Julia Gold Band 60

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LIEBESNACHT AUF KEFALONIA von CRAVEN, SARA
Nichts und niemand liebt Michael Theodakis mehr als seine Frau Kate! Doch durch einen Fehler von ihm steht seine Ehe nun vor dem Aus. Der Multimillionär sieht nur eine Chance, sie zu retten: Er lockt Kate nach Kefalonia, wo sie damals im siebten Himmel schwebten …

AUF DER SUCHE NACH DEM GLÜCK von DARCY, EMMA
Auch wenn es zwischen ihm und der umwerfenden Tessa von Anfang an heiß prickelt: Eine Heirat brächte ihm bei seiner tragischen Familiengeschichte kein Glück! Davon ist Millionär Nick Ramirez überzeugt. Da stellt eine Testamentsklausel seine Prinzipien auf den Kopf!

DU HAST MICH WACHGEKÜSST von MALLERY, SUSAN
Seit Jahren führt Cathy wunderbare Gespräche mit dem reichen Stone, ihrem Traumprinzen, am Telefon. Und genau so lange hat Cathy sich vorgenommen, ihm die Wahrheit zu gestehen! Wie wird Stone darauf reagieren, dass alles erfunden ist, was sie ihm über sich erzählt hat?


  • Erscheinungstag 09.01.2015
  • Bandnummer 0060
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704957
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sara Craven, Emma Darcy, Susan Mallery

JULIA GOLD BAND 60

Wenn ein Millionär sein Herz verliert …

SARA CRAVEN

Liebesnacht auf Kefalonia

Wie im Märchen lebte Kate mit Michael auf dem malerischen Kefalonia. Bis sie ihn eines Tages mit einer anderen erwischt – und ihn verließ. Plötzlich bittet Michael sie, ihn auf die Hochzeit seiner Schwester zu begleiteten. Kate ist empört! Erst nachdem er ihr eine schnelle Scheidung verspricht, sagt sie Ja. Aber ist es das, was ihr Herz wirklich möchte?

EMMA DARCY

Auf der Suche nach dem Glück

Tessas Gefühle fahren Achterbahn! Obwohl sie zutiefst enttäuscht ist, stimmt sie Nick Ramirez zu, dass ihrer gemeinsamen sinnlichen Nacht keine weitere folgen wird. Doch dann unterbreitet der atemberaubende Tycoon Tessa ein Angebot, das wie die Erfüllung ihres heimlichen Traums klingt: Sie soll ihn heiraten. Von Liebe allerdings spricht er mit keinem Wort!

SUSAN MALLERY

Du hast mich wachgeküsst

Die Telefonate mit der süßen Cathy sind für den Millionär Stone Ward die einzigen Lichtblicke in seiner tristen Welt. Wie verzaubert ist er von der Frau mit der sanften Stimme, dabei hat er sie noch nie getroffen. Als Cathy nach einem Unfall im Krankenhaus liegt, zögert Stone keine Sekunde, sofort eilt er an ihre Seite – und erlebt eine Überraschung …

1. KAPITEL

Der Raum lag in tiefer Dunkelheit. In schmalen Streifen fiel das Mondlicht durch die Schlitze der hohen Fensterläden auf den gefliesten Boden. Das leise Summen des Deckenventilators über dem breiten Bett ging beinahe in dem steten Zirpen der Zikaden unter, das aus dem Garten heraufdrang.

Einst hatte sie diese Laute als fremdartig empfunden, doch nun waren sie untrennbar mit den Nächten in diesem Haus verbunden.

Genauso wie die große männliche Gestalt, die sich dem Bett näherte, und das samtig-raue Flüstern: „Katharina mou.“

Sehnsüchtig wandte sie sich ihm zu, die Arme erwartungsvoll nach ihm ausgestreckt. Nur ein dünnes Laken bedeckte ihren Körper, der vor Verlangen glühte …

Erschrocken fuhr Kate hoch. Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Sie atmete tief durch, um die Panik zu vertreiben, und schaute sich um. Es war ihr Schlafzimmer, ihre Wohnung. Vor den Fenstern hingen Gardinen, keine hölzernen Läden, und draußen rauschte der Londoner Verkehr.

Ein Traum, dachte sie erleichtert. Nur ein böser Traum. Ein weiterer Albtraum.

Anfangs hatten sie die Albträume fast jede Nacht heimgesucht, als ihre verwundete Seele versucht hatte, das Erlebte zu verarbeiten.

Leider war ihr dies nie wirklich gelungen. Der Schmerz über den Betrug hatte zu tief gesessen. Die Ereignisse des letzten Jahres ließen sie einfach nicht los und schlichen sich immer wieder in ihr Bewusstsein.

Eine Zeit lang waren die Albträume verschwunden gewesen, dies war der erste seit fast zwei Wochen.

Kate hatte geglaubt, die Wunde würde allmählich verheilen. Und nun das …

Vielleicht war es ein Omen? Würde der nächste Tag endlich eine Nachricht bringen? Einen Brief oder Anruf, der ihr die ersehnte Freiheit schenkte?

Sie hatte sich weiß Gott bemüht, die Angelegenheit so unkompliziert wie möglich zu regeln, und den Rat ihres Anwalts ignoriert.

„Mrs Theodakis, Sie haben Anspruch auf …“

„Ich will nichts“, hatte sie ihn unterbrochen. „Absolut nichts. Machen Sie dies der Gegenseite unmissverständlich klar. Und bitte benutzen Sie diesen Namen nicht mehr. Ich bevorzuge Miss Dennison.“

Er hatte sich zwar höflich ihrem Wunsch gebeugt, doch seine hochgezogenen Brauen hatten ihr verraten, dass auch eine andere Anrede nichts an den Fakten änderte. Sie hatte den Ehering abgestreift, doch die Vorfälle des letzten Jahres ließen sich nicht so leicht auslöschen.

Rein juristisch betrachtet, war sie weiterhin die Frau von Michael Theodakis und würde es so lange bleiben, bis er der einvernehmlichen Scheidung zustimmte, um die sie gebeten hatte.

Sobald ich von ihm frei bin, werden auch die Albträume aufhören, tröstete sie sich. Dann kann ich ein neues Leben beginnen. Allein diese Hoffnung hatte sie die düsteren Tage und endlosen Nächte ertragen lassen, seit sie vor Mick und dieser lächerlichen Ehe geflohen war.

Fröstelnd zog sie die Knie an und legte die Arme um die Beine. Ihr Nachthemd war schweißnass und klebte ihr am Körper. Sie war müde – ihr Job als Fremdenführerin für ausländische Touristen war anstrengend –, aber ihre Sinne waren hellwach, weil sie von Verlangen und Sehnsüchten gepeinigt wurden, gegen die sie machtlos war.

Wie kann die Erinnerung an ihn so überwältigend sein? fragte sie sich verzweifelt. Warum konnte sie ihn nicht so einfach vergessen, wie er sie vergessen zu haben schien? Warum reagierte er nicht auf die Briefe ihres Anwalts oder beauftragte einen der Juristen, die für den allmächtigen Theodakis tätig waren, mit der Erledigung?

Sie streckte sich wieder aus und zog trotz der warmen Augustnacht die Decke über sich. Indem sie sich eine Art Kokon schuf, wirkte die andere Hälfte des breiten Betts nicht mehr so leer und deprimierend.

Es war fast acht, als Kate am folgenden Abend erschöpft den tristen Hausflur betrat. Sie hatte den Tag damit verbracht, dreißig japanische Touristen durch Stratford-on-Avon zu führen. Obwohl die Gruppe unerschütterlich höflich und interessiert gewesen war, hatte Kate gemerkt, dass ihr selbst die nötige Begeisterung fehlte, und die schlaflose Nacht für ihre mangelnde Konzentration verantwortlich gemacht.

Kate beschloss, an diesem Abend eine der Pillen zu nehmen, die ihr der Arzt nach ihrer Rückkehr aus Griechenland verschrieben hatte.

Sie brauchte diesen Job und konnte es sich nicht leisten, ihn zu verlieren, auch wenn es sich nur um eine Schwangerschaftsvertretung handelte. Bei ihrer Ankunft in England waren zwar die Festanstellungen bei den Reisegesellschaften für die Wintersaison bereits vergeben gewesen, aber ihr früherer Arbeitgeber, Halcyon Clubreisen, wollte sie unbedingt für den nächsten Sommer engagieren. Sie beabsichtigte, den Vertrag zu unterschreiben, allerdings nur unter der Bedingung, dass man sie nicht zu den griechischen Inseln schickte.

Auf dem Weg zur Treppe hielt sie kurz inne, um die Post aus dem Briefkasten zu nehmen. Hauptsächlich Werbung, die Gasrechnung und … Beim Anblick der griechischen Marke stockte ihr der Atem. Fassungslos las sie die sauber getippte Adresse auf dem großen Umschlag.

Er hat mich gefunden, dachte sie. Er weiß, wo ich bin. Aber wie? Und warum meldete er sich direkt bei ihr, obwohl sie darauf bestanden hatte, dass sämtliche Korrespondenz über ihre Anwälte laufen sollte?

Andererseits … Wann hatte Mick Theodakis je nach anderen Regeln als seinen eigenen gespielt?

Mit zitternden Knien stieg sie die Stufen hinauf. Als sie die Tür erreicht hatte, fand sie kaum das Schlüsselloch, so aufgeregt war sie. Im Wohnzimmer angekommen, warf sie den Brief auf den Tisch, als wäre er glühend heiß. Dann ging sie zum Anrufbeantworter, der sie anblinkte, und drückte den Wiedergabeknopf. Da Mick ihr geschrieben hatte, war er vielleicht auch mit ihren Anwälten in Kontakt getreten, und auf dem Band befand sich die erhoffte Nachricht.

Stattdessen hörte sie Grants besorgte Stimme. „Kate … Ist bei dir alles in Ordnung? Du hast mich diese Woche nicht angerufen. Bitte melde dich, Liebling.“

Seufzend ging sie ins angrenzende Schlafzimmer, um ihre Dienstuniform, einen blaugrün gestreiften Blazer und ein blaues Kleid, auszuziehen. Es war nett von Grant, sich so um sie zu kümmern, doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass ihn nicht nur reine Freundlichkeit zu den regelmäßigen Anrufen veranlasste. Er übte Druck aus, weil er wollte, dass sie zu ihm zurückkehrte, ihre einstige Beziehung wieder auflebte und sich weiterentwickelte. Er setzte voraus, dass dies auch ihr Wunsch war. Dass sie wie er das letzte Jahr als Irrtum betrachtete, als eine zeitweilige geistige Verwirrung, die nun glücklicherweise vorüber war. Und dass sie ihn heiraten würde, sobald ihre Scheidung rechtskräftig war.

Kate war allerdings klar, dass dies nie passieren würde. Grant und sie waren zwar nicht offiziell verlobt gewesen, als sie nach Zycos im Ionischen Meer gefahren war, um dort als Reiseleiterin zu arbeiten, aber sie hatte geahnt, dass er sie am Ende der Saison um ihre Hand bitten würde. Und sie hätte wahrscheinlich eingewilligt.

