Hochzeitsnacht mit einer Fremden

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"Sie dürfen die Braut jetzt küssen." Der charismatische Alexander King glaubt sich am Ziel seiner Träume. Neben ihm steht seine schöne, junge Ehefrau, und mit dem Ja vor dem Altar steuert er sie beide in eine glückliche, wenn auch etwas langweilige Zukunft. Doch als sich ihre Lippen berühren, durchfährt Alex ein unbekanntes, wildes Verlangen. Sein Verstand weigert sich zu glauben, was sein Körper mit jeder Faser fühlt: Die Frau, der er auf der romantischen Karibikinsel das Ja-Wort gegeben hat, ist niemals Kim - sondern ihre sexy, skandalumwitterte Zwillingsschwester Liv!


  • Erscheinungstag 03.03.2015
  • Bandnummer 2169
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701482
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Kimberly, willst du diesen Mann, Alexander King, zu deinem rechtmäßigen Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?“

Nein!

Olivia Stanton sah sich gehetzt um. Hatte sie das etwa laut gesagt? Nervös wickelte sie die Seidenschleife ihres Brautstraußes um den Zeigefinger. Ihr Herz hämmerte wie verrückt, während der ältere Priester sie durch seine riesige Brille mit einem gütigen, geduldigen Blick bedachte. Es zischte, als sie nach Luft schnappte und ihr von dem süßen Duft der Brautorchideen schlagartig übel wurde.

Die Sekunden vergingen. Hinter ihr schwoll das erwartungsvolle Schweigen der Hochzeitsgäste zu einer unsichtbaren Welle an, die jeden Moment über Olivia zusammenschlagen konnte. Dann würde sie untergehen, dann wäre alles vorbei …

Neben ihr stand Alexander King und betrachtete sie aus kühlen blauen Augen. Seine äußere Ruhe brachte sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.

Ich kann es nicht tun! schoss es ihr durch den Kopf. Sicher, Kim und sie hatten das schon früher gemacht – einfach heimlich die Rollen getauscht. Kein Kunststück, schließlich waren sie eineiige Zwillinge. Normalerweise hatte die fleißige Kim immer so getan, als wäre sie Liv, um ihre Schwester vor dem Vater oder dem Rektor der Schule zu beschützen. Liv stand wirklich tief in ihrer Schuld. Kim hatte ihr mehr als nur einmal den Hals gerettet.

Aber dafür an ihrer Stelle Alexander King heiraten? Dieser Schritt erschien ihr doch ein wenig zu extrem!

Erzähl bloß Alex nichts! Er wäre unheimlich enttäuscht von mir. Außerdem versucht er immer, selbst die leiseste Spur eines Skandals zu vermeiden.

Was war er für ein Mann? Weshalb wagte Kim es nicht, ihm ihre Zweifel bezüglich der Heirat zu gestehen?

Eine Hand an ihrem Ellenbogen – der Griff freundlich, aber bestimmt – holte Olivia zurück in die Gegenwart. Sie legte den Kopf schief und erwiderte Alexanders erwartungsvollen Blick.

Der Ausdruck in seinen Augen war sanft. Demnach empfand er wirklich etwas für ihre Schwester. Olivia dagegen mochte er überhaupt nicht, das war bei den wenigen Begegnungen mit ihm mehr als deutlich geworden!

Ich will ihn nicht verlieren!

Kims verzweifelte Bitte weckte Olivias Verstand zu neuem Leben. Sie holte tief Luft und brachte die furchterregenden Worte über die Lippen: „Ja, ich will.“

Das faltige Gesicht des Priesters glättete sich ein wenig vor Erleichterung. „Dann erkläre ich Sie hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Es war, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Olivia schwankte und wurde gleichzeitig von Alexanders warmen Händen gestützt, die er ihr auf die nackten Schultern legte. Mit jedem Atemzug wurde der Duft seines Aftershaves intensiver. Gleich würde er ihr einen Kuss geben und damit die Eheschließung besiegeln.

Olivia war wie gelähmt. Und es beschämte sie zuzugeben, dass sie sich in diesem Moment nichts mehr wünschte, als seinen Kuss zu erwidern.

Er neigte den Kopf, und sein Atem streifte ihre Wange.

