Ein Kronprinz zum Fest der Liebe

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Die Nacht mit dem unglaublich attraktiven Fremden hat für Noemi Cattaneo skandalöse Folgen: Die schöne Erbin des Juwelen-Imperiums trägt sein Kind unter dem Herzen! Das Familien-Chalet in den verschneiten Schweizer Alpen ist ihr einziger Zufluchtsort. Hier will sie sich vor der Welt verstecken. Bis in dem weihnachtlich geschmückten Bergdorf Mont Coeur unvermittelt der heiß umschwärmte Thronfolger von Ostania auftaucht: Kronprinz Maximilian - ihr Liebhaber! Auf keinen Fall darf er ihr süßes Geheimnis erfahren …


  • Erscheinungstag 19.11.2019
  • Bandnummer 242019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712600
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Mitte August, Mailand, Italien

Normalen Partyspaß und Hoffnung auf bessere Zeiten waren genau das, was Noemi momentan brauchte.

Für einen Abend vergessen, dass ihre Meinung unerwünscht war und ihre Vorschläge als selbstherrlich missachtet wurden. Doch wie sehr es auch schmerzte, es war keine Option, in der eigenen Familie zum konturlosen Schatten zu mutieren.

Noemi Cattaneo, Erbin der Cattaneo-Juwelen-Dynastie, tauchte entschlossen in die laute Partymusik und das fröhliche Lachen der anderen Gäste ein. Nach einer erneuten Auseinandersetzung mit ihrem älteren Bruder brauchte sie dringend eine Auszeit. Zum Glück floss der Champagner in Strömen. Es war bereits ihr zweites Glas.

Wann würde Sebastian sie endlich wie eine Erwachsene behandeln und erkennen, dass ihre Meinung durchaus Substanz und Gewicht hatte?

Noemi trank nahm noch einen Schluck, in der Hoffnung, das prickelnde Nass würde ihr hitziges Temperament kühlen. Doch sobald sie an seine spöttische Bemerkung dachte, der Titel stille Teilhaberin stünde ihr ausgezeichnet, schlug ihre Empörung erneut hohe Wellen.

Wie konnte Sebastian es wagen, ihr zu raten, sie solle sich lieber aufs Modeln beschränken? Sie hatte mehr zu bieten als ihr Aussehen, viel mehr. Und sie weigerte sich, ihrem Bruder noch länger zu erlauben, ihr diesen Abend zu vermiesen.

Jemand stieß mit ihr zusammen. Der Champagner schwappte über den Glasrand und auf Noemis neues weißes Kleid. Ein rosafarbener Fleck in Brusthöhe breitete sich unter ihrem entsetzten Blick in Richtung Taille aus. Sie hatte sich zwar abkühlen wollen, aber doch nicht so!

Grimmig hielt sie Ausschau nach dem oder der Schuldigen, doch der Übeltäter hatte entweder nichts bemerkt oder sich bewusst verdrückt.

Mist! Vielleicht war diese Verlobungsparty doch keine so gute Idee gewesen. Sie suchte im Getümmel nach ihrer Freundin Stephania, die sie überredet hatte herzukommen.

Während Noemi ihren Blick durch den Raum schweifen ließ, begegnete er dem eines hochgewachsenen Mannes, der von einem halben Dutzend Frauen umringt wurde, die alle um seine Aufmerksamkeit zu buhlen schienen. Trotzdem starrte er nur sie an, unverhohlen, ja, geradezu unverschämt.

Sie spürte, wie ihr heiß wurde und sich ihr Puls beschleunigte. Es war nicht das erste Mal, dass er in ihre Richtung sah, doch bisher hatte sie es vorgezogen, ihn zu ignorieren, obwohl er wirklich interessante, geradezu zwingende haselnussbraune Augen hatte.

