Hochzeitsnacht in Florenz

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Nur eine Zweckehe? Conte Marco di Vincenti und die englische Nanny Alice heiraten, damit die kleine Angelina endlich eine richtige Familie hat. Doch schon in der Hochzeitsnacht erwacht in Marco die Leidenschaft für seine schöne Braut. Aber was empfindet sie für ihn?


  • Erscheinungstag 19.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779184
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Viel Glück. Aber du wirst den Job bekommen, Alice. Niemand könnte ein besseres Kindermädchen als dich finden. Dein einziger Fehler ist, dass du Kinder zu sehr magst.“

Alice rang sich ein Lächeln ab, als sie die Umarmung ihrer älteren Schwester erwiderte. Obwohl es über einen Monat her war, dass sie ihren letzten Job aufgegeben hatte, vermisste sie ihre beiden Schützlinge – im Gegensatz zu deren Vater, der ihr die letzten Monate mit seinen Annäherungsversuchen so schwer gemacht hatte. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte sie das Angebot seiner Frau, mit ihnen nach New York zu gehen, nicht angenommen.

Ihre ehemalige Arbeitgeberin war in vieler Hinsicht typisch für einige Karrierefrauen, die zwar ein Kindermädchen engagieren mussten, dieses aber eigentlich nicht in ihrem Haus duldeten. Das war allerdings der Preis für den Beruf, den sie, Alice, gewählt hatte. Und nun würde sie zu einem Vorstellungsgespräch nach Florenz fliegen, wo ein alleinstehender Vater ein englischsprachiges Kindermädchen für sein sechs Monate altes Baby suchte.

„Danke, dass du Louise mitnimmst“, fuhr ihre Schwester Connie fort. „Sicher wird sie Florenz lieben. Sie hatte es in letzter Zeit nicht leicht, und die Reise wird ihr hoffentlich guttun.“

Alice hingegen hatte das Gefühl, dass Louise entschlossen war, ihrem Kummer und ihrer Unsicherheit Ausdruck zu verleihen, indem sie ihrer Stiefmutter Connie und ihrem Vater wegen deren Heirat ein schlechtes Gewissen machte, und dass sie sich daher auch über die viertägige Reise nach Florenz nicht freuen würde. Sie hatte sich bereit erklärt, vier Tage vor ihrem Vorstellungsgespräch mit dem Conte di Vincenti mit Louise nach Italien zu fliegen.

Dass nur von einem sechs Monate alten Baby die Rede gewesen war, hatte sofort ihren Mutterinstinkt geweckt, weil es nahelegte, dass der Conte keinerlei emotionale Bindung zu dem Kind hatte.

Da sie neben Französisch und Deutsch auch fließend Italienisch sprach, würde sie keine Verständigungsprobleme haben. Alice fragte sich allerdings, warum sie ein ungutes Gefühl wegen der bevorstehenden Reise hatte. Weil sie für Louise verantwortlich sein würde, die sich momentan wie ein typischer Teenager verhielt, oder weil ihr allein beim Klang des Namens „Conte di Vincenti“ ein Schauer über den Rücken rieselte?

1. KAPITEL

In Florenz war es noch heißer, als sie erwartet hatte. Da Louise sich geweigert hatte, sie zu begleiten, und weiterschlief, erkundete Alice die Stadt am frühen Morgen allein. Nachdem sie eine junge Mutter mit ihren Kindern aus einer Eisdiele hatte kommen sehen, beschloss sie, sich erst einmal ein Eis zu kaufen, und überquerte die belebte Straße. Den Wagen, der die Straße blockierte, beachtete sie kaum, wohl aber den teuren roten Sportwagen, der auf sie zukam. Gleich hinter ihr war eine rote Ampel, sodass sie das wütende Hupen des Fahrers ignorierte.

Während sie sich ein Tiramisu-Eis bestellte und darauf wartete, war sie sich jedoch der Tatsache bewusst, dass der Wagen direkt hinter ihr stand. Der junge Verkäufer, der sie bediente, flirtete wortreich mit ihr, und sie errötete prompt. Als sie sich umdrehte, stellte sie fest, dass der Fahrer des Sportwagens es gehört hatte und sie mit einem verächtlichen Zug um den Mund betrachtete.

