Gefangene unserer Leidenschaft

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"Das warst du letzte Nacht?" Entsetzt starrt Tiffany den Fremden an. Dieser Mann hat sie auf dem Maskenball des exklusiven Geheimbundes nach allen Regeln der Kunst verführt? Immer noch wird ihr heiß, wenn sie an seine Berührungen denkt! Jetzt sieht sie ihn das erste Mal ohne Maske: Ryzard Vrbancic. Ein Despot, der angeblich keine Gnade und keine Gefühle kennt! Doch kann ein Mann, der so zärtlich ist, wirklich kein Herz haben? Tiffany würde seine Lippen so gerne noch einmal auf ihrer Haut spüren - aber dann müsste sie ihm ihr Geheimnis offenbaren ...


  • Erscheinungstag 02.02.2016
  • Bandnummer 2216
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702342
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Tiffany Davis betrat das Büro ihres Vaters und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die Blicke ihres Vaters und ihres Bruders sie verunsicherten. Natürlich wusste sie genau, was die beiden dachten und warum sie sie so durchdringend anstarrten. Sie kontrollierten, ob sie auch genug Schminke aufgetragen hatte, um die Narben in ihrem Gesicht zu verdecken.

Manchmal verspürte Tiffany den geradezu überwältigenden Drang, das kleine Make-up-Fläschchen zu nehmen und es einfach in den Müll zu werfen. Dann wollte sie es in die Welt hinausschreien: „Hier, so sehe ich jetzt aus. Findet euch endlich damit ab!“

Doch ihr Bruder hatte sie gerettet, als er sie aus dem brennenden Wagen zog. Und er fühlte sich auch so schon schuldig genug, weil sie seinetwegen überhaupt erst daringesessen hatte. Er trauerte noch immer um ihren Bräutigam, seinen besten Freund. Sie musste nicht auch noch Salz in seine Wunden streuen.

Braves Mädchen, Tiff. Schluck immer schön runter, was dir auf der Seele liegt. Es ist ja nicht so, als hättest du dir mit dieser Strategie den ganzen Ärger erst eingehandelt, wie?

Seufzend schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Was waren das bloß für Gedanken? Vermutlich wurde sie langsam, aber sicher zu einem Fall für den Seelenklempner.

Es machte sie wahnsinnig, wie angespannt beide Männer in ihrer Gegenwart wirkten.

„Was gibt es?“ Sie zwang ein Lächeln auf die Lippen und rang innerlich um Fassung.

„Erklär du es uns.“ Christian hielt die Arme vor der Brust verschränkt und nickte zu einer großen Schachtel, die geöffnet auf dem Schreibtisch ihres Vaters lag. „Was ist das?“

Sie trat näher und warf einen Blick hinein. Ihre Stirn legte sich in Falten, während sie den Inhalt der Schachtel einer Musterung unterzog. Was immer es auch sein mochte, es sah entfernt aus wie eine Mischung aus Rabe und Pfau.

„Ich weiß nicht“, sagte sie. „Vielleicht die Federboa, die du dir letztes Jahr zu Weihnachten gewünscht hast?“

Ein lahmer Witz – und die erhoffte Reaktion blieb entsprechend aus. Keiner der beiden Männer blinzelte auch nur. Sie starrten sie einfach nur an.

„Ernsthaft, Tiff“, sagte Christian. „Warum ist diese Maske für dich? Hast du darum gebeten, an meiner Stelle gehen zu können?“

Ihre Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürt. Ein Jahr lang war sie gezwungen gewesen, eine Maske zu tragen. Sie hatte sich geschworen, dass nie wieder so ein Ding ihr Gesicht berühren würde.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst“, stieß sie heiser hervor.

Ihr Bruder und ihr Vater schürzten die Lippen. Es war so verdammt schwierig zwischen ihnen geworden. Immerzu hatte sie das Gefühl, wie auf Eierschalen zu laufen. Wenn sie kurz angebunden war, gingen sie in die Defensive. Und sobald sie auch nur den Anflug von Verletzlichkeit zeigte, wurden sie so überängstlich, dass sie ihr die Luft zum Atmen nahmen.