„Hey, Noemi“, brach Stephania in ihre Gedanken. „Was stehst du hier so allein herum?“

„Ich habe gerade mit Champagner geduscht.“

Stephania schnappte nach Luft, als sie den hässlichen Fleck sah. „Oh nein! Ich bin sicher, dass sie hier Club Soda haben …“

Doch Noemi schüttelte den Kopf. „Lass nur, ich gehe am besten nach Hause.“

„Auf gar keinen Fall! Wir sind doch gerade erst angekommen. Allein im Chalet wirst du nur wieder Trübsal blasen.“

Und darüber brüten, warum Sebastian es an dem nötigen Respekt fehlen ließ! Sie gab es nicht gern zu, aber Stephania hatte recht. Wieder schaute sie zu dem auffallenden Fremden hinüber, und sie spürte, wie ihr Blut schneller durch die Adern rauschte. Er fing ihren Blick ein und hielt ihn fest.

Vielleicht gab es ja doch einen Grund zu bleiben …

Etwa zwanzig Minuten später sah Noemis Kleid dank Club Soda, Papierhandtüchern und einem Haartrockner fast wieder wie vorher aus. In der Zwischenzeit hatte sie versucht, etwas über den sexy Womanizer herauszubekommen. Vom Typ her schien er die Jagd weit mehr zu genießen, als das Wild zu erlegen.

Er kam Noemi vage vertraut vor, doch unterbringen konnte sie ihn nicht. Aber wenn er ein geladener Gast war, musste er berühmt oder wichtig sein.

Nach ihrer Rückkehr zur Party konnte sie ihn allerdings nirgends entdecken und spürte einen Stich der Enttäuschung. Das sah ihr gar nicht ähnlich, da sie längst nicht so scharf auf Männerbekanntschaften war wie ihre Freundinnen. Trotzdem überlegte Noemi kurz, ob sie Stephania, die eigentlich jeden kannte, nach seinem Namen fragen sollte. Doch sie verwarf den Gedanken gleich wieder.

Ihr Leben war schon kompliziert genug. Außerdem sank ihre Stimmung langsam gegen null. Sie brauchte dringend frische Luft!

Keine Minute später trat Noemi hinaus auf die Terrasse. Das letzte Abendrot tauchte die Berge am Horizont in ein romantisches Licht, während eine sanfte Brise ihre Haut streichelte.

„Wunderschön …“

Die dunkle samtene Stimme ließ sie den Kopf drehen – hin zu dem attraktiven Fremden mit den faszinierenden Augen. Seinen leichten Akzent konnte sie nicht einordnen, doch seine Stimme war ausgesprochen sexy, genau wie alles andere an ihm.

„Tut mir leid, störe ich?“, fragte Noemi und hielt nach seinem Harem Ausschau, aber hier draußen gab es offenbar nur sie beide.

„Überhaupt nicht. Leisten Sie mir Gesellschaft“, forderte er sie mit einer lässigen Geste auf.

Auf halbem Weg zu ihm blieb sie stehen. „Sie bewundern die Berge?“

Verwirrt hob er die Brauen.

„Als ich rauskam, sagten Sie wunderschön. Ich dachte, das bezog sich auf die grandiose Aussicht.“

Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, ich meinte Sie. Denn das sind Sie wirklich, außergewöhnlich schön.“

Das war nichts, was sie im Lauf der letzten Jahre nicht unzählige Male bescheinigt bekommen hätte. Als das Gesicht von Cattaneo Jewels gehörten Komplimente zu ihrem Job. Aber dieser Mann sah sie an, als könne er sich nur mühsam zügeln, sie nicht in die Arme zu reißen und bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen.

„Vielen Dank.“ Noemi fühlte brennende Röte in ihre Wangen steigen. Der warme Augustabend half nicht, sie abzukühlen. Jetzt wären ein paar oberflächliche Floskeln angebracht, doch obwohl sie sonst nicht um Worte verlegen war, fühlte ihr Kopf sich plötzlich an wie Watte.

Der Fremde schien nicht zu wissen, wer sie war, und momentan empfand sie das geradezu als eine Gnade. Keine bevorzugte Behandlung, keine Speichelleckerei, nur ein wenig Small Talk und vielleicht ein kleiner Flirt, um sich zu entspannen.

Als ihre Blicke sich begegneten, wurde ihr noch heißer. Sie schaute auf seinen schönen Mund und überlegte, ob sie sich vielleicht für eine magische Nacht vergessen könnte, wenn sie jemand anderes wäre. Einfach nur leben und lieben …

Doch wenn sie wollte, dass man sie ernst nahm, durfte sie derart spontanen Gelüsten nicht nachgeben. Wie verlockend sie auch sein mochten.

