Ein Bräutigam zum Küssen

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Schöner Schein - oder tatsächlich Liebe? Als Sophie ihren Jugendfreund Luka Cavaliere bittet, sich als ihr Bräutigam auszugeben, hat sie nur eins im Sinn: den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen. Bis Luka sie in Rom mit einem ungeahnt leidenschaftlichen Kuss überrascht …


  • Erscheinungstag 28.07.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515146
  • Seitenanzahl 140
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Unten am Empfang steht eine Frau, die behauptet, mit dir verlobt zu sein. Sie will dich sprechen.“

Luka Cavaliere sah von seinem Rechner auf.

Seine Assistentin Tara lachte höhnisch. „Öfter mal was Neues, würde ich sagen.“ Frauen taten einfach alles, um von Luka empfangen zu werden. Sich als seine Verlobte auszugeben war allerdings neu. Leider wusste Tara nur zu gut, dass die Frau log. Luka dachte nicht im Traum daran, sich an irgendjemanden zu binden. Er war mit seiner Arbeit verheiratet.

Doch seine Antwort verblüffte sie. „Sie soll heraufkommen“, sagte Luka.

„Wie bitte?“

Er konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit am Rechner. Tara hatte ihn ja wohl verstanden.

„Luka?“ Tara irritierte, dass Luka nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte, als sie den Besuch seiner Verlobten angekündigt hatte.

Er sah unwillig auf. „Soll ich unhöflich werden? Oder warum fragst du nach, obwohl du mich genau verstanden hast?“

„Du willst mich also tatsächlich loswerden.“ Tara ließ den Kopf hängen.

Allerdings wollte er das.

„Nur weil wir uns geliebt haben“, murmelte sie traurig.

Dazu sagte er besser nichts. Von lieben konnte nicht die Rede sein, sie hatten lediglich Sex miteinander gehabt. Die Frauen flogen ihm schon allein wegen seines Reichtums nur so zu. Dagegen war nichts einzuwenden, solange es bei flüchtigen Abenteuern blieb. Doch Luka sah leider auch blendend aus und er war ein ausgezeichneter Liebhaber, deshalb wurde er die Frauen nur schwer wieder los. Sie wollten mehr von ihm, als er zu geben bereit war.

Es war ein großer Fehler gewesen, mit Tara ins Bett zu gehen. Nicht zuletzt deshalb, weil es ihn viel Zeit und Mühe gekostet hatte, sie zu einer halbwegs brauchbaren persönlichen Assistentin auszubilden.

„Ich habe jetzt keine Zeit für Diskussionen. Sag am Empfang Bescheid, dass meine Verlobte heraufkommen soll!“

„Aber du hast nie auch nur ein Wort über deine Verlobung verloren“, jammerte Tara.

Wie lästig, dachte Luka. „Du kannst in die Mittagspause gehen, wenn du willst.“ Tara sollte endlich verschwinden! „Oder weißt du was? Nimm dir besser den ganzen Nachmittag frei.“

Tara schluchzte auf. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ türenknallend das Büro.

Luka schloss kurz die Augen. Nicht etwa wegen Tara, sie war für ihn schon Vergangenheit, nein, er musste sich auf das bevorstehende Gespräch vorbereiten. Nachdenklich schlenderte er zum Fenster und ließ seinen Blick über die Skyline des hochsommerlichen Londons gleiten. Normalerweise achtete er nicht auf die Jahreszeiten. In seinem klimatisierten Büro herrschte immer die gleiche Temperatur, deshalb trug Luka auch das ganze Jahr über die gleichen dunklen Anzüge.

Seltsam, dass er Sophie nach all den Jahren ausgerechnet in London wiedertreffen musste. London, von dieser sagenhaften Metropole hatten sie in ihrer Jugend geträumt. Wenn überhaupt, dann hätte er damit gerechnet, ihr in Rom rein zufällig über den Weg zu laufen. Oder in Bordo del Cielo, der kleinen Stadt an der Westküste Siziliens, wo Sophie und er aufgewachsen waren. Dorthin war er seither nur zur Beerdigung seines Vaters im vergangenen Jahr zurückgekehrt. Einen letzten Besuch muss ich wohl noch machen, dachte Luka. Falls auch Sophies Vater in der Küstenstadt seine letzte Ruhe finden sollte. Noch war Luka sich allerdings nicht darüber im Klaren, ob er dem Mann überhaupt die letzte Ehre erweisen wollte. Wie es aussah, musste er sich wohl bald entscheiden. Oder warum suchte ihn Sophie sonst so plötzlich hier auf?

