Die Braut der Wüste

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Leise huscht Prinzessin Zohra durch den nächtlichen Palast. Ihr skandalöses Ziel: der Gästeflügel, in dem der Kronprinz von Dahaar residiert. Keine Frau ist dort erlaubt! Doch sie muss etwas Dringendes mit Ayaan Al-Sharif besprechen: Ihr Vater verlangt, dass sie heiraten. Sie und der Prinz mit der dunklen Vergangenheit? Eine Hochzeit im Namen der Pflicht? Das will Zohra nicht - aber dann steht sie vor Ayaans Bett. Und als er langsam seine Augen öffnet, blickt sie in das Feuer der Wüste! Würde er jetzt befehlen, dass sie sich zu ihm legt, sie würde sie gehorchen …


  • Erscheinungstag 15.09.2015
  • Bandnummer 2197
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702052
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sollte er sich mit Beruhigungsmitteln vollpumpen und in seliges Vergessen versinken? Oder sich einem unruhigen Schlaf hingeben und sich dem Wahnsinn überlassen?

Seinen Körper misshandeln oder seinen Geist quälen?

Vor dieser Entscheidung stand Ayaan bin Riyaaz Al-Sharif, der Kronprinz von Dahaar, jeden Abend, wenn die Dämmerung der dunklen Nacht weichen musste.

An diesem Abend würde er sich an die Drogen halten.

Es war seine letzte Nacht in Siyaad, der benachbarten Nation seines eigenen Landes Dahaar. Und es wäre besser für ihn, wenn er sich selbst außer Gefecht setzte.

Das hast du letzte Nacht auch schon getan, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. Eine Stimme, die sehr nach seinem älteren Bruder klang, der endlose Stunden damit verbracht hatte, Ayaan abzuhärten.

Nachdem er viel zu heiß geduscht hatte, trocknete Ayaan sich ab und schlüpfte in eine schwarze Trainingshose. Drei Stunden war er an diesem Abend gejoggt und hatte sich so sehr verausgabt, dass seine Muskeln brannten und er sich wie zerschlagen fühlte.

Schließlich ging er zurück in das große Schlafzimmer und betrachtete das Fläschchen mit den Beruhigungspillen. Zwei Tabletten, und er wäre wie tot.

Eine verführerische Vorstellung. Also sollte es ihm egal sein, wenn er morgen einen Brummschädel hatte und einen üblen Geschmack im Mund.

Eine weitere Nacht würde vergehen, ohne einen Vorfall, eine Episode. Noch eine Nacht, in der er sich geschlagen gab und akzeptierte, dass er machtlos in seinem Kampf gegen seinen eigenen Geist war.

Besiegt …

Er nahm das Plastikfläschchen, drehte an dem Verschluss und schmeckte beinahe schon die bittere Pille auf seiner Zunge.

Eine Brise wehte durch die Terrassentür und blähte die Seidenvorhänge. Mit der Dunkelheit hatte sich auch die abendliche Hitze abgekühlt.

Friedliche ruhige Nächte waren nicht seine Freunde. Und eine Nacht an einem fremden Ort zwang ihn obendrein in die Knie.

Er war ein verdammter Feigling, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete.

Hilflose Wut kochte in ihm hoch, und er schleuderte die Tabletten durch den Raum. Mit einem dumpfen Aufprall landeten sie an der Wand und rollten unter ein antikes Schränkchen.

Die Stille, die darauf folgte, legte sich wie ein kaltes Tuch über seine Haut.

Er griff nach der Fernbedienung und schaltete den großen Plasmabildschirm an, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Er hatte extra um die Gästesuite mit dem größten Fernseher gebeten. Schließlich blieb er bei einem Fußballspiel hängen und drehte den Ton so laut, dass der Klang um ihn herum vibrierte. Bald würde sein Kopf von diesem Lärm schmerzen und das Echo in seinen Ohren klingeln. Doch das körperliche Unbehagen nahm er gerne in Kauf, auch wenn er mit dreißig taub sein würde, falls er so weitermachte.

Er lief durchs Zimmer und machte die Lichter aus.

