Wie erobert man einen Playboy-Prinzen?

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Angel Diamandis weiß, dass seine Affären immer nur hinter seinem Geld und seinem Titel her sind. Daher sind wahre Gefühle für den Playboy-Prinzen tabu. Da trifft er bei der Hochzeit seines Bruders die stolze Gaby wieder. Schon einmal waren sie ein Paar – doch Gaby weigerte sich damals, das strenge Hofzeremoniell zu akzeptieren. Angel spürt bei ihrem Anblick erneut wildes Begehren. Ihr rotes Haar, die sinnlichen Lippen … Nur noch einmal will er Gaby besitzen. Und dann wird er sie für immer vergessen, oder?


  • Erscheinungstag 05.04.2022
  • Bandnummer 2539
  • ISBN / Artikelnummer 0800222539
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wann ich heirate?“ Angelino Diamandis verdrehte auf die Frage seines Bruders gelangweilt die dicht bewimperten, dunklen Augen.

Der Prinz von Themos, von seinen Freunden Angel genannt – obwohl sich alle einig waren, dass er wenig mit einem Engel gemein hatte –, fläzte genüsslich, aber unbestreitbar anmutig auf dem exotischen Polstermöbel und lächelte in seinen Kaffee. Dass er wie ein Filmstar aussah, machte ihn zu einem Liebling der Paparazzi. Und selten hatte er atemberaubender ausgesehen als in diesem Moment.

Saif von Alharia, der das traditionelle Seidengewand eines Bräutigams trug, musterte seinen Halbbruder ungerührt. „Warum lächelst du, als hätte ich gerade etwas Albernes gesagt? Du bist ein Staatsoberhaupt, und eines Tages wirst auch du heiraten müssen. Keiner von uns hat eine Wahl.“

In seinen Worten schwingt weder Verbitterung noch Selbstmitleid mit, dachte Angel. Das tiefe Pflicht- und Ehrgefühl seines Bruders amüsierte ihn. Saif besaß eine gewisse Naivität, derer Angel sich nie erfreut hatte. Denn im Gegensatz zu ihm war Saif unter den Fittichen eines gütigen, alten Vaters aufgewachsen, dem das Glück und die Sicherheit seines Sohnes am Herzen lagen.

Angel dagegen hatte nie elterliche Liebe oder Fürsorge erfahren, auch wenn er das bislang keiner Menschenseele gebeichtet hatte. Er war vom Personal großgezogen und früh aufs Internat geschickt worden. Seine Eltern waren ferne Gestalten am Horizont, nach denen er sich sehnte – bis er alt genug war, um zu erkennen, wie sie wirklich waren. Mit fünfzehn hatte er seine Mutter mit seinem besten Freund im Bett erwischt, und sein Vater war nicht viel besser. Immer wieder hatte Angel am eigenen Leib erfahren, dass kein Geld, keine Privilegien und kein Status der Welt einen Mangel an Anstand und gutem Geschmack kompensieren konnten.

Doch er hatte seinem Bruder die unschuldigen Illusionen über seine Mutter gelassen, die Saif und ihren ersten Ehemann, den Emir von Alharia, verlassen hatte, um mit seinem Vater durchzubrennen. Königin Nabila und ihr ebenso zügelloser zweiter Ehemann König Achilles waren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen, als Angel sechzehn war. Es gab keinen Grund, Saif jetzt noch die hässliche Wahrheit über die Mutter zu erzählen, die er nie gekannt hatte.

„Stimmt, wir haben keine Wahl, was das Heiraten an sich angeht“, räumte Angel zähneknirschend ein. „Trotzdem würde ich im Gegensatz zu dir nie der arrangierten Ehe mit einer Braut zustimmen, die ich nie getroffen habe.“

„Du weißt doch, wie es um die Gesundheit meines Vaters steht“, warf Saif ein.