Sie war so verlegen, dass sie noch stärker errötete und ihr Eis nun überhaupt nicht mehr genießen konnte. Zweifellos hielt dieser Mann sie für eine alberne nordeuropäische Touristin, die auf einen billigen Urlaubsflirt aus war. Daher warf sie ihm einen genauso vernichtenden Blick zu. Leider hatte sie nur nicht daran gedacht, wie schnell das Eis in der Sonne schmelzen würde, und stellte nun entsetzt fest, dass es auf ihr Top tropfte. Das musste auch der Grund sein, warum ihre Knospen sich plötzlich aufrichteten und unter dem dünnen Stoff abzeichneten. Und die ganze Zeit musste sie nun warten, bis sie die Straße überqueren konnte, während dieser Mann anzüglich ihre Brüste betrachtete.

Dieser entsetzliche Kerl, dachte Alice, musste sich jedoch gleichzeitig eingestehen, dass sie noch nie einem Mann mit einer so gefährlichen Anziehungskraft wie ihm begegnet war. Allein der Blick aus seinen topasfarbenen Augen hätte einen Gletscher zum Schmelzen gebracht, wie sie überlegte, nachdem er weggefahren war. Und er hatte es noch nicht einmal beabsichtigt! Der Himmel wusste, was dieser Mann bewirkte, wenn er einer Frau einen bewusst sinnlichen Blick zuwarf! Nicht, dass sie es je erfahren würde oder wollte! Nein, niemals, auf keinen Fall!

Und dass er bei dieser Hitze Cabrio fuhr, war vermutlich reines Machogehabe. Sie verachtete Männer wie ihn, Männer, die es nötig hatten, ihre Männlichkeit zu betonen. Allerdings hatte dieser Italiener nicht so ausgesehen, als wäre es bei ihm der Fall.

Zur Hölle mit dieser Frau! Wo ist sie? dachte Marco und sah wütend auf seine Armbanduhr. Als er den Blick durch das leere Foyer des exklusiven Hotels am Stadtrand von Florenz schweifen ließ, in dem er sich mit der Engländerin verabredet hatte, runzelte er die Stirn. Mit großen Schritten ging er in dem Raum auf und ab und wirkte dabei so imposant, dass die Frau, die jetzt das Foyer durchquerte, unwillkürlich erschauerte. Er merkte es jedoch nicht.

Die Tatsache, dass seine Gesprächspartnerin nicht pünktlich erschien und es offenbar auch nicht für nötig hielt, ihn davon zu unterrichten, sprach seiner Meinung nach nicht gerade für ihre berufliche Qualifikation, auch wenn die Inhaberin ihrer Agentur sie in den höchsten Tönen gelobt hatte.

Schon bevor er in Florenz eingetroffen war, war er nicht gerade bester Stimmung gewesen. Die zuverlässige Limousine, die er sonst fuhr, hatte offenbar einen elektrischen Defekt und stand gerade in der Werkstatt. Daher musste er den protzigen knallroten Ferrari fahren, der einmal seinem Cousin Aldo gehört hatte und seit dessen Tod im Palazzo stand. Und im Gegensatz zu seinem soliden Wagen erregte der Ferrari genau die Aufmerksamkeit, die er, Marco, nicht brauchte. Er kniff leicht die Augen zusammen, als er an die Blondine dachte, die er in der Stadt gesehen hatte, als er auf dem Weg zu einem Mitarbeiter gewesen war.

Auch wenn sie ihm mit ihrem Blick mitgeteilt hatte, dass er es ja nicht wagen sollte, sie so anzusehen, hatte ihre körperliche Reaktion verraten, dass sie von seinem Wagen angetan war. Ihm war es natürlich lieber, wenn eine Frau sich zu ihm hingezogen fühlte statt zu seinem Wagen. Aldo war in der Hinsicht ganz anders gewesen.

Wo blieb dieses verdammte Kindermädchen nur?

Es passte ihm nicht, dass sie entgegen seinem Wunsch nicht in diesem Hotel abgestiegen war, wie Marco sich eingestehen musste. Stattdessen hatte sie darauf bestanden, sich ein Zimmer in einem einfachen Hotel in der Innenstadt zu nehmen – vermutlich weil sie sich die Stadt ansehen wollte und dieses Hotel ihr zu abgelegen und ruhig war. Das war kein gutes Zeichen. Während seines Studiums in England hatte er oft erlebt, wie junge Engländerinnen ihre Abneigung gegen alles, was zu ruhig war, unter Beweis stellten.