Sie konnte selbst nicht sagen, warum sie überhaupt gezögert hatte. Grant war attraktiv, sie hatten viele gemeinsame Interessen, und obwohl seine Küsse sie nicht entflammten, hatte sie sich darauf gefreut, ihre Beziehung endgültig zu besiegeln. Während der Zeit auf Zycos hatte sie ihn vermisst, ihm jede Woche geschrieben und ungeduldig seine Anrufe erwartet.

All das war gewiss eine gute Basis für eine Ehe, oder?

Offenbar glaubte Grant das immer noch. Kate wusste es jedoch besser. Sie war nicht mehr die gleiche Person, und das würde sie ihm leider bald erklären müssen.

Sie hängte das Kostüm auf einen Bügel. Darunter trug sie einen weißen BH sowie einen dazu passenden Slip mit dezenter Stickerei – hübsch und praktisch, aber keineswegs aufregend oder sexy, wie sie nach einem flüchtigen Blick in den Spiegel befand.

Und grundlegend anders als die exklusiven Dessous, die Mick ihr aus Paris und Rom mitgebracht hatte: spinnwebzarte Kreationen, die auf der Haut raschelten, hauchdünne, verführerische Gebilde, einzig dazu entworfen, das Verlangen eines Geliebten zu wecken.

Nur gab es keinen Geliebten, es hatte ihn nie gegeben.

Sie schlüpfte in ihren blassgrünen Hausmantel aus Baumwolle und schloss den Gürtel, dann entfernte sie die Spange, mit der sie tagsüber das lange rotgoldene Haar im Nacken zusammengefasst hatte.

„Wie eine duftende Flamme“, hatte Mick ihr zugeraunt, während er mit den seidigen Locken gespielt hatte.

Kate straffte die Schultern. Sie durfte solche Erinnerungen nicht an sich heranlassen. Eigentlich wollte sie sich vom Spiegel abwenden, doch irgendetwas zwang sie, sich näher zu betrachten.

Wie hatte sie sich nur einbilden können, dass sie der Frauentyp war, der einen Mann wie Mick Theodakis faszinieren und fesseln könnte?

Sie war noch nie eine Schönheit im klassischen Sinn gewesen, dazu war ihre Nase zu lang und ihr Kinn zu ausgeprägt. Andererseits besaß sie hohe Wangenknochen und lange Wimpern, die Augen in einem sonderbaren Farbton zwischen Grün und Grau umrahmten.

„Rauchige Jade“, hatte Mick es genannt …

Außerdem hatte sie mehr Glück als die meisten Rothaarigen. Ihr makelloser Teint neigte weder zu Sonnenbrand noch Sommersprossen, sondern nahm einen goldenen Schimmer an. Die Bräune, die sie in Griechenland erworben hatte, dauerte noch immer an. Der weiße Streifen, den der Trauring an ihrem Finger hinterlassen hatte, war deutlich zu erkennen. Es war der einzige helle Fleck an ihrem Körper, denn Mick hatte sie stets ermutigt, sich gemeinsam mit ihm nackt am privaten Pool zu sonnen.

Sie rief sich im Stillen zur Ordnung. Gütiger Himmel, warum quälte sie sich, indem sie all diese Bilder heraufbeschwor?

Natürlich kannte sie den Grund. Daran war allein der Umschlag schuld, der nebenan auf dem Tisch lag.

Kate ging in die Küche und machte sich einen Becher Kaffee, heiß, schwarz und sehr stark. Dann setzte sie sich an den Tisch und wappnete sich innerlich dagegen, den Brief zu öffnen.

Es war erschreckend, wie mühelos Mick ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatte – als wollte er demonstrieren, wie weit seine Macht reichte.

Er hat keine Macht über mich, sagte sie sich nachdrücklich. Nicht mehr. Nie wieder. Sie öffnete den Umschlag.

Erstaunt blickte sie auf die kunstvoll geprägte weiße Karte. Die Einladung zu einer Hochzeit. Damit hatte Kate nicht gerechnet. Micks jüngere Schwester Ismene würde nun doch ihren Petros heiraten. Aber warum, um alles in der Welt, schickte man ihr, Kate, eine Einladung? Stirnrunzelnd las sie die beigefügte Nachricht.

Liebste Katharina,

Papa hat endlich seine Einwilligung gegeben, und ich bin überglücklich. Wir werden im Oktober getraut. Du hast versprochen, an meinem Hochzeitstag für mich da zu sein. Ich verlasse mich auf Dich, Schwester.

In Liebe, Ismene

Kate zerknüllte das Blatt in der Hand. War Ismene verrückt oder nur naiv? Sie konnte unmöglich erwarten, dass die vom Bruder getrennt lebende Ehefrau an der Familienfeier teilnahm – egal, was Kate in jenen Tagen zugesagt hatte, als sie noch in ihrer Traumwelt lebte.

Warum hatte Mick überhaupt gestattet, dass die Einladung versandt wurde? Es ergab keinen Sinn. Es sei denn, die eigenwillige Ismene hatte gar nicht um seine Erlaubnis gebeten.

Außerdem wunderte es sie, dass Aristoteles Theodakis, der allmächtige Patriarch der Familie, der Verbindung zugestimmt hatte. Als Kate noch unter seinem Dach in der Villa Dionysius gewohnt hatte, war er strikt dagegen gewesen. Ein einfacher Doktor wäre nicht gut genug für seine Tochter, hatte er lauthals verkündet, auch wenn es sich um den Sohn seines besten Freundes handelte. Heftiges Türenschlagen, wütende Szenen und Ismenes verzweifeltes Schluchzen hatten zum Alltag gehört.

Bis Mick rundheraus erklärt hatte, dass er es nicht mehr aushalte. Er hatte darauf bestanden, mit Kate vom Hauptgebäude ins vergleichsweise abgeschiedene Strandhaus überzusiedeln, das außer Hörweite lag. Dort waren sie geblieben …

Versonnen trank sie einen Schluck von dem inzwischen erkalteten Kaffee.

Jene Wochen waren die glücklichsten ihres Lebens gewesen. Strahlende Sonnentage, helle Mondnächte. Die wütenden Stimmen waren Vogelgezwitscher und Meeresrauschen gewichen. Und als Krönung all dessen: Michaels Berührungen, sein verführerisches Flüstern, mit dem er ihr die letzte Scheu genommen und sie gelehrt hatte, das Liebesspiel als gegenseitiges Geben und Nehmen zu akzeptieren – und stolz auf ihren schlanken, langbeinigen Körper mit der schmalen Taille und den kleinen, festen Brüsten zu sein.

Ich war eine eifrige Schülerin, dachte sie bitter. Bereitwillig war sie seinen erfahrenen Zärtlichkeiten erlegen, hatte atemlos vor Lust aufgestöhnt, wenn ihre nackten Körper sich in Leidenschaft vereinten. Sie war so verzaubert von den neuen, sinnlichen Erfahrungen gewesen, dass sie sie fälschlicherweise für Liebe gehalten hatte.

In Wirklichkeit war sie für ihn nur eine Abwechslung gewesen, ein flüchtiges Abenteuer. Ein Täuschungsmanöver, das er gebraucht hatte, um von seinem wahren Verlangen abzulenken.

Der Kaffee schmeckte plötzlich bitter. Angewidert schob sie die Tasse beiseite.

Sie durfte sich nicht wegen Ismene den Kopf zerbrechen. Gewiss, sie waren einander im Lauf der Monate nähergekommen, und das junge Mädchen würde ihre Gesellschaft vermissen, zumal ihr dann nur Victoria blieb. Genau genommen hatte die Nachricht fast wie ein Hilferuf geklungen.

Rasch verdrängte Kate diesen Gedanken. Sie wollte sich nicht mit Victoria beschäftigen, der kreolischen Schönheit, die Aristoteles Theodakis in ihren Fängen hielt, ohne dabei auf seinen Sohn verzichten zu wollen.

Kate beschloss, eine kurze, höfliche Absage zu schicken und es dabei zu belassen. Völlig unpersönlich, obwohl sie Ismene womöglich kränken würde, wenn sie nicht auf deren Zeilen antwortete. Na und, überlegte Kate trotzig, auf mein Scheidungsbegehren hat man schließlich auch nicht reagiert. Dabei ist es schon über einen Monat her, dass mein Anwalt die Papiere zugestellt hat.

Sie stand auf. Kein Wunder, dass sie sich so elend fühlte. Außer einem Sandwich zum Lunch hatte sie nichts gegessen, doch selbst der Geflügelsalat im Kühlschrank vermochte ihren Appetit nicht zu wecken. Nein, sie würde nur warm duschen, sich das Haar waschen und früh ins Bett gehen. Sie musste dringend Schlaf nachholen.

Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie ihren Bademantel über und kehrte ins Wohnzimmer zurück, um sich das Haar zu föhnen. Sie wollte das Gerät gerade einschalten, als es an der Tür klopfte.

Seufzend wickelte sie sich ein Handtuch um die nassen Locken. Vermutlich wollte Mrs Thursgood sie sprechen, eine ältere Witwe, die im Erdgeschoss wohnte und für die berufstätigen Mieter Post und Pakete entgegennahm. Ich will mich nicht unterhalten, dachte Kate gereizt. Nichtsdestotrotz rang sie sich ein Lächeln ab und öffnete.

Fassungslos blickte sie ihr Gegenüber an, das Blut wich ihr aus den Wangen.

„Meine geliebte Ehefrau“, begrüßte Michael Theodakis sie leise. „Kalispera. Darf ich hereinkommen?“

„Nein.“ Die Kehle war ihr plötzlich wie zugeschnürt. Sie hatte Angst, in Ohnmacht zu fallen, und diese Schwäche konnte sie sich nicht leisten. Vorsichtig trat sie einen Schritt zurück. „Nein“, wiederholte sie nachdrücklich.

