Blitzhochzeit mit dem arroganten Griechen?

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Der griechische Milliardär Tor Sarantos traut seinen Augen nicht: Ein schlafendes Baby wurde vor seiner Tür abgelegt! Noch erstaunter ist er, als kurz darauf atemlos eine bildhübsche Frau bei ihm auftaucht, den Kleinen abholen will und behauptet, es sei ihr gemeinsamer Sohn. Das kann nicht sein! weiß Tor. Doch dann erinnert er sich dunkel an jene Nacht, als er außer sich vor Trauer süßen Trost in den Armen dieser schönen Unbekannten suchte. Als Ehrenmann gibt es für Tor nur eine Lösung: Blitzheirat - auch wenn er der Liebe abgeschworen hat …
  • Erscheinungstag 19.03.2024
  • Bandnummer 2488
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691911
  • Laufzeit 04:33:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Tor Sarantos ignorierte den skeptischen Blick seines Security-Chefs. Heute Abend würde er weder seine Limousine noch seine Bodyguards in Anspruch nehmen.

„Du weißt, welcher Tag heute ist“, sagte Tor schlicht. „Ich werde ausgehen. Und zwar ganz alleine.“

„Bei allem Respekt, in deiner Position ist das viel zu gefährlich“, entgegnete der ältere Mann besorgt.

„Ich nehme den Einwand zur Kenntnis. Aber du weißt sehr gut, dass ich das jedes Jahr an diesem Tag so halte.“

Es war ein Jahrestag, aber keiner, den es zu feiern galt. Genau heute vor fünf Jahren waren seine Frau und seine Tochter ums Leben gekommen. Tor hielt sich weder für emotional noch für sentimental, doch er beging diesen Jahrestag, um sich selbst daran zu erinnern, wie sehr er versagt hatte. Es waren allein seine ungezügelte Wut, sein verletzter Stolz und seine Verbitterung gewesen, die zu dieser Tragödie geführt hatten. Aus Respekt gegenüber seiner verstorbenen Familie hatte er sich dazu entschieden, ihrer an diesem einen furchtbaren Tag im Jahr zu gedenken und sich seinem Selbsthass hinzugeben. Dieses Ritual machte ihn demütig, erdete ihn. Immerhin hatte er versagt, so dermaßen versagt, dass es zwei Menschen das Leben gekostet hatte, was niemals passiert wäre, wenn er ein nachgiebiger und verständnisvollerer Mensch gewesen wäre.

Doch Nachgiebigkeit und Verständnis zählten nicht unbedingt zu Alastor Sarantos’, genannt Tor, herausragenden Eigenschaften. Obwohl er einer liebevollen und einfühlsamen Familie entstammte, war er zu einem harten, unflexiblen und aufbrausenden Mann herangewachsen – Eigenschaften, die von dem milliardenschweren Bankier erwartet wurden, zu dem er geworden war. Man bewunderte seine Schonungslosigkeit, seinen Scharfsinn in finanziellen Dingen und seine Voraussicht. Um seinen Rat rissen sich nicht nur finanzstarke Investoren, sondern auch Regierungen. In beruflicher Hinsicht war er ein Überflieger, privat hingegen war er gescheitert, wie er unumwunden eingestehen musste. Dieses Geheimnis allerdings würde er mit ins Grab nehmen, genau wie seinen Schwur, nie wieder zu heiraten.

Seine Familie in Griechenland besuchte er nur noch selten. Das lag nicht nur an seinem verständlichen Wunsch, seinem italienischen Halbbruder Sevastiano aus dem Weg zu gehen, sondern auch an dem beinahe missionarischen Eifer seiner Verwandten, ihn dazu zu drängen, „nach vorne zu sehen“. Bei jedem seiner seltenen Besuche führte seine Familie ihm ganze Heerscharen junger Frauen vor, obwohl er mehr als einmal deutlich gemacht hatte, dass er keinerlei Verlangen danach verspürte, noch einmal zu heiraten und eine neue Familie zu gründen.

