Darf ein Boss so sexy sein?

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Annie kann den Blick kaum abwenden von Sinclairs muskulösem Körper. Es ist wie eine süße Folter: Täglich ist die junge Haushälterin ihrem sexy Boss nahe, doch er nimmt sie überhaupt nicht wahr. Bis sie an einem stürmischen Tag ein Ballkleid seiner Vorfahrin anprobieren soll - und Sinclair ihr hilft: Knopf für Knopf für Knopf ... Heiße Schauer prickeln über Annies Rücken, als er sie in die Arme zieht und endlich, endlich küsst. Kann die Realität etwa schöner sein als alle Fantasie? Schon träumt Annie von einer Zukunft mit dem Erben der Drummond-Dynastie - da erlebt sie ein jähes Erwachen ...


  • Erscheinungstag 22.10.2013
  • Bandnummer 1791
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720032
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Bist du sicher, dass das hält?“

Annie versuchte, nicht auf Sinclair Drummonds höchst verführerische Rückseite zu starren, während er vor ihr die wackligen Stufen hinaufschritt.

„Nicht wirklich.“ Er drehte sich zu ihr um und lächelte, dass ihr die Knie weich wurden. „Vor allem nicht bei dem Fluch, der auf uns liegt.“

Annie seufzte und trat vorsichtig auf die erste Stufe der Holztreppe, die mehr einer Leiter glich.

Als seine Angestellte blieb ihr keine andere Wahl, als ihm auf den Dachboden der alten Scheune zu folgen. Die Scheune grenzte direkt an das Haus, sodass die Vorfahren der Drummonds nicht den starken Winden vom Long Island Sound ausgesetzt gewesen waren, wenn sie nach ihren Tieren gesehen hatten. Jetzt befanden sich außer altem Zaumzeug nur noch reichlich Spinnweben darin.

„Bist du schon mal oben gewesen?“, fragte sie. Sie selbst war erstaunlicherweise nie so weit vorgedrungen.

Er stieß die Bodenklappe auf. „Klar. Als Kind habe ich mich oft hier versteckt, wenn meine Eltern sich gestritten haben.“

Annie kannte Sinclairs Mom nur als ruhige und kultivierte Frau. Schwer vorzustellen, dass sie jemals die Stimme erhob. Der Vater war bereits vor vielen Jahren verunglückt.

„Ich glaube, seitdem war niemand mehr hier“, sagte Sinclair, während er den dunklen Dachboden betrat.

Erwartungsvoll folgte ihm Annie.

Sinclair schaltete das Licht ein. „Zum Glück funktioniert es noch. Ich habe keine Lust, bei Kerzenlicht hier herumzusuchen.“

Wegen des Regens, der aufs Dach trommelte, verstand Annie Sinclair nur schlecht, und sie beeilte sich, zu ihm zu kommen.

Im Schein der wenigen Glühbirnen schaute sie sich um. Überall standen Schachteln und Kisten, dazwischen alte Tische, Stühle und andere Möbelstücke. Eine Seite war durch große Überseekoffer mit Aufklebern von Dampfern fast völlig verstellt. So groß der Speicher auch war – vom Holzfußboden war wenig zu sehen.

„In drei Jahrhunderten sammelt sich so allerhand an“, bemerkte Annie lachend. „Wo fangen wir an?“ Sie konnte es kaum erwarten, sich mit den Dingen der Drummonds zu beschäftigen – dabei tat sie genau genommen den ganzen Tag nichts anderes. Aber natürlich waren Abstauben und Silberpolieren nicht halb so interessant wie das Herumstöbern in geheimnisvollen Koffern.

Sinclair hob den Deckel einer Truhe, in der sich säuberlich zusammengelegte Decken befanden. „Wenn ich das wüsste! Am besten einfach irgendwo – und dann können wir nur hoffen, dass wir fündig werden.“

Fasziniert sah sie zu, wie er sich die Ärmel über den muskulösen Unterarmen aufkrempelte. „Das Bruchstück des Pokals ist offenbar aus Metall“, fuhr er fort. „Vielleicht aus Silber, eher aber aus Zinn. Vom Material her ist es nicht wertvoll.“ Während er in der Truhe herumkramte, spannte das Hemd über seinem breiten Rücken.

