ,Nehmen Sie sich ihn vor’ meinen?“

„Jagen Sie ihm eine Riesenangst ein. Verschaffen Sie ihm ein paar blaue Flecken. Aber alles ganz diskret. Ohne Folgen. Haben Sie verstanden?“

„Ja, Sir.“

„Und wenn Sie fertig mit ihm sind, hinterlassen Sie dem Mann eine letzte Botschaft.“

„Und die soll wie lauten?“, wollte Geoff wissen.

„Sagen Sie ihm, er soll sich gut daran erinnern, falls er mal wieder eine Frau vergewaltigen will.“

Geoff hielt die Luft an. War etwa das mit Lucie geschehen? Hatte ein Kunde versucht, sie zu vergewaltigen? „Darf ich fragen, ob das etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass Lucie ihren Job bei Dundee an den Nagel gehängt hat?“

Sawyer warf Geoff einen scharfen Blick zu. „Das ist nicht Ihre Sache.“ Er führte das Glas an die Lippen und kippte den nächsten großen Schluck Whiskey.

„Sie trinken vielleicht ein bisschen viel, Sir, meinen Sie nicht? Sie möchten doch nicht, dass das Personal Sie betrunken erlebt?“

„Wenn ich Ihren Rat hören möchte, Mr. Monday, frage ich Sie danach.“

„Jawohl, Sir. Ich werde mir jetzt von Daisy alle nötigen Informationen holen und dann mit dem ersten Flieger ...“

„Nehmen Sie den Dundee-Jet. Daisy soll den Flug autorisieren. Ich möchte, dass die Angelegenheit noch heute Abend erledigt wird.“

„Soll ich Ihnen sofort danach Bericht erstatten?“

„Ja. Sie haben ja meine Privatnummer. Sie können mich jederzeit anrufen.“

„Alles klar, Sir.“

Mit dem halbvollen Glas Whiskey in der Hand wandte sich Sawyer von Geoff ab und stellte sich vor die breite Fensterfront. Damit war das Gespräch für ihn beendet.

Lucie Evans war der einzige Mensch auf der Welt, der ihn zum Trinken brachte. Auch sein letztes großes Besäufnis hatte er Lucie zu verdanken. Sawyer starrte die Flasche Johnnie Walker auf seinem Schreibtisch an und dann das leere Glas in seiner Hand. Das reichte jetzt. Er hatte schon mehr als genug gehabt. Wahrscheinlich konnte er schon nicht mehr geradeaus gehen und fahren schon gar nicht mehr. Aber immerhin war er nüchtern genug, um Schuldgefühle zu haben. Verdammt sollte sie sein!

Wie immer in all den Jahren hatte er ihr den letzten Auftrag erteilt in dem Wissen, dass sie den Job hassen würde. Doch hätte er nur im Geringsten geahnt, dass dieser Lawson versuchen würde, Lucie zu vergewaltigen ... Am liebsten würde er sich den Typen persönlich vorknöpfen. Nur fünf Minuten. Aber er traute sich nicht, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – am Ende würde er Lawson umlegen. Nein, es war besser, einen Experten wie Monday auf ihn anzusetzen. Der würde dem Widerling einen nachhaltigen Schreck einjagen als Revanche für das, was er Lucie angetan hatte.

Jetzt ist sie für immer weg. Endlich hast du erreicht, was du wolltest, seit sie dir nach Atlanta gefolgt ist und von Ellen Denby als Agentin eingestellt wurde.

Nachdem Sawyer seine Stelle beim FBI aufgegeben und Sam Dundee ihm einen Job angeboten hatte, hatte er eigentlich ein neues Leben beginnen wollen. Ein Leben ohne Lucie Evans. Er war für einen Auftrag in Kalifornien, als Ellen Lucie einstellte, sonst hätte er sie vielleicht dazu überreden können, es nicht zu tun. Oder er hätte gleich Sam davon überzeugen können, dass sie als Dundee-Ermittlerin genauso wenig taugte wie als FBI-Agentin.

„Warum tust du das?“, hatte er sie gefragt. „Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen und dich aus meinem Leben heraushalten?“

„Weil ich dich liebe“, hatte sie ihm geantwortet. Ganz ohne jede Umschweife. „Und weil ich glaube, dass du mich, ganz tief unter all dem Schmerz und den Schuldgefühlen vergraben, auch noch liebst.“

Sie hatte sich geirrt. Er liebte sie nicht. Er hatte sie nie geliebt.

Sawyer stellte das Glas auf dem Schreibtisch ab, ließ sich in seinen Ledersessel fallen und seufzte laut und verzweifelt. Er lockerte seine seidene Krawatte und öffnete den obersten Knopf.

Wenn er Lucie richtig einschätzte, hatte sie keine eiserne Reserve für harte Zeiten angelegt. Sie war ein Mensch, der für den Augenblick lebte. Das war immer so gewesen. Ihren Freunden gegenüber war sie großzügig und ließ sich von jeder halbwegs rührenden Geschichte beeindrucken. Seines Erachtens spendete sie viel zu viel von ihrem sauer verdienten Geld an Wohltätigkeitsorganisationen, deren Ziele sie für sinnvoll erachtete. Meist hatte es mit Frauen, Kindern oder Tieren zu tun.

Er musste sich darum kümmern, dass sie von Dundee eine großzügige Abfindung erhielt. Er könnte ihr Kündigungsschreiben auch einfach durch den Reißwolf jagen und Daisy anweisen, es als Entlassung darzustellen – so könnte sie wenigstens Arbeitslosenunterstützung beantragen.

Du kannst noch mehr für sie tun. Schreib ihr ein hervorragendes Zeugnis. Oder telefonier herum und besorg ihr einen neuen Job.

„Genau, das mach ich!“ Sawyer versuchte, mit den Fingern zu schnippen und musste feststellen, dass er betrunkener war als gedacht. Seine Finger wollten ihm jedenfalls nicht mehr gehorchen.

Er nahm den Telefonhörer ab und drückte die Kurzwahl zu seiner Büroleiterin. Sie reagierte nach dem zweiten Klingeln, und er wies sie an: „Daisy, suchen Sie doch bitte Cara Bedells Telefonnummer für mich heraus. Die Geschäftsnummer müssten wir noch in der Kartei haben.“

Er wartete, während Daisy die gewünschte Information heraussuchte. Sie nannte ihm die Nummer, die er rasch aufschrieb. Dann holte er tief Luft und wählte Caras Nummer. Ihre Sekretärin nahm den Anruf entgegen.

„Hier spricht Sawyer McNamara von Dundee Private Security and Investigation. Ist Miss Bedell zu sprechen?“

„Einen Moment, Sir.“

Wenige Augenblicke später hatte er Cara an der Strippe. „Mr. McNamara. Was kann ich für Sie tun?“

„Sie können Ihren Sicherheitschef bitten, eine ehemalige Mitarbeiterin von mir einzustellen.“

„Dem entnehme ich, dass Sie sie nicht gefeuert haben – sonst würden Sie sie mir wohl kaum empfehlen.“

„Richtig. Es geht um Lucie Evans. Erinnern Sie sich an sie?“

„Ja, das tue ich.“

„Lucie braucht einen Job. Sie würden Dundee einen großen Gefallen tun, wenn sie bei Ihnen einsteigen könnte.“

„Faxen Sie mir morgen früh Ihren Lebenslauf rüber, bitte direkt an mich. Ich leite dann alles persönlich an Deke weiter.“

„Vielen Dank.“ Sawyer räusperte sich. „Noch eine Sache.“

Ja?“

„Mir wäre es sehr recht, wenn Miss Evans nicht erfahren würde, dass ich hinter diesem Jobangebot stecke.“

„In Ordnung. Ich sage Deke, er soll sich was einfallen lassen.“

„Das wäre nett.“

Sawyer legte auf. So, das wäre erledigt. Lucie hatte einen Job. Zwei Stunden von Atlanta entfernt, in Chattanooga. Zwei Stunden, zwanzig Kilometer, einhundert Kilometer oder eintausend – es spielte keine Rolle. Wenn er Glück hatte, bedeutete das, er würde Lucie Evans in seinem ganzen Leben nie mehr sehen müssen.

Tomas Castillo traf sich mit seinem Freund Präsident Emilio Ortega privat, um über Cara Bedells bevorstehenden Besuch in Ameca zu sprechen. Er und Emilio kannten sich schon länger, und Tomas hatte bei den letzten Wahlen großzügig die Kampagne seines Freundes gegen den Oppositionsführer Naldo Salazar unterstützt. Salazar war ein Mann des Volkes, der alle möglichen lächerlichen Regierungsreformen durchsetzen wollte. Tomas’ Konkurrent im Ölgeschäft, Felipe Delgado, hatte Salazar unterstützt.

„Miss Bedell wird in drei Wochen in San Luis eintreffen“, sagte Emilio. „Ich werde für unsere amerikanische Freundin und hoffentlich auch neue Geschäftspartnerin hier im Präsidentenpalast ein Dinner ausrichten lassen.“

„Ich habe gehört, sie soll bei Delgado und seiner Familie wohnen. Vielleicht solltest du ebenfalls eine entsprechende Einladung aussprechen. Und wenn sie den Vorschlag des Präsidenten ausschlägt, im Palast abzusteigen ...“ Tomas lächelte. „Miss Bedell ist unverheiratet, glaube ich. Ich werde ihr gern ergeben zu Diensten stehen, solange sie hier ist.“

Emilio lachte. „Tomas, du bist ein Teufel! Hast du etwa vor, die amerikanische Señorita zu verführen? Sie hat zwar größten Respekt vor Delgado und seinen Plänen, einen Teil des Profits aus dem Ölgeschäft der Bevölkerung zugutekommen zu lassen. Aber ich wette, wenn du Miss Bedell rumkriegst, wird sie eher in dein Lied einstimmen.“

„Davon gehe ich aus. Und ich kann ja nun mal nicht von der Hand weisen, dass ich bei der Damenwelt gut ankomme. Aber auch wenn sich Miss Bedell nicht verführen lässt, ist noch nicht alles zu spät. Es gibt verschiedenste Mittel, jemanden zu überzeugen, nicht wahr?“

„Genug!“ Emilio hielt beschwichtigend eine Hand hoch. „Wie auch immer deine Pläne aussehen, ich will nichts davon hören.“

„Aber natürlich, mein Freund, das verstehe ich. Je weniger du weißt, desto besser. Aber du kannst dir sicher sein, dass ich dich nicht im Stich lasse. Ich habe vor, Bedell, Inc. als Geschäftspartner für Castillo, Inc. zu gewinnen und einen lukrativen Vertrag auszuhandeln, der für alle Parteien von Vorteil sein wird. Und ich bin bereit, alles dafür zu tun, damit dieses Geschäft zustande kommt.“

3. KAPITEL

Lucie schlief an diesem Samstagmorgen bis zehn Uhr. Nachdem sie einen Blick auf den Wecker auf ihrem Nachttisch geworfen hatte, rollte sie sich in die Mitte des Betts und auf den Bauch. Gestern hatte sie fünf Kisten mit persönlichen Gegenständen aus ihrem Büro in ihren Wagen geschleppt und später aus dem Wagen in ihre Wohnung. Danach hatte sie sich auf ihre alte, gemütliche Couch mit dem cremefarbenen, fleckenresistenten Bezug fallen lassen und eine volle Stunde einfach nur dagesessen. Dabei hatte sie aus dem Fenster geschaut, Richtung Südwesten, und zugesehen, wie die Sonne immer tiefer sank. Je mehr sie sich bemüht hatte, nicht darüber nachzudenken, was sie getan hatte, desto mehr hatte sie sich natürlich damit beschäftigt. Sie hatte tatsächlich bei der Dundee Private Security and Investigation Agency gekündigt. Den Rest des Abends hatte sie wie in Trance verbracht: sich zum Abendessen einen Salat gemacht, lange in der Badewanne gelegen, sich die Zähne geputzt, die Spätnachrichten geschaut und war dann ins Bett gegangen. Nur leider war sie alle zwei Stunden aufgewacht. Insgesamt hatte sie wohl nicht länger als viereinhalb Stunden geschlafen. Manchen Leuten mochte das reichen, Lucie jedoch nicht. Sie brauchte ihre acht Stunden Nachtruhe.

