Wilde Nächte mit dem Rockstar

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PR-Agentin Kinga Ryder-White hat am liebsten jedes Detail unter Kontrolle. Erst recht, wenn es um etwas so Wichtiges geht wie den glamourösen Wohltätigkeitsball ihrer Familie, den sie organisieren soll! Ausgerechnet der Rockstar Griff O’Hare wird auftreten – und der sieht nicht nur umwerfend gut aus, sondern sorgt auch immer wieder für Ärger. Trotzdem fällt es Kinga wahnsinnig schwer, Griffs charismatischer Ausstrahlung zu widerstehen. Auch wenn sie mit ihm aufregend wilde Nächte verbringt – darf sie ihr Herz an einen Bad Boy verlieren?


  • Erscheinungstag 05.07.2022
  • Bandnummer 2244
  • ISBN / Artikelnummer 0803222244
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

PROLOG

James

Weihnachten

James Ryder-White faltete das goldene Papier sorgfältig zusammen und legte es beiseite. Im Geiste rollte er die Augen über die kleine rote Samtschachtel, die zum Vorschein gekommen war. Wie jedes Jahr zu Weihnachten: ein Paar Designer-Manschettenknöpfe von Penelope …

Seine Frau war nicht sehr originell, wenn es ums Schenken ging. Allerdings hatte sie von ihm einen schwarzen Kaschmirpullover bekommen und einen weiteren goldenen Anhänger für ihr bereits jetzt schon schweres Armband. Ihre Begeisterung über sein Geschenk war mit Sicherheit nicht größer als seine.

Sie waren schon zu lange verheiratet und kannten einander zu gut. Sie gaben sich beide keine große Mühe mehr – wenn sie es denn je getan hatten.

James sah aus dem Fenster des Hauses, in dem er aufgewachsen war. Er und Pen bewohnten den rechten Flügel der großen Villa seines Vaters. Schneeregen klatschte gegen die deckenhohen Scheiben. Er liebte Portland, Maine, mit seinem künstlerischen Flair und den ausgezeichneten Restaurants, den alten Leuchttürmen, historischen Häusern und ungewöhnlichen kleinen Läden und Boutiquen, aber dieser besondere Teil der zerklüfteten Küste war sein Zuhause.

Niedrig hängende Wolken verbargen den sonst atemberaubenden Ausblick auf Dead Man’s Cove. Ryder’s Rest, das Anwesen seines Vaters, lag vierzehn Meilen nördlich von Portland auf Cousin’s Island. Es war eine Villa mit sieben Schlafzimmern. Jeder Raum im Haus hatte einen Blick auf die Bucht. Dazu kamen beheizte Pools, diverse Terrassen und eine Garage, in der zehn Autos Platz hatten. Beeindruckend waren auch der lange Bootsanleger und das Dock, dazu drei Tiefsee-Liegeplätze und gut zwei Kilometer Strand.

James liebte dieses Haus und das Grundstück, den Besitzer allerdings weniger.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss kurz die Augen. Wie wäre sein Leben verlaufen, hätte er nicht vor gut dreißig Jahren Pen geheiratet? Was, wenn er den Mut gehabt hätte, sich gegen seinen Vater zu stellen und seinen eigenen Weg zu gehen? Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und verdrängte die unseligen Was-wäre-wenn-Gedanken. Er hatte erlebt, wie brutal sein Vater mit Konkurrenten und auch mit Mitgliedern der eigenen Familie umging – sich gegen ihn zu stellen war nie infrage gekommen.

Davon abgesehen liebte James das Geld und das Ansehen, das damit verbunden war, ein Ryder-White zu sein. Also hielt er sich an die Regeln und schwamm dafür im Geld. Er konnte es sich leisten, Häuser und teure Autos zu kaufen und Trustfonds für seine Kinder einzurichten.

Inzwischen waren seine Töchter alt genug, um das Geld, das er für sie angelegt hatte, selbst zu verwalten. Soweit er wusste, war das Vermögen von Kinga und Tinsley noch vorhanden.