Mit einem lässigen Lächeln lehnte er sich an den Türrahmen. „Wir können auf der Schwelle kein vernünftiges Gespräch führen, agapi mou.“

„Ich habe dir nichts zu sagen – weder auf der Türschwelle noch sonst irgendwo. Wenn du reden willst, wende dich an meinen Anwalt. Außerdem bin ich nicht dein Liebling.“

„Wie unfreundlich. Immerhin habe ich einen weiten Weg zurückgelegt, um dich wiederzusehen. Ich hatte gehofft, unsere griechische Gastfreundschaft hätte wenigstens etwas auf dich abgefärbt.“

„Dafür erinnere ich mich an andere Details unseres Zusammenlebens umso genauer“, entgegnete sie. „Ich habe dich nicht hergebeten, also geh.“

Mick Theodakis hob spöttisch die Hände. „Langsam, Katharina mou. Ich bin nicht hier, um einen Krieg anzuzetteln, sondern um eine friedliche Einigung zu erzielen. Willst du das nicht auch?“

„Ich will eine schnelle Scheidung – und dich nie wieder sehen.“

„Und weiter?“ Seine dunklen Augen funkelten. „Bestimmt hast du wie in allen guten Geschichten noch einen dritten Wunsch, oder?“

Kate atmete tief durch. „Dies ist kein Märchen.“

„Richtig“, stimmte er ihr zu. „Ehrlich gesagt, bin ich nicht einmal sicher, ob es sich um eine Komödie oder eine Tragödie handelt.“

„Ehrlich?“, wiederholte sie bitter. „Du kennst überhaupt nicht die Bedeutung dieses Wortes.“

Er ignorierte ihre Bemerkung. „Ich gehe erst, wenn du dir angehört hast, was ich dir zu sagen habe, yineka mou.“

„Ich bin nicht deine Frau. Auf diese zweifelhafte Ehre habe ich bei meiner Abreise aus Kefalonia verzichtet. Ich denke, die Nachricht, die ich dir hinterlassen habe, hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass unsere sogenannte Ehe beendet ist.“

„Sie war unmissverständlich“, versicherte er höflich. „Ich kenne sie auswendig. Die Tatsache, dass dein Trauring daneben lag, hat deinen Zeilen besondere Dramatik verliehen.“

„Du siehst also, es gibt nichts zu besprechen. Und nun geh, bitte. Ich habe morgen einen anstrengenden Tag und möchte ins Bett.“

„Aber nicht mit nassem Haar“, erwiderte er. „Das ist ein Detail, an das ich mich aus unserer kurzen Ehe genau erinnere, Katharina.“ Er ging an ihr vorbei, stieß die Tür achtlos mit dem Fuß zu und betrat den Wohnraum.

Da die Schlafzimmertür kein Schloss hatte und das Bad nur mit einem altersschwachen Riegel abzusperren war, konnte Kate nirgendwohin fliehen und einer Konfrontation ausweichen.

„Wie kannst du es wagen!“ Wütend blickte sie ihn an. „Verschwinde, sonst rufe ich die Polizei.“

„Und was sollen die Beamten tun?“, fragte er kühl. „Habe ich dich je geschlagen – oder in irgendeiner Weise bedrängt, die dir nicht gefallen hat, agapi mou?“ Er beobachtete interessiert, wie sich ihre Wangen röteten. „Außerdem mischt sich die Polizei nicht gern in häusliche Meinungsverschiedenheiten ein. Warum setzt du dich nicht und föhnst dein Haar, während du mir zuhörst?“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Es sei denn, du möchtest, dass ich es für dich trockne. So wie früher.“

Kate schüttelte stumm den Kopf. Es war unfair von ihm, sie an all die kleinen, zärtlichen Intimitäten zu erinnern, die sie einst geteilt hatten. Daran, wie sie zwischen seinen Knien gesessen und er die feuchten Strähnen mit den Fingern gelockert hatte, bis die seidige Fülle in der warmen Luft wehte. Daran, wie er ihre Versuche, ihm den gleichen Dienst zu erweisen, vereitelt hatte, indem er den Gürtel ihres Bademantels geöffnet, den weichen Stoff beiseitegeschoben und ihre nackte Haut mit Küssen bedeckt hatte, während sie atemlos vor ihm gestanden hatte.

Nein, sie wollte nicht daran erinnert werden.

Ihr Hausmantel war langärmelig und reichte bis zum Boden. Obwohl sie ihn bis zum Hals zugeknöpft hatte, war ihr überdeutlich bewusst, dass sie darunter nackt war – und Mick wusste dies ebenfalls und genoss ihr Unbehagen.

Seine Anwesenheit ließ das Zimmer plötzlich winzig wirken. Er hatte das lockige schwarze Haar lässig aus der Stirn gebürstet. Seine Züge waren stolz und unnachgiebig, aber sobald er lächelte, schlug ihr Herz unwillkürlich schneller. Der elegante anthrazitfarbene Anzug betonte seine schlanke Gestalt, und das makellos weiße Hemd bot einen auffallenden Kontrast zu seinem dunklen Teint. Eine graue Seidenkrawatte und dezente goldene Manschettenknöpfe vervollständigten sein Äußeres.

Erschrocken bemerkte Kate den schlichten Goldring an seiner rechten Hand, den sie ihm an ihrem Hochzeitstag über den Finger gestreift hatte. Warum trägt er ihn noch immer? fragte sie sich. Wie kann er nur so ein Heuchler sein!

„Willst du mich nicht bitten, Platz zu nehmen, und mir einen Kaffee anbieten?“, erkundigte er sich.

„Du bist nicht mein Gast, und dies ist kein Höflichkeitsbesuch.“ Nur mit Mühe gelang es ihr, Ruhe zu bewahren. „Wie bist du überhaupt ins Haus gekommen?“

„Eine reizende Lady aus dem Erdgeschoss hat mich hereingelassen. Sie schien hocherfreut, dass du einen Besucher hast.“

Mrs Thursgood. Kate presste die Lippen zusammen. Normalerweise bewachte die alte Dame die Eingangstür wie Zerberus das Höllentor.

„Manchmal geht die Fantasie mit ihr durch.“ Sie löste das Handtuch vom nassen Haar und schaltete den Föhn ein.

Mick stand neben dem altmodischen Kamin und beobachtete jede ihrer Bewegungen. „Du hast Ismenes Einladung erhalten.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Ja, heute.“

„Du hattest demnach noch keine Zeit, darauf zu antworten.“

„Der Brief ist schnell geschrieben“, erwiderte Kate. „Ich werde natürlich nicht fahren.“

„Genau darüber wollte ich mit dir sprechen. Es würde meiner Schwester viel bedeuten, dich bei sich zu haben. Ich hoffe also, du überlegst es dir noch einmal.“

Sie schaltete den Haartrockner aus. „Das ist unmöglich.“

„Ismene hat dich sehr vermisst, und dies ist ein ganz besonderer Tag für sie.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich würde deine Anwesenheit als Gefälligkeit betrachten.“

„Und deshalb soll ich meine Meinung ändern?“

„Ich denke schon.“ Er lehnte sich entspannt an den Kaminsims. „Eigentlich finde ich, wir sollten beide entgegenkommender sein.“

„Worauf willst du hinaus?“, erkundigte sie sich misstrauisch.

„Du wünschst eine rasche, einvernehmliche Scheidung.“ Er lächelte sie an. „Du kannst sie haben – zu einem gewissen Preis.“

Sie traute ihren Ohren kaum. „Und wenn mir der Preis zu hoch ist?“

Mick zuckte die Schultern. „Dann verweigere ich die Zustimmung, und wir überlassen die Sache den Gerichten. Soweit ich weiß, kann das mehrere Jahre dauern“, fügte er ruhig hinzu.

„Das ist Erpressung.“

„So? Aber vielleicht bin ich ja der Ansicht, dass unsere Ehe nicht unwiderruflich zerrüttet ist, wie du behauptest.“

„Das ist die reine Wahrheit.“ Kate atmete tief durch. „Du bluffst. Ich weiß das. Du willst genauso wenig verheiratet bleiben wie ich.“

„Du irrst, agapi mou. Ich habe es absolut nicht eilig, wieder frei zu sein.“

Nein, dachte sie kummervoll. Nicht, solange dein Vater noch lebt und Victoria offiziell seine … Laut jedoch sagte sie: „Ich muss also an Ismenes Hochzeit teilnehmen, wenn ich eine schnelle Scheidung will.“

„Ist es denn wirklich so eine Strafe? Kefalonia ist traumhaft im September.“

„Kefalonia ist zu jeder Jahreszeit traumhaft. Lediglich manche Einwohner zerstören die Idylle.“

„Ein guter Rat von mir, pedhi mou: Es ist klüger, sich mit einem Gegner zu versöhnen, statt ihn weiter zu reizen.“

Trotzig hob sie das Kinn. „Dafür ist es wohl ein bisschen spät. Inzwischen weiß sicher jeder, dass unsere Ehe vorbei ist. Wird man es nicht sonderbar finden, wenn ich bei der Hochzeit auftauche?“

„Mich interessiert nicht, was andere Leute denken.“ Seine Stimme klang plötzlich rau. „Außerdem wissen sie nur, dass wir uns für eine Weile getrennt haben. Du kehrst einfach nach Griechenland zurück, um an einer Familienfeier teilzunehmen.“

„Das hast du erzählt?“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Gütiger Himmel, kannst du nicht einmal ehrlich sein, wenn es um das Scheitern unserer Ehe geht?“

„Sie werden es erfahren, wenn die Hochzeit vorbei ist.“

„Hoffentlich erwartest du nicht, dass ich bei einer vorgetäuschten Versöhnung mitmache – ich bin nämlich keine gute Schauspielerin.“ Sie zögerte. „Warum willst du mich überhaupt dort haben?“

„Habe ich das gesagt? Bilde dir nur nichts ein, meine Süße. Ich bin Ismene zuliebe hier, nicht meinetwegen.“

„Ich soll lediglich ein ganz normaler Gast sein, mehr nicht?“

„Warum nicht, Katharina? Glaubst du etwa, ich hätte in all den Wochen allein geschlafen, seit du mich verlassen hast? Dass ich mich vor Sehnsucht nach dir verzehrt habe? Du bist tatsächlich unschuldig“, spottete er.

„Nein, nicht mehr. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken.“

„Du hast vierundzwanzig Stunden. Ich wohne im Royal Empress Hotel. Erinnerst du dich noch daran?“

„Ja“, flüsterte sie betroffen.

„Du kannst mich dort telefonisch erreichen, sobald du dich entschieden hast.“ Mick wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb er kurz stehen und schaute sich um. „Dafür hast du mich also verlassen. Hoffentlich ist es das wert.“

„Ich muss kein Luxusleben führen, um glücklich zu sein.“

„Offensichtlich. Wenn du hier glücklich bist …“ Er betrachtete sie lächelnd. „Augen wie Rauch und Haar wie Feuer. Welche Verschwendung, agapi mou. Welch tragische Verschwendung.“

Und dann war er fort.

2. KAPITEL

Sekundenlang blickte Kate wie versteinert auf die Tür, die sich hinter Mick geschlossen hatte. Dann stürmte sie mit einem unterdrückten Schrei ins Schlafzimmer und warf sich aufs Bett.

„Du Närrin“, schalt sie sich laut, während sie sich verzweifelt an die Laken klammerte.

Hatte sie wirklich geglaubt, sie würde so leicht davonkommen? Dass Michael Theodakis ihr – dem Mädchen, das er aus dem Nichts geholt hatte – einfach erlauben würde, ihn zu verlassen?

Sie selbst war ihm so gleichgültig wie ihre Ehe, das wusste sie inzwischen aus leidvoller Erfahrung, aber die Tatsache, dass durch ihre Flucht die Scheinheiligkeit ihrer Beziehung offenbart worden war, hatte eindeutig seinen Stolz verletzt. Und dies war natürlich eine unverzeihliche Sünde.

Ihr eigener Stolz zählte dabei selbstverständlich nicht.