„Wir sollten wieder hineingehen, bevor sich die Leute fragen, wo wir geblieben sind“, gab Noemi gegen ihren Willen zu bedenken.

„Sollen sie doch“, konterte ihr Beau schulterzuckend. „Mir gefällt es hier draußen viel besser, vor allem, seit Sie da sind.“

Noemi legte den Kopf schief und musterte ihn aufmerksam. „Ich beginne langsam zu verstehen.“

„Verstehen?“, echote er mit gerunzelter Stirn.

„Warum die Frauen Sie eben derart belagert haben. Wenn Sie diesen Blick aufsetzen, könnte man glatt schwach werden.“

Die steile Falte verschwand, dafür bescherte ihr sein sexy Lächeln den nächsten wohligen Schauer. „Ich habe die Ladys bestimmt nicht ermutigt, das dürfen Sie mir glauben. Bei Ihnen ist es etwas ganz anderes. Was hat Sie allein auf diese exklusive Party geführt?“

Sie aus der Masse seiner Bewunderinnen herauszuheben war kein schlechter Schachzug. Nur zu gern würde Noemi ihm glauben, dass sie in seinen Augen anders war. Seine Worte legten sich wie Balsam auf ihr verletztes Ego.

Mochte ihr Bruder doch denken, dass sie nichts weiter wäre, als eine stille Teilhaberin im Familienunternehmen, hier war ein aufregender Mann, den offensichtlich interessierte, was sie zu sagen hatte.

„Nicht allein“, korrigierte sie ihn strahlend, worauf sein Lächeln erlosch. „Ich bin mit einer Freundin hergekommen“, ergänzte Noemi deshalb rasch.

„Und man hat nichts dagegen, dass Sie hier draußen sind, anstatt mit dem glücklichen Paar die Verlobung zu feiern?“

Was für eine seltsame Wortwahl. „Kennen Sie das verlobte Paar überhaupt?“

„Eigentlich nicht.“

Ihre Augen wurden groß. Nur enge Bekannte und die sehr Reichen und Berühmten des internationalen Jetsets waren zu dieser exklusiven Party gebeten worden. Man wollte unbedingt vermeiden, dass die lästigen Paparazzi von dem Event erfuhren, weil die Verlobten diesen Moment ganz für sich haben sollten.

Wie es aussah, war ihr Adonis ein Partycrasher!

Noemi studierte sein markantes Gesicht, das auch einer antiken Statue alle Ehre gemacht hätte. Das wie gemeißelte Kinn ließ auf einen starken Willen schließen, trotzdem wirkte er nicht wie jemand, der sich auf anderer Leute Kosten einen guten Abend machen wollte.

Und sein Mund …

Lass das! Wie konnte sie auch nur darüber nachdenken, einen Wildfremden zu küssen, egal, wie herausfordernd sexy er war.

Etwas an diesem Mann faszinierte sie und ließ sie nicht los. Vielleicht, wenn sie etwas mehr über ihn wüsste …

„Also, warum sind Sie dann hier, wenn Sie das verlobte Paar nicht kennen?“, packte sie den Stier bei den Hörnern.

„Der Gastgeber der Party hat mich eingeladen.“

„Hmm … Leben Sie hier in Mailand?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin auf der Durchreise.“

„Mit welchem Ziel?“

„Steht noch nicht fest.“

Es schien ihm nichts auszumachen, so inquisitorisch befragt zu werden, also hatte er wohl auch nichts zu verbergen. Und er war auf der Durchreise … eine geradezu perfekte Situation, die alles zuließ und nichts an spätere Verpflichtungen knüpfte. Eine feste Bindung passte nicht zu ihrem Modelleben, auch wenn es sie immer weniger ausfüllte und zunehmend an Reiz verlor.

Aber ein aufregender Abend … und eine Nacht voller Leidenschaft, wem würde das schaden? Es würde sie entspannen, und morgen könnte sie in Ruhe entscheiden, ob sie sich eine größere Rolle im Familienunternehmen erkämpfen oder den Fokus auf etwas völlig Neues richten wollte.

Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür. Ein ineinander verschlungenes Paar stolperte auf die Veranda und fuhr erschrocken auseinander, als es merkte, dass hier schon jemand war.

Scusi, wir wollten nicht stören“, versicherte Matteo De Luca, ein preisgekrönter Schauspieler. „Wir wussten nicht, dass jemand hier draußen ist.“

Die Blondine an seiner Seite kicherte, wurde untergehakt und wieder in den Festsaal dirigiert. Die beiden vergaßen, die Tür hinter sich zu schließen. Laute Tanzmusik, Stimmengewirr und Gelächter schallten nach draußen.

Ihr Adonis, wie Noemi ihn heimlich nannte, schloss die Tür und wandte sich zu ihr um. „Wie wäre es, wenn wir uns ein ruhigeres Plätzchen suchen?“

„Aber ich kenne nicht einmal Ihren Namen.“

Seine dunklen Brauen hoben sich leicht, und Noemi fragte sich, ob das bedeutete, dass sie ihn eigentlich kennen müsste. Oder ob es ihn überraschte, dass sie nicht sofort auf sein Angebot einging. Obwohl sie sich in dieser Sekunde nichts Besseres vorstellen konnte, als die nächsten Stunden mit diesem faszinierenden Mann zu verbringen.

Neugierig scannte sie ihn von Kopf bis Fuß.

Sein dunkler Designeranzug kam definitiv nicht von der Stange. Und als er jetzt einen Schluck von seinem Bourbon nahm, fiel ihr die Uhr am gebräunten Handgelenk auf. Eine Rolex. Außerdem fühlte er sich in diesem exklusiven Ambiente offensichtlich wie zu Hause.

Ihre ungenierte Musterung schien ihn zu amüsieren.

Er lächelte, und seine Augen leuchteten auf. Dieser Mann strotzte geradezu vor Selbstbewusstsein, das war nicht zu übersehen. Allein, wie er dastand, mit geraden breiten Schultern und erhobenem Kinn, aber nicht unnahbar. Und er hatte Sinn für Humor. Vor allem aber schien er es gewohnt zu sein, das zu bekommen, wonach es ihn verlangte. Und jetzt wollte er sie, wie es aussah …

„Ich heiße Max.“

„Max, also …“ Nicht annähernd so imposant wie Zeus oder Adonis, aber es musste reichen.

„Der Name gefällt Ihnen nicht?“

Sie krauste die Stirn. „Das ist es nicht.“

„Was ist es dann?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hätte einfach keinen so … gewöhnlichen Namen erwartet.“

Sein Lächeln ließ sie bis ins Innerste erbeben. „Das werde ich meiner Mutter lieber nicht weitergeben.“

„Nein, bitte nicht!“ Ihre Erwiderung kam aus vollem Herzen. Seine Mutter kennenzulernen stand absolut nicht auf ihrer Agenda.

„Und worauf hören Sie?“

„Come, scusi?“, fragte sie abgelenkt.

„Ihr Name.“

„Noemi“, murmelte sie mit heißen Wangen und fühlte sich durchschaut.

Noemi, was für ein wunderschöner Name …“ Er machte eine kleine Kunstpause. „Für eine wunderschöne Frau.“

Wenn überhaupt möglich, wurde ihr noch heißer.

Max trat einen Schritt auf sie zu, und Noemi suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, ob er vielleicht doch wusste, wer sie war: die Erbin einer berühmten Juwelier-Dynastie, mit deren Prunkstücken sich die Reichen und Berühmten weltweit schmückten.

Aber in seinen Augen stand etwas ganz anderes: heißes Verlangen.

Ihr Herz klopfte weit oben im Hals. Es war so lange her, dass ein Mann sie derart beeindruckt hatte, und dieser Max hatte etwas an sich …

Er streckte eine Hand aus und fuhr langsam mit dem Daumen über ihre bebende Unterlippe, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Es war eine einfache Geste, aber sie ließ ihr Blut wie flüssige Lava durch die Adern rauschen. Noemi schluckte heftig, was Max offenbar als Einladung wertete.

Seine Lippen waren glatt und warm. Noch kein Kuss hatte sich für Noemi je so gut angefühlt.