Nicht umsonst hatte er sich seit der Tragödie von einem glücklichen jungen Mann, der seine erste große Liebe geheiratet hatte, in einen Frauenhelden verwandelt, der in ganz Europa für seine leidenschaftlichen, jedoch kurzlebigen Affären bekannt war. Jetzt, mit achtundzwanzig, war er Lichtjahre von dem naiven und gutgläubigen Mann entfernt, der er einmal gewesen war, doch seine Familie weigerte sich hartnäckig, diese Veränderung wahrzunehmen. Selbstverständlich waren seine Eltern auch noch immer so glücklich miteinander, wie sie es am Tag ihrer Hochzeit gewesen waren, und fest davon überzeugt, dass dieses Glück auch jedem anderen widerfahren konnte.

Tor hatte nicht vor, der Spielverderber zu sein, der ihnen offenbarte, dass Lügen und Betrug unbemerkt im engsten Kreis der Familie ihre Blüten getrieben hatten. Er zog es vor, seine Lieben in ihrer eigenen glückseligen Welt leben zu lassen, denn er hatte selber auf schmerzvolle Weise erfahren müssen, dass, waren Vertrauen und Unschuld erst einmal zerstört, nichts auf der Welt sie wiederherstellen konnte.

Als er sich für den Abend umzog, legte Tor die goldenen Manschettenknöpfe und die Platinuhr ab. Nichts sollte seinen Reichtum verraten. Stattdessen entschied er sich für unauffällige verblichene Designerjeans und eine Lederjacke. Er würde sich alleine an eine Theke setzen und bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, während er an die Vergangenheit dachte; dann würde er sich ein Taxi rufen und nach Hause fahren. Das war alles. Wenn er zuließe, alles zu vergessen, sich ernsthaft gestattete, nach vorne zu sehen, so wäre das eine völlig unverdiente Entlastung von den Schuldgefühlen, unter denen er litt. Davon war Tor felsenfest überzeugt.

Achtzehn Monate später

Tor blickte überrascht auf, als seine Haushälterin plötzlich in der Tür zu seinem Arbeitszimmer erschien. Sie wirkte ungewöhnlich nervös.

„Jemand hat ein Baby auf der Treppe abgesetzt“, informierte Mrs. James ihn stockend. „Einen kleinen Jungen, etwa neun Monate alt.“

„Ein … Baby?“, wiederholte Tor.

„Die Security-Leute prüfen gerade die Bilder der Überwachungskameras.“ Steif trat sie auf den Schreibtisch zu. „Es gab auch eine Nachricht. Sie ist an sie adressiert, Sir.“

„An mich?“, fragte Tor ungläubig, während Mrs. James einen Umschlag auf den Tisch legte.

Darauf stand mit schwarzem Filzstift in sorgfältigen Druckbuchstaben sein Name geschrieben.

„Soll ich die Polizei rufen?“

Anstelle einer Antwort machte Tor sich daran, den Umschlag zu öffnen. Die Nachricht darin war kurz.

Das ist Ihr Kind.

Kümmern Sie sich darum.

Das konnte natürlich nicht stimmen. Doch was, wenn es das eines Verwandten war? Tor hatte drei jüngere Brüder, die ihn alle in letzter Zeit in seiner Londoner Stadtvilla besucht hatten. Was, wenn der Junge sein Neffe war? Es war offensichtlich, dass die Mutter verzweifelt auf Hilfe angewiesen war, wenn sie sich dazu entschlossen hatte, das Baby abzugeben und die Flucht zu ergreifen.

„Die Polizei?“, fragte Mrs. James noch einmal.