Nachdem seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ging er ins Bett. Ein unangenehmes Gefühl kroch seinen Rücken hinauf, und er konzentrierte sich darauf, einfach nur ein- und auszuatmen, damit er nicht wieder von seiner Angst überwältigt wurde.

Der Schlaf, der ihn endlich überfiel, war ein trügerischer Zufluchtsort, der ihm jede Kontrolle nahm und ihn in ein lauerndes Tier verwandelte.

Zohra Katherine Naasar Al-Akhtum ging langsam durch die erleuchteten Flure zu der Gästesuite, die sich in dem Flügel befand, der am weitesteten entfernt vom Hauptflügel des Palastes lag.

Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und mit jedem Schritt schien ihr Gang schleppender zu werden.

Es war halb zwölf nachts. Eigentlich sollte sie im Bett sein und sich vor allem nicht in dem Teil des Palastes herumtreiben, der für Frauen ausdrücklich verboten war. Obwohl sie sich noch nie an die Regeln des Palastes gehalten hatte. Bisher hatte sie es einfach noch nicht gedrängt, hierherzukommen.

Aber jetzt … jetzt hatte sie keine andere Wahl.

Sie straffte sich und ging langsam weiter.

Es war leicht gewesen, eine der Bediensteten zu bestechen und so zu erfahren, in welcher Suite ihr verehrter Gast residierte. Allerdings fand sie es seltsam, dass sie bis jetzt noch keinem der Wachmänner begegnet war.

Plötzlich stand sie vor der großen, jahrhundertealten Tür aus geschnitztem Eichenholz. Zohra hatte das Gefühl, als würden ihr eiskalte Finger über den Rücken kriechen.

Hinter dieser Tür befand sich der Mann, der ihr Schicksal, ihr ganzes Leben in Händen hielt, sollte sie nichts dagegen unternehmen. Sie konnte das nicht akzeptieren. Selbst wenn sie ihn beleidigen müsste, um der Sache zu entkommen, dann sollte es eben sein.

Tief atmete sie durch, dann schob sie die Tür auf und trat ein. Die Eingangshalle, in silbernes Mondlicht gebadet, lag still da. Doch aus dem Schlafzimmer dahinter drang Lärm … von einem Fußballspiel.

Feierte der Prinz eine Party, während ihr bei dem Gedanken an ihre Zukunft kalter Schweiß ausbrach?

Zohra straffte die Schultern und ging weiter zum Schlafzimmer. Licht flackerte auf und verschwand wieder, und der Ton war so laut gestellt, dass sie nicht einmal die Worte verstehen konnte.

Auf der Schwelle blieb sie stehen und starrte auf den großen Plasmabildschirm an der gegenüberliegenden Wand. Bei dem unruhigen Licht brauchte sie einen Moment, um zu realisieren, dass keine Gäste im Raum waren.

Sie verzog das Gesicht bei dem Lärm und suchte nach der Fernbedienung. Der Ton war so laut, dass man innerhalb kürzester Zeit Kopfschmerzen bekommen musste.

Schließlich fand sie die Fernbedienung auf dem Nachtkästchen. Schnell drückte sie auf die Stummtaste, doch der Fernseher spendete genügend Licht, sodass sie die Umrisse des Zimmers erkennen konnte.

Mit der Stille drang ein anderer Laut an ihr Ohr, den sie bis jetzt nicht wahrgenommen hatte. Ein Laut, bei dem sich ihr die Härchen auf den Armen aufstellten. Da war es wieder. Ein leiser Schrei, gedämpft durch die Bettlaken. Es klang wie ein unterdrückter Schmerzensschrei. Die Qual, die darin lag, verursachte ihr eine Gänsehaut.

Ihr Instinkt riet ihr, sich umzudrehen und zu fliehen.

Doch der nächste Laut, der vom Bett kam, verriet tiefstes Leid. Ihr drehte sich der Magen um.

Am liebsten hätte sie sich die Hände auf die Ohren gepresst, um nichts mehr hören zu müssen. Sie wollte davonlaufen, so weit wie möglich.

Doch der Schmerz, der darin mitschwang … nie im Leben würde sie diese Qual vergessen.