Sie hätten sie beinahe verloren. Tiffany verstand, dass sie sie liebten und sich noch immer um sie sorgten. Und dass sich daran auch nichts änderte, solange sie nicht wieder zur Normalität zurückkehrte – was niemals passieren würde. Es machte die ganze Situation unerträglich.

„Ich verstehe nicht. Wo soll ich hingehen?“, fragte sie so ruhig und gelassen wie möglich.

„Q Virtus“, erwiderte ihr Vater, als würde das bereits alles erklären.

Sie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Achseln. Ihr war noch immer nicht klar, um was es eigentlich ging. Begriffen die beiden eigentlich, dass sie mitten in einem Fünf-Millionen-Dollar-Deal steckte? Außer ihrem Job mochte sie nicht viel haben. Aber da dieser darin bestand, einen Multimilliarden-Dollar-Konzern zu leiten, tat sie ihr Bestes.

„Ryzard Vrbancic“, erklärte Christian. „Wir haben um ein Treffen mit ihm gebeten.“

Die einzelnen Puzzlestücke begannen endlich Sinn zu ergeben. Q Virtus war der Club, von dem Paulie immer erzählt hatte. „Ihr wollt auf einer dieser seltsamen Veranstaltungen Kontakt mit ihm aufnehmen? Der Mann ist ein Despot!“

„Bregnovia hat die Anerkennung der UN beantragt. Es ist jetzt eine Demokratie.“

Sie schnaubte. „Dann habt ihr also vor, gemeinsam mit dem Rest der Welt zu ignorieren, dass Vrbancic sich das Vermögen des vorherigen Machthabers angeeignet hat, um sich selbst den Weg zur Präsidentschaft zu erkaufen?“

„Das Land ist vom Bürgerkrieg gezeichnet. Davis and Holbrook kann dabei helfen, die Infrastruktur aufzubauen, die es dringend benötigt, um sich davon zu erholen.“

„Zweifellos. Aber warum diese Geheimnistuerei? Ihr könntet ihm auch einfach unsere Dienste anbieten.“

„Ganz so leicht ist das leider nicht. Unser Staat hat seinen bisher nicht anerkannt, daher können wir noch nicht offen mit ihm in Verhandlung treten. Aber wir wollen ganz oben auf der Liste seiner Ansprechpartner stehen, wenn es so weit ist.“

Sie verdrehte die Augen. Politik! „Ihr habt also diese geheime Besprechung arrangiert, um …“

„Das Meeting wurde bisher noch nicht bestätigt. Das passiert erst, wenn man zum Q Virtus-Event eintrifft.“

„Wenn du ‚man‘ sagst, meinst du eigentlich dich, nicht wahr?“

Christian presste die Lippen zusammen. Er nahm die mit Federn geschmückte Maske aus der Schatulle. Tiffany kam nicht umhin festzustellen, dass sie sehr schön aussah. Ein Kunstwerk. Und von der Form her genau so geschnitten, dass sie ihre Narben verdecken würde.

Ihr Herz stolperte. Sie schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall würde sie das Haus verlassen – mit oder ohne diese verrückte Verkleidung.

„Weißt du, wie Q Virtus funktioniert?“, drängte ihr Bruder. „Diese Maske ist deine Eintrittskarte.“

„Nicht meine.“

„Doch, Tiff, genau das.“ Er drehte die Maske so, dass Tiffany die Rückseite sehen konnte, auf der ihr Name eingraviert war. Darunter stand: Isla de Margarita, Venezuela. „Siehst du? Nur du kannst teilnehmen.“

Der Blick, den er ihrem Vater zuwarf, machte klar, dass die beiden bereits alle möglichen Alternativen durchgesprochen hatten. Sie wirkten so frustriert, dass Tiffany sich automatisch verpflichtet fühlte, es ihnen nicht noch schwerer zu machen.