„Nein … noch nicht.“ Sollte jemand aus seiner Familie in die Sache verwickelt sein, so war ein Medienskandal das Letzte, was er wollte. „Ich kümmere mich erst einmal um die Angelegenheit.“

„Und was mache ich jetzt damit?“

„Womit?“

„Mit dem Baby“, gab die Haushälterin nüchtern zurück. „Ich habe keinerlei Erfahrung mit kleinen Kindern.“

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Rufen Sie eine Kindermädchenvermittlung an. Sagen Sie, es sei ein Notfall und müsste schnell gehen. Ich kümmere mich um alles Weitere.“

Ein Baby? Von ihm konnte es natürlich nicht sein. Dann aber gestand er sich widerwillig ein, dass keine Verhütungsform hundertprozentigen Schutz bot. Unfälle passierten. Genau genommen auch gewollte Unfälle, wenn eine manipulative Frau es so wollte.

Voller Unbehagen musste er plötzlich an die beinahe hysterische junge Frau denken, die letztes Jahr in sein Büro gestürmt war …

Achtzehn Monate zuvor

Pixie schloss die Tür zu dem eleganten Stadthaus auf, in dem sie vorübergehend untergekommen war. Als geringverdienende Krankenschwester in der Ausbildung war sie sich des Privilegs, kurzfristige Bewohnerin dieser Luxusbleibe zu sein, nur zu bewusst. Sie war froh über die Möglichkeit einer zweiwöchigen Flucht aus dem kleinen Reihenhaus, das sie normalerweise mit ihrem Bruder und dessen Freundin teilte, die bedauerlicherweise mit dem Gedanken zu spielen schien, sich von ihm zu trennen.

Ihren ständigen Streitereien zuhören zu müssen, ohne die Möglichkeit, sich zurückziehen zu können, war äußerst belastend geworden.

Und so war Pixie überglücklich gewesen, als Steph, die Schwester einer ihrer Freundinnen, jemanden gesucht hatte, der sich um ihr Siamkätzchen kümmerte, während sie im Ausland als Model arbeitete. Zuerst hatte Pixie sich gewundert, dass Steph nicht einen ihrer Mitbewohner gebeten hatte, die Katze bei sich aufzunehmen. Doch nachdem sie eingezogen war, hatte sie schnell begriffen, dass in dieser Zweckwohngemeinschaft ein jeder seiner eigenen Wege ging, ohne sich für die anderen Mitbewohner zu interessieren, und ihre Träume eines geselligen Zusammenlebens rasch begraben.

Jetzt begnügte sie sich damit, die Vorzüge eines eigenen Bades und eines riesigen Zimmers zu genießen und sich um ein kleines süßes Katzenbaby zu kümmern. Sie war im letzten Ausbildungsjahr und arbeitete gerade während einer Art Praxissemester in einer Zwölf-Stunden-Schicht. Der Aufenthalt in diesem edlen Stadthaus war wie eine Belohnung für sie, und sie war dankbar für diese kleine Auszeit.

Als sie wenig später in der Wanne lag, konnte sie die Gedanken an die Arbeit in der Notaufnahme nicht verdrängen, bei der sie es mit der ersten Toten in ihrer Zeit als Krankenschwester zu tun gehabt hatte. Es war eine junge, gesunde Frau gewesen, und schwermütig gestand Pixie sich ein, dass keine Ausbildung sie auf einen solchen Moment vorbereiten konnte. Dabei war es nicht ihre Rolle, sich emotional mitreißen zu lassen, sondern sich mit allem Taktgefühl und aller Empathie, die sie aufbringen konnte, um die trauernden Angehörigen zu kümmern. Das hatte sie so gut sie es konnte auch getan, doch der tragische Tod der Frau ließ sie einfach nicht los. Sie wusste, dass sie ihre Arbeit und die unvermeidlichen Schicksalsschläge, die sie dort noch erwarteten, nicht mit nach Hause nehmen sollte, wenn sie es zu der Professionalität bringen wollte, die sie am Beruf der Krankenschwester so bewunderte. Aber sie war erst einundzwanzig Jahre alt, und der Verlust ihrer eigenen Eltern lag gerade einmal sechs Jahre zurück, und so fiel es ihr schwer, den Tod als etwas Alltägliches zu betrachten.