Stöhnend dachte sie daran, dass ihr nach dem Aufstehen der erste Tag der Arbeitslosigkeit bevorstand. Sie streckte die Arme aus, ballte die Hände zu Fäusten und hieb auf ihre zwei Daunenkissen ein. Nachdem sie sich zur Genüge an den alten Kissen ihrer Großmutter ausgelassen hatte, legte sie sich eines davon aufs Gesicht und gab einen lauten Schrei von sich. So ein Kissen war ein hervorragender Schalldämpfer. Dann warf sie das Kissen zur Seite, atmete tief durch und stand auf. Sie stand barfuß auf dem Holzfußboden und ließ die Schultern kreisen.

Jetzt fühlte sie sich besser. Der Mini-Wutanfall hatte sich gelohnt. Wenn sie versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken, anstatt sie rauszulassen, fühlte sie sich nur schlechter. Und wenn Lucie eines über sich gelernt hatte, dann das: ihre Emotionen nicht zu unterdrücken. Sie war nicht dafür gemacht, alles stumm herunterzuschlucken. Oh nein. Um gut funktionieren zu können, musste sie alles rauslassen.

Fünf Minuten später trat sie mit gekämmten Haaren und gewaschenem Gesicht aus dem Bad. Da klingelte es an der Tür. Wer um Himmels willen konnte das sein, um viertel nach zehn an einem Samstagmorgen?

Lucie ging durch ihr kombiniertes Wohn-Esszimmer zur Wohnungstür. Sie spähte durch den Spion, begann, breit zu grinsen und öffnete.

Bewaffnet mit einer Getränkebox und einer kleinen weißen Tüte in der Hand stand Daisy Holbrook vor ihr. „Ich habe Geschenke dabei: weiße Chocolate Latte und mit einer sündhaft leckeren Creme gefüllte Donuts, für jede von uns zwei.“

„Sofort rein mit dir!“ Lucie unterstützte ihre Aufforderung mit der entsprechenden Geste. „Pack die Leckereien auf den Tisch. Es kann sofort losgehen!“

Lucie lächelte. Daisy sah wie immer taufrisch aus. Dundees Miss Multitasking hatte das gesunde Aussehen eines Mädels vom Land, wie geschaffen zum Heiraten und Kinderkriegen: jung, hübsch, ein bisschen mollig. Sie bevorzugte den klassischen Look, Strickpullover, Perlen, gut geschnittene Hosen. Doch in ihrer Freizeit, so wie jetzt, trug Daisy gerne Jeans und Shirt. Ihre hellblaue ausgewaschene Jeans war aber natürlich nicht mit tiefem Bund und zerfetzten Säumen versehen oder gar zerschlissen, sondern ordentlich gebügelt und mit einem pinkfarbenen Gürtel versehen, der farblich zu ihrem Shirt passte. Ihr langes, kastanienbraunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihr Make-up bestand aus dezentem Rouge und Lipgloss.

Lucie ließ sich aufs Sofa fallen, während Daisy die beiden Kaffeebecher aus dem Getränkehalter aus Pappe nahm und sie auf die metallenen Untersetzer auf dem Couchtisch stellte. Dann brachte sie aus der Tüte mehrere große Papierservietten zum Vorschein und legte zwei mit Zuckerguss versehene Donuts darauf.

„Dir ist schon klar, dass nach dem Genuss dieser sündhaften Köstlichkeit unser Hüftumfang um mindestens zwei Zentimeter zugenommen haben wird und wir rund zwei Kilo schwerer sein werden?“, fragte Lucie, als Daisy neben ihr Platz nahm.

„Für eine Freundin nehme ich dieses Opfer gerne auf mich.“ Daisy grinste. „Außerdem wusste ich nicht, womit ich dich heute Morgen sonst hätte aufmuntern können.“

„Dich zu sehen muntert mich auf.“

„Aber mich mit zwei Latte und Donuts zu sehen, ist noch besser, oder?“

Lucie griff nach einem Becher. „Ich kann auf jeden Fall einen Koffein- und Zuckerschub gebrauchen heute Morgen – zum Aufwachen und zum Aufheitern.“

„Hast du schlecht geschlafen?“ Daisy nahm ihren Donut samt Serviette in die Hand.

„Ich habe die halbe Nacht damit zugebracht, mit mir selbst zu diskutieren. Meine eine Hälfte ist davon überzeugt, dass ich das einzig Richtige getan habe, die andere sagt mir, es war absoluter Wahnsinn, den Job zu kündigen, bevor ich einen anderen in Aussicht habe.“

„Du wirst in null Komma nichts wieder einen bekommen.“

Lucie sah ihre Freundin zweifelnd an. „Ohne ein Zeugnis von Dundee ...“

„Das ist kein Problem.“

„Ach nein? Hmm ... Jetzt komm, Daisy. Was hast du gemacht?“

„Gar nichts! Ganz einfach: Ich habe Sawyer gefragt, ob er der Abfindung nicht noch ein Empfehlungsschreiben hinzufügen will. Er war sofort einverstanden.“

„Was?“ Interpretier da jetzt bitte nichts hinein. Er ist froh,

dass er dich los ist und tut einfach nur das, was er für angemessen hält. Du weißt ja, welche Auffassung von Recht und Unrecht Sawyer hat. Für ihn gibt es nur Schwarz oder Weiß, Grau existiert nicht. „Ist eigentlich klar. Ich wurde ja nicht entlassen. Da hielt er es vermutlich für recht und billig, mir wenigstens noch ein Zeugnis auszustellen.“

„Gestern Mittag hat er sich im Büro betrunken“, berichtete Daisy, während sie an ihrer Chocolate Latte nippte. „Ich musste ihn nach Hause fahren.“

„Was?“

„Ja, er hat sich eine halbe Flasche Johnnie Walker Blue genehmigt.“

„Wirklich? Sawyer hat sich betrunken? Das habe ich ja ewig nicht mehr erlebt! Zumindest in den letzten neun Jahren nicht. Nicht, seit sein Bruder tot ist.“

„Ich wusste gar nicht, dass Sawyer einen Bruder hatte. Aber keiner von uns kennt ihn ja wirklich, von dir vielleicht mal abgesehen.“ Daisy nahm einen großen Bissen von ihrem Donut, und die Creme quoll heraus. Sie sah Lucie gespannt an und wartete auf eine Antwort, während sie die klebrige Masse von ihren Lippen leckte.

„Ich kannte ihn mal. Zumindest dachte ich, dass ich ihn kenne. Aber ich schätze, dass sich alles, was ich über ihn zu wissen glaubte, als falsch herausgestellt hat.“ Abgesehen von seinem angeborenen Sinn für richtig und falsch, gut und böse, unschuldig und schuldig.

„Lucie, du musst mir keine Vertraulichkeiten verraten. Du musst mir gar nichts verraten. Schließlich sind wir schon seit vielen Jahren befreundet, und ich habe nie danach gefragt, oder?“

„Das stimmt, das hast du nicht. Und das weiß ich zu schätzen. Was zwischen mir und Sawyer war ... das sollte auch besser zwischen ihm und mir bleiben.“

„Klar.“ Daisy schob sich den Rest des Donuts in den Mund.

„Ich werde mich ab und zu bei dir nach ihm erkundigen, wenn du nichts dagegen hast. Ja?“

Daisy schluckte herunter und sagte: „Ich erstatte dir gern wöchentlich Bericht, wenn du das willst.“

Lucie zwang sich zu einem Lächeln. Würde sie das nicht tun, bräche sie jeden Moment in Tränen aus. Dieser elende Sawyer McNamara! „Nein, so oft will ich gar nichts über ihn hören.“

„Oh, Lucie, Süße ...“

„Es ist nicht, was du denkst. Ich bin nicht in ihn verliebt oder so was.“

„Natürlich nicht.“

„Ich wäre bescheuert, wenn er mir immer noch etwas bedeuten würde. Und ich bin ganz bestimmt nicht bescheuert.“

„Nein, das bist du nicht.“

„Wenn ich überhaupt etwas für ihn empfinde, dann ist es ... Verdammt! Ich hasse ihn! Ich schwöre es dir, ich hasse ihn!“

„Ja, klar. Das merkt man.“

Lucie sah Daisy wütend an. Sie nahm ihren Donut vom Tisch und schlang ihn in drei Bissen herunter. Dann spülte sie mit Latte nach und angelte sich die Bäckereitüte. „Ich wünschte, du hättest ein Dutzend von den Dingern mitgebracht!“ Sie öffnete die Tüte, steckte die Hand hinein und zog die anderen beiden Donuts heraus.

„Manche Leute benutzen Whiskey, um ihre Sorgen zu ertränken“, sagte Daisy mit einem allwissenden Lächeln. „Andere wiederum ersticken ihren Schmerz mit einer Überdosis Zucker.“

„Er hasst mich“, stellte Lucie fest. „Er kann es nicht ertragen, mit mir im selben Raum zu sein. Immer, wenn er mich ansieht, wird er an seine eigene Schuld erinnert. Ab jetzt muss er das nicht mehr ertragen. Nie wieder.“ Sie stellte Latte und Donut auf den Tisch. „Komm, lass uns shoppen gehen.“ Sie sprang auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Gib mir eine halbe Stunde, um mich stadtfein zu machen, und dann fahren wir zum Lenox Square. Meine Macy’s-Kreditkarte ist gedeckt, also kann ich mir ein neues Outfit für die Jobsuche leisten.“

„Worauf wartest du noch? Los, los! Mach hin! Shopping hilft fast so gut wie eine Überdosis Zucker!“

Lucie verbrachte den ganzen Samstag mit Daisy. Und dabei sprachen sie kein einziges Mal mehr über Sawyer McNamara. Sie shoppten bis zum Umfallen, aßen eine Kleinigkeit und gingen anschließend noch ins Kino. Am Sonntag war Lucie schon früh aufgewacht und gleich nach dem Aufstehen zu einem langen Spaziergang aufgebrochen. Zurück zu Hause, hatte sie ihr Bett frisch bezogen, die Wäsche erledigt, die komplette Wohnung geputzt und mit ihrer Großmutter telefoniert. Sie lebte in einem Seniorenwohnheim in Florida.

„Ich bin umgeben von Sonne, Meer und Senilen“, hatte ihre Oma im Scherz gesagt, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.