Dein Vater steht unter enormem Druck, Liebes. Tu doch einfach, worum er dich bittet …

Nein, rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie lebte ihr Leben und würde sich von niemandem mehr etwas aufzwingen lassen. „Wie sollten sie wissen, dass ich es bin, wo ich doch eine Maske trage?“

„Es befindet sich ein Mikrochip darin, sodass man nachvollziehen kann, zu wem die Maske gehört. Davon abgesehen ist sie so gearbeitet, dass sie nur auf ein ganz bestimmtes Gesicht passt.“

„Die Verantwortlichen bei diesem seltsamen Herrenclub scheinen erstaunlich gut über mich informiert zu sein. Das ist offen gestanden ziemlich gruselig. Kommt es euch nicht komisch vor, dass sie genau zu wissen scheinen, wie man meine Narben verdecken kann?“

„Q Virtus ist bekannt für Diskretion und unübertroffene Sicherheitsmaßnahmen.“ Die Art und Weise, wie ihr Vater diese Organisation verteidigte, irritierte Tiffany. „Was immer sie auch über uns wissen mögen, ich bin davon überzeugt, dass die Informationen niemals nach außen dringen.“

Eine erstaunlich naive Bemerkung für einen Mann, der lange genug in der Politik war, um jedem und allem zu misstrauen.

„Dad, wenn du dort Mitglied werden willst …“

„Das kann ich nicht“, fiel er ihr ins Wort. Glättend strich er über seine Krawatte – eine Geste, die Tiffany mehr als alles andere zeigte, dass sein Stolz verletzt war.

„Du bist zu alt? Aber vielleicht könnte dann Christian …?“

„Nein.“

Sie war ziemlich schlau, hatte immer bessere Noten gehabt als ihr Bruder, der sich bei allem stets nur irgendwie durchmogelte. Dennoch begriff sie nicht, worauf das alles hinauslief. „Nun, Paulie war Mitglied. Was braucht es dafür?“

„Geld. Viel Geld. Paul senior war Mitglied, und Paulie hat seine Nachfolge angetreten, sobald er genug verdient hatte, um die Gebühr zahlen zu können“, erklärte ihr Vater kühl.

Natürlich. Das war es, was ihn zugleich neidisch und ehrfürchtig wirken ließ: Es musste ihn innerlich zerfressen haben, dass sein bester Freund und Rivale um die Gunst ihrer Mutter etwas besessen hatte, das er nicht haben konnte.

„Während du noch im Krankenhaus lagst, habe ich in deinem Namen einen Mitgliedsantrag gestellt“, sagte Christian. „Ich hoffte, an deiner Stelle gehen zu können, erhielt aber keine Rückmeldung – bis heute.“ Er wechselte einen kurzen Blick mit ihrem Vater und fügte hinzu: „Schon ein bisschen unheimlich, oder? Sie wissen, dass Tiff sich endlich erholt und die Leitung von Davis and Holbrook übernommen hat …“

„Das ist schwerlich ein Geheimnis. Alle Welt redet darüber“, entgegnete ihr Vater. Er gab sich nicht einmal Mühe, das Missfallen aus seiner Stimme zu verbannen.

Tiffany unterdrückte ein Seufzen. Sie würde sich nicht dafür entschuldigen, dass sie sich zurück ins Leben und an die Spitze der Firma gekämpft hatte. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Mit diesem Gesicht stand eine Zukunft als brave Ehefrau und Mutter außer Frage.

Trotzdem erinnerte ihre Mutter sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran, wie wenig ladylike es doch war, als Frau zu arbeiten.

„Ich verstehe nicht, warum sie Tiff angenommen haben“, schimpfte ihr Vater leise. „Q Virtus ist immerhin ein Herrenclub.“

Sie betrachtete die Maske und rief sich all die Geschichten in Erinnerung, die Paulie mit nach Hause gebracht hatte, wenn er von einer der Veranstaltungen dieses Vereins gekommen war. „Eher eine von in Strömen fließendem Alkohol angeheizte Sex-Orgie, oder nicht?“

„Keineswegs. Es geht darum, geschäftliche Kontakte zu knüpfen“, knurrte er.

