Knallrot und kussecht!

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Cole Sinclair ist der unwiderstehlichste Typ, dem Sage jemals begegnet ist! Von ihm würde sie sich gern verführen lassen. Oder steckt hinter seinem heißen Flirt etwa ein intriganter Plan? Sie weiß, dass der Tycoon unbedingt ihre Kosmetikfirma kaufen will …


  • Erscheinungstag 03.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719876
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Cole blickte von der Zeitung auf, in die er vertieft gewesen war. Sein Stiefvater stand im Türrahmen und sah ihn fragend an.

„Nein, warte, sag nichts. Lass mich raten“, sprach Victor Gray weiter, ehe Cole antworten konnte. „Stiletto Cosmetics.“

„Woher weißt du das?“ Cole faltete den Wirtschaftsteil der Zeitung zusammen und schob ihn angewidert von sich.

„Wenn du so missmutig guckst, hat es normalerweise etwas damit zu tun.“

Mit einem Ruck stand Cole auf und begann vor der Glasfront in seinem Büro auf und ab zu gehen. Durch die Fenster hatte man eine herrliche Aussicht auf die Skyline von Nashville. Schon bevor er in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, hatte er gewusst, dass es nicht einfach werden würde, die heruntergewirtschaftete Kosmetikfirma seiner Familie wieder aufzubauen.

Espresso Cosmetics hatte sich das Image eingehandelt, Make-up für alte Damen herzustellen. Dazu kam, dass sich eine neue Kosmetikfirma in der Stadt niedergelassen hatte, die riesige Schlagzeilen machte und Espressos schwindenden Kundenstamm an sich riss.

„Die Presse schreibt sich die Finger wund mit Lobeshymnen für Stiletto − und uns rufen die Reporter nicht mal zurück“, murmelte Cole.

Victor blieb im Türrahmen stehen. „Die schlagen doch nur Kapital aus den fünfzehn Minuten Ruhm, die sie hatten, weil diese Sängerin sie im Fernsehen erwähnt hat. Das wird nicht lange anhalten.“

Aber Cole war sich da nicht so sicher. Stiletto hatte schon seit einiger Zeit im Internet für Aufregung gesorgt, bevor die Sängerin die Marke öffentlich angepriesen hatte. Cole sah aus dem Fenster. Auf dem Gebäude gegenüber stand eine riesige elektronische Reklametafel, auf der sich gerade ein Cheeseburger in grellen Farben vom grauen Januarhimmel abhob.

Ausdruckslos starrte er auf das Bild, während er daran dachte, wie Stiletto mit seinen Produkten immer mehr junge Frauen anzog. Espresso hingegen kämpfte verzweifelt um das Interesse genau dieser Kundinnen. Ein Artikel in der heutigen Zeitung hatte den Kampf der beiden Firmen um diese Zielgruppe beschrieben und darüber spekuliert, dass Stiletto als Gewinner hervorgehen würde.

„Hast du Lust, mit mir mittagessen zu gehen?“, unterbrach sein Stiefvater Coles Gedanken. „Seit ich auf der Reklametafel da draußen den leckeren Burger gesehen habe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.“

Der Burger sah gut aus, das musste Cole zugeben, und schmeckte wahrscheinlich um einiges besser als das Essen in den vornehmen Restaurants, in denen er zuletzt bei vielen Geschäftstreffen gewesen war.

„Ein anderes Mal, Vic. Ich habe keinen richtigen Appetit.“

„Verrätst du mir dann wenigstens, was los ist, oder willst du weiterhin nur die Stirn runzeln und schweigen?“, wollte der ältere Mann wissen.

„Hier steht etwas, das du lesen musst.“

Cole spürte, wie sein Stiefvater zögerte, ehe er das neu eingerichtete Büro betrat, das jetzt völlig anders aussah als zu der Zeit, in der Coles Mutter das Unternehmen geleitet hatte.

Seufzend schob er dem älteren Mann die Tageszeitung hin, schlug sie auf und zeigte auf den Artikel, dem er seine gegenwärtige schlechte Laune zu verdanken hatte.

Er beobachtete, wie Victor sich über die Zeitung beugte und eins der Fotos, die zum Artikel gehörten, ansah.

