Die Prinzessin kehrt zurück!

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Brent verschlägt es die Sprache, als er Amira Forsythe nach acht Jahren plötzlich wiedersieht. Der unschuldige Augenaufschlag, das sexy Kostüm - unverkennbar, die Forsythe-Prinzessin, wie sie genannt wird, ist zurückgekehrt. Aber warum? Will sie etwa eine zweite Chance?


  • Erscheinungstag 05.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727789
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Heirate mich. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.“

Brent Colby fuhr erschrocken zusammen. Er kannte die Stimme nur allzu genau. Was, zum Teufel, wollte sie hier? Amira Forsythe, besser bekannt als die Forsythe-Prinzessin, hatte hier auf der Herrentoilette seiner alten Schule genauso wenig zu suchen wie in seinem Leben. Und ihr Vorschlag war nun wirklich das Letzte. Wie kam sie nur darauf? Er drehte den Wasserhahn zu, richtete sich auf und griff nach einem Papiertuch. Sorgfältig trocknete er sich die Hände ab und ließ das Tuch in den Papierkorb fallen. Erst dann drehte Brent sich um.

Langsam und eingehend musterte er Amira Forsythe und musste zugeben, dass sie noch genauso aufregend aussah wie früher. Das naturblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern, das dezente Make-up war perfekt, das schwarze, eng anliegende Kostüm betonte ihre Kurven und bot einen auffallenden Kontrast zu der hellen Haut. Ihr raffiniertes Parfüm duftete unwiderstehlich, und unwillkürlich atmete Brent tief ein. Das hätte er nicht tun sollen, denn sofort spürte er, wie sein Puls sich beschleunigte und ein warmes Verlangen in ihm aufstieg.

Aber auch sie war nicht so gelassen, wie sie tat. Das erkannte er deutlich. Sie hatte Angst. Vor ihm? Dazu hatte sie wahrhaftig allen Grund. Schließlich hatte sie ihn vor acht Jahren vor dem Altar stehen lassen, und auch heute noch verspürte er eine unbändige Wut, wenn er daran dachte. Denn damals hatte Amira es noch nicht einmal für nötig gehalten, ihm ihr Verhalten zu erklären. Also hatte er sich sein Leben ohne sie eingerichtet. Und das war auch gut so.

Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Ihre Pupillen hatten sich geweitet, sodass von der eisblauen Iris so gut wie nichts mehr zu sehen war. Diesen Blick kannte er nur zu gut, er war typisch für die Forsythes. Sie heiraten? Das konnte doch wohl nicht ihr Ernst sein!

„Nein“, sagte er und wollte an ihr vorbeigehen, doch sie hielt ihn am Arm fest.

„Ich weiß, Brent“, sagte sie leise. „Die Trauerfeier für Professor Woodleys Frau ist nicht gerade der passende Rahmen, um dir einen Heiratsantrag zu machen. Aber ich habe keine Zeit zu verlieren. Du musst mich heiraten.“

Er blieb stehen und blickte nachdrücklich auf ihre Hand, wobei er sich nichts vormachte. Ihre Berührung hatte immer noch die gleiche Wirkung auf ihn. Ihm wurde heiß vor Erregung, seine Haut schien zu kribbeln, und er hätte nichts lieber getan, als in ihr glänzendes Haar zu greifen und ihre glatte warme Haut mit den Lippen zu liebkosen. Auch nach acht Jahren hatte sie nichts von ihrer Anziehungskraft verloren.

Erstaunlicherweise ließ sie ihn auch nicht gleich los, sondern drückte noch einmal fester zu, bevor sie die Hand zurückzog. Schade, dachte er, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder. Was auch immer sie vorhatte, er wollte nichts, gar nichts damit zu tun haben.

„Selbst wenn ich bereit wäre, mit dir über dieses Thema zu sprechen, Amira, eine Trauerfeier ist nun wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt.“

„Bitte, Brent. Ich weiß, es ist allerlei Unerfreuliches zwischen uns vorgefallen, aber …“

„Was?“ Unerfreuliches? Sie hatte ihn vor der Kirche stehen lassen, in der bereits mehrere hundert Gäste versammelt gewesen waren, und seinen Trauzeugen per SMS informiert, dass sie ihn, Brent, leider nicht heiraten könne. Per SMS, das musste man sich mal vorstellen. Das war wohl etwas mehr als unerfreulich gewesen. Beinah hätte Brent laut losgelacht.