Er hatte sie nicht einmal gefragt, warum sie abgereist war, doch das brauchte er auch gar nicht. Er kannte inzwischen den Grund. Man hatte es ihm bestimmt erzählt … Trotzdem hatte er sich weder entschuldigt noch versucht, die Sache zu erklären.

Nein, es war einzig und allein ihre Schuld, wenn sie vor seiner rücksichtslosen Untreue nicht die Augen verschlossen hatte. Schließlich hätte sie sich mit den Theodakis-Millionen trösten können, denn Mick war überaus großzügig gewesen. Außer dem Haus vor den Toren Athens sowie den eleganten Apartments in Paris und New York hatten ihr Kleider und Schmuck im Überfluss zur Verfügung gestanden. All das hatte sie bei ihrer Flucht zurückgelassen.

Mick war zweifellos der Ansicht, dass er mit dem Luxus ihr Schweigen, ihre Diskretion erkauft und sie ihren unausgesprochenen Pakt gebrochen hätte. Einen Pakt, von dessen Existenz sie nichts geahnt hatte – bis zu jenem schrecklichen Nachmittag …

Schaudernd schloss sie die Augen, doch nichts konnte die Szene aus ihrem Gedächtnis vertreiben. Mick lag ausgestreckt auf dem Bett – ihrem gemeinsamen Bett – und schlief. Er war nackt. Victoria saß, nur mit einem Handtuch bekleidet, vor dem Frisiertisch und kämmte sich das Haar.

Und nun verlangte er, dass sie, Kate, während Ismenes Hochzeitsfeier brav an seiner Seite stand und die ergebene Ehefrau spielte. Als ob sie ihm irgendetwas schuldete!

Wenigstens muss ich nur tagsüber den Schein wahren, tröstete sie sich. Nachts würde ihr die Heuchelei erspart bleiben.

Und ihm auch.

Wie kann ein Mann nur so etwas tun? fragte sie sich. Wie konnte er mit einer Frau schlafen, obwohl sein Herz und seine Seele einer anderen gehörten?

All jene kostbaren, leidenschaftlichen Momente, in denen er sie mit seinem kraftvollen Körper ins Paradies entführt hatte – waren sie tatsächlich bedeutungslos für ihn gewesen?

Vielleicht hatte sexuelle Erfüllung genauso zu seinem Teil des Handels gehört wie die Designergarderobe und das Geld, mit dem er sie überschüttet hatte. Einer der Vorteile, Mrs Michael Theodakis zu sein.

Aber das hatte Kate nicht genügt, denn sie hatte Liebe gewollt. Und die hatte er ihr nie geboten. Zumindest in diesem Punkt war er ehrlich gewesen.

Offenbar hat er meine Unerfahrenheit und Naivität amüsant gefunden, überlegte sie und schürte so den Zorn gegen ihn. Zorn war gut. Sicher. Er hielt den Schmerz über die Einsamkeit und den Verrat in Grenzen. Ihr fehlte die Kraft für noch mehr Tränen und Kummer.

Sie hatte genug geweint. Jetzt musste sie irgendwie weitermachen.

Allerdings konnte sie kein neues Leben beginnen, solange ihre kurze Ehe noch existierte und sie an die Vergangenheit fesselte. Sie musste sie beenden und vergessen. Dafür benötigte sie natürlich Micks Hilfe. Wie gern hätte sie ihm gesagt, er möge sich zur Hölle scheren! Dass sie lieber sterben würde, als nach Kefalonia zurückzukehren und noch einmal – und sei es noch so kurz – seine Frau zu spielen.

Denn das hieß, sie musste erneut als Schutzschild gegen den eifersüchtigen und völlig gerechtfertigten Verdacht seines Vaters dienen. Wie sollte sie das nur ertragen?

Ganz zu schweigen von dem verächtlichen und zugleich triumphierenden Ausdruck auf Victorias schönem Gesicht. Der Blick, den sie Kate zugeworfen hatte, als diese an jenem Nachmittag vor wenigen Wochen leichenblass an der Tür gestanden hatte.

„Wie taktlos von dir, Liebes“, hatte Victoria sie boshaft getadelt. „Du solltest künftig besser anklopfen, bevor du das Schlafzimmer deines Mannes betrittst.“

Kate war schockiert zurückgewichen und ins Bad am Ende des Flurs gelaufen, die Hand auf den Mund gepresst, weil die Übelkeit sie zu überwältigen drohte. Zitternd kauerte sie sich auf den gefliesten Boden, während der Raum sich um sie zu drehen schien. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dort geblieben war, aber irgendwann traf sie eine Entscheidung. Sie musste fort. Ihre kurze Ehe war vorbei, sie konnte keine Stunde länger unter dem Dach der Theodakis-Familie verbringen.

Kate zwang sich, ins Schlafzimmer zurückzukehren, und wappnete sich innerlich gegen eine weitere demütigende Konfrontation, aber Victoria war verschwunden.

Mick schlief noch immer tief und fest. Vermutlich völlig erschöpft vom Sex, dachte sie bitter. Wie konnte er nur schlafen, während ihr das Herz brach?

Ihr war klar, dass sie ihn zur Rede stellen und seine schuldbewusste Miene sehen musste. Sie legte die Hand auf seine Schulter und schüttelte ihn. „Mick. Wach auf.“

Er regte sich leicht, ohne die Augen zu öffnen. „S’agapo“, murmelte er benommen. „Ich liebe dich.“

Schockiert wich sie einen Schritt zurück und presste die Hand auf den Mund. Endlich hatte er die Worte ausgesprochen, nach denen sie sich gesehnt hatte, seit sie zusammen waren.

Nur galten sie nicht ihr, sondern seiner geheimen Geliebten, der Frau, mit der er sich in Kates Abwesenheit so leidenschaftlich vergnügt hatte. Der Geliebten, die er nie wirklich aufgegeben hatte. Diese Kränkung war zu viel für sie. Erschüttert wandte sie sich ab.

Sie packte das Notwendigste in eine Reisetasche, dann schrieb sie eine kurze Nachricht und deponierte sie zusammen mit dem Trauring auf dem Nachttisch.

Ich hätte Dich nie heiraten dürfen. Es war ein schrecklicher Fehler, und nun ertrage ich es nicht, auch nur eine Minute länger mit Dir zu leben. Versuch nicht, mich zu finden.

Niemand beobachtete ihren Aufbruch. Sie fuhr zum Flughafen und buchte ein Ticket via Athen nach London.

Nie wieder würde sie zurückkehren, das hatte sie sich geschworen.

Ich kann es nicht, dachte Kate. Es wäre zu erniedrigend, ihr noch einmal gegenübertreten zu müssen. Sie zusammen zu sehen und zu wissen, was ich weiß.

Aber welche Alternative hatte sie?

Sie konnte nicht jahrelang warten, bis Mick geruhte, sie freizugeben. Solange sein Vater lebte, hatte er keinen Grund, die Ehe zu beenden.

Sie hatte ihn durch ihre überstürzte Abreise gedemütigt und sollte nun dafür büßen, indem sie an den Ort ihrer Niederlage zurückbeordert wurde, der die schmerzlichen Erinnerungen erneut heraufbeschwören würde.

Wie konnte Mick ihr das nur antun? Wieso drängte er sich in ihr Leben und stellte Forderungen?

Weil er keinerlei Schamgefühl oder Skrupel besitzt, sagte sie sich bitter. Er ist reich genug, um darauf verzichten zu können.

Aber ich nicht. Irgendwie muss ich es durchstehen und meine Würde retten. Danach hatte sie dann Zeit genug, sich eine sichere Zukunft aufzubauen. Sicherheit hatte es bei Mick nie gegeben.

Er war wie ein riesiger dunkler Planet an ihrem Horizont aufgetaucht und hatte sie unwiderstehlich in seinen Bann gezogen. Und als sie schließlich die Gefahr erkannt hatte, war es zu spät gewesen.

„Komm schon, Katie, sei kein Spielverderber. Wir werden viel Spaß haben“, lockte Lisa. „Wann haben wir schon einmal Gelegenheit, ein Hotel wie das Zycos Regina zu betreten? Bist du nicht neugierig auf das Leben der oberen Zehntausend? Außerdem brauche ich dich, damit wir zwei Paare sind.“

Kate zögerte. Obwohl sie gern als Reiseleiterin auf der griechischen Insel Zycos arbeitete, war sie froh, dass die Saison vorbei war. Eigentlich hatte sie beabsichtigt, die letzten Sachen für den Heimflug am nächsten Tag zu packen und nach einer heißen Dusche früh ins Bett zu gehen. Doch ihre Kollegin Lisa, mit der sie sich den Sommer über ein kleines Apartment geteilt hatte, wollte unbedingt in die Stadt.

„Wer kommt noch mit?“, fragte sie.

„Sein Name ist Stavros“, erklärte Lisa. „Er ist Discjockey in dem Nachtclub unten am Strand.“

„Ach dort.“

„Du bist wirklich ein Snob“, beschwerte Lisa sich.

„Unsinn. Der Club hat allerdings keinen guten Ruf, und du weißt das. Die Polizei macht dort ständig Razzien.“

„Wir bringen ja keine Gäste hin, und Stavros ist nur für die Musik zuständig. Er ist hinreißend.“ Lisa seufzte verzückt. „Dein Begleiter ist sein Cousin Dimitris aus Athen.“

„Ich glaube nicht …“, begann Kate, doch Lisa unterbrach sie.

„Sei ein einziges Mal locker, Kate. Es wird ein harmloser Abend zu viert und keine lebenslange Verpflichtung. Morgen früh fliegen wir nach Hause.“

Das stimmt, pflichtete Kate ihr im Stillen bei. Es handelte sich lediglich um einen Abend, notfalls konnte sie Kopfschmerzen vorschützen und sich vorzeitig verabschieden. Abgesehen davon war sie tatsächlich neugierig auf das Zycos Regina, das größte und exklusivste Hotel der Insel. Es lag an einer malerischen Privatbucht, weitab vom Touristenrummel. Kate wusste, dass es zu einer Kette von Luxusherbergen rings ums Mittelmeer gehörte, deren hoher Standard für Pauschalreisende unerschwinglich war.

Vielleicht war es ja ganz amüsant, sich für eine Weile unter die Reichsten der Reichen zu mischen.

Sie lächelte Lisa an. „Du hast mich überredet.“

Aus ihrer begrenzten Garderobe wählte Kate für den Abend ein schlichtes ärmelloses Kleid aus schwarzem Leinen, das ihr bis knapp über die Knie reichte und einen dezenten viereckigen Ausschnitt aufwies. Die blonde Lisa hingegen bevorzugte ein extravaganteres Outfit, doch Kate fand, dass Zurückhaltung angesagt war. Daher flocht sie das Haar zu dem gewohnten Zopf, statt es offen über die Schultern fallen zu lassen, wie sie es ursprünglich geplant hatte. Das Make-up beschränkte sie auf ein Minimum – ein wenig Mascara und ein Hauch Lippenstift.