Lucie liebte Molly O’Riley Evans, ihre Großmutter väterlicherseits, sehr. Von ihr hatte sie ihre Größe, das lockige kastanienrote Haar und das irische Temperament geerbt. Sie war praktisch bei ihrer Oma aufgewachsen, weil ihre Eltern beide in der Fabrik gearbeitet hatten. Ihre Mutter als Sekretärin, ihr Vater als Vorarbeiter in der Nachtschicht. Dann waren ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Lucie war damals zwölf Jahre alt gewesen. Ein halbes Jahr später war ihre Oma mit ihr nach Wayside, Mississippi, gezogen, wo ihre drei anderen Kinder lebten. Und dort war es auch gewesen, wo Lucie Sawyer McNamara und seinen jüngeren Bruder Brenden kennengelernt hatte. Sie hatte sich sofort in Sawyer verliebt. Dreiundzwanzig Jahre war das nun her.

Am Abend zuvor hatte sie sich eine rezeptfreie Schlaftablette eingeworfen und fühlte sich entsprechend gerädert, als sie am Morgen nach zu tiefem Schlaf aufgewacht war. Mittlerweile saß sie bei ihrer zweiten Tasse Kaffee, und ihr Gehirn begann langsam wieder auf Touren zu kommen. Vor ihr auf dem Esstisch stand ihr Laptop, und Lucie starrte auf den Bildschirm. Daisy hatte ihr ja berichtet, dass sie eine angemessene Abfindung erwarten könne, doch selbst damit würde sie nur ein paar Monate über die Runden kommen. Sie hatte zurzeit exakt eintausendvierhundertsechsundzwanzig Dollar auf ihrem Girokonto, und zum Monatsersten standen wieder die üblichen Rechnungen an. Wenn möglich, wollte sie ihre Altersversorgung nicht anbrechen; das waren ihre einzigen Ersparnisse. Lucie war nicht gerade gut darin, Geld zu sparen – sie war viel besser darin, es auszugeben, für sich und für andere.

Also musste sie unbedingt einen Job finden, und zwar besser jetzt als gleich. Seit Jahren hatte sie keinen Lebenslauf mehr erstellt. Seit neun Jahren, um genau zu sein.

Was waren ihre Qualifikationen? Highschoolabschluss, Collegeabschluss, sechs Jahre beim Federal Bureau of Investigation, kurz FBI, neun Jahre bei Dundee Private Security and Investigation. Wahrscheinlich könnte sie wieder bei einer Vollzugsbehörde unterkommen oder sich bei anderen Privatdetekteien und Sicherheitsfirmen bewerben. Zum Beispiel in Florida, in der Nähe von ihrer Oma. Eins war jedenfalls klar: Sie würde Atlanta verlassen. Sie würde das tun, was sie schon vor neun Jahren hätte tun sollen: Distanz zwischen sich und Sawyer bringen.

Sie überlegte gerade, ob sie eine dritte Tasse Kaffee trinken sollte, als das Telefon klingelte. Beim Aufstehen sah sie auf die Wanduhr. Zwei Minuten nach halb zehn. Sie sprintete zum Telefon und warf einen raschen Blick aufs Display.

Bedell, Inc.

Wer von Bedell, Inc. würde sie an einem Sonntag anrufen?

„Hallo?“

„Spreche ich mit Miss Lucie Evans?“, fragte eine angenehme Baritonstimme.

„Ja, ich bin am Apparat.“

„Lucie, hier spricht Deke Bronson.“

Lucie lächelte. Sie hatte ihren ehemaligen Kollegen immer gemocht. „Oh, hallo Deke! Wie geht’s? Was machen Lexie und die Kleine?“

„Es geht ihnen gut. Emma wiegt schon zwanzig Pfund und ist schon fast so schön wie ihre Mama.“ Deke räusperte sich. „Du weißt ja, dass ich letztes Jahr Larry Nesmith abgelöst habe. Ich bin jetzt Sicherheitschef von Bedell, Inc. Security.“

„Ja, das weiß ich“, schmunzelte Lucie. „Herzlichen Glückwunsch noch mal.“

„Hör zu, Lucie. Der Grund, warum ich anrufe ... Die Buschtrommeln haben mir verraten, dass du bei Dundee gekündigt hast. Da hab ich mir gedacht, du suchst vielleicht einen Job.“

Die Buschtrommeln? Eine Buschtrommel namens Daisy Holbrook vielleicht?

„Das stimmt“, sagte Lucie. „Ich suche einen Job.“

„Hättest du Lust, für unsere Securityabteilung zu arbeiten? Wir bezahlen nicht ganz so gut wie Dundee, aber wir können dir trotzdem gute Konditionen anbieten: drei Wochen bezahlter Urlaub nach dem ersten Jahr, eine hervorragende Krankenversicherung, Zuschüsse zur Altersvorsorge und Bonuszahlungen.“

„Ja, das klingt interessant.“

„Gut. Dann komm doch morgen bei uns vorbei. Wie wär’s so gegen halb elf?“

„Ja, gerne. Vielen Dank! Pünktlich um halb elf bin ich da.“

Lucie legte auf, atmete tief aus, dann drehte sie sich ein paarmal lachend um die eigene Achse.

Daisy, wenn das auf deinem Mist gewachsen ist, dann ernenne ich dich zu meinem Schutzengel! Bedell, Inc. war ein milliardenschweres Firmenkonglomerat mit Niederlassungen weltweit. Vielleicht konnte sie Deke dazu überreden, sie in einer Niederlassung in irgendeinem exotischen Land einzusetzen? Je weiter weg sie von Sawyer McNamara war, desto besser für sie beide.

„Und? Was hat sie gesagt?“, wollte Cara Bedell wissen.

„Sie kommt morgen um halb elf zu einem Gespräch“, schmunzelte Deke.

„Gut. Spiel das übliche Vorstellungsprozedere mit ihr durch, und dann rufst du sie am Mittwochmorgen an und teilst ihr mit, dass sie den Job hat.“

„Alles klar, Ma’am. Du bist der Boss.“

„Und beeil dich bitte mit der Einführung. Ich will, dass sie mit nach Ameca kommt. Wanda ist im Mutterschutz, und ich brauche unbedingt einen erfahrenen weiblichen Bodyguard auf dieser Reise. Miss Evans bringt immerhin neun Jahre Berufserfahrung beim Branchenführer mit.“

„Richtig. Lucie ist ein echter Gewinn für unser Sicherheitsteam.“

„Sie bekommt von Anfang an die höchste Gehaltsstufe. Bei ihrem beruflichen Hintergrund halte ich alles andere für unangemessen.“

Deke nickte. „Das sehe ich auch so. Gibt es sonst noch etwas?“

„Nein, danke, das ist alles. Denk aber bitte dran, dass Lucie nicht wissen soll, wem sie diese Stelle zu verdanken hat.“

„Von mir wird sie es nicht erfahren.“

Lächelnd verließ Deke Caras Büro. Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm Cara den Hörer zur Hand und wählte Sawyer McNamaras Nummer.

„Alles erledigt“, sagte sie. „Miss Evans kommt morgen zu einem Vorstellungsgespräch und wird am Mittwoch bei uns anfangen.“

„Vielen Dank“, sagte Sawyer. „Ich stehe in Ihrer Schuld. Mein Name ist aber nicht gefallen, oder?“

„Nein.“

„Gut. So soll es auch bleiben.“

„Klingt für mich so, als hätten Sie eine gute Kraft verloren. Es überrascht mich etwas, dass Sie nicht versucht haben, sie umzustimmen.“

„Lucie brauchte eine Veränderung.“

„Nun, die bekommt sie jetzt. Ich werde sie in drei Wochen mit nach Ameca nehmen, als meinen persönlichen Bodyguard.“

Cara kannte Sawyer als einen Mann, der überflüssiges Geschwätz verabscheute, also beendete sie das Gespräch. Den Hörer noch in der Hand, überlegte sie, ob sie einen zweiten Anruf machen sollte. Seit sie letzten Freitag mit Bain gesprochen hatte, spukte er in ihrem Kopf herum. Warum sie es sich jeden Freitag wieder antat, ins Hair of the Dog zu gehen, nur um einen Blick auf ihn zu erhaschen, wusste sie selbst nicht.

Lügnerin! Natürlich weißt du es.

Sie konnte einfach den Gedanken nicht ertragen, ihn überhaupt nicht zu sehen. Besser, ein paar verstohlene Blicke von der gegenüberliegenden Seite des Lokals auf ihn zu werfen, als gar nichts. Das war doch absurd! Genauso absurd, wie sich Ausreden auszudenken, nur um ihn anrufen und seine Stimme hören zu können.

Cara legte den Hörer auf, ging einmal quer durchs Zimmer und blieb vor der Fensterfront stehen, von der aus sie einen Blick aufs Stadtzentrum von Chattanooga hatte. Hier stand sie also, in ihrem noblen, geräumigen Büro im Bedell Building, der Zentrale von Bedell, Inc. Wie viele Menschen gäben alles dafür, an ihrer Stelle zu sein? Sie besaß Vermögen, Macht und eine einzigartige gesellschaftliche Position. Sie hatte alles, was man mit Geld bekommen konnte. Doch das Einzige, was sie wirklich gerne haben würde, war etwas, das man sich leider nicht kaufen konnte.

Arturo Torres-Rios bezahlte die Männer in bar. Eine Anzahlung, ein Viertel dessen, was sie bekommen würden, sobald sie ihren Job ordnungsgemäß erledigt hatten. Er hatte die Männer sehr sorgfältig ausgewählt, wie immer, wenn er ein Team zusammenstellte. Jeder von ihnen hatte schon für ihn gearbeitet, und sie verstanden einander – auch wenn das nicht bedeutete, dass er ihnen blind vertraute. In seiner Branche stand auf Verrat die Todesstrafe. Und es war in der Regel ein langsamer, schmerzvoller Tod. Die Männer kannten seinen Ruf, hatten ihn in Aktion erlebt und wussten, was sie erwartete, wenn sie sich nicht loyal verhielten.

„Wir gehen den Plan wieder und immer wieder durch, bis jeder ganz genau verinnerhcht hat, was seine Aufgabe ist. Wir können uns keine Fehler erlauben.“

Arturo sah sich im Raum um. Vier Männer. Er hätte sechs gebrauchen können. Aber je mehr Leute involviert waren, desto größer war die Gefahr eines Fehlers – darum nur vier. Manuel würde der Fahrer sein. Hector und Pepe würden sich um das Paket kümmern. Rico schließlich würde den Highway sichern. Dann würden sich die vier jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten abwechseln, immer zwei Männer auf einmal. Und nach Ende jeder Schicht mussten sie ihm Bericht erstatten.

„Fahrt die Route jeden Tag mit einem anderen Wagen und zu einer anderen Uhrzeit ab. Es kann sein, dass wir erst auf die letzte Minute erfahren, wann wir zuschlagen können. Morgen kümmere ich mich um ein Versteck und sorge dafür, dass es gut ausgestattet ist. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis die Mission erfüllt ist. Vielleicht nur ein paar Tage, wahrscheinlich aber eher eine Woche oder länger. In dieser Zeit bitte ich euch, von Ausflügen in die Stadt abzusehen. Konzentriert euch nur auf eure Aufgabe.“

„Und dieses Paket ist sehr wertvoll?“, fragte Rico.

„Sehr wertvoll, ja“, bestätigte Arturo ihm.

„Und es muss in einwandfreiem Zustand abgeliefert werden?“

Die anderen Männer lachten. Arturo ließ einen scharfen Blick über die Männer wandern, bis ihr Lachen verstummte und alle schwiegen. „Eure Aufgabe besteht darin, das Paket in Empfang zu nehmen, es zu bewachen und es seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben, sobald ich den Befehl dazu gebe. Habt ihr das verstanden?“

„Ja, ist klar“, antworteten ihm die Männer.