Zohra ging zum Bett und wäre in ihrer Eile fast über den Stuhl gestolpert, der danebenlag. Sie griff nach den seidenen Laken, die völlig zerknittert waren. Als sie sie hochhob, fiel ihr Blick auf einen Mann.

Einen Moment konnte sie nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Seine Augen waren geschlossen, die Stirn gerunzelt und die Hände zu Fäusten geballt.

Eine einzelne Träne entwischte seinen zusammengekniffenen Augen. Schweiß stand auf seiner Stirn, während er sich wild in den Laken hin und her warf.

Zohra schob sie beiseite, griff nach seinen Händen und keuchte entsetzt auf. Sie waren eiskalt. Wieder erklang ein leises Wimmern.

Eine Welle der Machtlosigkeit erfasste sie, doch sie achtete nicht darauf und umfasste seine Schultern, obwohl sie wusste, dass sie ihn nicht würde bewegen können. Mit einer Kraft, die sie selbst überraschte, schob sie ihre Hände unter seine verspannten Schultern, als sein muskulöser Arm hervorschoss.

Er traf ihren Kiefer mit großer Wucht. Fast wäre sie vom Bett gefallen, während heißer Schmerz durch ihre Wange schoss. Sie schluckte gegen den dicken Kloß in ihrem Hals an und setzte sich wieder aufrecht hin.

Diesmal war sie auf ihn vorbereitet, wich seinen Armen aus und stützte die Hände links und rechts neben seinem Gesicht ab. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und er umklammerte ihre Handgelenke

Auch wenn er sie festhielt, konnte sie eine Hand aus seinem Griff lösen und berührte schließlich seine Wange, um ihn zu beruhigen. Denn sie konnte diese gequälten Laute nicht länger ertragen und musste ihn unbedingt aufwecken.

„Wach auf, ya habibi“, flüsterte sie, so wie sie es bei ihrem Bruder Wasim gemacht hatte, als ihre Stiefmutter vor sechs Jahren gestorben war. „Es ist nur ein Albtraum.“ Sie strich mit den Fingern über seine nackten Schultern und die ausgeprägten Wangenknochen. Immer wieder flüsterte sie die gleichen Worte, auch um sich selbst zu beruhigen, während er seinen Kopf weiter hin und her warf.

„Du musst aufwachen“, flüsterte sie erneut.

Plötzlich kam sein Körper zur Ruhe. Seine Lider hoben sich, und Zohra sah in die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte.

Ihr Herz schlug gegen die Rippen, während sie sich gegenseitig anstarrten.

Diese Augen – goldfarbene Pupillen mit kleinen Sprenkeln aus Kupfer und Bronze, umrahmt von langen dichten Wimpern. Doch es war nicht die unglaubliche Farbe seiner Augen, die ihr die Brust eng machte und das Atmen schwer.

Es war der unverhüllte Schmerz, der in den Tiefen lauerte. Seine Finger strichen über ihre Handgelenke, als wollte er sich versichern, dass sie wirklich da war.

Er schloss die Augen, während sein Atem sich weiter beruhigte, dann öffnete er sie wieder.

Ihr war, als würde sie in die Augen eines anderen Mannes blicken.

Zunächst lag Vorsicht in seinem Blick, dann offene Neugier, während er ihr Gesicht betrachtete. Doch dann verdunkelte schiere Wut seine Züge.

Er ließ sie los und stieß sie zurück, sodass sie gegen das Kopfteil fiel. Als er sich aufsetzte, zeigten seine Bewegungen nichts mehr von dem Schrecken, gegen den er eben noch angekämpft hatte. „Wer sind Sie?“

Seine raue Stimme verriet ihr, dass er eine Weile geweint haben musste, bevor sie gekommen war.

Ihr wurde die Brust eng. „Sind Sie okay?“, flüsterte sie. Schweiß stand auf seiner Stirn, und seine schlanken Schultern zitterten.

„Was geht Sie das an?“, dröhnte er. „Ich habe die Wachen schon vor Stunden weggeschickt. Man sagte mir, dass niemand diesen Flügel ohne meine Erlaubnis betreten kann. Was zum Teufel machen Sie also hier?“

Deshalb hatte niemand sie aufgehalten. Zohra runzelte die Stirn. „Ich habe gesehen, wie Sie sich in den Laken hin und her gewälzt haben. Ich musste helfen.“

„Ich hätte Ihnen wehtun können.“

Sofort zog sie die Ärmel ihrer Tunika über ihre Handgelenke.