„Wow!“

„Genau“, erwiderte Cole ärgerlich. Doch dann entdeckte er ein Leuchten in den Augen seines Gegenübers.

„Jetzt sieh dir doch mal die langen Beine in diesem kurzen Rock und in den High Hells an. Ich verstehe nicht, wieso du dich über so was ärgerst. An der ist nichts auszusetzen. Was für ein Anblick!“, rief sein Stiefvater.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Cole das etwas kleinere der beiden Fotos an, das ihm bisher entgangen war. Das war also Stilettos Eigentümerin. Sein Blick glitt über die wilde Lockenmähne und das eher unfreundlich wirkende Gesicht der Frau. Sage Matthews sah genau so aus, wie Cole sie sich vorgestellt hatte – wie eine verwöhnte Nervensäge.

Er schob die Zeitung wieder seinem Stiefvater hin und deutete auf das größere der beiden Fotos. „Dieses Foto ist das Problem.“

„Die ältere Frau auf diesem Bild sieht irgendwie aus wie …“

„Ein Mann in Frauenkleidung“, beendete Cole den Satz seines Schwiegervaters. Auf dem Foto unter dem Artikel waren zwei Frauen abgebildet: eine jung, hübsch und modern, die andere älter, hässlich und altmodisch gekleidet. Es bestand kein Zweifel darüber, welche der beiden die Firma Espresso repräsentierte.

„Sie stempeln uns nicht nur als Marke für Senioren ab, sie stellen uns sogar durch eine der hässlichsten Frauen dar, die ich je gesehen habe!“

„Na, du hast ja gerade gesagt, er sei keine Frau“, entgegnete Victor schmunzelnd.

Eine Ader an Coles Schläfe zuckte und er spürte, wie die Wut in ihm hochstieg − nicht nur auf die Konkurrenz, sondern auch auf seinen Stiefvater. „Glaubst du das wirklich?“, fragte er in sarkastischem Ton. „Und woran hast du das gesehen? An der grauenhaften Perücke oder an dem verdammten Spitzbart?“

„Na ja, das ist nicht gerade ein Kinnbart, es sind nur ein paar Bartstoppeln.“

„Verteidigst du dieses Foto jetzt?“

Grinsend sah Victor seinen Stiefsohn an. „Tut mir leid, mein Junge, so war das nicht gemeint.“ Bei diesen Worten zog er eine Lesebrille aus seiner Hemdtasche und wandte seine Aufmerksamkeit dem Artikel zu.

„Okay, sie haben uns ein bisschen in den Dreck gezogen“, gab er ein paar Minuten später zu. „Lass dich von ihnen nicht ärgern. Das ist keine große Sache.“

„Keine große Sache?“ Cole schäumte jetzt vor Wut. Die Überschrift war rot und fett gedruckt: Nicht für Großmütter – Stiletto Cosmetics macht Espresso gewaltig Konkurrenz.

„Während Cole Sinclair verzweifelt versucht, die Firma seiner Familie, Espresso Cosmetics, vor dem Untergang zu retten, macht eine neue Kosmetikmarke riesige Schlagzeilen“, zitierte Cole einen Satz in dem Artikel.

Entschlossen nahm Victor seine Brille ab, faltete die Zeitung und schob sie sich unter den Arm. „Wir hatten gerade unsere erste erfolgreiche Kollektion seit beinahe einem Jahrzehnt. Und das haben wir dir zu verdanken.“

„Doch die Presse hat das mit keinem Wort erwähnt, obwohl unser PR-Team sich große Mühe gegeben hat“, widersprach Cole.

„Aber es war trotzdem ein großes Erfolgserlebnis für die Angestellten, die schon lange keines mehr hatten. Du solltest stolz auf dich sein, statt dir wegen eines blöden Artikels und eines albernen Fotos Gedanken zu machen.“

America Today erscheint landesweit. Dazu kommen noch die Online-Ausgaben hier und im Ausland.“

„Jetzt hör auf damit. Espresso feiert ein großes Comeback“, erklärte Victor.