Es gehörte wahrlich nicht zu ihren Gewohnheiten, sich von einem Wildfremden küssen zu lassen, doch in der kurzen Zeit, die sie mit Max verbracht hatte, wuchs das Gefühl, dass sie ihm vertrauen konnte, von Sekunde zu Sekunde.

Als er den Kuss vertiefte, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und schmiegte sich willig an ihn. Nie zuvor war sie so intensiv und ungehemmt geküsst worden. Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Füße überhaupt noch den Boden berührten.

Plötzlich zog Max sich zurück. So unvorbereitet, dass Noemi sich unwillkürlich fragte, ob sie das alles nur geträumt hatte. Aber ihre Lippen kribbelten immer noch dort, wo sein Mund sie berührt hatte, und er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das mehr davon versprach.

Wenn sie vernünftig wäre, würde sie das Intermezzo hier und jetzt beenden, doch ihr Körper summte vor ungestilltem Verlangen. Und warum sollte sie nicht einmal ausnahmsweise ihr Herz vor ihrem Verstand entscheiden lassen?

Hatte Sebastian sie nicht gerade erst beschuldigt, viel zu impulsiv zu sein?

Warum seinem Vorwurf nicht gerecht werden … nur dieses eine Mal?

Max zog sein Handy aus der Jackentasche.

„Was wird das?“, fragte Noemi.

„Ich rufe meinen Fahrer an.“ Er gab etwas weiter und steckte das Handy wieder weg. „Der Wagen wird in wenigen Minuten unten auf uns warten. Wollen wir?“

Sie hatte nie gesagt, dass sie mit ihm gehen würde. Aber möglicherweise konnte er ja Gedanken lesen.

„Na, was ist?“, fragte er lächelnd.

Noemi räusperte sich. „Vielleicht kann man sich woanders, wo es etwas ruhiger ist … wirklich besser unterhalten.“

Sein Lächeln wurde breiter. „Genau, was ich auch dachte.“

Er reichte ihr den Arm, und sie brauchte einen Moment, um das richtig einzuordnen. Ein Gentleman der alten Schule, wie ihre Mutter sagen würde. Aber ihr gefiel die Geste, auch wenn sie etwas altmodisch war.

Überhaupt war er anders als sämtliche Männer, die sie kannte oder die sie normalerweise ansprachen. Plötzlich hatte Noemi das Gefühl, dass dieser Abend sich zu einem unvergesslichen Erlebnis für sie entwickeln könnte …

1. KAPITEL

Drei Monate später …

Mont Cœur, Ski-Resort in den Schweizer Alpen

Was soll ich nur tun?

Noemi tigerte nervös in ihrem luxuriösen Schlafzimmer in dem prunkvollen Familien-Chalet auf und ab. Im offenen Kamin flackerte ein gemütliches Feuer und hielt den Raum kuschelig warm. Sie konnte einfach nicht stillsitzen.

In den letzten Monaten war so viel geschehen, dass in ihrem Kopf alles drunter und drüber ging. Zunächst der positive Schwangerschaftstest! Und während sie noch versuchte, sich bewusst zu machen, was das für ihre Zukunft bedeutete, erfuhr sie eher durch einen Zufall, dass sie einen seit Ewigkeiten verschollenen Bruder hatte! Wie hatten ihre Eltern Sebastian und ihr diesen Leo ein Leben lang verschweigen können?

Ein heftiger Streit darüber zwischen ihr und den Eltern, führte dazu, dass Noemi ihnen verletzende Worte an den Kopf warf, die sie nicht so gemeint hatte. Und die sie jetzt nicht mehr zurücknehmen konnte. Nie könnte sie ihnen sagen, wie leid es ihr tat und wie sehr sie die beiden liebte …

Denn ihre Eltern waren tot.

Die offizielle Testamentseröffnung im Chalet hatte ihr endgültig bewusst gemacht, dass sie nicht zum Weihnachtsfest hier sein würden, wie es seit jeher Familientradition gewesen war.

Es war seltsam gewesen, ihrem älteren Bruder Leo zum ersten Mal gegenüberzustehen. Ebenso schockierend wie der Letzte Wille ihrer Eltern, den ihnen der Familienanwalt übermittelt hatte – besonders, was die im Testament festgelegten Klauseln betraf.