Annies Herz schlug schneller. Warum musste ihr Boss nur so umwerfend gut aussehen? Das war nicht fair! Seit sechs Jahren arbeitete sie für ihn, und in dieser Zeit war er maskuliner geworden und damit noch attraktiver. Jetzt war er zweiunddreißig. In seinen dunklen Haaren zeigte sich nicht die kleinste graue Strähne – und das trotz seiner zwei Scheidungen.

„Und das Bruchstück soll verflucht sein?“ Sie unterdrückte ein Schaudern. Ihre irischen Vorfahren hätten sich bei dieser Gelegenheit bekreuzigt.

„Der Fluch liegt auf der Familie, nicht auf dem Pokal“, erklärte Sinclair. „Angeblich sollen dreihundert Jahre Pech enden, sobald die drei Teile dieses alten Pokals wieder zusammengesetzt werden – eigentlich haarsträubender Unsinn. Aber Mom ist ganz aufgeregt deswegen. Sie glaubt fest daran, dass sich dadurch alles ändert.“

„Ich bin froh, dass es ihr wieder besser geht. Hat man herausgefunden, warum sie so krank war?“

„So wie es aussieht, hat sie sich eine seltene Tropenkrankheit eingefangen, so etwas Ähnliches wie Cholera. Zum Glück hat sie überlebt! Jetzt habe ich sie hierher zur Erholung eingeladen.“

„Das freut mich sehr! Ich kümmere mich gern um sie.“

„Hoffentlich kann sie schon auf eigene Faust Nachforschungen anstellen, damit die Suche nicht an dir hängen bleibt.“

Schade. Also würde sie nicht den Sommer mit Sinclair auf dem Dachboden verbringen und zusehen, wie er mit seinen schönen kräftigen Händen Kisten und Kästen durchsuchte …

In gewisser Hinsicht waren sie einander fremd geblieben – trotz der sechs Jahre, die sie schon mit ihm zusammenarbeitete. Sie liebte es, mit ihm allein zu sein, ohne Gäste. Dann war er immer viel entspannter. Auf die Suche nach dem Pokal hatte sie sich besonders gefreut, weil sie sie als eine gute Gelegenheit erachtet hatte, ihren Boss noch besser kennenzulernen. Aber so wie es aussah, würde sie wohl ohne ihn hier oben unter dem Dachgebälk schwitzen. Trotzdem fand sie die ganze Geschichte überaus faszinierend.

Sie öffnete den Deckel eines großen runden Korbes, in dem ein zusammengerolltes dickes Seil lag. Während sie es betrachtete, stellte sie sich vor, wie es lange vor der Erfindung von Maschinen von Hand hergestellt worden war. Alle Dinge hier oben erzählten ihre eigene Geschichte. „Warum glaubt deine Mom, dass die Familie verflucht ist? Die Drummonds sind doch alle sehr erfolgreich.“

Schon nach einem Bruchteil ihres Reichtums würde sich ihre Familie die Finger lecken!

„Ja, wir sind all die Jahre gut zurechtgekommen. Aber eine alte Familienlegende hat Mom auf die Sache mit dem Fluch gebracht. Darum ist sie auch krank geworden.“

Er nahm ein Bündel Kleidung heraus, und Annie hatte die Gelegenheit, seine gut trainierten Beinmuskeln zu bewundern, die sich unter der Khakihose abzeichneten.