Vielleicht war es altmodisch von ihm, sexuelle Freizügigkeit zu verabscheuen und daran zu glauben, dass sowohl Männer als auch Frauen sich so weit beherrschten und genügend Stolz besaßen, um Sex nicht als gefühllosen Akt körperlicher Befriedigung zu betrachten.

Gereizt schob Marco den Ärmel seines hellgrauen Jacketts zurück und blickte wieder auf die Uhr. Angelina, das Baby, für das er ein Kindermädchen suchte, war jetzt sicher wach und verlangte nach ihm. Nach dem traumatischen Verlust ihrer Mutter klammerte die Kleine sich an ihn, die einzige andere erwachsene Bezugsperson in ihrem Leben. Und er war alles andere als zufrieden mit den Leistungen des jetzigen Kindermädchens, das Angelinas verstorbene Mutter engagiert hatte.

Grimmig rief Marco sich ins Gedächtnis, das Angelina nun sein Kind und daher völlig abhängig von ihm war. Momentan stand sie für ihn an erster Stelle, und daher war er entschlossen, das beste Kindermädchen überhaupt für sie zu finden – ein Kindermädchen, das ihr nicht nur seine Zeit und Fürsorge, sondern bis zu einem gewissen Grad auch einige Jahre seines Lebens widmete.

Und in diesem Punkt war er hin und her gerissen. Er fühlte sich Angelina so verbunden und so für sie verantwortlich, dass er sie nur einer Frau anvertrauen würde, die liebevoll, zuverlässig und verantwortungsbewusst war. Diese Frau musste ihr die Liebe und Geborgenheit geben, die Angelina seit dem Tod ihrer Mutter vermisste. Und da ihre Mutter Engländerin gewesen war, hatte er sich entschlossen, auch ein englisches Kindermädchen zu engagieren, damit Angelina zweisprachig aufwachsen konnte.

Die junge Frau, für die er sich schließlich entschieden hatte, war ihm in vieler Hinsicht fast zu perfekt erschienen. Andererseits war natürlich klar, dass die Inhaberin der Agentur sie in den höchsten Tönen lobte.

Nun schien es ihm, als wäre er zu Recht skeptisch gewesen. Grimmig sah Marco erneut auf seine Armbanduhr. Da seine Züge die für viele Italiener typische Arroganz und Sinnlichkeit verrieten, war es kein Wunder, dass die junge Frau am Empfang ihn ehrfürchtig und verlangend zugleich betrachtete. Er strahlte Kraft und Männlichkeit aus, und sein maßgeschneiderter Anzug verbarg nicht, wie muskulös er war. Und seine natürliche Sinnlichkeit, die viel tiefer ging als seine attraktiven Züge und die man sich weder mit Geld noch mit Macht aneignen konnte, blieb auf keine Frau ohne Wirkung.

Marco hatte jedoch einen grimmig-entschlossenen Zug um den Mund, der ihn von den meisten seiner Geschlechtsgenossen unterschied und eine gewisse Überheblichkeit und Unnahbarkeit verriet.

Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er bereits seit über zehn Jahren das Oberhaupt seiner weitverzweigten Familie. Seine Eltern waren bei einem Absturz mit dem Privatflugzeug ums Leben gekommen, das der jüngere Bruder seines Vaters geflogen hatte. Er, der mit vollem Namen Semperius Marco Francisco Conte di Vincenti hieß, war damals fünfundzwanzig gewesen und hatte gerade sein Architekturstudium abgeschlossen. Er war sich der Verantwortung seiner zukünftigen Rolle bewusst gewesen, die darin bestand, die Familientradition aufrechtzuerhalten und die Zukunft der Familie zu sichern. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters hatte er diese für ihn damals außerordentlich schwere Bürde viel früher als erwartet auf sich nehmen müssen.

Irgendwie hatte er es jedoch geschafft, diese Bürde zu tragen, zumal es seine Pflicht gewesen war. Dabei hatte er allerdings viel von seiner früheren Spontaneität und Lebenslust verloren, die besonders seinen jüngeren Cousin Aldo ausgezeichnet hatten. Dieser hatte bei dem Absturz ebenfalls seinen Vater verloren.

Einige ältere Familienmitglieder waren der Meinung, dass er sich von Aldo hatte ausnutzen lassen. Da dieser damals aber erst sechzehn gewesen war, musste der Tod seines Vaters ihn noch härter getroffen haben.