„Gut. Anschauen ist erlaubt, anfassen nicht“, stellte Arturo noch einmal klar.

„Und was, wenn etwas schiefgeht?“, fragte Hector. „Sollen wir das Paket dann entsorgen?“

„Nein. Dann übernehme ich das Paket und entsorge es selbst.“

Die Männer kannten weder den Namen der Frau, noch wussten sie, wie sie aussah. Er hatte ihnen kein Bild von ihr gezeigt. Je weniger sie im Vorfeld wussten, desto geringer das Risiko, dass sich einer von ihnen verplapperte und sich einem Freund anvertraute, einer Geliebten oder einem Familienmitglied.

Arturo wollte, dass der Auftrag reibungslos abgewickelt wurde. Denn dann wäre er bereits in einem Monat ein sehr wohlhabender Mann.

4. KAPITEL

Knapp zwei Wochen, nachdem Lucie die Stelle bei Bedell, Inc. angenommen hatte, landete sie in einem der drei Privatjets des Unternehmens – und zwar in dem, der in Chattanooga ausschließlich für Cara Bedell bereitstand – in San Luis, Ameca. Deke Bronson hatte Lucie im Schnelldurchlauf eingearbeitet und sie auf die Aufgaben vorbereitet, die ihr als Miss Bedells Bodyguard zufielen. Dazu gehörte unter anderem, die Präsidentin von Bedell, Inc. auf allen ihren Reisen zu begleiten. Auch nach Ameca.

Ameca war ein kleines Land an der Ostküste des südamerikanischen Kontinents, das mit reichen Ölvorkommen gesegnet war. Die spanischen Kolonialherren waren nach der Eroberung Verbindungen mit der einheimischen Bevölkerung eingegangen, und in den vergangenen sechzig Jahren hatte das Land einen Zuzug von Menschen verschiedenster Nationalitäten erlebt. Bis heute war Spanisch die offizielle Amtssprache, doch die Hälfte der Bevölkerung sprach fließend Englisch. In ihrem Crashkurs über die Politik, Wirtschaft und sozialen Strukturen des Landes hatte Lucie erfahren, dass die große Mehrheit der Bevölkerung in bitterer Armut lebte. Das Land rühmte sich seiner demokratischen Prinzipien und wurde von einem gewählten Präsidenten regiert. Doch alle Präsidenten der letzten fünfzig Jahre waren aus den Reihen hochrangiger Militärs hervorgegangen.

Als Lucie aus dem Flieger stieg, wurde sie von warmer, tropischer Luft umfangen. Der Flughafen von San Luis lag parallel zur Küste, vom Tower aus war der Atlantische Ozean zu sehen. Glücklicherweise war es ein ereignisloser Flug gewesen. Ihr erster Flug mit dem Dundee-Privatjet hatte Lucie sehr beeindruckt, aber verglichen mit dem Luxus von Cara Bedells Privatflugzeug verblasste dieser Eindruck. Der Bedell-Flieger war nicht nur größer, es gab auch einen Koch an Bord, der ihnen ein viergängiges Menü zubereitet hatte. Im Dundee-Jet hatte man sich seine Mahlzeiten selbst zubereiten müssen.

Lucie zog ihre Jackenärmel glatt und knöpfte ihren beigen Blazer zu, damit niemand ihr Pistolenholster sehen konnte. Cara stieg hinter ihr aus, direkt gefolgt von Jason Little. Eine diplomatische Ausnahmeregelung gestattete es der Präsidentin von Bedell, Inc. und ihren Bodyguards, die üblichen Einreiseformalitäten am Flughafen zu umgehen. Stattdessen wurde Sefiorita Bedell von einem Repräsentanten der amecanischen Regierung offiziell willkommen geheißen.

Ein Bodyguard soll immer möglichst unauffällig agieren und sich im Hintergrund halten, damit sich die beschützte Person – in diesem Fall Cara Bedell – und die Personen, mit denen sie zu tun hat, nicht unwohl fühlen. Unauffälligkeit lautete auch die Devise für die Kleiderordnung. Daher trug Lucie, die eigentlich knallige Farben, Rüschen, auffällige Ohrringe und hohe Absätze liebte, bei Einsätzen stets dezente Kleidung. Heute hatte sie eine braune Stoffhose gewählt, ein ärmelloses, pastellgelbes Top und einen beigen Baumwollblazer, braune Schuhe mit flachen Absätzen und keinen Schmuck bis auf ein Paar kleine goldene Ohrstecker und eine Armbanduhr. Ihre widerspenstigen Locken hatte sie mit einem losen Haarknoten im Nacken gebändigt.

Sie hatte sich gemeinsam mit Jason akribisch auf ihren Einsatz vorbereitet. Sie hatten sich mit dem Lageplan des Flughafens vertraut gemacht und mit der Fahrtroute zu Senor Delgados Hazienda. Sie hatten sich außerdem einen Grundriss des Anwesens und der umgebenden Außenanlagen schicken lassen. Obwohl nicht davon auszugehen war, dass die Reise nach Ameca für Cara ein besonderes Risiko darstellte, war die milliardenschwere Unternehmerin immer ein potenzielles Ziel für kriminelle Übergriffe.

Senor Vito Aguilar-Vega, ein kleiner, dunkelhäutiger Mann Ende vierzig, hieß Cara in seinem Land willkommen und überreichte ihr ein Blumenbukett aus weißen Rosen und Lilien. Er hielt eine glühende Ansprache auf Spanisch, von der er nur wenige Sätze ins Englische übersetzte. So ließ er Cara wissen, dass der Präsident sich darauf freue, sie kennenzulernen und ihr zu Ehren einen Ball veranstaltete.

Ein großer, distinguierter Herr mit dichtem graumeliertem Haar und einem riesigen Schnurrbart trat nun zu Senor Aguilar-Vega und sprach kurz mit ihm. Dieser verzog missbilligend das Gesicht, doch er trat beiseite, um den Mann vorzulassen.

„Señorita Bedell, wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin Felipe Delgado, Ihr Gastgeber. Willkommen in Ameca!“ Er nickte ihr kurz zu. „Mein Wagen wartet bereits. Um Ihr Gepäck wird man sich kümmern.“ Er blickte von Cara zu Jason und Lucie, die sie auf beiden Seiten flankierten, Jason knapp hinter, Lucie knapp vor ihr. „Drei Personen, sehe ich das richtig?“

„Ja, vielen Dank.“ Cara nahm Senor Delgados Arm, und Lucie und Jason setzten sich in Bewegung. Jason ging voraus, Lucie folgte ihnen.

Sie schlüpfte neben Cara in den Fond des Wagens, während Jason sich nach vorne neben den Chauffeur setzte. Auf dem Weg durch San Luis stellte Cara ihrem Gastgeber ihre beiden Bodyguards vor. Die Fahrt vom Flughafen zu Senor Delgados Anwesen dauerte zwanzig Minuten. Delgado plauderte unverbindlich mit ihnen, erzählte von seiner Frau, seinen drei Kindern und fünf Enkelkindern, seinen Hobbys Segeln und Briefmarken sammeln und von seinem ganzen Stolz, seinen Araberpferden.

Das Anwesen der Delgados grenzte zu einer Seite ans Meer. Die zweigeschossige Hazienda aus lachsfarbenem Sandstein und mit rotem Ziegeldach thronte auf einem Felsen über einem einsamen Strand. Der gut gepflegte Rasen war saftig grün; bestimmt wurde er jeden Tag gewässert. Bougainvillea rankte verschwenderisch über die schmiedeeisernen Zäune. Zahllose bunt blühende Sträucher, tadellos geschnitten, verliehen dem Anwesen zusätzlich eine Aura von Tropenparadies.

Der Chauffeur parkte den Rolls-Royce auf der runden, gepflasterten Einfahrt vor dem Haus. Im selben Moment trat eine kleine, mollige Frau mit einer Mähne von schwarzem Haar, das sie hochgesteckt trug, auf die Veranda. Senor Delgado stieg aus und öffnete Cara und Lucie die Tür.

„Ihre Bodyguards können sich jetzt etwas entspannen“, sagte Delgado. „Auf meinem Anwesen habe ich meine eigenen Leibwächter. Meine Familie und ich sowie unsere Gäste können sich also sicher fühlen.“

Die kleine Frau, die einen lavendelfarbenen Leinenrock und eine weiße Seidenbluse trug, kam jetzt auf sie zu und hakte sich bei ihrem Ehemann unter.

„Meine Liebe“, sagte Delgado, „darf ich dir Señorita Cara Bedell, Señorita Evans und Senor Little vorstellen.“

Sie sah lächelnd in die Runde, wandte sich zur Begrüßung jedoch Cara zu: „Mucho gusto, Señorita Bedell. Willkommen in unserem Heim.“ Ihr Englisch war offensichtlich nicht so gut wie das ihres Mannes, aber doch gut genug, dass sie sich verständigen konnte.

„Señorita Bedell, das ist meine Frau Suelita.“

Die Dame des Hauses begleitete Cara höchstpersönlich zu ihrem Zimmer, das sich als wunderschöne Suite samt Balkon mit Meerblick entpuppte. Jason bezog ein Zimmer am anderen Ende des Gangs und Lucie das Zimmer direkt neben Caras Suite.

„Nette Leute, oder?“, fragte Cara Lucie, als sie allein waren.

„Ja, ziemlich nett.“

„Ich bin so gut wie sicher, dass ich mich für Delgado Oil entscheiden und das Abkommen nicht mit Castillo, Inc. schließen werde“, verriet sie Lucie. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich laut denke und Sie sozusagen als mein Resonanzinstrument benutze. Wanda kennt das von mir. Sie hört zu und sagt mir dann ehrlich, was sie denkt. Ich hoffe, das werden Sie auch tun.“

„Gerne, Ma’am. Wie Sie wünschen.“

„Ja. Und bitte lassen Sie dieses ,Ma’am’. Nennen Sie mich einfach Cara, solange der Anlass nichts anderes erfordert.“

Lucie lächelte.

Cara erwiderte ihr Lächeln. „Es ist nämlich so: Es gibt zwei Angebote. Auf den ersten Blick scheinen sich Delgado Oil und Castillo, Inc. nicht großartig zu unterscheiden. Zwischen den Auffassungen der beiden Firmenbesitzer bestehen allerdings beträchtliche Unterschiede. Delgado stammt aus kleinen Verhältnissen, er ist ein Mann aus dem Volk. Nun, wo er zu Geld gekommen ist, engagiert er sich für verschiedene Wohltätigkeitsprojekte. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen unterstützte er den Kandidaten Naldo Salazar, einen Reformer. Seit der verlorenen Wahl zeigt er sich allerdings nicht mehr häufig in der Öffentlichkeit. Es kursieren Gerüchte, dass man ihm nach dem Leben trachtet. Castillo dagegen stammt aus der Welt der Reichen und Privilegierten. Er ist ein Playboy, der seine Zigarren gerne mal mit Hundertdollarscheinen anzündet, wie es heißt. Er unterstützte bei den letzten Wahlen Präsident Ortega, mit dem er auch privat befreundet ist. Ortega steht für den Status quo.“

„Wenn es Ihnen nur darum geht, den besten Deal für Bedell, Inc. auszuhandeln, stehen die Chancen für beide Firmen also gleich.“ Lucie fragte sich, ob Cara klar war, dass sie in ihrer Einschätzung kein Blatt vor den Mund nehmen würde. „Aber wenn Ihr Ziel darin besteht, den besten Deal für Bedell, Inc. auszuhandeln und gleichzeitig das amecanische Volk zu unterstützen, bleibt Ihnen wohl nur eine Wahl. Hat nicht Senor Delgado vorgeschlagen, dass seine und Ihre Firma zwischen einem Sechstel und einem Viertel des Geschäftsertrags in Hilfsprogramme für die bedürftige Bevölkerung investieren sollten?“

„Ja, das wäre Teil unseres Abkommens. Ich muss wirklich der Versuchung widerstehen, die Verträge mit Senor Delgado sofort zu unterschreiben. Andererseits bin ich es unseren Teilhabern und dem Firmenvorstand schuldig, mit Senor Castillo zumindest Gespräche zu führen, um zu sehen, ob er nicht vielleicht auch einen interessanten Vorschlag anzubieten hat – und zwar bezüglich einer Perspektive, seine Landsleute zu unterstützen.“

„Sie wollten ihn ursprünglich gar nicht treffen?“ Diesen Eindruck machte es jedenfalls auf Lucie.