Nach dem entspannenden Schaumbad ging es ihr schon ein wenig besser. Schnell zog sie sich einen gemütlichen Pyjama an und machte sich dann auf den Weg in die Küche. Es war noch zu früh am Abend, als dass ihre partyfreudigen Mitbewohner schon wieder nach Hause kämen; andere waren aus beruflichen oder privaten Gründen verreist. Zu dieser Tageszeit und in den ganz frühen Morgenstunden hatte sie das Haus für sich.

Sie zuckte zusammen, als ihr Blick auf ihr verschwommenes Spiegelbild in der Terrassentür fiel, die von der Küche in den Garten führte: eine kleine kurvenreiche Frau mit grünen Haaren.

Grün! Was hatte sie nur geritten, als sie sich vor einigen Wochen die Haare gefärbt hatte? Eloise, die Freundin ihre Bruders Jordan, hatte sie in einem Moment dazu überredet, als Pixie am Boden gewesen war, weil der Mann, für den sie sich interessierte, noch nicht einmal Kenntnis von ihr genommen hatte. Antony war Rettungssanitäter, warmherzig und freundlich, genau die Art Mann, von der Pixie glaubte, sie würde zu ihr passen.

Aber die Haarfärbung hatte sich als schlechte Idee erwiesen, zumal sich die billige Tönung anders als auf der Packung versprochen nicht einfach auswaschen ließ. Außerdem hatte sie erst zu spät gelesen, dass sie für blonde Haare nicht geeignet war.

Pixie hatte ihre blonden Locken von dem Moment an gehasst, als man sie in der Schule „Pudel“ getauft hatte – nicht etwa ihre Feinde, sondern ihre sogenannten Freunde! In den vergangenen Wochen jedoch hatte sie herausgefunden, dass grüne Locken sehr viel schlimmer waren als blonde. Denn jeder, von ihrer Ausbildungsleiterin bis hin zu ihren Kollegen und Vorgesetzten, hatte sie wissen lassen, dass grüne Haare absolut unprofessionell waren. Sie hatte aber kein Geld dafür, sich von einem Friseur aus der Misere befreien zu lassen, denn obwohl sie zwölf Stunden arbeitete, war es als unbezahltes Praxissemester deklariert, das ihr keine Zeit ließ, nebenher noch Geld zu verdienen.

Müde zog Pixie ihren Sandwichtoaster hervor und suchte die Zutaten zusammen, die sie für ihren Käsetoast brauchte, und stellte sie auf dem ultramodernen Küchentresen ab. Es war mehr oder weniger das einzige Essen, das sie sich leisten konnte. Coco, das Kätzchen, bekam bessere Nahrung als sie selber. Als sie den Wasserkessel aufsetzte, glaubte sie ein Geräusch zu hören, beschloss aber, dass es die Katze gewesen sein musste, die im Zimmer nebenan mit einem kleinen Gummiball spielte.

Während Pixie darauf wartete, dass ihr Toast fertig war, dachte sie daran, dass sie am kommenden Wochenende ins Haus ihres Bruders zurückkehren würde. Auch wenn sie sich dort mit Jordan und Eloise wie das fünfte Rad am Wagen vorkam, hatte sie keine andere Wahl. Da Jordan gerade seinen Job verloren hatte, weil sein Boss eine falsche Spesenabrechnung als Betrug und nicht als Versehen betrachtet hatte, machte Jordan gerade eine schwere Zeit durch. Bei allen seinen Auseinandersetzungen mit Eloise ging es ums Geld, weil er noch keine neue Anstellung gefunden hatte und die Rechnungen sich stapelten. Was wiederum dafür sorgte, dass Pixie sich schlecht fühlte, war sie doch eine weitere Belastung für ihren Bruder in einer ohnehin schon angespannten Situation.