„Ein Comeback? Träumst du?“ Ungläubig starrte Cole den älteren Mann an. „Davon sind wir meilenweit entfernt.“

„Unsere Weihnachtskollektion war ausverkauft. Das nenne ich einen guten Start in die richtige Richtung.“

Cole zuckte mit den Schultern. „Der Erfolg der Weihnachtskollektion war ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Er wünschte sich einfach nur, dass Espresso in der Kosmetikindustrie wieder etwas galt. Es war zu spät, um die harten Worte, die er seiner Mutter bei ihrem letzten Zusammentreffen an den Kopf geworfen hatte, zurückzunehmen. Er hoffte inständig, wenigstens ihr Vermächtnis noch retten zu können.

„Wir brauchen ein Wunder, um aus den roten Zahlen zu kommen und unser Alte-Damen-Image loszuwerden“, sagte Cole seufzend, gab etwas in seinen Computer ein und stand auf. „Ich wollte dir eigentlich später eine Kopie hiervon schicken, aber du kannst es dir auch jetzt ansehen.“

Victor nahm auf Coles Stuhl am Schreibtisch Platz und holte erneut seine Brille hervor.

„Das ist eine Umfrage unter Kunden, die in der Weihnachtszeit in verschiedenen Kaufhäusern Kosmetika gekauft haben“, erklärte Cole dem älteren Mann. Er lehnte sich über Victors Schulter und klickte mit der Maus. „Das hier sind nur ein paar der Kommentare, die Kundinnen abgegeben haben, als sie zu Espresso befragt wurden.“

„An ihren Verkaufstresen in den Kaufhäusern ist weniger los als in einer Leichenhalle“, las Victor, ehe er mit einer anderen Bemerkung fortfuhr: „Ich wusste gar nicht, dass es die überhaupt noch gibt.“

Mit dem Zeigefinger deutete Cole jetzt auf das, was eine zweiundzwanzigjährige Käuferin zum Thema Espresso zu sagen gehabt hatte. Diesmal las er den Text vor: „Ich bin nur hier, um für meine Großmutter ihren Lieblingslippenstift zu besorgen. Sonst würde ich niemals dieses Oma-Zeug kaufen. Ich bin ein Stiletto-Fan, durch und durch.“

Sein Stiefvater stieß einen tiefen Seufzer aus. „Deshalb bist du so sauer.“

Cole nickte. „Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass es zu spät ist, um die Meinung, die die Leute von uns haben, zu ändern. Unser Senioren-Image hat sich bei den Kunden schon zu tief eingeprägt.“

„Aber …“, versuchte Victor zu widersprechen, doch Cole hob die Hand.

„Lass mich ausreden. Wieso sollen wir uns weiter die Köpfe an einer Betonwand einschlagen? Stiletto gilt bereits als Marke für moderne, trendige Menschen und wird bei der jungen Zielgruppe, hinter der wir her sind, immer beliebter.“

„Worauf willst du hinaus, mein Junge?“

Cole lächelte. Wieso war er nicht schon früher darauf gekommen?

„Man nennt es die Akquirieren-um-zu-wachsen-Strategie. Die musste ich während meiner Zeit bei Force Cosmetics anwenden. Um es einfach auszudrücken: Wenn wir die Konkurrenz nicht schlagen können, müssen wir sie aufkaufen.“

Er hielt kurz inne, um Victor Gelegenheit zu geben, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Dann fuhr er fort: „Wir würden den Namen Stiletto und auch die Verpackungen beibehalten, gleichzeitig aber die Marke Espresso aufpolieren und ihr ein Image als Make-up für die klassische oder reifere Frau oder so was in der Art verpassen.“

„Aber wie willst du das anstellen?“ Victor sah seinen Stiefsohn skeptisch an. „Du hast doch gehört, was Doyle gesagt hat: Die Kosmetikabteilung schreibt rote Zahlen. Die Espresso-Day-Spas deiner Schwester haben uns eine Weile lang über Wasser gehalten, bis du zurückgekommen bist, um den Ruin abzuwenden.“

Cole verschränkte die Arme über der Brust. Während sich Espressos finanzielle Lage in seiner Abwesenheit dramatisch verschlechtert hatte, war sein Privatvermögen gewaltig angewachsen. „Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum. Ich werde Ms. Matthews ein Angebot machen, dem sie nicht widerstehen kann.“

Sage saß an ihrem Schreibtisch und hatte gerade ein Telefonat beendet, als ihre Assistentin Amelia mit einem rosafarbenen Zettel in der Hand ihr Büro betrat. Ein breites Grinsen betonte die Grübchen in ihren Wangen. „Gut, dass Sie endlich fertig sind.“

„Was gibt’s?“ Neugierig sah Sage ihre Assistentin an und stützte ihre Ellbogen auf dem Schreibtisch ab.