Nein! Sekundenbruchteile bevor sich ihre Lippen berührten, drehte sie den Kopf zur Seite und stemmte ihre Hände gegen Alexanders Brust. Sein warmer, federleichter Kuss landete auf ihrem Mundwinkel. Obwohl diese Geste höchst unschuldig war, hatte Olivia das Gefühl, vor Verlangen in Flammen zu stehen. Was ist bloß los mit mir?

Neugierig und etwas ratlos starrte Alexander sie an. Dann legte er einen Arm um ihre Taille und zog Olivia enger an sich.

Sie schloss kurz die Augen und wehrte sich gegen den Effekt, den sein kraftvoller, durchtrainierter Körper auf sie hatte. Sich gegen seinen verheißungsvollen Kuss zu sträuben, war mit Abstand das Schwerste, was sie je im Leben gemacht hatte.

Diese ganze Farce war eine Schnapsidee. Wie lange würde es wohl dauern, bis er den Betrug aufdeckte?

Alexander King betrachtete das Profil seiner Ehefrau mit wachsendem Misstrauen. Am Hals zeichnete sich ihr rasender Puls ab, und sie vermied ganz bewusst jeden Blickkontakt. Das war extrem ungewöhnlich, genau wie ihr merkwürdiger Gesichtsausdruck, als sie seinem Kuss ausgewichen war.

Irgendetwas stimmte hier nicht.

Das hatte er schon gespürt, als sie neben ihm vor den Altar getreten war. Anstatt ihm in die Augen zu sehen, hatte sie sich wie ein gehetztes Tier verhalten. Normalerweise bewegte sie sich mit einer natürlichen Grazie und hatte eine ruhige, würdevolle Haltung. Davon war heute nichts zu merken. Sie hielt den Kopf anders als sonst … energischer. Und sie zerrte an der Diamantkette um ihren Hals, als würde diese sie würgen.

Und ihr Aussehen erst! Natürlich hatte er erwartet, dass Kim in entsprechender Aufmachung in der Kirche erscheinen würde. Doch er war regelrecht überwältigt davon, wie erotisch sie in ihrem Hochzeitskleid wirkte! Wer hätte gedacht, dass sich zurückhaltende Eleganz im Handumdrehen in bodenständigen Sexappeal verwandeln ließ? Außerdem hatte er seine Braut noch nie mit knallrotem Lippenstift geschminkt gesehen.

Auch vorher hatte Alexander sich schon zu ihr hingezogen gefühlt. Das war allerdings nichts im Vergleich zu der unbändigen Lust, die ihn heute bei Kims Anblick gepackt hatte. Er wollte sein Gesicht an ihren zarten hellen Hals pressen und ihre vollen Brüste mit beiden Händen berühren.

Nachdem sie vor der Kirche die Glückwünsche ihrer Freunde und Verwandten entgegengenommen hatten, entführte Alexander seine Braut spontan in eine unbeobachtete Ecke. Obwohl sie steif wie ein Brett neben ihm stand, hatte er alle Mühe, seine Libido unter Kontrolle zu bekommen. Bebend vor Verlangen zog er seine frisch Angetraute an sich und atmete tief ihren betörenden Duft ein.

Was ist heute so anders zwischen uns? Anders als in den vergangenen sechs Monaten? Er hatte kein Problem damit gehabt, ihrem Wunsch zu entsprechen und es ruhig angehen zu lassen. Aber jetzt konnte ihn nichts mehr davon abhalten, von den süßen Früchten zu kosten, die diese Ehe für ihn bereithielt.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte er sich.

Mit einem gequälten Lächeln sah sie über seine rechte Schulter hinweg in die Ferne. „Ja, danke“, antwortete sie und ging etwas auf Abstand. „Ich glaube, der ganze Hochzeitsstress zerrt an meinen Nerven.“

Sein vages Misstrauen blieb, ohne dass er genau benennen konnte, was ihn störte. Ihre Wangen färbten sich rosa, und zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde hörte er, wie ihr ein leiser Fluch über die Lippen glitt. Unter ihren Augen zeichneten sich helle Schatten ab, und ihre Gesichtszüge wirkten schärfer gezeichnet als sonst.

Normalerweise war er ein höchst aufmerksamer Mann, heute allerdings hatte er nicht bemerkt, wie abgekämpft seine Braut war. Immerhin hatte sie diesen Tag ganz allein geplant, ohne dass er sich an den Vorbereitungen beteiligt hätte.