Seine Miene verfinsterte sich noch mehr, als Marco an seinen jüngeren Cousin dachte. Er war gegen seine Ehe mit dem englischen Model Patti gewesen. Nur wenige Wochen nach ihrer ersten Begegnung hatten die beiden geheiratet, und es hatte ihn nicht überrascht, dass die Ehe genauso schnell wieder gescheitert war. Allerdings hatte es keinen Sinn, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Aldo hatte Patti geheiratet, und dann war Angelina zur Welt gekommen. Zu diesem Zeitpunkt waren beide sich bereits darüber einig gewesen, dass ihre Heirat ein Fehler gewesen war.

In seiner Eigenschaft als Familienoberhaupt hatte er, Marco, sich verpflichtet gefühlt, die beiden in seinen Palazzo in der Toskana einzuladen, in der Hoffnung, vielleicht doch noch eine Versöhnung herbeiführen zu können. Für ihn hatte das Wohl des Kindes an erster Stelle gestanden. Nachdem er die beiden allein gelassen hatte, war allerdings ein heftiger Streit zwischen ihnen entstanden, der damit endete, dass Aldo Patti mit dem Wagen wegbrachte.

Wahrscheinlich würden sie niemals erfahren, was die Ursache für den tödlichen Unfall vor drei Monaten gewesen war. Er, Marco, fühlte sich jedenfalls dafür verantwortlich, weil er Aldo und Patti zu sich eingeladen hatte. Als Aldos nächster Verwandter hatte er selbstverständlich die Vormundschaft für die kleine Angelina übernommen, die nun eine starke Bindung zu ihm entwickelt hatte.

Um keine Zeit mit zu vielen Vorstellungsgesprächen zu vergeuden, hatte er mehr Zeit, als er sich momentan leisten konnte, damit verbracht, unter den Bewerbungen nur die Kandidatinnen herauszusuchen, die seine Anforderungen erfüllten. Schließlich war nur Alice Walsingham übrig geblieben. Und dass sie nicht einmal erschienen war, machte ihn umso wütender. Es war jetzt elf, also hatte sie bereits eine halbe Stunde Verspätung. Nun riss ihm endgültig der Geduldsfaden! Er hatte lange genug gewartet. Falls Miss Walsingham noch auftauchen sollte, war sie jedenfalls nicht die Person, der er sein Kind anvertrauen wollte. Nicht einmal sich selbst mochte Marco eingestehen, wie stark seine Vatergefühle Angelina gegenüber waren.

Als er das Hotel verließ, glänzte sein dichtes dunkelbraunes Haar in der Sonne. Automatisch setzte er seine Sonnenbrille auf, die ihn noch maskuliner und gefährlicher wirken ließ. Für einen Schauspieler, der einen Mafiaboss verkörperte, wäre er das ideale Vorbild gewesen. Niemandem würde es im Traum einfallen, einem Mann wie ihm ein Angebot zu machen, das er ablehnen könnte!

Gereizt ging Marco zu dem Ferrari. Er war gerade eingestiegen und hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt, als ihm einfiel, dass er keine Nachricht für seine Gesprächspartnerin hinterlassen hatte, für den Fall, dass sie doch noch auftauchen sollte.

Er ließ den Schlüssel im Zündschloss stecken, stieg aus und betrat wieder das Hotel.

„Kannst du nicht mal aufhören, an mir rumzumeckern? Du bist nicht meine Mutter. Nur weil deine Schwester meinen Vater in die Ehe gelockt hat, hast du noch lange nicht das Recht, mir Vorschriften zu machen.“

Alice zählte im Geiste bis zehn, während sie Louise zuhörte.

Es war jetzt fünf Minuten nach elf, und sie hatte bereits über eine halbe Stunde Verspätung. Doch sie hatte Louise unmöglich allein lassen können. Am Vorabend hatte diese sich allein aus dem Hotel gestohlen und war erst in den frühen Morgenstunden leicht alkoholisiert zurückgekehrt. Sie hatte sich geweigert, ihr zu sagen, wo sie gewesen war und mit wem. Alice war vor Angst außer sich gewesen.

Inzwischen hatte sie erfahren, dass Louise den Abend mit einer Gruppe amerikanischer Studenten verbracht hatte, die für ein Semester nach Florenz gekommen waren. Von einer Studentin hatte Alice allerdings erfahren, dass Louise sich vorwiegend mit einem zwielichtigen Typen unterhalten hatte, der sich der Gruppe angeschlossen hatte. Und mit diesem hatte sie sich nun offenbar verabredet.