Sebastian war mindestens so verstört gewesen wie sie, als er hörte, dass seine Eltern Leo für einen Zeitraum von sechs Monaten die absolute Firmenkontrolle übertragen hatten. Leo war darüber ebenso wenig erbaut gewesen war und hatte sich sehr zurückhaltend gezeigt. Doch die Bedingungen lauteten, dass Cattaneo Jewels liquidiert würde, sollte er sich weigern, den letzten Willen der Eltern zu akzeptieren.

Und das wollte natürlich keiner von ihnen.

Doch die Emotionen kochten immer noch hoch. So war es allein Noemis Diplomatie und Geschick zu verdanken, dass die beiden Brüder sich schlussendlich bereit erklärten, noch einmal über alles nachzudenken und kurz vor Weihnachten nach Mont Cœur zurückzukehren, um eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Selbst jetzt konnte Noemi nur Vermutungen darüber anstellen, was ihre Eltern sich dabei gedacht hatten, als sie ihr Testament in dieser Weise aufgesetzt hatten.

Sie vermisste die beiden sehr, ganz besonders schmerzlich aber ihre Mutter. Die hätte sie jetzt mehr denn je gebraucht.

Beim Gedanken an die geliebte Mutter fuhr sich Noemi mit dem Handrücken über die feuchten Augen. Obwohl ihr letztes Gespräch hitzig verlaufen war, zweifelte Noemi nicht an der Liebe ihrer Eltern – selbst, wenn sie ihnen Kummer gemacht hatte. Aber alle Reue und alle guten Wünsche der Welt konnten ihre letzten wütenden Worte weder auslöschen noch ihre Eltern zurückbringen.

Noemi trat an die verglasten Türen in ihrem Zimmer und starrte in den bewölkten Nachmittagshimmel, während große Schneeflocken träge zu Boden fielen. Es war ein nasser Schnee, der schmolz, sobald er die Straßen berührte. Zu jeder anderen Zeit hätte dieses friedliche Bild sie entspannt, aber nicht heute.

Ihr lief die Zeit davon. Lange würde sie ihr süßes Geheimnis nicht mehr für sich behalten können. Unwillkürlich legte sie eine Hand auf den gewölbten Bauch. Auch die loseste Kleidung würde ihre Schwangerschaft nicht viel länger verbergen.

Was sollte sie sagen, wenn man sie nach dem Vater fragte? Dass er Max hieß? Oder dass er die aufregendsten Augen der Welt hatte, deren Farbe sich je nach Stimmung veränderte? Oder dass sein warmes dunkles Lachen immer noch ihr Herz wärmte?

Sogar jetzt noch zauberte allein die Erinnerung an ihn ein Lächeln auf ihre Lippen.

Nach der magischsten Nacht ihres Lebens hatte er gemeint, dass es am besten sei, nicht die vollen Namen oder Telefonnummern auszutauschen. Sie pflichtete ihm zögerlich bei, da keiner von ihnen an einer dauerhaften Beziehung interessiert war.

Später hatte sie allerdings Stephania nach ihm gefragt, doch die wusste noch weniger als sie.

Noemis Handy summte. Sie ging zum Bett hinüber und seufzte. Sie war nicht in der Stimmung, mit jemandem zu sprechen. Doch als sie sah, dass es ihre Schwägerin und enge Freundin Maria war, nahm sie das Gespräch an.

„Wie geht es dir?“, wollte Maria wissen.

„Gut, denke ich.“

„Wirklich? So ganz kann ich dir das nicht abnehmen.“

„Was soll das heißen?“

„Normalerweise sprudelst du über vor Energie, aber in letzter Zeit hältst du dich ziemlich bedeckt. Ist es wegen deiner Eltern?“

„Nein … ich meine, ich vermisse sie schon sehr.“

„Was treibt dich dann um?“

Maria war schon immer gut darin gewesen, sie zu durchschauen und kam dem, was Noemi sich unter einer großen Schwester vorstellte, am nächsten. Und wenn sie nicht bald mit jemandem sprach, würde sie noch platzen.