„Sie werden niemals erraten, wer für Sie angerufen hat!“ Die Neunzehnjährige trat vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen. „Nicht in einer Million Jahren.“

„Na, dann lass mich nicht …“ Sage hielt mitten im Satz inne und blickte auf die Uhr. „Moment mal. Was tust du denn noch hier? Dein Unterricht beginnt in fünf Minuten.“

Amelia hatte mit siebzehn angefangen, ein paar Stunden pro Woche bei ihr zu arbeiten. Sage war begeistert von der Kleinen gewesen und hatte sie vor Kurzem zu ihrer Assistentin befördert − unter der Bedingung, dass Amelia nebenher College-Kurse besuchte.

„Zu Befehl, General! Aber zuerst muss ich Ihnen erzählen, wer angerufen hat, sonst explodiere ich.“

„Um Himmels willen, spuck’s schon aus, damit du endlich gehen kannst. Und wenn du mich schon General nennst, dann tu es wenigstens hinter meinem Rücken wie alle anderen hier.“

„Cole Sinclair“, platzte es aus Amelia heraus.

Sage las die Notiz, die Amelia ihr hinhielt, und grübelte, woher ihr der Name bekannt vorkam. Auf einmal fiel es ihr wieder ein. „Du meinst von Espresso Cosmetics?“ Die Firma seiner Familie war in einem Artikel über Stiletto, der vor ein paar Tagen in America Today erschienen war, kurz erwähnt worden.

„Hat er gesagt, was er will?“

„Nur, dass es wichtig sei“, erwiderte Sages Assistentin. „Was glauben Sie?“

Sage zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist er wegen des Artikels in America Today sauer. Espresso ist darin nicht gerade gut weggekommen.“

„Oder vielleicht …“ Amelia legte eine dramatische Pause ein. „Vielleicht hat er das Foto von Ihnen in der Zeitung gesehen und sich total in Sie verknallt. Und jetzt will er sich mit Ihnen verabreden. Stellen Sie sich das mal vor.“ Die junge Frau kreischte begeistert. „Ein großer, gut aussehender Firmeninhaber ist von Ihrem Foto völlig hingerissen, verliebt sich hoffnungslos in Sie und ist fest dazu entschlossen, Ihr Herz im Sturm zu erobern.“

Sage starrte in das verträumte Gesicht der jungen Frau und konnte es nicht glauben, was für einen Unsinn sie von sich gab. Wie konnte ein Mädchen, das so klug war, gleichzeitig so dumm sein? Einen Moment lang wartete sie ab und suchte nach diplomatischen Worten, denn sie wollte Amelia auf keinen Fall verletzen.

Aber ihr fiel nichts Diplomatisches ein.

„Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe“, brach es aus ihr hervor.

„Es könnte doch passieren.“

„Ja, und vielleicht kommt er in einer Ritterrüstung oder mit bloßem Oberkörper auf einem Schimmel in mein Büro geritten, genau wie in den blöden Liebesromanen, die du ständig liest.“

„An den Romanen ist nichts blöd! Und je mehr ich darüber nachdenke, desto eher bin ich der Meinung, dass ein Date genau das ist, was Sie brauchen. Dann würden Sie vielleicht etwas lockerer werden und die Leute hier würden unter Umständen aufhören, Sie hinter Ihrem Rücken General zu nennen.“

Sie konnten sie nennen, wie sie wollten. Das war Sage völlig egal, solange sie ihre Arbeit gut erledigten. „Du solltest deine Nase mehr in deine Schulbücher stecken als in diese Kitschromane.“