Kim war erfolgreich, kultiviert, und ihr eilte ein tadelloser Ruf voraus. Genau so eine Respektperson brauchte er als Vorzeigefrau an seiner Seite. Außerdem war sie ein gutes Vorbild für seine Schwester. Emily wurde immer unglücklicher und wilder. Auch das – und die Gerüchte über ihre gemeinsame Mutter – hatten Alexander zu einer raschen Vermählung gedrängt. In Kim hatte er die Lösung für all seine Probleme gefunden.

„Du hast diesen Tag hervorragend organisiert, Kim. Bis jetzt ist alles reibungslos verlaufen, es war einfach perfekt. Wie du.“

Ihre schokoladenbraunen Augen weiteten sich, und die rotgeschminkten Lippen wurden schmal. „Ja … ich meine, danke.“

Während der Fotograf die Gästeschar am Eingang für das Gruppenbild aufstellte, wurde Alexander endlich bewusst, was ihm schon die ganze Zeit über aufgefallen war. Prüfend betrachtete er die Brautjungfern, allesamt in blassrosa gekleidet. Natürlich! Olivia fehlt! Bestimmt war Kim darum so angespannt.

„Wo ist deine Schwester?“

„Sie … musste plötzlich weg.“ Sie hob die Schultern. „War wohl irgendetwas Wichtiges.“

Er zog die Stirn kraus. Seines Wissens war Olivia grundsätzlich unberechenbar und vor allem egoistisch und verantwortungslos. Dennoch zeigte sich Kim jedes Mal wieder überrascht über die Eskapaden ihrer Zwillingsschwester und nahm sie sogar in Schutz.

„Das hätte ich mir denken können“, murmelte er. „Was ist denn jetzt schon wieder mit ihr los?“

Sofort ging Liv in die Defensive, schob ihr Kinn vor und kniff die Augen zusammen. „Sie hat überhaupt nichts getan.“

Alexander war schleierhaft, warum sie ihre nichtsnutzige Zwillingsschwester ständig verteidigte. „Dauernd tut sie dir weh, Kim. Ist es nicht langsam an der Zeit, sie aus deinem Leben zu streichen, so wie euer Vater es getan hat?“

Entgeistert starrte sie ihn an und ballte ihre Hände zu Fäusten. Seine Arroganz verschlug ihr die Sprache.

Da rät er meiner vermeintlichen Schwester, sich von mir zu distanzieren? ereiferte Olivia sich. Dabei war Kim die einzige Person, der überhaupt noch etwas an ihr lag! Olivia wurde fuchsteufelswild. „Sie ist meine Schwester! Anders als du werde ich meine Familie nicht verraten, nur weil sie vielleicht nicht perfekt ist!“

Innerlich wappnete sie sich gegen seinen Wutausbruch. Das hatte sie schließlich schon tausendmal mit ihrem Vater erlebt. Die Tiraden des alten Herrn waren jedes Mal wie ein zerstörerischer Hurrikan gewesen. Nur die standhafte Kim hatte ihrer Schwester die Kraft gegeben, sich dagegen aufzulehnen. Und zum Dank stand Olivia jetzt hier und verdarb Kim ihre Chancen bei Alexander!

Doch der erwartete Ausbruch blieb aus. Stattdessen lächelte er sie an. Ganz offensichtlich hatte er sich völlig unter Kontrolle. „Ich habe dich unnötig provoziert“, sagte er, und es klang fast wie eine Entschuldigung.

Seine Selbstbeherrschung zerrte noch mehr an ihren Nerven. Eigentlich hätte sie gern gesehen, wie er explodierte. Das hätte zumindest ihren Eindruck von ihm bestätigt. Verstohlen beäugte sie die silberne Rolex, die an seinem tief gebräunten Arm funkelte. Von seinem Vater hatte er ein nordisches Aussehen geerbt, gepaart mit dem italienischen Blut seiner Mutter. Vielleicht war es genau diese exotische Mischung, die ihr Herz zum Rasen brachte.