Christian grinste schief. „Es ist eine Gelegenheit für die Elite, sich gehen zu lassen“, erklärte er. „Aber zwischen Martinis und Champagner werden auch eine Menge Deals mit Handschlag besiegelt. Im Grunde ist es wie der Country Club, nur im größeren Stil.“

Schön, damit kannte sie sich aus. Dekorativ aussehende Ehefrauen und Töchter, die das Picknick für den Nationalfeiertag organisierten, während ihre Männer und Väter beratschlagten, wie sie ihr Geld in den eigenen Reihen behalten konnten.

Ihre Verlobung mit Paulie junior war hier zwischen dem siebten und neunten Loch auf dem Golfplatz verhandelt und ihre Hochzeit auf der Terrasse von ihren Müttern inszeniert worden. Und all ihre schönen Pläne waren vor den schmiedeeisernen Toren des Clubs in Flammen aufgegangen.

„Das ist ja alles recht interessant.“ War es nicht. Ganz und gar nicht. „Aber ich stecke gerade mitten in einer wichtigen Angelegenheit. Ihr müsst das alleine regeln.“

„Tiffany!“

Der strenge Tonfall ihres Vaters ließ sie unwillkürlich stramm stehen. Sie atmete tief durch. „Ja?“

„Unsere Freunde im Kongress erhoffen sich gute Beziehungen zu Bregnovia. Ich brauche diese Freunde.“

Es ging wieder einmal um die nächste Wahl. Sie konnte nicht glauben, dass es ihm immer nur darum ging.

„Ich weiß nicht, was ihr von mir erwartet! Soll ich unsere Dienste anbieten, während ich ein albernes Showgirl-Kostüm trage? Wer würde mich dann noch ernst nehmen? Ohne die Maske kann ich allerdings auch an keinem Meeting teilnehmen. Niemand will sich von Angesicht zu Angesicht mit so etwas unterhalten.“ Sie deutete zu ihrem Ohr, das von schweren Narben gezeichnet war.

Ihr Vater zuckte zusammen und wich ihrem Blick aus. Er widersprach ihr jedoch nicht, dass ihr Anblick nur schwer zu ertragen war. Das schmerzte mehr als die Monate, in denen ihre Brandwunden behandelt worden waren.

„Vielleicht könnte ich einfach dein Date sein“, schlug Christian vor. „Ich weiß nicht, ob es Mitgliedern erlaubt ist, einen Begleiter mitzubringen, aber …“

„Ich soll mit meinem Bruder zur Party gehen?“ Sie zwang sich, die Hände ruhig an den Seiten hinunterhängen zu lassen. Doch innerlich legten sie sich schützend um ihr kleines, empfindsames Herz. Liebe dich selbst, Tiff. Niemand außer dir wird es tun.

„Bring mich in den Club, und du wirst dein Zimmer nicht verlassen müssen, bis es vorüber ist“, sagte Chris.

Verstecken wir das entstellte Scheusal …

Sie schloss die Augen und versuchte den Blick ihres Vaters zu ignorieren. Den, der versuchte, ihr seinen Willen aufzuzwingen.

„Wie lange soll diese ganze Veranstaltung dauern?“, hörte sie sich selbst fragen. Diese Menschen waren die einzige Familie, die sie noch besaß. Ihre Freunde hatten ihr den Rücken gekehrt, und Verabredungen mit Männern waren für sie komplett vom Tisch. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie dunkel und einsam ihr Leben erst ohne ihre Eltern und ihren Bruder sein würde.

„Wir kommen Freitag am späten Nachmittag an, und Sonntagabend ist der ganze Spuk dann vorüber. Ich kümmere mich um die Reisevorbereitungen“, erklärte Christian erleichtert.