Luka zog eine dünne Goldkette aus seiner Jacketttasche und betrachtete den kleinen Kreuzanhänger daran. Er erinnerte ihn daran, warum eine Ehe mit Sophie undenkbar war. Ja, er würde zur Beerdigung gehen, und zwar, um die Kette auf den Sarg von Sophies Vater zu werfen, denn dort gehörte sie hin.

Ein vertrautes Klopfzeichen schreckte ihn aus seinen Gedanken. Sophie! Hätte er ihr damals doch bloß nicht die Tür geöffnet! Dann wäre sein Leben jetzt um einiges einfacher. Vielleicht sollte ich sie nicht empfangen, dachte Luka. Aber das war natürlich Unsinn. Er steckte die Kette wieder in die Tasche und räusperte sich. „Herein!“ Er sah noch immer aus dem Fenster.

Sophie betrat das geräumige Büro. „Ich soll dir von deiner Assistentin ausrichten, dass sie fristlos gekündigt hat. Sie sagte, ich sei der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“

Luka liebte den melodischen Klang ihrer Stimme. Verunsichert von seinen Gefühlen wagte er nicht, sich umzudrehen. Er hoffte inständig, Sophie habe sich in den vergangenen Jahren sehr zu ihrem Nachteil verändert. Vielleicht nahm sie Drogen und war um Jahrzehnte gealtert. Oder sie erwartete Drillinge, es war ihm alles egal, solange ihre Anziehungskraft auf ihn verflogen war.

Er drehte sich langsam um und stöhnte innerlich. Die Zeit spielte ihm grausam mit, denn sein Blick fiel auf eine wunderschöne Frau, Sophie Durante. Sie trug ein schlichtes elfenbeinfarbenes Kleid, das ihre Kurven ausgezeichnet zur Geltung brachte, und hatte ihr schimmerndes schwarzes Haar zu einem eleganten Chignon gesteckt. Luka erinnerte sich, wie es einst duftig über Sophies nackte Schultern gefallen war.

Die farblich zum Kleid passenden High Heels ließen Sophies sonnengebräunte Beine noch länger erscheinen. Schnell ließ er den Blick wieder aufwärts gleiten und blieb an Sophies hübsch geschwungenen Lippen hängen. Sophie hatte sie zusammengepresst, doch Luka wusste noch genau, wie es sich angefühlt hatte, als Sophie ihn mit diesen Lippen …

Hastig verdrängte er diese allzu realistischen Bilder und sah in Sophies dunkelbraune Augen. Genau wie damals, bei ihrer Trennung, las er darin abgrundtiefen Hass. Dieser Hass musste sich auch in seinen eigenen Augen widerspiegeln.

„Hallo Sophie.“ Er nickte ihr kühl zu. Er wusste, wie er sie sonst begrüßen sollte, mit einem Händeschütteln oder einem Wangenkuss? Lieber blieb er auf Distanz und bedeutete Sophie mit einer Geste, sich zu setzen.

Sie kam seiner Aufforderung wortlos nach, stellte die Handtasche neben dem Stuhl ab und kreuzte die Beine.

„Du siehst gut aus“, sagte Luka. Ihm wehte eine Wolke des verführerischen Parfüms entgegen, das Sophie offenbar noch immer benutzte. Sofort kehrten die erotischen Bilder vor sein inneres Auge zurück.

„Mir geht es auch gut.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Natürlich habe ich sehr viel zu tun.“

„Ja? Arbeitest du auf den Schiffen?“

„Nein. Ich bin unter die Eventmanagerinnen gegangen.“

„Wirklich?“ Er musterte sie überrascht. „Das wundert mich. Du bist doch früher immer zu spät gekommen.“ Unwillkürlich fiel sein Blick auf den in italienisches Gold gefassten Rubinring an ihrem Finger. Es war ein sehr altmodisches Schmuckstück, das so gar nicht seinem Geschmack entsprach.

Sophie bemerkte seinen Blick. „Schweig. Du wirst mich nicht mehr beleidigen!“

Luka sah in die Augen der einzigen Frau, die er wirklich geliebt hatte.

„Willst du nicht wissen, warum ich hier bin?“

„Du wirst es mir sicher gleich erzählen“, antwortete Luka betont gleichgültig. Natürlich konnte er sich den Grund denken, aber er wollte ihn aus Sophies Mund hören.