„Lass mich ausreden.“ Ihre Stimme klang jetzt unsicher, was den Forsythes gar nicht ähnlich sah. Denn sie behielten in jeder Situation die Nerven. Wenn Amiras Großmutter noch am Leben wäre, hätte sie wegen dieser Schwäche ihres einzigen Enkelkindes sicher schwer enttäuscht reagiert.

„Wenn ich mich richtig erinnere“, sagte Brent ironisch, „dann hattest du durchaus Gelegenheit, mich zu heiraten. Diese Chance hast du nicht wahrgenommen. Also gibt es in diesem Punkt zwischen uns auch nichts mehr zu bereden.“ Mit zwei Schritten war er bei der Tür.

„Aber du bist der einzige Mann, dem ich vertraue. Der sich auf so etwas einlassen würde.“

Brent blieb stehen, die Hand bereits auf der Türklinke, und drehte sich langsam um. Vertrauen? Sie wagte es, von Vertrauen zu sprechen? Das war einfach grotesk. „Wenn du dich da nur nicht irrst! Ich würde mir nicht über den Weg trauen, vor allem wenn es um Geld geht. Und das ist doch genau der Punkt, um den es geht, oder?“

„Woher weißt du das?“

Er seufzte leise. „Bei Leuten wie dir geht es doch immer nur um Geld.“ Warum war er nicht weitergegangen? Er hätte sich gar nicht erst auf ein Gespräch mit Amira einlassen sollen.

„Warte. Lass mich wenigstens erklären, warum ich dir diesen Vorschlag mache. Ehrlich, du wirst es nicht bereuen. Das verspreche ich dir.“

„Als ob dein Wort noch irgendetwas wert ist.“

„Ich brauche dich.“

Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre er für diese Worte durchs Feuer gegangen. Aber das war lange vorbei. Leute wie die Forsythes brauchten niemanden. Sie nutzten die Menschen nur aus. Und wenn sie mit ihnen fertig waren, ließen sie sie einfach fallen. Dennoch, irgendetwas war da in Amiras Tonfall, was ihn aufhorchen ließ. Dass sie ein Problem hatte, war offensichtlich. Das zeigten schon die Schatten unter ihren Augen. Und anscheinend war sie der Meinung, dass er dieses Problem lösen könne. „Okay, lass uns darüber reden. Aber nicht jetzt. Morgen arbeite ich zu Hause. Du kannst mich dort treffen. Um halb zehn.“

„Halb zehn? Aber ich habe …“

„Halb zehn oder gar nicht.“ Verdammt noch mal, er würde sich nicht nach ihrem Terminkalender richten. Wenn sie ihn sprechen wollte, dann zu seinen Bedingungen oder gar nicht.

„Gut, halb zehn.“

Amira wandte sich zum Gehen. Typisch dachte Brent. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und nun wurde er gnädig entlassen. Doch zu seiner Überraschung blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um.

„Brent?“

„Was ist?“

„Danke.“

Du solltest mir lieber noch nicht danken, dachte er, während er ihr nach draußen folgte und sie beobachtete, wie sie sich unter die Trauergäste mischte. Sollte sie es gewesen sein, die ihn seit Tagen in seinem Stadtbüro zu erreichen versuchte, während er noch geschäftlich in Übersee zu tun gehabt hatte? Seine Assistentin hatte ihm von einer Frau erzählt, die immer wieder angerufen, sich aber geweigert hatte, eine Nachricht zu hinterlassen. Wie, um alles in der Welt, hatte Amira ihn hier aufgespürt? Er war erst am Vorabend zurückgekommen, weil er unbedingt an dem Trauergottesdienst für seine frühere Direktorin teilnehmen wollte, der Frau seines Lieblingslehrers. Er hatte sie sehr verehrt, und es ärgerte ihn, dass Amira ihn ausgerechnet an einem Tag aufgesucht hatte, der für ihn schon schwer genug war.