Um zu verhindern, dass sie sich mit dem Mann traf, hatte Alice darauf bestanden, dass Louise sie zu dem Vorstellungsgespräch begleitete. Diese hatte sich daraufhin ausgesprochen feindselig verhalten und absichtlich herumgetrödelt. Zum Glück hatten sie das Hotel nun endlich erreicht. Alice bezahlte den Taxifahrer und ignorierte den anerkennenden Blick, mit dem er sie beide musterte – zwei schlanke, blonde englische Schönheiten, eine viel zu stark geschminkt und mit gefärbten Haaren und daher wesentlich älter als siebzehn aussehend, die andere mit dezentem Make-up und naturblondem Haar und jünger als sechsundzwanzig wirkend.

Alice war sich dessen zwar nicht bewusst, aber in dem schlichten Top und dem dazu passenden Rock hätte man sie auch für einen Teenager halten können. Louise hingegen, die nur ein Bustier und enge Jeans trug, zog die Blicke aller heißblütigen Italiener auf sich.

Zusammen mit ihr ging Alice auf das Hotel zu. Unter anderen Umständen wäre sie stehen geblieben und hätte sich bewundernd umgesehen. Ihrem Reiseführer zufolge handelte es sich bei dem Renaissancegebäude um einen ehemaligen Prinzenpalast, und es war dem Architekten bei der Umwandlung gelungen, seinen ursprünglichen Charme zu erhalten.

„Wow, sieh dir mal den Wagen an!“, rief Louise und riss sie damit aus ihren Gedanken. „So einen würde ich auch gern mal fahren.“

Als Alice den Kopf wandte, sah sie auf dem Parkplatz den gleichen Sportwagen wie am Morgen in der Stadt. Den gleichen oder denselben? Mit dem dunkelhaarigen, maskulinen und gefährlich wirkenden Mann am Steuer, der sie betrachtet hatte, als … als … Sie riss sich zusammen und stellte dann entsetzt fest, dass Louise auf den Wagen zueilte.

„Louise, nicht …“, warnte sie sie.

Aber es war zu spät. Ohne auf sie zu hören, riss Louise die Fahrertür auf und verkündete triumphierend: „Die Schlüssel stecken. Ich wollte schon immer mal so einen Wagen fahren …“

Zu Alice’ Entsetzen nahm Louise nun hinter dem Steuer Platz. „Nein, Louise! Du kannst nicht …“

„Wer sagt, dass ich es nicht kann?“, fragte Louise herausfordernd, während sie den Schlüssel im Zündschloss drehte und der Motor ansprang.

Alice’ Herz setzte einen Schlag aus. Ihre Schwester hatte sie gewarnt, dass Louise sehr dickköpfig sein konnte und die Scheidung ihrer Eltern genauso traumatisch für sie gewesen war wie die Tatsache, dass der neue Ehemann ihrer Mutter erklärt hatte, er wolle keine Probleme mit einem aufsässigen Teenager haben.

Trotzdem …

„Nein, Louise!“ Instinktiv eilte Alice zur Beifahrertür und öffnete sie. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wusste nur, dass sie Louise mit allen Mitteln daran hindern musste, loszufahren. Bevor sie etwas unternehmen konnte, hatte diese allerdings den Gang eingelegt und fuhr an.

Ehe Alice sichs versah, fand sie sich auf dem Beifahrersitz wieder. Verzweifelt versuchte sie, die Tür zu schließen, während Louise vom Parkplatz fuhr. Ängstlich flehte sie sie an, sofort anzuhalten, doch alles, was sie sagte, schien Louise nur noch mehr zu provozieren. Ungeschickt lenkte sie den Wagen auf die Straße. Sie hatte gerade erst die Führerscheinprüfung bestanden und bisher nur den Wagen ihres Vaters in dessen Beisein fahren dürfen. Einen PS-starken Wagen wie diesen würde sie niemals beherrschen.

Alice schrie entsetzt auf, als Louise beschleunigte und dabei fast zwei Rollerfahrer streifte, die sie überholen wollten. Die Straße war stark befahren und rechts von einer Mauer begrenzt, hinter der sich ein Fluss befand, auf der linken Seite waren Geschäfte und ein schmaler Bürgersteig.