Wie ertappt zuckte sie zusammen, als er aufsah. „Und darum kann niemand von uns lange verheiratet bleiben.“ In seinen blaugrauen Augen lag Humor, gemischt mit einer Portion schlechten Gewissens. „Jedenfalls will sie unbedingt die drei Teile finden und zusammensetzen, damit sich alles zum Guten wendet.“

Er legte die Kleider zurück in die Truhe und schloss den Deckel. „Natürlich glaube ich nicht an den Fluch. Aber ich würde alles tun, damit sie wieder gesund wird. Und weil die Geschichte sie so sehr fasziniert, habe ich versprochen, ihr zu helfen.“

„Das ist lieb von dir.“

„Nicht wirklich.“ Angespannt fuhr er sich durch die Haare. „Solange sie abgelenkt ist, nervt sie mich wenigstens nicht damit, dass ich ein drittes Mal heiraten soll.“

Annie hatte zähneknirschend mitverfolgt, wie sich seine zweite Frau an ihn herangemacht hatte.

Noch einmal würde sie das nicht aushalten. „Wahrscheinlich wünscht sie sich Enkelkinder.“

„Ja, vermutlich. Nur warum? Um den Fluch an die nächste Generation weiterzugeben?“ Er lachte jungenhaft.

Auch Annie musste lachen.

Klar wollte seine Mom Enkel zum Verwöhnen. Aber wenn Sin­clairs Geschmack sich nicht änderte, würde es nie so weit kommen. Seine zweite Frau, Diana Lakeland, hätte nie ihre Figur für eine Schwangerschaft aufs Spiel gesetzt.

Sie hatte Sinclair, der zu New Yorks begehrtesten Junggesellen gehörte, nur wegen seines Reichtums und Ansehens geheiratet. Als sich herausgestellt hatte, dass er nicht mit ihr um den Erdball jetten wollte, um jeden Abend Partys zu besuchen, war sie seiner schnell müde geworden.

Wenn er doch einsehen würde, dass er sich an diese verwöhnten Prinzessinnen nur verschwendete! Sagen konnte sie ihm das ja leider nicht. Zwar gehörte es zu ihrem Job, sich freundlich, ja mitunter sogar vertraut zu zeigen. Aber sie wusste genau, wo die Grenze zwischen einem professionellen und persönlichen Verhältnis lag.

Seufzend schloss sie den Korb und nahm aus einem der Regale eine Holzschatulle. Darin befanden sich kostbare Haarspangen aus Schildkrötenpanzer und Knochen. Wie alt die wohl waren? Wie ihre Besitzerin wohl ausgesehen hatte?

„Mich erinnert das Ganze an die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Interessant ist es allerdings schon. Wem hat denn der Pokal gehört?“

„Ursprünglich stammen die Drummonds aus den schottischen Highlands. Gaylord Drummond war ein Spieler und Trinker und hat im Jahr 1712 den Familienbesitz verloren. Seinen drei Söhnen blieb nichts anderes übrig, als nach Amerika auszuwandern. Als ihr Schiff angelegt hatte, haben sie offenbar den Pokal zerlegt, sodass jeder ein Stück davon bekam. Dann gingen sie getrennte Wege. Sie wollten ihr Glück versuchen und sich später wieder treffen. Einer von ihnen blieb hier in Long Island und wurde Farmer. Er hat dieses Haus gebaut.“

„Das erklärt, warum das Grundstück so groß ist. Trotz der unbezahlbaren Lage hier am Wasser.“ Im Lauf der Jahre war das Farmhaus zu einem exklusiven Cottage mit vielen Giebeln und Veranden ausgebaut worden. Aus dem einstigen Kartoffelacker war längst eine makellose Rasenfläche geworden. Zum Anwesen gehörten weitläufige Obstgärten mit Apfel-, Birnen- und Pfirsichbäumen.

Dog Harbor, einst ein verschlafenes Städtchen, lag nun im Einzugsgebiet von New York City. Einer der Vorfahren hatte nach dem Krieg Land für den Bau von Reihenhäusern verkauft, aber Sinclairs Vater hatte es mit erheblichen Kosten zurückerworben und wieder begrünt.

Hundert Meter vor dem Haus spülte das kühle Wasser des Long Island Sounds gegen einen gepflegten Kiesstrand.