Sein Blick schweifte über die Trauergemeinde. Auch ohne die Augen zu schließen, sah er sie wieder vor sich, diese Reihe tadellos gekleideter kleiner Jungen, die sich jeden Morgen zum Schulappell versammeln mussten. Wieder hörte er die sonore Stimme der Direktorin, und wieder hatte er das Gefühl, dass er eigentlich nicht dorthin gehörte.

Er hatte sich auch gesträubt, nach Ashurst zu gehen, auf eine von Neuseelands besten Privatschulen. Aber sein Onkel mütterlicherseits hatte darauf bestanden. Selbst wenn Brent nicht den Namen Palmer trug, so gehörte er doch zur Familie und hätte das Recht auf die gleiche Erziehung wie alle Palmers. So war es mit den alten Familien, die Geld besaßen. Es wurde einfach über einen bestimmt, ob man wollte oder nicht, weil die Tradition es so verlangte.

Brent hatte jegliche finanzielle Unterstützung abgelehnt. Denn er hatte gesehen, wie sehr sein Vater in seinem Stolz getroffen worden war, weil die Palmers die hohen Schulgebühren bezahlten. Auch wenn Zack Colby nie so reich gewesen war wie die Familie seiner Frau, so hatte er dem Sohn doch etwas sehr Wichtiges mitgegeben: Er hatte ihm beigebracht, dass man für seinen Platz in der Welt etwas tun musste. Deshalb hatte Brent sich auch enorm angestrengt, sodass er einer der wenigen war, die im zweiten Jahr ein Stipendium erhalten hatten. Außerdem hatte er neben der Schule noch gearbeitet, um dem Onkel noch vor dem Abschlussexamen jeden Cent zurückzuzahlen.

Aber nicht immer war alles so glattgegangen. Er und seine beiden besten Freunde hatten so allerlei angestellt. Wo waren sie überhaupt? Suchend sah Brent sich um. Adam Palmer und Draco Sandrelli waren doch sicher auch gekommen. Dahinten, ja, das waren sie. Jetzt hatten sie ihn gesehen und kamen auf ihn zu.

Adam hatte ihn als Erster erreicht. „Hallo, Buddy. Sag mal, wer ist denn da eben vor dir aus der Herrentoilette gekommen? Das war doch nicht etwa …?“

„Doch, du hast ganz richtig gesehen.“ Brent nahm sich ein Glas Wasser von dem Tablett, das ein Kellner ihm hinhielt, und trank einen großen Schluck.

„Nicht möglich! Und was wollte Ihre Hoheit?“

Sollte er Adam lieber nicht die Wahrheit sagen? Aber zwischen ihnen hatte es bisher nie Geheimnisse gegeben, und so sollte es auch in Zukunft bleiben. „Sie hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“

„Du willst uns wohl auf den Arm nehmen!“ Inzwischen war Draco zu ihnen getreten. Dass er ursprünglich aus Italien kam, war immer noch an seinem Akzent zu hören, obwohl er inzwischen viel in der Welt herumgekommen war.

„Leider nein. Aber egal, morgen weiß ich Näheres.“

„Willst du damit sagen, dass du sie wiedersehen wirst? Nach allem, was sie dir angetan hat?“ Adam war entsetzt.

„Ja. Aber macht euch keine Sorgen. Ich habe nicht vor, in absehbarer Zeit Ja zu sagen.“ Brent schaute sich um, entdeckte Amira jedoch nirgends.

„Hast du eine Ahnung, warum sie dich heiraten will?“, fing Draco wieder an und musterte den Freund kopfschüttelnd.

„Ihre letzte Nachricht an mich war diese verdammte SMS, mit der sie die Hochzeit abgesagt hat“, fügte Adam mit kaum unterdrückter Wut hinzu. „Wir waren schon alle in der Kirche und haben auf sie gewartet.“

Brent erinnerte sich nur zu gut an diesen quälenden Augenblick. Er und seine besten Freunde hatten neben dem Altar gestanden und noch ihre Witze darüber gemacht, dass die Braut wohl kalte Füße bekommen hatte. Als Adams Handy geklingelt hatte, hatte er dem zunächst keine Beachtung geschenkt. Doch als Amira auch nach weiteren zehn Minuten nicht erschienen war, hatte er verstohlen die Nachrichten gecheckt – und war kreidebleich geworden.