Seit Kims überstürztem Aufbruch waren erst zwei Stunden vergangen, und trotzdem erschien Liv dieser Tag schon unerträglich lang. Starr blieb sie in seiner Umarmung stehen, ihre Schultern schmerzten vor Verspannung. Sie spürte Alexanders warme Hand auf ihrer Hüfte, und es fiel ihr schwer, sich nicht automatisch gegen ihn zu lehnen.

Ihre Brüste fühlten sich voller an als sonst, und zwischen ihren Schenkeln erwachte die Sehnsucht. Olivia schloss die Augen. Verdammt, das ist doch der Mann meiner Schwester! Nervös dachte sie an Kim. An die Freude auf dem Gesicht ihrer Schwester, nachdem die Verlobung verkündet worden war. An den begeisterten Klang ihrer Stimme, wann immer Kim von Alexander sprach. Das dämpfte die Erregung etwas.

Sie sah zur Seite und wollte ihn gerade darum bitten, sie loszulassen. Stattdessen trafen sich ihre Blicke und verfingen sich ineinander. Olivia fühlte sich ertappt.

„Entspann dich, Kim! Dies soll der schönste Tag deines Lebens sein!“

Mit beiden Händen stützte Olivia sich auf dem Marmorwaschtisch in Kims Suite ab. Es widerstrebte ihr, in den Bankettsaal zurückzukehren. Sie zögerte den Moment des Hochzeitsempfangs so weit wie möglich hinaus.

Das riesige Badezimmer, das fast ausschließlich Kerzenleuchter erhellten, war ein willkommener Ort der Ruhe. Am liebsten hätte sie sich hier ewig versteckt. Aber das würde Alexander nur unnötig beunruhigen. Wenn er nicht sowieso schon etwas ahnte …

Bei diesem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.

Sie ließ sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, um ihren Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Zu gern hätte sie sich das Make-up vom Gesicht gewaschen, aber das kam nicht infrage. Ihre Schwester achtete grundsätzlich auf ein perfektes Äußeres, und sie hatte Kim versprochen, sie heute würdig zu vertreten.

Müde starrte Olivia in den goldumrandeten Spiegel und konnte kaum glauben, wie makellos sie aussah. Ihre widerspenstigen braunen Locken waren mit einem Glätteisen gebändigt und zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt worden. Ihren Hals zierte eine elegante Diamantkette aus Weißgold – ein Hochzeitsgeschenk von Alexander. Normalerweise trug sie das herzförmige Amulett ihrer Mutter an einem schlichten schwarzen Lederband. Wenigstens hatte sie sich für ihren eigenen knallroten Lippenstift entschieden. Nie im Leben würde sie sich mit Kims pinkfarbenem Lipgloss in der Öffentlichkeit sehen lassen.

Auf in den Kampf!

Olivia atmete tief durch und machte sich auf den Weg zum Bankettsaal. Kurz vor dem Eingang bewunderte sie durch das Panoramafenster den endlos langen weißen Strand hinter der Villa und wünschte sich, sie könnte ihre nackten Füße im feinen Sand versinken lassen. Am Ende dieses grauenhaften Tages würde sie sich definitiv ein ausgiebiges Bad im Meer gönnen. Welchen Sinn machte es, eine Scheinhochzeit auf einer karibischen Insel zu ertragen, wenn man nicht einmal in den Genuss kam, im Ozean abzutauchen?

Der Saal war atemberaubend schön geschmückt. Kim hatte diese Feier tatsächlich perfekt vorbereitet, und jetzt war sie nicht einmal hier, um ihr Werk zu bewundern. Olivia gingen unzählige Fragen durch den Kopf. Sobald sie ihre Schwester in die Finger bekam, würde sie auf Antworten bestehen!

Die vielen runden Tische waren in weißen Stoff gehüllt und mit roséfarbenen Orchideen und Schleifen verziert. Von der Decke hingen weit über fünfzig Kristallleuchter herab und brachten das Geschirr und die Gläser zum Funkeln. Selbst für ein bodenständiges Mädchen wie Olivia, die wenig für traditionelle Hochzeiten übrig hatte, war dies ein wahrer Traum. Genau wie das zauberhafte Designerkleid, das sie trug.

Eine eiskalte Faust schloss sich um ihr Herz, als sie darüber nachdachte, was ihr selbst im Leben entging. Kim dagegen hatte alles … vor allem einen Mann, der sie liebte. Und der unfassbar attraktiv war.