Sinclair lachte. „Ja. Aus dem einstigen Bauernhof ist eine richtig wertvolle Immobilie geworden.“

„Was ich nicht verstehe, ist … Wie zerlegt man so einen Pokal?“

„Meine Mutter sagt, er war von vornherein so konstruiert. Vermutlich handelt es sich um einen alten Abendmahlskelch, den man auf diese Art vor Wikingern oder Reformern versteckt hat, je nachdem in welcher Zeit das war. Die Geschichte wurde von Generation zu Generation weitergegeben, obwohl niemand weiß, was mit den Teilen passiert ist. Mom hat inzwischen Nachkommen der Brüder aufgespürt und Kontakt zu ihnen aufgenommen.“

„Ist ja aufregend. Eine gute Gelegenheit, die Familie wieder zusammenzuführen.“

Sinclair zuckte mit den Schultern. „Von den anderen Drummonds habe ich nicht viel Gutes gehört. Ich glaube, wir sind alle so veranlagt, dass wir am liebsten nur für uns bleiben.“

„Du nicht“, entfuhr es Annie und zuckte erschrocken zusammen.

Auf keinen Fall durfte er merken, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte! „Jedenfalls nicht immer“, schränkte sie ein. Sie spürte, wie sie rot wurde, und machte sich in einer dunklen Ecke an einer Schublade zu schaffen. „Und wo leben die anderen Drummonds?“

„Einer der Brüder wurde Pirat an der Ostküste und in der Karibik. Ein Nachkomme von ihm lebt auf einer Insel vor Florida. Aber Jack Drummond ist selbst ein bekannter Schatzsucher – also wird er uns kaum bei unserer Suche helfen.“

„Vielleicht macht er es für die Familie.“

„Wohl kaum. Der andere Bruder von damals kam in Kanada zu Geld. Dann ist er wieder nach Schottland und hat den Familienbesitz zurückgekauft, wo sein Nachkomme heute noch wohnt. Allerdings hat James Drummond noch nicht auf Moms E-Mails reagiert. Aber ich kenne Mom, sie wird nicht lockerlassen.“

Er nahm eine Schachtel von einem Schrank. „Viele Drummonds scheint es nicht zu geben. Sieht so aus, als hätte die Familie immer nur wenige Kinder gehabt. Oder die Menschen sind jung gestorben. Vielleicht ist an dem Fluch doch etwas dran.“

War Sinclair verflucht? Nein, das Gegenteil war der Fall. Immerhin führte er ein wunderbares Leben! Abwechselnd bewohnte er sein Penthouse in Manhattan und eins seiner anderen zahlreichen Häuser.

Annie sah ihn nur an wenigen Wochenenden und im Sommer für ein paar Wochen. Das reichte, um ihren Träumen neue Nahrung zu geben – aber nicht, um Sinclair wirklich kennenzulernen, seine Geheimnisse, Leidenschaften und Sehnsüchte … Aber natürlich ging sie, die Haushälterin, all das nichts an.

„Manches ist wirklich zu schade, um hier oben herumzuliegen“, sagte sie und hielt eine Servierplatte aus Porzellan hoch. „Schau mal, die wäre was für eine Antiquitätenshow im Fernsehen.“

„Damit sich herausstellt, dass sie in den Fünfzigerjahren bei Woolworth gekauft wurde?“, fragte er lächelnd. Er öffnete einen Koffer, der größer und augenscheinlich auch älter war als die anderen.

„Wow, was für ein schöner Stoff!“ Sie trat neben Sinclair – und versuchte dabei, seinen unwiderstehlichen Duft zu ignorieren. Vorsichtig strich sie über die feine Spitze. „Sieht überhaupt nicht getragen aus.“ Sie nahm das Kleid heraus, offenbar ein Nachthemd. „Wem das wohl gehört hat?“

„Keine Ahnung. Ich habe mich hier oben immer nur mit dem Jungenspielzeug beschäftigt.“ Er grinste. „Die Mädchensachen haben mich nie interessiert.“

„Schau dir das an!“ Im Koffer lag ein sorgfältig gearbeitetes Mieder aus grünem Satin, das rot und golden eingefasst war. Es sah aus wie neu. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“

Sinclair nahm das Kleidungsstück heraus und hielt es hoch – ein wunderschönes Ballkleid.