Sag Brent, dass ich ihn nicht heiraten kann. Amira.

Anfangs hatte Brent sich noch Gedanken gemacht, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie die Nachricht früher gelesen hätten. Vielleicht hätte er Amira dann noch abfangen können, bevor sie mit ihrer Großmutter verschwand. Doch dann hatte er diesen Gedanken als Energieverschwendung abgetan. Der anfängliche Schock war bald in kalten Zorn umgeschlagen, und er hatte sich selbst verflucht, dass er so leichtgläubig gewesen war. Wie hatte er ihr abnehmen können, dass sie wirklich nicht die Frau war, zu der die Großmutter sie hatte erziehen wollen.

Damals hatte sie ihm gesagt, dass Geld ihr nichts bedeute, und er hatte ihr geglaubt. Wenige Wochen vor der Hochzeit dann hatte er geschäftlich einen herben Rückschlag erlitten. Ein Container von Übersee mit sehr teuren Computerspielen war defekt, sodass die Ware unbrauchbar war. Das war ein Verlust, mit dem er nicht gerechnet hatte und der nicht schnell wieder auszugleichen war. Um Amira nicht zu beunruhigen, hatte er ihr nichts davon erzählt, aber irgendwie war es doch herausgekommen. Und gerade an ihrem Hochzeitstag hatten die Morgenzeitungen das Ganze genüsslich ausgeschlachtet.

Da hatte Brent erfahren müssen, dass Geld ihr offenbar sehr viel mehr bedeutete, als sie zugeben wollte. Dass sie nicht den Mut hatte, sich mit ihm auszusprechen, sondern nur die lakonische Nachricht übers Handy schickte, hatte ihn besonders getroffen. Doch er war nicht der Mann, der um Zuneigung bettelte. Er hatte seine Lektion gelernt. Die Forsythe-Prinzessin würde keine Gelegenheit mehr bekommen, sein Leben erneut durcheinanderzubringen.

„Ich habe keine Ahnung, was sie vorhat, aber ich werde es herausbekommen“, sagte Brent grimmig. „Aber nun kommt. Wir wollen Professor Woodley kondolieren und dann möglichst bald wieder verschwinden.“

Plötzlich sehnte er sich danach, auf seiner Moto Guzzi zu sitzen, Gas zu geben und all seinen bösen Erinnerungen zu entfliehen. Doch erst mussten sie sich von Professor Woodley verabschieden, der immer ihr Lieblingslehrer gewesen war. Während sie sich vorsichtig durch die Menge schoben, folgten ihnen viele neugierige Blicke, vor allem von Frauen, die bereitwillig zur Seite wichen. Dann endlich standen sie vor dem Professor.

„Na, da sind sie ja, meine drei Strolche. Ich freue mich, dass ihr gekommen seid, Jungs.“ Professor Woodley streckte ihnen lächelnd die Hand entgegen.

Doch Brent zögerte, sie zu ergreifen. Nie wieder hatte ihn jemand Strolch genannt, seit der Professor sie damals erwischt hatte. Sie waren nachts auf der Küstenstraße in halsbrecherischem Tempo mit ihren Motorrädern unterwegs gewesen, was streng verboten war. Immer noch hatte er die Stimme des Professors im Ohr, der damals schwer enttäuscht von ihnen gewesen war. Sie waren mit vier Wochen Ausgangssperre davongekommen. Aber alle drei hatten immer noch ein schlechtes Gewissen, dass sie damals dem geliebten Lehrer so viel Kummer bereitet hatten. Vor allem, als sie erfuhren, dass Professor Woodley seinen einzigen Sohn bei einem Unfall auf genau dieser Straße verloren hatte.

Das Ganze war in ihrem letzten Schuljahr passiert, und bis zum Examen hatten sie sich dann mustergültig verhalten.

„Wie geht es euch denn so? Ich hoffe, ihr seid alle verheiratet. Es gibt nichts Besseres als die Liebe einer guten Frau, die einem treu zur Seite steht.“ Der Professor senkte kurz den Blick und räusperte sich. „Sie wird mir sehr fehlen.“

„Sir, es tut uns allen so leid“, sagte Adam leise. Auch früher schon hatte er das Wort für die drei ergriffen.