In diesem Moment unterbrach Kinga seine Gedankengänge, indem sie sich zu ihm auf die Sessellehne setzte. James legte eine Hand auf ihren Rücken. Er mochte die Ehe mit Pen noch so sehr bedauern, aber er rief sich immer wieder in Erinnerung, dass er ohne sie nicht diese beiden intelligenten, hübschen Töchter hätte. Seine Ehe gründete eindeutig nicht auf Liebe, aber seine beiden Töchter waren jedes Opfer wert.

„Daddy, es ist ein so schöner Weihnachtsmorgen, aber du siehst etwas melancholisch aus.“

„Alles ist in Ordnung, Mäuschen.“

Und das war es wohl auch. Seine Ehe funktionierte, seine Kinder waren gesund und erfolgreich. Er wünschte, er hätte auch sagen können, sie wären glücklich, aber Kinga litt immer noch unter einem Trauma infolge eines Ereignisses vor zehn Jahren, und Tinsley hatte Mühe, über ihre Scheidung hinwegzukommen.

Glücklich sein – eine so vage Idee und so schwer zu fassen wie der Morgennebel.

James spürte, wie Kinga sich aufrichtete. Er hob den Kopf und seufzte, als er seinen Vater mit den scharfen blauen Augen und dem kantigen Gesicht am Kamin stehen sah. Ungeduldig wartete er darauf, dass die Familie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. Callum war fast achtzig, aber er war immer noch fit und gesund, physisch wie psychisch.

Callum suchte Blickkontakt zu seinem Sohn und machte eine leichte Kopfbewegung. James räusperte sich, und Tinsley und Penelope unterbrachen sofort ihr Gespräch. Ihre Mienen waren wie versteinert. James wusste, wieso. Callum hatte die Angewohnheit, die Familie bei jedem Treffen mit neuen Ideen – oder Anweisungen – zu beglücken.

Es spielte keine Rolle für Callum, dass Weihnachten war. Der Ruf der Ryder-Whites und das Geschäft hatten für ihn stets Top-Priorität. Es überraschte James, wie lange Callum diesmal gewartet hatte, um das Gespräch auf Ryder International zu lenken.

„Es wird euch aufgefallen sein, dass ich euch in diesem Jahr nichts zu Weihnachten geschenkt habe.“ Callum legte seine Hände in den Rücken und hob den Blick. Oh Gott, jetzt kam sie wieder: die alte Leier. Wie oft hatte er sie schon gehört? Hundertmal? Zweihundert? Noch öfter?

Wahrscheinlich.

„Wie ihr alle wisst, war der erste Ryder William Ryder, der mit der dritten Siedlungswelle hier in Maine angekommen ist. Er war einer der ersten Landbesitzer und heiratete die vermögende Lottie White. Wir stammen direkt von ihnen ab. Ich habe mich mit der Genealogie befasst und möchte, dass wir die Wurzeln unserer Familie besser verstehen.“

Nicht schon wieder! Der Stammbaum der Familie reichte dreihundert Jahre zurück, und Callum wies mit Stolz auf die ungebrochene Linie hin. Was gab es da noch viel Neues zu entdecken?

„Offenbar ist es jetzt möglich, zu bestimmen, wo unsere Vorfahren geographisch angesiedelt waren, und das möchte ich gern wissen“, fuhr der Patriarch fort. „Keiner von euch hat sich bisher sonderlich für unsere Abstammung interessiert, was mich sehr enttäuscht. Um dieses Interesse vielleicht doch noch anzuregen, habe ich mir als Geschenk etwas Besonderes ausgedacht: Jeder bekommt einen DNA-Test, damit er sich mehr mit seiner Herkunft beschäftigt.“

James sah zu, wie sein Vater Teströhrchen aus einem braunen Umschlag zog und sie verteilte.

„Einfach den Stab durch den Mund führen und ihn dann zurück in das Röhrchen legen. Schreibt euren Namen auf das Etikett.“ Wenn es ums Befehlen ging, war Callum in seinem Element.