„Ich gehe sofort, aber zuerst muss ich Ihr Treffen mit Mr. Sinclair planen.“

Amelia zog das Telefon aus ihrer Hosentasche. „Er möchte Sie so bald wie möglich sprechen.“ Mit einem Eingabestift, den sie hinter ihrem Ohr hervorgezogen hatte, tippte sie jetzt auf das Display. „Ihr Terminplan ist bereits brechend voll, aber ich könnte ein paar Dinge verschieben, damit Sie sich heute noch oder gleich morgen früh mit ihm treffen können.“

Sage hob warnend den Zeigefinger. „Jetzt mal langsam. Ich habe mich noch nicht einmal entschieden, ob ich mich überhaupt mit ihm treffen werde.“

Entgeistert starrte die junge Frau sie an. „Das ist jetzt ein Witz, oder?“

„Du weißt besser als sonst irgendjemand, dass ich nur selten Witze mache.“

„Sind Sie denn gar nicht neugierig? Ich kann’s kaum erwarten zu erfahren, was er will.“

Sage musterte Amelia mit scharfem Blick. „Du wirst aber leider warten müssen, weil du jetzt zu deinem Unterricht gehst. Und zwar sofort.“

Murrend verließ das Mädchen das Büro.

Sage hatte keine Ahnung, weshalb Cole Sinclair bei ihr angerufen hatte. Aber im Gegensatz zu Amelia hing sie nicht irgendwelchen Fantasien nach, denn sie lebte in der realen Welt.

Und in dieser realen Welt wollten reiche Leute nur mit armen über Geschäfte sprechen, wenn sie etwas Wertvolles von ihnen wollten.

2. KAPITEL

Mit Geld ließ sich zwar kein Glück kaufen, doch Cole wusste, dass man ansonsten fast alles damit erreichen konnte.

Beschwingten Schrittes ging er zu Fuß zum Restaurant, in dem er sich mit Sage zum Mittagessen verabredet hatte. Er war sich sicher, dass er auf dem Rückweg der neue Inhaber von Stiletto Cosmetics sein würde.

Sage faszinierte Cole, denn sie hatte ihn eine Woche lang hingehalten − und das war er ganz und gar nicht gewohnt. Normalerweise schob ihn niemand aufs Abstellgleis. Wenn er mit dem Finger schnippte, kamen die Leute angerannt, insbesondere die Frauen.

Eine weitere Begleiterscheinung einer dicken Brieftasche.

Entweder hatte Ms. Matthew also die zahlreichen Artikel, die über ihn erschienen waren, nicht gelesen, oder sie war einer der wenigen Menschen, die sich von Geld nicht beeindrucken ließen.

Ein Schwall warmer Luft kam ihm entgegen, als er die Tür des Restaurants öffnete und die Gaststätte betrat. Sofort entdeckte er die Frau, die ihm den Rücken zuwandte und mit der Empfangsdame sprach.

Ihre wilde Frisur und ihre langen wohlgeformten Beine hätte Cole überall wiedererkannt. Sie trug einen kurzen roten Wollmantel und glänzende Lacklederstiefel mit hohen Absätzen.

„Mr. Sinclair ist noch nicht hier, aber ich nehme Ihnen gern den Mantel ab und führe Sie zu dem Tisch, den er in unserem privaten Esszimmer für Sie reserviert hat“, hörte Cole die Empfangsdame sagen, die ihn offensichtlich noch nicht gesehen hatte.

„Nein danke“, lehnte Sage Matthews freundlich ab und blickte auf ihre Armbanduhr. „Wir sind in fünf Minuten verabredet. Wenn er bis dahin nicht hier ist, gehe ich.“

Cole räusperte sich und zog damit die Aufmerksamkeit der beiden Damen auf sich. „Ich bin hier“, mit diesen Worten sah er zunächst auf seine eigene Uhr und dann zu Ms. Matthews. „Vier Minuten zu früh.“

Ihre Blicke trafen sich, doch in ihrem Blick lag nicht die Spur von Unsicherheit. Stattdessen spiegelte sich in ihren schokoladenbraunen Augen Herausforderung wider. „Gut. Zeit ist Geld, Mr. Sinclair. Und meine ist kostbar.“

Cole zuckte innerlich zusammen. Diese Aussage hätte auch von ihm stammen können und er hätte sie genau so ausgesprochen − direkt und unverblümt. „Na, dann lassen Sie sie uns nicht verschwenden“, war alles, was er darauf erwiderte.