„Mein Vater wird voraussichtlich am Freitag aus humanitären Gründen aus der Haft entlassen.“

„Ich weiß.“

„Woher?“

„Gelegentlich sehe sogar ich Nachrichten“, antwortete er sarkastisch. „Und wie geht es ihm?“, fragte er etwas freundlicher.

„Das interessiert dich doch gar nicht.“

„Woher willst du das wissen?“ Langsam gewann Luka die Oberhand zurück. Der erste Blick auf die wunderschöne Sophie hatte ihm die Sprache verschlagen. „Aber du weißt ja immer alles besser. Also, wie geht es deinem Vater?“

„Seine Kräfte schwinden, und manchmal ist er etwas verwirrt.“

„Das tut mir leid.“

„Das passiert, wenn man unschuldig hinter Gittern sitzt.“

Luka ließ es besser unkommentiert, doch eins war klar, Paolo war ganz sicher nicht unschuldig.

„Aber was weiß ein Cavaliere schon von Gefängnissen“, fügte sie hinzu.

„Ich saß selbst sechs Monate im Untersuchungsgefängnis, und zwar in Einzelhaft. Hast du das etwa vergessen?“, erwiderte er bitter. „Oder spielst du auf den Freispruch meines Vaters an?“

„Erwähne diesen Mann nicht in meiner Gegenwart“, zischte sie.

Luka fiel auf, dass sie den Namen seines Vaters nicht aussprach. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie die Wahrheit erfuhr? Die Halskette in seiner Tasche fühlte sich plötzlich heiß an. So heiß, dass er sie Sophie am liebsten entgegengeschleudert hätte. Dann wäre es wohl endgültig aus zwischen ihnen. „Was willst du, Sophie? Wir haben uns doch vor einer gefühlten Ewigkeit entlobt.“

„Und ich bin bestimmt nicht hier, um an alte Zeiten anzuknüpfen.“

„Freut mich zu hören. Den Trip hättest du dir nämlich auch sparen können.“

„Allerdings glaubt mein Vater, dass wir immer noch verlobt sind und zusammen in Rom leben.“

„Wie kommt er denn auf diese Idee?“, fragte Luka erstaunt.

„Ich habe ihn in dem Glauben gelassen, weil er die Wahrheit nicht ertragen hätte. Ich bin davon ausgegangen, dass er das Gefängnis nicht mehr lebend verlässt, und jetzt muss ich ihm die Geschichte eben weiterhin vorspielen. Ich habe ihm erklärt, dass du vor Gericht nur deshalb so schreckliche Dinge über mich erzählt hast, um ihn zu schützen.“

„Das stimmt ja auch. Ich wollte euch beide schützen, Sophie. Du wolltest es nur nicht einsehen.“ Er sah sie durchdringend an. Er konnte es kaum ertragen, im selben Raum mit ihr zu sein. „Das klappt niemals.“

„Muss es aber. Das bist du mir schuldig, Luka.“

„Ach, wirklich?“ Luka sah das ganz anders. „Abgesehen davon, dass ich deine Nähe kaum ertrage, ist es mir auch nicht möglich, hier alles stehen und liegen zu lassen, Sophie. Was ist, wenn ich eine feste Freundin habe?“

„Das ist mir vollkommen egal. Du musst mitkommen, Luka. Okay, du bist reich und du führst ein Jetset-Leben, aber du wirst mir diesen Gefallen tun. Wir beide stammen aus Bordo del Cielo. Dieser Tatsache kannst du nicht entfliehen. Ich weiß, dass du die Frauen wie die Hemden wechselst. Wir zwei sind einander schon als Kinder versprochen worden, und du weißt, was das bedeutet.“

Luka stöhnte leise auf, als Sophie fortfuhr: „Spielst du mit, damit mein Vater in Frieden sterben kann?“

Er musterte sie entsetzt. „Du willst doch nicht etwa, dass ich zu dir ziehe und mit dir das glückliche Paar mime?“

„Nein, ich ziehe zu dir. Du besitzt ja eine großzügige Wohnung in Rom.“

„Und wieso wohnen wir nicht bei dir?“, fragte er misstrauisch.

„Weil Bella bei mir wohnt. Du erinnerst dich doch noch an sie?“

Luka verbiss sich eine sarkastische Bemerkung. Er war überzeugt, dass sich noch viel mehr Männer an Bella erinnerten.