„Ja, aber du kannst doch nicht für immer und ewig auf Zehenspitzen um ihn herumschleichen.“

„Das sagst du nur, weil ich noch nicht den Mut hatte, meinem Vater von unserer Freundschaft zu erzählen … und ich dich hier in einem vergessenen Teil des Palasts verstecke, um deine Anwesenheit in Alharia an meinem Hochzeitstag zu verheimlichen.“

Angel nickte. „Wir sind keine Kinder, die irgendetwas ausgefressen haben“, murmelte er. „Unsere Mutter hat deinen Vater betrogen, aber ihr schändliches Verhalten sollte keinen Einfluss auf unsere Verbundenheit haben.“

Saif wirkte bekümmert, war aber zu anständig, um zu leugnen, dass sein Bruder recht hatte. „Zu gegebener Zeit werde ich es ihm sagen“, sagte er vage.

Angel ärgerte sich über sich selbst, weil er seine schlechte Laune an seinem gewissenhaften älteren Bruder ausgelassen hatte. Um sie beide abzulenken, wechselte er das Thema. „Ich werde keine arrangierte Ehe im eigentlichen Sinne eingehen, wenn ich heirate, aber ich habe meine Braut schon gewählt.“

„Du bist verliebt?“ Saif bedachte ihn mit einem ebenso überraschten wie erfreuten Lächeln. „Ich hätte nicht gedacht, dass du diese Möglichkeit in Betracht ziehst.“

„Und damit liegst du vollkommen richtig“, wandte Angel ein. „Ich bin nicht verliebt und Cassia genauso wenig. Aber ich kann mir einfach keine passendere Frau für die Rolle einer Königin vorstellen, obwohl ich, ehrlich gesagt, noch nicht mit ihr darüber gesprochen habe. Allerdings kenne ich ihre pragmatische Einstellung zur Ehe. Ihr sind vor allem Status und Reichtum wichtig.“

„Cassia!“, unterbrach ihn Saif mit unverhohlener Bestürzung und offensichtlich überrascht, diesen Namen zu hören. „Diese eiskalte Blondine?“ Er errötete, weil er sich wegen seines mangelnden Taktgefühls schämte. „Verzeih mir … Das war …“

Doch Angel winkte lachend ab. „Nein, Cassia und der Eisberg, der die Titanic zum Sinken gebracht hat, haben tatsächlich viel gemeinsam“, erwiderte er gelassen. „Aber das ist die Art Ehefrau, die ich bevorzuge. Ich will weder eine übertrieben emotionale Frau noch eine anspruchsvolle oder eine, die fremdgeht oder nicht auf ihr Äußeres achtet. Cassia passt ausgezeichnet zu mir und meinen Ansprüchen als Herrscher von Themos. Die einzige Hürde wäre die Zeugung eines Thronfolgers, denn ich glaube, sie ist keine sehr sinnliche Frau. Aber auch diese Hürde werden wir zweifellos nehmen, wenn die Zeit reif ist. Außerdem hat es keiner von uns eilig, vor den Altar zu treten. Ich bin erst achtundzwanzig, und sie ist fünfundzwanzig. Laut unserer Verfassung kann ich erst zum König gekrönt werden, wenn ich heirate oder einen Thronfolger zeuge.“

Saif bedachte ihn mit einem eindringlichen Blick. „So ein blutleeres Arrangement wird für dich niemals funktionieren, Angel. Du hast mehr Herz, als du bereit bist zuzugeben. Selbst wenn Cassia dir jetzt wie die perfekte Kandidatin vorkommt, irgendwann wirst du mehr wollen“, erklärte er.

Angel lachte. Er glaubte nicht an diese sentimentale Prophezeiung und verkniff sich nur aus Respekt vor seinem Bruder einen bissigen Kommentar. In seinem ganzen Leben war er noch nicht einmal verliebt gewesen, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er einer solchen Selbsttäuschung überhaupt fähig war. Nach seiner Überzeugung war Liebe in den meisten Fällen nur eine Entschuldigung für all die schrecklichen Dingen, die Menschen einander antaten. Seine Mutter hatte immer gesagt, die Liebe zu seinem Vater sei der Grund gewesen, warum sie ihren ersten Ehemann verlassen hatte. Den kleinen Sohn, den sie zurückließ, vergaß sie dabei zu erwähnen, genau wie die Tatsache, dass sie zu dem Zeitpunkt bereits von Prinz Achilles schwanger war. Zu oft hatte Angel mitansehen müssen, wie Freunde einander schlecht behandelten und Liebe als Rechtfertigung dafür benutzten, gutgläubige, unschuldige Menschen zu betrügen, zu belügen und zu hintergehen. Er war Realist. Er wusste genau, welche Art Ehe er bekommen würde, wenn er eine Frau wie Cassia heiratete. Ihre eisige Distanziertheit eignete sich perfekt.