Ein paar Minuten später saßen sie in dem kleinen privaten Esszimmer, das er gern für Geschäftstreffen benutzte.

Auf dem Weg zu ihrem Tisch war Cole nicht entgangen, wie selbstsicher seine Begleitung zwischen den Tischen hindurchgegangen war, ganz so, als gehörte ihr das Restaurant. Auch die anerkennenden Blicke der Männer im Raum waren ihm aufgefallen.

Er musste zugeben, die Frau hatte etwas sehr Reizvolles an sich.

Aber er verfolgte eine Absicht mit diesem Mittagessen und würde sich auf keinen Fall von irgendetwas ablenken lassen. Nicht mal von den hübschen Beinen, die in dem Minikleid und den fantasieanregenden hochhackigen Lacklederstiefeln unglaublich gut zur Geltung kamen.

Ein Kellner brachte ihnen die Speisekarten und nahm ihre Getränkebestellung auf, ehe er wieder verschwand.

„Danke, dass Sie sich mit mir treffen, Ms. Matthews“, begann Cole das Gespräch. Er brauchte die Speisekarte gar nicht aufzuklappen, denn er wusste bereits, was darin stand. Die meisten vornehmen Restaurants boten dasselbe an. Eine klitzekleine Portion Fleisch oder Fisch auf irgendeinem Gemüsepüree mit zwei Salatblättern dazwischen. Die Gerichte sahen meistens so aus, als seien sie für irgendeine Kunstgalerie bestimmt und nicht zum Essen gedacht.

Cole hätte sich mit seinen Geschäftspartnern lieber bei einer anständigen Mahlzeit unterhalten, wie einem Burger, einem Clubsandwich oder einer Pizza.

Er betrachtete die Frau, die ihm gegenübersaß und die Speisekarte durchlas. Wieder überraschte ihr Verhalten ihn, denn die meisten Leute hätten das Schweigen mit irgendwelchem Small Talk ausgefüllt.

Sein Blick fiel auf ihre vollen Lippen, die sie, passend zu ihrem Kleid, in einem kräftigen Rotton geschminkt hatte.

Als sie aufblickte, fühlte er sich zwar ertappt, sah jedoch unverwandt auf ihren Mund. „Ich habe gerade den Farbton Ihres Lippenstiftes bewundert“, erklärte er in dem Bemühen, sie − und vor allem sich selbst − davon zu überzeugen, dass das Interesse an ihrem Mund rein berufliche Hintergründe hatte.

Ms. Matthews zog eine ihrer perfekt gewölbten Augenbrauen hoch. „Das ist einer von Stilettos Bestsellern. Die Farbe heißt ‚Kess‘.“

Cole leckte sich die Lippen, sein Mund war auf einmal völlig trocken. Das kann ich mir gut vorstellen, dass du das bist.

Hatte er das laut gesagt? Doch sie blieb ungerührt, und Cole atmete erleichtert auf.

Der Kellner kam mit ihren Getränken. Cole nutzte die Gelegenheit, während sie beide bestellten, sich selbst zur Vernunft zu ermahnen.

Konzentrier dich. Das ist ein Geschäftsessen und kein Date. Schnell griff er nach seinem Wasserglas und nahm einen großen Schluck. Nein, er würde sich nicht mehr von glänzenden hochhackigen Stiefeln oder roten Lippen ablenken lassen.

„Wie wär’s, wenn Sie mir jetzt erzählen, weshalb Sie sich mit mir treffen wollten, Mr. Sinclair?“

Cole schluckte. Trotz seiner guten Vorsätze war er mit seinen Gedanken schon wieder woanders gewesen.

„Wie bitte?“ Seine Worte waren ein raues Krächzen.

„Da wir festgestellt haben, dass wir beide nicht gern Zeit verschwenden, hatte ich angenommen, wir würden das höfliche Geplänkel überspringen und gleich zur Sache kommen.“

Wieder erlebte er ein merkwürdiges Déjà-vu. Wie oft hatte er genau dasselbe gesagt? Man konnte geradezu meinen, er säße einer weiblichen Version seiner selbst gegenüber.