„Ich werde dieses Ding die ganze Zeit tragen, kapiert? Ich lasse mich auf gar keinen Fall von aller Welt anstarren.“

Sie konnte selbst kaum begreifen, dass sie es schaffte, so unerschütterlich zu klingen. Innerlich zitterte sie wie Espenlaub. Sie war nicht bereit für die teils mitleidigen, teils erschrockenen Blicke der Menschen, wenn sie sich unverhüllt in der Öffentlichkeit zeigte. Deshalb durfte sie es dazu gar nicht erst kommen lassen.

„Soweit ich weiß, werden die Masken die ganze Zeit anbehalten.“ Chris wirkte so aufgekratzt, als würde er jeden Moment anfangen, wie ein Flummi auf und ab zu springen.

„Falls mich jemand sucht, ich bin in meinem Büro“, murmelte sie. Wo ich nach meinem Rückgrat suchen werde, das mir irgendwann im Laufe dieses Gesprächs abhandengekommen sein muss …

Ryzard Vrbancic hielt sich nur selten an Regeln, die er nicht selbst aufgestellt hatte. Doch der Katamaran – seine neueste Errungenschaft – hatte kaum den Anlegesteg der Marina erreicht, als er auch schon von Bord hastete. Er wusste, wenn er den obersten Absatz der Treppe nicht erreichte, ehe die sinkende Sonne den Himmel purpurn färbte, würde man ihn vom Q Virtus Quartalstreffen ausschließen.

Die Geschichte meines Lebens, dachte er. Doch wenn sich alles so entwickelte, wie es ihm vorschwebte, würde er schon bald überall willkommen sein.

Als er durch einen gut verstecken Metalldetektor schritt, der unter anderem den Chip in seiner Maske auslas, blickte eine der in rote Roben gekleideten Angestellten von ihrem Tablet-Computer auf. Sie lächelte. „Es ist uns eine große Freude, Sie wieder zu einem unserer Treffen begrüßen zu dürfen, Raptor. Darf ich Sie zu Ihrem Zimmer führen?“

Sie war ein hübsches Ding, aber als Petit Q bedauerlicherweise unerreichbar. Ein bisschen erinnerten sie ihn an die Hintergrundmusik in einem Kaufhaus. Die Petit Qs dienten dazu, die passende Atmosphäre zu erschaffen. Sie streichelten Egos, flirteten und lasen den Mitgliedern so gut wie jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn sie allerdings ihre Jobs behalten wollten, gingen sie tunlichst niemals mit einem Gast ins Bett.

Ry seufzte. Sein letztes kleines Abenteuer lag schon Wochen zurück. Seine Gespielin hatte sich darüber beschwert, dass er mehr Zeit auf der Arbeit verbrachte als mit ihr. Die Rechnungen, die er für ihre Spa-Behandlungen und Shopping-Touren bekommen hatte, bestätigten diese Einschätzung. Sie waren so riesig wie seine sexuelle Frustration.

Vermutlich würde sich seine Situation schon sehr bald bessern; er musste einfach nur noch ein wenig Geduld haben.

Seine aktuelle Begleiterin führte ihn zur Tür seiner Suite, die er per Daumenabdruck öffnete.

„Sie haben ein Meeting-Gesuch von Steel Butterfly erhalten. Soll ich bestätigen?“

„Von einer Frau?“, hakte er nach.

„Das Geschlecht ist mir nicht bekannt, Sir.“

„Keine anderen Anfragen?“ Er hatte auf ein Signal internationaler Vertreter gehofft, dass sein Antrag von der UN positiv angenommen worden war.

„Nicht im Augenblick, nein. Haben Sie vielleicht welche?“

Verdammt. Er war hergekommen, weil er gewusst hatte, dass es eine Anfrage für ihn gab. In der Hoffnung, dass es seine aktuelle Situation betraf. Nun saß er hier fest und es ging vermutlich nur um ein Geschäftsangebot in irgendeiner Form.