„Ich habe uns bei WhoAreYou.com registriert“, fuhr er fort. „In der nächsten Woche schicke ich unsere Tests ein, und dann haben wir bald ein vollständiges Bild unserer Herkunft. WhoAreYou ist das größte und bekannteste Unternehmen, das einen solchen Service anbietet. Ich habe entfernte Cousins, die dort bereits registriert sind. Sie sollten also in unserer Trefferliste auftauchen. Ich habe darum gebeten, benachrichtigt zu werden, falls es genetische Übereinstimmungen mit mir oder jemandem von euch gibt. Eine sehr gute Methode, um ein paar Leerstellen in unserem Stammbaum zu füllen.“

James’ Unbehagen wuchs. Seine Gedanken rasten, während er das Teströhrchen betrachtete. Wie kam er nur aus dieser Sache heraus?

„Das ist doch nun wirklich nicht schwer.“ Callum sah empört von James zu Penelope, die das Röhrchen ebenfalls noch zögernd in der Hand hielt. „Wo ist das Problem?“

James bemerkte den Verdruss in der Miene seiner Frau. Sie war eindeutig nicht begeistert von der Idee.

Minuten später steckte Callum die Röhrchen wieder in den Umschlag. „Jetzt wollen wir über das Geschäft reden.“

Blut und Business, das war alles, was Callum interessierte. „Bist du weitergekommen mit der Recherche zu den Besitzern des Aktienpakets, James?“

James presste die Lippen zusammen. Während der vergangenen dreißig Jahre war Callum zunehmend von dem Wunsch besessen, die fünfundzwanzig Prozent Aktienanteile an Ryder International zurückzukaufen, die ihm nicht gehörten. Dazu musste er allerdings zuerst einmal herausfinden, wem sie gehörten.

„Ich arbeite daran.“

„Dann sieh zu, dass es endlich Ergebnisse gibt!“, fuhr sein Vater ihn an. „Nun zur Hundertjahrfeier von Ryder International. Die Wohltätigkeitsgala ist der Startschuss für die Feiern, die das ganze Jahr über andauern werden.“ Als ob das nicht schon alle x-mal gehört hätten. Die Gala war ein exklusives Ereignis für maximal zweitausend Gäste, von denen jeder hunderttausend Dollar pro Karte auf den Tisch legen mussten. Die Liste schloss neben dem Geldadel auch echte Royals und Politiker mit ein. „Ich dachte, ihr Mädchen hättet inzwischen einen Künstler engagiert.“

Kinga und Tinsley leiteten zusammen die PR-Abteilung des Unternehmens und machten ihren Job wirklich gut, auch wenn Callum ihre Arbeit selten anerkannte.

„Die Künstlerin, die ich unter Vertrag genommen hatte, hat aus gesundheitlichen Gründen alle Termine für die kommenden sechs Monate abgesagt“, erklärte Kinga. „Ich bin noch auf der Suche nach einem Ersatz.“

„Ich will jemanden, der aus dem Rahmen fällt. Jemanden, der Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eine echte Sensation.“

James spürte, wie Kinga sich versteifte. „Und? Hast du irgendwelche Vorstellungen, wer deinen Ansprüchen genügen könnte?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Griff O’Hare.“

Kinga und Tinsley tauschten entsetzte Blicke, und James konnte es ihnen nicht verdenken. Sogar er hatte von diesem skandalumwitterten Sänger und Schauspieler gehört, der die Stimme eines Engels hatte und die Impulskontrolle eines Kleinkindes.

Kinga schloss die Augen. „Na, dann fröhliche Weihnachten!“

1. KAPITEL

Kinga Ryder-White warf einen ungeduldigen Blick auf ihre elegante Piaget-Uhr. Sie saß in der Flagship-Bar von Ryder International im legendären Forrester-Grantham Hotel in Manhattan.

Griff O’Hare kam zu spät. Nicht dass es sie überrascht hätte.