„Ich muss zurück zum Empfang“, seufzte Saif bedauernd. „Es tut mir sehr leid, dass du nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen kannst.“

Angel sprang mit einer geschmeidigen Bewegung auf. „Nein, es war richtig von dir, mich zu verstecken“, entgegnete er sanft. „Es war, wie immer, zu impulsiv von mir, sofort herzufliegen, als ich hörte, dass du heiratest. Bestimmt hätte mich jemand erkannt.“

Sein Bruder bedachte ihn mit einem unbehaglichen Blick, und Angel unterdrückte ein Seufzen. Er, das Kind aus der skandalträchtigen zweiten Ehe ihrer Mutter, konnte es nicht erwarten, im Kreis der Familie des Emirs willkommen zu sein. Irgendwann würde sich das natürlich ändern, wenn die Natur ihren Lauf nahm und der alte Emir starb. Doch das würde nicht so bald passieren. Angel sträubte sich gegen das bittere Gefühl, das ihn überkam, als er seinen Bruder auf die Galerie vor der Suite begleitete, in der er untergebracht war. Der Palast von Alharia war ein riesiges Gebäude, erbaut im Lauf mehrerer Jahrhunderte. Man könnte eine ganze Armee in diesen Mauern verstecken, falls nötig, dachte er und blickte über die Mauer in den Hof, wo ihm ein roter Haarschopf ins Auge sprang. Er gehörte einer jungen Frau, die mit einigen Kindern Ball spielte.

„Wer ist das?“, hörte er sich fragen.

„Keine Ahnung“, gestand Saif. „Aber der gestärkten Uniform nach zu urteilen irgendein Kindermädchen. Wahrscheinlich gehört sie einem der Hochzeitsgäste.“

Gehört? Als wäre die Frau ein streunender Hund, dachte Angel amüsiert. War er selbst etwa auch so weit weg von seinem Personal wie sein älterer Bruder? Wohl kaum. Seine Kindheit hatte diese königliche Distanz zunichte gemacht. Von den Angestellten seiner Eltern hatte er die einzige Zuneigung in seinem Leben erfahren. Daher hatte er gelernt, sie als Individuen und nicht als Bedienstete, die für seinen Komfort sorgten, zu sehen.

„Es sind die roten Haare. Offenbar habe ich eine Schwäche dafür“, gab Angel zu, den Blick immer noch auf den Hof gerichtet, während er sich selbst einen Rüffel erteilte.

Natürlich war sie es nicht. In Cambridge, wo er sie vor fünf Jahren kennengelernt hatte, war sie viel zu schlau gewesen, um jetzt irgendjemandes Kindermädchen zu sein. Warum habe ich das verdammte Mädchen nicht längst vergessen, fragte er sich verärgert. Das Mädchen mit den klobigen Stiefeln, der patzigen Art und Augen, blauer als die legendären Diamandis-Saphire. Lag es daran, dass sie die sprichwörtliche Eine war, die davongekommen war? War er immer noch so leicht zu durchschauen? So vorhersehbar und typisch Mann?

„Du bist ein unverbesserlicher Frauenheld, Angel“, bemerkte Saif amüsiert. „Alles, was die internationale Boulevardpresse über dich schreibt, ist wahr, aber wenigstens hast du die Freiheit genossen, du selbst zu sein.“

„Und das wirst du eines Tages auch tun.“ Angel klopfte seinem Bruder tröstend auf die Schulter, obwohl er stark daran zweifelte. Als gehorsamer Sohn, höchstwahrscheinlich treuer Ehemann und zukünftiger Emir eines traditionellen Landes würde Saif wahrscheinlich niemals die Freiheit haben zu tun, was er wollte.