„Nun, der Vorschlag stammt von Gray. Er sagte, es wäre für Vorstand und Teilhaber zufriedenstellender, wenn ich auch mit Castillo zu Gesprächen zusammenkäme. Denn dem Vorstand ist es eher unrecht, dass ich einen so großen Prozentsatz unseres Gewinns abgeben möchte.“

„Das kann ich mir vorstellen.“

Cara sah Lucie fragend an.

„Für manche Leute gibt es eben kein Genug. Sie können nie zu reich oder nie zu dünn sein.“ Lucie kicherte. „Na gut, zumindest nie zu reich.“

„Ich weiß, dass es so rüberkommt, als wären die Vorstandsmitglieder von Bedell, Inc. ein Haufen gieriger, herzloser Millionäre, aber das sind sie nicht. Das heißt, die meisten jedenfalls nicht. Aber kraft meines Amtes als Präsidentin von Bedell, Inc. bin ich nun mal dem Vorstand und den Firmenteilhabern verpflichtet, auch wenn ich Hauptanteilseignerin bin.“

Lucie lachte. „Das arme kleine reiche Mädchen.“ Oh-oh. Mit ihrer großen Klappe schaffte sie es doch immer wieder, sich in Schwierigkeiten zu bringen. „Entschuldigung! Ist mir so rausgerutscht.“

Cara lächelte. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich schätze Ehrlichkeit. Und abgesehen davon haben Sie recht – ich bin nämlich ein armes kleines reiches Mädchen. Sie haben keine Ahnung, wie gut das mich beschreibt.“

Josue Soto betrat die Kirche kurz vor Sonnenuntergang. Außer ihm waren drei weitere Personen anwesend: ein alter Mann, der gerade eine Kerze entzündete, und ein junges Paar, das kniend ins Gebet versunken war. Josue schlüpfte in eine der hinteren Bänke, schloss die Augen und tat so, als würde er beten. Zehn Minuten später war das junge Paar verschwunden und nur noch der alte Mann da. Er hatte sich in die erste Reihe gesetzt und den weißen Schopf geneigt, während er ein Gebet vor sich hinmurmelte. In diesem Augenblick nahm Arturo neben Josue Platz.

„Heute ist sie angekommen“, flüsterte Josue ihm beinahe lautlos zu. „Sie wohnt bei Felipe Delgado. Du weißt, sein Anwesen ist nahezu uneinnehmbar. Außerdem hat sie zwei eigene Personenschützer dabei, einen Mann und eine Frau.“

„Ich muss wissen, wann sie das Anwesen verlässt, wann sie unterwegs und wann sie in der Stadt sein wird.“

Josue nickte. „Ich arbeite gerade daran, uns ihren Terminplan zu besorgen. Aber solche Informationen sind alles andere als billig.“

„Lass uns nicht über Geld reden. Bezahl einfach, was nötig ist.“

„Natürlich, geht klar.“

„Und sie bleibt zwei Wochen in Ameca, ja? Daran hat sich nichts geändert?“

„Soweit ich weiß, nicht. Ihre Pläne sind unverändert. Ich habe allerdings gehört, dass Präsident Ortega ihr zu Ehren einen Ball veranstalten will. Und es wird spekuliert, dass Treffen mit Naldo Salazar und Tomas Castillo auf ihrem Programm stehen.“

„Gut. Gut. Das bedeutet, sie wird sich nicht nur auf Delgados Hazienda aufhalten. Irgendwann wird sich für uns eine Zugriffsmöglichkeit ergeben. Wir müssen nur den richtigen Zeitpunkt abpassen.“

„Und das gelingt nur, wenn sie unter Beobachtung steht.“

„Erklär mir nicht, wie ich meinen Job zu erledigen habe“, erwiderte Arturo leicht gereizt. Natürlich wollte Josue seinen Freund auf keinen Fall verärgern. Er war nur ein kleiner Geschäftsmann und Rechtsanwalt, der gern die Fälle für sie einfädelte, aber sich nicht selbst die Hände schmutzig machte. Sein Freund Arturo dagegen war ein Killer. Und seine Arbeit machte ihm Spaß. Er war in der Tat ein Mann ohne jede Gewissensregung.

„Das würde ich mir nie erlauben, alter Freund! Das war nur so dahingesagt. Verzeih mir.“

„Dir sei verziehen.“ Arturo erhob sich. „Melde dich, sobald du ihren Terminplan oder weitere wichtige Informationen hast.“

„Selbstverständlich.“

Josue blieb noch fünfzehn Minuten sitzen, bevor er die Kirche verließ. Diesmal betete er wirklich, als er die Augen schloss. Denn so lukrativ die Geschäftsverbindung zu Arturo sich für ihn auch erwies – manchmal wünschte er sich, er könnte sich aus diesem Business zurückziehen. Er hatte Angst, dass er eines Tages seinen alten Freund versehentlich derart verärgern könnte, dass dieser es nicht mehr entschuldigen würde.

Vier Tage, nachdem sie in Ameca angekommen war, besuchte Cara den Ball im Präsidentenpalast, auf dem sie der Ehrengast war. Ihr war durchaus bewusst, dass soziale Events wie diese für jedes Leibwächterteam ein wahrer Albtraum waren. Doch aufgrund der Anwesenheit des Staatspräsidenten und anderer hoher Würdenträger waren so viele Sicherheitsleute vor Ort, dass sich die Verantwortung ihrer beiden eigenen Bodyguards auf ein überschaubares Minimum reduzierte. Sie mussten einfach ein Auge auf sie haben, auf ihre Umgebung sowie auf alle Personen, die mit ihr in Kontakt traten. Natürlich galt bei solchen Anlässen auch ein bestimmter Dresscode für das Sicherheitspersonal. Für die männlichen Angestellten von Bedell, Inc. war für derartige Veranstaltungen ein schwarzer Smoking mit weißem Hemd vorgesehen, für die weiblichen Angestellten schlichte bodenlange Kleider in Schwarz. Ihre Waffen waren in der Handtasche mitzuführen.

Cara selbst hatte als Garderobe ein blassgelbes Seidenkleid mit hohem Schlitz gewählt. Sie trug gerne Gelb, denn die Farbe passte gut zu ihrem roten Haar und ihren haselnussbraunen Augen. Ihre vollen Brüste waren ohne Frage einer ihrer großen Vorzüge; sie konnte es sich also erlauben, ein Kleid wie dieses zu tragen, das auf Taille geschnitten und schulterfrei war. Dazu trug sie ihre goldenen Topas- und Diamant-Ohrringe mit passendem Armreif und eine mit Topassteinen bestickte Handtasche. Da sie beinahe eins achtzig groß war, trug sie heute Abend Schuhe mit flachen Absätzen.

Präsident Ortega war klein und stämmig, er hatte kohlschwarzes Haar und einen dürren Schnurrbart. Er sprach Englisch mit starkem Akzent und tanzte erstaunlicherweise, als hätte er zwei linke Füße. Den ersten Tanz hatte Cara mit dem Präsidenten eröffnet, der darauf bestand, dass sie ihn Emilio nannte und nicht „Herr Präsident“. Sie fand ihn recht charmant. Er war um die fünfzig, schätzte sie, seine üppige Frau dagegen höchstens fünfundzwanzig. Bei der Begrüßung hatte Cara sie zunächst für die Tochter des Präsidenten gehalten, doch er hatte sie ihr zu ihrer Überraschung als seine Frau Carmela vorgestellt. Im Verlauf des Abends erfuhr sie von Suelita Delgado, dass der Präsident seine erste Frau und die beiden gemeinsamen Töchter abserviert hatte, als die jetzige Mrs. Ortega ein Kind von ihm erwartete, einen Sohn, der mittlerweile vier Jahre alt war. Cara musste feststellen, dass Suelita offensichtlich eine nie versiegende Quelle für den neuesten Tratsch aus San Luis war. Die Lady kannte alles und jeden und versorgte sie mit schmutzigen kleinen Geheimnissen und skandalösen Gerüchten.

Im Laufe der vergangenen zwei Stunden hatte man Cara die gesellschaftliche Creme de la Creme Amecas vorgestellt, die Reichen und Mächtigen des Landes. Als sie gerade ein zweites Glas des exquisiten Champagners geleert und sich zwei Kanapees einverleibt hatte, trat Emilio zu ihr. Jedoch nicht allein, sondern mit einem großen, eleganten Gentleman im Schlepptau, den Cara auf Anfang vierzig schätzte. Es war ein auf gefährliche Art gut aussehender Typ, schlank und dunkelhaarig, sorgfältig rasiert, das schwarze Haar perfekt gestylt. Sein bronzefarbener Hautton war echt, nicht das Ergebnis von Sonnenbankbesuchen. Er war ein Latin Lover wie aus dem Bilderbuch.

„Señorita BedeH“, sagte der Präsident, „darf ich Ihnen meinen guten Freund Tomas Castillo vorstellen?“

Senor Castillo verbeugte sich höflich, nahm Caras Hand und küsste sie, noch bevor sie ihn begrüßen konnte.

„Señorita, es ist mir eine große Ehre“, sagte Castillo, mit erkennbarem, aber leichtem Akzent. „Wie kann es sein, dass eine so junge und wunderschöne Frau einen Konzern wie Bedell, Inc. leitet?“

Das sollte vermutlich ein Kompliment sein. Gut, sie war noch sehr jung. Aber sie war nicht wunderschön, und das war sie auch nie gewesen. Einigermaßen attraktiv – dank ihres Vermögens. Sie hatte der Natur nicht mit plastischer Chirurgie auf die Sprünge geholfen, sondern stand zu ihrer hochgeschossenen Figur, den breiten Hüften, ihren Sommersprossen und roten Haaren. Ihr größtes Kapital war ihre Intelligenz, fand sie. Dennoch hatte sie nichts dagegen, sich bis zu einem gewissen Punkt auf die Schmeicheleien von Mr. Süßholz einzulassen.

„Vielen Dank, Senor, sehr freundlich. Aber Ihnen ist doch sicher bekannt, dass ich an der Spitze von Bedell, Inc. stehe, weil ich das Familienunternehmen geerbt habe.“

„So wie ich.“ Tomas Castillo lächelte und präsentierte dabei seine perfekt weiß funkelnden Zähne. „Würden Sie mich mit einem Tanz beehren?“, fuhr er fort, und ohne ihre Antwort abzuwarten, hatte er den Arm um sie gelegt und zog sie in Richtung Tanzfläche.