„Aktuell nicht“, entgegnete er. „Was die andere Sache betrifft – ein kurzes Bekanntmachen sollte reichen, nichts Längeres bitte.“

Sie gab etwas auf ihrem Tablet ein. „Zeit und Ort werden an Ihre Smartwatch geschickt. Bitte teilen Sie uns mit, wenn wir noch irgendetwas tun können, um Ihren Aufenthalt bei uns angenehmer zu gestalten.“

Er folgte ihr wieder aus der Suite hinaus. Es war nicht notwendig, sich umzusehen. Zeus, der Kopf von Q Virtus, war extrem gut in dem, was er tat. Ryzard hatte es nie an etwas gemangelt, wenn er an einem der Quartalstreffen teilgenommen hatte. Bei der exorbitant hohen Mitgliedsgebühr konnte man das allerdings auch erwarten.

Als er die Rezeption betrat, waren außer ihm bereits etwa dreißig Personen anwesend. Fast ausschließlich handelte es sich um Männer, die Smoking und Masken trugen. Ry warf einen Blick auf seine Uhr. Eine Ansammlung von mit Bezeichnungen versehener Punkte informierte ihn darüber, dass sich unter den Mitgliedern zu seiner Rechten auch Steel Butterfly befand.

Er hatte keine Ahnung, wo Zeus diese albernen Spitznamen hernahm. Allerdings nahm er an, dass Raptor recht gut zu ihm passte. Es kam aus dem Lateinischen und bedeutete, sich etwas mit Gewalt anzueignen. Davon abgesehen waren die Knochen mehrerer Dinosaurier, die zu dieser Gattung gehörten, in seinem Heimatland Bregnovia gefunden worden.

Als er das Kasino betrat, aktivierte er den Identitätschip seiner eigenen Smartwatch. Sekunden später ging bereits eine Einladung zum BlackJack-Tisch darauf ein. Er ignorierte sie. Ryzard war nicht daran interessiert, den neuesten Gerüchten zu lauschen, die an Spieltischen wie diesem kursierten. Gerüchten über die Sucht eines Regenten und die Vertuschung eines Staatsstreichs – eine Lüge, die nur zu gern als Wahrheit angenommen wurde, um eine internationale Panik zu verhindern.

Er konnte sich auch so vorstellen, was über ihn geredet wurde. Doch er dachte gar nicht daran, sich den Kopf über das Urteil anderer zu zerbrechen. Sein Volk war frei, sein Land unabhängig. Das war es, was wirklich zählte.

Dennoch konnte er nicht vermeiden, auch an den Preis zu denken, den er für all dies hatte bezahlen müssen.

Um sich abzulenken, nahm er ein Glas Rum vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners und verließ das Kasino, auf der Suche nach Unterhaltung.

2. KAPITEL

Die Situation, in der Tiffany sich wiederfand, erschien ihr auf Übelkeit erregende Weise vertraut. Nur zu gern hätte sie Christian die Schuld daran gegeben. Er hatte sie dazu gedrängt, durch diese Tür zu gehen, als ihm der Zugang verwehrt worden war.

„Geh hinein und kümmere dich darum“, hatte er leise, aber bestimmt gesagt.

Um eine öffentliche Auseinandersetzung und die damit einhergehende Aufmerksamkeit zu vermeiden, war sie schließlich durch die Eingangspforte getreten. Während sie sich noch suchend nach einer Rezeption umschaute, war ein atemberaubend attraktiver Mann auf sie zugekommen. Er stellte sich als Julio vor und erklärte, dass er ein Petite Q sei.

Ihr, einem erfahrenen Mitglied der High Society, hatte es angesichts des jungen Schönlings in seiner roten Dienstbotenuniform die Sprache verschlagen. Es war mehr als zwei Jahre her, seit sie an ihrem Hochzeitstag zur Witwe geworden war. Auch ohne die Narben bedeutete das schlechtes Karma. Männer baten sie nicht, mit ihnen auszugehen. Wenn sie sich tatsächlich einmal mit einem lebendigen Exemplar in einem Raum aufhielt, schauten sie ihr nur selten in die Augen und wichen lieber ihrem Blick aus.

Sie fühlte sich weniger zu Julio hingezogen, als dass er sie überraschte. Er ahnte nicht, was sich unter ihrer Maske verbarg, und begegnete ihr mit ausgesuchter Höflichkeit.