„Kann ich dir etwas anvertrauen?“

„Sicher. Du weißt doch, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe. Geht es um das Testament deiner Eltern?“

Noemi schüttelte den Kopf und lächelte schwach, als ihr einfiel, dass Maria sie gar nicht sehen konnte. „Das ist es nicht, aber wenn ich es dir verrate, musst du versprechen, es nicht Sebastian zu sagen.“

Am anderen Ende des Telefons entstand eine kurze Pause.

„Schon gut, ich hätte dich nie bitten sollen, etwas vor meinem Bruder geheim zu halten und …“

„In Ordnung. Du brauchst jemanden, dem du dich anvertrauen kannst, und dein Bruder wird nichts von mir erfahren. Ich weiß ja, wie übervorsichtig er ist, wenn es um dich geht.“

„Wenn er das hört, trifft ihn unter Garantie der Schlag!“, entfuhr es Noemi. „Er wird wie Papa reagieren …“

Sie hielt inne und dachte daran, wie schlecht ihre Eltern die Nachricht von ihrer Schwangerschaft aufgenommen hatten. Und das, obwohl sie selbst als Teenager ein Kind bekommen und ihr Baby dann auch noch zur Adoption freigegeben hatten!

Was sollte man davon halten? Es war ja nicht so, als ob ein Kind ihr Leben ruiniert hätte. Noemi hatte gehofft, gerade ihre Eltern würden Verständnis für sie aufbringen. Ihre harsche Reaktion hatte sie tief verletzt.

Das Schlimmste aber war, dass sie auch noch sterben mussten, bevor ihr Disput auch nur ansatzweise geklärt gewesen war.

„Entspann dich, Cara.“ Marias sanfte Stimme riss sie aus ihren trüben Gedanken. „Wir werden einen Weg finden, mit deinem Bruder …“

„Danke, aber das übernehme ich schon selbst, wenn es so weit ist.“

„Wie du willst, aber ich weiß immer noch nicht, was überhaupt dein Problem ist. Vielleicht kann ich dir ja helfen, es zu lösen. Möglicherweise ist es ja auch kleiner, als du denkst.“

„Nein, sondern größer …“ Noemi schluckte krampfhaft. Es laut auszusprechen würde diese Schwangerschaft real machen – so wie durch das Verlesen des Testaments der Tod ihrer Eltern für sie grausame Realität geworden war. Sobald sie Maria von dem Baby erzählte, das in weniger als sechs Monaten auf die Welt kommen würde …

„Noemi?“

„Ich bin schwanger.“

Schweigen … absolute Stille.

Noemis Herz raste, ihre Hände wurden feucht, der Magen hob sich unangenehm. Was dachte Maria jetzt? War sie ebenso enttäuscht von ihr wie ihre Eltern?

„Bist du sicher?“

„Ich habe drei Schwangerschaftstests gemacht und bin dann zum Arzt gegangen. Es ist offiziell.“

„Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Es gab eine Pause, als würde Maria nach den richtigen Worten suchen. „Wie stehst du zu der Schwangerschaft?“

„Für mich war immer klar, dass ich eines Tages Kinder haben will, aber noch nicht jetzt.“

„Und der Vater? Wie denkt er darüber?“

„Ich … ich weiß es nicht.“

Noemi, du hast es ihm doch gesagt, oder?“

Für einen Moment schloss sie die Augen und versuchte, ihren revoltierenden Magen zu beruhigen. Dann erzählte sie ihrer Schwägerin, wie sie Max kennengelernt hatte und wie leichtsinnig sie in dieser Nacht gewesen war. Sie hatte sich brüskiert und verletzt gefühlt, nicht nachgedacht und einfach nur eine heiße Nacht ohne jedwede Verpflichtung erleben wollen.

„Mach dir keine Sorgen, alles wird gut“, versicherte ihr Maria rau, obwohl ihre Stimme etwas anderes sagte.

Noemis Lachen klang hart. „Das glaubst du doch selbst nicht! Was soll ich tun? Ich werde meinen Zustand nicht mehr lange verbergen können. Die meisten Klamotten passen mir schon nicht mehr.“

„Oh, ich weiß!“

Autor

Jennifer Faye
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