Sein Gesicht wirkte wie versteinert. Nur das wütende Flackern in seinem Blick zeigte ihr, dass er ein Mensch war und keiner der aus Stein gehauenen früheren Eroberer oder Krieger, deren Statuen draußen vor dem Palast standen. „Machen Sie das Licht an.“

Sie befolgte seinen Befehl und fühlte sich seltsam gehemmt. Die kleine Nachttischlampe spendete genug Licht, sodass sie sein Gesicht erkennen konnte.

Ayaan bin Riyaaz Al-Sharif, der neue Kronprinz von Dahaar, war nicht das, was sie erwartet hatte. Der verrückte Prinz, so hatte sie das Personal im Palast von Siyaad flüstern hören. Doch an diesem Mann, der sie mit klarem, intelligentem Blick ansah, war nichts Verrücktes.

Es gab nur ein Foto von ihm, das nicht besonders scharf gewesen war. Es war vor acht Monaten aufgenommen worden, als Dahaar jubelnd seine Rückkehr gefeiert hatte. Fünf Jahre vorher war er für tot erklärt worden, genau wie sein älterer Bruder und seine Schwester. Opfer eines brutalen Anschlags von Terroristen.

Sonst gab es keine Informationen über ihn, er hatte sich auch in der Öffentlichkeit nicht gezeigt. Selbst die Feierlichkeit, bei der er zum Kronprinzen erklärt worden war, war in kleinstem Kreis abgehalten worden, was die Spekulationen der Medien und des Volkes nur angeheizt hatte.

Für sie war er eine formlose, gesichtslose Gestalt geblieben.

Bis sie an diesem Nachmittag ihren Vater besucht hatte. Die Stimme des Königs hatte schwach geklungen, Folge eines Herzinfarkts, und doch schwang Stolz und Freude darin mit.

Prinz Ayaan hat zugestimmt, dich zu heiraten, Zohra. Eines Tages wirst du Königin von Dahaar sein.

Und damit wurde der verrückte Prinz plötzlich zu dem Mann, der sie für immer an die Welt binden würde, die ihr alles genommen hatte.

Trotzdem konnte die Erinnerung daran sie nicht davon abhalten, ihn weiter anzustarren. Er sah abgemagert aus, mit scharfen Zügen, hatte ein schmales Gesicht, ein markantes Kinn und ausgeprägte Wangenknochen. Lockiges schwarzes Haar fiel ihm wirr in die hohe Stirn. Er war schlank, fast schon dünn, und trotzdem strahlte sein Körper Kraft aus.

Eine blasse Narbe zog sich von seiner Schulter über den rechten Brustkorb bis zu seinem Rücken. Wo hatte er sich diese schmerzhaft aussehende Wunde wohl zugezogen?

Ihr drehte sich der Magen um. Wie konnte ein Mensch so viel aushalten, ohne … verrückt zu werden?

Sie zitterte bei dem Gedanken, der sie wie eine kalte mächtige Welle erfasste.

Er musterte sie genauso forschend und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Strecken Sie die Hände aus.“

Zohra sog die Luft ein und versteckte ihre Hände hinter dem Rücken.

Geschmeidig bewegte er sich auf dem Bett in ihre Richtung. Obwohl sie größer war als die meisten Frauen in Dahaar, ragte er über ihr auf.

Sein Duft trug eine Note, die sie verwirrt und hastig einatmen ließ, als er mit einer schnellen Bewegung ihre Hände nach vorne zog.

Ihre Haut prickelte, wo er sie berührte. Dann lockerte sich sein Griff, als er die Ärmel ihrer Tunika hochschob.