Zum Glück für Angel erwarteten seine Untertanen keine moralische Perfektion von ihrem Monarchen. Die Mittelmeerinsel Themos war eine liberale und unabhängige Nation. Es war zwar nur ein kleines Land, aber unglaublich reich. Die Königsfamilie Diamandis war griechischer Abstammung und regierte Themos seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Angels Familie hatte sich durch kluge Allianzen mit mächtigeren Nationen auf dem Thron gehalten. Und so spielte das kleine Königreich trotz kleiner Armee wegen seiner Reichtümer bei den ganz Großen mit.

Angel musterte das Kindermädchen. Ihr leuchtendes, zum schlichten Zopf geflochtenes Haar unter dem Sonnenhut. Der Zopf glänzte in der Sonne wie poliertes Kupfer und beschwor weitere Erinnerungen herauf. Er drückte die breiten Schultern durch, nachdem er sich von seinem Bruder verabschiedet hatte, und kehrte in die Suite zurück, die man ihm zur Verfügung gestellt hatte. Was allerdings nur darüber hinwegtäuschen sollte, dass er praktisch unter Hausarrest stand, bis er Alharia wieder verließ, weil Saif nicht wollte, dass er gesehen und erkannt wurde.

Bedauerlicherweise hatte Angel dieses Problem nicht vorhergesehen. Er hatte angenommen, die Hochzeitsfeier würde als großes öffentliches Ereignis gefeiert werden und nicht als streng vertrauliche Veranstaltung, bei der nur der Emir und die Eltern der Braut anwesend waren. Er war in dem Glauben hergekommen, dass er unter den vielen Menschen nicht weiter auffallen würde. Entsprechend genervt war er, als er feststellte, dass er weder am Empfang noch an der Zeremonie teilnehmen konnte. Er war es nicht gewohnt, enttäuscht zu werden – und schon gar nicht, sich in viktorianischen Gemächern verstecken zu müssen, ohne den Komfort, den er als selbstverständlich erachtete. Gereizt griff er nach seinem Handy, als es vibrierte.

Es war der Pilot seines Privatjets, der ihn über einen Defekt in der Hydraulik des Fahrgestells informierte. Er versicherte Angel, dass die extra eingeflogenen Mechaniker die ganze Nacht an dem Problem arbeiten würden, damit er schnellstmöglich heimkehren konnte. Angel unterdrückte einen Fluch und tigerte auf dem persischen Teppich auf und ab, während er sich fragte, was er bis dahin mit seiner Zeit anstellen sollte …

Auf der Suche nach Unterhaltung zappte Gabriella sich ein weiteres Mal durch die Fernsehsender, doch es hatte keinen Sinn. Nichts fesselte ihre Aufmerksamkeit.

Sie stand auf und streckte sich in ihrem leichten weißen Baumwollkleid, in das sie geschlüpft war, als ihr offizieller Arbeitstag vorbei war. Nicht, dass sie während ihres kurzen Aufenthalts in Alharia viel zu tun gehabt hatte. Im letzten Monat hatte sie sich bei einer internationalen Vermittlungsagentur für Kindermädchen registriert, und nach ein paar schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit nahm sie nur noch befristete Angebote an. Die Kinderbetreuung für Hochzeitsgäste im Königspalast von Alharia hatte spannend und glamourös geklungen, sich jedoch als das genaue Gegenteil entpuppt. Gabriella war es leid, herumzusitzen und nichts zu tun, und sie zählte die Stunden bis zu ihrem Rückflug nach Hause am folgenden Tag.

Abgesehen von zwei Sechsjährigen, die sie am Nachmittag betreut hatte, gab es für sie nichts zu tun, weil die meisten Gäste ihre Kinder entweder zu Hause gelassen oder ihr eigenes Personal mitgebracht hatten. Das hatte man offenbar nicht bedacht, als man sie engagiert hatte, und so war sie überflüssig wie ein Kropf. Tja, das ist nun wirklich nichts Neues, dachte sie ein wenig bitter. Ungewollt zu sein, war ein vertrautes Gefühl für Gabriella.