Jordan war zu ihrem gesetzlichen Vormund ernannt worden, als ihre Eltern völlig unerwartet gestorben waren. Damals war er dreiundzwanzig gewesen und Pixie fünfzehn. Ihr war schmerzhaft bewusst, dass er sich die Bürde hätte ersparen und sie in eine Pflegefamilie geben lassen können, zumal sie eigentlich nur Halbgeschwister waren. Sie hatten denselben Vater, aber Jordans Mutter, die erste Frau des Vaters, war gestorben, und erst danach hatten Pixies Eltern sich kennengelernt und geheiratet. Jordan hatte sich der Verantwortung nicht entzogen, wie er es hätte tun können. Er hatte viel auf sich genommen, um die Behörden davon zu überzeugen, dass er einem Teenager ein guter Vormund sein würde. Pixie schuldete ihm viel für die Unterstützung und Fürsorge, die er ihr jahrelang geschenkt hatte.

„Hier riecht es aber gut.“

Beim Klang der unbekannten, tiefen Männerstimme wäre Pixie beinahe tot umgefallen. Erschrocken schwang sie herum und sah den Fremden an, der sich in dem Drehsessel im Wintergarten langsam zu ihr umwandte.

‚Im Himmel muss ein Engel fehlen‘ war die abgedroschenste Anmache, mit der man sich je an Pixie herangemacht hatte, aber zum ersten Mal im Leben sah sie sich einem Mann gegenüber, der diese Worte völlig zurecht verdient hatte. In seiner schieren maskulinen Vollkommenheit wirkte er wie aus einer anderen Welt. Ihr Herz hämmerte von dem Schreck noch immer wie verrückt, und wild entschlossen, sich von ihren unpassenden Gedanken nicht einschüchtern zu lassen, trat sie auf ihn zu. Der Mann hatte die Augen eines Raubtiers – scharf, lauernd und schwarz wie die Nacht.

„Ich habe dich überhaupt nicht gesehen … wer bist du?“, fragte sie so höflich, wie sie konnte, aus Angst, einen von Stephs Mitbewohnern oder deren Freunden vor den Kopf zu stoßen.

„Ich heiße Tor“, murmelte er. „Ich muss eingeschlafen sein, bevor ich mir ein Taxi rufen konnte.“

„Ich wusste nicht, dass außer mir noch jemand hier ist. Ich bin gerade von der Arbeit nach Haus gekommen und mache mir etwas zu essen“, erklärte Pixie. „Wen hast du hier besucht?“

Er runzelte die Stirn, bevor er sich im Sessel zurücksinken ließ. „Tut mir leid … Ich erinnere mich nicht an ihren Namen. Eine Frau mit roten Haaren und langen Beinen. Und einem nervigen Kichern.“

„Saffron“, erklärte Pixie und unterdrückte ein Grinsen. „Aber wieso hat sie dich hier einfach sitzenlassen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie ist weggestürmt. Ich habe sie zurückgewiesen, und sie war sauer.“

„Du hast Saffron … zurückgewiesen?“, hakte Pixie ungläubig nach, denn Saffron betrachtete sich als angehende Schauspielerin und sah aus wie ein Supermodel, nach dem sich die Männer auf der Straße den Kopf verdrehten.

„Es war ein Missverständnis“, klärte Tor sie auf. „Ich dachte, wir gingen auf eine Party. Sie hat etwas anderes gedacht. Tut mit leid. Ich bin ziemlich betrunken und habe meine Zunge nicht ganz unter Kontrolle.“

Nie im Leben war er betrunken!

Pixie hatte in der Notaufnahme mit genug alkoholisierten Menschen zu tun, und in aller Regel waren sie kaum in der Lage, sich zu artikulieren, ohne laut zu fluchen oder ohne fremde Hilfe aufrecht zu stehen. Dieser Mann hingegen sprach klar und deutlich, und er war höflich. Außerdem hätte sie nie geglaubt, dass es auch nur einen Mann gäbe, der sich die Chance auf Sex mit der umwerfenden Saffron entgehen ließe.