Nachdem sie die hochhackigen Riemchensandaletten übergestreift hatte, betrachtete sie sich prüfend im Spiegel. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde ein eisiger Wind durch die offenen Fensterläden wehen. Eine innere Stimme flüsterte ihr warnend zu: „Sei vorsichtig.“

Gütiger Himmel, dachte sie ungeduldig und wandte sich zum Gehen. Was sollte ihr schon an einem so mondänen Ort passieren?

Stavros missfiel ihr auf Anhieb. Sein machohaftes Auftreten mochte Lisa faszinieren, aber nicht sie. Er musterte sie grinsend von Kopf bis Fuß. Und die geschmacklose Aufmachung und der protzige Goldschmuck von Dimitris erregten ebenfalls ihren Widerwillen. Er sah sie an, als würde er sie im Geist ausziehen.

Na gut, dachte sie resigniert. Der Abend wird nicht ewig dauern, es wird dir nur so vorkommen.

Der Club im Zycos Regina beeindruckte sie sofort mit seiner unterschwelligen Eleganz und dem gedämpften Licht. Die Gäste – zumeist teuer gekleidete Paare – saßen an runden Tischen um eine ovale Tanzfläche. In einer Nische spielte ein Quartett leise Musik.

„Nicht viel los hier“, beschwerte Lisa sich laut und schaute sich um. „Wenn die Leute hier so reich sind, warum amüsieren sie sich dann nicht?“

Kate bemerkte die indignierten Blicke von den umliegenden Tischen her und trank einen Schluck von dem grellen Cocktail, den ein Kellner mit undurchdringlicher Miene serviert hatte, obwohl sie viel lieber ein Glas Wein bestellt hätte. Außerdem beschämte es sie, dass Dimitris mit seiner prall gefüllten Brieftasche herumprahlte und sich einbildete, ein Bündel Banknoten gäbe ihm das Recht, das Personal wie Leibeigene zu behandeln.

Es machte sie rasend, mit ansehen zu müssen, wie Stavros Lisas nackte Haut besitzergreifend tätschelte und in ihr Dekolleté starrte. Als Dimitris sich zu Kate beugte und ihr Anzüglichkeiten ins Ohr flüsterte, meinte sie, mitten in einem Albtraum zu sein.

Wir gehören nicht hierher, dachte sie. Besser wir gehen, bevor man uns dazu auffordert.

Auf einmal spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Während sie erneut an dem widerwärtigen Drink nippte, riskierte sie einen kurzen Blick in die Runde und fragte sich, ob das Management bereits informiert sei.

An einem Tisch in der Ecke, ein wenig abseits von den übrigen Gästen, saßen drei Männer. Der Mann in der Mitte ließ sie nicht aus den Augen. Obwohl er mit Anfang dreißig deutlich jünger war als die beiden anderen, hatte er offenbar das Sagen. Er war attraktiv, allerdings nicht im klassischen Sinn. Sein Gesicht war markant, Nase und Kinn wirkten fast arrogant. Von ihm ging eine geradezu fesselnde Ausstrahlung aus.

Kate wusste, dass sie sich abwenden sollte, aber dazu war es bereits zu spät. Für einen prickelnden Moment trafen sich ihre Blicke, und ihr Herz begann zu rasen.

Aus seinen Augen sprach keine Wärme, seine Miene war kühl und prüfend. Er hatte die Brauen leicht zusammengezogen, als würde ihm irgendetwas missfallen.

Sie wusste sofort, was es war. Mit hochrotem Kopf drehte sie sich zu ihren Begleitern um.

„Wer ist das?“ Lisa war Kates Blick gefolgt und schaute mit unverhohlenem Interesse hinüber. „Kennst du ihn? Hast du mir etwas verschwiegen, Katie?“ Sie kicherte.

„Keineswegs. Ich will ihn auch gar nicht kennenlernen. Er findet wohl, wir würden das Niveau des Hauses senken.“ Dass sie genau den gleichen Eindruck gewonnen hatte, steigerte ihren Ärger noch mehr.

„Ich weiß, wer er ist.“ Stavros lehnte sich mit funkelnden Augen vor. „Es ist Mikis Theodakis. Seinem Vater gehören nicht nur die Regina-Hotels, sondern noch eine Menge weiterer Unternehmen. Sein Sohn leitet den Konzern.“

„Ach, wirklich?“, erkundigte Kate sich skeptisch. „Was tut er hier?“

„Er besucht alle Hotels und überprüft sie unangemeldet“, erklärte Stavros.

„Und wer sind die Männer neben ihm?“, fragte Lisa.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich seine Leibwächter“, erwiderte er neidisch. „Er ist bereits aus eigener Kraft Multimillionär, aber er wird noch reicher sein, wenn er die Kontrolle über sämtliche Theodakis-Firmen erringt. Sofern ihm das je gelingt“, fügte er grinsend hinzu. „Es heißt, er und sein Vater seien zerstritten und Aristoteles Theodakis würde alles tun, um zu verhindern, dass Mikis in seine Fußstapfen tritt.“ Er warf Kate einen verschlagenen Blick zu. „Wollen Sie ihn, kougla mou? Ihn begehren viele Frauen, und zwar nicht nur wegen seines Geldes. Sie werden sich in eine lange Schlange einreihen müssen.“

„Machen Sie sich nicht lächerlich“, erwiderte Kate kühl. „Und sprechen Sie bitte leiser. Ich glaube, er will uns gleich hinauswerfen lassen.“

Der eisige Blick des Mannes hatte sie zutiefst verunsichert. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, griff sie nach ihrem Drink, doch ein vorbeieilender Kellner stieß ihr das Glas aus der Hand, sodass die klebrige Flüssigkeit sich über ihr Kleid ergoss.

Erschrocken sprang sie auf. Stavros und Dimitris waren ebenfalls sofort auf den Füßen und beschimpften den Unglücksraben, der sich wortreich entschuldigte und Kate eine saubere Leinenserviette reichen wollte.

„Ich gehe lieber in den Waschraum“, beendete sie die peinliche Szene.

Sie wandte sich um und prallte mit einer großen Gestalt zusammen, die hinter ihr stand. Erst als er sie bei den Schultern packte, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor, erkannte sie Michael Theodakis.

„Ich möchte Sie für die Unbeholfenheit meines Personals um Verzeihung bitten, thespinis.“ Er sprach ausgezeichnet englisch. Den kaum hörbaren Akzent in Verbindung mit seiner tiefen, samtigen Stimme fanden manche Frauen gewiss sexy. „Wenn Sie mit mir kommen, wird sich meine Haushälterin um Ihr Kleid kümmern.“

„Das ist nicht nötig.“ Sie löste sich aus seinem Griff und trat errötend einen Schritt zurück. Aus der Nähe betrachtet, wirkte er atemberaubend attraktiv – über eins achtzig, breite Schultern, schmale Hüften. Kate wollte vorsichtshalber auf Distanz gehen.

„Oh doch.“ Irgendwie war es ihm gelungen, sie bei der Hand zu nehmen, und nun führte er sie an den Tischen vorbei zum Ausgang.

„Würden Sie mich bitte loslassen?“ Sie versuchte, ihre Finger zu befreien. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

„Sie irren sich, thespinis. Insbesondere wenn Sie sich in solcher Gesellschaft befinden“, fügte er mit einem sonderbaren Unterton hinzu.

„Es steht Ihnen nicht zu, meine Freunde zu kritisieren, kyrie.“

„Handelt es sich etwa um liebe alte Bekannte?“, erkundigte er sich ironisch.

Sie biss sich auf die Lippe. „Nicht direkt.“

„Das dachte ich mir.“ Er durchquerte mit ihr das Hotelfoyer bis zu den Aufzügen und drückte einen Knopf.

„Wohin bringen Sie mich?“, fragte sie alarmiert, als sich die Lifttüren öffneten.

„In meine Suite.“ Er schob sie in die Kabine. „Meine Haushälterin wird uns dort treffen.“

„Ich will sofort nach Hause!“

„Es ist sicherer für Sie, wenn Sie heute Nacht im Hotel bleiben.“ Er zögerte. „Ich muss Ihnen etwas gestehen, thespinis. Takis hat Ihren Drink auf meine Anordnung hin verschüttet.“

„Sie müssen verrückt sein.“ Kate wurde plötzlich schwindelig. „Glauben Sie, Sie könnten sich alles erlauben, nur weil Ihnen das Hotel gehört?“

„Sie wissen also, wer ich bin.“

„Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Ich bin allerdings nicht daran interessiert, auf die Liste Ihrer Eroberungen gesetzt zu werden.“

Er lachte. „Sie haben eine ziemlich hohe Meinung von sich. Meine Motive sind jedoch ausnahmsweise völlig uneigennützig.“

Die Türen glitten wieder auf, und Kate wurde einen breiten Flur entlang zu einer Doppeltür am anderen Ende geleitet.

„Nein.“ Echte Panik schwang in ihrer Stimme mit. „Ich will nach Hause gehen.“

„Das sollen Sie auch – morgen früh, sobald ich mich überzeugt habe, dass Sie unter keinerlei Nachwirkungen leiden.“

„Nachwirkungen?“, wiederholte sie, während sie erneut gegen einen Anflug von Übelkeit ankämpfte. „Wovon reden Sie?“

„Ihr Cocktail wurde ein wenig angereichert, thespinis. Ich habe beobachtet, wie Ihr Begleiter etwas hineingeschüttet hat.“

„Wie bitte? Eine Droge? Aber warum?“

Er zuckte die Schultern. „Vielleicht um Sie ein wenig gefügiger zu machen.“ Er öffnete die Tür und betrat mit Kate den Raum. „Haben Sie schon mal von sogenannten K.-o.-Tropfen gehört?“

„Ja. Sie müssen sich irren. Es kann einfach nicht wahr sein.“

„Hätten Sie eingewilligt, falls der Mann Sie gefragt hätte, ob Sie mit ihm schlafen wollen?“

„Gütiger Himmel, nein! Er ist widerwärtig.“

„Trotzdem hätte er eine Zurückweisung womöglich nicht akzeptiert“, erwiderte er trocken. „Deshalb sollten Sie heute nicht in Ihr Apartment zurückkehren.“

„Aber ich muss.“ Kate zitterte am ganzen Leib. Sie presste eine Hand auf die Stirn, um sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu sammeln. „Meine Sachen sind dort. Ich fliege morgen nach England zurück. Außerdem haben die beiden womöglich auch Lisa betäubt.“

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Das dürfte nicht notwendig sein.“

„Wie können Sie so etwas sagen“, rief sie empört. „Sie kennen sie doch gar nicht.“

„Ich bewundere zwar Ihre Loyalität, thespinis, aber keineswegs Ihr Urteilsvermögen. Jetzt sollten Sie sich jedoch hinlegen, bevor Sie umfallen“, fügte er stirnrunzelnd hinzu.

„Mir geht es … gut“, beteuerte sie heiser.

„Da bin ich anderer Ansicht.“ Mühelos hob er sie auf die Arme.

Kate wusste, dass sie eigentlich protestieren und sich sträuben sollte, doch es war so viel angenehmer, den Kopf an seine Schulter zu legen, die Augen zu schließen und sich tragen zu lassen. Sie spürte die Wärme seines Körpers durch den Anzug, roch den dezenten Duft seines Rasierwassers.