„Sagenhaft. Und erst das blaue darunter!“ Es war ein herrliches pfauenblaues Seidenkleid mit Perlenstickerei. „Die Kleider gehören eigentlich ins Museum.“ Eine Schande, sie hier oben verstauben zu lassen. „Komm“, schlug sie vor, „wir bringen sie ins Haus und hängen sie ordentlich auf.“

„Meinst du?“, fragte er wenig begeistert. Verständlich, denn ihm ging es ja in erster Linie um den Pokal. „Also gut. Machen wir“, setzte er verbindlicher hinzu.

Hatte er etwa ihre Enttäuschung bemerkt? Sie freute sich darüber und lächelte. „Super. Ich nehme so viele, wie ich tragen kann.“

Ohne zu zögern, schritt Sinclair mit einem Arm voll Kleider die wacklige Treppe hinunter. Annie, ebenfalls schwer beladen, folgte ihm vorsichtig. „Hängen wir sie in den großen Schrank im vierten Gästezimmer. Dort ist Platz, seit deine Mom ihre Pelzmäntel weggegeben hat.“

Im Gästezimmer angekommen, legten sie ihre Last auf das breite Doppelbett. „Ich kann nicht glauben, wie sorgfältig die Stoffe gewebt und die Kleider geschneidert sind.“

„Das hat sicher lange gedauert. Jedes ist ein Kunstwerk für sich.“

„Ich glaube, normale Leute sind mit solchen Kostbarkeiten nicht in Berührung gekommen.“ Beinah andächtig strich sie über ein silbergraues Kleid. „Außer als Bedienstete, wenn sie beim Ankleiden geholfen haben.“

Das wäre ihr Job gewesen, wenn sie damals gelebt hätte. Und im Grunde war er es noch heute – in einer Zeit, in der die meisten Frauen ihr Geld in Büros verdienten. „Das ist wirklich ein traumhaftes Kleid.“ Sie seufzte.

„Warum probierst du es nicht an?“

„Ich? Das geht doch nicht! Erstens sind das Museumsstücke, und zweitens bin ich nicht dünn genug.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Was deine Figur angeht, meine ich.“ Einen Moment betrachtete er ihre Taille.

Gebannt hielt Annie die Luft an. Das hatte er noch nie getan.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Gewiss konnte sie die Kleider auch zu einem späteren Zeitpunkt anprobieren, wenn sie allein im Haus war. Aber wenn sie dabei verknitterten oder sonst wie zu Schaden kamen, würde es auffallen. Nein, jetzt war ihre Chance! „Na ja …“ Während sie noch überlegte, zog sie vorsichtig das pfauenblaue Kleid heraus.

„Ich dreh mich um, bis du meine Hilfe beim Zuknöpfen brauchst“, bot Sinclair diskret an und ging zum Fenster am anderen Ende des Zimmers.

Annie konnte es nicht glauben. Sie hatte das untrügliche Gefühl, dass sie damit eine Grenze überschritten. Sinclair ließ sie die Kleider anprobieren! Was hatte das zu bedeuten?

Nichts. Das hat er nur gesagt, weil er glaubt, dass es mir Spaß macht. Kein Grund, völlig aus dem Häuschen zu geraten.

Überhaupt sollte sie es besser sein lassen. Was, wenn dabei womöglich noch ein Saum abriss? „Bestimmt braucht man das passende Korsett dazu, um überhaupt …“

„Willst du etwa lieber weiter nach dem Pokal suchen?“

Sie zögerte, dann gab sie sich geschlagen. „Also gut.“

Lächelnd nickte Sinclair. Dann drehte er sich um.

Wie süß, dass er ihr erlaubte, etwas aus seinem Familienbesitz anzuziehen. Ohne Zögern entschied sie, bei dem pfauenblauen Kleid zu bleiben. Die Länge stimmte in etwa, und vielleicht würde es sogar in der Taille passen.