„Mir auch, mein Junge, das kannst du mir glauben. Aber so schnell entkommt ihr mir nicht.“ Woodley lächelte verschmitzt. „Seid ihr nun verheiratet oder nicht?“

Alle drei blickten zu Boden und traten verlegen von einem Fuß auf den anderen, bis der Professor leise lachte. „Also nicht. Aber macht euch nichts draus. Ich habe das sichere Gefühl, dass es irgendwann passieren wird, wenn ihr der Richtigen begegnet.“

„Vielleicht ist nicht jeder für die Ehe geeignet“, wagte Brent einzuwerfen. Aber damit gab er dem Professor nur die Gelegenheit, ihnen einen seiner berühmten Vorträge über den Segen der Ehe zu halten.

Doch bald wurde Brent abgelenkt. Als Draco einen Blick zur Seite warf, hielt er plötzlich inne und sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Dann entschuldigte er sich kurz und strebte auf die andere Seite des Raums, dorthin, wo die Cateringfirma ihre Tische aufgebaut hatte. Glücklicherweise wurde Professor Woodley gerade von einer anderen Gruppe begrüßt, die ihm ihr Beileid aussprechen wollte.

Auch Adam blickte dem Freund hinterher. „Was ist denn in den gefahren?“

„Ich weiß es nicht, aber irgendetwas ist da los.“ Brent warf einen Blick auf die große schlanke Frau mit kurzem schwarzem Haar, die offenbar zur Cateringfirma gehörte und Draco entgegensah. Doch nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war sie nicht gerade begeistert, dass Draco auf sie zukam. Und als er sie mit seinem berühmten Sandrelli-Charme anlächelte, drehte sie sich einfach auf dem Absatz um und verschwand.

„Hm, das wird ihm nicht gefallen“, meinte Adam. Und tatsächlich: So schnell ließ sich Draco nicht abschütteln. Entschlossen folgte er der jungen Frau.

„Sieht so aus, als könnten wir diesmal nicht mit ihm rechnen. Schade.“ Brent war enttäuscht. Ihre gemeinsamen Motorradtouren waren selten genug. Die drei Freunde hatten einfach zu wenig Zeit füreinander. „Lass uns gehen. Ich habe genug. Ich will hier weg.“

Draußen sahen sie den Freund mit der jungen schwarzhaarigen Frau stehen. Offenbar bemühte er sich nach Kräften, sie davon abzuhalten zu gehen. Doch sie schien sich nicht überzeugen zu lassen, denn sie öffnete jetzt die Tür eines alten Kombi und stieg ein. Schnell ließ sie den Motor an und verschwand in einer Staubwolke.

Draco lief auf die Freunde zu. „Sagt nichts“, warnte er, die dunklen Augenbrauen drohend zusammengezogen, und griff nach seinem Motorradhelm. Schweigend taten Brent und Adam das Gleiche, und bald waren die drei Freunde auf der Autobahn in Richtung Auckland.

Amira beobachtete Brent von ihrem Wagen aus, den sie unter den herabhängenden Zweigen einer großen Eiche geparkt hatte. Als er zusammen mit Adam aus der Aula herausgekommen war, durchfuhr es sie heiß, und auch jetzt noch zitterten ihr die Hände, die das Steuerrad des BMW umfasst hielten. Und dabei hatte sie gerade ihre Nerven wieder einigermaßen unter Kontrolle gehabt.

Immer noch konnte sie kaum glauben, dass sie den Mut gehabt hatte, Brent anzusprechen und ihm diesen verrückten Vorschlag zu machen. Doch als sie die Anzeige für die Trauerfeier in der Zeitung gesehen hatte, hatte sie den Plan gefasst, Brent aufzulauern. Da er immer in den höchsten Tönen von Professor Woodley gesprochen hatte, war sie absolut sicher gewesen, dass er an der Trauerfeier teilnehmen würde. Da hätte sie endlich die Gelegenheit, ihn zu sehen. Schon tagelang hatte sie sich vorgestellt und ausgemalt, wie sie sich ihm gegenüber benehmen und was sie zu ihm sagen würde. Dass sie dann aber tatsächlich den Mut hatte, ihn anzusprechen, und das auch noch auf der Herrentoilette, hatte sie selbst überrascht.