„Wie ich sehe, nehmen Sie zum ersten Mal an einer unserer Veranstaltungen teil“, sagte er, nachdem er einen kurzen Blick auf sein Tablet geworfen hatte. „Ich helfe Ihnen sehr gern dabei, sich zu orientieren.“

Tiffany war vollkommen aus der Übung, was den Umgang mit Männern wie ihm anging; einem Bediensteten, der niemals seine Grenzen überschritt und dem es dennoch spielend gelang, ihr das Gefühl zu geben, schön zu sein. Stockend beantwortete sie seine Fragen nach ihrer Anreise, während er sie galant zu einem Fahrstuhl führte. Sie erinnerte sich erst wieder an Christian, als Julio sie fragte, ob sie für die Dauer ihres Aufenthalts noch irgendwelche speziellen Wünsche habee.

„Mein Bruder benötigt eine Zugangskarte oder eine Maske – ganz egal. Können Sie sich darum kümmern?“

„Ich leite Ihre Anfrage an Zeus weiter, aber die Türen werden in wenigen Minuten schließen. Sobald alles abgeriegelt ist, betritt und verlässt niemand mehr das Gelände. Sofern es sich nicht um einen Notfall handelt, natürlich.“

Abgeriegelt? Beunruhigt versuchte sie, Christian eine Textnachricht zu schicken, doch Julio setzte sie darüber in Kenntnis, dass keine externen Kommunikationsverbindungen möglich waren.

„Mobiltelefone sind ebenso wenig erlaubt wie Kameras“, sagte er. „Aber der Sicherheitsdienst wird Ihren Bruder ausfindig machen und ihm seine Möglichkeiten mitteilen.“ Danach erklärte er ihr, dass, sofern ihr Meeting-Gesuch akzeptiert wurde, Uhrzeit und Treffpunkt an ihre 007-Geheimagenten-Uhr geschickt werden würden. „Sie sollten die Uhr für die gesamte Dauer Ihres Aufenthalts tragen. Sie verrät Ihnen weit mehr als nur die Uhrzeit. Soll ich Ihnen zeigen, wie sie funktioniert?“

Sie war erleichtert zu hören, dass das Treffen mit dem Diktator aus Bregnovia noch gar nicht fest geplant war. Ihr Vater wäre mit Sicherheit außer sich vor Wut, wenn sie nicht an Christians Stelle zu dem Meeting ging. Wenn aber nun die Anfrage abgelehnt wurde, konnte sie nichts dagegen tun. Trotzdem hoffte sie noch immer, dass man ihrem Bruder den Zutritt gewährte und sie sich über all das keine Gedanken machen musste.

Sie komplimentierte Julio mit der Bitte aus ihrer Suite, sie wegen Christian auf dem Laufenden zu halten.

Die Suite war wie eine Oase der Ruhe für sie. Und selbst nach den Maßstäben ihres gehobenen Elternhauses äußerst luxuriös ausgestattet. Man hatte keine Kosten und Mühen gescheut, weder an der Einrichtung, den Kunstgegenständen oder den seidenen Bettbezügen. Die neue Garderobe im Kleiderschrank war eine angenehme Überraschung. Christian hatte so etwas in der Art erwähnt. Offenbar wurden Produktproben und Prototypen von Luxusspielzeug an die Mitglieder von Q Virtus ausgehändigt.

„Wenn du sie nicht willst, gib sie mir“, waren seine Worte gewesen.

Sie nahm an, dass er damit eher die High-Tech-Uhr meinte, die Julio ihr erklärt hatte, als eine Schrankladung voller edler Roben. Diskret angebrachte Etiketten verrieten, dass nur die besten Designer vertreten waren. Die Farben und Stoffe faszinierten Tiffany. Ebenso die Schnitte, die zwar figurbetont, aber doch so geschnitten waren, dass sie ihre Narben bedecken würden.

Wirklich sehr interessant.