Während sie die Bluse aufknöpfte, war sie sich sicher, dass Sinclair auch wirklich wegschaute. Schließlich konnte er reihenweise Frauen haben, ohne sich besonders anstrengen zu müssen.

Sie streifte die Hose ab und zog das Kleid an. Es war ein bisschen zerknittert, weil es so lange zusammengefaltet gewesen war, und roch leicht nach Kampfer. Doch davon abgesehen wirkte es wie neu. Die Perlen berührten ihre Haut, als sie mit den Armen in die kurzen gebauschten Ärmel schlüpfte. Da der weite Ausschnitt den Blick auf ihren BH freigab, beeilte sie sich, den Büstenhalter durch einen der Ärmel loszuwerden.

Als sie mit dem Zuknöpfen halb fertig war, erkundigte sich Sinclair, ob sie Hilfe brauchte.

„Es sind höchstens noch hundert Stück“, scherzte sie und lächelte. Sie fühlte sich prächtig, wie eine richtige Prinzessin. Der Saum bedeckte den Boden – klar, es fehlten noch die hohen Schuhe.

„Wow.“ Sinclair hatte sich umgedreht und starrte sie an. „Annie, du siehst ja umwerfend aus.“ Während er sie von oben bis unten betrachtete, bemerkte sie, wie sich seine Pupillen weiteten. „Ganz anders als sonst.“

Durch den Raum kam er auf sie zu und trat hinter sie, um die restlichen Knöpfe zu schließen. „Es passt genau.“

„Komisch, nicht wahr?“ Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, insgeheim fühlte sie sich aufgedreht wie ein kleines Mädchen, das Verkleiden spielte. Dass sie Sinclairs Hände auf der Haut spürte, machte die Aufregung noch größer. „Die Menschen vor zweihundert Jahren haben nicht so viel anders ausgesehen als wir.“

„Nein, haben sie nicht“, bestätigte er. Seine Stimme klang tiefer als sonst.

Er hatte das Kleid fertig zugeknöpft und betrachtete sie eingehend.

Befangen strich sie sich eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatte.

„Du siehst gut aus mit hochgesteckten Haaren.“

„Ich trage mein Haar immer hochgesteckt.“

„Wirklich? Keine Ahnung, warum mir das noch nie aufgefallen ist.“

Sie spürte, wie ihr unter seinem Blick heiß wurde. „Muss am Kleid liegen.“

„Wahrscheinlich. Wenn du normal angezogen bist, sieht man gar nicht, was du für eine gute Figur hast.“

Welch ein Kompliment! Als sie tief einatmete, wurden ihre Brüste gegen das enge Oberteil gedrückt, das dadurch wie ein Büstenhalter wirkte – fast wie ein Wonderbra. „Komisch, so ein Dekolleté hatte ich noch nie.“ Nervös lachend versuchte sie, das eben Gesagte zu überspielen, aber Sinclair sah sie so ernst an, dass sie verstummte.

„Es steht dir“, stellte er fest. „Du solltest dich öfter so schön anziehen.“

„Dazu fehlt mir die Gelegenheit.“ Sie blickte in den Spiegel. In dem langen Kleid sah sie wirklich eindrucksvoll aus, und die spektakuläre blaue Farbe zauberte rotgoldene Reflexe in ihr Haar.

Mit seinen breiten Schultern verdeckte Sinclair ihr Dekolleté, das er voller Bewunderung betrachtete. Durch die veränderte Perspektive im Spiegel sahen sie beide aus … wie ein Paar.

Als ob das jemals wahr werden könnte …

Wieder versuchte sie zu lachen, und wieder gelang es ihr nicht wirklich. Plötzlich fühlte sich die Luft im Zimmer drückend heiß an.

Sinclair stand angespannt und mit gerunzelter Stirn da.

Wortlos schauten sie einander an. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei …

Dann zog er sie in die Arme und küsste sie.