Ihre Eltern und ihr kleiner Bruder waren bei einem Auffahrunfall ums Leben gekommen, als sie vierzehn war. Bei der Erinnerung an diesen traumatischen Verlust schnürte sich ihr immer das Herz zusammen. Die Trauer hatte sie frühzeitig erwachsen gemacht. Ihre Tante Janine – die kleine Schwester ihrer Mutter – hatte nur widerstrebend ihre Vormundschaft übernommen, und alles, was ihre Eltern ihr an Geld hinterlassen hatten, war an das schicke Internat gegangen, auf das Janine sie abgeschoben hatte. Sie hatte eine ausgezeichnete Ausbildung genossen, auf Kosten von Liebe, Geborgenheit und Heilung, die sie so viel mehr gebraucht hätte. Knapp ein Jahr nachdem sie ihre Eltern und ihren Bruder verloren hatte, beschloss Gaby, nach dem Studium Kindermädchen zu werden. In ihrer Naivität hatte sie geglaubt, dass das Leben in einer Familie ihren Schmerz über den Verlust der eigenen Familie mildern würde.

Doch ihre Erwartungen wurden enttäuscht, und nun überlegte sie umzusatteln. Glücklicherweise besaß sie die nötigen Qualifikationen dafür. Gaby sprach sechs Sprachen fließend und hatte Grundkenntnisse in diversen anderen sowie einen erstklassigen Abschluss in Sprachwissenschaften von der Universität Cambridge. Ihre jüngsten Erfahrungen als Kindermädchen hatten ihr Selbstbewusstsein vollends untergraben, weshalb sie sich einsamer fühlte als je zuvor. Um das Gefühl zu vertreiben, trat sie mit ihrem Softdrink in den Hof vor ihrem Zimmer.

Bunte Glaslaternen brannten unter der Loggia, die rings um den Hof führte. Hohe Palmen warfen riesige Schatten auf die Terrakottafliesen, und vom Brunnen sprudelte das Wasser in einen runden Teich. In der immer noch warmen Luft lag der Duft exotischer Blumen. Das Wasserplätschern wirkte beruhigend. Nichts war glamourös an dem altmodischen Kinderzimmer, in dem sie den Tag verbracht hatte, den wenigen Menschen, denen sie begegnet war, oder dem kleinen schmucklosen Schlafzimmer, in dem sie untergebracht war. Doch der Innenhof war traumhaft wunderschön.

Sie setzte sich auf eine Steinbank, um durchzuatmen. Morgen würde sie nach London zurückkehren, wo sie sich eine neue Bleibe suchen musste. Sie wollte die Gastfreundschaft ihrer Tante nicht überbeanspruchen. Janine und sie hatten sich nie nahegestanden. Eine neue Stellung mit Kost und Logis wäre praktisch, doch allein die Aussicht ließ sie das Gesicht verziehen. Mit durchgedrückten Schultern kämpfte sie gegen die aufsteigende Panikattacke. Niemand wird mir je wieder solche Angst machen, schwor sie sich, und doch wurde sie die Angst, dass es wieder passieren würde, nie ganz los.

Angel entdeckte von oben aus seiner Suite im Schatten der Bäume im Hof unter ihm ein blasses Paar wohlgeformter Beine. Ein selbstbewusstes Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen, als er die Treppe in den Innenhof hinunterstieg und die Frau mit ihrem leuchtend roten Haar im Licht der Laternen sitzen sah. Abrupt blieb er stehen. Wegen einer Studentin mit ebensolchem Haar hatte eine Schwäche für rothaarige Frauen entwickelt, und diese hier kam ihm sofort vertraut vor.

Das konnte doch nicht Gabriella Knox sein? Unmöglich, dachte er ungläubig. Aber sie war es! Das Kindermädchen, auf das er vorhin einen Blick erhascht hatte. Man sah ihr die Jahre kaum an, die seit damals verstrichen waren.