Sie hatte sich nicht an ihm sattsehen können. Diese breiten Schultern, die schmalen Hüften, das geliebte Gesicht mit den grünbraunen Augen, das glänzende dichte Haar, das sie ihm am liebsten wie früher aus der Stirn gestrichen hätte …

Die letzten acht Jahre hatten es gut mit ihm gemeint, trotz der finanziellen Probleme, die er in der Zeit ihrer Trennung hatte. Aber auf der neuesten Liste der reichsten Männer beziehungsweise Frauen Neuseelands rangierte er unter den ersten zwanzig, das war sehr beeindruckend. Ob ihm so etwas immer noch wichtig war? Diese Art der Anerkennung hatte er früher immer gesucht, vor allem da er von den wohlhabenden Familien nicht akzeptiert wurde, nachdem aus ihrer Ehe nichts geworden war.

Sie konnte den Blick nicht von ihm lösen, als er sich jetzt seine alte schwere Lederjacke überzog, den dunklen Helm aufsetzte und das Visier herunterzog, sodass sein Gesicht vollkommen verborgen war. Doch sie hätte ihn trotzdem erkannt, an der Art, wie er sich bewegte und den Kopf hielt.

Er wirkte ein wenig schwerer als damals mit fünfundzwanzig, aber das stand ihm gut. Irgendwie umgab ihn eine Aura von Macht und Stärke, die sie verwirrte. Aber sie hatte immer schon so intensiv auf seine Nähe reagiert, daran hatte sich bis zu diesem Tag nichts geändert.

Auch jetzt noch konnte sie sich kaum erklären, wie sie den Mut gefunden hatte, ihn anzusprechen. Aber sie war auch noch nie so verzweifelt gewesen. Offenbar ist man dann zu allem fähig, dachte sie und verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln. Und sie würde alles tun, damit Brent auf ihren Vorschlag einging.

Verärgert umklammerte Amira das Steuerrad fester, denn immer noch zitterten ihre Hände. Wenn sie Erfolg haben wollte, musste sie am folgenden Tag eine sehr viel bessere Vorstellung abliefern als an diesem. Die erste Hürde hatte sie überwunden. Vielleicht war die nächste Begegnung sogar etwas einfacher? Das wollte sie nur zu gern glauben. Auch wenn Brent Colby geschäftlich sehr erfolgreich war, so würde er doch immer der „Neue“ bleiben, wenn er nicht endlich Zugang zu dem Netzwerk der „Alten“ bekam, die in Neuseelands Wirtschafts- und Finanzwelt das Sagen hatten. Genau das hatte ihre jetzt verstorbene Großmutter Isobel damals mit Erfolg verhindert. Doch jetzt konnte Amira dafür sorgen, dass er endlich in den „Club“ aufgenommen wurde. Sie konnte nur hoffen, dass ihm diese „Mitgliedschaft“ noch wichtig war.

Ihre Zukunft und alles, was ihr etwas bedeutete, hingen davon ab.

Keiner konnte verstehen, was hier für sie auf dem Spiel stand. Keiner. Denn sie wollte endlich ernst genommen werden, wollte etwas für die Gesellschaft tun, was sich nicht nur darin erschöpfte, den Vorsitz bei Wohltätigkeitskomitees zu führen. Endlich könnte sie in der Lage sein, frei zu entscheiden und sich einzusetzen, ohne dass die Großmutter über ihr Leben bestimmte. Es musste einfach klappen.

Isobel Forsythes Tod hatte Amira erschüttert, und zwar weniger die Tatsache, dass ihre Großmutter nicht mehr am Leben war. Viel mehr war sie über das Testament und die drakonischen Bestimmungen entsetzt, mit denen die Großmutter sie noch über ihren Tod hinaus knebelte. Allerdings hatte sie immer gewusst, dass Isobel mit ihren, Amiras, Plänen, etwas für die Armen zu tun, überhaupt nicht einverstanden gewesen war. Und so hatte sie versucht, der Enkeltochter auch noch mit dem Testament einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Amira ballte die Hände zu Fäusten. Sie musste es schaffen, und sie würde es schaffen.