Schluss damit!

Es brachte nichts, über Dinge nachzugrübeln, die niemals wahr wurden. Mit zitternden Händen fuhr Olivia sich über die Hüften und glättete die kostbare Seide ihres Kleids. Dann ging sie schnurstracks auf die Bar zu und ignorierte die neugierigen Blicke der anwesenden Gäste. Mit leiser Stimme bestellte sie sich einen Scotch, den sie in einem Zug leerte, ohne sich dabei umzudrehen. Sie brauchte das Gefühl von flüssigem Feuer in der Kehle, um auf klare Gedanken zu kommen.

Plötzlich begann ihre Haut zu kribbeln, und sie spürte die Anwesenheit ihres vermeintlichen Bräutigams.

„Hier versteckst du dich also?“

Unauffällig schob sie das leere Glas weit von sich. Kim vertrug keinen Alkohol, erst recht keinen Scotch, und das wusste Alexander natürlich. Seufzend setzte Olivia eine möglichst freundliche Miene auf und wandte sich ihm zu. Sein Anblick wirkte belebender auf sie als der Drink.

„Verstecken? Ich wollte nur wieder zu Kräften kommen“, antwortete sie und legte ihre Hand in seine.

Mit Schwung zog er sie an sich und runzelte die Stirn. „Hast du gerade etwas getrunken?“

Sie biss sich von innen in die Wange und suchte nach einer Ausrede. „Ich habe eine Aspirin gegen meine Kopfschmerzen genommen. Sie werden immer schlimmer.“ Zumindest das war nicht gelogen. Hinter ihren Schläfen hämmerte es unaufhörlich, es war zum Wahnsinnigwerden.

„In dem Fall wird wohl jeder Verständnis dafür haben, wenn wir uns früh verabschieden. Immerhin ist es unsere Hochzeitsnacht.“

Erschrocken sah sie zu ihm hoch, als er eine Hand in ihren Nacken schob und am Verschluss ihres Brautkleids herumspielte. „Ich kann es gar nicht erwarten, dir dieses Ding vom Leib zu reißen!“, flüsterte er ihr zu.

Olivia wurde gleichzeitig heiß und eiskalt. Hastig hakte sie sich bei ihm ein, sonst wäre sie wohl eingeknickt, so weich wie ihre Knie sich anfühlten. Doch der enge Körperkontakt regte ihre heimlichen Fantasien noch weiter an. Es musste wahnsinnig aufregend sein, von ihm gehalten zu werden, kurz bevor er …

Wo, zur Hölle, bleibt Kim eigentlich? Olivia fiel es von Sekunde zu Sekunde schwerer, diese riskante Scharade durchzuhalten!

Lieber Himmel, dieses Prachtexemplar von einem Mann gehört zu meiner Zwillingsschwester! sagte sie sich immer wieder. Sie durfte ihn nicht begehren.

Irgendwie gelang es Olivia, Haltung zu bewahren und angeregt mit den Gästen zu plaudern. Sie nickte begeistert, wenn Kims und Alexanders Freunde ihr versicherten, wie ausgezeichnet sie beide zusammenpassten. Ständig musste sie auf der Hut sein und vorgeben, ihre Gesprächspartner gut zu kennen – keine leichte Aufgabe. Aber falls die Leute sich wunderten, dass die intelligente, wortgewandte Kim ungewöhnlich still war, so ließ sich das bestimmt mit der Aufregung des heutigen Tages entschuldigen.

Später wusste Olivia nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, mit Alexander den Hochzeitswalzer zu überstehen. Die sinnlichen, harmonischen Bewegungen, mit denen sie sich über die Tanzfläche bewegten, fachten ihre Erregung neu an. Zwischen ihr und Alexander herrschte eine Spannung, die allmählich ein gefährliches Ausmaß annahm!

Livs Muskeln schmerzten vor Anspannung, nachdem der letzte Takt verklungen war. Und gerade als sie erleichtert aufatmete und sich aus Alexanders Umarmung löste, kündigte ein Mitglied der Liveband den traditionellen Tanz von Braut und Brautvater an. Nein, nein, nein!

Stocksteif blieb Olivia am Rand stehen. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Die nackte Angst erstickte sie beinahe, während sie ihren Vater auf sich zukommen sah. Er war immer noch ein gutaussehender Mann und lächelte, als wäre er unendlich stolz auf seine hübsche Tochter.