Vielleicht war ihr ovales Gesicht ein wenig schmaler, aber wenn überhaupt, war sie jetzt noch schöner als mit neunzehn. Ihr Haar war spektakulär, und ihre zarten Gesichtszüge wurden von ihrer hellen, makellosen Haut noch betont. Sie war klein, eins achtundfünfzig, um genau zu sein, doch das tat Angels Faszination keinen Abbruch. Dem durchschnittlichen Mann mochten zuerst Gabys Haar und ihr Gesicht auffallen, doch ihre weiblichen Kurven verdienten mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit. Vor fünf Jahren waren diese Kurven in jeder seiner Fantasien aufgetaucht.

Damals hatte Gabriellas Anziehungskraft vor allem darauf beruht, dass sie es Angel von Anfang an schwer gemacht hatte, und in seinem Sexleben suchte er Leichtigkeit. Er ging keine Risiken ein. Er musste keine Risiken eingehen. Die Frauen waren ausnahmslos nur allzu bereit, ihm jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Nur Gabriella nicht. Gabriella war hart geblieben, bis zuletzt.

Dabei war das, was er von ihr wollte, seiner Meinung nach nicht unverschämt. Andere Frauen hatten sich nicht daran gestört und ihm schon gar nicht vorgeworfen, er würde ihnen die Freiheit rauben oder sie kontrollieren wollen. Verständlicherweise erwartete er in seiner gesellschaftlichen Stellung Diskretion von den Frauen, mit denen er schlief. Doch Gabriella war zu offenherzig gewesen, zu explosiv, zu eigensinnig, um sich auf seine Regeln einzulassen. Angel wusste aus seinen Begegnungen mit Frauen, dass viele von ihnen sich ihm nur an den Hals warfen, um ihre Geschichte an Paparazzi zu verkaufen. Und obwohl es den Leuten auf Themos ziemlich egal war, ob ihr Herrscher im Bett über ein beachtliches Standvermögen verfügte, hatte Angel höhere Ansprüche an sich selbst als seine Eltern. Er fand Enthüllungen über sein Sexleben in der Presse schäbig und unwürdig.

„Gabriella …“, murmelte er.

Gabriella erstarrte vor Angst, als eine dunkle männliche Silhouette auftauchte. Die Angst wich zwar, als sie die Gestalt erkannte, doch dafür lähmte sie nun der Schock. Erst konnte sie nicht glauben, dass es wirklich Angel war, und als sie gezwungen war, zu akzeptieren, dass er es war, wäre sie am liebsten im Erdboden versunken und fühlte sich sofort in ihr unsicheres, jüngeres Ich zurückversetzt.

Für ein paar verrückte Wochen war sie rasend verliebt in Angel Diamandis gewesen, doch er hatte unangemessene Forderungen gestellt und ihr zartes Herz gebrochen. Hinterher hatte er weder Reue noch Gewissensbisse gezeigt. Nach einem Riesenstreit, bei dem sie ihn angeschrien und Gegenstände nach ihm geworfen hatte, war alles vorbei gewesen. Ihr einziger Trost war, dass sie es war, die Schluss gemacht hatte. Sie waren definitiv nicht freundschaftlich auseinandergegangen, und Gaby war dankbar, als er seinen Abschluss machte und in seine Heimat Themos zurückkehrte.

„Angel …“, brachte sie mit gepresster Stimme hervor.

Er war so groß, mindestens eins neunzig, und besaß den klassischen Körperbau eines Athleten, mit breiten Schultern, schmalen Hüften und langen, muskulösen Beinen. Wann hatte sie vergessen, wie groß er war? In seinem dunklen, maßgeschneiderten Anzug sah er elegant und stilvoll aus wie immer. Alles an Angel verkörperte Kultiviertheit, königliche Herkunft und unermesslichen Reichtum. Selbst wenn er Jeans trug, drehten sich die Leute nach ihm um. Seine anmutigen Bewegungen hatten eine größere Wirkung auf sie, als ihr lieb war. Ich hasse ihn doch, warum starre ich dann wie ein Reh im Scheinwerferlicht in seine Richtung? Natürlich waren fünf Jahre eine lange Zeit. Ich werde mir meine Feindseligkeit nicht anmerken lassen, dachte sie mit glühenden Wangen, denn eine solche Überempfindlichkeit würde höchstens sein unersättliches Ego nähren. Bleib ruhig, bleib cool, sei freundlich, ermahnte Gaby sich verzweifelt.