„Sie organisiert unsere Agentur von zu Hause aus.“ Sophie überging sein höhnisches Lächeln. Sie wusste genau, worauf er anspielte. „Es wäre unfair, sie zu stören. Außerdem sieht es etwas merkwürdig aus, wenn wir als Pärchen die Wohnung mit ihr teilen.“

„Das Bett teilen wir beide aber schon, oder?“ Luka wartete gespannt auf ihre Reaktion.

„Wenn wir kein Misstrauen erregen wollen …“

„Was ist mit Sex?“

Sophie blieb cool. „Nichts“, antwortete sie. „Seit jenem verheerenden Abend bin ich traumatisiert.“

Sollte das heißen, dass sie seitdem mit keinem Mann mehr geschlafen hatte? fragte sich Luka verwundert und kämpfte die sofort aufkeimende Hoffnung nieder.

„Aber wenn du darauf bestehst …“

„Ich dachte, Bella wäre die Hure.“

„Wenn es sein muss, verkauft jeder seine Seele“, schleuderte Sophie ihm verächtlich entgegen. „Wenn du also Sex willst, kannst du ihn haben.“

„Nein danke“, sagte er kühl. Wenn sie wütend ist, ist sie noch schöner, dachte Luka. Er hatte Sophie damals die Unschuld genommen, der Sex mit ihr war einfach fantastisch gewesen, doch was sie ihm jetzt anbot … nein, kein Bedarf! Damals hatte sie ihn förmlich angebettelt, mit ihr zu schlafen. Es törnte ihn an, wenn eine Frau die Initiative übernahm.

„Auch gut. Also sag schon, Luka, tust du mir den Gefallen?“

„Das muss ich mir in Ruhe überlegen.“

„Aber bitte nicht zu lange. Meinem Vater bleibt nicht mehr viel Zeit.“

„Lass deine Visitenkarte hier, Sophie. Ich melde mich bei dir, sobald ich einen Entschluss getroffen habe.“

Zitternd suchte sie in ihrer Handtasche nach einer Karte. „Ich habe keine bei mir“, stellte sie schließlich fest.

„Dann gib mir deine Telefonnummer!“

„Ich melde mich bei dir, Luka.“ Sophie stand auf und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Du bist mir was schuldig, Luka. Schließlich hast du mir die Unschuld genommen.“

Er kam nicht umhin, ihre Gelassenheit zu bewundern. Andere Frauen hätten eine Staatsaffäre daraus gemacht, Sophie hingegen schien die Angelegenheit nüchtern zu betrachten.

„Du hast eine interessante Art, es auszudrücken“, sagte er. „Soweit ich mich erinnere …“

Nun wurde sie doch verlegen.

Luka ging auf sie zu und musterte sie. „Soll ich dich gleich hier nehmen, Sophie? Oder willst du lieber warten, bis wir in der Küche sind?“

Sophie rang um Fassung.

„Warum habe ich dich wohl nicht geheiratet, wo du doch so ein braves sizilianisches Mädchen bist?“, fragte er sarkastisch.

„Ich habe meinem Vater erzählt, dass es mein größter Traum sei, von ihm zum Altar geführt zu werden.“

„Hör auf! Ich muss überlegen, ob ich mich darauf einlasse“, zischte Luka wütend. „Aber eines kann ich dir jetzt schon sagen, ich werde dich niemals heiraten.“

„Das werden wir ja sehen.“ Sophie funkelte ihn wütend an.

Hinter der kühlen, gelassenen Fassade versteckte sich immer noch das feurige, unberechenbare Temperament einer Sizilianerin, und Luka freute sich diebisch, es geweckt zu haben. Ja, das war die Sophie, die er kannte.

„Nach allem, was du vor Gericht über mich behauptet hast, Luka …“

„Mach jetzt kein Drama draus, Sophie! Ich weiß, wozu ich dir moralisch verpflichtet bin. Ich werde gern den Verlobten spielen, aber keinesfalls den Ehemann! Damit das ganz klar ist.“ Er hoffte inständig, Sophie würde nun endgültig aus seinem Leben und aus seinem Herzen verschwinden. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, denn Sophie ging einmal um ihn herum und setzte sich wieder. Offenbar war sie bereit, seine Bedingungen zu akzeptieren.

Okay, dachte Luka ergeben. Dann waren sie also gezwungen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie hatten beide Fehler gemacht.