Nicht, dass es irgendeinen Anlass gab, zu dem sie ein solches Kleid tragen konnte. Tiffany hatte nämlich keineswegs vor, ihre Suite zu verlassen. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie ihren Aufenthalt nicht genießen konnte. Sie wollte das Ganze einfach als eine Art Urlaub von ihrer Familie betrachten. Zeit, um ganz in Ruhe zu arbeiten.

Aber Arbeiten war ohne WLAN-Verbindung zur Außenwelt so gut wie unmöglich. Und außerdem zogen die Klänge der Calypso-Band, die durch ihre geöffneten Balkontüren drangen, sie unwiderstehlich an.

Sie liebte es zu tanzen.

Warum eigentlich nicht?

Es war dunkel, als sie sich auf den Balkon hinausschlich und sehnsuchtsvoll auf die Party hinabblickte, die unter ihr bereits in vollem Gang war. Sie fühlte sich wie Aschenputtel, das sich die Nase an den beschlagenen Fenstern zum Ballsaal platt drückte. Dort unten spielte sich das Leben ab, während sie in ihrem Elfenbeinturm saß und dazu verdammt war, immer nur stiller Beobachter zu sein.

Das blaue Glühen, das von der Poolbeleuchtung ausging, ließ die Eisskulpturen auf den Buffettischen erstrahlen. Barkeeper jonglierten geschickt mit Flaschen und boten ihrem Publikum eine atemberaubende Cocktailshow, während Frauen in roten Roben mit maskierten Männern in Smokings über die Tanzfläche schwebten.

Tiffany fand diese Masken-Sache seltsam. Während sie mit dem Firmenjet nach Süden geflogen waren, hatte Christan ihr erklärt, dass die Weltelite auf diese Weise diskret miteinander in Kontakt treten konnte, ohne allein durch ein Treffen Fluktuationen auf den Finanzmärkten auszulösen. Im Wesentlichen erfüllte Q Virtus alle Bedürfnisse der Superreichen.

Nun, ich brauche ein neues Gesicht, dachte sie verdrießlich. Doch selbst mit all dem Geld, das ihr Ehemann ihr hinterlassen hatte, konnte sie sich keine Wunder erkaufen.

Sie wandte sich um und betrachtete nachdenklich die Maske, die sie beim Betreten der Suite abgelegt hatte. Entgegen ihrer anfänglichen Befürchtung war es keineswegs traumatisch für sie gewesen, erneut eine Maske zu tragen. Ganz im Gegenteil. Es war lange her, dass sie sich so normal, so unbeschwert gefühlt hatte. Keine starrenden Blicke, kein mitleidiges Tuscheln.

Aber bedeutete das nicht, dass sie ebenso gut auch nach unten gehen und ein wenig das Leben genießen konnte?

Ihr Herz flatterte vor Nervosität, als sie die Designerroben in ihrem Schrank noch einmal durchschaute. Bei einem asymmetrischen Kleid aus tiefblauer Seide verharrte sie. Es war so geschnitten, dass es den Blick auf ihr gutes rechtes Bein gerade so weit freigab, um zu verbergen, wo man ihr die Hauttransplantate entnommen hatte.

Zögernd hielt sie sich die Robe vor. Dann ließ sie alle Unsicherheit fahren und zog sich um.

Wer immer dieser Zeus auch sein mochte, er verstand es meisterlich, eine Frau einzukleiden. Ganz besonders eine, die einige Schönheitsfehler zu verbergen hatte. Der einzelne Ärmel reichte bis über das Handgelenk, und das Oberteil lag so eng an, dass es ihre Brüste hob. Ihre neuen Schuhe bestanden im Grunde nur aus mörderischen Absätzen und blau-grünen Bändchen, die sich um ihre Füße schmiegten

Als sie sich schließlich fertig angezogen im Spiegel betrachtete, stockte ihr der Atem.

Sie blickte ihrem alten Ich in die Augen.

Hi, Tiff. Nett, dich wiederzusehen. War auch langsam an der Zeit …

Autor

Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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