Alice war übel, und sie hatte große Angst. Irgendwie schaffte sie es allerdings, Louise nicht ins Lenkrad zu greifen. Vor ihnen sah sie einen Wagen zum Überholen ansetzen. Sie schrie auf, um Louise zu warnen, aber statt den Fuß vom Gas zu nehmen, beschleunigte diese.

Unwillkürlich hielt Alice den Atem an und machte sich auf den bevorstehenden Aufprall gefasst.

2. KAPITEL

Es war das unverkennbare Geräusch von Aldos Ferrari, der unsachgemäß gestartet wurde, das Marco alarmierte. Als er nach draußen lief, sah er gerade noch die beiden Blondinen, die den Wagen gestohlen hatten und ihn nun mit aufheulendem Motor auf die Straße lenkten.

Es war jedoch nicht der schlechte Fahrstil der Frau am Steuer, der Marco veranlasste, grimmig den Mund zu verziehen. Nein, er befürchtete, dass sie einen Unfall verursachte. Und da er erst vor Kurzem seinen geliebten Cousin verloren hatte und sowohl dessen Leiche als auch die seiner Frau hatte identifizieren müssen, wollte er nicht, dass sich so etwas wiederholte.

Er hatte bereits sein Handy gezückt, um den Diebstahl zu melden, als er den Unfall, den er vorausgeahnt hatte, hörte und sah. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass nichts Schlimmes passiert war. Der Fahrer des anderen Wagens war bereits ausgestiegen und ging auf den Ferrari zu. Dieser schien nicht einmal eine Schramme davongetragen zu haben.

Marco steckte sein Handy wieder ein und lief zur Unfallstelle.

Obwohl Louise verzweifelte Schreie ausstieß, hörte Alice Stimmen, die sich näherten. Beim Aufprall war sie mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe gestoßen, und während sie nun benommen blinzelte, sah sie, dass Louise bereits ausgestiegen war und auf dem Bürgersteig stand. Sie hingegen lag schräg auf dem Beifahrersitz, sodass ihr Kopf an der Kopfstütze des Fahrersitzes ruhte.

Sie wusste, dass sie aus dem Wagen raus musste. Und sie wusste auch, dass sie dafür nur die Beine über den Fahrersitz zu schwingen brauchte. Allerdings konnte sie keinen klaren Gedanken fassen.

Ein Mann tröstete Louise, die hysterisch weinte. Um sie kümmerte sich jedoch niemand. Trotzdem schaffte Alice es irgendwie auszusteigen, und zwar genau in dem Moment, in dem die Schaulustigen auseinanderwichen, um einen großen dunkelhaarigen Mann durchzulassen. Er sprach mit dem Fahrer des anderen Wagens und reichte ihm seine Visitenkarte.

Als er sich schließlich zu ihr umdrehte, erkannte sie ihn. Sie glaubte, einer Ohnmacht nahe zu sein. Diesen Mann hätte sie überall wiedererkannt. Und offenbar erinnerte er sich auch an sie, denn er ließ den Blick von ihrem Gesicht zu ihren Brüsten schweifen.

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und instinktiv fasste sie sich an die Schläfe. Ihr war schwindelig und übel, und sie war unfähig, den Blick von seinem wütenden Gesicht abzuwenden. Der Schock über den Zwischenfall saß so tief, dass sie sich nach der Schulter eines Mannes sehnte, an der sie sich ausweinen konnte. Sie erkannte sich selbst nicht wieder.

Wie aus weiter Ferne hörte sie Louise verzweifelt schluchzen. „Es war nicht meine Schuld. Ich habe nichts getan. Sie hat den Wagen gefahren, nicht ich …“

Obwohl Alice Louise’ Worte registrierte, nahm sie sie gar nicht richtig wahr. Und der Grund dafür war der Mann, der drohend vor ihr stand und sie mit seinen gut ein Meter neunzig überragte. Er war außer sich vor Zorn und sagte in perfektem Englisch: „Wenn Sie die Täterin sind, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass ich Sie dafür bezahlen lasse. Haben Sie eine Ahnung, was Sie da angerichtet haben? Die Gefahr … Das Risiko … Jemand hätte ums Leben kommen können! Haben Sie schon einmal ein schwer verletztes Unfallopfer gesehen?“

Ihr wurde wieder übel. Dieser Mann sagte ihr nichts, was sie nicht auch schon gedacht hatte. Da Louise jedoch aschfahl war, betrachtete Alice es als ihre Pflicht, sie zu schützen. Als sie die beiden Wagen näher betrachtete, wurde ihr auch klar, dass er überreagierte. Bei seinem Wagen war die Beifahrertür eingedrückt, und überall auf der Straße lagen Glassplitter. Bei dem anderen Wagen war die Stoßstange abgefallen, und außerdem hatte er eine große Beule. Der Fahrer war unverletzt und tröstete Louise, die am ganzen Körper zitterte. Allen, die ihr zuhörten, erzählte sie, dass nicht sie, sondern Alice am Steuer gesessen hätte.