„Was machst du dir zu essen?“, fragte Tor sie völlig unerwartet.

„Einen Käsetoast.“ Sie öffnete den Sandwichtoaster und griff nach ihrem Teller.

„Duftet köstlich …“

„Möchtest du einen?“, hörte Pixie sich fragen und verfluchte sich sofort im Stillen.

Er war ein völlig Fremder, und sie war ihm nichts schuldig, doch wie die Freundin ihres Bruders gesagt hatte, war sie eine Glucke, die Art Frau, die Männer ausnutzten. Und es stimmte. Es machte ihr Spaß, sich um andere zu kümmern. Andere glücklich zu machen, sich um deren Bedürfnisse zu kümmern, verschaffte ihr Zufriedenheit, doch Eloise war der Meinung, dass Pixie diese Eigenart schon aus Selbsterhaltung ablegen sollte.

„Liebend gerne. Ich bin am Verhungern.“ Er stand auf, lächelte sie an, und dieses Lächeln warf sie vollkommen um. Es umhüllte sie mit einer einzigartigen Wärme und verlieh seinen markanten Zügen eine so atemberaubende Schönheit, dass sie Schmetterlinge im Bauch bekam. Du dummes, dummes Ding, schimpfte sie sich im Stillen, bevor sie sagte. „Hier … nimm den hier. Ich mache mir einen neuen.“

Sie schob den Teller mit Messer und Gabel über die Kücheninsel.

Tor kam langsam auf sie zu, nahm auf einem Barhocker Platz und beobachtete sie.

Pixie wandte ihre Aufmerksamkeit dem nächsten Toast zu. Nichts, was sie jemals in Antonys Nähe gespürt hatte, ließ sich mit der brennenden Erregung vergleichen, die sie unter dem Blick des Fremden erfasste.

Die Haare waren seltsam, ein anderes Wort gab es dafür nicht. Fasziniert starrte Tor auf die langen dichten hellgrünen Locken, die der Frau über die schmalen Schultern fielen. Doch wenn jemand Grün als Haarfarbe tragen konnte, dann war sie es. Sie hatte die strahlendsten blauen Augen, die er je gesehen hatte, weiche rosafarbene Lippen und makellose Haut, war aber so klein, dass er sie hinter der Kücheninsel gerade eben sehen konnte.

„Wie groß bist du?“, fragte er neugierig.

Pixie zuckte zusammen. „Etwas über einen Meter fünfzig. In meiner Familie ist niemand besonders groß.“

„Und wie alt bist du?“

„Wieso fragst du das?“

„Ich befinde mich in einem Haus, in dem ich niemanden kenne. Ich möchte nicht, dass sich herausstellt, dass ich das Kind eines Fremden mit meiner Gesellschaft belästige.“

„Ich bin einundzwanzig“, klärte sie ihn verstimmt auf. „Ich habe meine Ausbildung zur Krankenschwester fast abgeschlossen, bin erwachsen und unabhängig.“

„Einundzwanzig ist trotzdem noch sehr jung“, gab er milde zurück.

„Und selber, alter Mann?“, neckte sie ihn. Dann schob sie den zweiten Toast in den Röster und lehnte sich an die Arbeitsfläche, um ihm beim Essen zuzusehen. „Kaffee?“

„Gerne. Schwarz, mit Zucker. Ich bin achtundzwanzig Jahre alt.“

„Und verheiratet“, stellte sie mit Blick auf den funkelnden Ring an seinem Finger fest, bevor sie die Kaffeemaschine ein zweites Mal anstellte. „Was wolltest du dann mit Saffron? Entschuldigung, das geht mich wirklich nichts an … Das hätte ich nicht fragen dürfen.“

„Kein Problem. Ich bin Witwer“, erklärte Tor bereitwillig.