Sie verstand wirklich nicht, wie ihr Großvater darauf kam, jemanden mit einem derart schlechten Ruf engagieren zu wollen. Immerhin sollte die Gala das größte gesellschaftliche Ereignis des Jahrzehnts werden. Es kam nie etwas Gutes dabei heraus, wenn Callum sich in die PR-Belange des Unternehmens einmischte.

Am Vortag hatte er sie in sein Büro zitiert und ihr mit einer Geste gedeutet, einen Blick auf den riesigen Flachbildschirm zu werfen. Er sah sich gerade ein YouTube-Video an, das Griff O’Hare mit zerrissenen Jeans und einem roten T-Shirt an einem Flügel in einem Studio zeigte.

Sie konnte nicht leugnen, dass er Talent hatte. Sehr viel Talent sogar.

„Ich will ihn nicht, Callum.“

Ihr Großvater ignorierte sie und klickte den Play-Button. O’Hares volle Stimme erklang, dunkel und von magischem Zauber. Sie erkannte das Lied und war beeindruckt, dass der Bad Boy des Rock ’n’ Roll sich lange genug unter Kontrolle halten konnte, um eine passable Version von Nessun Dorma abzuliefern.

Als das Video zu Ende war, zuckte Kinga mit den Schultern. „Ich habe nie behauptet, er könnte nicht singen. Ich habe nur etwas dagegen, ihn für unsere Gala zu buchen.“

„Das mache ich schon selbst.“ Callum warf die Fernbedienung auf den Tisch.

Natürlich! In Callums Welt konnte eine Frau keine Entscheidung treffen, ohne dass ein Mann sie absegnete. Kinga musste einen Schreikrampf unterdrücken. Sie und Callum hatten eine Beziehung, die auf beiderseitigem Hass beruhte: Er hasste ihre schlagfertige, selbstbewusste Art, und sie hasste es, wie er ihren Vater behandelte und wie er ihre und Tinsleys Meinungen beiseitewischte.

Sie liebte ihren Job, und sie liebte die Menschen, mit denen sie zusammen arbeitete – aber ihren Boss konnte sie nicht ausstehen.

Callum nickte Richtung Bildschirm. „Das Video ist in einem Monat fünfundsechzig Millionen mal angeklickt worden. Die Musikwelt spekuliert darüber, wann er wieder auftritt.“

Sie überflog die Kommentare. Jetzt begann das Ganze für sie Sinn zu ergeben. Griff O’Hare war unberechenbar, aber er war ein ausgesprochen talentierter Rockstar, der seit einiger Zeit abgetaucht war. Die Welt forderte seine Rückkehr.

Callum Ryder-White wollte derjenige sein, der O’Hare zurück ins Rampenlicht holte. Bei seiner Jahrhundert-Gala. Callum wollte immer alles, was neu, glänzend, exklusiv und teuer war.

Schließlich war er der Patriarch der Ryder-White-Familie, und er betrachtete sich als Ostküsten-Adel. Als König stand ihm nun einmal zu, dass seine Wünsche erfüllt wurden!

Wi-der-lich!

Nein, den unberechenbaren O’Hare zu engagieren war viel zu riskant. Kinga schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Lust, ihm auf meiner Gala ein Forum für sein Comeback zu geben.“

„Auf meiner Gala“, verbesserte Callum sie. „Mein Unternehmen, meine Gala, meine Entscheidung. Triff dich mit ihm und sieh zu, dass er unterschreibt, sonst kannst du dir einen neuen Job suchen. Und nun geh.“

Kinga wusste, dass es nichts brachte, mit ihrem Großvater zu diskutieren. Dabei fragte sie sich jedoch, ob es ihm ernst war oder ob er sie nur scheitern sehen wollte. Callum war bekannt dafür, dass er gern manipulierte. Was auch immer er vorhatte – Kinga hatte nicht die Absicht, sich ihre Gala von einem Künstler ruinieren zu lassen, der schon beim ersten Termin durch Abwesenheit glänzte.