Irgendwann drang gedämpftes Licht durch ihre gesenkten Lider, gleich darauf fühlte sie eine weiche Matratze unter sich. Wie durch einen dichten Nebel merkte sie, wie der Reißverschluss ihres Kleides geöffnet und sie ausgezogen wurde. Vergeblich versuchte sie, dies zu verhindern.

„Bleiben Sie ruhig, Kleines“, beschwichtigte sie eine sanfte Frauenstimme. „Alles wird gut.“

Kate fühlte kühles, glattes Leinen auf ihrer Haut, bevor sie einschlief. Sie wurde von wirren Träumen heimgesucht. Mal beugte Dimitris sich mit feurigem Blick und lüsternen Händen über sie, dann wieder befand sie sich auf der Flucht vor ihm.

Einmal schien direkt über ihr ein Mann auf Griechisch zu sagen: „Sie könnte dein dringlichstes Problem lösen.“

Eine kühle Stimme, die ihr sonderbar vertraut vorkam, antwortete: „Und hundert neue heraufbeschwören.“

Sie fragte sich, wer die beiden wohl sein mochten und worüber sie sprachen. Doch das Denken war viel zu anstrengend, zumal sie müde war, so müde …

Als sie wieder hinüberdämmerte, spürte sie, wie jemand ihr Haar berührte und ihre Wange streichelte.

Und Kate lächelte im Schlaf.

3. KAPITEL

Sie stand in Flammen, brannte vor fiebrigem Verlangen. Die Hände eines Mannes berührten sie, erregten sie, schenkten ihr die höchsten Wonnen. Sein Mund erkundete ihren, sein Körper bewegte sich auf ihrem, bis sie aufstöhnte und sich hilflos vor Begierde wand. Sie empfand Lust wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

Irgendwann öffnete sie die Augen und blickte in das Gesicht von Michael Theodakis.

Kate erwachte keuchend. Einen Moment lang lag sie regungslos da, ohne zu wissen, wo sie sich befand. Dann stützte sie sich auf die Ellbogen und schaute sich um.

Als Erstes bemerkte sie, dass sie nackt war. Lediglich ein dünnes Laken verhüllte ihren erhitzten Körper. Das breite, luxuriöse Bett wirkte, als wäre es in ein Erdbeben geraten. Die in Blau- und Elfenbeintönen bestickte Tagesdecke war achtlos am Fußende zusammengerafft, Kissen waren überall verstreut.

Ein großer Raum, dachte sie, mit cremefarbenen Bodenfliesen. Das Blau der Wände reflektierte den Azur des Himmels und des Meeres. Die hohen Fensterläden waren aufgeklappt, durch die geöffneten Glastüren wehte eine leichte Brise und blähte die Gardinen im Sonnenlicht.

Allmählich kehrte die Erinnerung an den vorigen Abend zurück. Kate wusste nicht, was ungewöhnlicher war – die Gefahr, in der sie geschwebt hatte, oder die Tatsache, dass Michael Theodakis sie gerettet hatte.

Offenbar hatte er sie eingehend beobachtet, sonst wäre ihm kaum aufgefallen, dass man ihr etwas in den Drink gemischt hatte. Seine Aufmerksamkeit dürfte allerdings eher Stavros gegolten haben, dessen Benehmen stark zu wünschen übrig gelassen hatte.

Natürlich war Michael Theodakis bestrebt, sein Hotel aus jeglichem Skandal herauszuhalten, egal, wie unwichtig er auch sein mochte. Was immer ihn dazu getrieben hatte, Kate konnte nicht leugnen, dass sie Glück gehabt hatte.

Schaudernd richtete sie sich auf und strich sich eine rote Locke aus dem Gesicht. Sie fühlte sich noch ein wenig benommen, die Schwäche verflog jedoch, als sie sich näher umsah.

Das Zimmer wies eindeutige Spuren seines Bewohners auf. Haarbürste, Kamm und Toilettengegenstände lagen auf der Kommode unter dem Spiegel, eine lederne Reisetasche war auf einem Hocker in der Ecke deponiert, und ein Jackett hing über der Lehne eines Sessels vor dem Fenster. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, wem es gehörte.

Erschüttert sank Kate zurück in die Kissen. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Was, um alles in der Welt, ist in der letzten Nacht passiert? fragte sie sich verzweifelt. Genauer gesagt, was war passiert, nachdem Michael Theodakis sie hierhergetragen hatte? In sein Schlafzimmer. In sein Bett.

Daran erinnerte sie sich nämlich noch, während der Rest in einem Nebel wirrer Eindrücke verschwamm, was eingedenk der Drogen, die man ihr verabreicht hatte, kaum verwunderlich war. Sie war ohnmächtig geworden, und in dieser Zeit hätte man alles mit ihr anstellen können. War es möglich, dass in den Stunden der Dunkelheit ihr Retter zum Schuft geworden war?

Widerstrebend rief sie sich den Traum ins Gedächtnis, jene unbeschreiblich erotischen Wonnen, die ihr Unterbewusstsein beschäftigt hatten. War es tatsächlich nur ein Traum gewesen oder bittere Realität?

Müsste sie nicht körperliche Anzeichen spüren, wenn sie solch ekstatische Momente durchlebt hatte? Rührte dieses bislang noch nie empfundene Sehnen tief in ihr von sexueller Frustration her oder von leidenschaftlicher Befriedigung?

Schockiert erkannte Kate, dass sie nicht sicher sein konnte. Vielleicht würde sie es nie sein, was womöglich weitaus schlimmer war.

Ich muss fort von hier, dachte sie. Aber wo waren ihre Sachen? Abgesehen von ihren Schuhen vor dem Bett, schien alles verschwunden. Während sie noch darüber nachgrübelte, wurde eine Tür geöffnet, und Michael Theodakis kam herein.

Hastig zog sie das Laken über ihre Brüste. Er trug nur ein Handtuch um die Hüften, ansonsten war er nackt. Der Anblick seiner dunklen Haut und ausgeprägten Muskeln raubte ihr den Atem.

Er blieb stehen und betrachtete sie amüsiert. „Kalimera. Sie sind also endlich wach.“

Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. „Was tun Sie hier?“, fragte sie heiser.

„Rasieren. Eine Gepflogenheit, die ich in meiner Jugend entwickelt habe.“ Er wies auf den Raum, den er soeben verlassen hatte. „Leider müssen wir uns das Bad teilen, aber nun sind Sie an der Reihe.“

„Das Bad teilen?“, wiederholte sie verwirrt.

„Diese Suite hat nur ein Bad.“ Ihn schien weder die Situation noch seine spärliche Bekleidung zu stören. Zweifellos war er daran gewöhnt, sich nur mit einem Handtuch vor Frauen zu zeigen – oder auch ohne.

Sie hingegen … Sie hatte sich in diesem elenden Laken verheddert.

„Wenn ich allein bin – was normalerweise der Fall ist –, stört es nicht weiter“, fuhr er fort.

„Aber die letzte Nacht war anders“, sagte sie mit bebender Stimme.

„Natürlich“, bestätigte er sanft. „Denn Sie waren hier. Ich habe angeordnet, dass uns das Frühstück auf der Terrasse serviert wird. Soll ich Ihnen ein Bad einlassen?“

„Nein. Ich glaube, ich habe genug Dienstleistungen für ein ganzes Leben genossen. Wie zum Beispiel ausgezogen und ins Bett gebracht zu werden.“

„Sie konnten es nicht allein. Sie waren kaum noch bei Bewusstsein, pedhi mou.“

„Das ist mir klar. Ich bin übrigens nicht Ihre Kleine.“

„Sie haben einen Schock erlitten“, meinte er und runzelte die Stirn. „Doch das ist jetzt vorbei, und Sie haben keinen Schaden erlitten.“

„Ich sehe das ein bisschen anders.“ Das Laken rutschte. Sie zog es hoch und klemmte es unter die Achseln. Eine Geste, die ihm nicht verborgen blieb.

Seine Augen funkelten weiterhin vor Heiterkeit, aber es hatte sich noch ein anderer, eher beunruhigender Ausdruck hinzugesellt. Etwas, das sie aus den heißen Stunden der Nacht erinnerte und eigentlich verdrängen wollte.

Trotzdem war ihr klar, dass sie ihn zur Rede stellen musste, und zwar sofort.

„Wie sehen Sie es denn?“ Dass er das Wortgefecht genoss, steigerte ihren Zorn. „Vielleicht können wir uns auf einen Kompromiss einigen.“

Kate atmete tief durch. „Ich bevorzuge die Wahrheit. Waren Sie während der Nacht in diesem Zimmer?“

„Ja. Ich wollte mich vergewissern, dass es Ihnen gut geht. Das Gleiche haben die Haushälterin und der Hotelarzt getan. Es war die reinste Völkerwanderung“, fügte er trocken hinzu.

„Aber Sie waren auch allein hier.“

„Das sagte ich bereits.“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die plötzlich spröden Lippen. „Haben Sie mich … angefasst?“

Sekundenlang herrschte Schweigen. „Ja. Ich wollte es Ihnen eigentlich nicht verraten. Ihr Haar auf meinem Kopfkissen sah einfach zu verlockend aus. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, es zu berühren.“

„War das die einzige Versuchung, der Sie erlegen sind, Kyrios Theodakis?“

Er seufzte. „Eine Träne rollte über Ihre Wange. Ich habe sie fortgewischt.“

„Danach sind Sie gegangen … Und das soll ich Ihnen glauben?“

„Was wollen Sie damit andeuten?“

Kate biss sich auf die Lippe. „Wo genau haben Sie die Nacht verbracht, Mr Theodakis?“

„In dieser Suite, Kyria Dennison. Sie verfügt über zwei Schlafzimmer, und ich habe das zweite benutzt. Ich habe übrigens gut geschlafen – ich hoffe, Sie auch.“

„Nein. Ich hatte sonderbare Träume.“

„Möglicherweise ein Nebeneffekt der Droge“, erwiderte er lässig.

„Möglicherweise. Allerdings war es ein überaus intensiver Traum. Sehr realistisch.“

„Wie schön für Sie. Ich erinnere mich kaum an meinen.“

„Ich würde alles darum geben, wenn ich mich nicht mehr erinnern würde“, rief sie empört.

„Sie machen mich neugierig.“ Stirnrunzelnd betrachtete er ihr gerötetes Gesicht. „Sie müssen ihn mir beim Frühstück beschreiben.“

„Ich will kein Frühstück. Und ich will ganz gewiss nicht mit Ihnen essen. Ich glaube nämlich keineswegs, dass es sich um einen Traum gehandelt hat, Sie widerwärtiges Scheusal. Genauso wenig wie ich Ihnen abnehme, dass Sie in einem anderen Raum geschlafen haben.“

„Soll das heißen, dass ich in Ihrem Traum vorkomme?“

Er klang höflich-interessiert, mehr nicht. Und doch wirkte er auf einmal höchst konzentriert, die Atmosphäre schien vor Spannung zu knistern.