Pixie verrührte den Zucker im Kaffee und reichte Tor die Tasse. „Das tut mir sehr leid.“

„Ist schon okay.“ Plötzlich klang er reserviert. „Es ist jetzt fünf Jahre her, dass meine Frau und meine Tochter gestorben sind.“

Sie wurde blass. „Du hast auch dein Kind verloren?“

Statt einer Antwort nickte er stumm.

„Wie furchtbar. Das tut mir wirklich unendlich leid“, sagte sie leise.

„Heute spricht niemand mehr darüber. Für die anderen ist es, als wäre es hundert Jahre her“, murmelte er mit unüberhörbarer Verbitterung in der Stimme.

„Beim Thema Tod fühlen sich die meisten Menschen unsicher. Aus Angst davor, etwas Falsches zu sagen, reden sie lieber gar nicht darüber.“

„Oder aus Angst davor, dass er ansteckend ist“, gab Tor trocken zurück.

„Ich weiß. Meine Eltern sind kurz nacheinander gestorben. Danach sind mir selbst meine Schulfreundinnen aus dem Weg gegangen.“

„War es ein Autounfall?“

„Nein, sie hatten die Legionärskrankheit. Sie waren beide Diabetiker mit einem geschwächten Immunsystem und sind einfach nicht früh genug zum Arzt gegangen. Sie hatten geglaubt, sich einen harmlosen Virus eingefangen zu haben, und wir haben uns alle nichts Böses gedacht.“ Sie hob eine Schulter bei der schmerzhaften Erinnerung. „Mein Vater ist zuerst gestorben, und nur einen Tag später meine Mutter. Ich war völlig am Boden zerstört. Ich hatte keine Ahnung, wie krank sie wirklich waren, bis es zu spät war.“

„Machst du deshalb die Ausbildung zur Krankenschwester?“

„Auch. Ich wollte gerne etwas Sinnvolles, Praktisches lernen.“ Sie seufzte, und um ihre vollen Lippen spielte ein reumütiges Lächeln. „Und wenn ich ganz ehrlich bin, war ich eins von diesen Kindern, die ihren Teddybären einbandagieren und verwaiste Vogelküken mit nach Hause bringen. Mein Bruder hat mich immer dafür ausgelacht.“

„Einen Bruder habe ich auch, aber wir sind zerstritten“, gab Tor zu seiner eigenen Überraschung freimütig zu. Anscheinend stimmte es, dass Alkohol die Zunge lockerte, denn er benahm sich seltsam. Er war vom Wesen her eher reserviert und sprach außerhalb der Arbeit eher wenig. Oder war es die Frau, die ihn dazu brachte, sich zu öffnen, so unbedrohlich und bewusst unsexy in ihrem grauen Pyjama mit den kleinen rosa Flamingos? Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als ihm auf einmal die fantastische Rundung ihrer festen, vollen Brüste unter dem Pyjama-Oberteil auffiel, während sie auf einen Barhocker stieg, um ihren Toast zu essen.

„Zerstritten?“ Ihre großen blauen Augen waren voller Mitgefühl. „Das ist traurig.“

„Nein, ist es nicht. Er hat mit meiner Frau geschlafen!“ Tor war über sich selbst schockiert, denn das hatte er noch nie laut ausgesprochen. Vielmehr hatte er sich geschworen, dieses schmutzige Geheimnis mit ins Grab zu nehmen.