Seit dem Treffen mit Callum hatte sie ihre Hausaufgaben gemacht. Sie hatte sich alle verfügbaren Informationen über Griff O’Hare besorgt. Sie ließen nur einen Schluss zu: Der Mann war eine Zumutung, auch wenn er einmal zum Sexiest Man Alive gekürt worden war.

Er war ein Bad Boy, wie er im Buche stand.

Kinga hatte weder Zeit noch Lust, sich damit abzugeben. Sie beschloss, noch eine halbe Stunde zu warten und dann zu gehen.

Sie mochte New York City, aber sie liebte die Stadt nicht. Portland war wesentlich sauberer und schöner. Das war ihr Zuhause. Sie wollte zurück.

Kinga wollte gerade aufbrechen, als sie spürte, dass sich die Atmosphäre in der Bar änderte. Unterdrücktes Stimmengewirr kam auf. Offenbar inszenierte der große Künstler seinen Auftritt. Sie beobachtete, wie Griff O’Hare die aufgeregte Bedienung mit seinem berühmten Grinsen beglückte. Die meisten Männer in der Bar trugen Designeranzüge und Tausend-Dollar-Schuhe, hatten Haar und Bart sorgfältig getrimmt und exakt gebundene Krawatten. O’Hare interessierte sich nicht für den Dresscode und erschien in zerrissenen Jeans, Biker-Boots und einer Bomberjacke. Unter dem Arm trug er einen mattschwarzen Helm. Das braune Haar war lang und zerzaust und das markante Kinn mit dunklen Stoppeln bedeckt.

Sein ganzer Aufzug signalisierte: Ich pfeife auf eure Meinung!

Wenn Kinga ehrlich war, musste sie zugeben, dass er bei ihr ein erstaunliches Prickeln auslöste. Aber das war reine Biologie.

Kinga war freiwillig Single. Ein attraktives Gesicht und ein durchtrainierter Körper waren ihr nicht genug. Sie erwartete von einem Partner Treue, eine solide Arbeitsmoral und Intelligenz.

Aber das alles spielte letztlich keine Rolle, da sie nicht mehr an die Liebe glaubte. Hatte sie es je getan? Sogar wenn – sie würde es niemals riskieren, noch einmal einen Menschen zu verlieren, den sie liebte.

Sie wusste, wie sich das anfühlte, und es war keine Erfahrung, die sie unbedingt wiederholen wollte.

O’Hare reichte der ihn anhimmelnden Bedienung Helm und Jacke. Kinga bemerkte, wie sich das blaue T-Shirt über seiner breiten Brust und seinem Bizeps spannte.

Ihre Gala war edel und elegant. Sie brauchte einen Künstler, der genau das ausstrahlte. O’Hare passte nicht. Sie musste dieses Gespräch irgendwie hinter sich bringen und Callum dann von ihrer Einschätzung überzeugen. Sie würde jemand anderen finden.

O’Hare sah sich um und bemerkte sie in ihrer Nische. Ihre Blicke trafen sich. Kinga wurde heiß. Sie unterdrückte ein Stöhnen.

Verdammt, sie fühlte sich zu ihm hingezogen.

Natürlich nur rein körperlich.

Kinga beobachtete, wie er sich in der Bar umsah, offenbar in der Erwartung, dass sich jemand erhob und zu ihm kam. Es konnte nicht schaden, ihn ein wenig zappeln zu lassen. Sie lehnte sich zurück, um zu sehen, was er jetzt machte. Noch einmal ließ er den Blick durch die Bar gleiten. Kinga spürte, dass er gereizt reagierte, weil jemand seine Zeit vergeudete.

Dann wusste er ja, wie es in ihr aussah!

Als ihre Blicke sich erneut trafen, hatte sie dieselbe Reaktion wie zuvor. Verdammt, das ist weder hilfreich noch passend!

O’Hare zuckte die Schultern und kam zu ihr herüber, ohne den Blick von ihr abzuwenden. An ihrem Tisch blieb er stehen, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans. Kinga roch seinen frischen, männlichen Duft und musste einmal tief durchatmen.

Reiß dich zusammen, Ryder-White! Er ist einfach nur ein Mann, und dies ist ein ganz normales Meeting.