Offensichtlich war dieser Senor Castillo ein Mann, der es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen. Vor allem, wenn es um Frauen ging.

„Ah, eine Rumba! Ein sinnlicher Tanz. Genau das Richtige für uns, finden Sie nicht auch?“

Für dich vielleicht, dachte Cara.

Offensichtlich wollte er sie beeindrucken und sie vielleicht auch ein kleines bisschen erregen. Ersteres funktionierte, Letzteres nicht. Beim Tanzen war er ebenso gewandt und schnell wie mit Worten, und als die heiße, temperamentvolle Rumba zu Ende war, war Cara froh, dass sie ihre flachen Sandalen trug. Sie war nicht gerade die grazilste Person und hätte ganz sicher nicht mit Tomas’ leidenschaftlichen Tanzschritten mithalten können, hätte sie hohe Absätze getragen.

Wollte man die Tatsache, dass sie verschwitzt war, etwas außer Atem und ein erhitztes Gesicht hatte, als Erregung auffassen, hatte der Mann sein Ziel erreicht. Das war aber auch alles. Hätte sie sich nicht schon einmal in einen solchen Typen verliebt – in einen ebenso zuvorkommenden, gebildeten und egomanischen Mann namens Grayson Perkins –, wäre sie vielleicht sogar empfänglicher gewesen für Tomas’ nicht von der Hand zu weisenden Charme. Aber seit Kurzem waren raue, zähe, hart arbeitende Typen eher ihr Geschmack – zum Beispiel ein gewisser Detective aus Chattanooga.

Für den Rest des Abends bedachte der gut aussehende Öl-Tycoon sie mit unendlicher Aufmerksamkeit, ohne jedoch aufs Geschäftliche zu sprechen zu kommen. Wüsste sie es nicht besser, könnte man meinen, er wäre ganz hingerissen von ihr. Doch trotz all seiner Verführungskünste wusste sie, dass er nur auf eines scharf war: auf ein Geschäft zwischen Castillo, Inc. und ihrem Unternehmen. Offensichtlich glaubte er, die Präsidentin von Bedell, Inc. ins Bett kriegen und Delgado Oil aus dem Rennen werfen zu können, indem er den leidenschaftlichen Latin Lover gab.

Nach vier Stunden Gala hatte Cara genug. Als sie sich von Tomas verabschiedete, flehte er sie an, noch nicht zu gehen. Dann bat er sie, sie nach Hause bringen zu dürfen.

„Ich habe meinen eigenen Wagen da“, entgegnete sie ihm und sah Lucie und Jason an. „Und zwei Personenschützer.“

Tomas ergriff ihre Hand, küsste sie und sah ihr sehnsüchtig in die Augen. „Dann müssen Sie aber morgen Abend auf meine Jacht zum Dinner kommen. Oder noch besser: Wir unternehmen gemeinsam eine kleine Tour.“

Cara löste ihre Hand aus seinem Klammergriff und lächelte freundlich. „Ich fürchte, mein Aufenthalt in Ameca ist eine geschäftliche, keine Vergnügungsreise. Warum treffen wir uns morgen nicht zum Business Lunch? Dann können Sie mir Ihre Argumente nennen, warum Bedell, Inc. bei Castillo, Inc. unterschreiben sollte statt bei Delgado Oil.“

„Ah, ich sehe schon: Sie sind eine Frau, die das Geschäftliche dem Vergnügen vorzieht.“ Er zuckte dramatisch die Schultern. „Na gut. Morgen Mittag ein Geschäftsessen. Aber danach kann ich Sie hoffentlich zu etwas überreden, das uns beiden ein bisschen mehr Vergnügen bereitet.“

Ihr Lächeln mühsam aufrechterhaltend, antwortete Cara: „Wir werden sehen, Senor. Wir werden sehen.“

Lucie musste sich bemühen, Cara einzuholen, die rasch davonging. Cara raunte ihr zu: „Und erlöse mich von den Kerlen, die sich für ein Geschenk Gottes halten!“

„Senor Castillo schien ja ganz hingerissen von Ihnen“, sagte Lucie scherzhaft.

„Schien ist genau das richtige Wort. Ich schwöre Ihnen, wenn ich ihn nur ein bisschen ermuntert hätte, hätte er mich gleich auf dem Balkon genommen, unter dem funkelnden Sternenzelt.“ Cara lachte.

Lucie stimmte ein. „Was sicher viele Frauen verlockend fänden.“

„Diese hier nicht.“

Als sie den Haupteingang erreichten, blieb Lucie mit Cara stehen, während Jason die Treppe hinunterlief und ihren Wagen anforderte, einen Rolls-Royce aus Senor Delgados Sammlung. Er besaß fünf von den Luxuskarossen.

Als der Parkservice mit ihrem Fahrzeug kam, folgte Lucie Cara über die Treppe nach unten. In dem Moment, als sie die Auffahrt erreichten, tauchte ein schlanker, bärtiger Mann in Sakko und Anzughose auf und rief Caras Namen. Lucie stellte sich sofort schützend vor sie, von der Seite sprintete Jason heran.

„Señorita Bedell, ich muss mit Ihnen sprechen!“, sagte der Mann.

„Stehen bleiben!“, rief Jason, die Hand auf seinem Pistolenholster. „Wer sind Sie, und was wollen Sie?“

Plötzlich tauchten hinter dem Bärtigen zwei weitere Männer aus der Dunkelheit auf. Beide hatten Gewehre über der Schulter hängen. Jason zog seine Beretta, und Lucie riss ihre Waffe aus der Handtasche.

5. KAPITEL

„Ich bin Naldo Salazar, Señorita Bedell“, sagte der Mann mit leiser Stimme. „Ich werde Ihnen nichts tun, aber ich muss mit Ihnen sprechen. Unter vier Augen.“

„Warum machen Sie dann keinen Termin mit mir aus?“, wollte Cara wissen. „Sie sind doch ein Freund der Familie Delgado. Wir könnten uns bei Felipe und Suelita zu Hause treffen ...“

„Nein, das wäre nicht ratsam. Zurzeit bin ich ...“, offensichtlich suchte er nach dem richtigen Ausdruck, „eine persona non grata. Seit ich die Präsidentschaftswahlen verloren habe, muss ich im Untergrund leben. Deshalb will ich meine Freunde, und dazu zähle ich Felipe und Suelita, keinesfalls in Schwierigkeiten bringen. Es wäre einfach zu gefährlich für sie, mich zu Hause zu empfangen.“

„Ich versuche besser gar nicht erst, die komplexen politischen Verflechtungen Amecas zu verstehen“, stellte Cara fest. „Aber mich in dieser Weise anzugehen, dient sicher nicht dazu, mein Vertrauen zu gewinnen.“

„Ich entschuldige mich, aber mir blieb keine andere Wahl. Wenn Sie mir gestatten, ein Stück mit Ihnen zu fahren, kann ich Ihnen alles erklären. Meine Männer folgen uns in einem eigenen Fahrzeug. Ihre Leibwächter können mich gerne vorher auf Waffen durchsuchen.“

Lucie wusste, dass Cara abwog. In ihrer Magengrube machte sich ein ungutes Gefühl breit. Doch noch bevor sie sich äußern konnte, gab Cara Jason die Anweisung, Salazar zu durchsuchen. Als das erledigt war, lud sie den Mann ein, mit ihr in den Wagen zu steigen. Er gab seinen Männern den Befehl, ihnen zu folgen – so mutmaßte Lucie jedenfalls. Ihr Spanisch reichte gerade aus, um zurechtzukommen.

Jason blieb vor dem Rolls stehen, während Cara, Senor Salazar und Lucie im Fond Platz nahmen. Nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte, glitt er auf den Beifahrersitz. Der Fahrer war einer von Delgados zuverlässigen Angestellten. Nachdem sie das Anwesen des Präsidentenpalasts hinter sich gelassen hatten, wandte sich Salazar im Halbdunkel des Wagens Cara zu. Nur die Lichter des nächtlichen San Luis erhellten im Vorbeifahren den Innenraum des Rolls.

„Ich wollte Ihnen meine Sache unbedingt persönlich vortragen“, begann Salazar. Seine dunklen Augen suchten in Caras Gesicht nach einer Spur von Verständnis.

Lucie steckte ihre Waffe wieder in die Handtasche, ließ die Tasche aber offen. Sie studierte den Mann genau. Er hatte sich weltweit einen Namen als radikaler Reformer gemacht. Sein erklärtes Ziel war es, die gierigen Finanzgötter Amecas von ihrem Thron zu stoßen. Er sah nicht gefährlich aus, sondern eher wie der klischeehafte zerstreute Professor mit grauem Haar, altmodischer Brille und abgetragenem Anzug, der etwas zu groß war für seine schlaksige, hochgeschossene Figur.

„Ich gehe davon aus, dass Sie im Vorfeld zahlreiche Informationen über Ameca eingeholt und auch die Herren Felipe Delgado und Tomas Castillo sowie ihre Ölfirmen überprüft haben“, sagte Salazar. „Ich weiß, dass Sie die größte Gönnerin des Vereins Helping Hands sind, richtig?“ Er nickte, wartete aber ihre Antwort nicht ab. „Sie sind eine sehr wohlhabende Frau, und Sie haben ein großes Herz. Sie möchten mit Ihrem Geld Gutes tun. Mein Volk braucht Hilfe, und ein Geschäftsabkommen zwischen Delgado Oil und Bedell, Inc. wäre ein wichtiger erster Schritt. Wenn Sie dagegen mit Tomas Castillo unterzeichnen, gibt es kaum Hoffnung für die armen und bedürftigen Menschen in Ameca.“

„Senor, ich versichere Ihnen, dass ich eine fundierte Entscheidung treffen werde – eine Entscheidung, die sowohl meiner Firma als auch der Bevölkerung von Ameca zugutekommen wird.“

„Ich hatte die Hoffnung, Felipe und Suelita würden Sie auf unsere Seite ziehen können. Doch nachdem ich darüber informiert wurde, dass Sie heute Abend sehr intensiv mit Senor Castillo gesprochen haben, fühlte ich mich verpflichtet einzugreifen. Castillo kann äußerst charmant sein, ist bei den Frauen sehr beliebt. Und wenn er etwas möchte, dann holt er es sich auch – ohne Rücksicht auf Verluste. Ich möchte Sie vor ihm warnen, Señorita Bedell. Diesem Mann ist nicht zu trauen!“

Lucie stellte fest, dass Cara nicht sofort antwortete, und wusste, dass sie nachdachte. Sicher fragte sie sich in diesem Augenblick, woher Salazar wissen konnte, dass sie einen Großteil des Abends mit Tomas Castillo verbracht hatte. Und wie es Salazar und seine Männer geschafft hatten, an den Wachleuten am Tor vorbeizukommen. Sicher würde auch Cara zu dem Schluss kommen, dass Salazar Informanten im Präsidentenpalast haben musste.

„Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen“, sagte Cara nun. „Und ich sehe auch, dass Sie ein großes Risiko eingegangen sind, um mir Ihre Bedenken persönlich mitzuteilen und mich vor Senor Castillo zu warnen. Doch als Geschäftsfrau ist es meine Pflicht, mir alle Seiten anzuhören, bevor ich eine Entscheidung treffe. Und daher werde ich morgen Mittag mit Senor Castillo zusammenkommen und mir seine Vorschläge anhören.“

„Por que?“, fragte Salazar, offensichtlich verärgert. „Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass andere Menschen ihm vollkommen egal sind. Er ist kein guter Mensch.“

„Ich habe verstanden, was Sie gesagt haben. Und falls Tomas Castillo nicht bereit ist, die von mir gewünschten Klauseln vertraglich zu fixieren, nach denen ein Anteil der Gewinne dem Staat Ameca zugutekommt, werde ich nicht...“

„Ameca zugutekommt? No, Señorita. Seien Sie vorsichtig! Er könnte Ihren Bedingungen zustimmen, aber dem Staat Ameca irgendwelche Gewinne zukommen zu lassen, das bedeutet, dass nur Castillo, Ortega und Konsorten davon profitieren werden!“

Cara berührte beschwichtigend Salazars Hand. Lucie hielt den Atem an. Der Oppositionsführer und radikale Reformer verkrampfte sich kurz, doch er zog seine Hand nicht weg.

„Ich verspreche Ihnen, dass jegliche Entscheidung, die ich treffe, den Menschen in Ameca zugutekommt, die am nötigsten unserer Hilfe bedürfen.“ Nur noch flüsternd fuhr sie fort: „Wenn Castillo morgen bei unserem Gespräch genauso überzeugend auftritt wie bei seinem Flirtversuch heute Abend, kann ich Ihnen versprechen, dass ich auf jeden Fall bei Delgado Oil unterschreibe.“

Salazar seufzte tief, doch er lächelte nicht. Und er dankte Cara auch nicht. Stattdessen wandte er sich abrupt an den Fahrer und wies ihn auf Spanisch an, bei der nächsten Gelegenheit anzuhalten. Der Fahrer fragte Cara um Erlaubnis, und sie bejahte. Nachdem Salazar ausgestiegen war, drehte er sich noch einmal zu Cara um und sah ihr in die Augen.

„Ich werde auf Ihre Entscheidung warten. In unser aller Sinn hoffe ich, dass es die richtige sein wird.“ Dann entfernte er sich und stieg in den Wagen, der hinter dem Rolls-Royce angehalten hatte.

Cara sah Lucie an. „Soll ich das, was er gerade gesagt hat, einfach als seine Meinung erachten oder doch eher als Drohung auffassen?“

„Bei einem Mann wie Salazar ist das schwer zu beurteilen“, sagte Lucie vorsichtig. „Aber nach allem, was ich über ihn gelesen habe, ist er nicht gerade ein Mann der bloßen Worte.“

Das Restaurant, in dem Cara mit Tomas Castillo verabredet war, gehörte ohne Zweifel zu den elegantesten und teuersten von San Luis. Das überraschte Lucie nicht. Immerhin versuchte Tomas ja, ihre Chefin zu beeindrucken. Das Gebäude mit Ziegeldach bot Blick aufs Meer, und der Innenhof mit den tropischen Pflanzen, großen Sonnenschirmen und Palmen war hell und luftig. Vom Meer her wehte eine sanfte Brise.

In typischem, überkommenem Machogehabe bestellte Tomas für sie beide. Cara lächelte nachsichtig. Sie wusste, es hätte keinen Zweck zu protestieren. Es war ganz klar: Dieser Mann hatte keine Ahnung, womit man sie wirklich beeindrucken konnte. Er bestellte Garnelencreme, Mousse von Meeresfrüchten, Lammspieße mit Shiitake-Pilzen und einen hervorragenden Wein. Er umgarnte sie während des Essens in wahrer Gentlemanmanier und kam erst auf das Geschäftliche zu sprechen, als sie schon beim Digestif saßen.

Nachdem sie an zwei Haselnuss-Daiquiris genippt hatten, sagte er: „Castillo, Inc. hat Ihnen viel zu bieten – viel mehr als Delgado Oil. Sie kennen doch unser anfängliches Angebot?“

Cara lächelte. „Oh ja. Aber ich muss sagen, mir fehlte da doch einiges, was ich bei einem so umfangreichen Geschäftsabschluss erwarten würde. Einem Abschluss, der nachhaltige Auswirkungen auf unser beider Heimatländer wie auf unser beider Firmen haben wird.“

Tomas runzelte die Stirn, besann sich aber schnell eines Besseren und ersetzte die negative Miene durch ein gewinnendes Lächeln. Er griff nach ihrer Hand. Was war bloß los mit diesem Mann? Dachte er womöglich, er könnte ihre Urteilsfähigkeit beeinflussen, wenn er ihr dauernd die Hand küsste?

Kaum hatte er einen federleichten Kuss auf ihrem Handrücken platziert, machte sie sich los von ihm.

„Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen, dann wird es gemacht“, sagte er.

„Nun: Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, die mit Prozentzahlen zu tun haben und damit, wessen Tankschiffe das Produkt transportieren sollen, stört mich, dass das Land Ameca beziehungsweise die Bevölkerung bei Ihrem Vorschlag nicht berücksichtigt werden. Ich wünsche mir, dass den Menschen aus unserem Vertragsabschluss auch etwas zugutekommt.“

Tomas lachte hohl. „Ich verspreche Ihnen, dass – ganz egal, was man Ihnen über mich erzählt haben mag – mein volles Interesse meinem Land und meinem Volk gilt. Wenn es für Sie ein Dealbreaker ist, wenn das amecanische Volk keinen Vorteil aus unserem Geschäft zieht, veranlasse ich unsere Anwälte gern, eine Klausel hinzuzufügen, die vorsieht, einen großzügigen Teil... sagen wir, ein Sechstel der Gewinnsumme ... wieder in Ameca zu investieren.“

„Und in was genau?“, hakte Cara nach.

Er sah sie erstaunt an, als hätte er nicht damit gerechnet, dass sie sich nach Details erkundigen könnte. Hatte er etwa noch nie Verhandlungen mit einer Frau geführt? Dachte er, Frauen besäßen keinen ebenso scharfen Geschäftssinn wie Männer? Beinahe hätte Cara laut gelacht.

„Es gibt Regierungsstellen, die die Gelder sinnvoll einzusetzen wissen“, erklärte Tomas. „Und mein persönlicher Freund Emilio Ortega wird ganz sicher seinen Einfluss geltend machen in Bezug darauf, dass das Geld auch an der richtigen Stelle ankommt.“

Ja, natürlich. Präsident Ortega würde das Geld in die Kanäle leiten, die Tomas ihm nannte – und zwar seine eigene Tasche! „Ich würde es vorziehen, wenn die Gelder aus den Gewinnen direkt von den Nutznießern, zum Beispiel von Wohltätigkeitsorganisationen wie Helping Hands oder lokalen Hilfsorganisationen aus Ameca, verwaltet würden. Die finanzielle Kontrolle könnte eine unabhängige Organisation übernehmen.“

War das etwa schon wieder so ein schlecht verborgenes Stirnrunzeln, das sie da beim hübschen Tomas entdeckte? In Caras Mundwinkeln zuckte ein Lächeln, doch es gelang ihr, keine Miene zu verziehen.

„Jetzt, da ich weiß, was Ihre Intention ist, bin ich mir sicher, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung finden werden“, sagte Tomas. „Es wird allerdings ein paar Tage in Anspruch nehmen, bis ich alle Details mit unseren Anwälten besprochen habe. Wenn Sie so großzügig wären, mir diese Zeit zu gewähren, denke ich, werden wir Bedell, Inc. ein Angebot unterbreiten, das Sie nicht ausschlagen können.“

Interessant. Sie würde Tomas Castillo vollkommen falsch einschätzen, würde sie auch nur eine Sekunde lang glauben, dass er zu einem ehrlichen Kompromiss zugunsten seiner Landsleute bereit wäre. Nein, dieser Mann hatte anderes im Sinn. Doch leider hatte Cara nicht den geringsten Schimmer, wie sein nächster Schritt aussehen würde.

„Sie können Bedell, Inc. gern ein Angebot unterbreiten“, lächelte Cara freundlich. „Ich werde es berücksichtigen.“

„Muchas gracias. Und nachdem wir nun alles Geschäftliche besprochen haben, machen Sie mir die Freude und gestatten Sie mir, dass ich Ihnen San Luis zeige.“

„Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich befürchte, ich habe bereits andere Pläne“, entgegnete Cara ihm. Lieber eine kleine Notlüge als den restlichen Nachmittag vortäuschen müssen, sie genösse die Zeit mit Tomas. „Vielleicht ein andermal.“

„Darf ich Sie noch zu Ihrem Wagen bringen?“, fragte er.

„Danke, das ist nicht nötig. Ich habe ja meine Leute dabei.“ Sie deutete mit dem Kopf auf den Nebentisch, an dem Lucie und Jason saßen.

Tomas erhob sich geschmeidig, verbeugte sich und sagte mit einem erzwungenen Lächeln: „Ich werde die Stunden zählen, bis ich Sie wiedersehe, Señorita.“

Nachdem er das Restaurant verlassen hatte, trank Cara in Ruhe ihren köstlichen Daiquiri aus und gab ihren Bodyguards dann ein Zeichen. „Der Nachmittag ist frei. Ich würde gerne auf dem Markt ein bisschen einkaufen gehen, auch wenn ich weiß, dass Menschenmassen für Sie ein Problem darstellen. Aber wenn ich die Gelegenheit jetzt nicht wahrnehme, bekomme ich vielleicht keine Chance mehr, das echte San Luis kennenzulernen, bevor ich wieder abreise.“

„Sie sind der Boss“, sagte Jason. „Aber ich schlage vor, Sie geben sich als normale Touristin aus.“

„Das heißt wohl, ich soll den Rolls-Royce stehen lassen und mit dem Taxi oder dem Bus fahren, stimmt’s?“ Cara sehnte sich nach ein paar Stunden Freizeit. Morgen würde sie schon wieder mit Felipe Delgado darüber verhandeln, ob Bedell, Inc. einen lukrativen Geschäftspartner für sein Unternehmen darstellte. Egal, was dabei herauskäme – heute wollte sie sich darüber keine Gedanken machen.

„Sie und Lucie sollten sich umziehen“, riet Jason ihr, „damit man Sie beide für zwei ganz normale amerikanische Urlauberinnen hält. Ich bleibe auf dem Markt im Hintergrund, bin aber immer in der Nähe. Ich werde die Menge im Blick behalten und Lucie sofort informieren, falls mir etwas Außergewöhnliches auffällt.“

„Ich will so einen labberigen Strohhut, eine große Sonnenbrille und Flip-Flops“, sagte Cara. „Was ist denn mit Ihnen, Lucie?“

„Keine Flip-Flops, aber ein großer Strohhut wäre nicht schlecht und ein paar bunte Klamotten.“

Cara hakte sich bei Lucie unter. „Dann wollen wir mal! Suchen Sie sich aus, was Sie wollen – und kümmern Sie sich nicht darum, was es kostet.“

Arturos Handy klingelte. Er checkte auf dem Display, wer der Anrufer war. Josue rief ihn nur in äußerst dringenden Fällen an.