1. KAPITEL

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag morgen.“

Sophie lächelte fröhlich, als Bella ein hübsch eingewickeltes Geschenk aus ihrer Handtasche zog. „Darf ich es gleich aufmachen?“ Sie wusste, was es war: ein Kleid für ihre Verlobungsfeier in der kommenden Woche.

Die beiden Freundinnen arbeiteten als Zimmermädchen, aber Bella war auch eine talentierte Schneiderin und hatte in den zurückliegenden Wochen immer wieder neue Entwürfe an Sophie ausprobiert.

Sophie war sehr gespannt, welchen Entwurf Bella ausgewählt hatte. Die Freundin machte ein großes Geheimnis daraus und verriet nicht einmal die Farbe.

„Nein, nicht hier, Sophie. Warte, bis du zu Hause bist! Sonst ist überall Sand im Stoff.“

Wie jeden Tag waren sie erschöpft von ihrer Schicht im Brezza Oceana Hotel zu ihrer geheimen Bucht spaziert, um zu entspannen. Die Bucht lag versteckt hinter Klippen und war vom Hotel aus nicht zu sehen, deshalb verirrte sich auch kein Tourist hierher. Den schmalen Pfad zum Strand hinunter kannten nur die Bewohner von Bordo del Cielo. Sophie und Bella trafen sich seit ihrer Schulzeit regelmäßig in der romantischen Bucht. Und natürlich waren sie wie der Rest der Einwohner der Stadt entsetzt, als ganz in der Nähe der neue Hotelkomplex hochgezogen wurde.

Aber jetzt arbeiteten sie in genau diesem Hotel und erholten sich nach Feierabend in der kleinen Bucht. Sie kühlten die Beine im azurblauen Meer und tauschten ihre geheimsten Gedanken aus, allerdings nicht alle, denn Bordo del Cielo war eine Stadt voller Geheimnisse, die man besser für sich behielt, wollte man sich nicht in Gefahr begeben.

„Jetzt muss ich nur noch mein eigenes Kleid für deine Verlobungsfeier nähen“, sagte Bella fröhlich.

„Hast du schon eine Vorstellung, wie es aussehen soll?“, fragte Sophie neugierig.

„Grau, schlicht, elegant. Vielleicht nimmt mich Matteo in dem Outfit endlich mal wahr.“

Sophie lachte. Matteo war Lukas bester Freund und Bella war seit Jahren in ihn verknallt, nur leider würdigte er sie keines Blickes.

„Du bist bestimmt schon sehr aufgeregt“, sagte Bella und Sophie nickte schnell.

Ja, das war sie.

„Allerdings.“ Doch ihr Lächeln gefror und Tränen traten in ihre Augen.

Bella sah besorgt auf. „Was ist denn los mit dir, Sophie?“

„Darüber kann ich nicht sprechen.“

„Hast du etwa Angst, mit Luka zu schlafen? Nach der Verlobung erwartet er es vermutlich von dir, aber wenn du nicht willst, dann sag ihm doch einfach, dass du ein anständiges Mädchen bist und bis zur Hochzeitsnacht warten willst.“

Sophie lachte verhalten. „Nein, darum geht es gar nicht.“ Sie hatte Luka zwar schon seit Jahren nicht mehr gesehen, aber verliebt war sie noch immer in ihn. Sein Vater war reich und verwitwet, ihm gehörte nicht nur das Hotel, sondern fast alle Geschäfte in der Stadt. Von den anderen Geschäftsinhabern verlangte Malvolio Schutzgeld. Nach dem Tod seiner Frau hätte sich jeder andere Vater in der Stadt um seinen einzigen Sohn gekümmert, doch Malvolio schickte Luka sofort auf ein Internat auf dem Festland. Nur die Sommerferien verbrachte Luka auf Sizilien, und Sophie verliebte sich jedes Jahr ein bisschen mehr in den gutaussehenden Jungen. Inzwischen war er erwachsen und lebte in London, doch er war bestimmt noch attraktiver geworden. „Ich freue mich darauf, Luka wiederzusehen.“

„Du hast so geweint, als er wegging“, sagte Bella.

„Damals war ich vierzehn. Morgen werde ich neunzehn.“

„Du hast versucht, ihn zu küssen.“ Bella lachte, als Sophie beschämt das Gesicht in den Händen vergrub.

„Er sagte, ich sei zu jung. Damals muss er zwanzig gewesen sein.“ Luka hatte sie von sich geschoben. „Er bat mich, auf ihn zu warten.“

„Genau das hast du getan, Sophie.“

„Aber er nicht.“ Sophie ließ frustriert den Kopf hängen. Lukas Frauenverschleiß war legendär.