Das war so, als wolle sie behaupten, Hurrikan Sandy sei ein lauer Frühlingswind gewesen.

„Ähm …“

Kinga zog eine Braue in die Höhe. „Wie bitte?“

„Ihre Augen haben die Farbe von gutem, altem Whiskey.“

„Schon von Geburt an“, bemerkte sie trocken.

Er bedachte sie mit einem sexy Lächeln, das ihren Magen prompt zu einer Rolle vorwärts animierte. „Ich suche einen Geschäftspartner. Darf ich Sie auf einen Drink einladen, falls ich ihn nicht finde?“

Sie lehnte sich zurück und musterte ihn einen Moment schweigend. Dann deutete sie auf den Platz ihr gegenüber und kniff die Augen zusammen. „Nein, O’Hare, Sie können mich nicht auf einen Drink einladen. Aber setzen Sie sich doch. Ich bin Kinga Ryder-White, und Sie kommen zu spät zu unserem Termin.“

Mist! Kinga Ryder-White sah aus, als hätte sie in eine besonders saure Zitrone gebissen. Nicht die Reaktion, die er normalerweise auslöste. Griff musste ein Grinsen unterdrücken. Da ihm die Frauen sonst immer nachliefen, fand er ihre kühle Haltung sehr erfrischend.

Griff nahm Platz und ließ den Blick dabei über ihr Gesicht und den eleganten Hals gleiten. Wenn er sich etwas seitwärts beugte, konnte er auch den Rest ihrer schlanken Gestalt sehen. Sie war groß für eine Frau, aber er schätzte, dass er immer noch vier oder fünf Zentimeter größer war als sie.

Sie trug das, was er als langweiligen Bürodress bezeichnete. Ein Button-Down-Hemd, eine schwarze Hose und Stiefel mit Absätzen. Ihr Make-up, falls sie überhaupt eines trug, war minimal und ließ ihre Haut makellos erscheinen. Griff hatte genügend Erfahrung mit Frauen, um zu wissen, dass es Stunden dauerte, diesen natürlichen Look zu erzielen.

Dann sah er in diese ungewöhnlichen Augen und begriff, dass er es hier nicht mit einer naiven jungen Frau zu tun hatte oder mit einem intellektuellen Leichtgewicht. Sie war nicht nur sexy, sondern auch smart, selbstbewusst und sehr, sehr wachsam.

„Ich dachte, ich treffe mich hier mit Callum Ryder-White.“

„Mein Großvater hat mich gebeten, den Termin zu übernehmen. Ich kümmere mich um die PR, und ich treffe die Entscheidungen, was die Gala betrifft.“

Gott, sogar ihre Stimme war sexy. Leicht angeraut.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Darling.“

Das Darling ärgerte sie. Er sah zu, wie sie sich mit den Fingern durch das kurze blonde Haar strich. Es zeugte von Selbstbewusstsein, das Haar so kurz zu tragen, aber es passte zu ihren hohen Wangenknochen, ihrer geraden Nase und ihren Katzenaugen.

„Sie können mich Kinga nennen oder Ms. Ryder-White, aber bitte verzichten Sie auf das Darling, Darling.“

Griff grinste. Er hatte Spaß daran, sie zu ärgern.

„Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich Darling nennen, aber falls wir förmlich sein wollen, können Sie Griff zu mir sagen.“

Was war los? Wieso reagierte er so?

Er hatte Prinzessinnen kennengelernt und Supermodels, A- und B-Promis – und mit vielen war er im Bett gewesen –, aber keine von ihnen hatte ihn je so um den Verstand gebracht wie diese Frau. Wieso?

„Kaffee? Oder einen Softdrink?“ Kinga klang kühl und geschäftsmäßig.