„Ja. Ich behaupte sogar, Sie haben mich letzte Nacht benutzt.“

„Benutzt“, wiederholte er versonnen. „Eine interessante Wortwahl. Meinen Sie, wir haben uns geliebt?“

„Ich meine das, was ich gesagt habe. Sie haben meine Lage schamlos ausgenutzt. Oh ja, Sie sind verdammt überzeugt von sich und bilden sich ein, Sie wären die Antwort auf die Gebete aller Frauen. Vermutlich dachten Sie, ich würde mich geehrt fühlen – sofern ich mich überhaupt erinnern würde.“

„Verraten Sie mir, was ich mit Ihnen gemacht habe, agapi mou!“

„Die Details sind mir entfallen.“

„War es denn schön für Sie? Daran werden Sie sich doch sicher erinnern. Hatten Sie beispielsweise einen Höhepunkt?“

Kate wurde feuerrot. „Wie können Sie es wagen …“

„Aber ich muss es wissen. Es wäre mir unerträglich, Sie in irgendeiner Weise enttäuscht zu haben.“ Er kam auf sie zu. „Vielleicht sollte ich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.“

Sie wich vor ihm zurück. „Bleiben Sie mir vom Leib.“

„Warum denn?“ Ein gefährlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. Er bückte sich und hob eines der Kissen vom Boden auf. Obwohl er lächelte, blieben seine Augen kühl. „Nachdem wir einander schon so nahe waren? Diesmal, meine Schöne, werde ich dafür sorgen, dass Sie nichts vergessen.“ Er griff nach dem Laken und riss es ihr vom Körper.

Kate schrie erschrocken auf. Instinktiv wandte sie sich ab und rollte sich zusammen, um ihre Blößen vor Michael Theodakis’ arrogantem Blick zu schützen.

„Warum so schüchtern?“, spottete er. „Ihren eigenen Worten zufolge gibt es nichts, was ich nicht bereits gesehen und genossen habe.“

„Bitte“, flehte sie. „Bitte nicht …“

„Ich bin doch ein widerwärtiges Scheusal, agapi mou. Warum sollte ich auf Sie hören?“

Ihr fiel beim besten Willen keine Antwort darauf ein. Während sie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte, senkte sich lastende Stille über den Raum. Schließlich seufzte Michael Theodakis laut auf und drehte sich um. Er holte einen Frotteemantel vom Stuhl und warf ihn ihr zu.

„Ziehen Sie das an“, befahl er. „Er ist sicherer als ein Laken.“ Sie gehorchte wortlos, und er fuhr fort: „Wie Sie gerade bemerkt haben, thespinis, bin ich ziemlich temperamentvoll, also reizen Sie mich nicht wieder. Ich habe noch nie eine Frau im Zorn genommen, und ich möchte nicht, dass Sie die Erste sind.“

Mit zitternden Fingern band sie den Gürtel zu.

Er trat ans Bett und umfasste ihr Kinn, sodass sie zu ihm aufblicken musste. „Der Verstand spielt uns gelegentlich einen Streich, pedhi mou. Aber ich schwöre, dass ich letzte Nacht nicht das Bett mit Ihnen geteilt habe. Denn wenn ich es getan hätte, würden Sie sich daran erinnern, glauben Sie mir.“

Für einen flüchtigen Moment legte er die Hände auf ihre Brüste. Selbst durch den dicken Stoff schien seine Berührung ihre Haut zu verbrennen, sofort richteten sich die festen Knospen vor Verlangen steil auf.

Kate rang um Atem, gleich darauf war sie wieder frei. Er hatte sich abgewandt.

„Ich ziehe mich jetzt an. Danach leisten Sie mir beim Frühstück Gesellschaft.“

„Und meine Sachen?“, flüsterte sie.

„Meine Haushälterin hat sie reinigen lassen – nachdem sie Sie gestern entkleidet hat. Sie werden gebracht, sobald Sie gegessen haben.“ Er machte eine kurze Pause. „Sagen wir … in einer halben Stunde?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er hinaus.

Als Kate in die Wanne stieg, spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, sich in dem duftenden Wasser zu ertränken. Seit sie am Morgen erwacht war, hatte sie sich wie eine Verrückte benommen. Doch nun war sie wieder vernünftig und zutiefst beschämt.

Was war nur in sie gefahren, dass sie Michael Theodakis derart mit Vorwürfen überschüttet hatte?

Ich habe die Fassung verloren, weil er fast nackt ins Zimmer kam und so tat, als wäre es ganz selbstverständlich, vermutete sie. Sogleich verwarf sie diesen Gedanken wieder. Als Reiseleiterin begegnete sie tagtäglich Männern, die noch spärlicher bekleidet waren, und hatte daran bislang nie Anstoß genommen.

Aber warum hatte sie dann so übertrieben reagiert? Es ergab keinen Sinn. Allmählich dämmerte ihr die Erkenntnis, dass es gar nichts mit seinem Aufzug zu tun hatte. Es war Michael Theodakis selbst, der sie durcheinanderbrachte und ihr die Beherrschung raubte.

Seit dem ersten Zusammentreffen mit ihm war sie nervös und sich seiner Nähe in einem Maß bewusst gewesen, das ihren begrenzten Erfahrungsschatz überstieg. Sie hatte sich von ihm bedroht gefühlt, bevor er überhaupt ein Wort zu ihr gesagt hatte.

Der Traum war lediglich die Fortsetzung dessen gewesen, was er begonnen hatte, indem er sie die Treppe hinauftrug. Eine beschämende Form des Wunschdenkens. Sie hatte sich wie eine hysterische Närrin aufgeführt und war dafür mit der Verachtung gestraft worden, die sie verdiente.

Kate überlegte, ob sie sich heimlich davonstehlen sollte. Immerhin könnte sie im Apartment anrufen und Lisa bitten, ihr etwas zum Anziehen zu bringen.

Lisa …

Sie stöhnte laut auf. Bis zu diesem Moment hatte sie keinen Gedanken an ihre Kollegin verschwendet, der inzwischen alles Mögliche zugestoßen sein konnte. Das sieht mir gar nicht ähnlich, dachte Kate. Sie hatte sich buchstäblich über Nacht in eine Fremde verwandelt, und diese Fremde gefiel ihr absolut nicht.

Trotz ihres roten Haars war sie stets besonnen gewesen, und nun wollte sie ihr altes Ich zurück. Michael Theodakis mochte zwar ein umwerfend attraktiver Mann mit einer starken sinnlichen Ausstrahlung sein, aber das war noch lange kein Grund, seinetwegen den Kopf zu verlieren.

Höflich, dankbar und unerreichbar, so musste sie sich die nächste halbe Stunde geben. Und dann würde sie verschwinden, nicht nur aus diesem Hotel, sondern auch aus Griechenland. Danach würde sie ihm nie wieder unter die Augen treten müssen.

Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, schlüpfte sie in den Bademantel. Obwohl er sie vom Hals bis zu den Füßen bedeckte, vermittelte er ihr nicht so viel Sicherheit wie ihre eigenen Sachen. Sie kämmte sich das Haar mit den Fingern und kehrte zögernd ins Schlafzimmer zurück. Widerstrebend näherte sie sich der Terrasse, auf der ein gedeckter Tisch stand.

Die Aussicht übers Meer war atemberaubend. Michael Theodakis lehnte im Sonnenschein an der Balustrade. Er trug Shorts, die seine langen Beine betonten, und ein kurzärmeliges Polohemd.

Kalimera – zum zweiten Mal“, sagte er ruhig. „Wollen wir die Ereignisse der letzten Stunde vergessen, die für uns beide nicht sonderlich schmeichelhaft waren, und so tun, als würden wir uns erst jetzt begrüßen?“

„Ja.“ Errötend senkte Kate den Kopf. „Das sollten wir wohl.“

„Endlich sind wir uns in einem Punkt einig.“

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Tisch, auf dem ein Krug mit eisgekühltem Saft, ein Korb mit knusprigen Brötchen, Gefäße mit Honig und Konfitüre sowie eine Schale mit cremigem Joghurt warteten. Außerdem gab es eine Platte mit Trauben, Aprikosen und Pfirsichen und eine große Kanne Kaffee.

„Das sieht köstlich aus“, meinte sie lächelnd.

„Ja.“ Ein Anflug von Heiterkeit schwang in seiner Stimme mit.

Als sie bemerkte, dass er noch immer sie und nicht das Essen betrachtete, begann sie zu zittern.

„Bitte setzen Sie sich“, fügte er hinzu.

Kate wählte den Stuhl, der am weitesten von seinem entfernt war.

„Hoffentlich hat das Bad Sie ein wenig entspannt.“ Er goss Saft in zwei Gläser und reichte ihr eines.

„Ja, danke.“

„Vielleicht wäre eine Körpermassage noch wohltuender. Wenn Sie eine wünschen, müssen Sie es nur sagen.“

Sie traktierte ein unschuldiges Brötchen mit dem Messer. „Sehr freundlich von Ihnen, aber ich verzichte.“

Er lächelte sie an. „Das war kein persönliches Angebot, thespina. Wir haben eine ausgezeichnete Masseurin in unserem Wellnesscenter, aber es ist Ihre Entscheidung.“

Er hat mich schon wieder auf dem falschen Fuß erwischt, dachte sie und trank einen Schluck Saft.

„Honig?“ Michael Theodakis schob ihr den Topf zu. „Vielleicht versüßt er Ihnen die Laune.“

„Meine Laune ist bestens. Leider bringen Sie meine schlechten Seiten zum Vorschein, Kyrios Theodakis.“

„Mein Name ist Michael – oder Mick, falls Ihnen das lieber ist. So wie Sie für mich Kate und nicht Katharina sind.“

Sie legte das Messer beiseite. „Woher wissen Sie, wie ich heiße?“

Er zuckte die Schultern. „Ihre Papiere waren in der Tasche, die Sie gestern im Club zurückgelassen haben. Ich dachte, Ihre Identität wäre kein Geheimnis. Außerdem hat die Polizei danach gefragt.“

„Die Polizei?“ Schockiert blickte sie ihn an.

„Natürlich. Ihr Freund Stavros hatte Ecstasy-Pillen bei sich, als man ihn durchsuchte. Sowohl er als auch sein Cousin haben die Nacht im Gefängnis verbracht. Die erste von vielen, wie ich vermute.“

„Und Lisa?“, erkundigte Kate sich beklommen. „Man hat sie doch nicht etwa auch eingesperrt, oder?“

„Nein. Ich habe ihre Freilassung arrangiert. Glücklicherweise verlässt sie heute Zycos, und ich bezweifle, dass sie je wieder einreisen darf. Sie ist immerhin mit Kriminellen befreundet.“

„Sie haben alles ‚arrangiert‘?“ Verwundert schüttelte sie den Kopf. „Wie erfreulich, wenn man so viel Macht hat.“

„Manchmal ist es recht nützlich“, räumte er kühl ein.