„Ich möchte Stiletto kaufen“, mit diesen Worten lehnte er sich nach vorn und verschränkte die Arme auf dem Tisch.

Ihre Augen weiteten sich, doch sie erholte sich schnell von dem Schreck, lehnte sich ebenfalls nach vorn und verschränkte die Arme auf dem Tisch.

„Dann war dieses Treffen wirklich eine Zeitverschwendung für uns beide, Mr. Sinclair, denn meine Firma steht nicht zum Verkauf.“

Das denkst auch nur du, dachte Cole. „Nicht so hastig, Ms. Matthews“, entgegnete er. „Sie wissen schließlich noch nicht, was ich Ihnen anzubieten habe.“

„Das ist völlig unerheblich.“

„Oh, das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Na gut, schießen Sie los.“

Cole fühlte sich durch ihren leicht verhöhnenden Ton herausgefordert. Er konnte es kaum erwarten, den Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen, wenn er ihren Erwartungen nicht nur entsprach, sondern diese auch noch übertraf.

Sie sahen einander in die Augen und keiner wandte den Blick ab. Cole war sich sicher, dass er das Restaurant mit dem, was er wollte, verlassen würde. Aus der Innentasche seiner Anzugjacke zog er nun ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus und schob es ihr über die weiße Tischdecke zu.

Ihre Fingerspitzen streiften seine Hand, als sie es entgegennahm, was in Cole eine knisternde Spannung auslöste. Forschend sah er sie an. Hatte sie das auch gespürt? Zum ersten Mal, seit sie sich getroffen hatten, wandte sie als Erste den Blick ab.

Offensichtlich war auch ihr der spannungsgeladene Moment nicht entgangen.

Noch immer spürte er ein Kribbeln an der Hand, dort, wo sie ihn versehentlich berührt hatte. Cole beobachtete, wie sie die Schultern straffte und sich aufrichtete. Während sie das Blatt Papier entfaltete, fiel ihm auf, dass ihre Fingernägel auch rot lackiert waren.

Diesmal konnte Sage Matthews ihre Reaktion nicht verbergen. Das Papier fiel ihr aus der Hand auf den Tisch und ihr reizender roter Mund blieb offen stehen.

„Oh, mein Gott“, stotterte sie und starrte Cole an. „Das ist ein Witz, oder?“

„Ich mache niemals Witze, wenn es ums Geschäft geht, Ms. Matthews.“ Genugtuung breitete sich in ihm aus.

Cole hob das Blatt Papier vom Tisch auf und reichte es ihr erneut. Als der Kellner mit ihrem Essen kam, blickte Sage immer noch unverwandt auf das Angebot.

„Lassen Sie die Zahl einfach erst einmal auf sich wirken und genießen Sie das Essen.“ Cole gab sich alle Mühe, nicht selbstgefällig zu klingen. „Wir können darüber sprechen, wenn wir gegessen haben.“

Die Überraschung, die gerade noch in Sages Blick gelegen hatte, verwandelte sich augenblicklich in Desinteresse. Aber Cole hatte das schon oft erlebt und wusste genau, was ihr durch den Kopf ging.

„Soll mir recht sein“, antwortete Sage, faltete das Papier und legte es beiseite.

Cole konzentrierte sich auf das schön verzierte Stück Fisch, das auf dem Teller vor ihm lag. Als er nach seiner Gabel griff und kurz aufsah, fiel ihm auf, wie Sage stirnrunzelnd ihr Essen betrachtete, es aber nicht anrührte.

„Ist alles in Ordnung?“

Sage rümpfte die Nase und zum ersten Mal sah er, dass sie ein paar Sommersprossen hatte. „Wollen Sie die Wahrheit hören?“

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie nur ehrlich sein können“, erwiderte Cole lachend.

„Mir ist bewusst, dass Sie an solche sogenannten kulinarischen Erlebnisse gewöhnt sind. Aber ich bin ein einfaches Mädchen vom Land und ich hätte genauso gern ein Sandwich oder einen Burger gegessen.“

„Unglaublich“, murmelte Cole.

Autor

Phyllis Bourne
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