Griff warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast fünf. Er brauchte unbedingt einen Drink. Sein Blick fiel auf die Whiskey-Sorten hinter der Bar. „Ich nehme einen Whiskey Single Malt. Vorzugsweise etwas Altes.“

„Dies ist ein geschäftlicher Termin. Kaffee, Wasser oder einen Softdrink?“ Kinga hatte erkennbar Mühe, höflich zu bleiben. Er liebte es, wie sie auf ihn herabsah und wie ihre Augen blitzten. Zum ersten Mal verstand Griff den Reiz der Jagd.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, hob er eine Hand. Wie erwartet, trat sofort ein Ober an ihren Tisch. Griff bestellte einen Macallan Royal Marriage, pur, und fragte Kinga, ob sie sich ihm anschließen wollte.

Zu seiner Überraschung nickte sie. Zwischen ihnen lief ein stummer Machtkampf, und er war fest entschlossen, ihn zu gewinnen.

So wie sie.

Trotz ihres Blickkontakts blieb Kingas Ausdruck neutral. Es faszinierte Griff, wie es ihr gelang, die Anziehung, die sie beide spürten, zu ignorieren. Er hatte ihre erste Reaktion auf ihn sehr wohl registriert, aber sie tat jetzt so, als sei nichts gewesen.

Interessant.

Gott, wie lange war es her, seit er sich Mühe geben musste, um eine Frau zu beeindrucken? Fünfzehn Jahre? Zwanzig?

Kinga Ryder-White war die faszinierendste Frau, die ihm je begegnet war, auch wenn sie sich so spröde gab. Vielleicht gerade deshalb.

Sie schwiegen sich an, bis der Ober ihre Drinks brachte. Kinga hob das Glas, nippte daran und stellte es wieder auf den Tisch.

„Können wir jetzt über das Geschäftliche sprechen?“ Sie tippte mit dem Finger leicht auf ihr Tablet. „Haben Sie Ihren Manager mitgebracht? Ihren Agenten?“

„Nein.“ Griff hatte Probleme damit, jemandem zu vertrauen. Nachdem Finn ihn so hintergangen hatte, ließ er sich Zeit damit, einen neuen Agenten zu suchen. Den Gig bei Ryder-White konnte er selbst aushandeln, zumal er noch nicht entschieden hatte, ob es ein Comeback von Dauer sein sollte oder nicht.

„Wieso haben Sie nach dem Tod von Finn Barclay noch keinen neuen Manager genommen?“ Kinga nippte an ihrem Whiskey. Sie schien das teure Getränk zu genießen.

Griff sah ihr die Neugier an und seufzte frustriert. Er hasste das Thema. Bis heute wusste niemand, dass Finn bei einem Autounfall umgekommen war, zu dem es nur gekommen war, weil er zur Ranch gerast war, um Griff zur Rede zu stellen – weil der entschieden hatte, die langjährige Zusammenarbeit zu beenden. Finns Verrat hatte ihn gelehrt, dass es nur einen Menschen gab, dem er wirklich vertrauen konnte: sich selbst.

Das Ende dieser Zusammenarbeit ging ihm noch heute so nah, dass er bezweifelte, je wieder jemandem vertrauen zu können.

„Und?“ Sein Schweigen schien Kinga ungeduldig gemacht zu haben.

Irgendwie verspürte er plötzlich den Wunsch, ihr von Finn und Sian zu erzählen und davon, was ihn an diesen Punkt gebracht hatte. Der Impuls ärgerte ihn. Er vertraute sich nie jemandem an, und der Himmel mochte wissen, wieso er sein Innerstes plötzlich offenlegen wollte – vor dieser arroganten, direkten und zugegeben sehr attraktiven Frau.

„Das geht Sie nichts an.“ Griff hörte selbst den Frust in seinem Ton. Aber sie würde damit klarkommen, da war er sich sicher.

„Agenten sind so eine Art Wall zwischen dem Künstler und dem Auftraggeber.“ Kingas Lächeln war freundlich und doch hinterhältig. „Es ist wesentlich einfacher, mit dem Agenten offen zu sprechen als mit dem Künstler.“

„Ich bin ein großer Junge, ich kann damit umgehen.“ Er grinste. Ihre Art der Offenheit gefiel ihm.

Autor

Joss Wood

Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...

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