Ich kann das nicht! schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann nicht mit ihm tanzen. Spätestens jetzt wird alles auffliegen.

Sie fühlte sich in die Rolle des fünfzehnjährigen Mädchens zurückversetzt, das an ihrem Geburtstag mit dem alten Herrn hatte tanzen sollen. Noch heute hörte sie das verächtliche Zischen, das er ausgestoßen hatte, als sie ihm versehentlich auf den Fuß getreten war. Er hatte seine Finger fest in ihre Schulter gebohrt, und ihr damit ein weiteres Mal schmerzhaft zu verstehen gegeben, wie wenig er von ihr hielt.

Je öfter er sie kritisiert hatte, desto häufiger war sie gescheitert. Es wäre wohl endlos so weitergegangen, wenn Kim sich nicht eingeschaltet und den alten Herrn mit ihrer unnachahmlichen Perfektion besänftigt hätte. Damit hatte sie natürlich versucht, ihn von ihrer Schwester abzulenken, das wusste Liv. Doch am Ende hatte Kims Makellosigkeit Olivias Versagen nur noch deutlicher vorgeführt.

Die Erinnerung daran war wie ätzende Säure, die sich durch den inneren Schutzwall fraß, hinter dem Olivia ihre wahren Gefühle verbarg. Alte Wunden – von denen sie geglaubt hatte, sie wären längst verheilt – brachen wieder auf.

Überrascht schnappte sie nach Luft, als ein Gast plötzlich ihren Vater aufhielt. Seit sechs Jahren hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Trotzdem würde er sofort merken, wen er vor sich hatte – und ihr sicherlich keine Gelegenheit geben, das Ganze zu erklären.

Nein, stattdessen würde er sie hier an Ort und Stelle zur Schnecke machen, bis die ganze Welt erfuhr, dass Olivia Stanton wieder einmal versagt hatte. Und dieses Mal betraf es auch noch das Leben ihrer geliebten, perfekten Zwillingsschwester!

Das schlechte Gewissen schnürte ihr die Kehle zu. Sie würde ihrem Vater zu gern einmal in die Augen blicken können, ohne maßlose Enttäuschung darin zu sehen. Leider war das ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllen würde. Sie war einfach nicht gut genug für ihn – sie war es nie gewesen. Nicht einmal als Kims Double.

Mit dem Handrücken rieb sie sich über die Stirn und fasste einen Entschluss. „Meine Kopfschmerzen sind kaum noch auszuhalten. Bitte entschuldige mich bei meinem Vater!“

Als sie den Saal verließ, spürte sie Alexanders verwunderten Blick im Rücken, trotzdem drehte sie sich nicht mehr um. Im Moment blieb ihr nur die Flucht nach vorn.

Alexander nahm einem vorbeieilenden Kellner ein Glas Champagner vom Tablett und starrte seiner Braut hinterher. Kim wirkte blass und ziemlich verstört. Ihr Abgang war alles andere als würdevoll. Sie schien auf ihren hohen Schuhen nicht gut laufen zu können. Dabei hatte sie damit doch sonst keine Schwierigkeiten …

Seine Zweifel verwandelten sich in eine Gewissheit, die ihn wie der Blitz traf. Die Frau, die da gerade auf wackeligen Beinen davoneilte, war Olivia Stanton. Der Inbegriff dessen, was er an einer Frau verabscheute. Sie war selbstsüchtig, impulsiv und hatte ein Händchen für Skandale. Und sie war in der Lage, alles zu ruinieren: seinen Ruf und leider auch die rechtliche Fürsorge für seine Schwester.

Kim hätte niemals vor ihrem Vater die Flucht ergriffen. Bei Olivia lagen die Dinge anders. Die Kluft zwischen ihr und Jeremiah Stanton war ein beliebtes Thema in einschlägigen Klatschzeitschriften.

Glühende Wut packte ihn. Warum hatten die beiden Schwestern die Rollen getauscht? Und wann hatten sie es getan?