Nach sechs langen Jahren, in denen sie sich heimlich nach ihm gesehnt hatte, konnte Annie nicht anders, als bereitwillig die Lippen zu öffnen. Sie schmolz förmlich dahin. Es wurde ein Kuss wie ein starker Cocktail, der schlagartig den ganzen Körper erwärmte.

Als ihre Zungen sich berührten, wurde Annie derart von ihren Emotionen überwältigt, dass sie fürchtete, die Knie würden unter ihr nachgeben. Fest schlang sie Sinclair die Arme um den Nacken. Nie hatte sie damit gerechnet, dass sie ihm jemals so nah sein würde.

Er roch männlich und sehr einladend. Seine Wange an ihrer fühlte sich rau an. Zärtlich strich er ihr durch die Haare und löste den Knoten.

Als er dabei aufstöhnte, wurde auch sie von einem Lustgefühl durchströmt, wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Sein Sehnen übertrug sich unmittelbar auf sie. Sie spürte seinen heißen Atem an ihrem Ohr.

Was tun wir da!

Der Gedanke drang nur vage in ihr Bewusstsein; fast war es, als ob jemand anders ihn dachte. Seufzend fuhr sie durch Sinclairs dichte dunkle Haare, die sich glatt wie Seide anfühlten.

Sinclair ließ die Hände an ihrem Rücken tiefer gleiten und umfasste ihre Pobacken. Sein Atem ging stoßweise und gab seinen Küssen etwas Fieberhaftes, Verzweifeltes.

Ich küsse Sinclair.

Statt sich durch diese Tatsache alarmiert zu fühlen, konnte Annie ihr Glück kaum glauben. Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich genau das ausgemalt!

Die Küsse waren leidenschaftlicher als in ihrer Fantasie, voller Sehnsucht und intensiver, als sie je zu träumen gewagt hatte.

Aufstöhnend zog Sinclair sie fester an sich, und sie spürte deutlich das Anzeichen seiner Erregung, den unwiderlegbaren Beweis, wie sehr er sie begehrte – sie! Rau flüsterte er ihren Namen.

Eilig zog sie ihm das Hemd aus der Hose und streichelte die nackte warme Haut.

Sie hatte ihn schon öfter mit nacktem Oberkörper gesehen, aber die festen Muskeln berühren zu dürfen, seine Kraft unter den Fingern zu spüren, das war etwas ganz anderes.

Hastig öffnete er die Knöpfe des Kleides, die sie gerade eben erst geschlossen hatten. Gespannt hielt Annie den Atem an.

Aber … sollte sie sich tatsächlich von ihm ausziehen lassen? Ihr ganzer Körper gab ihr darauf eine unmissverständliche Antwort. Sinclair musste seine Gefühle ebenso verborgen haben wie sie selbst. Seltsam, dass sie nichts davon bemerkt hatte.

Im ersten Moment kitzelte es, als er die Hand unter das Kleid schob und ihren Rücken streichelte. Dann fühlten sich seine Finger auf der Haut warm an, verführerisch und gefährlich.

Sie erbebte, als er ihr das Kleid über die Hüften nach unten zog und voller Bewunderung ihre Brüste betrachtete. Dabei fiel ihm völlig untypischerweise eine dunkle Haarsträhne in die Stirn.

Eigentlich schade, das Kleid jetzt schon wieder auszuziehen! schoss es ihr durch den Kopf. Andererseits … seinen Zauber hatte es bereits gewirkt. Schon nach diesen wenigen Minuten …

Sie schritt über das Kleid hinweg und knöpfte Sinclair das Hemd auf. Als sie es ihm über die Schultern gestreift hatte, sog sie scharf die Luft ein. Seine breite Brust mit den dunklen Härchen bot einen wirklich atemberaubenden Anblick.

In diesem Moment kannte ihre Erregung keine Grenzen mehr. Hastig wollte sie seinen Gürtel öffnen. Aber das Leder war steif, und Sinclair lenkte sie ab, weil er an ihrem Ohr knabberte.