Er kam näher, und die Lichter im Hof betonten seine markanten Wangenknochen, die fast schwarzen Augen, die sinnlichen Lippen. Er war so schön wie kein anderer, und sein Anblick verschlug ihr immer noch den Atem.

Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war sie unfähig gewesen, den Blick abzuwenden. Sie war über die eigenen Füße gestolpert und hatte sich die Knie aufgeschlagen. Weder sie noch irgendjemand anders hatte in diesem Moment damit gerechnet, dass Angel einfach herüberkommen, sie hochheben, ihre Wunden versorgen und sie auf einen Kaffee einladen würde … als wäre es das Normalste der Welt. Das war typisch Angel – er war impulsiv und unberechenbar.

„Ich vermute mal, du bist einer der Hochzeitsgäste“, tippte Gaby und befreite sich aus dem Netz der Erinnerungen, in dem sie sich verfangen hatte. Sie war erfreut darüber, wie ruhig ihre Stimme klang – als würde sein plötzliches Auftauchen sie nicht im Geringsten aus der Fassung bringen.

„Etwas in der Art.“ Angel hob anmutig die Schultern, wie nur er es konnte. „Aber was tust du im Palast von Alharia?“

„Ich würde ja gern hier herumsitzen und mit dir über die alten Zeiten plaudern“, erklärte Gaby mit aufgesetztem Lächeln, während sie sich eilig erhob. „Aber ich bin müde und wollte gerade zurück in mein Zimmer, um früh zu Bett zu gehen.“

„Du kannst doch nicht immer noch sauer auf mich sein!“, entfuhr es Angel.

Gaby versteifte sich und reckte das Kinn, als würde sie nicht gerade hochrot anlaufen. „Natürlich nicht.“

„Dann verhalte dich normal und trink etwas mit mir.“

„Ich glaube kaum, dass sich das gehört.“

„Seit wann interessiert mich, was sich gehört?“, spottete Angel. „Sei keine Spielverderberin. Was für ein Zufall, dich nach all den Jahren hier wiederzutreffen. Und da wir beide nichts Besseres zu tun haben, warum nicht ein bisschen in Erinnerungen schwelgen?“

Gaby verkniff sich eine bissige Bemerkung, mit der sie Angel nur Einblick in ihre Seele gewährt hätte. Er kannte sich mit Frauen aus. Er war der größte Playboy Europas, die lebende Legende eines Casanova. Sie hatte ihren Stolz, natürlich hatte sie den, und sie wollte ihm auf keinen Fall Anlass geben zu glauben, dass sie noch immer daran zu knabbern hatte, was an der Uni zwischen ihnen passiert war. Wie pubertär wäre das denn, bitte schön? Schließlich hatten sie damals nicht mal eine richtige Beziehung gehabt. Sie waren ein paarmal ausgegangen, und es war vorbei gewesen, bevor es richtig angefangen hatte.

„Wieso nicht?“, erwiderte sie also – und erinnerte sich zu spät, dass er ein Prinz war und seine Freunde ihn schon damals mit Eure Hoheit angesprochen hatten und immer sichtlich zusammengezuckt waren, wenn Gabriella diese Höflichkeitsformen vergaß. Dabei hatte sie es absichtlich getan. Es war seltsam gewesen, an seinen wahren Status erinnert zu werden, denn wenn sie allein waren, hatte er darauf bestanden, dass sie ihn Angel nannte. So hatte sie immer vergessen, wer er wirklich war.

Sie hatte es vergessen, weil sie es vergessen musste, um überhaupt mit ihm zusammen sein zu können. Ein königlicher Prinz, während sie selbst ganz gewöhnlich war. Ein sehr reicher junger Mann, während sie eine abgebrannte Studentin war, die von der Hand in den Mund lebte. Sexuell erfahren, während sie noch Jungfrau war. Doch sie hatte die Augen vor der Realität verschlossen, weil sie unbedingt mit ihm zusammen sein wollte, allerdings doch nicht so unbedingt, dass sie eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterschrieben hätte. Als sie Nein gesagt hatte, ein Wort, das Angel nicht oft hörte, hatte er sich eine unkompliziertere, entgegenkommendere Frau gesucht, die sich in alles fügte, was er verlangte, nur um mit ihm zusammen zu sein, wenn auch nur für ein paar Wochen. Angels Interesse an Frauen war ungefähr so langlebig wie eine Schneeflocke im Sommer.