„Und das verletzt dich?“, fragte Bella behutsam.

„Ja, das auch.“ Wenn sie sich Luka in den Armen einer anderen Frau vorstellte, sah Sophie vor Eifersucht rot. „Aber ich möchte auch meine eigenen Erfahrungen sammeln.“

Bella musterte sie erstaunt. „Du willst was mit anderen Männern anfangen?“

„Das nicht, aber ich will meine Freiheit genießen und mir meine eigenen Träume erfüllen“, erklärte sie leise. „Seit ich denken kann, kümmere ich mich um meinen Vater. Für mich selbst bleibt kaum Zeit. Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt schon binden möchte. Ich würde so gern einmal auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten.“ Sophie blickte sehnsüchtig aufs Meer. Seit ihrer Kindheit träumte sie davon, auf den sieben Weltmeeren unterwegs zu sein. „Betten kann ich auch auf einem Schiff machen. Du träumst von einer Karriere als Designerin, ich von der Arbeit auf dem Wasser.“

„Das ist nur ein Traum“, mahnte Bella.

„Vielleicht ist deine Bewerbung aber auch erfolgreich! Dann arbeitest du bald in Mailand.“

„Nein, ich habe schon eine Absage bekommen. Meine Modezeichnungen reichen nicht aus“, antwortete Bella geknickt. „Aber ich kann mir leider weder Models noch Fotografen leisten.“ Bella versuchte sich die große Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ihr Traum vom Studium an der Mailänder Modeakademie war geplatzt. „Ich hätte mir das Studium sowieso nicht leisten können.“

„Malvolio würde meiner Mutter die Hölle heißmachen, wenn ich …“ Sie verstummte abrupt. Einige Dinge sprach man besser nicht aus.

Sophie wusste das, doch die bevorstehende Verlobungsfeier ängstigte sie. Deshalb brach Sophie das ungeschriebene Gesetz. „Ich will nicht, dass sich Malvolio noch mehr in mein Leben einmischt. Luka ist ganz anders als sein Vater, trotzdem …“

„Pst!“ Bella legte warnend einen Finger auf ihre Lippen und sah sich unauffällig um. Waren sie hier auch wirklich allein? Oder wurden sie belauscht? „Du solltest nicht darüber reden.“

„Wieso nicht?“ Sophie begehrte auf. „Ich werde mich doch wohl meiner besten Freundin anvertrauen dürfen.“

Bella schwieg.

„Ich will nicht heiraten, Bella.“ So, nun war es heraus! „Ich fühle mich noch viel zu jung für die Ehe. Es gibt so viele Dinge, die ich noch erleben will, bevor ich mich binde. Ich weiß nicht, ob ich …“

Bella sah ihre Freundin entgeistert an. „Du weißt nicht, ob du mit Luka in einer wunderschönen Villa wohnen und dich rund um die Uhr bedienen lassen willst?“ Bella wurde laut. „Du weißt gar nicht, wie glücklich du dich schätzen kannst. Ich würde sofort Ja sagen. Übrigens hat mir Malvolio zu verstehen gegeben, dass ich nach deiner Verlobungsfeier noch dableiben soll. Ich bin für die Bar eingeteilt. Heute in einer Woche mache ich keine Betten mehr, sondern …“ Bella versagte die Stimme.

Auch Sophie kämpfte mit den Tränen.

„Wie die Mutter, so die Tochter.“ Bella schluchzte. „Ich schäme mich nicht für sie. Sie hat es nur getan, um zu überleben, aber ich will nicht in ihre Fußstapfen treten.“

„Dann lass es!“ Sophie schüttelte wütend den Kopf. „Du musst ihn abweisen!“

„Glaubst du wirklich, er lässt sich von mir abweisen?“

„Du musst nicht nach seiner Pfeife tanzen. Er hat dir gar nichts zu sagen.“ Sophie war empört, dass Malvolio schalten und walten konnte, wie er wollte. Alle Leute gaben sofort klein bei. Selbst ihr Vater … „Wenn du nicht Nein sagen kannst, werde ich das für dich tun“, versprach sie entschlossen.

„Halte dich bitte da raus“, flehte Bella.

„Nein, das werde ich nicht. Sobald Luka am Mittwoch hier eintrifft, rede ich mit ihm.“

„Das hat doch keinen Sinn.“ Bella stand auf. „Ich muss zurück.“

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands.

Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester...
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