Sie spürte, wie er die Hände in ihren Slip schob, und wünschte insgeheim, ein ansprechenderes Modell zu tragen – und nicht einen ihrer bewährten Baumwollschlüpfer. Was würde Sinclair wohl dazu sagen?

Aber ihn schien das gar nicht zu interessieren. Schwer atmend bedeckte er ihren Hals und Nacken mit Küssen.

Nachdem sie seinen Gürtel geöffnet hatte, bemühte sie sich mit zitternden Fingern, den Reißverschluss der Hose aufzuziehen. Als sie es geschafft hatte, wurde sie von dem Anblick seiner eindrucksvollen Erektion belohnt.

Auch ihr eigener Atem kam jetzt nur noch stoßweise.

Sie konnte es kaum erwarten, sich an ihn zu schmiegen. Gemeinsam zogen sie ihm die Hose aus. Dann standen sie sich gegenüber, nur ein paar Handbreit voneinander entfernt. Besser als Sinclair konnte ein Mann nicht aussehen.

Annie schluckte. Würden sie sich jetzt lieben? Alles deutete darauf hin.

Mit geschlossenen Augen stand Sinclair vor ihr und streichelte sie. Vorsichtig küsste sie ihn auf den Mund. Wie konnte sich ein ganz gewöhnlicher Tag zu etwas so Besonderem und Wundervollem entwickeln? Vielleicht hatte es etwas mit dem geheimnisvollen Pokal zu tun?

Oder mit dem Fluch?

Der Hauch eines plötzlichen Zweifels wehte sie an wie ein kalter Luftzug. Immerhin war der Mann ihr Boss! Andererseits war es ohnehin zu spät, um jetzt noch aufzuhören. Sie standen nackt im Gästezimmer; ihre Kleidung hatten sie achtlos auf dem Boden verstreut.

Außerdem wollte sie nicht, dass es endete, im Gegenteil: Diesen Moment nie erwarteter Intimität wollte sie bis zur Neige auskosten, um für ewig davon zu zehren.

Sollte sie ihm sagen, dass sie geschützt war? Dass sie eine Hormonspirale trug, die ihre heftigen Monatsblutungen lindern half?

Sie entschied sich, nichts zu sagen, um den kostbaren Augenblick nicht zu zerstören.

„Annie“, stöhnte Sinclair, „oh Annie.“ Wie herrlich ihr Name aus seinem Munde klang!

Kein Zweifel, er begehrte sie so sehr wie sie ihn. Sie konnte es nicht erwarten, ihn zu spüren.

Im nächsten Moment lagen sie im Bett, und er drang behutsam in sie ein. Dabei küsste er sie unentwegt.

Annie war zwar keine Jungfrau mehr, hatte aber keine große sexuelle Erfahrung. Das, was sie jetzt mit Sinclair erlebte, war ihr völlig neu. Derart intensive Gefühle hatte sie niemals zuvor erlebt.

In höchster Erregung grub er ihr die Finger ins Fleisch, während er sie gleichzeitig küsste und in die Lippen biss, dass sie vor Lust stöhnte. Sie hatte ihn schon immer sehr anziehend gefunden, aber dass er eine so animalische Seite besaß, hätte sie nie vermutet. Eher war er ihr etwas altmodisch und zurückhaltend erschienen. Aber offensichtlich war es an der Zeit, ihr Bild von Sinclair Drummond zu korrigieren.

Einfühlsam liebkoste und reizte er sie, bis sie es fast nicht mehr aushielt, veränderte seine Position und steigerte ihre Lust ins Unermessliche. Ihn so atemlos vor Begierde nach ihr zu sehen – und zu spüren – machte sie fast verrückt.

Autor

Jennifer Lewis

Jennifer Lewis gehört zu den Menschen, die schon in frühester Kindheit Geschichten erfunden haben. Sie ist eine Tagträumerin und musste als Kind einigen Spott über sich ergehen lassen. Doch sie ist immer noch überzeugt davon, dass es eine konstruktive Tätigkeit ist, in die Luft zu starren und sich Wolkenschlösser auszumalen....

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