Dunkle Blutergüsse waren deutlich auf ihrem Handgelenk zu erkennen. Sie wollte sich losmachen, doch er hielt sie fest. „Wie lange waren Sie schon hier, ehe ich aufgewacht bin?“

Auch wenn er nicht laut gesprochen hatte, war sein Zorn nicht zu überhören, der in seiner Stimme mitschwang. „Fünf Minuten, vielleicht sechs. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“

Abrupt ließ er sie los. „Sie sollten überhaupt nicht hier sein. Und Sie hätten sofort gehen müssen, als Sie mich entdeckt haben.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte mich selbst verachtet, wenn ich einfach gegangen wäre.“

Zitternd fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. „Es ist beinahe Mitternacht. Ich habe Sie bereits zwei Mal gefragt, warum Sie hier sind. Wenn Sie mir nicht antworten, werde ich die Wache rufen. Ehe Sie es überhaupt merken, haben Sie keinen Job mehr und sitzen auf der Straße. Und für was das alles? Wegen ein paar Informationen über den verrückten Prinzen? Ein schnelles Foto, ist es das? Sagen Sie mir, wer Sie geschickt hat, dann werde ich Nachsicht zeigen.“

Er glaubte, sie wäre eine Angestellte, die gegen Bezahlung Informationen sammeln sollte? „Keiner hat mich geschickt, Prinz Ayaan.“

Er versteifte sich noch mehr, falls das überhaupt möglich war.

Sie wollte ihn nicht noch mehr gegen sich aufbringen oder über seinen Albtraum nachdenken. Dass es tatsächlich ein Albtraum gewesen war, zeigte seine Reaktion auf ihre Anwesenheit. Wenn sie es jetzt richtig anstellte, würde sie ihn nie wiedersehen oder seine schrecklichen Schmerzenslaute mitanhören müssen.

„Ich … bin aus freien Stücken gekommen. Mir war es wichtig, mit Ihnen zu sprechen, ehe Sie morgen abreisen.“

Plötzlich wurde sein verächtlicher Blick wachsam. Sie kämpfte gegen das Bedürfnis an, sich vor seiner eindringlichen Musterung zu verstecken.

Er wusste es.

Das verriet ihr der Anflug eines Leuchtens in seinen wunderschönen Augen.

Forschend betrachtete er ihr Gesicht, als würde er sie mit ganz neuen Augen sehen. Und plötzlich stand schiere Vorsicht in seinem Blick, fast so, als wäre sie mit einem Mal gefährlich für ihn geworden.

„Natürlich, Sie sind keine Bedienstete.“

Langsam stand er auf und wandte sich von ihr ab. Sie starrte auf seinen breiten Rücken. Wie ein Band zog sich die Narbe um seinen gesamten Oberkörper.

Hastig zog er ein T-Shirt an, dann verharrte er am Fußende des großen Bettes, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, als würde er darauf warten, dass sie wieder zu Verstand kam.

Hitze kroch ihren Nacken herauf, und sie biss die Zähne aufeinander.

Es gab nichts, dessen sie sich schuldig fühlen müsste. Vielmehr hatte sie die einzige Gelegenheit ergriffen, die sich ihr geboten hatte. Und sie hatte einen Mann gefunden, der sich in einem schrecklichen Albtraum befand, und hatte versucht zu helfen.

„Was ist denn so wichtig, dass es mitten in der Nacht gesagt werden muss?“, fragte er eisig.

Jetzt war es so weit. Deshalb hatte sie das Risiko auf sich genommen, in seine Suite zu gehen. Und trotzdem hatte sie das Gefühl, keinen Ton herausbringen zu können.

„Soll ich König Salim Bescheid geben lassen?“

Sie starrte ihn an. Seine Stimme hatte bedrohlich geklungen. „Es ist nicht nötig, meinen Vater in eine Angelegenheit mit einzubeziehen, die nur mich … uns etwas angeht. Ich bin sicher, dass wir das Ganze so regeln können und zu einer Lösung kommen, die uns beiden passt.“

2. KAPITEL

Sie war seine Verlobte.

Ayaan schien es den Boden unter den Füßen wegzuziehen, als seine Vermutung zur Gewissheit wurde.

Diese halbe Portion, die den Mut hatte, in sein Schlafgemach einzudringen, und die seinem Blick selbst jetzt noch mit arroganter Selbstsicherheit begegnete – sie war die Frau, die er heiraten würde, da er vor ein paar Stunden seine Zustimmung zu dieser Ehe gegeben hatte.