Als die Motoren der drei schweren Maschinen aufheulten, fuhr Amira zusammen. Wie selbstverständlich übernahm Brent die Führung der kleinen Gruppe. Er war so distanziert, ja, geradezu kalt gewesen, als sie mit ihm sprach, was eigentlich auch kein Wunder war. Aber er hatte noch nicht einmal Zorn gezeigt, kein Gefühl, obgleich sie genau wusste, wie schwer sie ihn damals mit ihrer Absage getroffen hatte. Gerald Stein, der Familienanwalt der Forsythes, hatte es ihr erzählt, denn er war bereits im Vorraum der Kirche gewesen, um sie zum Altar zu führen.

Noch heute versetzte es ihr einen Stich, wenn sie daran dachte, dass sie damals davongelaufen war. Aber diesmal musste es klappen, Brent musste sie heiraten. Sonst würde sie ihr Versprechen der kleinen Casey und den anderen Kindern gegenüber, die arm und krank waren, nicht halten können. Und die ihre ganze Hoffnung auf sie setzten.

2. KAPITEL

Amira zögerte vor dem Tor, das auf die lange, geschwungene Einfahrt führte. Sie brauchte lediglich das Seitenfenster herunterzulassen und auf den Knopf zu drücken. Dann würde sich das Tor öffnen, und sie hatte Zugang zu Brents Anwesen. Alles war sehr ordentlich und gepflegt. Warum hatte sie dann trotzdem den Eindruck, sie würde damit die Tür zu einem Löwenkäfig öffnen?

Akkurat geschnittene Hecken säumten die Straße, die zu seinem Grundstück führte, das direkt am Fluss Tamaki lag. Außer seinem gab es lediglich fünf weitere Grundstücke an dieser Straße, die an der Flussmündung endeten. Brent hatte es wirklich weit gebracht. Das hier war etwas ganz anderes als das Apartment mitten in der Stadt, in dem er gewohnt hatte, als sie sich kennenlernten.

Endlich riss sie sich zusammen und drückte auf den Knopf. Brent würde sicher verärgert sein, wenn sie zu spät kam. Und das durfte sie nicht riskieren.

Es knackte. „Ich bin’s. Amira Forsythe.“

Niemand antwortete, aber das schwere schwarze Eisentor glitt lautlos zur Seite. Rein in den Löwenkäfig. Amira wurden die Handflächen feucht, als sie das Steuerrad fester umklammerte und langsam die Einfahrt hinauffuhr.

Die Hausfront war nicht weniger beeindruckend als das Eingangstor. Amira parkte den Wagen vor einer riesigen Garage, stieg aus und ging auf den Eingang zu. Interessiert betrachtete sie die Villa, die im Stil eines französischen Landhauses gebaut war. Offenbar hatte Brent an nichts gespart. Von den teuren Natursteinplatten bis zu den Holzschindeln, mit denen das Dach gedeckt war, war ihm das Beste wohl gerade gut genug gewesen.

Sie hob die Hand und wollte gerade auf die blank geputzte Messingklingel drücken, als die Tür plötzlich aufging. Amira stockte der Atem. Brent trug einen Anzug, der ganz eindeutig nicht von der Stange war, hatte das Haar glatt zurückgekämmt und das makellos weiße Hemd nicht ganz zugeknöpft, sodass ein kleines Dreieck seiner gebräunten Haut zu sehen war. Selbst ihre Großmutter hätte an seinem Outfit nichts aussetzen können.

Wären die Umstände noch so wie früher, hätte Amira ihm schon längst in den Armen gelegen. Sie würde seine Lippen spüren, sich an seine muskulöse Brust schmiegen … Plötzlich war ihr siedend heiß …

Doch dann fiel ihr ein, weshalb sie gekommen war, und sie riss sich zusammen.

„Du bist pünktlich. Sehr gut. Komm herein.“

„Ich bin immer pünktlich, besonders wenn es um etwas geht, das mir sehr wichtig ist.“ Sie trat über die Schwelle in eine Halle, die mit schwarzen Marmorplatten gefliest war.

Autor

Yvonne Lindsay

Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...

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