Erschrocken riss sie die Augen auf. „Ach du lieber Gott … Das hat dein Bruder getan?“

„Wir sind nicht zusammen aufgewachsen und standen uns nie besonders nah“, gab Tor grimmig zu. „Aber das werde ich ihm trotzdem nie vergeben.“

„Natürlich nicht. Wie auch.“

Und nun musste Tor feststellen, dass er, nachdem er erst einmal angefangen hatte, zu erzählen, nicht mehr damit aufhören konnte. „An dem Abend, an dem meine Frau gestorben ist, hat sie mir gestanden, dass sie sich schon vor unserer Hochzeit in Sev verliebt hatte, sie aber aus Loyalität mir gegenüber gegen ihre Gefühle angekämpft hätte. Sie hatte geglaubt, sie würde über ihn hinwegkommen.“

„Sie hätte dich trotzdem nicht heiraten dürfen“, warf Pixie mitfühlend ein. „Sie hätte dir vor der Hochzeit von ihren Zweifeln erzählen müssen.“

„Das wäre jedenfalls weniger zerstörerisch gewesen als das, was dann dabei rausgekommen ist.“ Sein schmales Gesicht sah aus, als wäre es aus Granit gemeißelt, seine nachtschwarzen Augen wirkten hart. „Nach so vielen gemeinsamen Jahren herauszufinden, dass das gemeinsame Leben eine Farce war, eine einzige Lüge, war viel schlimmer … und ich konnte nicht besonders gut damit umgehen“, endete er mit rauem Tonfall.

„Es muss ein völliger Schock für dich gewesen sein.“ Seufzend stand sie auf, um ihm noch einen Kaffee zu machen.

„Das entschuldigt mein Verhalten trotzdem nicht.“ Abwesend richtete er seine Augen auf sie, von denen sie geglaubt hatte, sie wären dunkel, doch jetzt sah sie, dass goldene Sprenkel darin sie vielmehr bronzefarben aussehen ließen. Er hatte wunderschöne Augen, die zudem noch von unglaublich langen Wimpern eingerahmt wurden. Er sah schon beängstigend gut aus, und es kostete Pixie einige Mühe, den Blick von seinen perfekt geformten schwarzen Brauen, dem Schwung seiner Wangenknochen und seinem sinnlichen Mund zu nehmen.

„Wieso? Wie hast du dich denn verhalten?“

„Als ich nach Haus kam, war sie gerade dabei, ihre Koffer ins Auto zu packen. Erst da hat sie mir von ihrer Affäre erzählt … buchstäblich in der letzten Minute. Ich hatte nicht den leisesten Verdacht, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gab, und doch hatte sie nach drei Jahren einer in meinen Augen glücklichen Ehe nur einen Zettel zurücklassen wollen.“ Voller Abscheu blähte er die Nasenflügel. „Wir hatten einen bösen Streit. Es war einfach … vollkommen chaotisch.“

„Der Schock“, wiederholte Pixie. „Er intensiviert alles, was man fühlt, und gleichzeitig ist man nicht man selber. Man verliert die Kontrolle.“

„Ich habe ziemlich schlimme Dinge gesagt … grausame Sachen“, gab Tor mit unsicherer Stimme zu, während er gleichzeitig beschloss, das schlimmste Eingeständnis Katerinas, dasjenige, das ihn wirklich zerrissen hatte, für sich zu behalten – nämlich, dass die Tochter, die er über alles geliebt hatte, nicht sein Kind war, sondern das seines Halbbruders.

„Du warst völlig überrumpelt und hattest keine Zeit, in Ruhe über alles nachzudenken.“

Ihr warmherziger Versuch, ihn zu trösten, rührte Tor, und so griff er nach ihrer Hand und drückte sie vorsichtig, bevor er sie wieder losließ. „Du kannst vielleicht andere retten, aber mich nicht. Mit meiner Schuld werde ich leben müssen. Katerina ist nach oben gerannt und hat unsere Tochter aus dem Bett geholt. Zu diesem Zeitpunkt war meine Frau schon völlig außer sich und in keinem Zustand, in dem sie hätte Auto fahren dürfen. Ich habe versucht, sie zur Vernunft zu bringen, aber sie hat nicht auf mich gehört. Sofia hat sich aufgeregt und geweint …“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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