Die Antwort lag auf der Hand. Er hatte Olivia den Ehering an den Finger gesteckt und dabei ihren verführerischen, knallrot geschminkten Mund bewundert. Während der vergangenen sechs Monate war ihm nie aufgefallen, wie unglaublich erotisch diese Frau war …

Alles, wofür er im Leben geschuftet hatte, lag nun in der Hand dieses unzuverlässigen Partyluders, für das Verantwortung ein Fremdwort war. Unfassbar!

Er ignorierte die Tatsache, dass der Champagner aus seinem Glas schwappte und Jeremiah ihn besorgt musterte. Wild entschlossen machte er sich auf den Weg zur Suite, die Kim seit ihrer Ankunft vor einer Woche bewohnte, und nahm auf der Treppe zwei Stufen auf einmal.

Olivia wird den Tag noch verfluchen, an dem sie das Licht der Welt erblickt hat!

2. KAPITEL

Als Alexander die Suite leer vorfand, setzte er seine Suche nach Olivia am Strand fort. Im Mondlicht entdeckte er eine hell schimmernde Gestalt direkt am Wasser. Mit klopfendem Herzen schritt er den hölzernen beleuchteten Weg hinunter, der zum Ozean führte. Dieser Strandabschnitt direkt hinter seinem riesigen Luxusanwesen war sein ganz persönlicher Himmel auf Erden.

Er blieb stehen, und sein Puls raste weiter. Erst jetzt erkannte er eine feine Alabasterschulter, die in diesen Sekunden in den Fluten versank. Olivia war etwa eine halbe Meile von ihm entfernt, und Alexander bemerkte, wie sie mit den hohen Wellen zu kämpfen hatte.

Das Brautkleid und die hochhackigen Sandalen lagen im Sand, und obenauf die teure Diamantkette, die er Kim zur Hochzeit geschenkt hatte.

Seufzend sah er den privaten Strandabschnitt hinunter. Niemand würde hierherkommen, selbst seine Sicherheitskräfte nicht. Sie könnte ertrinken, ohne dass es jemand bemerkte.

Olivia verlieh dem Begriff Leichtsinn eine völlig neue Dimension. Wahrscheinlich versuchte Kim in dieser Sekunde, irgendwo ein Chaos zu richten, das ihre Zwillingsschwester angerichtet hatte. Man hätte Olivia längst Manieren beibringen müssen!

Alex ließ sich in einen Liegestuhl fallen und bemühte sich, seinen Ärger unter Kontrolle zu bekommen. Eine interessante Frage drängte sich ihm auf. Wie weit würde Olivia wohl gehen, um diese Farce aufrechtzuerhalten?

Bevor eine weitere Welle über ihrem Kopf zusammenschlug, holte Olivia gierig Luft. Eigentlich hatte sie nur ein bisschen im Wasser treiben wollen, aber die Strömung war derart stark, dass ihre Arme und Schultern bereits schmerzten. Sie war noch nie eine gute Schwimmerin gewesen und hatte Mühe, sich überhaupt an der Oberfläche zu halten.

Die Stille und das gleißende Mondlicht waren für eine Weile eine willkommene Abwechslung gewesen, aber inzwischen geriet dieser verwegene Ausflug zu einer ziemlich anstrengenden und gefährlichen Sache. Keuchend strampelte sie und ruderte verzweifelt mit den Armen, um nicht unterzugehen.

Wenn es um ihren Vater ging, war sie schon immer feige gewesen. Sie hatte nie den Mut gehabt, sich wirklich gegen ihn aufzulehnen, sondern war jedem offenen Konflikt mit ihm aus dem Weg gegangen. Genau wie heute.

Nach einer Ewigkeit erreichte sie endlich den Strand. Ihre Gliedmaßen fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Mit dem Gesicht nach unten lag sie im Sand, und ihre Lunge brannte wie Feuer. Dem Zorn ihres Vaters war sie um Haaresbreite entwischt, aber sie musste sich noch mit Alexander herumschlagen. Vorausgesetzt, Kim ließ noch länger auf sich warten.

Plötzlich stellten sich ihr die Nackenhaare auf, da ihr bewusst wurde, dass sie nicht allein war.

„Bist du etwa nackt?“

Erschrocken wandte sie den Kopf in Richtung der Stimme. Unmittelbar neben ihr lag Alexander ausgestreckt auf einem Liegestuhl. Er betrachtete sie unter halb geschlossenen Lidern.

Autor

Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

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