Kate atmete tief durch. „Entschuldigen Sie meine Taktlosigkeit, kyrie. Ich muss Ihnen natürlich dankbar sein. Sie haben mich vor Unheil bewahrt, aber was den Rest betrifft, bin ich völlig überfordert. Drogenhändler … Gefängnis … Ich habe so etwas noch nie erlebt und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“

„Das brauchen Sie auch nicht, thespinis“, erwiderte er sanft. „Es ist alles geregelt. Bitte lassen Sie sich dadurch nicht die Erinnerungen an Zycos trüben.“ Er griff nach der silbernen Kanne. „Kaffee?“

Als Kate die Tasse dankend entgegennahm, erkannte sie, dass nicht die gefährliche Begegnung mit Dimitris sie in den nächsten Tagen verfolgen würde, sondern der Gedanke an den Mann ihr gegenüber und an das Lächeln in seinen Augen. Er hatte sie auf seinen Armen getragen, und die Wärme seines Körpers hatte sich ihr ebenso unauslöschlich eingeprägt wie der Duft seiner Haut.

Das Frühstück wurde für Kate zur Qual. Sie musste unbeschwert erscheinen und über Belanglosigkeiten plaudern, ohne ihren inneren Aufruhr zu verraten – eine schier unlösbare Aufgabe.

„Das Wetter ist traumhaft“, sagte sie betont munter. „Aber vermutlich hält es nicht ewig an.“

„Das ist mit den meisten Dingen im Leben so.“ Michael Theodakis schnitt einen Pfirsich auf. „Wussten Sie, dass die Sonne Ihr Haar in Feuer verwandelt?“

„Ich kenne seine Farbe“, antwortete sie mit einem gereizten Unterton. „Sie brauchen dieses Thema nicht zu vertiefen.“

„Und Sie sollten lernen, mit mehr Anmut auf Komplimente zu reagieren, matia mou“, konterte er trocken. „Genießen Sie die Sonne, denn es wird bald regnen“, fügte er hinzu.

Sie blickte zum wolkenlosen Himmel. „Wie kommen Sie darauf?“

„Dies sind meine Inseln. Es gehört zu meinem Job, das zu wissen. Der Herbst ist hier meist sehr feucht.“

„Kommen Sie ursprünglich von dieser Insel?“

„Nein. Ich wurde in Kefalonia geboren, und dort war immer mein Zuhause.“

„Und jetzt nicht mehr?“ Sie erinnerte sich an Stavros’ Bemerkung über einen Familienstreit.

Er schwieg einen Moment lang. „Wegen meiner vielen Reisen habe ich zurzeit keinen festen Wohnsitz. Und Sie?“

„Ich teile mit einer Freundin eine Wohnung in London.“

„Mit Lisa?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Oh nein“, beteuerte Kate rasch. „Wir sind nur Kolleginnen, und deshalb war ein gemeinsames Apartment praktisch. Meine Mitbewohnerin in London heißt Sandy. Sie arbeitet bei einer Zeitung.“ Sie zögerte. „Ich werde sie vermissen, wenn ich ausziehe.“

„Haben Sie das vor?“

„Ja. Ich werde nämlich bald heiraten. Sie sehen also, ich habe allen Grund, Ihnen dankbar zu sein – sehr dankbar.“

Mit ausdrucksloser Miene blickte Michael Theodakis auf ihre ringlosen Hände, bevor er sich wieder ihrem Gesicht zuwandte. „Sind Sie sehr verliebt?“

„Natürlich.“ Trotzig straffte sie die Schultern.

„Ist es dann auch natürlich, wenn Sie erotischen Fantasien über einen anderen Mann nachhängen – einen Fremden?“

Ihre Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. „Mein Verlobter ist der Einzige, der zählt. An anderen bin ich nicht interessiert.“

„Wirklich?“ Er schob seinen Stuhl zurück, kam um den Tisch auf sie zu und zog sie auf die Füße. Dann legte er den Arm um sie und presste sie an sich. Langsam senkte er den Kopf und küsste sie, bedächtig und überaus verführerisch.

Die Zeit stand still. Seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen, ihr sinnliches Spiel schenkte Kate nie geahnte Wonnen. Auf einmal konnte sie nicht mehr atmen, geschweige denn denken.

Als er sie endlich freigab, lächelte er. „Ich glaube, Sie machen sich selbst etwas vor, pedhi mou.“

Sie wich einen Schritt vor ihm zurück und fuhr sich mit zitternder Hand über die brennenden Lippen. Ihre Augen funkelten vor Zorn. „Sie sind abscheulich!“, rief sie. „Dazu hatten Sie kein Recht!“

„Warum nicht?“, erkundigte er sich ungerührt. „Ich bin Junggeselle, und Sie sind eine alleinstehende Frau.“

„Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich heiraten werde.“

„Ja, das haben Sie. Schicken Sie mir eine Einladung zur Hochzeit – sofern sie je stattfindet. Denn wenn ich Sie heiraten wollte, Katharina mou, würde ich dafür sorgen, dass Sie nur von mir träumen.“ Er hob ihre Hand an die Lippen und hauchte einen zarten Kuss auf ihre Finger. Dann ging er in die Suite zurück und damit aus ihrem Leben.

4. KAPITEL

Auf dem Heimflug hatte Kate vieles, worüber sie nachdenken musste.

Zunächst musste sie erst einmal Michael Theodakis aus ihrem Gedächtnis verbannen. Sich an seine amüsiert funkelnden Augen oder den Druck seiner warmen Lippen zu erinnern, führte zu gar nichts.

Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre unmittelbare Zukunft – ein mindestens ebenso schwieriges Unterfangen. Inzwischen war ihr nämlich mit erschreckender Klarheit bewusst geworden, dass sie Grant nicht heiraten konnte. Nicht mehr.

Zweifellos würde er den Grund für ihren Gesinnungswandel erfahren wollen, und ihr fiel beim besten Willen keine vernünftige Erklärung ein. Doch was immer sie sagte, es würde ihn unweigerlich verletzen, und das wollte sie nicht. Vielleicht sollte sie behaupten, dass sie sich in Griechenland verändert hatte und nicht mehr der gleiche Mensch war. Genau genommen war dies die reine Wahrheit.

Sie hatte nicht den geringsten Zweifel an einer gemeinsamen Zukunft mit Grant gehegt, bis ihr Michael Theodakis begegnet war. Eigentlich verrückt … Wegen eines flüchtigen Kusses von einem berüchtigten Frauenheld warf man schließlich nicht sein ganzes Leben über den Haufen.

Noch immer in Gedanken versunken, ging sie in die Ankunftshalle, wo Grant sie bereits mit einem Blumenstrauß erwartete. Kate seufzte resigniert. Sie hatte auf eine kleine Atempause vor dem Treffen mit ihm gehofft.

„Liebling.“ Er schloss sie in die Arme. „Gott, wie habe ich dich vermisst. Von nun an lass ich dich nicht mehr aus den Augen. Wir müssen unsere Hochzeit planen, denn ich kann nicht länger warten.“

Schweigend folgte sie ihm zum Wagen und überlegte krampfhaft, wie sie beginnen sollte.

„Wo ist die verrückte Lisa?“, fragte Grant fröhlich, während er ihr Gepäck im Kofferraum verstaute. „Ich dachte, sie würde dich begleiten.“

Kate biss sich auf die Lippe. Als sie ins Apartment zurückgekehrt war, hatte sie nur Lisas Wohnungsschlüssel vorgefunden, ihre Kollegin selbst war samt ihren Sachen verschwunden. „Sie hat eine andere Maschine genommen.“ Sie atmete tief durch. „Grant, ich muss mit dir reden.“

Er reagierte genau so, wie sie es befürchtet hatte. Seine anfängliche Ungläubigkeit wich zunächst Verwirrung, daraus wurde Empörung und letztlich unverhohlener Zorn.

Seine Wut war eigentlich am leichtesten zu verkraften, dachte sie, als sie vor dem Eingang zu ihrer Wohnung stand und Grant im Auto davonbrausen sah. Nun musste sie nur noch Sandy aufklären.

„Wo ist Grant?“, lautete die erste Frage ihrer Mitbewohnerin, nachdem sie einander begrüßt hatten. „Ich wollte eine Flasche Wein öffnen und mich dann taktvoll zurückziehen.“

„Nicht nötig.“ Kate straffte die Schultern. „Grant und ich sind nicht länger ein Paar.“

„Wann ist das passiert?“

„Am Flughafen. Er hat Pläne geschmiedet, und mir wurde klar, dass ich es nicht will.“

„Das ist nur fair“, räumte Sandy ein. „Und wer ist der neue Mann?“

„Grant hat mich das auch gefragt“, erwiderte Kate errötend. „Nur weil ich mich von ihm getrennt habe, muss es doch keinen anderen Mann geben.“

„So läuft es aber normalerweise.“ Sandy schenkte den Wein ein. „Also erzähl mir nicht, er würde nicht existieren.“

„Es war nichts“, behauptete Kate nach kurzem Zögern.

„Demnach hast du jemanden getroffen. Ich wusste es!“

„Nein. Ich bin jemandem begegnet, und zwar sehr kurz. Das ist ein Riesenunterschied.“

„Die Einzelheiten, bitte.“

„Er heißt Theodakis. Seiner Familie gehören die Regina-Hotelkette sowie die Odyssey-Kreuzfahrtflotte und die Helicon Airlines. Reicht dir das?“

„Absolut. Das sind verdammt viele Informationen für eine kurze Begegnung.“

„Er hat es mir nicht alles selbst gesagt.“ Kate errötete noch tiefer. „Ich habe ihn vom Firmencomputer überprüfen lassen, bevor ich zum Flughafen gefahren bin.“

„Kluges Kind“, lobte Sandy. „Wann ist die Hochzeit, und darf ich Brautjungfer sein? Ich würde gern seine Freunde kennenlernen.“

„Ich bezweifle, dass er welche hat. Er ist arrogant und völlig unmöglich.“

„Trotzdem hat er dich zur Trennung von Grant bewogen, der ein Muster an Liebenswürdigkeit und Vernunft ist.“

„Unsinn. Ich habe lediglich festgestellt, dass meine Liebe durch die Abwesenheit nicht gewachsen ist.“

„Nun, in diesem Fall solltest du keine Probleme haben, über Mr Theodakis hinwegzukommen.“ Sandy hob ihr Glas. „Viel Glück. Du wirst es brauchen.“

Als Kate sich ein paar Tage später in der Halcyon-Zentrale zum Dienst meldete, bemerkte sie sofort die angespannte Atmosphäre und die Seitenblicke ihrer Kollegen.

Schon bald erfuhr sie, dass Lisa gefeuert worden war und Kate für den Ärger mit der griechischen Polizei verantwortlich gemacht hatte.

Die folgenden zwei Wochen waren nicht leicht, zumal Grant beschlossen hatte, seinen geballten Charme einzusetzen, um sie wieder zu erobern. Allabendlich tauchte er in ihrer Wohnung mit Blumen, Wein, Theaterkarten und Einladungen zum Dinner auf, was sie regelmäßig zurückwies.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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