Alice wollte sich verteidigen, überlegte es sich aber anders. Louise war erst siebzehn und hatte gerade ihre Führerscheinprüfung bestanden. Zudem hatte sie am Vorabend so viel getrunken, dass sie vermutlich noch Restalkohol im Blut hatte. Und sie, Alice, hatte ihrer Schwester versprochen, gut auf sie aufzupassen …

Hilflos blickte sie zu ihrem Gegenüber auf.

Marco spürte, wie er sich verspannte, als er dem Blick der Frau begegnete. Sie ähnelte eher einem Kind als einer erwachsenen Frau, denn sie war blass, ihre Lippen bebten, und sie war sehr zierlich. Allerdings wusste er, dass sie volle Brüste hatte, auch wenn sie anders als bei ihrer ersten Begegnung ein weites Top trug.

Zu seinem Leidwesen reagierte sein Körper unerwartet heftig bei der Erinnerung daran. Marco unterdrückte es sofort und wartete auf das, was sie nun unweigerlich sagen würde. Er hatte schon unzählige Male erlebt, wie schöne Frauen ihr Äußeres einsetzten, um ihr Ziel zu erreichen. Und diese Frau würde ihm natürlich erzählen, was ihm mittlerweile auch klar war, nämlich dass sie nicht am Steuer gesessen habe. Für jeden, der Augen im Kopf hatte, musste offensichtlich sein, dass das junge, zu stark geschminkte Mädchen mit den knappen Sachen seinen Wagen gefahren hatte. Während er darauf wartete, rief er sich all die Gründe ins Gedächtnis, aus denen er gegen die Heirat seines Cousins mit dem englischen Fotomodell gewesen war.

Binationale Ehen bargen zwangsläufig mehr Risiken als die zwischen Partnern aus demselben Kulturkreis. Wenn eine solche Ehe funktionieren sollte, mussten ein Mann und eine Frau an ihre Liebe glauben und reif und stark genug sein, um an ihrer Beziehung arbeiten zu können. Und heutzutage war so etwas sehr schwer.

Er selbst hatte nie ein ausschweifendes Liebesleben geführt. Er war zu penibel, zu stolz und zu beherrscht, um sich von seinen Trieben leiten zu lassen, und die Erkenntnis, dass er körperlich so stark auf die Frau vor sich reagierte, verärgerte ihn noch mehr.

„Sind Sie diejenige, die meinen Wagen gestohlen hat?“, fragte er kurz angebunden, weil er plötzlich das Bedürfnis hatte, alles schnell hinter sich zu bringen und die beiden der Polizei zu übergeben.

Ungläubig stellte er jedoch fest, dass die Frau die Schuld nicht von sich wies, sondern mit bebender Stimme erwiderte: „Ja … Ja, das war ich.“

Ihr Herz pochte schmerzhaft, als Alice hörte, wie sie eine Straftat gestand, die sie nicht begangen hatte. Sie verspürte Panik, weil sie nun in Schwierigkeiten geraten würde, wie sie sich einredete. Es hatte nichts mit der Wirkung zu tun, die dieser Mann auf sie ausübte.

Er war wirklich furchteinflößend … furchteinflößend und sexy. Der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war. So attraktiv, dass sie …

„Ja?“

Alice hörte den Zorn in seiner Stimme, als er wiederholte: „Ja? Sie waren es also?“

Fast schien es, als wollte er, dass sie es leugnete. Aber warum? Damit er sich einen Spaß daraus machen konnte, ihr vorzuwerfen, sie wäre nicht nur eine Diebin, sondern auch eine Lügnerin? Da hatte er sich geschnitten!

Alice verdrängte ihren Schock und ihre Angst und erwiderte energisch: „Ja. Ich war es. Ich habe Ihren Wagen gestohlen.“

Sie hörte, wie Louise einen Laut von sich gab, und blickte sie besorgt an.

Autor

Penny Jordan

Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...

Mehr erfahren