Er hatte nicht einmal einen Gedanken an sie verschwendet. Für ihn war sie nichts als ein weiterer Stichpunkt auf der Liste mit den Dingen, denen er im Namen der Pflicht zugestimmt hatte.

Reglos stand er da, obwohl er seiner Frustration am liebsten Luft gemacht hätte.

Hellbraunes Haar, zu einem Zopf geflochten. Große braune Augen und eine gerade Nase, ein schmales Gesicht. Ein trotziges Kinn, das so viel über diese Frau verriet.

Sie trug eine hellrosa Tunika über schwarzen Leggings und hatte einen dünnen Schal locker um ihren Oberkörper geschlungen. Ihr Outfit entsprach dem einer Prinzessin und zeigte nichts von ihrem …

Er riss sich zusammen und blickte wieder in ihr Gesicht. Wie die Frau oder ihr Körper aussah, hatte keine Bedeutung für ihn.

Irgendjemand hatte ihm gegenüber erwähnt, dass ihre Mutter Amerikanerin war. Aber sie war ein Abbild von König Salim. Die gleiche nüchterne Art, das stolze Kinn und eine Entschlossenheit, die ihr geholfen hatte, während seines Albtraums bei ihm zu bleiben.

Er wusste genau, wie unberechenbar er während dieser nächtlichen Episoden werden konnte. Aus diesem Grund wollte er auch niemanden in seiner Nähe haben. Doch obwohl er jede Vorsichtsmaßnahme ergriff, um die Wahrheit zu verstecken und seine Eltern zu verschonen, hatte man ihm bereits den Namen verrückter Prinz verpasst.

Wenn die Welt doch nur wüsste, was für eine luxuriöse Verrücktheit das war, verglichen mit seinen Momenten geistiger Klarheit.

Er wollte diese Frau nicht mehr heiraten, genauso wenig wie er diese Position in Dahaar haben wollte. Das Letztere hatte er hinausschieben können. Das Erste …?

Das Volk von Dahaar braucht die Sicherheit, dass mit dir alles in Ordnung ist. Sie brauchen einen Grund zum Feiern. Seit fünf Jahren warten sie schon darauf. Und Siyaad braucht deine Hilfe. König Salim hat zu mir gehalten, als ich mich auf niemanden mehr verlassen konnte und unter der Last von Dahaar beinahe zusammengebrochen wäre.

Jetzt ist es an der Zeit, dass wir ihm auch einen Gefallen erweisen.

Ayaan war nicht darauf vorbereitet. Er würde es nie sein.

Wie auch, wenn er sich nicht selbst vertraute. Denn der Grat zwischen geistiger Klarheit und Wahnsinn war für ihn ein sehr schmaler.

Aber er konnte sich seinem Vater nicht verweigern, nach all dem, was der König durchgemacht hatte, um Dahaar zu schützen. Er hatte seinen ältesten Sohn und seine Tochter verloren – und Ayaan an den Wahnsinn.

In einer einzigen Nacht war seinen Eltern alles genommen worden, doch sie waren nicht zusammengebrochen und kamen ihren Pflichten nach. So wie er es auch tun musste.

Plötzlich verstand er, warum König Salim sich beim Abendessen so überschwänglich entschuldigt hatte. Dass seine Tochter nicht erschienen war, verriet ihre Auflehnung und ihren Trotz. Ayaan war es egal gewesen, ob sie da war oder nicht. Ganz im Gegenteil. Er war froh um diese Schonfrist. Wenn es so weit war, würde er sich mit ihr auseinandersetzen.

Doch jetzt war seine Verlobte bei ihm, und er hatte innerhalb von fünf Minuten mehr über sie erfahren, als er je über sie hatte wissen wollen. Sie war stur, mutig, aber das Schlimmste war, dass sie nicht der Tradition entsprach.

„Mir wurde gesagt, Sie seien zu krank, um am Dinner teilzunehmen, Prinzessin Zohra.“ Er legte all seinen Zorn in seine Stimme. „Und trotzdem sind Sie jetzt hier, spazieren nachts durch den Palast, stören einen Gast in seiner Privatsphäre und beleidigen ihn.“

„Nennen Sie mich nicht Prinzessin. Ich war nie eine.“

Er war zu verwirrt, um sie zu fragen, warum.