Während die Erinnerungen auf sie einstürzten, versuchte Gaby, äußerlich den Schein zu wahren. Sie folgte Angel die Treppe hinauf.

„Wohin gehen wir?“, fragte sie.

„Meine Suite liegt im oberen Stockwerk.“

Eine Suite also. Tja, das war nicht anders zu erwarten gewesen. „Ich wundere mich, dass wir überhaupt im selben Flügel untergebracht sind“, gestand sie. „Das hier scheint mir doch ein ziemlich abgelegener Winkel des Palasts zu sein – und soweit ich weiß, bin ich hier nur gelandet, weil Kinder laut sein können.“

„Ich bin erst in letzter Sekunde eingeladen worden und spät eingetroffen“, erklärte Angel aalglatt.

Er log. Gaby wusste nicht, warum er wegen so einer Nebensächlichkeit log, aber vor fünf Jahren hatte sie festgestellt, dass Angels Tonfall am geschmeidigsten war, wenn er nicht ganz die Wahrheit sagte, aus welchem Grund auch immer. Er war kalt, berechnend, manipulativ und viel zu gerissen, aber irgendwie hatten sie seine Fehler immer eher fasziniert als abgestoßen. Er hatte versucht, sie vorzuführen und sie mit seinem Reichtum zu beeindrucken, und sie hatte tatenlos zugesehen, fasziniert von seiner Intelligenz, während er versuchte, ihre Schwächen herauszufinden und gegen sie zu verwenden.

„Was haben Kinder mit deiner Anwesenheit in Alharia zu tun?“, erkundigte sich Angel, während er eine Tür aufstieß, die nicht, wie Gaby befürchtet hatte, in ein Schlafzimmer führte, sondern in ein geräumiges Wohnzimmer.

„Ich arbeite als Kindermädchen.“

„Du überraschst mich.“

„Ich werde sehr gut bezahlt, und ich komme viel herum“, entgegnete sie leichthin, entschlossen, nichts Privates preiszugeben. „Wo sind deine Bodyguards? Ich dachte, du reist nie ohne sie.“

„In einem so gut bewachten Palast brauche ich keine Bodyguards.“ Angel hatte seine Sicherheitsleute in einem Hotel in der Stadt untergebracht, weil er kein Aufsehen erregen wollte. „Was möchtest du trinken?“

„Ich dachte, Alkohol wäre hier verboten?“

„Nein, das ist er nicht. Der Emir sieht es nur nicht gern, aber er verbietet es seinen Gästen nicht. Es gibt gekühlten Wein“, murmelte Angel und musterte sie anerkennend, obwohl er wusste, dass sie ihn ohrfeigen würde, wenn sie wüsste, dass ihr dünnes Baumwollkleid im Gegenlicht durchsichtig war.

Sie trug keinen BH, und er konnte alles sehen: von der Farbe ihres weißen Slips bis zu den rosigen Spitzen ihrer vollen Brüste. Ihm gefiel, was er sah. Als auch sein Körper eine eindeutige Reaktion zeigte, riss er den Blick widerstrebend von ihr los und musste über sich selbst lachen. Er war den Anblick nackter Schönheiten gewohnt, warum also wurde er steinhart, nur weil er einen flüchtigen Blick auf eine bedeckte Brust erhascht hatte? Er wunderte sich über seinen Mangel an Disziplin. Wahrscheinlich der Schock über das unerwartete Wiedersehen mit Gabriella. Sie brachte ihn aus dem Konzept, und das gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Rosé oder Weißwein. Egal“, sagte Gaby und setzte sich auf ein vergoldetes Satinsofa, das alles andere als gemütlich war. Sie hob das Kinn und versuchte, gefasst und desinteressiert zugleich zu wirken. „Die alten Zeiten also.“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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