„Guten Tag, mein Freund.“

„Das Paket muss heute zugestellt werden“, sagte Josue. „Der Kunde besteht darauf, dass die Angelegenheit keinen Aufschub duldet.“

„Ich werde keine unnötigen Risiken eingehen. Aber wenn es möglich ist, das Paket noch heute Nachmittag abzuholen, wird das erledigt.“

„Der Kunde möchte gerne über den aktuellen Status informiert werden. Sobald du im Besitz des Pakets bist, melde dich kurz bei mir, sodass ich ihm umgehend Bescheid sagen kann.“

Die Plaza mit dem Markt war nur zwei Häuserblocks entfernt von der Boutique, in der Cara und Lucie ihr neues Outfit erstanden, also gingen sie die kurze Strecke zu Fuß. Auf dem großen Markt gab es einfach alles. Angeblich konnte man hier auch die besten Schnäppchen machen. Cara trug jetzt einen weiten grünen Baumwollrock, eine zitronengelbe Bluse und grüne Flip-Flops. Lucie hatte sich für dieselbe Farbkombination entschieden, trug aber einen gelben Rock, eine grüne Bluse und Sandalen aus hellem, weichem Leder. Ihr Schulterholster hatte sie abgenommen und in ihrer neuen Umhängetasche verstaut. Während sich die beiden Frauen über den Markt schlängelten und immer wieder stehen blieben, folgte ihnen Jason in gemessenem Abstand. Niemand, der ihn sah, würde vermuten, dass er zu den beiden attraktiven amerikanischen Rotschöpfen mit den großen Sonnenbrillen gehörte.

„Sehen Sie mal“, sagte Cara. „An diesem Stand gibt es nur Hüte. Vielleicht finden wir hier, wonach wir suchen.“

Lucie folgte ihrer Auftraggeberin, die sich an diesem Nachmittag eher wie eine Freundin gab. Die Frau wurde ihr immer sympathischer. Sie hatten schon alle möglichen Stände begutachtet – mit Töpferwaren, Gitarren, Spiegeln, Teppichen und hölzernen Masken –, aber das war der erste Stand mit Hüten. Lucie entdeckte sofort einen Hut, den sie haben musste. Es war ein gelber Strohhut mit breiter Krempe und grünem Band. Doch als sie stehen blieben, griff Cara genau nach diesem Hut, setzte ihn auf und drehte sich zu Lucie um.

„Wie finden Sie den?“, wollte sie wissen.

„Perfekt. Passt farblich genau zu Ihrem Outfit.“

Cara sah Lucie einen Moment lang an, dann griff sie nach dem gleichen Modell und setzte ihn Lucie auf den Kopf. „Bitte sehr. Ihnen steht er auch perfekt.“

Beide lachten, als Cara sich an den Händler wandte und sich nach dem Preis erkundigte. Er nannte eine Summe, die nicht unverschämt teuer, aber doch höher war, als Cara erwartet hatte. Also begann sie zu feilschen. Lucie musste grinsen, als sie den Verhandlungen lauschte, die in einem Mischmasch aus Englisch und Spanisch geführt wurden. Schließlich konnten sich Cara und der Verkäufer einigen.

Der restliche Nachmittag verging wie im Fluge, und schließlich waren beide Frauen mit großen Leinentaschen beladen, in denen sich ihre Einkäufe befanden: alles vom Silberarmband bis zur bunt bestickten weißen Bluse.

„Ich bin am Verhungern“, stellte Cara fest. „Sind wir nicht gerade an ein paar Restaurants vorbeigekommen? Neben dem Stand, wo es die Keramik gab?“

„Dieses El Recoveco sah nett aus“, erinnerte sich Lucie. „Ich glaube, da war im Innenhof ein Büffet aufgebaut.“

„Wunderbar! Ich muss vor dem Essen nur noch kurz zur Toilette. Was ist mit Ihnen?“

„Ich auch.“

Cara schmunzelte. „Vermutlich freut sich Jason über ein kleines Pauschen.“

Jason folgte ihnen, als sie vom Markt zurück zum Restaurant gingen. Er wollte vor den Waschräumen auf die beiden warten; Lucie hatte ihn über Funk über ihre Pläne informiert.

Cara und Lucie ließen sich auf der kurzen Warteliste für einen Tisch eintragen, bestellten Getränke und gingen dann gemeinsam in Richtung Toiletten. Die Herrentoilette befand sich links, die Damentoilette rechts, wie die Piktogramme auf den Türen verrieten. Die Wände der schlecht beleuchteten Damentoilette waren zimtrot gestrichen, die beiden Kabinen dunkelgrün und die Decke senfgelb. An einer der beiden Türen hing ein Schild, auf dem stand: fuera de servicio. Außer Betrieb.

„Gehen Sie zuerst!“ Lucie setzte ihre Sonnenbrille ab und steckte sie in die Bluse.

„Nein, gehen Sie ruhig.“ Cara fächerte sich mit ihrem Hut Luft zu und schob sich die Sonnenbrille ins Haar. Sie stellte ihre schweren Taschen ab, legte ihren Hut darauf und holte ihr Handy aus der Handtasche. „Ich rufe inzwischen Felipe und Suelita an und sage ihnen, dass wir nicht zum Abendessen kommen. Ich habe mich heute Nachmittag so gut amüsiert, dass ich unsere Gastgeber ganz vergessen habe!“

Lucie stellte ihre Taschen neben Caras ab, nahm aber ihre Handtasche mit in die Kabine. „Aber verlassen Sie den Raum nicht.“

„Keine Sorge“, versprach Cara. Dann hörte Lucie, wie sie mit Sefior Delgado telefonierte und ihm erklärte, wo sie waren und was sie gemacht hatten.

Hector und Pepe betraten unauffällig hinter Cara Bedells Bodyguard die Herrentoilette. Sie lächelten und nickten dem Amerikaner zu. Nach dem Händewaschen verließ Pepe die Toilette als Erster, während sein Kollege – wie abgesprochen – noch ein paar Minuten wartete. Sie hatten klare Anweisungen. Der Job musste heute durchgezogen werden.

Pepe wartete draußen auf den Bodyguard. Als er aus der Toilette kam, ging er auf ihn zu und sprach ihn mit einem breiten Lächeln an.

Er tippte auf sein Handgelenk. „Ich habe keine Uhr. Können Sie mir vielleicht sagen, wie spät es ist? Meine Frau wird immer sauer, wenn ich mich verspäte.“

Obwohl ihm Pepes Freundlichkeit offensichtlich unangenehm war und er ihm auch verdächtig vorkam, griff Jason nicht automatisch nach seiner Waffe. Während des Ablenkungsmanövers trat nun auch Hector aus der Toilette, stellte sich lautlos hinter Jason und rammte ihm blitzschnell ein Messer in den Rücken, in Nierenhöhe. Pepe fing den Bodyguard auf, als dieser nach vorn kippte. Zusammen beförderten sie den sterbenden Mann durch den Hinterausgang in die kleine Gasse hinter dem Restaurant.

6. KAPITEL

Lucie kam aus der Toilettenkabine und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Als sie den Hahn aufdrehte, stellte sie fest, dass es kein warmes Wasser gab. Immerhin lag auf dem Regal über dem Waschbecken ein Stapel Papierhandtücher.

„Ich habe Suelita gesagt, dass sie heute Abend nicht zum Essen mit uns rechnen muss.“ Cara hängte Lucie den Riemen ihrer kleinen Lederhandtasche über die Schulter. „Halten Sie das kurz für mich?“ Damit verschwand sie in der Kabine.

Lucie überprüfte im Spiegel ihr Make-up und beschloss, es machte keinen Sinn, noch einmal frischen Lippenstift aufzulegen, wenn sie gleich essen würden. Als sie gerade ihren Hut wieder aufgesetzt und die Sonnenbrille in die Hand genommen hatte, hörte sie, wie die Tür aufging. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie eine dunkle Gestalt. Schlagartig begriff sie, dass gerade ein Mann die Damentoilette betreten hatte. Sie spürte instinktiv Gefahr, doch noch bevor sie ihre Glock aus der Umhängetasche ziehen konnte, trat ihr der Fremde, der einen Oberlippenbart und einen Vollbart trug, gegen die Hand. Der Schmerz durchzuckte ihre Hand und ihren Arm. Schnell verschaffte sie sich einen Überblick über die Situation: Es war nur ein Mann, eine Waffe schien er nicht zu tragen. Sie war bereit, sich zu verteidigen.

„Wehren Sie sich nicht, Señorita BedeH“, sagte der Mann auf Englisch, aber mit schwerem Akzent. „Ich möchte Ihnen ungern wehtun.“

„Was ist da draußen los?“, drang Caras Stimme aus der Toilettenkabine.

„Bleiben Sie, wo Sie sind, Lucie“, rief Lucie. Offensichtlich schien der Mann sie mit Cara zu verwechseln. „Kommen Sie nicht raus, bleiben Sie, wo Sie sind. Haben Sie gehört? Kommen Sie nicht raus! Das ist eine Anweisung.“

„Sie möchten nicht, dass ich Ihre Leibwächterin töte“, sagte der Mann. „Das ist gut. Sie kooperieren also?“

Da öffnete sich die Tür erneut, und ein zweiter Mann kam herein. Er war ebenfalls mit falschen Barten maskiert und hatte eine Neun-Millimeter-Pistole in der Hand. Er zielte auf Lucie und ratterte seinem Komplizen einen spanischen Satz zu. Lucie verstand nicht alles, was er sagte, aber den Sinn begriff sie doch. Die Männer wollten Cara entführen und ihre Leibwächterin umbringen. Nur, dass sie Lucie mit Cara verwechselten.

Verdammt, wo war eigentlich Jason? Er hatte doch vor der Tür auf sie warten wollen! Hätte sie sich nicht darauf verlassen, dass er ihr den Rücken freihielt, wäre sie aufmerksamer gewesen und hätte sich nicht so überrumpeln lassen!

„Moment“, sagte Lucie und richtete das Wort direkt an die zwei Männer. „Wenn Sie meiner Leibwächterin nichts tun, komme ich mit, ohne Schwierigkeiten zu machen. Wir werden beide kooperieren.“ Lucie warf einen Blick auf die Toilettenkabine, die sich langsam öffnete. Großer Gott, das musste sie verhindern! Nur solange die beiden Männer sie für die Zielperson hielten und Cara blieb, wo sie war, hatten Lucie und Cara die Chance, aus dieser Nummer lebend herauszukommen. „Nein, Lucie. Bitte bleiben Sie drin, kommen Sie nicht raus! Tun Sie, was ich Ihnen sage. Ich verhandle gerade mit zwei Männern über unser Leben.“

„Oh ... Ich verstehe ... Miss Bedell“, sagte Cara mit zitternder Stimme.

Gott sei Dank! Cara hatte begriffen, dass die Männer Lucie mit ihr verwechselt hatten.

Autor

Beverly Barton
Beverly Barton hat eine Schwäche, für Bad Boys, Männer mit kleinen Fehlern. In ihrer Kindheit schwärmte sie für „Die Schöne und das Biest“ – genauer gesagt, für das Biest. „Alle meine Lieblingsmänner sind stark, dominant und sehr maskulin. Aber am allerwichtigsten ist, dass sie ein Herz aus Gold haben“, erläutert...
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Ginna Gray

Ginna Gray wuchs in einer sehr fantasievollen und kreativen Familie in Texas auf. Erst mit zwölf Jahren erkannte sie, dass es nicht selbstverständlich war, wie leicht es ihr fiel, sich Geschichten auszudenken.

Schon ihre Lehrer erkannten ihr Talent und Ginna war sich sehr früh sicher, dass sie Schriftstellerin werden wollte....

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