Schuld daran war sein Albtraum, der ihn jedes Mal bis ins Mark erschütterte. „Na schön. Aber dann sagen Sie mir bitte, weshalb Sie in meiner Suite sind und sich mitten in der Nacht in dem Flügel aufhalten, der für Frauen strengstens verboten ist. Was war so wichtig, dass Sie …“

„Sie haben um sich geschlagen und geschrien. Ich konnte nicht einfach dastehen und nichts tun. Oder verschwinden und zu einer günstigeren Zeit wiederkommen.“

„Sind Sie taub? Oder einfach nur dumm?“ Seine Schande ließ ihn die beleidigenden Worte herausbrüllen. „Warum sind Sie überhaupt hierhergekommen?“

Ihre braunen Augen weiteten sich, und sie keuchte leise auf. Mit seinen unfreundlichen Worten hatte er es geschafft, ihr Mitleid im Keim zu ersticken.

„Wenn Sie glauben, mir Angst einjagen und mich vertreiben zu können, indem Sie sich wie ein Wilder aufführen, dann haben Sie sich geirrt.“

Er hätte gelacht, wäre er nicht so erschöpft gewesen. Ihre stolze Haltung, ihr trotzig vorgerecktes Kinn, als das verriet, dass sie eine Prinzessin war, egal, was sie behaupten mochte. „Wenn wir in Dahaar wären, hätte ich …“

„Aber wir sind nicht in Dahaar. Und ich bin auch nicht Ihr Untertan, der auf Ihre Gnade angewiesen ist“, sagte sie mit Kälte im Blick. „Wir sind in Siyaad. Trotzdem betreffen mich all diese Regeln hier nicht.“ Sie wartete darauf, ob er es wagen würde, ihrer Behauptung zu widersprechen. Als er schwieg, sah sie ihn forschend an. „Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass es die Sache nicht wert ist.“

Ayaan kannte nur eine Frau, die es gewagt hatte, so offen mit ihm zu reden – seine ältere Schwester Amira.

„Was ist es nicht wert?“

„Mich zu heiraten.“

„Warum sagen Sie das mir, statt Ihrem Vater?“

Schmerz stand in ihrem Blick. „Ich … Er fühlt sich nicht wohl. Ich wollte nicht riskieren, dass es ihm noch schlechter geht.“

„Und dass Sie hier sind und mich von dieser Ehe abbringen wollen, schadet ihm nicht?“

Sie zuckte die Schultern. „Sicher, er wäre enttäuscht, wenn Sie mich ablehnen. Aber er wäre nicht überrascht.“

Ayaan runzelte die Stirn. „Ich soll also die Schmutzarbeit für Sie erledigen?“

Tief atmete sie durch, während er sie mit wachsender Neugier ansah. „Ich habe wirklich keine Lust, nur der Schatten eines Mannes zu sein. Eine Frau, deren einzige Aufgabe es ist, ihm alle paar Jahre einen Erben zu gebären.“

Ayaan lächelte, auch wenn er verwirrt war.

Die Frau hatte Nerven. Auch ohne ihre scharfen Worte war ihm klar, dass sie die Vereinbarung und die damit verbundenen Pflichten, die zwischen den beiden Ländern ausgemacht worden war, nicht tolerieren würde.

Warum drängte König Salim sie dann zu dieser Ehe? Er musste doch wissen, dass Ayaan und sein Vater auch ohne diesen Ehekontrakt zu ihm stehen würden.

„Wären Sie beim Dinner gewesen und damit Ihrer Pflicht nachgekommen, wüssten Sie, was ich von meiner Frau erwarte.“

Sie schüttelte den Kopf, ihr Atem ging schneller. „Was hätte ich da schon Neues erfahren können? Die Frauen hier … sie sind nicht mehr als Zuchtstuten. Selbst ein Mädchen im Harem hat es wahrscheinlich besser als die pflichtbewusste Frau eines Königs. Zumindest hat sie guten Sex …“

Er lachte laut auf und trat einen Schritt näher.

Autor

Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

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